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Erreichbar im Urlaub?
In der biblischen Schöpfungsgeschichte heißt es so schön, dass Gott der Herr am siebten Tage ruhte von all seinen Werken. Und derer waren viele, da er ja alles erschaffen hatte. Das war wirklich über alle Maßen. Und dann versorgt er noch alles, und nichts kann auch nur ein Momentlein ohne seine Fürsorge sein. Was machte Gott also am siebten Tage? — Er ruhte.
Wenn ich meine, dass ich im Urlaub erreichbar sein muss, halte ich mich dann für unentbehrlich? Vertraue ich meinen Kollegen zu wenig? Meine ich, dass diese ohne meine Weisheit und Hilfe nicht zurechtkommen können? Halte ich mich für allzu wichtig? Folge ich gar der Schlange im Paradies des Herzens, die mir die Hybris einflüstert: … sein wie Gott? — Nun, dann verbaut mir die Schlange ja gerade auch den Blick dafür, dass dieser am siebten Tage ruhte, dass ich auch ruhen soll wie er, neue Kräfte sammeln, meine Beziehungen pflegen, die im stressigen und verantwortungsvollen Berufsleben ja immer zu kurz kommen? Bedient sich gar jene allerlistigste Schlange heutzutage der modernen Kommunikationsmittel wie Handy, E–Mail, Twitter, Telegram, Signal, Facebook usw., über die man sich ja immer erreichbar wähnt?
Urlaub ist ein sonderbares Wort. Was hat das Uriges in sich? Was ist darin anfänglich, ursprünglich? — Vielleicht die Er–Laubnis, zu jener Ur–Ruhe des siebten Tages heimzukommen? Die Urlaubnis, zu dem familiären Ursprünglichen zurückzukehren, zu den Primärbeziehungen, die vor dem Dienst da waren und die nach getaner Arbeit da sind, meine müde Seele zu ertragen? Vielleicht ist das urig, mal die schnaufenden inneren Pferde der Arbeitswelt auszuspannen, ihnen Rast und Ruhe zu gönnen und dabei zu merken, dass in dem Wörtlein Rast mit kurzem A dasselbe Wort steckt wie im Slogan an der Autobahn: Nicht rasen, sondern rasten. Also im Plural: Rast nicht so, mit langem A und den gleichen Buchstaben. Urlaub bedeutet, dass man die Erlaubnis bekommen hat, sich von der Arbeit zu entfernen. Viele tun das physisch, indem sie verreisen. Warum muss man dabei erreichbar sein? Der Schauspieler Hape Kerkeling sagte: Ich bin dann mal weg… und pilgerte den Jakobsweg (später vor literarischem Publikum). Er war dabei unerreichbar.
Im Finnischen hat das Wort loma die Grundbedeutung von Lücke, Ritze, Spalte, was sich in übertragenem Sinne mit innerem Kasus auf den Zwischenraum erweitert hat: töiden lomassa frei, aber mit dem äußeren Kasus die weitergehende, längere und indefinite Bedeutung von Ferien, Urlaub, Erholung, Sommerfrische trägt und eine Arbeitslücke enthält, Mut zur Lücke, die Arbeit in die Ritze fallen zu lassen: Olen lomalla, was man des subarktisch kurzen und glücklicherweise oft schneearmen Sommers halber immer respektiert, denn die Finnen haben gesetzlich garantiertes Anrecht auf Sommer–Urlaub.
Das englische Wort holiday stammt vom heiligen Tag ab und bedeutet heutzutage das Ablassen von der Arbeit, das Aufhören, Erholung, Freizeit, Entspannung, Atempause, Regeneration, Ruhe, Genesung, Ferien. Sollten wir es wieder lernen, den Urlaub zu heiligen? Einfach mal unerreichbar sein und die Arbeitsseele baumeln lassen?
/ Hans–Christian Daniel, Propst