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"Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen"
Aus der Rubrik 'Liedblatt', zu Evangelisches Gesangbuch, EG 646 (im bayrischen Anhang):
„Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen“
Herr, gib mir Mut zum Brücken bauen, gib mir den Mut zum ersten Schritt. Laß mich auf deine Brücken trauen, und wenn ich gehe, geh du mit.
Ich möchte gerne Brücken bauen, wo alle tiefe Gräben sehn. Ich möchte hinter Zäune schauen Und über hohe Mauern gehn.
Ich möchte gern dort Hände reichen, wo jemand harte Fäuste ballt. Ich suche unablässig Zeichen des Friedens zwischen Jung und Alt.
Ich möchte nicht zum Mond gelangen, jedoch zu meines Feindes Tür. Ich möchte keinen Streit anfangen, ob Friede wird, das liegt bei mir.
Herr, gib mir Mut zum Brücken bauen, gib mir den Mut zum ersten Schritt. Laß mich auf deine Brücken trauen, und wenn ich gehe, geh du mit.
Brücken begleiten uns durch unser ganzes Leben. Sei es um ans andere Flussufer zu kommen, über eine vielbefahrene Straße zu kommen oder über ein tiefes Tal. Sie können aber auch Sinnbilder fürs Überwinden von Tälern, Grenzen oder einfach zwischen Menschen verschiedener Gruppen sein. Musik, Glaube oder Kultur kann eine solche Brücke sein. So ist der Deutsch–Finnische Chor bei uns in der Gemeinde eine Brücke zwischen der deutschen und der finnischen Kultur, Sprache und Musik.
Ein Lied, welches uns auffordert, solche Brücken zu bauen, wird 1963 von Kurt Rommel geschrieben. Er ist Pfarrer in der württembergischen Landeskirche und setzt sich dort vor allem als Jugendpfarrer in Stuttgart viel für die Jugendlichen aber auch für alternative Gottesdienstformen ein.
Mit diesem Lied fordert er auf, mutig zu sein, auf neue Leute zuzugehen und Brücken zu bauen, um Hass zu überwinden. Eine Botschaft, die gerade jetzt wieder sehr aktuell ist. Oft haben wir Angst davor, neue Brücken zu bauen. Da ist diese Ungewissheit, was uns am anderen Ufer erwartet. Manchmal jedoch ist das andere Ufer gar nicht so unbekannt, wie man denkt. Manchmal kommt einem das andere Ufer überraschend bekannt vor. Vielleicht geht es ihnen so wenn sie das Lied singen und bei der letzten Strophe angekommen sind. Vielleicht denken sie sich dann „na, den Text kenne ich doch irgendwoher…“
Auch wenn es nicht immer so leicht ist wie es klingt, neue Brücken zu bauen, sollen wir es wagen. Denn im Vertrauen darauf, dass Gott bei jedem Schritt an unserer Seite ist, können wir unser Ziel erreichen.
Lasst uns also dieses fröhliche und beschwingte Lied mit dieser eingängigen Melodie als Motivation sehen, diesen Restsommer zu nutzen, um neue Brücken zu bauen — oder alte Brücken mal wieder zu reparieren.
Wie der Text baut auch die Melodie kleine Brücken. Das Lied ist in F–Dur geschrieben. In der Tonart der Pastoralen, welche einen lieblichen und heiteren Charakter haben. Es gibt auch eine ältere Version des Liedes mit einer Melodie von Paul Bischoff in d–Moll. Sie klingt eher nachdenklich oder zögernd. Da der Text aber einen ermutigenden und frohen Charakter hat, finde ich die Version in F–Dur passender. Sie unterstützt den aufbrechenden Charakter des Lieds besser. Beide Versionen sind im 4/4 Takt geschrieben, die am häufigsten vorkommende Taktart, in welchem immer der erste und der dritte Schlag eines Taktes betont wird. Das sorgt bei diesem Lied vor allem durch die Betonung auf der Note nach den Synkopen für ein Fortschreiten. Mit nur acht Takten ist das Lied relativ kurz. Es kann jedoch noch in zwei vier–Takt–Abschnitte unterteilt werden, welche rhythmisch fast identisch sind — lediglich der letzte Takt ist etwas anders. Das macht die Melodie eingängig und damit leicht zu singen. Die immer wiedervorkommenden Achtelpausen und Synkopen zusammen mit einer Aufwärtsbewegung der Melodie geben dem Lied ihre Leichtigkeit und den Optimismus, das Brückenbauen nicht in Frage zu stellen, sondern mit Mut voranzuschreiten.
/ Simon Stengel