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VOM SCHNEESÜCHTIGEN SCHULSCHWÄNZER ZUM
Gr Nen Abenteurer
BANFF-Veteran und VAUDE-Athlet Andreas „Gumpy“ Gumpenberger über seine Kindheit in den Kitzbüheler Alpen, die natürliche Lässigkeit seiner Wirkungsstätte Innsbruck, die perfekte Ausrüstung beim „Sporteln“ am Hausberg und die Verantwortung für die Zukunft.
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„Ich war jede freie Minute auf dem Snowboard oder auf Skiern und habe mehr als einmal Schule geschwänzt. Meistens habe ich behauptet, ich wäre krank gewesen. Aber die Abdrücke, die meine Skibrille und die Wintersonne auf dem Gesicht hinterließen, haben mich verraten.“ Wenn Andreas Gumpenberger über seine Kindheit in den Kitzbühler Alpen erzählt, kommt der Lausbub durch.
Diese Eigenschaft hat sich der Alpinist und Filmemacher erhalten. Schließlich braucht es eine ordentliche Portion Überund Wagemut, wenn man mit Skiern am Rücken durch Höhlen kriecht, in Pakistan Skikurse für einheimische Kinder veranstaltet oder als erster Mensch das Shimshal White Horn hinunterfährt.
Seine Liebe zum Bergsport hat Gumpenberger in den Wintern der 1990er Jahre entdeckt. Schlicht und einfach weil man direkt vom Haus weg zum Skilift wedeln konnte. Diese Nähe zu den Bergen ist es, die den 1988 geborenen Extremsportler bis heute in den Bann zieht. „Ich würde nie wo anders leben wollen“, sagt er. Wer nach Tirol kommt, taucht in ein Meer von Bergen ein. Ganze 574 Dreitausender schrauben sich hier ins Himmelhoch. Obwohl - oder gerade, weil das die Region im Westen Österreichs mit 24.000 Kilometern an aus- geschilderten Wanderwegen, über 170 Alpenvereinshütten, 6.200 MTB-Routenkilometern und 5.000 Alpinkletterrouten auftrumpfen kann, finden Frau und Herr Abenteuerlustig viele Möglichkeiten, abseits bekannter der Pfade das Glück zu finden. Schließlich ist nur ein Achtel Tirols verbaut. Der Rest gehört der Natur. Mal ungezügelt wild, mal ganz handzahm präsentiert sie sich. Die Frage, wo es in Tirol denn am schönsten sei, ist unmöglich zu beantworten. Außer man fragt jene, die hier geboren sind, in einer der 279 Gemeinden des Landes. So und nicht anders ist es auch bei Andreas Gumpenberger. Der Tiroler ist ein Para- debeispiel, eine nahezu perfekte Blaupause für einen, der seine Liebe für das Hohe, das Weite, das Steile und das Anstrengende zum Beruf machte: Als Extremsportler, Filmemacher und Experte für die außergewöhnlichsten Fleckchen in den Alpen.
Heimatverbundener Grenzg Nger
Vor der Arbeit eine Runde mit dem Gleitschirm drehen. In der Mittagspause den frisch gefallenen Powder auskosten. In Sportbekleidung im Business-Meeting sitzen. „Diese einzigartige Mischung aus alpin und urban gibt es wohl nur hier“, sagt Andreas Gumpenberger. In Birgitz, einem 1.500-Seelen-Dorf, das nur eine Viertelstunde von der Innsbrucker Innenstadt entfernt liegt, hat „Gumpy“ seine Homebase gefunden. Bei aller Heimatliebe war dem gebürtigen Salzburger, der als Kleinkind mit seinen Eltern nach Tirol, das „Über-den-Tellerrand-schauen“ wichtig: „Schon immer hat mich interessiert, was auf der anderen Bergseite liegt, wo man rauskommt, wenn man diesen oder jenen Grat überschreitet“. Physische und geistige Grenzgänge gleichermaßen reizen den sportlichen Allrounder. Gemeinsam mit Bergkamerad und Geschäftspartner Stefan „Steff“ Ager hat sich Andreas mit Filmen wie „Heimschnee“, „Zeppelinskiing“, „Karakorum.“ oder „Durch den Berg“ einen Namen in der Bergsportfilm-Szene gemacht. Der Weg dorthin war nicht vorgezeichnet, schließlich stammt Andreas „nicht aus der übertrieben sportlichsten Familie“, wie er selbst sagt, um im selben Atemzug hinterherzuschieben:
„Für Tiroler Verhältnisse meine ich, denn natürlich war meine Mama schon auf dem Großglockner“. Ohne Frage, nicht jeder Tiroler und jede Tirolerin ist ein waschechter „Bergfex“, doch ein Aufwachsen und Großwerden am Berg gehört hierzulande fast schon zum guten Ton
DORTHIN, WO KEINE LEUTE SIND
Bevor es ihn auf die unberührte Seite der Tiroler Berge zog, verbrachte Andreas Gumpenberger unzählige Stunden in den Tiroler Snowparks. „Wie viele, hatte ich damals den Traum, Profisnowboarder zu werden. Ich konnte sogar ein paar Wettbewerbe hier in Tirol gewinnen. Aber irgendwann waren mir die Partys und der Trubel zu viel. Ich wollte dorthin, wo keine Leute waren.“ Das Unberührte, das Undenkbare übt bis heute eine enorme Anziehungskraft auf Andreas Gumpenberger aus. Für die nächsten Jahre hat er sich vorgenommen, die Tiroler Berge noch besser kennenzulernen. „Es ist unglaublich, wie viel es da draußen noch zu entdecken gibt“, erzählt der VAUDEAthlet begeistert und verrät, schon das eine oder andere Abenteuer in Planung zu haben: „Ich denke da zum Beispiel an lange Kombinationstouren im Winter, die das volle Spektrum eines Alpinisten erfordern, wie zum Beispiel eine komplette Überschreitung der schwersten Gipfel im Sellraintal.“ Auch die gesamte Nordkette an einem Tag zu überschreiten, kann sich Andreas vorstellen. Auf die Frage, was ihn an seiner Heimat besonders berührt, hat er sofort eine Antwort parat: „Die vier Jahreszeiten und ihre Möglichkeiten haben einen unglaublichen Charme. Da sind diese tief-verschneiten Winter, die angenehmen Frühlingstage für lange Skitouren und erste Klettereien, im Sommer die herrlichen Seen und im Herbst, da kann man eigentlich alles machen. Klettern, Biken, Paragleiten und Skifahren“.
Wie damals in den Kindertagen in Itter empfindet es Gumpenberger auch heute noch als großes Glück, direkt von zuhause aus in Bergabenteuer starten zu können: „Die Infrastruktur in Tirol ist ausgezeichnet, man steigt in eine Bergbahn und ist im Handumdrehen im Hochalpinen“, schwärmt er. Auch wenn er eigentlich ein Bio-Biker ist, dem Trend zum E-Bike kann er immer mehr abgewinnen. Nicht nur als persönliche „Gaudi“, sondern vor allem als Vehikel für die Erkundungstouren, die im Rahmen seiner Tätigkeit als LocationScout gefragt sind.
Grosse Filme Mit Kleinem Fussabdruck
„Im Grunde begann es mit der Frage, ob wir nicht eine coole Berghütte kennen würden“ erinnert sich Andreas an die Anfänge seiner Firma „Lensecape“. Denn neben aufsehenerregenden Eigenproduktionen bieten Gumpenberger und sein Team professionelle Unterstützung für Firmen an, die Werbe- oder Sportfilme und Dokumentationen in Tirol drehen wollen. Der Heimvorteil von Andreas Gumpenberger und seinem Geschäftspartner Stefan Ager ist unbestritten.
„Das fängt schon beim Dialekt an, als Nicht-Tiroler kann man schon mal an seine Grenzen kommen, wenn man in einem der Täler mit den Einheimischen etwas organisieren will“, erzählt Gumpy lachend und fügt hinzu: „Unsere Kunden sind auch immer wieder erstaunt, welche wunderschönen Locations bei uns auf kleinstem Raum zu finden sind“. Daher ist es kaum verwunderlich, dass sich Tirol als Filmland auch international längst einen Namen gemacht hat. Dass die hier gedrehten Streifen nicht nur einen grünen Anstrich, sondern einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen, ist Gumpenberger eine Herzensangelegenheit: „Green Producing hat in den letzten Jahren für uns an Bedeutung gewonnen. Wir können die Auswirkungen des Klimawandels nicht von der Hand weisen und möchten unseren Beitrag dazu leisten, die Natur und die Bergwelt für nachkommende Generationen zu erhalten“, sagt der engagierte Bergsportler, der 2020 den Creative Hub „Filmbase Tirol“ in Innsbruck gegründet hat. Die Begeisterung für umwelt- und ressourcenschonendes Arbeiten hat Kooperationspartner VAUDE geweckt:
„Als junger Athlet habe ich mir nicht wirklich Gedanken darüber gemacht, man ist ja schließlich froh, überhaupt einen Sponsor zu haben. Mit der Zeit habe ich verstanden, wie VAUDE arbeitet, dass Nachhaltigkeit und faire Produktionsbedingungen dort wichtig sind und mich somit immer mehr mit der Materie befasst.“
Gumpenberger liebäugelt derzeit mit einer Ausbildung zum „Green Film Consultant“, weil es in der Branche noch viel zu viele Missstände gäbe: „Es darf einfach nicht sein, dass bei einer Filmproduktion jedes Crewmitglied mit dem eigenen Auto herumfährt, Schauspieler fürs Wochenende ausgeflogen werden oder das Essen in Plastik serviert wird.“ Gumpenberger begrüßt auch den Ansatz eines „grünen Filmsiegels“, das emissionsarme und kontrolliert nachhaltige Produktionen mit höheren Fördergeldern belohnt. „Ich hoffe, wir können mit unseren Projekten und Partnern eine Vorreiterrolle einnehmen und auch bei den Großen in der Branche ein Umdenken bewirken. Wir müssen Menschen, die für einen Film nach Tirol kommen einfach klarmachen, dass wir hier leben und das auch gerne in Zukunft tun würden.“ Den Tirolerinnen und Tiroler in der Bergsportszene, aber auch den Menschen in der hiesigen Kreativbranche attestiert er „viel guten Spirit, man merkt, dass sich was tut“.
Apropos „tun“: Konkretes über kommende Filmprojekte in Tirol will er noch nicht verraten, wohl aber so viel: „Wir haben so richtig Lust, ein wenig in die Fiction-Richtung zu gehen. Da haben wir ein paar lässige Ideen.“ Inspiration gibt es genug. Kein Wunder, bei der Kulisse.