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das Magazin der ERklärung von bern

# 02 APRIL_13

KE IN S C H O G G I -J O B :

KAM P AGNE

Die Wahrheit über Schweizer Schoggi Seit der letzten Schoggi-Kampagne der Erklärung von Bern im Jahr 2009 hat sich in der Schweizer Schokoladeindustrie einiges getan bezüglich sozialer Nachhaltigkeit. Viele Projekte sind jedoch erst Papiertiger: Die meisten Ansätze zur Verbesserung der Lebens­ bedingungen der Kakaobauernfamilien stecken immer noch in den Kinderschuhen. Text und bild_Andrea Hüss e r

Mein Name ist Hase, ich weiss von nichts? Mit dieser faulen Ausrede dürfen sich Schokoladeunternehmen nicht länger aus der Verantwortung

stehlen. Die EvB hat bei den Schweizer Kakaoverarbeitern und Schokoladeherstellern nachgehakt und in einer Studie ihr Engagement zur Einhaltung der Menschen- und Arbeitsrechte unter die Lupe genommen. Die Schweiz gibt viel auf eines ihrer erfolg- und ertragreichsten Exportprodukte. Doch Kakao als wichtigster Bestandteil unserer Schoggi wird nach wie vor häufig unter menschenrechtswidrigen Bedingungen produziert. An der Diskrepanz zwischen geäus­serten sozialen Absichten und deren Umsetzung hat sich seit dem letzten Ranking 2010 aber ebenso wenig geändert wie an der BranchenF o r ts e tz u n g > >

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Die ivorische Kakaopflanzerin Kouadio Akissi nach getaner Arbeit mit getrockneten Kakaobohnen.


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transparenz. Dies belegt die auf einem Fragebogen basierende Analyse der EvB von 19 Schweizer Schoko­ ladeherstellern und Kakaohändlern. In der neuen Befragung wurde auch auf den wichtigen Uno-Referenzrahmen für Wirtschaft und Menschenrechte Bezug genommen. 12 von 19 angefragten Unternehmen waren bereit, im detaillierten Fragebogen der EvB Auskunft zu geben. Über ein Drittel der Firmen, darunter Ca­ mille Bloch, Confiseur Läderach und Gysi Chocolatier, waren aber auch diesmal nicht gewillt, den EvB-Fragebogen auszufüllen und sich an der Studie zu beteiligen. Eine offene Kommunikation ist jedoch die Grundvoraussetzung für eine sozial nachhaltige Kakaoproduktion. Die Herkunft des Kakaos muss bekannt sein Angeführt wird die Rangliste der verantwortungsvollsten Firmen vom Kakaohändler Pronatec, gefolgt von Chocolats Halba, wo vor allem für Coop produziert wird. Unter den Schlusslichtern sind unter anderem die Giganten Mondelez (ehemals Kraft Foods), Barry Callebaut, Nestlé und Lindt. Kleinere Unternehmen schneiden also tendenziell besser ab als Grosskonzerne. Deren Hauptproblem ist zumeist die fehlende Rückverfolgbarkeit der Kakaorohstoffe. Denn wer die Herkunft der Ursprungsstoffe seiner Produkte nicht kennt, kann auch nicht gegen Menschenund Arbeitsrechtsverletzungen bei deren Anbau und Weiterverarbeitung vorgehen. Mangels Fortschritten in Sachen gerechter Preispolitik sind auch bei der Reduktion missbräuchlicher Kinderarbeit noch kaum Verbesserungen erkennbar. Denn schliesslich wurzelt Kinderarbeit in der Verarmung der Kleinbauernfamilien. Zu wenige und nur punktuelle Taten Vor allem die Grosskonzerne haben in den vergangenen Jahren umfangreiche Programme entwickelt, die zum Teil interessante Ansätze

Roli Hofer

>>Fortset zung von S eit e 1

Die Schoggi-Kampagne zeigt, dass NOCH

V IE L Z U T UN BLE IBT .

aufweisen. Leider decken die Initiativen und Programme erst einen kleinen Teil der riesigen Kakaomengen ab, die Konzerne mit Milliarden­ umsätzen für ihre Produktion benötigen. Und obwohl die meisten Firmen mit Zertifizierungsstellen zusammenarbeiten, sind oft erst Bruchteile der bezogenen Kakaomengen zertifiziert. Auch stecken die Grossprojekte, die in den Erhebungen von 2009 und 2010 propagiert wurden, noch immer in den Kinderschuhen. Von einer gerechteren Preispolitik (existenzsichernde Einkommen, Mindestpreise, produktionskostendeckende Preise, Sozial- und Qualitätsprämien) ist die Schweizer Schokoladeindustrie noch meilenweit entfernt. Klar ist, dass grundlegende Veränderungen im Markt nur langsam erzielt werden können. Schade, dass die Firmen erst jetzt rea­ gieren – möglicherweise zu spät für die Anbau­ regionen der Elfenbeinküste. Die Folgen der Armut sind katastrophal Armut, schlechte Infrastruktur, Kinderarbeit – davon sind besonders die Kakaoanbauenden in Westafrika betroffen, wo etwa zwei Drittel des weltweit produzierten Kakaos herkommen. So müsste in der Elfenbeinküste eine Familie durchschnittlich zehnmal mehr verdienen, um die Armutsgrenze von zwei Dollar pro Tag und Person überhaupt zu erreichen. Die Folgen der Armut sind katastrophal. Kin-

EvB-Firmenranking

Detaillierte Firmenprofile: www.evb.ch/schoggi Bestellen Sie den Schoggi-Guide: info@evb.ch, 044 277 70 00

Za h l e n sagen mehr a l s W o r t e... In der Schweiz wird mit pro Kopf und Jahr weltweit am meisten Schokolade konsumiert.

12 Kilogramm

58 %

des weltweit gehandelten Kakaos werden allein in der Elfenbeinküste und in Ghana produziert.

530 000 Kinder

Etwa arbeiten missbräuchlich auf den Kakaoplantagen der Elfenbeinküste und Ghanas.

2020 wird ein Kakao-Ver­ sorgungsengpass von

1 Million Tonnen befürchtet.

2013

2020

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der müssen auf den Kakaoplantagen schuften, weil sich die Kleinbauernfamilien keine Arbei­ terInnen leisten können. Ausserdem werfen die Kakaoplantagen immer weniger Ertrag ab. Denn die Bäume sind überaltert oder krank, weil nicht in die Plantageninfrastruktur investiert werden kann und das nötige Fachwissen fehlt. Hinzu kommt, dass sich aufgrund der Waldrodungen, der ausgelaugten Böden und des Klimawandels langsam die Anbaugebiete verschieben. Als Folge davon droht der Schokoladeindustrie eine Kakao-Versorgungslücke. Mit lebensmüdem Hasen für mehr faire Schoggi Mithilfe ihres lebensmüden Kampagnenhasen sensibilisierte die EvB mit der neuen SchoggiKampagne vom 1. März bis zu Ostern die KonsumentInnen für die Probleme im Kakaosektor. Im handlichen Schoggi-Guide können sich SchokoladeliebhaberInnen darüber informieren, welche Schweizer Firmen wirklich um soziale Nachhaltigkeit bemüht sind. Detailinformationen zu den Firmen finden Sie online in der ausführlichen Studie.

Konsum-Tipp: Claro Die Schokoladen von Claro gehören übrigens, wie jene von Pronatec, zu den fairsten. Weil Claro und Pronatec keine eigenen Schokola­ defabriken haben, lassen sie seit vielen Jahren bei Bernrain produzieren. Bernrain verarbeitet aber auch Kakaobohnen von anderen Kunden. Deshalb rangiert die Firma in der Kategorie der Durchschnittlichen. Claro und die EvB sind beide Gründungsmitglieder von Swiss Fair Trade und haben gemeinsam die strengen Richtlinien erarbeitet. Das bedeutet, dass sich Claro ohnehin an diese Vereinsstandards halten muss, genauso wie die EvB. Dies und die nicht unabhängige Beziehung zwischen der EvB und Claro sind Gründe, warum Claro nicht im Rating aufgeführt ist.

erklärung! 2/2013 Auflage 26 500 Exemplare Erklärung von Bern (EvB), Dienerstrasse 12, Postfach, 8026 Zürich, Telefon 044 277 70 00, Fax 044 277 70 01, info@evb.ch, www.evb.ch Re­dak­tion ­ ­Susanne Rudolf, Anna Haselbach ­G estaltung Clerici Partner Design, Zürich Druck ROPRESS Genossenschaft, Zürich; gedruckt mit Bio­farben auf Cyclus Print, 100 % Altpapier, klimaneutraler Druck Impr essum

Heraus­geberin

« e r kl ä r ung ! » e r scheint 4 - bis 5 - mal j ä h r lich . M it­gliede r beitrag: Fr. 60.– pro ­K alenderjahr (inklusive Abonnement «erklärung!» und EvB-­D okumentation). Postkonto 80-8885-4

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Gemeinsam für mehr faire Schoggi Susanne Rudolf

Transparenz über die Herkunft und Produktionsbedingungen der Produkte ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir als Konsumierende eine echte Wahl haben. Zudem erhöht sich mit der Offenlegung auch der Druck auf die Unternehmen, sich für mehr soziale Nachhaltigkeit zu engagieren. Aus diesem Grund bildete der Schoggi-Guide den Ausgangspunkt der EvB-Schokoladekampagne vor Ostern. Er bietet eine fundierte Informa­ tionsgrundlage und klärt darüber auf, welche Firmen ihre Nachhaltigkeitsversprechen glaubwürdig in die Tat umsetzen. Auf unserer Website stehen zudem ausführliche Firmenporträts zur Verfügung, in denen das Engagement der einzelnen Unternehmen im Detail nachvollzogen werden kann. Doch ohne Wissensverbreitung, Sensibilisierung und Handeln keine Wirkung. Deshalb nutzten wir auch in der Schoggi-Kampagne mehrere Kanäle, um die Fakten über die Unternehmen bekanntzumachen. Kurze TV- und Online-Spots mit unserem lebensmüden Kampagnenhasen brachten den Menschen die Problematik näher. Gleichzeitig regte das EvB-Schulbesuchsteam Kinder und Jugendliche dazu an, die Herkunft ihrer Lieblingsschokolade zu hinterfragen. Auch Strassenaktionen der Regionalgruppen boten Gelegenheit, sich über die Missstände auf den Kakaoplantagen zu informieren. Zudem hakten besorgte Konsumierende direkt bei den Unternehmen nach und bauten auf unserer Kampagnen-Website virtuell an der grössten fairen Schokoladentafel mit. Sie wird Mitte April an eine führende Schweizer Schokoladefirma übergeben – als symbolische Aufforderung, für mehr soziale Nachhaltigkeit zu sorgen. So können wir durch viele kleine Handlungen gemeinsam etwas bewegen und laut gegen Menschenrechtsverletzungen im Kakaobusiness protestieren. Die ersten Reaktionen der Schokoladefirmen zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.


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PUBLI C EYE

Schmähpreis für Investmentbank und Ölkonzern Goldman Sachs und Shell sind die Gewinner der Public Eye Awards: Ihre sozialen und ökologischen Vergehen zeigen die Kehrseite einer rein profitorientierten Globali­ sierung.

Ungefähr in der Mitte der Pressekonferenz zur Verleihung der Public Eye Awards 2013 war es totenstill im Kirchgemeindehaus Davos. Eben hatte die Athener Journalistin Eurydice Bersi (siehe Porträt S. 8) in bewegenden Worten ein Bild davon gezeichnet, wie die aktuelle Krise die griechische Bevölkerung in Elend und Verzweiflung stürzt. Die griechische Tragödie ist auch ein Lehrstück darüber, wie unverantwortliches Handeln von Unternehmen Jahre später und auf einem anderen Kontinent die Lebenspläne von Menschen zerstören kann, die noch nicht einmal vom Unternehmen gehört haben. Der Jury-Preisträger der Public Eye Awards, Goldman Sachs, half zur Jahrtausendwende dem griechischen Finanzministerium mit intransparenten Derivatgeschäften, das Ausmass

Greenpeace / Ex-Press / Flurin Bertschinger

Text_And rea s M issba ch

An der Pressekonferenz zu den Public Eye Awards wird A UF

des griechischen Defizits zu verschleiern. Das war und ist bis heute immer noch extrem lukrativ für Goldman Sachs. Griechenland konnte so der Eurozone beitreten, wo es definitiv nicht hingehört hätte. Dafür wurde die Zukunft der Griechinnen und Griechen verpfändet. Der People’s Award ging gemäss Internet-Abstimmung an Shell. Es ist

D IE ÜBE LT Ä T E R GE Z E IG T.

bereits das zweite Mal, dass Shell den Preis erhält: 2005 für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung im Nigerdelta, jetzt für Shells Sturm auf die Arktis. Einen Monat später gab Shell bekannt, 2013 in der Arktis nicht weiter nach Öl zu bohren – eine Atempause und ein Zwischenerfolg für die vom Public Eye unterstützte Greenpeace-Arktis-Kampagne.

GENERALVERSAMMLUNG 2 0 1 3

Das Orchester spielt weiter kräftig auf Die letztjährige Generalversammlung hat der EvB eine neue gesamtschweizerische Struktur gegeben. Der Jahresbericht 2012 informiert, wie es dem Orchester EvB gelungen ist, in verschiedenen Registern kräftig und erfolgreich aufzuspielen. Text_ Alf red Frit sch i

Seit der letzten GV wurden viele interne Veränderungen der Struktur, der

personellen Besetzungen und der Arbeitsweise vollzogen. Gleichzeitig führten die Geschäftsstellen in Zürich und Lausanne die entwicklungspoli­ tische Arbeit intensiv fort. An der diesjährigen Generalversammlung am 25. Mai 2013 in Biel stehen neben der ordentlichen Berichterstattung Einblicke in die inhaltlich-politische Arbeit im Zentrum. Der anschliessende gemeinsame Besuch

im industriegeschichtlichen Museum Centre Muller bietet spannende Einsichten in den Schweizer Arbeitsalltag der letzten zwei Jahrhunderte. Dabei kann auch ein Bogen gespannt werden zum Engagement der EvB für die Menschenrechte der Arbeitenden in Entwicklungsländern. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme an der GV! Den Anmeldetalon finden Mitglieder in der Beilage.

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GEISTIGES EIGENTU M & ENT W I C KLUNG

Ein Recht auf Entwicklung für die Ärmsten Die ärmsten Entwicklungsländer beantragen bei der WTO eine Ver­ längerung der TRIPS-freien Übergangsfrist, die für ihre Entwicklung unerläs­sl­ich ist. Die EvB fordert die Schweiz auf, diesen Antrag zu unterstützen. Text_Pat rick D urisch

Das TRIPS-Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO) umfasst internationale Bestimmungen zum Schutz von geistigem Eigentum und regelt deren Durchsetzung. Es anerkennt die besonderen Bedürfnisse der am wenigsten entwickelten Staaten (least-developed countries, LDCs). Diese von der Uno definierte Ländergruppe, die zurzeit 48 Staaten umfasst, braucht laut Abkommen «Flexibilität bei der

versuchten sie, den politischen Spielraum dieser wirtschaftlich benachteiligten Staaten einzuschränken. Diverse offizielle Berichte zeigen, dass die Industrieländer das TRIPS-Abkommen gerade mit den ärmsten Staaten bisher nur sehr lückenhaft eingehalten haben. Dennoch möchten sie weitere Bedingungen an die Verlängerung knüpfen.

Schaffung einer tragfähigen techno­ logischen Grundlage». Deshalb wurde diesen ärmsten Ländern bei Inkrafttreten des Abkommens 1995 eine verlängerbare Übergangsfrist zugesprochen, die am 1. Juli 2013 abläuft. Nun haben diese Staaten beim TRIPS-Rat beantragt, dass die Frist unbeschränkt verlängert wird, solange ein Land den Status als LDC innehat. Denn in den ärmsten Ländern hindern geistige Eigentumsrechte die Entwicklung. Der uneingeschränkte Zugang zu Medikamenten, Saatgut, Bildung und anderen öffentlichen Gütern ist dort nur gewährleistet, wenn das TRIPS-Abkommen nicht eingehalten werden muss. Doch die Schweiz und fast alle Industrieländer sehen das anders. Während ersten Verhandlungen im März

Recht auf Entwicklung hat Vorrang Die EvB fordert, dass die Schweiz den Antrag der 48 am wenigsten entwickelten Länder vorbehaltlos unterstützt. Die Industrieländer haben keine Berechtigung, einen «ordnungsgemäss begründeten Antrag» abzulehnen. Vor allem aber muss das Recht der Ärm­s­ ten auf Entwicklung höher gewichtet werden als nationale Interessen.

HANDELSABKOMMEN M IT C HINA

Petitionsübergabe im Davoser Schnee

Text_Tho ma s B ra unsch weig

Trotz aller Bemühungen konnte Bundesrat Johann Schneider-Ammann am Rande des Weltwirtschaftsforums (WEF) nicht dazu bewegt werden, die von der Menschenrechtsorganisation ACAT und der China-Plattform lancierte und von 23 232 besorgten Bürgerinnen und Bürgern unterzeichnete Petition in Empfang zu nehmen. Die Erklärung von Bern und ihre Part­ nerorganisationen haben daher flugs ein Schneider-Ammann-Double organisiert, das die Unterschriften symbolisch entgegennahm. erklärung!_02_2013

Die Petitionsübergabe wurde von einer Kunstaktion des Graffiti-Duos «One Truth» begleitet. Unter dem Motto «Don’t trade away human rights» produzierten die zuletzt an der Olympiade in London für Aufsehen sorgenden Spraykünstler ein Kunstwerk auf Dutzenden von Kartonschachteln. In diesen Schachteln wurden anschliessend die Unterschriften übergeben. Sie sollen den Wirtschaftsminister an seine menschenrechtlichen Verpflichtungen bei den Verhandlungen mit China erinnern. Neben Bestimmungen, die die Einhaltung der Menschenrechte sicherstellen, verlangt die Petition vom Bundesrat, im Freihandelsabkommen mit China die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) als verbindliche Mindeststandards festzuschreiben. Weiter fordern

die Unterzeichnenden, dass eine Kommission die Umsetzung der Bestimmungen überwacht und ein klar de­ finiertes Verfahren im Fall von Ver­ stössen festlegt. Symbolische Übergabe der P E T IT I O N S an Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann.

UNT E R SCH R IFT E N

Valérie Trüb

Über 23 000 Menschen verlangen mit ihrer Unterschrift vom Bundesrat, dass im Freihandelsabkommen mit China griffige Bestimmungen zum Schutz von Arbeits- und Menschenrechten verankert werden.


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ROHSTOFF

EvB-Report: Trafigura in Angola In einem aktuellen Report geht die EvB der Frage nach, wie der Schweizer Rohstoffkonzern Trafigura zu seiner dominierenden Stellung im angolanischen Ölmarkt gekommen ist. Dabei stiessen wir auf zwielichtige Netzwerke. Trafigura zog es vor, keine Stellung zu nehmen.

Erträge der Bevölkerung zugutekommen und das Öl zum bestmöglichen Preis verkauft wird. Während die meisten grossen Ölländer die Vermarktung selbst übernehmen, um ihre Marge zu maxi­ mieren, schalten erstaunlich viele afrikanische Länder Schweizer Rohstoffhandelsfirmen dazwischen. Angola setzt für den Ölexport auf eine Kooperation, ein sogenanntes Joint Venture, zwischen angolanischen Geschäftsmännern und Trafigura. Im Gegenzug versorgt der drittgrösste Schweizer Konzern das ölreiche Land exklusiv mit Erdölprodukten. Der Wert dieses Deals wurde 2011 auf 3,3 Milliarden Dollar geschätzt. Die nationale Ölgesellschaft Sonangol investiert zusätzlich sogar in eine Trafigura-Tochterfirma. An besagtem Joint Venture ist Trafigura mit 50 Prozent beteiligt. Offen bleibt aber, wem die andere Hälfte der

Text_Urs R ybi

Soeben wurde die Tochter des angolanischen Präsidenten dos Santos vom US-Wirtschaftsmagazin «Forbes» zur ersten Milliardärin Afrikas gekürt. Gleichzeitig stellt die Weltbank in einer Analyse zum «Rohstoff-Fluch» fest, dass Angola zu jenen rohstoff­ reichen Ländern gehört, in denen die Wirtschaft zwar enorm wächst, die extreme Armut aber paradoxerweise zunimmt. Rund 80 Prozent der Staatseinnahmen Angolas stammen aus dem Ölgeschäft. Damit die Armut reduziert werden kann, ist es zentral, dass die

Gewinne zufliesst. Geschäftspartner ist eine Firma namens Cochan, die durch den hohen staatlichen Funktionär General Leopoldino Fragoso do Nascimento (auch «Dino» genannt) vertreten wird. Doch wo enden die Interessen des Staates und wo beginnen die privaten Interessen von General «Dino»? Der General ist Teil eines regimenahen Trios, das weite Teile der Wirtschaft steuert. Gegen dieses «Triumvirat» und einen seiner Strohmänner wird in den USA und in Portugal wegen Korruption, Steuerdelikten und Geldwäscherei ermittelt. Trafigura beunruhigt dies offenbar nicht. Gerne hätten wir erfahren, wer der letztendliche Eigentümer (beneficial owner) von Trafiguras Geschäftspartner Cochan ist. Sowohl Trafigura als auch das Handelsregister auf den Bahamas schweigen sich darüber aus.

Rohstoff für die politische Debatte Wie der Angola-Fall einmal mehr zeigt, braucht es dringend mehr Transparenz bei Firmenstrukturen, Rohstoff- und Zahlungsflüssen. Dies konnte die EvB auch im Rahmen eines Hearings in der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats darlegen. Vor Ostern wurde der Grundlagenbericht der Bundesverwaltung über die Rohstoff­ branche veröffentlicht, den wir umge­ hend analysierten.

Während die staatliche Ölgesellschaft Sonangol von Deals mit Trafigura profitiert, müssen angolanische Kinder weiter DEN ABFALL DURCHWÜHLEN.

Robin Hammond / Panos

Die EvB-Analyse und den Trafigura-Report finden Sie auf www.evb.ch/rohstoff

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CC C

«Bewusste» Mode – bewusstlose NäherInnen

Text_CHRIS TA LUGINBÜHL

Während H&M in Europa die «bewusste» Mode zelebriert, brechen in Kambodscha Hunderte von NäherInnen bewusstlos zusammen. Seit 2010 sind mehr als 2900 Ohnmachtsfälle bekannt geworden. Bei einem H&MZulieferer waren es innerhalb eines Jahres über 550 Angestellte. Die Arbeitstage der NäherInnen sind lang und der Lohn zu knapp für eine ausgewogene und ausreichende Ernährung. Das H&M-Geschäftsmodell setzt auf schnelle Mode, billige Produktionsstandorte und lukrative Absatzmärkte. Und bringt Gewinne: In den gut 80 Schweizer Geschäften hat H&M im Jahr 2012 einen Umsatz von knapp 817 Millionen Franken erwirtschaftet, weltweit sind es fast 21 Milliarden. Der Konzern konnte seit der Wirt-

schaftskrise 2008 bei stabilem Gewinn von jährlich über 2 Milliarden Franken weltweit 1038 Läden eröffnen. Die kambodschanischen NäherInnen sehen aber nichts von diesem Profit. Bisher hat sich H&M geweigert, einen Existenzlohn zu bezahlen. Als Orientierung gilt der gesetzliche Mindestlohn, und der entspricht in Kambodscha mit 61 Dollar pro Monat weniger als einem Viertel eines Existenz­l­ohnes. Die NäherInnen sind h&m: hungrig & mangelernährt.

Der CEO Karl-Johan Persson sagt: «Unsere KundInnen sind das Herz unseres Geschäfts. Sie zeigen ein zunehmendes Interesse an Nachhaltigkeit. Und wir wollen, dass sie darauf vertrauen können, dass alles, was sie von uns kaufen, mit Rücksicht auf Mensch und Umwelt hergestellt wird.» Herr Persson, wir möchten Ihnen gerne glauben. Doch dazu wollen wir keine blumigen Versprechen, sondern endlich Taten sehen: Zahlen Sie Ihren NäherInnen Existenzlöhne!

Conscious Collection? Der schöne Feinheit

Die Conscious Collection von H&M weckt Frühlingsgefühle und verspricht trendige und nachhal­­ tigere Mode. Der Konzern hat entdeckt, dass dies bei der Kundschaft gut ankommt.

SCHEIN TRÜGT.

HANDELSPOLITIK

WTO-Spiel geht in die zweite Auflage

Text_ Thoma s B ra unsch wei g

Zweifellos ein schöner Erfolg: Das von der Erklärung von Bern zusammen mit Partnerorganisationen entwickelte und vertriebene Brettspiel zum Welthandel und der Welthandelsorganisation (WTO) ist schon nach etwas mehr als einem Jahr ausverkauft. Besonders erfreulich sind die zahlreichen Bestelerklärung!_02_2013

lungen von Schulen, die das unterhaltsame Spiel im Unterricht einsetzen wollen. Das vom Verein Jugend und Wirtschaft mit der «Goldenen Schiefer­ tafel» ausgezeichnete Spiel ermöglicht jungen Erwachsenen, sich auf spielerische Weise mit dem anspruchsvollen Thema Welthandel und multilateraler Handelspolitik auseinanderzusetzen. Die SpielerInnen schlüpfen dabei in die Rolle eines Landes, das Kaffee und Baumwolle produziert. Die Rohwaren, Zwischen- und Endprodukte werden anschliessend an der Börse gehandelt.

Um die weiterhin rege Nachfrage bedienen zu können, lässt die EvB eine zweite Auflage produzieren. Bestellen Sie jetzt ein Exemplar der Neuauflage von «GrosseKleineWelt» vor, und lernen Sie schon bald spielend den Welthandel kennen! Für EvB-Mitglieder kostet das Spiel 53 statt 58 Franken. Die Spiele werden in der ersten Mai-Hälfte ausgeliefert. www.evb.ch/ welthandel

Clerici Partner Design

Ein Jahr nach der Lancierung ist unser Spiel «GrosseKleineWelt» bereits vergriffen. Eine Neuauflage ist in Vorbereitung und wird ab Ende Monat bereitstehen.


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EURY DICE BERSI

Eine linksliberale Journalistin wird Polit-Aktivistin Dass das Sein das Bewusstsein bestimmt, zeigt sich besonders in tiefen gesellschafts­ politischen Krisen. Für Eurydice Bersi hiess das raus aus der Redaktion und rein in die Zivilgesellschaft. Und zwar mit der Kernbotschaft: «Griechenland ist kein Drittweltland.»

Es begann mit einem Besuch deutscher AktivistInnen bei der Zeitung «Kathimerini», der «NZZ» Griechenlands. Das bunte Grüppchen wollte Ursachen und Konsequenzen der hellenischen Finanztragödie besser verstehen. Auslandsredaktorin Eurydice Bersi erklärte sie ihnen so gut, dass sie wiederkamen, diesmal mit Regieteam. Daraus entstand das Filmprojekt «Wer rettet wen?», dessen InitiantInnen die Investmentbank Goldman Sachs wegen ihres Profits an Griechenlands Staatsschulden für die Public Eye Awards 2013 nominierten. Die bewegende Laudatio auf den verdienten Jury-Preisträger Goldman Sachs (siehe auch S. 4) hielt wiederum Bersi – und die zahlreich erschienenen JournalistInnen hingen an den Lippen ihrer so emotionalen wie sachkundigen Kollegin aus Athen. «Ich arbeite jetzt zwar mehr als doppelt so viel für deutlich weniger Lohn, fühle mich aber privilegiert, überhaupt noch einen Job zu haben», sagt die 36-jährige Mutter zweier Kinder. Seit 1998 recherchiert und schreibt Bersi schon für die führende konservative Tageszeitung ihres Landes. Der Spagat zwischen den eigenen Überzeugungen und der politischen Ausrichtung ihres Arbeitgebers war bislang «kaum je schmerz-

___«Ich möchte meinen Kindern später sagen können, dass ich zumindest versucht habe, aktiv zur Lösung unserer existenziellen Probleme beizutragen.» haft». Ihr Chef weiss allerdings nichts von ihrem aktuellen aufklärerischen Engagement. «Inzwischen habe ich einen Punkt erreicht, wo es mir auch egal wäre, wenn er es erfährt.» Zu Beginn ihres Berufslebens berichtete Bersi von den gros­

Greenpeace / Ex-Press / Flurin Bertschinger

Text_Oli ver C la ssen

sen globalisierungskritischen Protesten aus Prag und Genua. «Die Gründe für diese Protestbewegung haben mich damals neugierig gemacht und bis heute nicht mehr losgelassen.» Was in den Schlagzeilen ihres Blatts als Eurooder Schuldenkrise tituliert wird, nannte sie in Davos eine «neoliberale Umverteilungskrise». Woher dieser aufklärerische Furor einer sich selbst als linksliberal bezeichnenden Journalistin? «Ich möchte meinen Kindern später sagen können, dass ich zumindest versucht habe, aktiv zum Verständnis und damit zur Lösung unserer existenziellen Probleme beizutragen.» Ihr grösster Krisenschock war nicht etwa der Auftrags­ einbruch bei ihrem Mann, der Architekt ist, oder die entwürdigende Alltagsnot vieler ihrer Freundinnen und Freunde sowie Bekannten. Am erschreckendsten ist für sie die Tatsache, dass diese «systematische Demütigung breiter Bevölkerungsschichten in einem zivilisierten Land wie unserem über­haupt stattfinden kann – und weiterhin ungesühnt bleibt».

Kritische Analy­tikerin der Krise in ihrer Heimat: Die griechische Journalistin E UR YD IC E B ER S I .

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