erklärung! 03_Juni_2013

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das Magazin der ERklärung von bern

# 03 Juni_13

BA LD H EL L E RLEU C H TET?

ROH ST OFFE

Interesse der Politik ist geweckt Der vom Bundesrat vorgelegte Rohstoff‑ bericht macht klar: Ignorieren will und kann die politische Schweiz die Risiken des Rohstoffsektors nicht (mehr). Doch während sich auf internationaler Ebene immer mehr Staaten für Transparenzregeln im Roh‑ stoffsektor entscheiden, setzt der Bun­des‑ rat vorerst auf Abwarten. Text_Urs Rybi // Bild_S erg e i K a r p ukh i n / R e ute r s

Kofi Annan sprach vor wenigen Wochen Klartext, mit sanfter Stimme, aber deutlichen Worten: Das heutige Rohstoffgeschäft sei kein «fairer

Deal» für Afrika. Während das Weltwirtschaftsforum im Mai zum World Economic Forum on Africa in Kapstadt einlud und das rasante Wirtschaftswachstum vieler afrikanischer Staaten debattierte, präsentierte der ehemalige Uno-Generalsekretär eine neue Studie des Africa Progress Panel, einer Denkfabrik mit Sitz in Genf. Ein riesiges Entwicklungspotenzial, das Millionen von Menschen aus der Armut befreien könnte, gehe durch Korruption und Steuervermeidung verloren. Annan rief deshalb die internationale Gemeinschaft und explizit auch die Schweiz dazu auf, mittels Gesetzen für mehr Transparenz F o r ts e tz un g > >

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Die Forderungen nach mehr Transparenz im Rohstoffsektor werden weltweit immer lauter.


2 __ Ro h stoff e

>>Fortset zu ng von S eit e 1

Rohstoffbericht des Bundesrates Das Thema Transparenz nimmt auch im Ende März publizierten «Grundlagenbericht Rohstoffe», welchen die Bundesverwaltung im Auftrag des Bundesrates erstellte, viel Platz ein. Doch leider bleiben die meisten Empfehlungen für Massnahmen vage und basieren fast alle auf reiner Freiwilligkeit. Dennoch ist der Bericht ein Meilenstein in der noch jungen Debatte um den Rohstoffplatz Schweiz. Gestandene PolitikerInnen sind verblüfft, dass das Thema bereits zwei Jahre nach Glencores Börsengang und der Publikation des EvB-Rohstoffbuches auch in Bundesbern nicht mehr ignoriert werden kann. Im analytischen Teil findet der Rohstoffbericht teils deutliche Worte, und es werden praktisch alle von der EvB thematisierten Problemfelder aufgenommen und anerkannt: __  M enschen rechte und Umwelt: Der Bericht anerkennt, dass im Rohstoffabbau «besondere Risiken für Menschenrechtsverletzungen bestehen» und nennt konkrete Beispiele, welche unter anderem auf einer Umfrage bei Schweizer Botschaften basieren. __  K orruption un d Geldwäscherei: Von «endemischer Korruption» und einem «hohen Korruptionsrisiko» ist im Rohstoffbericht die Rede. Und von den Herausforderungen, die entstehen, wenn politisch exponierte Personen (PEP) oder undemokratische Staaten im Geschäft mitmischen.

Audrey Gallet

bei Rohstoffzahlungen und Firmenstrukturen zu sorgen.

Der Bundesrat anerkennt die Gefahre n FÜR die das Rohstoffgeschäft mit sich bringt.

M E N SCH E N RE CH T SV E RLE T ZU N G EN ,

__  A ggressive Steuervermeidung

wird als «wichtiges Hemmnis» für die Entwicklung vieler Länder bezeichnet. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass gemäss Studien «auch im Rohstoffsektor tätige Unternehmungen stark zu dieser Praxis» neigen. __  K onflikte /Sanktion en: Der Rohstoffbericht anerkennt, dass die Schweiz «aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung im Rohstoffhandel» bei der Umsetzung von Sanktionen stark gefordert sei und entsprechende Kontrollen «eine grosse Herausforderung» darstellten. Erwähnung findet auch die fehlende Transparenz bezüglich Rohstoffen, die Konflikte mitfinanzieren. Umso erstaunlicher ist es, dass dem Analyseteil des Rohstoffberichtes keine mutigeren Empfehlungen folgen. Der Bundesrat hat gezeigt, dass er die Augen nicht verschliesst. Ob die Politik nun auch gewillt ist, entsprechend zu handeln, wird die nächste Zeit weisen.

E rfahre n S ie mehr :

Die Analyse des Rohstoffberichtes und das Positions‑ papier finden Sie auf www.evb.ch/ rohstoffe

Za hl e n sagen mehr a l s W o r t e...

In Äquatorialguinea leben Menschen weniger lang als in Polen, obwohl das Bruttonational­ einkommen pro Kopf im Ölstaat gar etwas höher liegt: Der Reichtum kommt nicht bei den Menschen an.

25 Jahre

1,3 Mrd.

Etwa US-Dollar gingen der Demokratischen Republik Kongo von 2010 bis 2012 allein beim intranspa‑ renten Verkauf von fünf Minen­ lizenzen verloren, in welche Glencore und ENRC in­volviert waren. Die Summe hätte genügt, um während dieser Periode allen kongolesischen Kindern, die heute ohne Schulbildung bleiben, die Schule zu finanzieren.

243 Mrd.

US-Dollar Gewinn machten die 20 grössten Rohstoffhändler von 2003 bis 2013, mehr als die fünf grössten Auto­ hersteller zusammen.

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Die grössten Rohstoffhänd‑ ler beherrschen des freien Rohstoffhandelsmarktes. von ihnen sind stark in der Schweiz verankert, davon haben sogar ihren operativen oder offiziellen Hauptsitz in der Schweiz.

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88%

5

7 Mio.

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Ed i to __ 3

«Drannebliibe» EvB als erste Adresse zum Thema Das Know-how der EvB erfreut sich bei Medien im In- und Ausland, bei der Verwaltung und beim Parlament ungebrochen hoher Nachfrage. Kurz nach Veröffentlichung des Rohstoffberichts hat das EvB-Team eine ausführliche Analyse angefertigt und den Bericht in Fernsehen, Radio und Printmedien kommentiert. Die EvB war zudem gleich vier Mal zu parlamentarischen Hearings zur Rohstoffthematik eingeladen. In wechselnder Kombination mit den Verbänden der Rohstoffbranche, Economiesuisse oder (der nun fusionierten) GlencoreXstrata nahm die EvB in parlamentarischen Kommissionen Stellung. Die Ergebnisse unserer Recherchen gelangten so direkt an die EntscheidungsträgerInnen, darunter auch die Mitglieder der Landesregierung. Auf diese Weise konnten wir auch die am Rohstoffgipfel der «Financial Times» Ende April in Lausanne gesammelten Brancheneinblicke direkt in die Debatte einfliessen lassen. Internationale Dynamik zu mehr Transparenz International etabliert sich die Forderung nach Transparenz erfreulicherweise immer mehr. Die EU hat sich – wie zuvor die USA – im Frühling auf griffige Regeln geeinigt, die von Rohstoff­ unternehmen die Offenlegung von Zahlungen an Regierungen verlangen. Die Abstimmung im EUParlament steht bei Drucklegung dieser Ausgabe kurz bevor. Darüber hinaus hat sich die Extrac­ tive Industries Transparency Initiative (EITI), die weltweit transparenzwillige Rohstoff-Förderländer unter ihrem Dach vereint, Ende Mai in Sydney neue Regeln gegeben. Nun fordert sie von ihren Mitgliedsländern deutlich verstärkte Anstrengungen. Selbst die G 8 wollen sowohl das Thema Rohstoff-Zahlungstransparenz als auch die Bekämpfung von Steuervermeidung ganz oben auf die Traktandenliste ihres Mitte Juni stattfindenden Gipfels setzen.

erklärung! 3/2013 Auflage 24 000 Exemplare Erklärung von Bern (EvB), Dienerstrasse 12, Postfach, 8026 Zürich, Telefon 044 277 70 00, Fax 044 277 70 01, info@evb.ch, www.evb.ch ­R e­dak­tio n ­Susanne Rudolf, Anna Haselbach ­G estaltu ng Clerici Partner Design, Zürich Druck ROPRESS Genossenschaft, Zürich; gedruckt mit Bio­farben auf Cyclus Print, 100 % Altpapier, klimaneutraler Druck Impressum

H eraus­geberin

« erkläru n g ! » erschei n t 4 - bis 5 -mal jährlich . M it­gliederbeitrag: Fr. 60.– pro ­K alenderjahr (inklusive Abonnement «erklärung!» und EvB-­D okumentation). Postkonto 80-8885-4

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Susanne Rudolf

Manchmal erscheint der Kampf für eine gerechtere Welt aussichtslos. Nach dem tragischen Einsturz des Industriegebäudes Rana Plaza in Bangladesch stellt sich einmal mehr die Frage, was eine Ein‑ zelperson oder eine kleine Organisation wie die EvB überhaupt bewirken kann. Denn der Kollaps war genauso vorhersehbar wie die Fabrikbrände vom letzten Jahr. Die Clean Clothes Campaign und andere Nichtregierungsorganisationen haben mehrfach vor einer solchen Tragödie in den häufig maroden Textilfabriken gewarnt. Bereits seit über einem Jahr fordert die CCC gemeinsam mit Ge‑ werkschaften die grossen Bekleidungsunterneh‑ men dazu auf, den «Accord on Fire & Building Sa‑ fety in Bangladesh» zu unterzeichnen. Trotzdem hatte sich bis zur Katastrophe diesbezüglich kaum etwas getan: Wenige waren bereit, für die Sicher‑ heit der Näherinnen und Näher auf einen winzigen Bruchteil ihres Gewinns zu verzichten. Gleichzeitig sind Tragödien wie jene von Rana Plaza auch eine starke Triebfeder für unser En‑ gagement. Denn sie machen wütend. Auch ich bin immer wieder unglaublich empört darüber, wie kaltblütig Profite über Menschenrechte ge‑ stellt werden. Es darf nicht sein, dass erst nach den Katastrophen etwas geschieht. Und deshalb bleiben wir gemeinsam mit Ihnen trotzdem dran und setzen uns weiterhin für eine gerechtere Welt ein. Schliesslich kann sich Hartnäckigkeit trotz Rückschlägen auszahlen. Das zeigen gleich zwei erfreuliche Beispiele: Der Bundesrat aner‑ kennt den Handlungsbedarf rund um den Roh‑ stoffplatz Schweiz, und Steuervermeidung wird endlich auch von der offiziellen Schweiz so klar verurteilt, dass der automatische Informations‑ austausch nicht länger mit dem Untergang des Schweizer Bankwesens gleichgesetzt wird (siehe Beilage). Es freut uns sehr, auf Ihre Unterstützung zählen zu dürfen!


4 __ U n ternehmensverant wortu ng

NOVAR TIS -UR TEIL

Sieg für Menschenrecht auf Gesundheit! Nach jahrelangem Rechtsstreit hat der oberste Gerichtshof Indiens am 1. April entschieden: Novartis erhält kein Patent auf das Antikrebs‑ medikament Glivec. Dieser weg­ weisende Entscheid für das Recht der Ärmsten auf Gesundheit be­ stätigt und stärkt nicht nur Indien als «Apotheke der Armen». Er zeigt auch, dass die multinationalen Pharmakonzerne und die Indus­ trieländer dringend ihre Innovations‑ systeme überdenken müssen.

Mit dem Urteil nimmt der längste Streit um geistiges Eigentum in Indien ein Ende, seit das Land 2005 sein Patentgesetz an die WTO-Abkommen angeglichen hat. Über sieben Jahre lang hat Novartis um das Patent auf Glivec gekämpft. Nun, da die Klage auch beim obersten Gerichtshof abgelehnt wurde, beschweren sich Novartis und die Pharmaindustrie lautstark. Mit dem Entscheid gefährde das oberste Gericht das bewährte internationale Innovationssystem der Patentierungen in der Pharmaindustrie. Ein Innovationssystem in der Krise Doch dieses «bewährte» System steckt schon lange in der Krise. Das häufig vorgebrachte Argument, Patente garan­ tierten die pharmazeutische Entwicklung, wird von mehreren unabhängigen Studien widerlegt: Zwar werden immer mehr Patente vergeben, und es kommen auch stets neue Medikamente auf den Markt. Doch diese neuen Arzneimittel sind immer seltener deutlich wirksamer als diejenigen, die sich bereits auf dem Markt etabliert haben. Im Norden ist es nämlich gängige Praxis, mehrere Patente auf das gleiche oder auf nur ganz leicht unterschiedliche Arzneimittel zu vergeben. Dadurch verlängert sich die Zeitspan-

Keystone

Text_Pat rick Du risch

Gewonnen! Dieses Generikum darf in Indien weiterhin billig A N

ne, für die ein Unternehmen die Exklusivrechte an einem Medikament hat, um mehrere Jahre. Eine wissenschaftliche Studie hat gezeigt, dass diese Praxis besonders bei Kassenschlagern wie Glivec weit verbreitet ist. Sie bewährt sich also vor allem für die Geldbeutel der Pharmakonzerne. Renommierte ÖkonomInnen wie Nobelpreisträger Professor Joseph Stiglitz sind sich einig: Die inflationäre Patentvergabe hemmt die Innovation. Die aktuelle Praxis ist somit nicht nur für die Ärmsten von Nachteil. Indien als Vorreiterin für eine neue Regelung Indien vergab seit 2005 Tausende Patente, allein 147 davon an Novartis. Allerdings ist in Indien die Anzahl Exklusivrechte an einem nur unbe­ deutend veränderten Wirkstoff beschränkt. Wenn eine Firma eine neue Version eines bereits bestehenden Medikamentes patentieren lassen möchte, muss sie beweisen, dass die neue Version bedeutend wirksamer ist. Das

D IE Ä RM ST E N V E RK A U F T W ER D EN .

ist Novartis im Glivec-Fall nicht gelungen. Das Urteil des obersten Gerichtshofs unterstreicht, dass ein Land durchaus die Gesundheit der Bevöl­ kerung über den Profit stellen kann,

___«Das Urteil unterstreicht, dass ein Land die Gesundheit der Bevölkerung über den Profit stellen kann, ohne interna­ tionale Handelsregeln zu ver­letzen.» ohne internationale Handelsregeln zu verletzen. Die Pharmaindustrie und die Länder des Nordens müssen akzeptieren, dass es ein neues Innovationssystem braucht – und zwar eines, das neben der Innovation auch den Zugang zu Medikamenten ins Zentrum stellt. Es existieren bereits Vorschläge, aber noch fehlt der politische Mut. erklärung!_03_2013


L o b b y - u n d K a m p a g n en a r b e i t __ 5

F INANZPLA TZ SCHWEIZ UND P O T EN T A T ENGELDER

Auf der Anklagebank: Bankplatz Schweiz Ein Report enthüllt, wie Angola um über 700 Millionen Dollar betro‑ gen wurde – einmal mehr über die Schweiz. Nun reichten angolanische Bürger­Innen in Bern Anzeige ein. Text_Olivier L ongchamp

Eigentlich hätten die angolanischen Staatsgelder, die die staatseigene Ölgesellschaft Sonangol über die Drittpartei UBS überwies, als Steuerrückzahlungen aus der Sowjetzeit an Russland gehen sollen. Doch grosse Teile flossen als Korruptionsgelder auf Schweizer Konten von «politically exposed persons» (PEP) aus Angola. So wurde das angolanische Volk um mehrere Hundert Millionen Dollar beraubt. Am

18. April reichten deshalb AngolanerInnen in Bern und Luanda Strafanzeige ein. Diese richtet sich nicht nur gegen die Drahtzieher und Hauptpro­ fiteure des Deals, sondern auch gegen drei damalige UBS-Angestellte, die die Zahlungen überwacht und bewilligt hatten. Einmal mehr machte sich die Schweiz zur Mittäterin. «Das Schweizer Bankensystem hat zugelassen, dass diese Staatsgelder einem der ärmsten Länder der Welt gestohlen wurden. Nun bekommt die Schweiz eine neue Chance, angemessen gegen all jene zu ermitteln, die dies ermöglicht und davon profitiert haben, und muss Rückerstattung verlangen», kommentierte

der angolanische Rechtsanwalt und Mitunterzeichner David Mendes. Die Anzeige basiert auf einem neuen Report der angolanischen Nichtregierungsorganisation Mãos Livres und der britischen Corruption Watch (vgl. Porträt S. 8) über das Geschäft. Die‑ ser offenbart Bestechung, Geldwäsche und andere strafbare Finanzpraktiken. Die Recherchen belegen zudem, dass der Schweizer Rohstoffriese Glencore beim Zustandekommen des Deals seine Finger im Spiel hatte. Der Fall zeigt wieder einmal: Wir brauchen endlich mehr Transparenz im Schweizer Finanz- und Rohstoffsektor und bessere Kontrollen zum Schutz vor Geldwäsche!

SCHOGGI-KAMPAGNE

Riesen-Schoggi soll Lindt auf die Sprüngli helfen

Text_And rea H üsser

Zusammen mit der EvB fordern die Unterzeichnenden, die die SchoggiKampagne vor Ostern unterstützt haben, von den Schweizer Schokoladeproduzenten und Kakaoverarbeitern 100%ige Rückverfolgbarkeit, 100%ig faire Preise und die 100%ige Einhaltung der Menschenrechte entlang der Kakaolieferkette. Die EvB überreichte die fünfzig Kilogramm schwere und 2 × 1 Meter messende Schokoladentafel am 18. April Lindt & Sprüngli-Chef Ernst Tanner vor der Generalversammlung im Kongresshaus Zürich. Denn erklärung!_03_2013

Lindt & Sprüngli steht wie keine an­ dere Firma im In- und Ausland für Schweizer Schokolade. Nimmt dieser Branchenleader seine Verantwortung wahr, könnte das Auswirkungen auf den ganzen Sektor haben. Ernst Tanner nahm die faire Riesen-Schoggi persönlich entgegen. Damit honoriert er offiziell den Wunsch von Konsu­ mierenden nach gerecht produzierter Schokolade und gesteht ein, dass noch viel zu tun bleibt. Dass die geforderten

Kriterien durchaus erfüllbar sind, beweist die aus einer Kuvertüre der Fairtrade-Pionierin Claro hergestellte Riesenschokolade. Wie der Grossteil der Schweizer Schokoladen- und Kakaoindustrie ist Lindt & Sprüngli allerdings noch immer weit davon entfernt, die Menschenrechtskonformität ihrer Produkte garantieren zu können. Die EvB wird sich deshalb auch in Zukunft mit dem Thema intensiv auseinandersetzen. Marion Nitsch

Im Namen von Tausenden Unter‑ zeichnenden wurde zum Kam­ pagnenabschluss eine riesige faire Schweizer Schokoladentafel an Lindt & Sprüngli übergeben. Damit wird Lindt & Sprüngli stellver‑ tretend für die gesamte Schokola­ denindustrie aufgefordert, für mehr faire Schoggi zu sorgen.

Ein SCHRITT IN D IE RICH T IGE RICH T UN G:

Ernst Tanner nimmt die Riesenschokolade entgegen.


6 __ La n dwirtschaft

PEST IZIDE

Paraquat: Geschäftsinteressen obsiegen

Text_Fra nçois M eienberg

2010 hatte Burkina Faso den Antrag gestellt, eine bestimmte Paraquat-Formulierung (20  %) in der RotterdamKonvention zu listen. Grund dafür war die grosse Anzahl Vergiftungen durch das Pestizid Gramoxone Super von Syngenta (enthält 20  % Paraquat). In einer Bestandesaufnahme in Burkina Faso wurde ein Fünftel der Pestizidvergiftungen Gramoxone Super zu­ geschrieben. In vielen Fällen war ungenügende oder keine Schutzkleidung getragen worden. Die Opfer berichteten unter anderem von Hautverätzungen, Fieber, Schwindel, Bewusstlosigkeit, Atembeschwerden und Erbrechen. Andere Länder haben ähnliche Probleme. So wurden z. B. in El Salvador von 2005 bis 2010 im Jahresdurchschnitt 344 Vergiftungen mit

Gramoxone gemeldet. Bei all diesen Zahlen gibt es eine hohe Dunkelziffer. Ein ExpertInnenkomitee der Konvention hat den Antrag von Burkina Faso geprüft und befunden, dass Paraquat (20  %) alle Erfordernisse für eine Listung erfüllt. Wenn Pestizide in die Rotterdam-Konvention aufgenommen werden, werden importierende Länder über die Risiken des Produktes informiert und haben die Möglichkeit, den Import vorher abzulehnen oder ihm nur unter bestimmten Bedingungen zuzustimmen. Die Erfahrung zeigt, dass viele Länder von diesem Importverbot Gebrauch machen und auf diese Weise die Risiken hochgefährlicher Pestizide vermeiden. Nun hätten Anfang Mai die 152 Vertragsstaaten der Konvention die Listung der Paraquat-Formulierung offiziell beschliessen sollen. Alle Staaten sprachen sich dafür aus, ausser Guatemala, Honduras, Indien und Iran. Besonders stark war die Opposition von Indien und von Guatemala, welches einen negativen Einfluss auf seine

Paraquat-Exporte befürchtete. Da es in der Konvention nur Konsensentscheidungen gibt, gelang es diesen Ländern, die Listung zu verhindern und den Entschluss auf die nächste Konferenz in zwei Jahren zu verschieben. James Morgan / Panos

Bei turbulenten Verhandlungen in Genf haben Guatemala und Indien einen Konsens zur Listung von Paraquat in der Rotterdam-Konven‑ tion blockiert.

Die wenigsten PlantagenarbeiterInnen besitzen die dringend nötige SCHU TZ- U N D P RO T E ST KLE ID UN G.

Bi o d i versität

Biopiraterie legalisieren oder bekämpfen? Der Bundesrat hat einen mangel­ haften Gesetzesentwurf zur Bekämp‑ fung der Biopiraterie vorgelegt. Text_Fra nçois M eienberg

Dieses Jahr kommt das Zusatzabkommen zur UN-Konvention über biologische Vielfalt (Biodiversitätskonven­ tion), das Nagoya-Protokoll, in der Schweiz ins Parlament. Die Konvention schreibt bei der Nutzung genetischer Ressourcen klar eine Gewinnteilung mit den Geberländern vor. Doch der Bundesrat möchte bei der Implementierung viele Fälle vom Gesetz

ausnehmen. Konkret sollen alle genetischen Ressourcen, die vor dem Inkrafttreten des revidierten Gesetzes ihre Herkunftsländer verlassen haben (u.a. also alle Ressourcen in Sammlungen, botanischen Gärten und Genbanken), vom Geltungsbereich ausgenommen werden. Somit fällt der Vorschlag des Bundesrats weit hinter die bestehende Praxis von öffentlichen Sammlungen zurück, und das Nagoya-Protokoll wird stark ausgehöhlt. Eine neue, umfangreiche Analyse des Nagoya-Protokolls durch die EvB zeigt, dass dieses Abkommen viele

Schwächen und Unklarheiten beinhaltet. Eine minimalistische Umsetzung würde BiopiratInnen grosse Schlupflöcher lassen. Die EvB befürwortet zwar die Ratifikation des Protokolls durch die Schweiz. Die Umsetzung im nationalen Gesetz muss aber so gestaltet sein, dass alle neuen Nutzungen und die daraus entstehenden Gewinne mit den Geberländern des Südens gerecht geteilt werden – als wichtige Grundlage zur Erhaltung der weltweiten Biodiversität. Unser Parlament hat nun die Aufgabe, die nötigen Korrekturen im Gesetzestext vorzunehmen. erklärung!_03_2013


CC C

Der wahre Preis der Mode

K o l u m n e A n d r ea Hüsser

Fleischkonsum halbieren wird salonfähig

Über 1200 ArbeiterInnen mussten in den letz‑ ten sechs Monaten bei Textilfabrikunglücken in Bangladesch sterben, bevor Mitte Mai Un‑ ternehmen das Abkommen für mehr Gebäude‑ sicherheit und Brandschutz unterzeichneten. Text_Julia S pet zler

Bereits 2011 forderte die Clean Clothes Campaign (CCC) Unternehmen auf, das Abkommen für eine nachhaltige und effiziente Umsetzung von Schutzmassnahmen in Bangladeschs Textilindustrie zu unterzeichnen. Doch bisher waren die Unternehmen dazu nicht bereit, obwohl seit 1990 über 2100 bangladeschische TextilarbeiterInnen wegen mangelnder Sicherheit starben. 2012 unterzeichneten die ersten zwei Unternehmen PVH (Calvin Klein  /  Tommy Hilfiger) und Tchibo das Abkommen. Für die Programm­ umsetzung wurden jedoch vier Unternehmen benötigt. Als am 24. November 2012 112 Menschen beim Tazreen-Fabrikbrand starben, wurde der Druck der Öffentlichkeit auf die Modefirmen grös­ser. Doch es mussten am 24. April 2013 beim Einsturz des Gebäudes Rana Plaza nochmals 1127 Menschen sterben, bevor weitere Firmen bereit waren, ihre Sorgfaltspflicht wahrzunehmen. Mehr als eine Million Konsumierende weltweit hatten die Petition für mehr Sicherheit in Bangladesch unterstützt. Unter den über 35 Unterzeichnern befinden sich H & M, C & A und Inditex (Zara) sowie die Schweizer Firmen Switcher und Charles Vögele. Sie verpflichten sich dazu, während fünf Jahren für Instandhaltungskosten in ihren Zulieferbetrieben aufzukommen. Die beiden Tragödien zeigten erneut auf, dass herkömmliche Kontrollverfahren in Fabriken mit internationalen Prüfstellen / Initiativen ihre Wirkung verfehlen. Auch zwei der Fabriken im Rana Plaza wurden von einer Initiative auditiert. Ein Grossteil der Opferfamilien befindet sich mittlerweile in grosser finanzieller Not. Rufen Sie gemeinsam mit der CCC alle Unternehmen, die in der Tazreen-Fabrik und im Rana Plaza produzieren liessen, auf, allen Opfern schnellst­ möglich eine gerechte und umfassende Entschädigung zukommen zu lassen. >> Mehr Infos dazu unter www.evb.ch

erklärung!_03_2013

Vor zwei Jahren lancierte die EvB ihre Kampagne zum Thema Fleisch. Unsere damalige Forderung, den Fleischkonsum zu halbieren und auf 500 g pro Woche und Person zu reduzieren, damit die Ressourcen für alle reichen, findet offenbar eine immer breitere Abstützung. Drei erstaunlich ver‑ schiedene Institutionen haben in den letzten Wo‑ chen ins gleiche Horn geblasen. Den Anfang machte Greenpeace mit einer neuen Studie. Diese kommt zum Schluss, dass wir in der Schweiz im Jahr 2050 noch 350 g verkaufsfertiges Fleisch pro Woche und Person zur Verfügung ha‑ ben, wenn diese Produkte lokal und ökologisch produziert werden. Denn die Ressourcen werden immer knapper, und die Bevölkerung wächst. Der Fleischkonsum müsste sich jedoch auch anders zusammensetzen: mehr Rind, weniger Schwein, kein Huhn. Zweite Mitstreiterin ist das Restaurant Volkshaus in Zürich: Aufgrund der EvB-Fleischkampagne hat sich das Lokal dafür entschieden, ab sofort einen Vegi-Tag einzuführen und mittwochs über Mittag ausschliesslich kreative vegetarische Menüs an‑ zubieten. Bravo! Die dritte unterstützende Organisation hat mich am meisten überrascht: Proviande, die Branchen‑ organisation der Schweizer Fleischwirtschaft. Beim Schmökern in einer Rezeptzeitschrift fiel mir eine Beilage dieses Verbandes in die Hände. Da‑ rin empfiehlt eine Ernährungsberaterin in einem prominent platzierten Interview, drei- bis viermal in der Woche Fleisch à 100 – 120 g zu konsumie‑ ren. Das macht 300 – 480 g pro Woche und Person. Wohlgemerkt: Noch vor zwei Jahren hat Pro­ viande die EvB-Forderung, den Fleischkonsum zu halbieren, als unrealistisch abgetan. Grossartig, dass in so kurzer Zeit sogar der Fleischverband zur Einsicht gekommen ist. Jetzt müssen wir Konsu‑ mierenden nur noch mitmachen. Bis bald also, am Mittwoch im Volkshaus!


8 __ p Ko ar m trät pagnen

ANDREW FEINSTEIN

Der Korruptionsjäger Er war Südafrikas jüngster Parlamentarier und ist – als Experte für Waffen- und Finanz‑ schiebereien – Co-Autor des von der EvB unterstützten Angola-Reports über Potenta‑ tengelder (vgl. S. 5). Recherche und Akti­ vismus waren für Andrew Feinstein immer schon zwei Seiten derselben Politikmedaille.

Sein Bestseller über «das globale Geschäft mit dem Tod», so der Untertitel des 850-seitigen Standardwerks «Waffenhandel», sei eine «logische Folge» seiner Abrechnung mit der korrupten Machtelite Südafrikas gewesen. Der Sohn einer österreichischen Jüdin hatte nämlich einen ebenso gigantischen wie korrupten Waffendeal re­konstruiert, in den die erste demokratische Regierung Südafrikas involviert war. Diese lebens‑ gefährliche Kritik brachte Andrew Feinstein 2001 neben vielen Insider-Informationen auch den Rauswurf aus jenem Land, in dessen Parlament der Aktivist des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) sieben Jahre gesessen hatte. Seither lebt der gebürtige Kapstädter und studierte Ökonom in London und betreibt einen «investigativ-politischen Gemischtwarenladen», mit dessen journalistischen Produkten er regelmässig in den renommiertesten Medien präsent ist. «Ich blicke hinter die Kulissen globaler Krisen und gehe ihren Ursachen auf den Grund.» Dieses Selbstverständnis steckt auch hinter der von ihm 2009 gegründeten Nichtregierungsorganisation Corruption Watch, benannt nach einem der «Hauptgründe für die wachsende Ungerechtigkeit und Unzufriedenheit weltweit».

___«Korruption ist ein ebenso natürlicher wie entschei‑ dender Feind von Demokratie, Menschenrechten und welt‑ weiter Entwicklung.» Politisiert wurde der 49-Jährige in den Townships und auf den rassengetrennten Parkbänken seiner «aparthen» Heimatstadt. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte Feinstein in Wien, weshalb

Simone Sultana

Text_Oli ver C lassen

A N D RE W F EI N S TEI N

er «ein bisserl Deutsch» spricht und Freudsche Wortspiele mag. Ein weiterer Grund für letztere Vorliebe ist sein «prägendes Erststudium in klinischer Psychologie» am renommierten King’s College in Cambridge, wo er später auch Volkswirtschaft studierte. «Mich interessierte immer schon das Menschlich-Allzumenschliche am wirtschaftlichen Handeln, seis von Staaten, Unternehmen oder Individuen.» Seine Zulassung als erster weisser Südafrikaner an die wohl liberalste Elite-Hochschule Englands verdankte er seinem kompromisslosen und erfolgreichen ANC-Engagement. In seiner Arbeit als «analytischer Korruptionsjäger» (The Times) geht es Feinstein jedoch weniger um die Enttarnung von EinzeltäterInnen als um die Erkennung jener gesellschaftspolitischen Muster und Systeme, die Vetternwirtschaft und Finanzfilz produzieren oder zumindest begünstigen. «Korruption ist ein ebenso natürlicher wie entscheidender Feind von Demokratie, Menschenrechten und weltweiter Entwicklung», sagt Feinstein mit der ihm eigenen Mischung aus Erfahrung und Überzeugung. Und fügt genauso ironiefrei hinzu: «Wer dieses Übel ausrottet, rettet zumindest den unterprivilegierten Teil der Menschheit.»

geht korruptions­ fördernden Mechanis‑ men auf den Grund.

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