Kalter Kaffee Dokumentation # 0 2_2011/CHF 6.—
Der Nescafé-PlaN: wer Profitiert?
inhalt
Glossar
eiNführuNg
Der Nescafé-Plan in Mexiko
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iNVestitioNeN
Zahlen im Kontext
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KaffeeaNBau
Von der Armut in die Abhängigkeit?
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ProDuKtioN uND DistriButioN
Qualität oder Nescafé?
4c Der Common Code for the Coffee Community (4C) ist ein von Kaffeeröstern und -händlern, Kaffeeproduzenten sowie Nichtregierungsorganisationen erarbeiteter Mindeststandard für den Kaffee-Massenmarkt. 4C ist kein Siegel sondern ein Verhaltenskodex, der eine schrittweise Verbesserung hinsichtlich sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Kriterien anstrebt. Die Einhaltung der Richtlinien wird zwar überprüft, eine Nichteinhaltung hat aber keinen Ausschluss aus dem Verband zur Folge. >www.4c-coffeeassociation.org
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KoNsuM
Mogelpackung für die Armen
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fazit
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impressum evB-Dokumentation «Kalter Kaffee – Der Nescafé-Plan: Wer profitiert?» 02/September 2011, CHF 6.– auflage 22 500 herausgeberin Erklärung von Bern (EvB), Dienerstrasse 12, Postfach, 8026 Zürich, T 044 277 70 00, F 044 277 70 01, info@evb.ch, www.evb.ch, texte Andrea Hüsser, Flurina Doppler redaktion Oliver Classen, Susanne Rudolf Konzept, gestaltung, illustrationen Clerici Partner Design, Zürich Druck ROPRESS Genossenschaft, Zürich. Gedruckt mit Biofarben auf Cyclus Print, 100 % Altpapier, klimaneutraler Druck
rainforest alliance Das Umweltsiegel Rainforest Alliance zeichnet Südprodukte wie Kaffee, Bananen, Kakao oder Tee aus, die gewisse Umwelt- und Sozialstandards erfüllen. Auf den Plantagen müssen grundlegende Arbeitsrechte eingehalten werden, ein Mindestpreis oder eine Sozialprämie sind nicht vorgeschrieben. Die Richtlinien umfassen diverse Umweltkriterien, diese sind umfassend, aber insgesamt deutlich weniger streng als die Kriterien der Bio-Landwirtschaft. Chemisch-synthetische Dünger und Pflanzenschutzmittel sind nicht verboten, sollen aber reduziert werden. Die Einhaltung der Richtlinien wird jährlich vor Ort überprüft und zertifiziert. >www.rainforest-alliance.org
fairtrade Die Richtlinien der internationalen Fairtrade-Organisation FLO schreiben die Bezahlung eines Mindestpreises und einer FairtradePrämie an die Bauern und Bäuerinnen vor. Die Fairtrade-Produzenten und -Produzentinnen müssen zahlreiche Umweltkriterien erfüllen, diese sind umfassend, aber insgesamt deutlich weniger streng als die Kriterien der Bio-Landwirtschaft. Chemisch-synthetische Dünger und Pflanzenschutzmittel sind nicht verboten, sollen aber reduziert werden. Die Einhaltung der Richtlinien wird jährlich vor Ort überprüft und von einer unabhängigen Stelle zertifiziert. >www.fairtrade.net
wenn nicht anders erwähnt, stammen die fotos von andrea hüsser. Das evB-Magazin inkl. Dokumentation erscheint 5- bis 6-mal jährlich. evB-Mitgliederbeitrag: fr. 60.– pro Kalenderjahr. spendenkonto: 80-8885-4
Biologische landwirtschaft In der biologischen Landwirtschaft sind chemisch-synthetische Dünger und Pflanzenschutzmittel verboten und es gelten zahlreiche Anforderungen betreffend Bodenfruchtbarkeit und Bodenschutzmassnahmen. Arbeitsrechtliche Fragen sind in einigen privaten Bio-Standards geregelt, in den staatlichen Bioverordnungen (CH, EU, USA) jedoch nicht. Die Einhaltung der Richtlinien wird jährlich vor Ort überprüft und von einer unabhängigen Stelle zertifiziert. >www.ifoam.org
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Marion Nitsch
edito dito
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Kaffee ist ein klassisches Produkt, das den globalen Süden mit dem Norden verbindet. Und Nestlé ist ein klassischer Konzern, der diese Verbindung seit Jahrzehnten prägt und von ihr profitiert. 36 Jahre ist es her, seit der Slogan «Nestlé tötet Babies» die Schweiz aufrüttelte und auf die aggressive Vermarktung von künstlicher Babynahrung und die damit verbundenen Gefahren aufmerksam machte. Der damals schon weltgrösste Nahrungsmittelkonzern prozessierte gegen die Urheber der Kampagne, die EvB begleitete den Nestlé-Prozess mit Informationsaktionen. Ist Nestlé seitdem fairer und nachhaltiger geworden? Seit 2005 propagiert der Konzern sein Konzept der «gemeinsamen Wertschöpfung», das neben den Aktionärsinteressen auch soziale und ökologische Verantwortung beinhaltet. Ein wichtiger Bestandteil davon ist der 2010 lancierte Nescafé-Plan. Bis 2020 will Nestlé weltweit 500 Millionen Franken in Kaffee-Projekte investieren, mit dem offiziellen Ziel, Anbaumethoden zu verbessern, Erträge zu sichern und die Einkommen der Bauern zu steigern. Bedeutet diese Initiative tatsächlich eine Kurskorrektur oder steckt dahinter bloss eine besonders raffinierte Imagepolitur? Schon in den 1970er-Jahren wollte Nestlé angeblich die Säuglingssterblichkeit in den Entwicklungsländern bekämpfen und hat faktisch das Gegenteil bewirkt. Heute will der Konzern Kaffeebauernfamilien aus der Armut helfen. Besonders stark profitieren soll Mexiko. Wie, erfahren Sie in «Kalter Kaffee – Der Nescafé-Plan: Wer profitiert?». Die EvB hat bei den Betroffenen nachgefragt und zeigt anhand des Nescafé-Plans in Mexiko exemplarisch, die weniger sichtbaren Hintergründe und Konsequenzen von Nestlés Konzept der «gemeinsamen Wertschöpfung». andrea Hüsser
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Der Nescafé-Plan in Mexiko Nestlé hat im mexikanischen Kaffeemarkt eine Vormachtstellung und will diese mit dem «Nescafé-Plan» weiter ausbauen. Dadurch fühlen sich viele Kaffeebauernfamilien in ihrer Existenz bedroht.
Die Kulturpflanze Kaffee stammt aus Äthiopien, wo sie erstmals im 9. Jahrhundert erwähnt wurde. In Europa wurde die aromatische Bohne im 17. Jahrhundert durch die Kaffeehäuser populär. Die Schweiz gehört heute zu den fünf Ländern mit dem weltweit grössten Kaffeekonsum pro Kopf. Heute ist Kaffee der wertmässig meist gehandelte Rohstoff unter den sogenannten Agrarrohstoffen und wird von rund 25 Millionen Kleinbauernfamilien und Plantagenbesitzern angebaut, die vielfach seit Generationen davon leben.
Nachhaltigkeit à la Nestlé
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TCC, Cafe Barometer 2009
Kaffeeanbau ist aber, wie andere Landwirtschaftszweige, ein unsicheres Geschäft. Stark schwankende und intransparent konstruierte Marktpreise, schlechtes Wetter, Schädlingsbefall, schwierige geografische Verhältnisse und fehlendes Kapital für Investitionen sind nur einige der Probleme, mit denen die Kaffeeanbauenden zu kämpfen haben. Die stete Zunahme der Marktmacht einer Handvoll globaler Händler und Röster trägt zur Verstärkung dieser häufig existenziellen Risiken bei. Nestlé verarbeitet ungefähr 10 Prozent aller Kaffeebohnen und ist mit einem Output von 870 000 Tonnen die grösste Rösterin weltweit. Aktuell stammen gerade mal 2,7 Prozent 1 davon aus sogenannt nachhaltigem Anbau. Der Grossteil davon wird allerdings vom Common Code for the Coffee Community (4C, s. Glossar) verifiziert, dessen schwache Kriterien vielseitig bemängelt werden. Im Sommer 2010 hat Nestlé seinen NescaféPlan lanciert. 500 Millionen Franken weltweit will der Konzern bis ins Jahr 2020 in landwirt-
schaftliche Forschung und ländliche Weiterbildungsprojekte investieren, um die Kaffeeproduktion zu erhöhen und dabei den Wasserverbrauch und den Pestizideinsatz zu reduzieren.
Mexikanische Verhältnisse Im Rahmen seines Nescafé-Plans will der Konzern sein Engagement neben den Philippinen, Indonesien und Thailand vor allem in Mexiko ausweiten. Das bevölkerungsreiche Land gehört mit Brasilien und Argentinien zugleich zu Nestlés wichtigsten Absatzmärkten in Lateinamerika. In der globalen Kaffeeproduktion liegt Mexiko auf dem siebten Platz; das Land ist nach Peru wichtigster Bio-Kaffeehersteller und einer der Hauptexporteure von Fairtrade-Kaffee. Mexiko baut zu 95 Prozent Arabica-Kaffee an. Diese im Hochland angebaute Sorte liefert den qualitativ besseren Kaffee und macht rund 60 Prozent des weltweiten Angebots aus. Robusta-Kaffee ist von geringerer Qualität, erzielt deshalb an den volatilen Rohwarenbörsen viel tiefere Preise und wird hauptsächlich für die Herstellung von löslichem Instant-Kaffee verwendet. Rund 500 000 Familien in 3500 Gemeinden leben in Mexiko direkt vom Kaffeesektor, insgesamt sind es gegen drei Millionen Menschen. Im Gegensatz zu Brasilien, wo die Bohnen mehrheitlich auf Grossplantagen in Monokulturen angepflanzt werden, findet der Kaffeeanbau in Mexiko traditionellerweise im kleinbäuerlichen Umfeld auf ein bis zwei Hektaren in Mischkulturen statt. Ein Grossteil der biologischen Kaffeekulturen befindet sich in den Händen von Indigenen, welche die ursprünglich afrikanischen Pflanzen voll in ihre
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Nestlé Photostream Flickr
«nestlé erscheint auf dem kaffeemarkt mit verschiedensten Gesichtern und stellt konditionen: über Zwischenhändler, über das Landwirtschaftsministerium oder über Präsident «ein unternehmen, das auf langfris Calderón, der in Davos mit Paul Bulcke die tigen erfolg abzielt, muss Werte nicht Regeln für mexikos kaffeesektor aufstellt.» nur für seine aktionäre, sondern RiGoBeRto ContReRaS DíaZ, kaFFeeBaueR, oaxaCa auch für Gesellschaft und umwelt, erzeugen. Bei nestlé nennen wir dies mit seiner Megamarke Nescafé hat daran einen ‹gemeinsame Wertschöpfung›. » Marktanteil von 80 Prozent. Dafür führt die Firma seit vielen Jahren billigen Robusta aus Brasilien, nestlé Vietnam, Indonesien und Ecuador ein. Diese Dumpingimporte halten die Preise in Mexiko niedrig, wogegen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern seit Jahren erfolglos protestieren. Neuerdings versucht Nestlé über staatliche Subventionsprogramme den Anbau von Robustakaffee in Mexiko zu fördern. Dafür wurde eine Pflanze entwickelt, die sich besonders gut für die Nescafé-Produktion eignet. Weil sich die Kaffeebäuerinnen und -bauern jedoch vor Einkommensverlusten wegen geringerer Robusta-Preise fürchten, beteiligen sie sich bisher kaum an diesem Programm. Als Antwort darauf hat Nestlé seine Mexikos Präsident felipe calderón und Nestlés ceo Paul Bulcke trafen sich im Januar 2010 am Importe nochmals massiv erhöht. Schliesslich soll wef in Davos. die Kapazität der Ende 2011 fertig erweiterten und laut Nescafé-Plan dann weltgrössten Nescafé-Fabrik in Toluca voll ausgeschöpft werden. Vordergründiges Ziel des Nescafé-Plans ist die Lebensweise integriert haben – hauptsächlich in Optimierung der globalen Kaffeeversorgung. Das Oaxaca, Chiapas, Veracruz und Puebla. 2010 leben Grossprojekt ruht dafür auf vier voneinander abrund 80 Prozent der Kaffeeanbauenden und 46,2 hängigen Säulen, den Hauptpfeilern der WertProzent der Gesamtbevölkerung Mexikos in Armut, schöpfungskette: 1. Investitionen, 2. Kaffeeanbau, rund 7 Prozent mehr als vier Jahre zuvor. Während 3. Produktion und Distribution und 4. Konsum. die Bevölkerung verarmt, blieben die makroökonoDiese vier Kernelemente strukturieren auch diemischen Zahlen des Landes stabil. Mexiko ist dasen Kommentar. So wird in jedem der vier Kapitel mit ein klassisches Land der sogenannten «reichen dargestellt, a) wie und was Nestlé öffentlich komRegierung und armen Bevölkerung». muniziert, b) was die betroffene Bevölkerung in Mexiko davon hält und c) wie die EvB diese beiNestlé in Mexiko den Perspektiven einschätzt und mit recherchierZwei von drei Tassen Kaffee, die in Mexiko getrunten Fakten ergänzt. ken werden, basieren auf löslichem Pulver. Nestlé
ProDuKtioNsProzess VoN Kaffee Kleinbauern
Lokale Zwischenhändler Kooperativen
Aufbereitungsanlage
Restaurationsbetriebe Händler
Grosse Plantagen (häufig mit eigener Aufbereitungsanlage)
Exporteur
Röster
KonsumentInnen Detailhändler
Von der Bohne zur tasse: Nestlé kontrolliert die gesamte Produktionskette des Kaffees.
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zahlen ahlen im Kontext «nestlé lässt seine kaffee produktion vom mexikanischen Staat subventionieren und kom muniziert zugleich seine grossartigen investi tionen in mexiko.» FeRnanDo CeLiS, DiRektoR DeR mexi kaniSCHen
«Die gemeinsame Wertschöpfung Wertschöpfung ist integraler teil integraler t unserer Geschäftsstrategie.» Geschäftsstrategie.»
zvg
kLeinBaueRn oRGaniSation CnoC
nestlé estlé
Nestlé Mit der Lancierung des Nescafé-Plans hat Nestlé im August 2010 ein umfangreiches Programm zur Sicherung der eigenen Rohstoffbasis gelegt. Der Konzern beabsichtigt, bis 2020 weltweit 500 Millionen Franken in Kaffeeprojekte zu investieren – 150 Millionen Franken sind für Nespresso reserviert. «Wir sind stolz, dass Nescafé, die grösste Kaffeemarke der Welt, für diese globale Initiative steht, welche durch die gesamte Kaffeeversorgungskette hindurch Wert schöpft: vom Produzenten über den Konsumenten bis hin zu uns. Die gemeinsame Wertschöpfung ist integraler Teil unserer Geschäftsstrategie.
$$ Um den langfristigen Erfolg eines Unternehmens zu gewährleisten, muss gleichzeitig Wert sowohl für die Aktionäre als auch für die Gemeinschaften, in denen das Unternehmen tätig ist, geschöpft werden», so Nestlé CEO Paul Bulcke.1 Wie viel von den 500 Millionen Franken bis im Jahr 2020 nach Mexiko fliessen soll, schreibt Nestlé nicht. Zwar mangelt es auf nationaler Ebene nicht an Investitionsankündigungen, allerdings ist nie klar ersichtlich, welche Zahl in welcher bereits enthalten ist. Im Januar 2010 kündigte Nestlé Mexiko eine Investition von 390 Millionen Dollar für die nächsten drei Jahre an. Einen
Monat später steht in einer Pressemitteilung, dass Nestlé jährlich 570 000 Franken in Nachhaltigkeitsprojekte im Kaffee- und Kakaosektor in Mexiko investiert. 2 Im November 2010 heisst es weiter, dass von den 390 Millionen Dollar 72 Millionen für die Erweiterung der Nescafé-Fabrik in Toluca eingesetzt werden sollen. Am diesjährigen WEF versprach Paul Bulcke dem mexikanischen Staatspräsidenten weitere 60 Millionen Franken für Nachhaltigkeitsprojekte in Mexiko. Rund 30 Prozent davon sollen in die Kaffeeherstellung fliessen.
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BetroffeNe KaffeeorgaNisatioNeN saNtos roBlero geschäftsführer coopcafé 3
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«Trotz schöner Investitionsankündigungen wird der Konzern sehr wahrscheinlich auf die Preise drücken, und die Verlierer werden einmal mehr die Kaffeeanbauenden sein. Erfahrungsgemäss gibt es alle 20 Jahre ungefähr zwei Jahre, in denen sie wirklich gute Preise bekommen für ihre Ware. Deshalb ist es so schwierig, sich von Krisen zu erholen. Wenn die Preise wenigstens über drei Jahre stabil bleiben würden, könnte man sich ein finanzielles Pölsterchen zulegen.»
leoNarDo DuráN olgíN Berater in der Kooperative tosepan, Puebla 4 «Über das staatliche Programm Trópico Húmedo des Landwirtschaftsministeriums bekommen jene Bauern, die Fairtrade-Kaffee produzieren, 450 Pesos pro Hektare. Wer eine neue Robusta-Plantage anlegt, erhält dafür 5700 Pesos pro Hektare. Auch
eVB-KoMMeNtar Nestlé ist weltweit und in Mexiko grösster Kaffeeproduzent und nützt seine Marktmacht hemmungslos aus. Diese Kehrseite des Nescafé-Plans bekommen die zitierten Kaffeebauern besonders zu spüren. Der Konzern profitiert vom klientelistischen System Mexikos. Das bringt Nestlé gemäss nationalen Bauernorganisationen zum Beispiel 2,5 Mio. Franken aus dem staatlichen Förderprogramm Trópico Húmedo, das die Bauern zum Anbau von Robusta-Kaffee aus Nestlé-Pflanzen motivieren soll. Indirekt kommt der Konzern zudem in den Genuss weiterer Subventionen aus dem Programa de Fomento Productivo des Landwirtschaftsministeriums. Nestlé bestreitet, sich in die Politik einzumischen oder Unterstützung der Regierung zu erhalten. Mit verschiedenen Anreizsystemen und politischem Kalkül versucht Nestlé, Mexiko den Robusta-Kaffee schmackhaft zu machen. Unter der Einflussnahme des Konzerns auf die Verteilung der Subventionen leiden die Bio- und Fairtrade-Bauern und -Bäuerinnen, die im Vergleich zu Nestlé nur wenig Ressourcen haben, um für ihre Anliegen zu lobbyieren.
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Medienmitteilung von Nestlé zur Lancierung des Nescafé-Plans vom 27.8.2010. Medienmitteilung von Nestlé Mexiko zur Zusammenarbeit von Nestlé mit der mexikanischen Regierung im Kaffee- und Kakaosektor vom 5.2.2010. 3 Bio- und Fairtrade-Kooperativenetzwerk in Chiapas: 37 Kooperativen und 12 000 Kaffeebauern als Mitglieder. 4 Fairtrade-Kooperative mit 17 000 Mitgliedern, die vorwiegend Kaffee, Honig und Pfeffer anbauen. 5 In der Dachorganisation CNOC (Coordinadora Nacional de Organizaciones Cafetaleros) sind rund 70 000 Kleinbauern und -bäuerinnen aus 114 regionalen Organisationen aus den Hauptkaffeeanbaugebieten Mexikos organisiert.
die Produktion von Robusta-Setzlingen wird unterstützt. Deren Herstellung ist grösstenteils in den Händen von Nestlé. Kurzfristig mag das attraktiv sein, langfristig ist der Anbau von minderwertigem Kaffee wegen der tieferen Preise jedoch verheerend für die Bauernfamilien. Zum Glück scheinen unsere Protestaktionen zu wirken, denn bislang beteiligten sich nur wenige Bauern am Nestlé-Programm.»
ferNaNDo celis Direktor der mexikanischen Kleinbauernorganisation cNoc 5 «Nestlé lässt seine Kaffeeproduktion vom mexikanischen Staat subventionieren und kommuniziert zugleich seine grossartigen Investitionen in Mexiko. Zur Optimierung der staatlichen Zuschüsse wendet Nestlé verschiedene Strategien an. Auf oberster Ebene sichert sich CEO Paul Bulcke regelmässige Treffen mit Mexikos Präsidenten Felipe Calderón. Über den nationalen Verein für landwirtschaftliche Angelegenheiten (Consejo Nacional Agropecuario), bei dem Nestlé Mitglied ist, half der Konzern denn auch, Calderóns Wahlkampagne zu finanzieren, so wie 2010 auch jene des Gouverneurs von Veracruz, Javier Duarte. Parallel dazu infiltriert Nestlé – jeweils auf oberster Ebene – neben dem Landwirtschaftsministerium auch den Dachverband der Grossproduzenten (CMPC) und den nationalen Bauernverband (CNC), das sind zwei der drei Stimmen im Produzentensektor des mexikanischen Kaffeeverbandes (Amecafé), in welchem Industrie, Händler und Produzierende zusammengeschlossen sind (siehe Grafik S. 14) und kontrolliert so die politische Gestaltung des Kaffeesektors. Zum Beispiel veranlasst der Konzern den Staat zu Subventionsprogrammen, die den Anbau von billigem Robusta-Kaffee für die NescaféProduktion fördern. Gleichzeitig importiert die mexikanische Kaffeeindustrie – allen voran Nestlé – über die USA seit Jahren Robusta. Zwischenhändler von Nestlé berichten uns, dass sich diese Importe 2011 von 30 000 auf 60 000 Tonnen erhöht hätten. Seit Jahren protestieren wir gegen diese Billigimporte, weil sie massiv auf die lokalen Kaffeepreise drücken und unsere Existenz bedrohen. Obschon das nationale Gesetz zur nachhaltigen ländlichen Entwicklung Analysen zu den Auswirkungen der Kaffeeimporte auf die Kaffeeanbauenden verlangt und regelmässige Studien zur lokalen Marktsituation vorschreibt, werden diese von Nestlé seit jeher blockiert. Dies ermöglicht es dem Konzern, ohne Legitimationsprobleme Einfluss auf Politik und Landwirtschaft zu nehmen.»
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Von der armut in die abhängigkeit? Nestlé Nescafé hat zum Ziel, seinen direkt bei Produzenten eingekauften Kaffee bis 2015 auf 180 000 Tonnen zu verdoppeln. Zudem soll der gesamte Direkteinkauf bis 2015 mit dem Siegel 4C ausgezeichnet sein. Die Hälfte davon (90 000 Tonnen) soll bis 2020 zusätzlich mit dem Umweltsiegel Rainforest Alliance zertifiziert sein. Ebenfalls bis 2020 will Nestlé weltweit 220 Mio. Kaffeepflanzen mit
hoher Ertragskapazität und speziellen Krankheitsresistenzen verteilen. In Mexiko möchte Nestlé bis 2015 fünf Millionen Pflanzen produzieren, die unter den Bauern, die an einem entsprechenden Programm beteiligt sind, verteilt werden sollen. Dieses Programm bietet technische Hilfe beim Kaffeeanbau und der Aufbereitung nach der Ernte. Zusammen mit der Firma Agromod und dem
mexikanischen Forschungsinstitut für Forst- und Landwirtschaft (INIFAP) eröffnet Nestlé zudem eine Zuchtstation für besonders ergiebige und resistente Kaffeepflanzen. Zurzeit arbeitet Nestlé in Mexiko mit 4000 Kaffee Anbauenden direkt zusammen und unterstützt diese mit technischem Know-how und neuen Bäumen, die ihre Produktivität künftig um 25 – 100 Prozent steigern sollen.
«nestlé arbeitet direkt mit 4000 kaffee 4000 kaffee k kaffee produzenten zusammen. Wir geben ihnen geben ihnen technische unterstützung und krankheits krankheits resistente Hochertragspflanzen.» Hochertragspflanzen.»
eVB-KoMMeNtar Was zusätzlich zu erwähnen ist: Direkt eingekaufter Kaffee mit einem Umwelt-, Sozial- oder Qualitätszertifikat gilt als besonders gut verkäuflich. Heute kauft Nestlé weltweit rund 10 Prozent seines Kaffees direkt, also nicht über Zwischenhändler ein. Geht der Nescafé-Plan auf, wird bis 2015 doppelt so viel Kaffee (180 000 Tonnen) direkt eingekauft, und der direkt eingekaufte grüne Kaffee wird nach dem schwachen 4C- Standard produziert. Bis im Jahr 2020 soll ausserdem ein Teil des Nescafés (90 000 Tonnen) unter «Berücksichtigung der Prinzipien von Rainforest Alliance» eingekauft werden. Das heisst, selbst dann würden bis im Jahr 2020 immer noch fast 80 Prozent von Nestlés Kaffeeprodukten aus anderen, nicht rückverfolgbaren Quellen stammen. Das wäre ein ziemlich dürftiges Resultat, wenn man bedenkt, wie prekär die Situation im Kaffeesektor aussieht. Zudem kommuniziert Nestlé keine länderspezifischen Zielvorgaben. Die 4000 Kaffeebäuerinnen und Kaffeebauern, die in Mexiko direkt mit Nestlé kooperieren, repräsentieren jedenfalls gerade mal 0,8 Prozent des gesamten Sektors. Handelt es sich dabei um Plantagenbesitzer, lohnt sich die
nestlé
Zusammenarbeit mit dem Konzern besonders. Für die KleinKlein bauern lohnt es sich allerdings nicht, auch wenn die Erträge bis zu 100 Prozent höher ausfallen. Denn der Preis für Robusta-Kaffee ist nicht halb so hoch wie jener für Arabica und wird früher oder später wegen Überproduktion noch mehr sinken. Wie bereits erwähnt, entwickelt und verteilt Nestlé Pflanzen mit den spezifischen Eigenheiten, die für den löslichen Kaffee gebraucht werden. Viele Bauern und Bäuerinnen in Mexiko haben Zweifel, ob diese nicht gentechnisch verändert sind. Die Angst ist nicht ganz unbegründet: In Europa hat Nestlé seit 2006 ein Patent auf genmanipulierte Kaffeepflanzen, die die erwähnten Eigenschaften aufweisen. In Mexiko ist der Patentantrag noch hängig. Durch die Zusammenarbeit mit dem staatlichen Forschungsinstitut 1 bei der Entwicklung der Pflanzen und das Sponsoring von Kursen für Mitarbeitende des Instituts beeinflusst Nestlé die Stossrichtung der Forschung, sichert sich das generierte Know-how und profitiert zusätzlich von der staatlichen Finanzierung des Instituts.
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BetroffeNe KaffeeorgaNisatioNeN rigoBerto coNtreras Díaz Kaffeebauer, Kooperative Michiza 2 , oaxaca «Wir sind weder an konventionellem RobustaKaffee noch an den von Nestlé entwickelten Wunderbäumen interessiert. Wir wollen unsere eigenen biologischen Arabica-Bohnen weiterentwickeln und unser traditionelles Wissen anwenden. Mit den Geldern, die in Nestlés Züchtungen fliessen, entfallen Investitionen in die Weiterentwicklung von Sorten, die wir, die Bio- und Fairtradebauern, bräuchten. Nestlé erscheint auf dem Kaffeemarkt mit verschiedensten Gesichtern und stellt seine Konditionen: über selbstständige oder transnationale Zwischenhändler wie Amsa 3, über das Landwirtschaftsministerium (Sagarpa) oder über Präsident Calderón, der in Davos mit Paul Bulcke die Regeln für Mexikos Kaffeesektor aufstellt.»
saNtos roBlero geschäftsführer von coopcafé «Nestlé und andere Händler konkurrenzieren das System des fairen Handels in Mexiko. Die Mitglieder von Organisationen verkaufen ihren Kaffee häufig an Zwischenhändler, die cash auf die Hand bezahlen. Dagegen gibt es bei Kooperativen für den abgegebenen Kaffee oft nur eine Anzahlung. Wegen der fehlenden Kapitalreserven erhalten sie den vollen Betrag erst, wenn die Kaffeekäufer ihre Rechnungen beglichen haben. Wir wollen verhindern, dass sich grosse Firmen in den FairtradeMarkt einmischen, denn dieser ist aus dem Bestreben entstanden, Unabhängigkeit von internationalen Konzernen wie Nestlé zu ermöglichen und zu gewährleisten.»
JuVeNtiNo garcía roBleDo, herNáN figueroa Pérez, Nestor herNáNDez góMez, sixto BoNillo Kaffee-Kooperative cesmach 4
Wir sind weder an konventionellem Robustakaffee noch an den von nestlé entwickelten Wunderbäumen interessiert. Wir wollen unsere eigenen biologischen arabica Bohnen weiterentwickeln und unser traditionelles Wissen anwenden. RiGoBeRto ContReRaS DíaZ, kaFFeeBaueR
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Medienmitteilung von Nestlé Mexiko zur Zusammenarbeit von Nestlé mit der mexikanischen Regierung im Kaffee- und Kakaosektor vom 5. Februar 2010. 2 Bio- und Fairtrade-Kooperative mit rund 1100 Mitgliedern aus der Provinz Oaxaca. 3 Amsa (Agroindustrias Unidas de Mexico) ist die mexikanische Tochterfirma des in der Schweiz angesiedelten Agrarrohstoffhändlers Ecom Trading. 4 Bio- und Fairtrade-Kooperative mit ungefähr 350 Mitgliedern aus 24 Kaffeegemeinden in Chiapas. Juventino García Robledo, Kaffeebauer und Vertreter des Aufsichtsrats; Hernán Figueroa Pérez, Kaffeebauer und Kassier; Nestor Hernández Gómez, Kaffeebauer und Präsident der Kooperative; Sixto Bonillo, Koordinator und landwirtschaftlicher Berater.
Sixto: Eine gesicherte Vorfinanzierung ist für einen Kaffeebauern etwas vom Wichtigsten. Ohne Kredite ist der Kaffeeanbau und -handel in der Region und vor allem für die Kooperativen limitiert, ohne funktioniert das Kaffeegeschäft nicht. Nestor: Genau die fehlen uns momentan für die Pflege der Plantagen, die Vorbereitungen der Aussaat und den Unterhalt der Baumschulen, wo wir unser eigenes Saatgut produzieren. Sixto: Deshalb ärgern wir uns, wenn der Staat über seine Programme grosse Unternehmen wie Amsa oder Nestlé fördert. Hernán: Dieses System und die hohen Weltmarktpreise schwächen die Kooperativen. Die Kaffeebauern verkaufen vermehrt an Zwischenhändler, die kurzfristig etwas mehr oder bar auf die Hand bezahlen. Juventino: Das Problem bei den Zwischenhändlern ist die Gefahr der Verschuldung durch die hohen Zinsen für die Vorfinanzierung, die sie verlangen.
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«in der nescaféFabrik in toluca kann jeder kaffee verarbeitet werden. Schlechter kaffee wird von nestlé durch technologi sche Raffinessen trinkbar gemacht und mit cleverem mar keting verkauft.»
«Die Fabrik in toluca wird in toluca toluca wird nach ihrer Fertigstellung Fertigstellung die grösste nescaféFabrik escafé Fabrik weltweit sein.» weltweit sein.» nestlé estlé
ÁLvaRo aGuiLaR, BeRateR DeR kooPeRative toSePan in PueBLa
Nestlé Schwerpunkt des Nescafé-Plans in diesem Bereich sind Investitionen in die ökologische Nachhaltigkeit der NescaféFabriken. 40 Mio. Franken will Nestlé jährlich weltweit dafür aufbringen. Damit soll der Energieverbrauch bis 2020 um 20 Prozent pro Tonne Kaffee und der Wasserverbrauch um 30 Prozent pro Tonne verringert werden. Zudem sollen alle Nescafé-Fabriken mit den Abfallprodukten, die bei der Kaffeeverarbeitung entstehen, geheizt werden. Zudem
verpflichtet sich der Konzern, das Gewicht der Verpackungen und den Gebrauch von rezyklierbaren Materialien zu optimieren. Dafür unterstützt Nescafé entsprechende Initiativen. In Mexiko sollen 74 Mio. Franken in den Ausbau der Nescafé-Fabrik in Toluca fliessen – mit dem Ziel einer 40-prozentigen Produktivitätssteigerung. Nach ihrer Fertigstellung Ende 2011 soll Toluca die grösste Nescafé-Fabrik weltweit sein.
Gemäss Nescafé-Plan wird Nestlé nach der Expansion die Reste, die bei der Verarbeitung des Kaffees entstehen, als alternative Energie einsetzen und so die CO2-Emissionen um 47 786 Tonnen senken. Zudem gibt es schon jetzt 4 km2 Solarzellen auf der Fabrik in Toluca, die den nötigen Strom liefern, um das Wasser für den Verarbeitungsprozess vorzuheizen.
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BetroffeNe KaffeeorgaNisatioNeN álVaro aguilar ayóN Berater der Kooperative tosepan, Puebla
Nestlé Photostream Flickr
«In der Nescafé-Fabrik in Toluca kann jeder Kaffee verarbeitet werden, auch wenn er noch so schlecht ist. Wir verkaufen unseren guten Kaffee an unsere Kunden aus dem fairen Handel, den Unbrauchbaren an Nestlé. Schlechter Kaffee oder solcher, der durch unsorgfältige Herstellung verunreinigt oder beschädigt ist und den die Bauern billig verkaufen müssen, wird von Nestlé durch technologische Raffinessen trinkbar gemacht und mit cleverem Marketing verkauft. Weil Nescafé für viele Leute zu teuer ist, hat der Konzern angefangen, den Kaffee in kleinen Portionenbeuteln zu verkaufen. Statt in die Kaffeequalität zu investieren, fliesst das Geld also ins Marketing. Unser Ziel ist es, Qualitätskaffee auch hier in Mexiko verkaufen zu können, um nicht nur vom Exportmarkt abhängig zu sein und um endlich eine lokale Kaffeetrinkkultur zu etablieren. Früher gab es in unserer Region viele verschiedene Kaffee-Einkäufer, dann kamen die grossen, zahlten höhere Preise und eliminierten so die kleinen. Als Amsa mit Nestlé den Markt dominierte, wurden die Preise wieder ge-
senkt. Wir verlangen Transparenz und Mitspracherecht in der Gestaltung der politischen Regeln auf dem nationalen Kaffeemarkt. Doch die wegweisenden Entscheidungen werden am WEF in Davos oder anderswo getroffen.»
áNgeles Mariscal Journalistin bei «la Jornada» 1 «Um die Armut in Mexiko zu bekämpfen, will die Provinz Chiapas die Bauern in die freie Marktwirtschaft zwingen. Das bedeutet, dass sie Unterstützungsgelder bekommen, wenn sie ihre kleinen Maisfelder aufgeben und stattdessen auf dafür vorgesehenen Grossflächen Exportprodukte anbauen. So wird beispielsweise der Anbau von Palmöl sehr gefördert. Hauptabnehmerin des Palmöls ist Nestlé, die es für ihre frisch renovierte Coffee-mate-Fabrik 2 hier in Chiapas braucht. Denn dieses Pulver besteht hauptsächlich aus Maisextrakten, Palmöl, Milchproteinen und künstlichem Geschmack. Dieser rein kommerzielle Ansatz von Armutsbekämpfung birgt viele soziale Gefahren. Beispielsweise müssen dem Anbau von Exportgütern die Produkte für die Eigenversorgung weichen. Das verteuert die lokalen Lebensmittel und treibt die Menschen in noch grössere Armut.»
eVB-KoMMeNtar Dass Nestlé innovative Massnahmen ergreift, um die negativen Umweltauswirkungen der Fabriken zu reduzieren, hat Vorbildcharakter für die Branche. Die besagte Nescafé-Fabrik verursacht allerdings hohe soziale Kosten, die nicht kommuniziert werden. Denn deren erhöhte Produktivität erfordert einen massiven Mehreinkauf von Billigkaffee. Solange Nestlé seine Einkaufspreispolitik nicht fairer gestaltet, leiden entsprechend mehr Kaffeebauernfamilien unter den Konsequenzen. Zudem baut Nestlé mit dem Ausbau in Toluca seine dominante Marktstellung weiter aus (siehe Grafik S. 15). Während in den 1970er-Jahren noch über 20 Prozent des Endpreises an die Produzenten gingen und über 40 Prozent der totalen Wertschöpfung im Süden blieben, schrumpften diese Anteile in den 1990er-Jahren auf 13 beziehungsweise 16 Prozent. Parallel dazu stieg die im Norden generierte Wertschöpfung von 45 auf fast 80 Prozent.
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«La Jornada» ist eine der wichtigsten Tageszeitungen Mexikos. Coffee-mate ist ein Milch- oder Rahmersatz in Pulverform, das dem Nescafé hinzugefügt werden kann.
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Mogelpackung für die armen Nestlé Mit 10 Milliarden Franken Umsatz jährlich ist Nescafé die weltweit erfolgreichste Kaffeemarke. 4600 Tassen davon werden rund um den Globus pro Sekunde konsumiert. Nescafé gibt es in verschiedenen Mischungen und Geschmacksrichtungen, die den jeweiligen lokalen Vorlieben angepasst werden. Für die verschiedenen Einkommensschichten wird Nescafé in unterschiedlichen Verpackungsgrössen und zu unterschiedlichen
Preisen verkauft. Um den Energieverbrauch zu reduzieren, der für die Zubereitung des Pulverkaffees benötigt wird, lanciert Nestlé einen neuen Wasserkocher. Weitere Investitionsprojekte oder -zahlen im Bereich Konsum nennt der Nescafé-Plan nicht, weder allgemein noch für Mexiko. Bei Bekanntgabe des Projektes in Mexiko wies Nestlé-CEO Paul Bulcke jedoch darauf hin, dass der
Konzern dort seit 80 Jahren tätig sei und meinte: «Unsere Marken wie Abuelita, Nido, Carnation und Nescafé sind nicht nur unentbehrliche Lebensmittel, sondern auch ein wichtiger Teil der Familientraditionen. Unsere fortwährenden Investitionen zeigen unser Bestreben, die mexikanischen Konsumenten täglich zu erfreuen.» 1
«nestlé kontrolliert alle akteure im ganzen Prozess, von der Bohne bis zur tasse. Wenn ein politischer akteur vor schläge des konzerns ablehnt, droht dieser, in ein anderes Land zu gehen.» JoSeFina aRanDa, BeRateRin DeR kaFFeekooPeRative CePCo in oaxaCa kaFF kooP
«unsere marken wie nido und ido und nescafé sind nicht nur nicht nur unentbehrlich, sondern auch sondern auch ein wichtiger teil der teil der Familientraditionen.» nestlé estlé 1
Medienmitteilung von Nestlé Mexico zu den geplanten Investitionen des Konzerns in Mexiko vom 30. Januar 2010. 2 ALCA (Area de Libre Comercio de las Américas) 3 Cepco (Coordinadora Estatal de Productores de Café de Oaxaca) ist eine Dachorganisation von zurzeit 34 Kaffee-Kleinbauernorganisationen aus der Provinz Oaxaca.
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eVB-KoMMeNtar eVB-Ko Der Mehrwert des Nescafé-Plans für Konsumentinnen und Konsumenten ist unklar. Wirklich günstig ist nämlich auch der preiswerteste Nescafé nicht. Er wird für ärmere Gesellschaftsschichten nur erschwinglich, weil er in kleinen Mengen gekauft werden kann – ein geschickter Marketingzug von Nestlé. In Mexiko wirbt Nestlé zudem mit Kaffee als natürlicher Quelle von gege sunden Antioxidanten, die helfen sollen, die KörperzelKörperzel len vor freien Radikalen zu schützen. Die Legitimität die dieser Aussage ist fraglich, wenn man bedenkt, dass ein Grossteil dieses Kaffees minderwertig oder gar beschädigt ist. Problematisch ist auch, dass in einem Kaffee produzierenden Land wie Mexiko ein Unternehmen Marktleader ist, das den Hauptteil der Kaffeemischung importiert. Die ökonomische Antwort könnte folgendermassen lauten: Kurzfristig kann sich der Konzern, dank dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA), das einen zollfreien Warenfluss zwischen Mexiko, den USA und Kanada erlaubt, dem US-Markt zuwenden. Der Plan der USA für eine Freihandelszone, die ganz Lateinamerika und die Karibik mit Ausnahme Kubas umfassen soll, 2 lässt Nestlé hoffen, künftig auch den gesamten lateinamerikanischen Markt mit billig produziertem Nescafé beliefern zu können.
BetroffeNe KaffeeorgaNiKaffeeorga sa satio tioNeN
kalter kaffee 13
ferNaNDo celis Direktor der mexikanischen Kleinbauernorganisation cNoc «Nestlé suggeriert mit seiner Werbung, dass der Konzern auch der armen Bevölkerung Zugang zu Luxusprodukten wie Kaffee verschaffe, während die Menschen in anderen lateinamerikanischen Ländern mit niedrigerem Einkommen längst gemahlenen Kaffee trinken. Der Pro-Kopf-Konsum ist in Mexiko mit 1,2 Kilo pro Jahr sehr tief (in Brasilien sind es 5 Kilo). Dominiert Nescafé weiterhin den Markt in Mexiko, wird der Konsum nicht mehr gross ansteigen, denn über Nescafé, der aus einer Mischung von qualitativ schlechtem Kaffee und nicht deklarierten Zusatzstoffen besteht, lernen die Konsumierenden den wahren Kaffeegeschmack nicht kennen. Um den Konsum dennoch anzukurbeln, stellt Nestlé in Bäckereien und Läden Nescafé-Automaten auf, die Kaffee mit Geschmacksrichtungen wie Zimt oder Vanille anbieten. Mit viel Zucker, Milch und künstlichem Aroma versehen, tritt die Qualität der Kaffeebohnen in den Hintergrund. Damit wird auch verständlich, warum und von wem ein Gesetz, das von den Kaffeebauernvereinigungen erarbeitet wurde, blockiert wird. In der mexikanischen Abgeordnetenkammer ist seit 2005 ein KaffeeGesetz hängig, das zwar von den Abgeordneten verabschiedet, vom Senat jedoch mit fadenscheinigen Änderungsvorschlägen zurückgeschickt wurde. Das Gesetz verlangt unter anderem ein verbindliches Zahlungssystem, das höhere Preise für bessere Qualität vorschreibt und einen limitierten Verunreinigungsgrad von verkaufsfertigem Kaffee von drei Prozent (wie es z.B. in Brasilien längst die Regel ist). Zurzeit ist ein Verunreinigungsgrad von 30 Prozent erlaubt. Zudem darf ein Kaffeeprodukt höchstens 10 statt wie aktuell 30 Prozent Zucker enthalten, um als solches verkauft zu werden.»
JosefiNa araNDa wissenschafterin und Beraterin der Kaffee-Kooperative cepco, oaxaca 3
cisac.oax.com
luís herNáNDez Journalist bei «la Jornada» «Nestlé dominiert die Kaffeekonsumgewohnheiten der Bevölkerung in Mexiko und den USA mit seinem aufdringlichen Marketing für den minderwertigen Nescafé. Über die so gene generierte Nachfrage rechtfertigt Nestlé sein Vorgehen in der Förderung von Billigkaffeeanbau.»
«Nestlé kontrolliert alle Akteure im ganzen Prozess, von der Bohne bis zur Tasse. Wenn ein politischer Akteur Vorschläge des Konzerns ablehnt, droht dieser, in ein anderes Land zu gehen. Die Kaffeeproduzierenden kämpfen ums Überleben und haben keine Ressourcen, langfristige und wirksame Lobbyarbeit im Senat und der Abgeordnetenkammer zu betreiben, damit das Kaffeegesetz endlich durchkommt.»
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fazit iNVestitioNeN iM KoNtext 9700 Millionen:
cleVeres loBByiNg Mitglied
Nestlé-Gewinn 2010.
Präsident des Direktorenrates
aMecafé
0,57 Millionen:
Nestlés jährliche Investitionen in Nachhaltigkeitsprojekte im Kaffeeund Kakaosektor in Mexiko.
Direktor
felix Martínez
50 Millionen:
Jährliche Investition (ab 2010) in die weltweite Kaffeeproduktion.
74 Millionen:
Consultant
unterstützt Kanditatur für ICO
Nestlés Einnahmen über staatliche Subventionen aus dem Programa Trópico Húmedo (2010).
43,6 Millionen:
ico
Treffen während des WEF
3000 Millionen:
ehem. Angestellter
Weltweiter Nespresso-Umsatz (2010).
Präsident felipe calderón
Int. Kaffeeorganisation
verkauft als Zwischenhändler Kaffee
hector gabriel Barreda Nader
Salär von Nestlé-CEO Paul Bulcke (2010).
8,3 Millionen:
unterstützt Kanditatur für ICO
aMsa
Direktor
10,57 Millionen:
Parlament
kanditiert als Direktor
ceo Paul Bulcke
Mexikanische Staatsinvestitionen in Kaffeeprojekte.
Lobbyist
rodolfo trampe tauber
Mexiko
2,5 Millionen:
Verband der Kaffeeindustrie
Geschäftsführer (eingesetzt durch SAGARPA)
ehem. Vizedirektor für Corporate Affairs
Investition in die Erweiterung der NescaféFabrik in Mexiko insgesamt.
aNacafé
Offizieller Kaffeeverband (Produzenten, Staat, Industrie)
uNPc-cNc
Kaffeesektor des nationalen Bauernverbandes
sagarPa
Salär von Peter Brabeck, Verwaltungsratspräsident (2010).
Ministerium für Landwirtschaft
kauft Kaffee
Budget und Gesetzgebung Lobbyist Alle Angaben in Schweizer Franken.
Einfluss
Erst wenn die von Nestlé kommunizierten Zahlen in einen Vergleich gesetzt werden, bekommen sie Aussagekraft und werden relativiert. Bei genauerem Hinschauen wird klar, dass der Konzern nicht nur investiert, sondern auch von verschiedenen staatlichen Subventionsprogrammen profitiert.
BauerNfaMilieN
Nestlé beeinflusst die mexikanische Kaffee-Politik und somit die miserablen Lebensbedingungen der Kaffeebauernfamilien durch direkte Kontakte in die wichtigsten Organe des Sektors sowie zum Präsidenten persönlich.
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eiNsaMe wertschöPfuNg
BilligiMPort für BilligProDuKtioN import: 60 000 Tonnen
gesamtproduktion: 240 000 Tonnen
Me xiKo
Kleinbauern und arbeiter
25 000 000
internationale händler
Neumann, Volcafe, ecoM, Kraft, Nestlé
5
= 55% des weltweiten Handels
röstfirmen
Nestlé, Kraft, sara lee
3
= 40 % des weltweiten Kaffeemarktes
Detailhändler Konsumenten
500 000 000
export: 153 000 Tonnen
Arabica
Robusta
Weil nicht genügend Bauernfamilien den günstigen Robusta-Kaffee anbauen wollen, mit dem Nestlé die ausgebaute Nescafé-Fabrik in Toluca füttern will, erhöht der Konzern die Importe des Billigkaffees. Das drückt auf die lokalen Kaffeepreise.
Die Marktkonzentration der internationalen Händler und Röstfirmen, unter ihnen Nestlé, führt zu einem zunehmenden Transfer der finanziellen Ressourcen und einer Akkumulation von Know-how von den Kaffeeanbauenden hin zu einer Handvoll multinationaler Konzerne.
Der Nescafé-Plan, das jüngste Projekt aus der Kategorie «Creating Shared Values» soll Nestlé besseren Zugang zu den Ressourcen verschaffen, den Kaffeebauernfamilien Einkommenssicherheit gewähren und gleichzeitig die Umwelt achten. statt gemeinsame wertschöpfung zu schaffen, baut Nestlé seine Marktkonzentration und die Kontrolle über die Produktionskette aus, kassiert dank klientelistischen Beziehungen zur Politik staatliche subventionen, von welchen früher vermehrt fairtrade-Kooperativen profitieren konnten, und verhindert mit geschickten P Pr-strategien, dass in Mexiko der lokale Qualitätskaffee den Durchbruch schafft und stattdessen Nescafé aus importierten Billigbohnen die Kaffeetassen dominiert. Viele Kaffeebauernfamilien sind enttäuscht. Der scheinbare Kurswechsel in Richtung fairere Produktion gleicht also eher einer Imagepolitur.
Mit dem 2010 lancierten Nescafé-Plan gibt der Grosskonzern Nestlé vor, neue Wege zu beschreiten. Die Rede ist von gemeinsamer Wertschöpfung, hohen Investitionen in Kaffeeprojekte, verbesserten Anbaumethoden oder von höheren Einkommen für die Bauernfamilien.
Quellen Kaffeekooperativen – Cepco: www.cepco.org.mx – Cesmach: www.cesmach.com.mx – CNOC: www.conoc.org.mx/cnoc.html – Coopcafe: http://usuarios.multimania. es/cafemuseocafe/coopcafe.html – Tosepan: www.uniontosepan.org
Die EvB hat sich den Nescafé-Plan in einem der Projektländer, Mexiko, genauer angeschaut und nachgeforscht. In dieser Dokumentation stellen wir die Nestlé-Argumente auf den Prüfstand und lassen Betroffene vor Ort zu Wort kommen.
Nestlé – www.nestle.com – www.nescafe.com – Der Nescafé-Plan mit Datenblatt zu Mexiko: www.nestle.de/GemeinsameWertschoepfung/Rohstoffe/ Documents/Nescafe_Plan.pdf Verbände und Ministerien – Anacafé: www.anacafemexico.com – Amecafe: www.amecafe.org.mx – Amsa: www.agroindustriasmexico. com.mx – ICO, Internationale Kaffee - organi sation: www.ico.org – Sagarpa: www.sagarpa.gob.mx
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