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RKW Architektur

MENSA DER FACHHOCHSCHULE FÜR FINANZEN, NORDKIRCHEN

Bild 1. Exponiert und markant – die neue Mensa für die Fachhochschule Nordkirchen besticht durch ihr auskragendes Dach und die gebäudehohe Verglasung

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RKW Architektur +

Aufgrund wachsender Studierendenzahlen benötigte die Fachhochschule für Finanzen im nordrhein-westfälischen Nordkirchen eine neue Mensa. Der kubische Bau mit hohem Glasanteil aus der Feder von RKW Architektur + bildet einen spannenden Kontrast zum Hauptgebäude, einem denkmalgeschützten Barockschloss.

Im Kreis Coesfeld, in der Nähe von Münster, liegt die Kleinstadt Nordkirchen. Seit dem Jahr 1949 befindet sich hier die Fachhochschule für Finanzen des Landes NRW im Schloss Nordkirchen. Als „westfälisches Versailles“ bekannt, stehen das Wasserschloss und seine Parkanlage heute unter Denkmalschutz. Zusätzlich zum Schlossgebäude gibt es weitere Gebäudekomplexe, die in den 1970er-Jahren errichtet wurden. Dazu zählen eine mittlerweile ebenfalls denkmalgeschützte alte Mensa östlich des

Bild 2. Zeitgemäß und harmonisch – auch die Innenräume wurden von RKW mitgestaltet

Bild 3. Zwischen Historie und Zukunft – die Klinkerfassade berücksichtigt den historischen Kontext des barocken Schlossparks und wird zudem den gestalterischen Ansprüchen eines Neubaus gerecht

Schlosses sowie nordwestlich der sogenannte SundernKomplex, bestehend aus Lehr- und Wohnräumen für Studierende. Insgesamt leben und lernen hier heute ca. 1.000 Studierende, die von ca. 100 Lehrkräften betreut werden.

Da die Zahlen der Studierenden ständig stiegen und außerdem ein dringender Bedarf nach einer zeitgemäßen Versorgung bestand, beauftragte die FHF, vertreten durch den BLB NRW, einen leistungsfähigeren, hochfunktionalen Mensaneubau. Das neue Gebäude sollte städtebaulich den Bereich der Studentenwohnheime nach Norden abschließen und als Auftakt zum Fachhochschul-Areal fungieren. Bearbeitet und betreut wurde das Projekt vom Münsteraner Standort des Büros RKW Architektur + aus Düsseldorf.

Auftakt mit Einblick

Aus Richtung Nordkirchen kommend ist die neue Mensa das erste sichtbare Gebäude des Areals, exponiert gelegen und markant gestaltet. Der ca. 2.500 m 2 Bruttogeschossfläche bietende Neubau mit der schlichten Kubatur hat eine im Prinzip zweigeteilte Fassade. Alle Funktionsbereiche wie Küche, Lager- und Sanitärräume, Technik und Büros liegen hinter geschlossenen Fassaden, während der zweigeschossige Speisesaal zu drei Seiten von einer gebäudehohen Verglasung eingerahmt wird. So öffnet er sich in südlicher Richtung der zwischen den Bestandsgebäuden liegenden großen Grünfläche. Hier kragt das auf runden Stützen aufliegende Dach über seine gesamte Längsseite imposant aus. Bei geöffneter Glasfront kann die Mensa damit um eine überdachte Terrasse erweitert werden.

Fassade vereint Historie und Zukunft

Eine wesentliche Aufgabe für die Architekten war es, eine Fassade zu entwickeln, die sowohl den historischen Kontext des barocken Schlossparks berücksichtig als auch den gestalterischen Ansprüchen eines Neubaus gerecht wird. „Wir haben in enger Abstimmung mit der Denkmalbehörde für die geschlossenen Flächen der Technikbereiche eine Klinkervariante gewählt, die die Materialität der Schlossfassade aufnimmt“, erzählt Sven Schneider, verantwortlicher Projektleiter bei RKW. Dazu wurden Klinkerriemchen der Sortierung „Lübeck“ von Hagemeister gewählt, die als Abschluss für das Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS) dienen. Sie verfügen über sehr schlanke Abmessungen und sind widerstandsfähig gegenüber Umwelteinflüssen sowie mechanischen Schlägen. „Auf der anderen Gebäudeseite ermöglicht uns die vollflächige Verglasung der Speisesäle eine direkte Verbindung von Innen- und Außenraum, ohne dass wir dabei auf zusätzliche Sonnenschutzelemente zurückgreifen müssen“, so Architekt Sven Schneider.

Effektive innere Organisation

Insgesamt bietet die neue Mensa über 600 Sitzplätze in einem zweigeschossigen, lichtdurchfluteten Speisesaal, der im Obergeschoss galerieartig ausgebildet ist. Der Luftraum verbindet beide Ebenen und ermöglicht vielseitige Blickbeziehungen – innerhalb des Gebäudes wie auch auf die große Grünfläche zwischen den angrenzenden Wohngebäuden. Angrenzend an den erdgeschossigen Teil des Speisesaals befindet sich die Speisenausgabe. Rückseitig angeordnete Räumlichkeiten wie Produktionsküche, Lagerräume und Anlieferung sowie die Büro-, Sanitär- und Technikräume im Obergeschoss orientieren sich zum Parkplatz.

Mitarbeiter ans Licht geholt

Besonders für die Angestellten war die neue Mensa eine große Veränderung. Schließlich stammte die vorherige – und aufgrund des Denkmalschutzes weiterhin erhaltene – Mensa aus den 1970er-Jahren und erfüllte noch lange Zeit verschiedene Klischees, die mit modernen Arbeitsbedingungen wenig zu tun hatten. „Das Essen wurde von den Angestellten im Keller gekocht“, erzählt Sven Schneider,

Bild 4. Die Mensa bietet über 600 Sitzplätze in einem zweigeschossigen, lichtdurchfluteten Speisesaal

Bild 5. Für Schallabsorption sorgen nicht nur spezielle, in die Decke eingebaute Akustikvliese, sondern auch großflächige Moosbilder an den Innenwänden (Fotos: Espendiller + Gnegel Designer, Münster)

„und nicht auf Teller, sondern direkt auf Tabletts mit entsprechenden Mulden gefüllt. Danach wurde es mit einem Laufband nach oben befördert, wo zwei Damen es dann aushändigten“.

Diese eher uncharmanten Zeiten sind in Nordkirchen nun auch vorbei. Gekocht wird jetzt im Erdgeschoss und das Essen wird vor den Augen der Gäste frisch und heiß auf echte Teller aufgegeben. Dabei wird ein Free-Flow-System mit einzelnen Ausgabeeinheiten genutzt, um die Bildung von Warteschlangen zu reduzieren. „Auf eine offene Küche mit Show-Cooking wollte man sich aber leider nicht einlassen“, so Sven Schneider. Doch aus dem Keller sind die Mitarbeiter heraus – und auch die Essenausgabe hat ästhetisch signifikant dazugewonnen.

Kompaktere Flächen, optimierte Abläufe

Für die Fachplanung der Küchenbereiche arbeitete RKW mit dem auf Großküchen spezialisierten Planungsbüro Weller-Küttner zusammen. Mit dessen Hilfe konnten die Parameter des Bauherrn, der sehr genaue Flächenvorgaben gemacht hatte, erfüllt werden. So entstand eine Küche, die in ihren Dimensionen viel kleiner und kompakter ist als in der Vorgänger-Mensa. Was zuerst für Verunsicherung beim Personal sorgte, wurde schnell als tatsächliche Verbesserung empfunden: Viele Arbeitsabläufe wurden optimiert und Laufwege z. T. drastisch verkürzt. Außerdem sorgen nun eine Reihe hochmoderner Dampfgarautomaten für enorme Gewinne an Effizienz wie Effektivität.

Die Umsetzung dieses technischen Teils war für die Architekten eine der größten Herausforderungen. „Die Küchen- sowie die Haustechnik sind bei diesem Projekt für fast die Hälfte der Gesamtkosten verantwortlich“, so Sven Schneider. „Das führte zu einem über das übliche Maß hinausgehenden Koordinations- und Prüfungsaufwand, vor und insbesondere auch während der Bauphase, mit einem zu großen Teilen auf einzelne Tage hochdetaillierten Terminablaufplan.“ Schließlich galt es nicht nur, die Mensa zum Stichtag „Semesterbeginn“ zu eröffnen, sondern auch, viele Teile der alten Mensa binnen eines Wochenendes ins neue Gebäude umzuziehen und in Betrieb zu nehmen. „Wohlgemerkt, direkt in den Volllastbetrieb, mit rund 1.500 Essen am Tag“, so Sven Schneider.

Angenehme Atmosphäre mit grünen Highlights

Die Bereitstellung von frisch zubereiteten Mahlzeiten in einem solchen Umfang ist aber nur eine Seite der Medaille. Gleichzeitig ging es auch darum, für die Gäste eine attraktive Umgebung zu schaffen, die ihre Rolle als wichtiger sozialer Treffpunkt des studentischen Lebens angemessen erfüllt – z. B. mit einer angenehmen Akustik, auch wenn hunderte von Menschen gleichzeitig ihre Mahlzeiten einnehmen. So setzte die für den kompletten Trockenbau verantwortliche J.R. Trocken- und Akustikbau GmbH aus Coesfeld bei der Decke eine spezielle, mit einem Akustikvlies ausgestattete Dämmplatte ein, die gerade im Frequenzbereich der menschlichen Stimme über effektive schallabsorbierende Eigenschaften verfügt.

Ebenfalls für Schallabsorption sorgen die großflächigen Moosbilder, die sich in beiden Geschossen an den Innenwänden befinden. Durch die gebäudehohe Verglasung hindurch bieten sie schon von Weitem einen Blickfang. Die Bilder bestehen aus gereinigtem und konserviertem grünen Islandmoos, das an Paneelen befestigt ist. Das Begrünungssystem von Freund Moosmanufaktur kommt ohne Licht, Bewässerung und Düngung aus und sorgt neben der Schalldämmung auch für eine Regulierung des Raumklimas.

Zeitgemäßes Gebäude, harmonisch eingebunden

Im Projektverlauf konnten sich die Architekten auch noch weiter in die Innenraumgestaltung einbringen, so mit der Auswahl der Bestuhlung in Anthrazit, Weiß und Grün oder Eichenholzmöbeln, die einen visuellen Bezug zum geschützten Schlosspark herstellen. Der Aspekt des Denkmalschutzes wurde damit umfassend in das gesamte Projekt integriert und die Anforderungen der Behörde konnten konstruktiv und lösungsorientiert umgesetzt werden – von Klinkerauswahl und Fugenbreite der Fassade bis zur Pflanzenauswahl für die Außenbereiche.

Als nächstes steht für die Architekten von RKW die Umsetzung von zwei neuen Wohngebäuden im Ensemble auf dem Programm – und damit auch die weitere Einbindung dieser Gebäude wie auch der neuen Mensa in den sich verdichtenden Campus der FHF Nordkirchen – ein Areal, das die traditionsreiche Historie mit der Zukunft gelungen verknüpft.

Weitere Informationen:

RKW Architektur + Tersteegenstraße 30, 40474 Düsseldorf Tel. (0211) 4367-258 pr@rkwmail.de, www.rkw.plus

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