DA S e-SKILLS-
MANIFEST
Mit Beiträgen führender Persönlichkeiten aus Regierung, Bildung, Politik, Forschung und Industrie
Dieses Manifest wird von European Schoolnet und DIGITALEUROPE als Teil der Kampagne „e-Skills for Jobs 2014“ herausgegeben. Bei der Kampagne „e-Skills for Jobs 2014“ handelt es sich um eine Initiative der Europäischen Kommission, die über das EU-Programm „Competitiveness of Enterprises and Small and Medium-sized Enterprises“ (COSME, Wettbewerbsfähigkeit von Firmen und kleinen und mittleren Unternehmen) finanziert und im Verbund mit der „Grand Coalition for Digital Jobs“ (Große Koalition für digitale Arbeitsplätze) der EU organisiert wird. Die Hauptansprechpartner bei der Europäischen Kommission sind: André Richier, Hauptverwaltungsrat, Referat „Schlüsseltechnologien und digitale Wirtschaft“, Generaldirektion „Unternehmen und Industrie“ Alexander Riedl, stellvertretender Leiter, Referat „Wissensdatenbank“, Generaldirektion „Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien“
Herausgeber:
European Schoolnet (EUN Partnership AISBL) Rue de Trèves 61, Brüssel 1040 Belgien
Design, DTP und Druck:
Hofi Studio, Tschechische Republik
Veröffentlicht:
Oktober 2014
ISBN:
Die Veröffentlichung dieses Buches unterliegt den Bestimmungen der Creative-Commons-Lizenz Attribution 3.0 Unported (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/).
INHALTSVER ZEICHNIS Vorwort Einführung
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Das große Ganze
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Kapitel 1 Die digitalen Arbeitsplätze der Zukunft
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Kapitel 2 Die wertebasierte IT-Funktion
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Kapitel 3 Die Auswirkungen der Globalisierung
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Kapitel 4 Die Herausforderung des e-Leaderships 38 Kapitel 5 Die neue innovative Bildung
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Kapitel 6 Die neuen digitalen Talente
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Kapitel 7 Die große Koalition für digitale Arbeitsplätze
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Kapitel 8 Die Zukunftsvision
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Autoren
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Literaturangaben
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Das e-Skills-Manifest
EINFÜHRUNG Die europäische Geschichte steht unmittelbar vor einem Wandel. Die dritte industrielle Revolution ist im Gange, und wir bestimmen die Position Europas in der entstehenden neuen Wirtschaftsordnung. Beim Anschluss an das digitale Zeitalter geht es nicht nur um die neuesten Technologien, sondern auch darum, zu Risikobereitschaft anzuregen, den Glauben an die Zukunft zu wecken und das Unternehmertum zu unterstützen. Wir müssen die Leidenschaft für den Fortschritt wiederherstellen, die Europa einst verkörperte – dieselbe Leidenschaft, die Europa antrieb, als es Schiffe in die Welt hinausschickte und die moderne Welt erfand. Wir müssen auch die Bildung überdenken – von der Art zu lernen bis zur Art, wie wir denken, arbeiten und zusammenleben. All das oben Genannte liegt im Rahmen unserer Möglichkeiten. Wir können es schaffen. Europa ist in der Welt von Heute ein führendes Innovationszentrum sowie die größte Quelle wissenschaftlicher Veröffentlichungen. Diese einzigartigen Pfründe gilt es unter einem neuen Gesichtspunkt zu nutzen. Wir müssen unsere Kultur überdenken, die zu akademisch, zu starr und zu zentralisiert geworden ist, um die Schlüssel für unsere Zukunft an diejenigen zu übergeben, die mehr darauf bedacht sind, das Unmögliche möglich zu machen, als vorsichtig ihren nächsten Schritt zu tun. Das digitale Zeitalter bietet einzigartige Chancen. Es ist keinesfalls auf eine bestimmte Technik beschränkt, sondern leitet eine völlig neue Kulturepoche ein. Sie müssen sich nur einmal ansehen, mit welcher Leichtigkeit bestimmte Unternehmer von Zahlungssystemen zu Antriebsraketen oder Elektroautos wechseln, um einen Eindruck davon zu bekommen. Diese neue Kultur erschließt sich besser über das Erlernen von Programmcode und komplexen Strukturen. Zusammen mit einer agilen und dezentralen Kooperation zwischen den Interessengruppen wird dies zu wirklich innovativen Formen von Kreativität beitragen.
Gilles Babinet Digital Champion
EINFÜHRUNG
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Das e-Skills-Manifest
DAS GROSSE GANZE Exzellenz und Innovationen sind unverzichtbar geworden Von Bruno Lanvin Die gesamte Idee eines Europas als „realistische Utopie“ sieht sich gegenwärtig ihrem ersten wirklichen Lackmustest gegenüber. Obwohl sie unbestreitbar globale Ausmaße hat, weist die derzeitige Krise in den verschiedenen Teilen der Welt unterschiedliche Formen und Verläufe auf. Zum ersten Mal in der neueren Geschichte ist eine Krise zu einem Zeitpunkt ausgebrochen, an dem die größte produzierende Wirtschaft nicht auch die größte konsumierende Wirtschaft ist. Ebenfalls zum ersten Mal in der Neuzeit gründen internationale Wettbewerbsvorteile auf Faktoren, die so wenig mit natürlichen Gegebenheiten, geografischen Aspekten und nachhaltigen technologischen Vorteilen zu tun haben.
Neues Bewusstsein für Dringlichkeit In einem solchen sich schnell wandelnden Umfeld steht Europa unter dem Druck, die Grundlagen seines künftigen Wohlstands zu definieren. Im Laufe des letzten Jahrzehnts wurden in Europa strategische Entscheidungen in dieser Hinsicht getroffen: Dazu gehören der Aufbau einer wettbewerbsfähigen und integrativen Wirtschaft sowie eine Vorreiterrolle bei Umweltschutz und Innovation. Die gegenwärtige Krise führt dazu, dass diese Entscheidungen teurer, aber auch wertvoller werden. Heute lässt sich die erneute Dringlichkeit eindrucksvoll an den vorher ungekannten hohen Arbeitslosenzahlen unter Europas Jugendlichen (definitionsgemäß 15 bis 24 Jahre alt) ablesen, die gegen Ende 2013 (siehe nachstehendes Diagramm) nahe bei 24 % lagen.
DAS GROSSE GANZE
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Saisonbereinigte Jugendarbeitslosenquoten, EU-28 und Euroraum-17, Januar 2000 – Juli 2013
Quelle: Eurostat 2014
Das neue Bewusstsein für Dringlichkeit geht einher mit dem wachsenden Eindruck, dass neue Produktionstechniken, neue Konsummuster und neue Verhaltensweisen den Boden für einen „Aufschwung mit neuen Arbeitsplätzen“ in Europa bereiten, ohne dass dies den Anspruch Europas, weltweit bei Produktivität, Innovation und Integration an der Spitze zu stehen, in Frage stellen würde. Und genau hier werden die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) und e-Skills zu einem zentralen Element künftiger Analysen und Maßnahmen für die Sicherstellung eines nachhaltigen Aufschwungs in Europa, der Arbeitsplätze schafft.
Eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten Entwicklungen im Bereich Information und Netzwerke (einschließlich CloudComputing, Big Data, soziale Medien, mobiles Internet und Konvergenz, um nur einige zu nennen) schaffen einen Bedarf an neuen Kompetenzen und bieten enorme Chancen für jene, die diese Kompetenzen als erste entwickeln und beherrschen. In einem der nachfolgenden Kapitel finden Sie Daten zum gegenwärtigen und zu erwartenden Angebots- und Nachfrageniveau in Bezug auf e-Skills. Diese zeigen ein anhaltendes Defizit für Europa als Ganzes auf: Das Paradoxon hoher 8
Das e-Skills-Manifest
Arbeitslosenzahlen in Kombination mit einer großen Zahl unbesetzter Stellen im e-Skills-Bereich ist nach wie vor eines der hervorstechendsten in der europäischen Job-Landschaft. In diesen Zeiten ist die Wahl der besten Strategie zum Umgang mit der e-Skills-Problematik genauso wichtig wie die Werkzeuge und Prozesse, die für ihre Lösung eingesetzt werden. Da die globale Wettbewerbsfähigkeit immer stärker von Wissen und Innovation abhängt, ist ganz deutlich, dass Europa auf seine Stärken (wie seine IKT-Branche und die wissensbasierte Wirtschaft) bauen muss, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile auf internationaler Ebene zu entwickeln. Die Anpassung seiner Arbeitskräfte in Qualität und Struktur an die Herausforderungen und Chancen, die sich aus dieser globalen wissensbasierten Wirtschaft ergeben, bleibt jedoch eine Herausforderung, wenn wir sie nicht angehen, werden andere Anstrengungen zur Gestaltung der Zukunft Europas als globale Kraft und Modell für „Wettbewerbsfähigkeit mit Integration“ gefährdet. Darum und um nicht weniger geht es.
Ein kritisches fehlendes Glied, intern wie extern Weite Teile der Akteure sind sich einig, dass e-Skills wesentlich sind für die Entwicklung von Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität und Innovation sowie Professionalität und Einsatzfähigkeit der europäischen Arbeitnehmer. Es muss dafür gesorgt werden, dass das Wissen, die Skills, Kompetenzen und der Einfallsreichtum von Managern, IT-Fachleuten und Anwendern den höchsten globalen Standards entsprechen und in einem Prozess effektiven lebensbegleitenden Lernens ständig aktualisiert werden. Europa braucht sowohl Menschen mit e-Skills, welche die Infrastruktur bereitstellen, als auch Menschen mit e-Skills, die diese verwenden. Eine Gesellschaft, die über e-Skills verfügt, ist daher der Wegbereiter für eine wissensbasierte Gesellschaft. So lange die europäische Bevölkerung nicht über ausreichende e-Skills verfügt, werden die in Infrastruktur (z. B. Breitband) getätigten und geplanten Investitionen keine volle Rendite bringen. Aus Sicht der Industrie ist außerdem deutlich, dass ein anhaltender bedeutender Mangel an IT-Arbeitskräften den Erfolg der europäischen Wirtschaft ernsthaft in Gefahr bringt. Er beeinträchtigt die Entwicklung hochtechnisierter Branchen und verlangsamt die Innovationsgeschwindigkeit, welche sich wiederum auf Beschäftigung und Produktivität in den betroffenen Branchen auswirkt. Ein Mangel an IT-Arbeitskräften schwächt also die Fähigkeit Europas, im globalen Wettbewerb zu bestehen. Innerhalb Europas bedeutet ein solcher Mangel außerdem eine Gefahr für das Erreichen eines digitalen Binnenmarktes.
DAS GROSSE GANZE
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e-Skills sind entscheidend für Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung in Europa 2007 verfasste die Europäische Kommission nach ausführlichen Beratungen und Gesprächen mit Interessengruppen und Mitgliedstaaten im Rahmen des europäischen e-Skills-Forums eine Mitteilung über „e-Skills für das 21. Jahrhundert: Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung“, die auch eine langfristige e-Skills-Strategie der EU beinhaltet. Die Mitgliedstaaten begrüßten diese Strategie in den Schlussfolgerungen des Rates über Wettbewerbsfähigkeit im November 2007. Auch die Interessengruppen begrüßten eine langfristige e-Skills-Agenda. Die IKT-Branche richtete das „e-Skills Industry Leadership Board“ ein, um sich an der Umsetzung der Strategie zu beteiligen. In einer Studie fand man heraus, dass die nationale IT-Politik dazu neigt, sich auf die Entwicklung grundlegender IT-Nutzer-Kompetenzen zu konzentrieren. Die Entwicklung von IT-Fachkenntnissen hingegen wird meist als Teil der beruflichen Weiterbildung angesehen. Die Studie zeigt auf, dass es in neun Ländern eine Politik zur Entwicklung von e-Business-Kompetenzen gibt. Sechsundzwanzig Länder verfolgten eine Politik, die auf die Entwicklung von e-Skills für NutzerInnen abzielt, während elf Länder (Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Malta, Portugal, Rumänien, Spanien, die Türkei und Ungarn) eine Politik umsetzen, welche die Entwicklung von e-Skills von Fachleuten zum Ziel hat. Die Studie identifizierte insgesamt fünfundvierzig Initiativen, die sich speziell mit der Entwicklung von IT-Fachkenntnissen beschäftigen. Bei der Umsetzung der EU-e-Skills-Strategie wurden große Fortschritte erzielt. Es wurden ein europäischer Rahmen für IKT-Kompetenzen – das e-Competence Framework – geschaffen, ein europäisches e-Skills-Karriereportal eingerichtet und verschiedene hochrangige Partnerschaften mit jeweils mehreren Interessengruppen begründet. Seitdem wurden noch weitere Aktivitäten eingeleitet. Dazu zählen Maßnahmen in Bezug auf Angebot und Nachfrage (einschließlich der Entwicklung von Zukunftsszenarien), mit denen Veränderungen besser vorhergesehen werden sollen, die Weiterentwicklung des europäischen e-Competence Frameworks und die Förderung bedeutender finanzieller und steuerlicher Anreize. In diesem Sinne war die europaweite Aktion „e-Skills for Jobs“ eine wichtige Sensibilisierungskampagne für die Förderung von e-Skills, den Erfahrungsaustausch, den Aufbau von Zusammenarbeit und die Mobilisierung von Interessengruppen. Während Europa immer noch darum kämpft, seinen Weg aus der Krise zu finden, erhalten die Ergebnisse aus dem Jahr 2007 eine neue Bedeutung: Die IT-spezifische Arbeitslosigkeit lag immer deutlich unter der Gesamtarbeitslosigkeit. Dies lässt darauf schließen, dass die Förderung des Wachstums der IT-Branche (und von e-Skills) es verdient, als anti-zyklisches politisches Instrument für den bereits erwähnten Aufschwung mit neuen Arbeitsplätzen in Erwägung gezogen zu werden. 10
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Europas Karten im globalen Kampf um Talente Ausgehend vom Modell der „Kompetenz-Pyramide“ des INSEAD-eLab wird deutlich, dass Europa auf allen drei Ebenen neuen Herausforderungen begegnen muss: (1) Alphabetisierung und grundlegende Kompetenzen einschließlich e-Skills, Mathematik und Naturwissenschaften (inklusive Programmierung) (2) Berufliche Kompetenzen, wie sie der Arbeitsmarkt erfordert und wie sie in der formalen Bildung, aber auch verstärkt berufsbegleitend, erworben werden
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(3) Kompetenzen für die globale wissensbasierte Wirtschaft, die weniger greifbar sind, zu denen aber die Führung von Teams und die Vorhersage von Veränderungen zählen und die für Innovationen von Bedeutung sind
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Fertigkeiten für die globale wissensbasierte Wirtschaft
Talente der globalen wissensbasierten Wirtschaft
Berufliche Fertigkeiten
Alphabetisierung & Grundfertigkeiten (Mathematik, Naturwissenschaften, IT-Kompetenzen)
Berufliche Fertigkeiten
Alphabetisierung und Grundfertigkeiten
Europa investiert sehr viel weniger in Hochschulbildung als die USA und Japan. Eine kürzlich erschienene Studie der Economist Intelligence Unit (EIU) kam zu dem Schluss, dass die USA, Singapur, Großbritannien, Irland und Südkorea die Länder sind, denen es am besten gelingt, die richtigen ITTalente zu entwickeln. Die EIU geht davon aus, dass der Schlüssel zum Erfolg dieser Länder im konsequenten Ausbau der Studentenzahlen an den Hochschulen, einschließlich der natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächer, liegt. Sie unterhalten außerdem Weltklasse-Universitäten oder Technologieinstitute, in denen Techniker Wirtschafts- und Managementund eben nicht nur Technikkompetenzen erwerben. DAS GROSSE GANZE
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Entwicklung und Konzeption der Digitalen Agenda für Europa 2010 verabschiedete die Europäische Kommission die Digitale Agenda für Europa und definierte sieben vorrangige Handlungsfelder: Schaffung eines digitalen Binnenmarkts, größere Interoperabilität, Steigerung von Vertrauen und Sicherheit im Internet, schnellere Internetverbindungen, mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung, Verbesserung der digitalen Kompetenzen und Integration sowie Einsatz der Informationsund Kommunikationstechnologien zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen wie Klimawandel und alternde Bevölkerung. Zu den Vorteilen zählen einfachere elektronische Zahlungs- und Abrechnungsmethoden, schnelle Bereitstellung von Telemedizin und energieeffiziente Beleuchtung. Auf dem Gebiet der e-Skills und der digitalen Integration wird die Europäische Kommission folgende Maßnahmen ergreifen: • e-Leadership und IKT-Professionalität fördern, um den europäischen Talentpool zu vergrößern und die Kompetenzen und Mobilität von IKTFachkräften in ganz Europa zu verbessern • Die Entwicklung von Online-Tools zur Prüfung und Anerkennung der Kompetenzen von IKT-Fachkräften und -Nutzern im Zusammenhang mit dem europäischen e-Competence Framework und EUROPASS unterstützen • Den Anteil von Frauen an den IKT-Arbeitskräften fördern • Digitale Kompetenzen zu einer Priorität der Bestimmungen bezüglich des Europäischen Sozialfonds (2014-2020) erheben • EU-weite Indikatoren für digitale und mediale Kompetenzen vorschlagen Es ist relativ einfach, aufzuzeigen, wie die oben beschriebene Typologie (Skills-Pyramide) ganz direkt auf jeden einzelnen dieser Punkte angewandt werden kann. Eine Herausforderung wird es sein, dies in gleichem Maße in allen europäischen Institutionen und nationalen Regierungen zu tun.
Zeit zum Handeln – Innovationen für Exzellenz und Exzellenz für Innovationen In den letzten Jahren haben verschiedene Interessenvertreter (insbesondere aus der Industrie) lautstark Empfehlungen für ein sofortiges Handeln ausgesprochen. Ausgehend von den neuesten Untersuchungen und Daten erscheinen die folgenden Punkte von besonderer Bedeutung: 12
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• Es sollten gründliche statistische Analysen des IT-Kompetenz-Mangels erfolgen, um eine Unterversorgung in bestimmten Bereichen festzustellen. Es sollten jährliche Eurobarometer-Berichte erstellt werden, in denen die Sicht der Arbeitgeber auf den Bedarf an e-Skills in den nächsten drei bis fünf Jahren dargestellt wird. • Es sollten Anreize für Lehrkräfte geschaffen werden, ihr eigenes IT-Wissen aufzufrischen und ihren Unterricht so zu modernisieren, dass digitale Lehrund Lernmethoden verbreitet eingesetzt werden. Es sollte Zertifizierungen für Lehrkräfte geben, mit denen sie ihre e-Skills nachweisen können. • Die Europäische Kommission sollte schulische Wettbewerbe in Mathematik und Naturwissenschaften in ganz Europa ausrufen und finanzieren, um Exzellenz zu honorieren. Weiterhin ist klar, dass die e-Skills-Herausforderung sowohl eine qualitative als auch eine quantitative ist. Europa braucht einen Pool gut ausgebildeter IT-Fachkräfte, die den Bedarf der Arbeitgeber decken. Das klassische „erst Ausbildung, dann Arbeit“-Modell verliert in einem von immer größerer Volatilität geprägten Markt an Relevanz. Arbeitgeber und Ausbildungsstätten müssen eng zusammenarbeiten, um einen flexibleren Rahmen für den Erwerb von Kompetenzen (d.h. „Lernen lernen“) zu schaffen. Eine von der EU getragene e-Skills-Strategie kann keine Eintagsfliege sein. Es klafft eine deutliche Lücke zwischen Angebot und Nachfrage von und nach e-Skills. Dieses Problem wird sich weiter verschärfen. Es wird eine erhöhte Nachfrage nach den klassischen Kompetenzen im Hinblick auf die technologische Infrastruktur geben. Hinzu kommt die Nachfrage nach den Kompetenzen, welche die Arbeitnehmer in der von Zusammenarbeit geprägten Wissensgesellschaft benötigen. All diese Empfehlungen müssen jee-Skills sind eine entscheidoch zurückstehen hinter dem „globalen Innovationsimperativ“, vor dende Komponente des dem Europa steht. e-Skills sind eine Innovations-Ökosystems. entscheidende Komponente des Innovations-Ökosystems. Anders ausgedrückt muss Europa sich mit herausragenden e-Skills ausstatten, um im globalen Wettbewerb um Innovationen führend zu bleiben. Europa braucht Exzellenz, um Innovationen hervorbringen zu können. Gleichzeitig muss Europa sein Aus- und Weiterbildungssystem verbessern, um mehr Talente, Forscher und gut ausgebildete Fachkräfte und Manager hervorzubringen und anzuziehen. In der Hochschulbildung wie auch beim lebensbegleitenden Lernen und der Grundbildung muss Europa innovativ sein, um Exzellenz hervorbringen zu können.
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Empfehlung – keine Zeit für Hinhaltetaktiken Europa muss als ganze Region einfallsreich sein und politischen Maßnahmen, die auf die Behebung des e-Skills-Mangels, der struktureller und nicht zyklischer Natur ist, abzielen, breite Unterstützung zukommen lassen. Die Wirtschaftskrise hat die Debatte auf gewisse Art verschleiert, da gesunkene Nachfragewerte zu dem Trugschluss geführt haben, der e-Skills-Mangel als solcher könnte zurückgehen. Dies ist jedoch eine große Illusion: Wenn die europäischen Unternehmen, Regierungen und Hochschulen nicht rasch reagieren, wird dieser Mangel in dem Moment, in dem die wirtschaftliche Erholung an Schwung gewinnt, umso deutlicher zutage treten. Diejenigen europäischen Volkswirtschaften, die die Krise nicht nutzen, um ihre Fähigkeit zur Hervorbringung von mehr Arbeitskräften und Managern mit e-Skills zu verbessern, werden sich im Wettlauf um wissensbasierte und innovationsgetriebene globale Wettbewerbsfähigkeit auf den hinteren Plätzen wiederfinden. Gesamtnachfrage & Verfügbarkeit von Kompetenzen ZeitKompetenznachfrage
Kompetenznachfrage des Marktes Szenario 2:
Verbesserte Lehrpläne für e-Kompetenzen Auf dem Markt verfügbare Kompetenzen
Kompetenzangebot des Marktes
Kompetenzmangel
Szenario 1:
Keine Maßnahmen
Zeit
Vor-Krise
Krise
Nach-Krise
Quelle: Lanvin, B. und Fonstad, N. (2010), „Strengthening e-Skills for Innovation in Europe“, INSEAD eLab, 2010.
Im Licht der unmittelbaren Herausforderung, welche die Jugendarbeitslosigkeit in Europa gegenwärtig darstellt, gewinnt die Dringlichkeit zu handeln eine ganz neue Bedeutung. Wir stehen allerdings erst am Anfang der digitalen Revolution: Ihre Zukunft sollte stark mit den allgemeinen Zielen Europas (zu denen Wettbewerbsfähigkeit sowie nachhaltiges und innovatives Wachstum zählen) verbunden und gleichzeitig fest in der Reaktion auf den gegenwärtigen Bedarf und die Erwartungen der europäischen Bürger verankert sein. Ihnen die Möglichkeit zu bieten, e-Skills zu erwerben, ist ein Schlüsselelement in diesem komplexen Unterfangen.
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KAPITEL 1 Die digitalen Arbeitsplätze der Zukunft Auswirkung von IKT auf die Beschäftigung Die Auswirkungen der aktuellen technologischen Entwicklung auf die Beschäftigungssituation sind noch nicht mit Sicherheit abzusehen, sie werden jedoch bedeutend sein. Außerdem ist es wahrscheinlich, dass tiefgreifende, langfristige und schmerzhafte Anpassungen nötig sein werden. Leider können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht wissen, ob die Auswirkungen und der Verlauf dieser technologischen Entwicklung sich von früheren technologiegetriebenen Umwälzungen unterscheiden werden. Das heißt: Wird der Nettoeffekt dieser Veränderungen in Bezug auf die Beschäftigung und letztendlich auf die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen positiv oder negativ sein? Diejenigen, die sich damit trösten möchten, dass die agrarwirtschaftlichen und industriellen Revolutionen der Vergangenheit nicht zu einem langfristigen Anstieg der Arbeitslosenzahlen geführt haben, sollten sich an die schrecklichen sozialen Verwerfungen erinnern, die diese Umbrüche begleiteten. So beruht das literarische Vermächtnis von Charles Dickens beispielsweise auf der realistischen Schilderung dieser Gegebenheiten. Unabhängig davon, wie schnell die Veränderungen vor sich gehen oder zu welchen Ergebnissen sie letztendlich führen, wissen wir eines: Die Arbeitskräfte von morgen benötigen Fähigkeiten, die sie in die Lage versetzen, wirtschaftliche Werte in einer Welt zu schaffen, in der vermutlich große Teile des Arbeitsmarkts durch Automatisierung, Software und Roboter ersetzt werden. Es gibt mehrere Punkte, die diesen Sachverhalt verkomplizieren.
Begrenzte Verfügbarkeit von Daten Die formale Analyse der Auswirkung von Technologie auf Wachstum und Beschäftigung wird durch eine Reihe von Einschränkungen in Bezug auf die verfügbaren Daten erschwert. Es besteht ein Missverhältnis zwischen sich verlangsamenden Produktivitätstrends, die auf Makroebene beobachtet werden, und schnelleren Wachstumsraten, die von Firmen auf Mikroebene berichtet werden. Es ist wahrscheinlich, dass die offiziellen Daten den Einfluss und die Auswirkungen der Technologie nicht zutreffend wiedergeben. So wird die IT-Kapazität traditionell anhand der Investitionen in IT-Güter und -Dienstleistungen, die innerhalb eines Unternehmens bereitgestellt werden, abgeschätzt, aber die Unternehmen nutzen heute mehr und bessere ITKapazitäten nach Bedarf über externe cloudbasierte Dienste wie Salesforce und Google-Apps, wobei sie weniger ausgeben, als für gleichwertige interne Kapazitäten nötig wäre. KAPITEL 1 DIE DIGITALEN ARBEITSPLÄTZE DER ZUKUNFT
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Die Makrodaten zeigen zudem eine „Entkopplung“ von Produktivität und Beschäftigung sowie von Produktivität und Entlohnung. So wächst die Produktivität weiter, während die Steigerung bei Gehältern und Beschäftigung zurückgeht. Dies verstärkt die Verzerrung des technologischen Wandels, wobei die Technologie zwar viel Wohlstand schafft, allerdings nur für sehr wenige. Ein Beispiel hierfür ist Facebook, das seinen Erfindern und einer kleinen Gruppe von Personen großen Reichtum verschaffte, aber nicht sehr viele Arbeitsplätze mit sich brachte. Ein anderes Beispiel ist die Auswirkung von Softwarepaketen wie TurboTax, das seine Schöpfer sehr reich machte, aber dazu führte, dass viele Steuerberater keine Arbeit mehr hatten. Es es zudem wahrscheinlich, dass sich Entwicklungen in den Daten verzögert widerspiegeln, da es einige Zeit dauert, bis Technologien sich verbreiten und in einem Maße übernommen werden, bei dem die Effekte messbar sind. Darüber hinaus benötigt auch das Erlernen und die Implementierung neuer technologischer Prozesse Zeit und erfordert möglicherweise gesetzgeberische Reformen und aktualisierte Qualifikationen – all dies trägt dazu bei, dass sich Auswirkungen verspätet in den Daten manifestieren. Schließlich kann sich auch die Klassifizierung neuer Technologien, Berufe, Aufgaben und Produkte als kompliziert erweisen, da sich die Technologiezyklen schneller als offizielle Datenerfassungssysteme ändern. Gemeinsam führen diese Sachverhalte dazu, dass eine erhebliche Divergenz zwischen den beobachteten Tatsachen und den offiziellen Daten wahrscheinlich wird.
Zeitliche und geografische Unterschiede bei der Übernahme neuer Technologien Technologische Veränderungen gehen mit einer vorher ungekannten Geschwindigkeit vor sich, allerdings kann es erhebliche zeitliche und geografische Unterschiede bei der Übernahme neuer Technologien in Bezug auf Institutionen, Unternehmen und Individuen geben. Ebenso führen soziale und kulturelle Unterschiede zu verschiedenen Geschwindigkeiten bei der Akzeptanz und Übernahme technologischer Veränderungen. Einige Technologien, die Arbeitsplätze ersetzen würden, z. B. die automatisierte Bezahlung im Supermarkt, wirkten sich nicht einheitlich aus, weil sie gesellschaftlich umstritten sind. Manche Firmen haben sich außerdem dazu verpflichtet, dass Beschäftigte nicht durch Technologie ersetzt werden dürfen, indem sie alternative produktive Aufgaben innerhalb des Unternehmens für sie finden. Es wird in diesem Zusammenhang zunehmend wichtiger, zwischen Aufgaben und Arbeitsplätzen zu unterscheiden Ein Arbeitsplatz umfasst eine Anzahl unterschiedlicher Aufgaben. Immer mehr Aufgaben, die Bestandteile auch der am höchsten qualifizierten Arbeitsplätze sind, könnten automatisiert werden. Wenn die einzelnen Schritte einer Aufgabe formalisiert und niedergeschrieben werden 16
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können, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Aufgabe mit Software automatisieren lässt. Die entscheidende – und noch offene – Frage ist: Wie hoch wird der Anteil der Aufgaben der einzelnen Arbeitsplätze in der gesamten Wirtschaft sein, der schließlich automatisiert wird, und wie viel Arbeitskraft wird dann noch für die Ausführung der übrigen Aufgaben benötigt werden? Bei der Untersuchung der Auswirkung von Technologie auf die Beschäftigung und die Verdrängung von Beschäftigten ist es wichtig, nach Komplementaritäten zwischen Menschen und Maschinen zu suchen, damit die Menschen Tätigkeiten verrichten können, die einen Mehrwert für zunehmend automatisierte Umgebungen schaffen. Viele nicht routinefähige Aufgaben, die Kreativität, soziale Kommunikation, Empathie und den Umgang mit neuen, nicht formalisierten Informationen erfordern, werden in der absehbaren Zukunft wahrscheinlich nicht automatisiert werden.
Unterschiede bei der Ersetzung von Arbeitsplätzen Einige Arbeitsplätze gehen verloren und neue werden geschaffen. Häufig erfordern diese neuen Arbeitsplätze jedoch Qualifikationen, die sich von denjenigen, die ersetzt werden, sehr stark unterscheiden. Beschäftigte, deren Arbeitsplätze wegfallen, verfügen nicht notwendigerweise über die Qualifikationen für die neu geschaffenen Arbeitsplätze. Wenn zum Beispiel die Arbeiter an einer Montagelinie durch Roboter ersetzt werden, muss jemand die Roboter und die Steuersoftware warten, aber es ist unwahrscheinlich, dass die früheren Arbeiter diese Funktion ausfüllen können. Auch der Ausgleich zwischen neu geschaffenen und weggefallenen Arbeitsplätzen bei diesem Übergang konnte noch nicht nachgewiesen werden und ist heftig umstritten. Es ist möglich, dass in der Anfangsphase mehr Arbeitsplätze verloren gehen als geschaffen werden. Im Zuge des durch die Technologie geförderten wirtschaftlichen Wachstums können jedoch neue Arbeitsplätze quasi in der „zweiten Runde“ entstehen. Das bedeutet, dass die Anpassungen wahrscheinlich lang und schmerzhaft sein werden und eine große Zahl von verdrängten Beschäftigten versorgt werden muss. Die bestehenden, gut definierten demografischen Zwänge, u. a. eine alternde Bevölkerung und der Rückzug der geburtenstarken Jahrgänge, werden auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere in den meisten Industriestaaten, voraussichtlich zu Engpässen führen. Dies könnte zu weiteren Reibungen und Diskrepanzen zwischen Angebot und Nachfrage bei Arbeitskräften führen. Gleichzeitig klagen die Unternehmen weiterhin über Fachkräftemangel, aber dieser Sachverhalt wird im Allgemeinen nicht durch Daten bestätigt. Es gibt zum Beispiel kaum Belege für Lohnerhöhungen bei Arbeitsplätzen mit knappen Qualifikationen auf aggregierter Ebene oder Nachweise aufgrund der eigenen Erfahrung, da die Unternehmen in der Regel nicht melden, dass sie ein Fachkräftemangel an der Erfüllung von Verträgen hinderte. Es ist allerdings offensichtlich, dass bei bestimmten KAPITEL 1 DIE DIGITALEN ARBEITSPLÄTZE DER ZUKUNFT
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hochspezialisierten Berufen wie Datenwissenschaftler und Softwareingenieur die Löhne signifikant steigen. Die Kombination der oben ausgeführten Faktoren – ohne Interventionen zur Behebung des Fachkräftemangels – wird vermutlich zu erheblichen Diskrepanzen im Arbeitsmarkt führen, und die Nachfrage nach Qualifikationen wird sich wahrscheinlich wesentlich schneller ändern als in der Vergangenheit.
Anforderungen für technologiebezogene Qualifikationen entwickeln sich schnell IKT-Qualifikationen oder e-Skills umfassen viele unterschiedliche Typen und Stufen, die sich zudem sehr schnell ändern können, insbesondere bei hochspezialisierten technischen Kompetenzen. Traditionell sind dies Qualifikationen für hardwarebezogene Infrastruktur-Roll-outs, von der einfachen Kabelverlegung bis zur Telekommunikations- und Netzwerktechnik, sowie softwarebezogene Qualifikationen, die für die Nutzung der IKT-Hardware erforderlich sind, was einfache IT-Kompetenzen und grundlegende bis fortgeschrittene Benutzerkompetenzen umfasst. Darüber hinaus gibt es ein breites Spektrum an technischen Qualifikationen, das von grundlegenden Berufsfeldern wie Netzwerkadministrator, SupportIngenieur und Techniker bis zu spezialisierten Berufen wie Systemingenieur, Systemprogrammierer, Systemarchitekt, Entwickler, Service-Designer, Designer für User Experience und Datenvisualisierung, Service-Architekt und -Designer, Datenwissenschaftler und Dateningenieur reicht. Zusätzlich besteht ein wachsender Bedarf an Personen mit einer Kombination aus technischen und wirtschaftlichen Qualifikationen sowie sozialen oder e-Leadership-Kompetenzen. Diese Kompetenzmuster vereinen wirtschaftliche Qualifikationen und soziale Kompetenzen mit technischen Qualifikationen und technologischer Sensibilität. Darunter fallen beispielsweise technisch versierte Manager, die verstehen, wie Technologie die Geschäftswelt erweitern und transformieren kann, denen klar ist, dass dies möglicherweise umfassende Investitionen und Restrukturierungen erfordert, und die die Macht, das Talent und den Mut haben, umgestaltende Entscheidungen zu treffen. Auf der technischen Seite bezieht sich dies auf technisches Personal mit der Fähigkeit zu erkennen und zu kommunizieren, wie die Technologie für das Management Geschäftschancen generieren kann.
Barrieren mit Auswirkung auf digitale Unternehmer Digitale Unternehmensgründer sind für Wachstum und Beschäftigung zunehmend wichtig, treffen jedoch insbesondere in Europa auf eine Anzahl von Barrieren (Clayton und van Welsum, 2014). Zu diesen Barrieren 18
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gehören ein Mangel an Flexibilität und Skalierung infolge einer durch gesetzliche Vorschriften induzierten Marktfragmentierung, was den Raum für Experimente, Innovationen und Risikobereitschaft begrenzt, und die Schwierigkeit, nationale Grenzen zu überwinden. Weitere Barrieren: die Schwierigkeit, eine Finanzierung für Betriebsgründungen und -erweiterungen zu erhalten, insbesondere für innovativere und demzufolge riskantere Initiativen; das „Verbot des Scheiterns“, d. h. Schwierigkeiten, nach einem ersten oder gar vielen Fehlschlägen einen erneuten Versuch zu unternehmen, was ein Hindernis für die Nutzung der IKT-Vorteile darstellt, da viele erfolgreiche Unternehmen nach einer Reihe von Fehlschlägen durch sogenannte Serienunternehmer entstanden sind; mangelnde Harmonisierung und übermäßig komplizierte Regulierung und Besteuerung sowie die Unsicherheit bezüglich regulatorischer Änderungen (für viele, insbesondere kleine, Unternehmen ist es sehr kostspielig, in Bezug auf gesetzliche Änderungen auf dem neuesten Stand und konform zu bleiben, für manche gar unerschwinglich); die Schwierigkeit einer grenzüberschreitenden Personalbeschaffung und eine Politik, die große und/oder etablierte Firmen zu bevorzugen scheint. Gründer, die in dem sehr schnelllebigen Technologiesektor operieren möchten, benötigen unbürokratische und einfache Möglichkeiten für den Geschäftsbetrieb in einem dynamischen und energiegeladenen wirtschaftlichen Umfeld. Eine schnelle, zuverlässige und erschwingliche IKT-Infrastruktur ist ebenso eine Voraussetzung, damit Privatunternehmer bei den richtigen geschäftlichen Bedingungen und Bestimmungen von beliebigen Standorten aus an der globalen Wirtschaft teilnehmen können. Damit können sie überall auf der Welt Ressourcen erschließen, zum Beispiel bestimmte Talente oder spezielles Wissen bzw. nach Bedarf geschäftliche Unterstützung hinzuziehen, aber sich auch Zugang zu Märkten für die eigenen Produkte verschaffen.
Manche Qualifikationen sind bald wieder überholt Wer trägt die Verantwortung dafür, die Wirtschaft mit den richtigen Qualifikationen zu versorgen? Da sich die Technologie sehr schnell entwickelt, kann es vorkommen, dass bestimmte Qualifikationen schon bald wieder überholt sind, manche Experten gehen von einem Zeitraum von 2 bis 3 Jahren aus. Bei bestimmten Spezialqualifikationen, z. B. manchen Programmiersprachen, kann dies sogar noch schneller geschehen. Für die Ausstattung mit diesen Qualifikationen hat dies wichtige Konsequenzen: Die Menschen sind sich unsicher, welche Ausbildung sie anstreben sollen und/oder halten sich bei der Ausbildung für Qualifikationen zurück, die nicht längere Zeit nutzbringend oder wettbewerbsfähig bleiben. Die Unternehmen bilden nur widerwillig aus, weil viele Qualifikationen austauschbar sind und einfach in andere Unternehmen mitgenommen werden können. Die Bildungssysteme sind zu langsam, um sich dem sich verändernden Qualifikationsbedarf anzupassen. Dies wirft die Frage auf, wer KAPITEL 1 DIE DIGITALEN ARBEITSPLÄTZE DER ZUKUNFT
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dafür zuständig ist, Arbeitskräfte neu zu qualifizieren und sie mit den richtigen Qualifikationen auszustatten. Die obigen Beobachtungen legen im Verbund mit der zunehmenden Nutzung alternativer Arbeitsverhältnisse, z. B. Teilzeitarbeitsplätze und selbstständige Tätigkeiten, nahe, dass die Verantwortung für Qualifikationen eher das Individuum als die Unternehmen oder die Regierung trägt. Das wäre jedoch eine riskante Konsequenz, da die Arbeitnehmer offensichtlich nicht in ihre eigene Marktfähigkeit investieren. Zur Anpassung an eine Zukunft mit konstanter oder häufiger Veränderung ist eine grundlegende Einstellungsänderung nötig: Man geht nicht mehr zur Schule, um die Qualifikationen für einen lebenslangen Beruf zu erwerben, sondern muss sein Leben lang immer wieder Neues lernen und sich verändern, was ein großes Maß an Anpassungsfähigkeit erfordert. Andererseits vermittelt das Bildungssystem den Menschen nicht die Qualifikationen, die an die sich schnell verändernde, durch die Technologie geprägte Welt von Heute angepasst sind. Die politischen Entscheidungsträger setzen möglicherweise Maßnahmen um, die für Neueinstellungen eher abschreckend wirken, und versäumen es, Starrheiten des Arbeitsmarkts zu beseitigen. Die Unternehmen scheinen dem Bestandsmanagement und im Falle großer Konzerne den kurzfristigen Interessen der Aktionäre und Profitansprüchen größere Bedeutung zuzumessen als der Betreuung der personellen Ressourcen. Das School 43-Experiment in Frankreich ist hier eine bemerkenswerte Ausnahme.
Empfehlungen Gemeinsam führen diese sechs Faktoren zu gesellschaftlichem Druck und können stark zerstörerisch wirken. Murray and van Welsum (2014) bezeichnen dies als die „dreifache Bedrohung der Informationstechnologie“, bei der die IKTEntwicklungen drei zerstörerische Kräfte freisetzen: Vermögensungleichheit, Spaltung der erwerbstätigen Bevölkerung und Zukunft der Arbeit sowie gesellschaftliche und politische Zerrüttung. Es scheint eine große Besorgnis bezüglich der Auswirkung der Technologie auf die Beschäftigung zu bestehen und die Befürchtung, dass die Konsequenzen negativ und unvermeidbar sind. Andererseits gibt es noch keine formellen (analytischen) Beweise, die diese Befürchtungen belegen und bestätigen, dass diese technologische Umwälzung sich von Zyklen in der Vergangenheit unterscheidet. Es ist allerdings unübersehbar, dass der Arbeitsmarkt zunehmend polarisiert ist und dass eine steigende Anzahl von Aufgaben – einschließlich hochbezahlter Arbeitsplätze für Wissensarbeiter – stark von der Automatisierung betroffen ist. Außerdem liegen Beweise vor, z. B. in den USA, die nahelegen, dass die am schnellsten wachsenden Tätigkeiten auch diejenigen mit dem geringsten Gehalt sind, was insbesondere in verbrauchsorientierten Gesellschaften ein Problem darstellt. (Wenn die Menschen nichts haben, was sie ausgeben können, kommt es zu einem Wachstumsstillstand.)
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Angesichts der vielen Wirkkräfte und der Unsicherheit über deren langfristige (Netto-)Effekte ist es schwierig, andere Empfehlungen zu geben, außer dass es wichtig ist, das Eintreten von Umwälzungen, die stark disruptiv sein können, zur Kenntnis zu nehmen. Die Automatisierung per Software und Robotik wird in unserem täglichen Leben immer größere Bedeutung bekommen, und es wird darauf ankommen, Komplementaritäten zu finden, mit denen die Menschen automatisierte Systeme aufwerten können, anstatt mit ihnen zu konkurrieren. Zwischenmenschliche Aufgaben, die körperliche und/oder persönliche Interaktionen erfordern, werden vermutlich Die Menschen müssen in wichtig werden, insbesondere angesichts von Änderungen des der Zukunft in erster Linie Lebensstils und einer alternden flexibel und anpassungsfähig Bevölkerung. Es ist sehr wahrsowie in der Lage sein, in scheinlich, dass die Menschen in der Zukunft in erster Linie einer Umwelt zu bestehen, flexibel und anpassungsfähig die sich rasch verändert. sowie in der Lage sein müssen, in einer Umwelt zu bestehen, die sich rasch verändert.
KAPITEL 1 DIE DIGITALEN ARBEITSPLÄTZE DER ZUKUNFT
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KAPITEL 2 Die wertebasierte IT-Funktion Führungsqualitäten sind wichtig Überall um uns herum sehen wir die Auswirkungen der Digitalisierung, wobei die Informationstechnologie (IT) genutzt wird, um die Industrie und verschiedene Teile der Gesellschaft zu transformieren. Mit dem Aufkommen des Internets der Dinge wird die Änderungsgeschwindigkeit noch weiter beschleunigt. Andererseits scheint die Abteilung, die in einem Unternehmen den Auftrag hat, Änderungen zu bewirken – die IT-Abteilung – oft in einer Zeitschleife gefangen zu sein. Letztlich besteht die Rolle der IT-Abteilung darin, IT-Investitionen in Form von Menschen, Prozessen und Technologien mithilfe von Benutzern mit digitalen Kompetenzen in einen geschäftlichen Nutzen zu verwandeln. Aber tut sie dies auch? Die IT ist vielleicht die dynamischste Geschäftsressource, die den Unternehmen heute zur Verfügung steht. Allerdings sind einige der Verfahren, mit denen die IT verwaltet und eingesetzt wird, nicht in der Lage, ihr Potenzial freizusetzen. Untersuchungen des Innovation Value Institute, einer irischen Organisation, die von der National University of Maynooth und Intel gegründet wurde, um die Transformation des IT-Managements zu unterstützen, belegen, dass die ITAbteilungen in vielen Unternehmen eine unzureichende Leistung erbringen und das Unternehmensmanagement nicht willens ist, Innovationen finanziell zu fördern. In solchen Unternehmen ist die Sicht auf die IT-Funktion rein operativ geprägt, und das Potenzial neuer Technologien wird nicht genutzt. Beispielsweise wird in diesen Unternehmen das Einzelziel der Einführung von Cloud-Computing lediglich als Möglichkeit gesehen, die Kosten zu reduzieren und normale IT-Aktivitäten besser durchzuführen, und nicht als Möglichkeit, Innovationen zu fördern. Außerdem befindet sich der IT-Berufsstand in einem Teufelskreis. Wirtschaftskommentatoren beklagen häufig die schlechten Karriereentwicklungsmöglichkeiten, das uninteressante Image, die kurzsichtige Verengung auf Technologie, die steigende Kommerzialisierung und die sinkende strategische Bedeutung der IT innerhalb der Unternehmen. Eine unzureichende Anzahl angemessen ausgebildeter Arbeitskräfte tritt in den Beruf ein und verbleibt in ihm, und als Folge davon haben die europäischen Unternehmen Probleme, die Innovationsfähigkeit der IT zu nutzen. Die Wettbewerbsfähigkeit auf globaler Ebene ist bedroht. Zur Bewältigung dieser Situation müssen CIOs den realen Nutzen von IT besser herausstellen. Dafür werden Persönlichkeiten 22
Das e-Skills-Manifest
mit der richtigen Mischung aus Kompetenzen und Wissen benötigt, was heute als e-Leadership bezeichnet wird.
Fehleinschätzungen ausräumen und IT- und betriebswirtschaftliche Kompetenzen vereinen Unter jungen Menschen herrscht häufig das Missverständnis vor, dass ITLeute in IT-Unternehmen arbeiten. Tatsache ist, dass weniger als 50 % der ITFachleute in der IT-Branche tätig sind. Die meisten arbeiten in IT-Abteilungen von Endanwender-Unternehmen. Ein anderes Missverständnis ist, dass eine Karriere in der IT technologieorientiert sein muss. Wenn wir uns die IT im weiteren Sinne ansehen, stellen wir fest, dass immer weniger Fachkräfte reine Technologen sind. Die Tendenz geht zu einer Mischung aus Technologie und anderen betriebswirtschaftlichen Kompetenzen. Erfolgreiche IT-Fachkräfte sind sozusagen zweisprachig: Sie beherrschen die geschäftliche und die technologische Sprache. Es gibt Indizien dafür, dass führende Unternehmen am besten IT ist vor allem eine in der Lage sind, da innovativ zu Grundlage, und ihr Potenzial sein, wo Betriebswirtschaft und IT miteinander in Berührung als Wettbewerbsvorteil wird kommen. IT ist vor allem eine da am besten genutzt, wo es Grundlage, und ihr Potenzial als Wettbewerbsvorteil wird in Kombination mit betriebsda am besten genutzt, wo es wirtschaftlicher Innovation in Kombination mit betriebseingesetzt wird. wirtschaftlicher Innovation eingesetzt wird. Außerdem kann man davon ausgehen, dass die Tatsache, dass neuere Technologien die Demokratisierung der IT vorantreiben, die Möglichkeiten für Einzelne, IT auf alle Unternehmensbereiche auszuweiten, stark erweitern wird. So wird beispielsweise die immer größere Ausgereiftheit und Benutzerfreundlichkeit von Platform as a Service den Aufbau innovativer IT-Lösungen außerhalb der traditionellen IT-Umgebung begünstigen. Dies erfordert jedoch entsprechend geschulte Fachkräfte, welche die richtige Mischung von IT- und betriebswirtschaftlichem Know-how mitbringen. Eine große Lücke, die geschlossen werden sollte, ist die von IT- und Management-Ausbildungen mit Bezug zu IT-Innovationen. Diese sollten in die MBA-Programme führender Wirtschaftshochschulen aufgenommen werden.
Die Bedeutung von IT Freddy Van den Wyngaert, Chief Information Officer (CIO) von AgfaGevaert und President der European CIO Association (EuroCIO), meint, dass KAPITEL 2 DIE WERTEBASIERTE IT-FUNKTION
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Unternehmen, die es versäumen, zu modernisieren und die digitale Revolution zur Kenntnis zu nehmen, indem sie e-Skills und e-Leadership aufbauen, schon kurzfristig Schaden nehmen werden. So entwickelt sich heute Agfa HealthCare, einer der Geschäftsbereiche des Konzerns, von einer produktorientierten Organisation, die auf chemische Filme und Radiologie fokussiert war, zu einem IT-Software- und -Dienstleistungsunternehmen, das die vielen Segmente des Gesundheitssektors umspannt. Digitalisierung und IT sind für den Ausgleich zwischen Versorgungsqualität, Sicherheit der Patienten und Kosteneffizienz des Geschäftsbereichs unverzichtbar. Michael Gorriz, CIO von Daimler, erläutert die Schlüsselrolle der IT in der Automobilherstellung: „Die IT ist integraler Bestandteil der gesamten Organisationsstruktur. Sie ist in alle primären und sekundären Geschäftsprozesse eingebunden. Bevor das erste Stück Metall eingesetzt wird, hat ein neuer Mercedesbereits Millionen von Testkilometern auf dem Computer hinter sich. Unsere Fahrzeuge werden dreidimensional auf dem Computer entworfen, konstruiert und entwickelt. Das umfasst Crash- und Belastungstests sowie Fahrersimulationen. Nur durch diese Simulationen können wir das Verhalten eines neuen Modells vorhersagen.“ Bei Intel ist die IT das Nervensystem des Unternehmens und auch immer mehr die Muskulatur. Automatisierte IT-Systeme ermöglichen es hier den internationalen Intel-Werken, mehr als eine Milliarde hochwertiger Hightech-Teile jährlich zu fertigen und zu versenden.
e-Skills inAnwender-Unternehmen IT ist das wichtigste Unterscheidungsmerkmal bei neuen Produkten und Dienstleistungen. Allerdings ist das entsprechende Potenzial durch einen gravierenden Mangel an angemessen qualifizierten Mitarbeitern bedroht. Weil IT-Qualifikationen bei allen beruflichen Aufgaben benötigt werden, wären die Förderung und der Einsatz einer Einstiegszertifikation wie des Europäischen Computerführerscheins für Schüler, Organisationen und die Gesellschaft insgesamt von Vorteil. Es besteht nicht nur im Hinblick auf IT-Fachkräften ein Mangel an Personen, die Informatik, Informationsmanagement und verwandte Fächer studieren, sondern in sämtlichen Fachbereichen wird die IT zu wenig berücksichtigt. In allen traditionellen Fächern sind IT-Kenntnisse erforderlich, um professionell zu arbeiten, insbesondere dann, wenn es um Innovationen geht. Obwohl die europäischen Universitäten e-Skills auf vielfältige Art und Weise fördern, müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Studienpläne mit dem sich schnell verändernden IT-Umfeld Schritt halten. Soziale Netzwerke, Cloud-Computing und Big Data gibt es erst seit kurzer Zeit, sie haben aber schon jetzt enorme Auswirkungen auf unser Leben. e-Skills sollten in unsere Pläne für lebensbegleitendes Lernen eingebunden werden. 24
Das e-Skills-Manifest
„Die Gesellschaft muss Arbeitskräfte mit den entsprechenden e-Skills und e-Leadership-Skills hervorbringen, unabhängig davon, ob es sich um „PowerUser“, IT-Fachleute oder Vorreiter der digitalen Veränderungen handelt“, unterstreicht Michael Gorriz. „Dies ist nicht nur eine Anforderung großer Unternehmen, sondern eine Voraussetzung für die Entwicklung hin zu einer wissensbasierten Gesellschaft.“ Die Design Science kann neue Werkzeuge bereitstellen, mit denen IT- und betriebswirtschaftliche Führungskräfte Nutzen aus der IT ziehen und diesen umsetzen können. Das IVI erstellt beispielsweise mithilfe der Design Science Tools und Schulungsprogramme für Führungskräfte in der IT. Das gebündelte Wissen ist in einem lebendigen Rahmenwerk und einer Datenbank namens IT Capability Maturity Framework (IT-CMF) kodifiziert und eingebunden. Auf Basis der Datenbank können spontan Schulungsangebote für Aus- und Weiterbildung konzipiert werden, die mit dem sich immer schneller vollziehenden technologischen Wandel Schritt halten.
e-Kompetenz: Aufbau eines gemeinsamen Bezugsrahmens Es besteht ein untragbares Missverhältnis zwischen den Bildungsangeboten und den Anforderungen der Industrie. Aufgrund der fehlenden Reife des IT-Berufsstands gibt es keinerlei Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen IT-Kompetenzen und dem entsprechenden Know-how von IT-Praktikern. Die Einführung eines Bezugsrahmens zur einheitlichen Definition von e-Skills in ganz Europa würde es Schulen, tertiären Bildungseinrichtungen, Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Schulungsanbietern und Personalvermittlern erlauben, geeinter zu handeln. Mit einem solchen Ansatz könnten Organisationen Stellenprofile anhand der relevanten und geforderten ITKompetenzen erstellen, und die Praktiker könnten sich mithilfe der ITKompetenzen, die sie besitzen, selbst einordnen. Die Ausbilder könnten Transparenz bezüglich der Kompetenzen, die in den von ihnen angebotenen Kursen vermittelt werden, bieten. Das europäische Das europäische e-Compee-Competence Framework tence Framework (e-CF) hat (e-CF) hat das Potenzial, als Stein von Rosette für e-Komdas Potenzial, als Stein von petenzen in ganz Europa zu Rosette für e-Kompetenzen wirken. Das Ergebnis wäre die Erleichterung der Fachkräftein ganz Europa zu wirken. Mobilität dank eines gemeinsamen Verständnisses über Unternehmen und Grenzen hinweg.
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Damit der Rahmen sein volles Potential entfalten kann, müssen alle wichtigen Interessengruppen – Industrie, Bildungsanbieter und Regierungen – dringend die Schlüsselmaßnahmen, die er vorsieht, umsetzen. Ohne ein solch konzertiertes Handeln würde die Mobilität und Karriereentwicklung von Arbeitnehmern in Europa gehemmt.
Organisationsfähigkeit und e-SkillsRahmenkonzept Oscar Wilde schrieb: „Ein Zyniker ist ein Mensch, der von allem den Preis und von nichts den Wert kennt.“ Viele CIOs werden an jemand Bestimmtes denken, wenn sie dieses Zitat lesen, da in Bezug auf IT der Kostenaspekt eindeutig im Vordergrund steht. Der Fokus muss in Richtung Wert verschoben werden, um vom betriebswirtschaftlichen Nutzen IT-getriebener Innovationen zu profitieren. Das bedeutet, dass CIOs und CEOs bei der Bewertung der Kapazitäten der IT für das Unternehmen das Gesamtbild, d. h. Personen, Prozesse und Technologien, im Blick haben müssen, anstatt sich auf die Kompetenzen der einzelnen Mitarbeiter zu konzentrieren. Das Verständnis der Reife eines Unternehmens liefert Einsichten darüber, welche Strategien und Taktiken umgesetzt werden können, um den betriebswirtschaftlichen Nutzen der IT, welcher sich aus den menschlichen, technischen und operativen Aktiva ergibt, zu steigern. Ein mögliches Ergebnis eines solchen Bewertungsprozesses ist die Identifizierung der Notwendigkeit, eine bessere Beherrschung spezifischer Fachkompetenzen zu entwickeln. Es gibt daher eine starke symbiotische Beziehung zwischen Konzepten für die Organisationsfähigkeit von Unternehmen wie dem IT-CMF und individuellen e-Skills-Rahmen wie dem e-CF.
Änderung der Rolle von CIOs Das Zusammenspiel bedeutender Tendenzen in der Branche, wie CloudComputing, Demokratisierung von IT und Dienstleistungsinnovationen, wirkt sich auf die Rolle des CIO aus. Die Art und Weise, wie der CIO die grundlegende Einsatzfähigkeit der IT (die Aufrechterhaltung des Betriebs) managt, wird sich wohl sehr stark verändern, da wir dabei sind, ein Gebrauchsmuster der Cloud-Dienstleistungen einzuführen. Eine höhere Bedeutung wird dem Management von Beziehungen mit Dritten anstelle des Managements interner Ressourcen zur Erbringung dieser Leistungen zukommen. Viele Unternehmen werden ein hybrides Cloud-Modell umsetzen, bei dem sie weiterhin interne Ressourcen zur Sicherstellung der sensibelsten Prozesse und Aktivitäten vorhalten, während sie sich für kundenorientierte Geschäftsvorgänge auf ein Ökosystem externer Dienstleister stützen. Um diesen Übergang zu schaffen, sind Änderungen in den Kompetenzmustern sowohl von CIOs als auch von IT-Fachkräften notwendig. 26
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Da immer mehr Verantwortlichkeiten für die operative IT an externe Anbieter abgegeben werden, werden sich die CIOs wohl mehr auf die Nutzung der IT zur Vereinfachung von Innovationen konzentrieren. Untersuchungen von Accenture belegen, dass über die Verwendung der IT zur betriebswirtschaftlichen Umstellung eine wesentlich höhere Rendite erzielt wird als über die Erhöhung der internen Effizienz eines Unternehmens. Die Art und Weise der Generierung, Bereitstellung und Verwaltung solcher Innovationen wird sich jedoch voraussichtlich stark verändern. Beispielsweise werden die immer größere Ausgereiftheit und Benutzerfreundlichkeit von Platform as a Service statt IT-basierter Innovationen, die vorrangig aus der IT selbst kommen, in Zukunft eher den Entwurf und die Konstruktion von Lösungen außerhalb der IT-Funktion fördern. Außerdem ist zu beachten, dass die Produkte zunehmend digitalisiert werden oder IT-Komponenten enthalten, d. h., die CIOs sind verstärkt in die primären Prozesse von Unternehmen eingebunden und nicht nur in die geschäftlichen Unterstützungsprozesse wie ERP oder HR. Die Optimierung des Geschäfts und die Unterstützung der Kunden über die Verknüpfung CIOs rücken immer mehr interner IT-Systeme mit sozialen Medien und den Aufbau exteran die vorderste Front. ner Verbindungen mit Kunden oder Partnerunternehmen führen dazu, dass die CIOs immer mehr an die vorderste Front rücken. Die CIOs müssen Lösungen, die im Unternehmen entwickelt werden, fördern und umsetzen. Dies wird eine grundlegende Änderung im Rollenverständnis von CIOs bedeuten. Bisher haben sich zu viele CIOs darauf konzentriert, den potenziellen Schaden für Anwender zu kontrollieren und zu begrenzen. Ein wichtiger geschäftlicher Makrotrend besteht darin, die Anwender als Innovationsquelle heranzuziehen. Jetzt, wo sich die Leistungsfähigkeit neuer Plattformen abzeichnet, muss sich die Rolle des CIO dahingehend verändern, dass er das Potenzial des Anwenders als Ressource freisetzt und nutzt. Die Nähe der Anwender zu den Unternehmen und ihre relative Anzahl bedeuten, dass sie eine enorme Chance für neue Innovationsquellen darstellen. Dafür sind eindeutig Veränderungen bei den e-Skills von CIOs, IT-Fachleuten und diesen „Anwender-Programmierern“ vonnöten. Die Nachfrage nach „dualen Denkern“ oder „e-Leadern“, die in der Lage sind, IT- und betriebswirtschaftliches Wissen zu kombinieren, wird dramatisch zunehmen. Die CIOs müssen die entsprechenden betriebswirtschaftlichen Kompetenzen entwickeln, um den Wert der IT bei der Neubelebung des Geschäfts aufzuzeigen, und Bildungsanbieter müssen sicherstellen, dass sich diese Entwicklung in der Art und Weise widerspiegelt, wie die nächste Generation ausgebildet wird. Mehr als 5.000 Führungskräfte aus der IT haben weltweit an dieser vom IVI ausgearbeiteten Schulung zum Nachweis des IKT-Nutzens teilgenommen, und KAPITEL 2 DIE WERTEBASIERTE IT-FUNKTION
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ein neues Masterprogramm mit dem Titel „IT Management for Value“ ist in Kraft. Gleichzeitig entwickelt die European CIO Association in Übereinstimmung mit dem e-CF ein eigenes Schulungsprogramm, das direkt Die Nachfrage nach „dualen am Bedarf der Nachfrageseite ansetzt. Obgleich es sich bei Denkern“ oder „e-Leadern“, diesen Initiativen um wichtige die in der Lage sind, IT- und Schritte zur Verbesserung des ITManagements handelt, werden betriebswirtschaftliches sie aber wohl nicht ausreichen. Wissen zu kombinieren, wird Zusätzliche Maßnahmen sind notdramatisch zunehmen. wendig, um zu einer zufriedenstellenden Lösung zu gelangen.
Empfehlungen Die Umsetzung des europäischen e-Competence Frameworks und der IKT-Arbeitsplatzprofile vorantreiben, um die Standardisierung von Kompetenzen, Stellenprofilen und des Bildungsbereichs zu unterstützen. Bildungseinrichtungen in ganz Europa bei der Erstellung von Bildungs- und Schulungsprogrammen unterstützen, die mit dem e-CF und verwandten IKTProfilen übereinstimmen. Gegenwärtig gestaltet es sich für Arbeitgeber und Fachleute schwierig, die Inhalte verschiedener Kurse, insbesondere in verschiedenen Ländern, zu verstehen. Die Ausrichtung der Ausbildung am e-CF und an den IKT-Profilen sollte viel dazu beitragen, dass das Bildungsangebot geordnet und übersichtlich wird. IT-Ausbildung für Angehörige anderer Berufsgruppen verstärken. IT spielt heutzutage bei so vielen Stellen eine Rolle, dass die Schüler und Studenten entsprechende IT-Skills erwerben müssen, um ihre effiziente Eingliederung am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Über neue Technologien wie Big Data, das Internet der Dinge, 3D und die Cloud sollten nicht nur IT-Fachkräfte Bescheid wissen. Andere Berufsgruppen sollten sie ebenfalls kennen, weil sie alle Unternehmenssparten, vom Vertrieb bis zur Logistik, betreffen sowie sich auf Regierungen, KMUs, das Gesundheitswesen usw. auswirken. Engere Beziehungen zwischen Industrie und Ausbildungsinstituten entwickeln. IT-Koryphäen werden nur selten als IT-Dozenten an renommierten Universitäten akzeptiert oder wirken an der Gestaltung entsprechender Ausbildungsprogramme mit. Damit hebt sich die IT negativ von anderen Fachbereichen wie Jura, Medizin oder Ingenieurswissenschaften ab, wo erfahrene Experten aus der Wirtschaft eingeladen werden, solche Funktionen zu übernehmen. Es sollten Bildungsgremien eingesetzt werden, in denen Spitzenkräfte aus der Praxis gemeinsam mit Universitätsprofessoren neue e-Leadership-Studienpläne verabschieden.
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Beziehungen und Verständnis zwischen Führungsebene und IT-Funktion verbessern. Die Führungskräfte in einigen Organisationen sind nach wie vor auf die Produktivität und die Kosten von IT fokussiert und weniger auf deren innovatives Potenzial. Die Unterstützung der Europäischen Kommission in diesem Bereich – über die Weiterverbreitung ihrer Politik – könnte dazu führen, dass sich führende Akteure der bedeutsamen Rolle der IT in Europas Unternehmen stärker bewusst werden. In diesen politischen Mitteilungen kann es auch um andere Schlüsselthemen wie den Umgang mit Informationen und digitalen Inhalten, strategische Analysen des IT-Umfelds und die Beziehungen zwischen Unternehmensleitung und IT gehen. Es wird angeraten, dass IT-Know-how der Unternehmensleitung und nichtgeschäftsführender Vorstandsmitglieder zu verstärken. CIO- und Spitzenfunktionen im IT-Management sollten mit mehr betriebswirtschaftlichen Kenntnissen, Kommunikationskompetenz und Änderungsmanagement-Kompetenz ausgestattet werden, damit diese „Chefs“ die erforderlichen Aufgaben in ihren Unternehmen im Hinblick auf e-Leadership und betriebliche Erneuerung übernehmen können. Junge Menschen für IT begeistern. Ohne ein genaues Verständnis der vielen und vielfältigen Karrierechancen, die die IT bietet, besteht die Gefahr, dass das Interesse junger Menschen an IT weiter zurückgeht, was die europäische Wettbewerbsfähigkeit mittelfristig ernsthaft in Gefahr bringen kann. Entsprechende Maßnahmen sollten auf Sekundar- und möglichst auch auf Grundschulen ausgerichtet sein, weil dort die ersten Entscheidungen für die spätere Berufslaufbahn getroffen werden. Viele Lehrkräfte haben weder die Fähigkeiten noch die Kenntnisse, um Jugendliche für eine IT-Karriere zu begeistern. Inspirierende e-Leader (CIOs, IT-Privatunternehmer) sollten gebeten werden, ihre Geschichten zu erzählen, um die jungen Leute zu begeistern. Besuche bei führenden Industrieunternehmen können den Jugendlichen die Augen für neue berufliche Möglichkeiten öffnen. Die Kampagne „e-Skills for Jobs“ liefert bereits einen entscheidenden Beitrag zur Änderung von Vorstellungen. Ein weiterer konzertierter Einsatz von Industrie, Regierungen und ausgewählten Ausbildungsinstituten kann dazu beitragen, diese Arbeit voranzutreiben und die wichtigsten Zielsetzungen der Digitalen Agenda für Europa zu unterstützen. Den Aufbau nationaler e-Leadership-Arbeitsgruppen vorantreiben. In einigen Ländern werden Maßnahmen unternommen, um Hochschulen, die IT-Branche, IT-Nutzergemeinschaften und Regierungen zur gemeinsamen Ausarbeitung von nationalen IT-Kampagnen, zur Durchführung von Aktionen in Schulen, zur Förderung neuer Wege in der IT-Bildung etc. zu bewegen. Manche der Aktionen werden von einem nationalen Digital Champion geleitet. Man geht davon aus, dass solche Arbeitsgruppen eine wichtige Rolle dabei spielen können, die oben ausgeführten Sachverhalte breiteren gesellschaftlichen Gruppen zu vermitteln.
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Ausreifung des IT-Berufsstands. Außerhalb der klassischen Berufsbilder sind keine Zertifikate erforderlich, um IT-Schlüsselpositionen zu besetzen. Niemand würde dagegen auch nur auf die Idee kommen, sich einer Operation durch einen Arzt zu unterziehen, der lediglich Erfahrung hat. Dieser Mangel an Zertifikaten für Einzelpositionen bei der Besetzung von Schlüsselfunktionen besteht gleichzeitig mit der Tatsache, dass internationale Unternehmen und Regierungsinstitutionen vollständig abhängig von der reibungslosen Funktion und Absicherung durch IT-Systeme sind. Während nicht für alle Stellen Fachwissen und Zertifikate benötigt werden, sollte bei bestimmten Schlüsselpositionen, z. B. bei Architekten von Unternehmenssystemen, Sicherheitsbeauftragten etc., die passende Kombination aus geprüftem theoretischen Wissen und praktischer Erfahrung vorausgesetzt werden. Die Europäische Kommission hat mit ihrem e-Skills- und e-Leadership-Programm wichtige Schritte unternommen. Diese Initiativen finden in der gesamten IKT-Branche und in IT-Demand-Organisationen breite Unterstützung. Durch die kontinuierliche Kooperation zwischen einigen der wichtigsten Generaldirektionen der Europäischen Kommission, die in diesem Bereich operieren, z. B. GD Connect, GD Unternehmen und Industrie, GD Bildung und Kultur, GD Forschung und Innovation, GD Beschäftigung, Soziales und Integration, werden die vorgeschlagenen politischen Lösungen gestärkt und eine Übernahme vereinfacht. Die IT durchdringt mittlerweile so viele Teile unserer Wirtschaft und Gesellschaft in einem so großen Ausmaß, dass keine einzelne GD für sich die Zuständigkeit bezüglich der IT beanspruchen kann. Die Einigung auf einen Schwerpunkt und eine Stoßrichtung innerhalb der Europäischen Kommission ist der einfachste Teil der Lösung. Die Aufgabe der Einbeziehung und Mobilisierung von Industrie, Regierungen und Wissenschaft ist eine große Herausforderung. Hier müssen die verschiedenen Akteure ihrer Verantwortung gerecht werden. In Anbetracht der Rolle, die IT für die Ermöglichung von Innovationen in Unternehmen spielt, kann der Ruf nach einem gemeinsamen und abgestimmten Handeln beim Thema e-Skills nur in aller Deutlichkeit formuliert werden. Alle Akteure müssen diesem Ruf Gehör schenken und unverzüglich handeln, um einen weiteren Rückgang der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit Europas zu verhindern.
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KAPITEL 3 Die Auswirkungen der Globalisierung Das Wesen der globalen e-SkillsHerausforderung Im globalen Geschäftsumfeld von heute kann der wachsende Bedarf an qualifizierten IKT-Fachkräften nicht gedeckt werden. In einem vor kurzem erschienen e-Skills-Bericht (2014) gaben 70 % der Befragten an, dass sie einen erheblicher Mangel an e-Skills wahrnehmen, der die Leistung und das Wachstum von Unternehmen einschränkt, und dieses Problem durch neu aufkommende technologische Entwicklungen wie Big Data, das Internet der Dinge, soziale Tools und Technologien sowie mobiles und cloudbasiertes Computing noch verschärft wird. Im oben genannten Bericht wird prognostiziert, dass aufgrund des Fehlens von verfügbaren Talenten in einem Zeitraum mit einem zukünftigem moderaten wirtschaftlichen Wachstum in Europa bis 2015 ein Mangel an e-Skills für 509.000 potentielle Stellen und bis 2020 von bis zu 1,2 Millionen Arbeitsplätzen zu erwarten ist. Innerhalb Europas befinden sich 60 % der unbesetzten Stellen in Großbritannien, Deutschland und Italien, aber ähnliche e-Skills-Diskrepanzen bestehen in den USA, Kanada, Brasilien, Australien, Russland, Südafrika, Lateinamerika, Malaysia und Japan. Die Behebung des Mangels an e-Skills findet sich seit vielen Jahren auf der Agenda zahlreicher Staaten. Ein zentrales Thema in der Literatur ist das Ausmaß, in dem die Unreife des IKT-Berufsbildes zur e-Skills-Diskrepanz beiträgt. In diesem Kapitel wird das Wesen des IKT-Berufsbildes erörtert und auf welche Weise dieser durch die stärker werdende internationalisierte Ausprägung der IKT-Rollen und -Funktionen beeinflusst wird. Die zunehmende Globalisierung ist bei dieser Bedeutungsverschiebung im internationalen Kontext ein entscheidender Faktor. Für den IKT-Berufsstand bringt dies sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich, die aufgrund des durchdrinEine Nichtentwicklung genden Wesens der IKT für die Gesellschaft als Ganzes des Berufsbildes würde das gelten. Untersuchungen Wachstum hemmen und (von Sherry et al., 2013, das Risiko kostspieliger und 2012 und 2014) zeigen, dass der IKT-Berufsstand gefährlicher IKT-Fehlschläge durch Weiterentwicklung vergrößern. und Ausreifung besser in der Lage wäre, die KAPITEL 3 DIE AUSWIRKUNGEN DER GLOBALISIERUNG
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Herausforderungen in Bezug auf e-Skills zu meistern und das IKT-Potenzial zur Förderung des Wachstums und zur Verbesserung der sozialen Gegebenheiten und der Lebensqualität freizusetzen. Andererseits würde eine Nichtentwicklung des Berufsbildes das Wachstum hemmen und das Risiko kostspieliger und gefährlicher IKT-Fehlschläge vergrößern.
Das IKT-Berufsbild Im Bericht des Innovation Value Institute und des Council of European Professional Informatics Societies, CEPIS, über e-Skills und IKTProfessionalität mit dem Titel „Fostering the ICT Profession in Europe“ (2012) wurden vier Bausteine für ein IKT-Berufsbild genannt: • Wissensbestände: Die Definition eines geeigneten Wissensbestandes für ein Berufsbild kann als Grundlage für Standards und Zertifizierungen dienen. • Kompetenzen: Ein Verständnis der erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen für die Arbeit in verschiedenen Funktionen ist unverzichtbar, damit Unternehmen geeignete Mitarbeiter effektiv rekrutieren und fördern können. • Aus- und Weiterbildung: Formelle Qualifikationen, Zertifizierungen sowie nicht-formelles und informelles Lernen stellen sich gegenseitig ergänzende Komponenten einer beruflichen Entwicklung von Fachkräften dar. • Berufliche Ethik: Ein wesentlicher Aspekt eines jeden Berufsbildes beinhaltet die Einhaltung eines professionellen ethischen Verhaltens. Es gibt keine einzelne gemeinsame Definition für IKT-Experten, da die verschiedenen Länder und Organisationen dazu unterschiedliche Ansichten haben. Die Definition, die im Rahmen dieser Ausführungen verwendet wird, beruht auf einer früheren Initiative der Europäischen Kommission. Nach dieser Definition gilt für IKT-Fachkräfte Folgendes: • Sie besitzen ein umfassendes und aktuelles Verständnis eines relevanten Wissensbestandes.
Die Entwicklung von IKTProfessionalität nur auf nationaler Ebene ist keine angemessene Reaktion mehr auf das Ausmaß und das Wesen der e-Skills-Problematik.
• Sie weisen ein fortlaufendes Engagement für die berufliche Entwicklung über eine geeignete Kombination aus Qualifikationen, Zertifizierungen, Arbeitserfahrung sowie nicht-formeller und/oder informeller Weiterbildung nach.
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• Sie befolgen einen vereinbarten Ethik-/Verhaltenskodex und/oder geltende vorgeschriebene Verfahren. • Sie liefern über eine kompetente praktische Umsetzung einen Nutzen für die diversen Interessengruppen. Bis heute ist das IKT-Berufsbild auf der Grundlage dieser wesentlichen Professionalitätskomponenten nicht einheitlich auf einen hohen Standard entwickelt oder ausgereift. Das bedeutet eine Herausforderung auf nationaler Ebene. Noch kritischer wird der Sachverhalt jedoch, wenn er im internationalen Kontext betrachtet wird. Zwar sind die meisten IKT-Experten auf lokaler Ebene tätig, ihre Qualifikationen jedoch müssen überall auf der Welt nachvollziehbar und übertragbar sein. Aus diesem Grund ist die Entwicklung von IKTProfessionalität nur auf nationaler Ebene keine angemessene Reaktion mehr auf das Ausmaß und das Wesen der e-Skills-Problematik.
Die internationale Dimension des IKT-Berufs Welche Nachweise liegen dafür vor, dass der IKT-Beruf zunehmend international wird? In einer aktuellen Umfrage (2014) unter Akteuren innerhalb der EU gaben drei Viertel (77 %) der Befragten an, dass sie den IKT-Beruf für einen globalen Beruf halten und dass die nationalen Maßnahmen global ausgerichtet werden müssen, damit das Berufsbild ausreifen kann. Darüber hinaus glaubt eine große Mehrheit (80 %) der Befragten, dass alle IKT-Fachkräfte einen grundlegenden IKT-Wissensbestand kennen und verstehen sollten. Im Rahmen der politischen e-Skills-Agenda auf europäischer Ebene wird die internationale Dimension außerdem immer bedeutsamer. Im März 2014 organisierte die Europäische Kommission in Brüssel einen internationalen Workshop über e-Skills, an dem IKT-Experten aus der ganzen Welt, u. a. Europa, den USA, Kanada, Japan, Russland, Malaysia, Australien und Brasilien teilnahmen. Es herrschte große Übereinstimmung in Bezug auf die Verstärkung des Dialogs und die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene mit dem Ziel, dem Mangel an e-Skills abzuhelfen, und sich über internationale Initiativen und bewährte Vorgehensweisen zu informieren, um ein reiferes IKT-Berufsbild zu fördern. Weitere Einzelheiten über diesen Workshop werden weiter unten in diesem Kapitel ausgeführt.
Ausreifung des IKT-Berufsbildes in Reaktion auf die globale e-Skills-Problematik Die Entwicklung und Ausreifung aller Bausteine des IKT-Berufs wird als entscheidend für eine effektive Antwort auf die globale e-Skills-Problematik betrachtet. Dies muss auf eine Weise erfolgen, die die internationale Mobilität qualifizierter Arbeitnehmer ermöglicht und gleichzeitig die KAPITEL 3 DIE AUSWIRKUNGEN DER GLOBALISIERUNG
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kulturellen, wirtschaftlichen und sprachlichen Unterschiede zwischen Ländern und Regionen respektiert und berücksichtigt. Fortschritte in der Kommunikationstechnik und die Globalisierung vieler Unternehmen tragen vermehrt dazu bei, dass die Arbeitnehmer nicht den Standort wechseln müssen, um ihre Dienste bereitzustellen. Die Übertragbarkeit von Arbeit und Arbeitnehmern hängt eng mit der Ausreifung des Berufsbildes im Hinblick auf international anerkannte Qualifikations- und Kompetenzstandards zusammen. In diesem Abschnitt werden alle Komponenten des IKT-Berufs der Reihe nach untersucht und aktuelle Initiativen für deren Ausreifung auf internationaler Ebene erörtert.
Wissensbestände Wissensbestände stellen eine formalisierte Ontologie des Wissens dar, die benötigt wird, um in einem bestimmten Beruf professionell zu arbeiten. Sie tragen zur Professionalität bei, indem sie eine formalisierte Wissensstruktur bereitstellen, die anschließend je nach Bedarf zur Entwicklung von Lehrplänen, Standards und Zertifizierungen verwendet wird (Agresti, 2008; Denning und Frailey, 2011). In jedem Berufsfeld stellt ihre Entwicklung und stetige Aktualisierung und Pflege eine erhebliche Herausforderung dar. Innerhalb der IKT wird diese Problematik noch durch das breite berufliche Spektrum und die schnellen technologischen Veränderungen verschärft. Zahlreiche internationale Initiativen wurden unternommen, um Wissensbestände zu entwickeln, die ausreichende Modularität und Flexibilität aufweisen, um in diversen Kontexten zu funktionieren, z. B. der „Software Engineering Body of Knowledge (SWEBOK)“ vom IEEE, das „Computer Society Curricula“ der ACM, der „Chartered IT Professional Breadth of Knowledge Syllabus“ der BCS sowie die „Foundational Skills in IT“ von CIP und NASSCOM. Darüber hinaus befasst sich ein neues Projekt im Jahr 2104, das von der Europäischen Kommission finanziert und derzeit von Ernst & Young und Capgemini durchgeführt wird, mit der Ausarbeitung eines europaweiten grundlegenden Wissensbestandes für IKT.
Kompetenzrahmen Die für die Arbeit in bestimmten professionellen IKT-Funktionen erforderlichen Qualifikationen und Kompetenzen können in einem Kompetenzrahmen formalisiert werden. Solche Rahmenkonzepte stellen für Ausbilder und an der Definition von IKT-Stellenprofilen und der Rekrutierung Beteiligte konkretere Orientierungshilfen dar. Es existieren bereits einer Reihe solcher Rahmenkonzepte auf internationaler Ebene, z. B. das „Skills Framework for the Information Age“ (SFIA) in GB, das europäische „e-Competence Framework“ (e-CF) und in Japan das „Common Career/Skill Framework“ der IPA. Die Herausforderungen bei der Entwicklung und Verwendung solcher Rahmenkonzepte bestehen darin, sie stets auf dem aktuellen Stand zu halten und in einem Format bereitzustellen, das von Ausbildern und Personalleitern 34
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problemlos verwendet werden kann. Die Australian Computer Society war in dieser Hinsicht bei der Ausarbeitung von Unterrichts- und Personalvorlagen für eine einfachere Übernahme erfolgreich. Die bei diesem Forschungsprojekt befragten Akteure waren sich einig, dass, ähnlich wie bei den Wissensbeständen, die vorhandenen Rahmenkonzepte effektiver zugeordnet werden sollten, anstatt zu versuchen, einen universellen Standardrahmen zu erstellen.
Aus- und Weiterbildung Die Entwicklung von IKT als Beruf erfordert eine Ausbildung, die ein breites und tiefes Verständnis der wichtigsten Konzepte vorsieht sowie fortlaufende Fort- und Weiterbildung, damit die IKT-Fachkräfte bezüglich der Entwicklungen in einem sich schnell verändernden Bereich auf dem neuesten Stand bleiben. Zwischen der Notwendigkeit einer Ausbildung in Bezug auf das grundlegende Verständnis der Konzepte, die sich nicht oder selten ändern, und der Anforderung der Industrie, stets über Arbeitskräfte zu verfügen, die auf dem neuesten Stand der Technik sind, besteht ein gewisses Spannungsverhältnis. Trotz dieses Spannungsverhältnisses ist zu beachten, dass zwar Universitätsabschlüsse und Industriezertifikate als wesentliche Referenzen anerkannt werden, jedoch Unterschiede zwischen einzelnen Ländern bezüglich des Grades bestehen, in dem das nicht-formelle bzw. informelle Lernen anerkannt und geschätzt wird (Carcary et al., 2012). Bei IKT-Fachkräften handelt Bei IKT-Fachkräften handelt es sich selten um die einsamen Computerprogrammierer, es sich selten um die einsamen wie sie in populären Computerprogrammierer, wie Stereotypen dargestellt werden. Die Mehrzahl muss sie in populären Stereotypen eng mit der Wirtschaft kodargestellt werden. Die Mehrzahl operieren und/oder die muss eng mit der Wirtschaft kosozialen und politischen Vorgaben ihrer Organisation operieren und/oder die sozialen berücksichtigen. Arbeitgeber und politischen Vorgaben ihrer berichten, dass IKTAbsolventen häufig die beOrganisation berücksichtigen. triebswirtschaftlichen oder sozialen Kompetenzen fehlen und dass eine zusätzliche Ausbildung erforderlich ist, bevor sie wirklich einsatzbereit sind. Dies wirft die komplexe Frage auf, wie die Zuständigkeiten zwischen staatlichen Ausbildern und Arbeitgebern bei der Bereitstellung von IKT-Aus- und Weiterbildung verteilt werden sollten. Empfehlungen beinhalten die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Industrie und Wissenschaft, die Mentorprogramme und strukturierte Praktika umfasst. Auch für die Lehrplanentwicklung sollten nach Bedarf
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Kompetenzrahmen und Wissensbestände herangezogen werden, um sicherzustellen, dass die Unterrichtseinheiten und Kurse den Anforderungen der Industrie entsprechen. Neue IKT-Trends und -Entwicklungen, z. B. Big Data, können im Rahmen kurzer, fokussierter Seminare berücksichtigt werden, wodurch die Schwierigkeit umgangen wird, ganze akademische Studienpläne ändern zu müssen. Grundsätzlich müssen flexible und fokussierte Ansätze, zum Beispiel Massive Open Online Courses (MOOCs), für die Aneignung neuer Kompetenzen genutzt werden, während die herkömmlichen Kanäle für grundlegende Kompetenzen und das konzeptionelle Verständnis herangezogen werden. Die Verbesserung der Qualität der MINT- (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technologie) Bildung in der Grund- und Sekundarstufe wird außerdem als Schlüssel dafür betrachtet, für einen Nachschub an Jugendlichen zu sorgen, die Interesse an einer IKT-Berufslaufbahn haben. In verschiedenen internationalen Kontexten werden auch zunehmend unternehmerische Kompetenzen und Kreativität in die IKT-Bildung eingebunden. Die gesamte IKT-Aus- und Weiterbildung muss darüber hinaus für alle gesellschaftlichen Bereiche zugänglich und attraktiv gestaltet werden, da Frauen und Minderheiten gegenwärtig unterrepräsentiert sind.
Berufliche Ethik Ethische Standards und ein formalisierter Ethikkodex werden innerhalb der etablierten Berufe als wesentlicher Bestandteil der Professionalität betrachtet, zum Beispiel bei Jura und Medizin. Personen, die innerhalb von Organisationen die IKT entwickeln und kontrollieren, besitzen eine enorme Macht, die sie durch eine Verletzung der Sorgfaltspflicht oder in böswilliger Absicht missbrauchen können, und deshalb sind hohe Standards von ethischem Verhalten erforderlich (Weckert et al., 2013). Da die IKT die Gesellschaft immer mehr durchdringt, nimmt dieses Risiko zu. Die oben genannten Aspekte sind ein starkes Argument dafür, die ethischen Gesichtspunkte die ethischen Gesichtspunkte der IKT-Professionalität zu verstärken und weiter zu der IKT-Professionalität formalisieren – allerdings verstärken und weiter ist dies bei solch einem vielschichtigen und gloformalisieren balen Beruf schwierig. Da die IKT eng mit anderen Bereichen eines Unternehmens verzahnt ist, wird es eventuell gelegentlich erwartet, dass sie unethisches Verhalten, das nicht aus der IKT-Funktion herrührt, unterstützt oder vereinfacht. Beratungen mit wichtigen internationalen Akteuren beim kürzlich durchgeführten Workshop ergaben, dass die ethische Behandlung der IKT ausreichend flexibel bleiben muss, um international zu funktionieren, und in nützlichen Formaten für die Ausbilder und die Fachkräfte auszuarbeiten ist.
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Berufsverbände unternehmen interessante Aktivitäten, um ethische Richtlinien anpassungsfähiger und für die Betroffenen leichter umsetzbar zu machen. CEPIS versucht beispielsweise anhand von Geschichten und mit anderen Hilfsmitteln, ein ethisches Verständnis zu entwickeln und zum Austausch darüber anzuregen (CEPIS, 2014). Die Australian Computer Society zeigte anhand von umfangreichen Ethik-Fallstudien die Bedeutung der Ethik in diversen beruflichen IKT-Zusammenhängen auf (ACS, 2014). Eine Zertifizierung wurde von den Akteuren, die bei dieser Untersuchung befragt wurden, mit Ausnahme von hochriskanten Szenarien wie sicherheitskritischer IKT im Gesundheitsbereich als komplex und potenziell kontraproduktiv angesehen.
Empfehlungen Sämtliche Komponenten oder Bausteine des IKT-Berufsbildes müssen auf eine Art und Weise konsistent weiterentwickelt werden, die sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene funktioniert. In der Tat arbeiten die IKT-Fachkräfte zunehmend in globalen Teams. Das Berufsbild muss über sorgfältige Konsultation und Kooperation weiterentwickelt werden, um sicherzustellen, dass kulturelle und sprachliche Gesichtspunkte berücksichtigt und gleichzeitig ein international anerkannter IKT-Berufsstand etabliert wird. Dies beinhaltet die Information darüber, was in anderen Ländern funktioniert, und die Abstimmung von Standards und Rahmenkonzepten, die international anerkannt werden müssen.
KAPITEL 3 DIE AUSWIRKUNGEN DER GLOBALISIERUNG
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KAPITEL 4 Die Herausforderung des e-Leaderships Überblick Die beschleunigende Kraft der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), die auch als e- (elektronische) oder digitale Technologie bezeichnet wird, hat zu großen Umwälzungen in der globalen Wirtschaft geführt. Dies hat zur Folge, dass neue Märkte erschlossen werden und sich die Art und Weise ändert, wie Unternehmen ihre Produkte herstellen und Dienstleistungen bereitstellen. Die praktische Umsetzung wird durch Innovationen unterstützt (OECD 2010). Die neuen Gegebenheiten, insbesondere die Geschäftsmodelle sowie die Arbeits- und Wertschöpfungsvorgänge, erfordern neue Organisationsformen und – ganz entscheidend – erhebliche Anpassungen der Führungsstrukturen. Führerschaft im globalen Wettbewerb von Heute bedingt Kompetenz bei der Erkennung und Nutzung einer Vielzahl neuer Innovationschancen. In den meisten westlichen Volkswirtschaften setzt sich die Erkenntnis durch, dass ein wachsender Bedarf für diese Führungsqualität im Hinblick auf IKTInnovationen besteht, für die sich zunehmend der Begriff e-Leadership durchsetzt (z. B. Avolio et al., 2001). In Bezug auf die größeren europäischen Unternehmen erfordert e-Leadership nicht nur ein fundiertes Verständnis für die grundlegenden IKTFunktionalitäten und deren neueste Entwicklungen, sondern auch die Fähigkeit, organisatorische Aufgabenstellungen in Angriff zu nehmen und Personal zu führen, das in IKT-fremden Fachrichtungen hochqualifiziert ist. Ein solch kompetent geführtes Team kann sicherstellen, dass das Unternehmen von neuen Geschäftsmodellen profitiert und die Innovationschancen, die die Technologie mit sich bringt, ausschöpft. Andererseits sind die Auswirkungen von unzureichendem e-Leadership gravierend und haben zu öffentlich bekannt gewordenen großen Verzögerungen und übermäßigen Kosten sowohl für Organisationen des öffentlichen als auch des privaten Sektors geführt.
Der aktuelle e-Skills-Mangel in Europa Der wirtschaftliche Abschwung in Europa, der durch die Finanzkrise von 2007 ausgelöst wurde, führte zu einer vorher ungekannten Höhe der Arbeitslosenzahlen. Gleichzeitig wurde es in diesem Zeitraum zunehmend deutlicher, dass das Angebot an bestimmten Kompetenzen in Bezug auf die IKT, d. h. an e-Skills, unzureichend war, was das wirtschaftliche Wachstum, die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigungssituation in Europa bedroht. In Bezug auf die Behebung des Kompetenzmangels muss sowohl der 38
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technologische als auch der betriebswirtschaftliche Aspekt der IKT berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die Technologie war die Anzahl der Informatikabsolventen mehr oder weniger stabil. Sie lag zwischen 115.000 und 125.000 Studenten pro Jahr. Seit 2006 ist jedoch ein Rückgang zu beobachten, und seit 2010 stagniert die Zahl auf dem niedrigeren Niveau von etwa 110.000 Informatikabsolventen, die in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU27) jährlich von den Hochschulen abgehen. Der Effekt der Stagnation bzw. des Rückgangs an neuen IKT-Mitarbeitern wird in Europa durch eine zunehmende Anzahl von Abgängern verschärft, da IKT-Kräfte nun beginnen, sich aus der Arbeitswelt zurückzuziehen. Darüber hinaus bestehen regionale Unterschiede, wie in der Abbildung unten deutlich wird. So sind die Informatikabsolventen in Großbritannien seit 2003 um ein Drittel zurückgegangen. Frankreich hat Großbritannien mittlerweile überholt und steuert 18 % der europäischen IKT-Absolventen bei. Großbritannien stellt 17 % der Absolventen bereit, und Deutschland liegt mit 15 % der europäischen Informatikabsolventen, die in den Arbeitsmarkt eintreten, an dritter Stelle. Vor zehn Jahren brachte Großbritannien fast ein Drittel der Informatiker Europas (30 %) und Deutschland lediglich 7 % (Gareis et al., 2014) hervor. Entwicklung der Informatikabsolventen in den EU-Mitgliedsstaaten von 2000 bis 2012 Frankreich Großbritannien Deutschland Spanien Polen Niederlande Tschechien Griechenland Italien 19 weitere Mitgliedsstaaten
Quelle: Empirica, 2014
KAPITEL 4 DIE HERAUSFORDERUNG DES E-LEADERSHIPS
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Zwar bleibt der Mangel an technologischen Kompetenzen ein Problem, allerdings besteht die nicht befriedigte Nachfrage in diesem Markt vorwiegend bei den höheren Qualifikationen, wo die e-Leadership-Kompetenzen angesiedelt sind. Die in der folgenden Abbildung dargestellte Prognose zeigt den erwarteten Nachfrageanstieg in groben IKT-Stellenkategorien. Die Prognose basiert auf empirischen Daten und IDC-Vorhersagen der ökonomischen Aktivität sowie auf den Arbeitsmarkttrends laut EurostatArbeitsmarkterhebung. Insgesamt wird erwartet, dass der Bedarf an e-Skills am stärksten in Stellenkategorien im Zusammenhang mit Management und betriebswirtschaftlicher Analyse steigt. Für das Hochschulwesen bringt dies Herausforderungen und Chancen mit sich.
44,2%
Management, Unternehmensarchitektur und Analyse
15,5% 8,5%
IKT-Prak ker – Profi-Stufe
15,9% 10,1% 3,7%
IKT-Prak ker – Mitarbeiter-16,8% /Techniker-Stufe -11,8%
-3,9%
Gesamt
9,3% 3,2% 1,8%
2020 2015 2012 verglichen mit 2011
Entwicklung der IKT-Arbeitskräfte in Europa
Diese parallelen Entwicklungen – ein stagnierendes Angebot an Informatikabsolventen einerseits und ein wachsender Bedarf an Spitzenqualifikationen für das e-Leadership andererseits – werden von führenden Industrieverbänden seit langem mit Besorgnis beobachtet. So hat die Human Resource Workgroup der EuroCIO, der europäischen Organisation für Chief Information Officers, bereits 2009 den Schluss gezogen, dass eine erhebliche Verbesserung der Bildungsangebote notwendig ist, um diesen wachsenden Bedarf zu decken. Die EuroCIO ist hier aktiv geworden und innovative Kooperationen mit führenden Wirtschaftshochschulen eingegangen, um neue Studienpläne für e-Leadership auszuarbeiten. Diese sind im Sinne einer Verbesserung der Kompetenzen und des innovationsbezogenen Entscheidungsprozesses auf Leitungs- und Führungsebene von Unternehmen ausgelegt. In Reaktion auf die Unzulänglichkeiten im Qualifizierungsangebot, auf das die Interessenvertreter hinwiesen, startete die Europäische Kommission 40
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eine Reihe von Initiativen zur Förderung eines kompletten IKT-bezogenen Kompetenzspektrums. Diese Initiativen betrafen anfangs die Anforderungen für erhöhte Professionalität unter IT-Praktikern und entwickelten Strategien und Instrumente zur Überwindung des Missverhältnisses zwischen dem e-Skills-Bedarf und dem Angebot auf dieser Ebene. Aktuell liegt der Schwerpunkt auf dem Kompetenzmangel im Bereich e-Leadership.
e-Leadership-Kompetenzen Die zentrale Aufgabenstellung von e-Leadership besteht in einer deutlichen Verbesserung der Erkennung, Beurteilung und Nutzung von IKT-bezogenen Innovationschancen. e-Leadership-Kompetenzen können so verstanden werden, dass sie den Wissensbestand und das Kompetenzset umfassen, die ein Individuum in der modernen Wirtschaftsordnung benötigt, um Innovationen mithilfe von IKT einzuleiten und zu lenken. Diese Sichtweise der e-Leadership-Kompetenzen entspricht etablierten e-Skills-Kategorisierungen, insbesondere denjenigen, die von Industrievertretern im 2004 erschienen Bericht des europäischen e-Skills-Forums veröffentlicht wurden. Die Europäische Kommission entschied sich dafür, sich zunächst auf die Leadership-Anforderungen der oberen Entscheidungsebenen von mittleren und großen Unternehmen zu konzentrieren. Hier orientiert sich die Entscheidungsfindung bezüglich IKT-basierter Innovationen an mehr oder weniger gut definierten Portfolios aus mehreren Innovationschancen (Peppard und Thorp 2013), und die Umsetzung von Innovationen erfordert die Einbindung und Führung hochqualifizierter Mitarbeiter, von denen einige, aber nicht alle, ein gutes Verständnis von IKT und deren Potenzial besitzen. Für eine effektive Führung der hochqualifizierten, multidisziplinären und innovationsfreudigen Teams ist die Fähigkeit zur Beurteilung der Arbeit der verschiedenen Spezialisten entscheidend. Eine genaue Evaluation der IKTbezogenen Geschäftschancen ist der Schlüssel für den Entscheidungsprozess auf der Führungsebene eines Unternehmens. Eine Führungspersönlichkeit in einem solchen Umfeld muss mit den Teams effektiv kommunizieren und die Hilfsmittel für die Entscheidungsoptimierung vollständig verstehen. Dies erfordert nicht nur profunde und hervorragende Kompetenzen bei der Nutzung der IKT, sondern auch ausgereifte betriebswirtschaftliche Fähigkeiten sowie kompetente Kommunikation und Organisation. e-Leadership-Kompetenzen in dieser Form wurden in akademischen Informatikkursen nur teilweise vermittelt, während ein umfassendes Verständnis von Unternehmertum und Betriebswirtschaft bis zur CIO-Ebene und darüber hinaus benötigt wird.
KAPITEL 4 DIE HERAUSFORDERUNG DES E-LEADERSHIPS
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Erweiterung der vorhandenen Bildungslandschaft für e-Leadership Initiiert von der Europäischen Kommission begann man 2013 mit der Ausarbeitung von Richtlinien zur Erweiterung von e-Leadership-Lehrplänen mit dem Schwerpunkt auf Großunternehmen. Bildungsprogramme auf der Grundlage dieser Lehrpläne sind für die Bereitstellung multidisziplinärer Kapazitäten auf einem sehr hohen Kompetenzniveau erforderlich, die sich für die heute entstehenden Führungsfunktionen in großen privaten und öffentlichen Organisationen in Europa eignen. Ein erster Schritt bestand in der Feststellung des vorhandenen europäischen Bildungsangebots. In ganz Europa wurden umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, die das gesamte Spektrum der relevanten Programme abdeckten. Diese Programme umfassen in der Regel die zwei grundlegenden Kompetenzsets für e-Leadership: Verständnis der modernen IT und der betrieblichen Innovationsprozesse. Über 1.000 Graduierten- und Master-Programme fanden sich in Europa, die diese Mischung aus Lerninhalten anboten. Die große Mehrheit der Angebote erfordert jedoch ein Vollzeitstudium und richtet sich an berufliche Einsteiger. Sie eignen sich somit für den Aufbau einer Basis für zukünftiges e-Leadership, entsprechen allerdings nicht den Anforderungen der Wirtschaft für innovative Führerschaft in diesem Jahrzehnt. Weniger als 50 Programme in Europa vermitteln denjenigen komplette e-Leadership-Kompetenzen, die bereits über substanzielle Erfahrung in Führungspositionen verfügen und qualifizieren sie für die Lenkung der digitalen Neuausrichtung in ihren Organisationen. Die in Europa gefundenen Programme mit dem Potenzial, e-Leadership-Kompetenzen zu vermitteln, reichen nicht aus, um den europäischen Unternehmen die Zahl an Fachkräften zu liefern, die die Akteure in der Industrie fordern, und ein Ausbau der vorhandenen Aktivitäten ist notwendig, um die Innovationsziele der EU zu erreichen: Die Schulungs- und Bildungsanbieter in Europa müssen mehr e-Leadership-Lehrpläne vorsehen.
Erstellung von Hilfsmitteln zur Bereitstellung von e-Leadership-Bildung für Interessenvertreter Die Richtlinien zur Förderung dieses breiteren Bildungsangebots für e-Leadership-Kompetenzen wurden auf der Grundlage der von EuroCIO eingerichteten Bildungsprogramme entwickelt. Das Ziel bestand in der Erweiterung des bestehenden intensiven Prozesses zur Definition von Programminhalten in Form der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Wirtschaftshochschulen. Diese Arbeit hatte sich bei der Bereitstellung erfolgreicher e-Leadership-Programme bewährt, die Anforderungen aus dem Management mit Erkenntnissen der neuesten Forschungsarbeiten in den jeweiligen Bereichen verknüpften. 42
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Zur praktischen Umsetzung der Richtlinien wurde ein Format für die Profilierung von Programmen und der zugrunde liegenden Lehrpläne ausgearbeitet. Den Kern dieser Studienplanprofile bildet eine Gruppe von Lernzielen, die von Akademikern und Arbeitgebern als unabdingbar erachtet werden, um die Entscheidungskompetenz im Hinblick auf IKT-Innovationen, insbesondere auf C-Level, zu vermitteln. Die Arbeit mit Interessenvertretern in diesem Prozess machte deutlich, dass eine Reihe unterschiedlicher e-Leadership-Profile benötigt wird, die professionelle Aspekte wie Unternehmensarchitektur, Sicherheit und Governance beinhalten. Jedes dieser Studienplanprofile wird unter Einbeziehung von Erfahrungsträgern aus der Industrie validiert. Die ersten e-Leadership-Studienplanprofile wurden vom EuroCIO-Vorstand Mitte 2014 gebilligt. Viele Universitäten und Wirtschaftshochschulen führten anschließend eine Beurteilung ihrer Programme im Hinblick auf die e-Leadership-Anforderungen durch, die in den Studienplanprofilen berücksichtigt wurden, um die Brauchbarkeit des Konzepts zu evaluieren. Die Studienplanprofile wurden als eine Möglichkeit der Vereinfachung des Dialogs zwischen dem Bildungssektor und der Industrie über die erforderlichen Lernresultate akzeptiert und können zur Verbesserung von Programmen und Bildungserfahrungen durch Einrichtungen der höheren Bildung in vielen europäischen Ländern herangezogen werden. Diese Arbeiten seitens der e-Leadership-Initiativen der Europäischen Kommission für größere Unternehmen werden durch Arbeiten in Bezug auf KMUs und Privatunternehmer ergänzt. In beiden Fällen waren Akteure in Industrie und Wissenschaft an der Ermittlung von Möglichkeiten beteiligt, um die Entwicklung von e-Leadership-Kompetenzen zu fördern. In Europas kleineren Unternehmen und Privatunternehmen hat die Minimierung der Lernbelastung für die Teilnehmer oberste Priorität. Diese Anforderung wird mithilfe von Lehrstrategien mit gemischten Methoden erfüllt, bei denen per Fernübertragung bereitgestellte, aufgezeichnete Inhalte mit Präsenzsitzungen kombiniert werden. So wird der Vorteil des Netzwerkens unter den Teilnehmern, z. B. bei kurzen Zusammenkünften im Sommer, beibehalten und die definierten e-Leadership-Lerninhalte werden vollständig vermittelt. Auf diese Weise wird die Arbeitszeit des Lehrpersonals optimal genutzt. Das individuelle Studium wird mit der Praxis kombiniert, was die maximale Fortsetzung der aktiven Führungstätigkeit während eines Programms gestattet. Für einige Lernsegmente haben sich Medien, die für die MOOC-Vermittlung vorgesehen sind, als geeignet erwiesen.
Zukunftsperspektiven Es ist zu hoffen, dass zukünftig eine größere Anzahl von Bildungseinrichtungen mit der Industrie kooperiert, um eine Reihe von Kursen anzubieten, die auf e-Leadership-Lehrplänen basieren, während gleichzeitig die Lehrformate überarbeitet und optimiert werden. Diese Aufstockung kann über die kooperative KAPITEL 4 DIE HERAUSFORDERUNG DES E-LEADERSHIPS
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Entwicklung und gemeinsame Nutzung von aufgezeichneten Inhalten durch Bildungseinrichtungen erfolgen, was den Engpass bei den Ressourcen entschärft, insbesondere bei Universitäten, die ihre Programme technologisch vertiefen möchten. Im Zuge der Ausreifung der e-Leadership-Initiativen der Europäischen Kommission müssen die Lenkungsfunktionen an vertrauenswürdige Akteure bzw. Interessenvertreter übertragen werden, um sicherzustellen, dass die Lenkungsprozesse mit geringstmöglichem Aufwand erfolgen. Zunächst sollten die bereits von EuroCIO eingerichteten Lenkungsstrukturen ausgeschöpft werden, die diese für ihr eigenes Ausbildungsprogramm erstellt hatte. Ein Dialog mit anderen europäischen Spitzenverbänden und wichtigen Interessengruppen wurde geführt, der bei der zukünftigen Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene angesichts der vielen verschiedenen Interessen wohl noch erweitert wird. Die Hauptaussage lautet, dass im e-Leadership-Bildungsbereich die aktive Zusammenarbeit mehrerer Interessengruppen erforderlich ist, um mehr Kapazität, Innovation und Nutzen in Europa zu erreichen.
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KAPITEL 5 Die neue innovative Bildung Vorbereitung auf eine digitale Zukunft: e-Skills im Bildungsbereich Die im Bildungssystem Europas geförderten Kompetenzen entsprechen nicht immer den Anforderungen einer zunehmend digitalen Welt. Gleichzeitig spiegelt die starke Nutzung von IKT durch Jugendliche nicht immer deren Bereitschaft wider, auf diesem Gebiet zu studieren: Der Anteil der Immatrikulationen und Abschlüsse in Mathematik, Naturwissenschaft und Technologie in Europa an allen Studiengängen ist im Laufe des vergangenen Jahrzehnts zurückgegangen . Das Resultat ist eine „undichte Pipeline“, d. h. ein nachlassendes Interesse an naturwissenschaftlichen, technischen und mathematischen (MINT-) Studiengängen, das in der späten Grundstufe beginnt, sich bis zum tertiären Bildungsbereich erstreckt und mit einem unzureichenden Bewerberpool endet. In diesem Zusammenhang strebt Europa eine EU-weite Beschäftigungsquote von 75 % bei Frauen und Männern zwischen 20 und 64 Jahren bis 2020 an. Die Initiative „Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen“, die im November gestartet wurde, strebt eine bessere Antizipation zukünftiger Kompetenzanforderungen an, eine bessere Angleichung von Kompetenzen an die Anforderungen des Arbeitsmarkts und die Überbrückung der Kluft zwischen Bildungsbereich und Arbeitswelt. Theoretisch sollten die europäischen Bildungssysteme bereits jetzt Kinder und Jugendliche mit den digitalen Kompetenzen und e-Skills ausstatten, die für den Arbeitsmarkt 2020 benötigt werden. Laut einem neu entwickelten Indikator für digitale Kompetenzen, der auf dem von der Europäischen Kommission konzipierten digitalen Kompetenzrahmen basiert, verfügen 23 % der Bevölkerung in der EU über keine digitalen Kompetenzen (2012), mit einer Streuung von 6 % in Schweden bis zu 50 % in Rumänien. Wenn man berücksichtigt, dass Individuen für eine Funktion in der digitalen Gesellschaft mehr als geringe Kompetenzen besitzen müssen, kann davon ausgegangen werden, dass fast die Hälfte der EU-Bevölkerung (47 %) nicht ausreichend digital kompetent ist, d. h. geringe oder gar keine digitalen Kompetenzen besitzen. Diese Situation ist für die heutige Generation, die bei Eintritt in den Arbeitsmarkt feststellen wird, dass die große Mehrzahl der Stellen e-Skills erfordert, potenziell katastrophal.
Bildungspolitik Trotz der deutlichen Kluft, die zwischen den Kompetenzen der Schüler und Studenten und den Erwartungen besteht, werden im gesamten Bildungssystem KAPITEL 5 DIE NEUE INNOVATIVE BILDUNG
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grundlegende IKT-Kenntnisse politisch gefördert. In der Regel wird auf verschiedenen Stufen des Bildungswesens ein ganzheitlicher Ansatz zur Bewältigung der Problematik verfolgt: Kompetenz der Lehrkräfte und der Schüler/Studenten, e-Sicherheit für alle, IKT für Personen mit besonderem Förderbedarf sowie Maßnahmen zur Überwindung der digitalen Kluft. Außerdem werden Maßnahmen zur Bereitstellung der Infrastruktur ergriffen, um sicherzustellen, dass die Schulen Zugang zu den entsprechenden Technologien wie interaktiven Whiteboards, in einigen Fällen Netbooks und Tablets sowie traditionelleren Computerlaboren (fest installiert oder mobil) haben. Auch digitale Inhalte stellen in den meisten europäischen Ländern eine Priorität dar, angefangen mit Praxisgemeinschaften für Lehrkräfte und Schüler im Internet bis hin zur Bereitstellung von digitalen Lehrbüchern oder Ressourcen-Datenbanken. Die Insight Reports von European Schoolnet aus dem Jahr 2013 über die europäischen Mitgliedstaaten zeigen viele wirksame Maßnahmen und Praxisbeispiele aus den nationalen Bildungsministerien auf. Diese regen die Entwicklung grundlegender IKT-Kompetenzen an und die Anerkennung der Tatsache, dass die digitale Kompetenz ein wesentlicher Bestandteil eines modernen Kompetenzkonzepts ist. Es gibt eine ganze Reihe Ansätze für die Umsetzung des Lehrens digitaler Kompetenzen und Fertigkeiten auf nationaler Ebene, von einem Lehrplan für IKT als eigenem Fach, das sich typischerweise auf die Fähigkeiten zur IKT-Nutzung konzentriert, bis hin zur Einbindung von IKT in alle Schulfächer. Einige Länder (z. B. Deutschland) und Regionen haben die Zertifizierung durch Dritte eingeführt, um grundlegende IKT-Kenntnisse anerkennen zu lassen, beispielsweise über den Europäischen Computerführerschein. Für die Mehrzahl der Länder ist die Überwindung der digitalen Kluft jedoch kein vorrangiges Ziel, und die Schulen setzen die Top-down-Politik der Regierungen unterschiedlich um. Dies erklärt einen großen Teil der Abweichung zwischen den politischen Zielsetzungen und dem Kompetenzniveau der Schüler. Die gegenwärtige Politik zur Sicherstellung, dass die IKT-Methoden und -Hilfsmittel in die richtigen Bereiche des Bildungssystems gelangen, muss fortgeführt werden. Gleichzeitig ist jedoch ein stärkerer Fokus auf die allgemeine Einführung von IKT-Ansätzen zu legen. Außerdem sollte dem Thema der digitalen Kluft eine größere Bedeutung beigemessen und sichergestellt werden, dass alle Schüler unabhängig von ihrem Hintergrund ein angemessenes Niveau an grundlegender IKT-Kompetenz erreichen. Eine große Barriere für das Erlernen von IKT-Kompetenzen stellt nach wie vor das Thema der Kompetenzen der Lehrkräfte dar, für die es keinen gemeinsamen europäischen Standard gibt. Die globalen Standards können nicht immer auf den europäischen Kontext angewendet werden, deshalb prüfen die Bildungsministerien derzeit den Bedarf der Entwicklung eines 46
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eigenen Standards, welcher im Einklang mit dem europäischen e-Competence Framework (e-CF) stehen sollte. Von mehreren Interessengruppen getragene Initiativen, die es den Lehrkräften gestatten, mit technologiegestützter, innovativer Pädagogik zu experimentieren, stellen hier einen wesentlichen Beitrag dar. Ein Beispiel ist das Future Classroom Lab von European Schoolnet in Brüssel: Hier haben bisher fünfundzwanzig Technologieunternehmen mit an das Schoolnet angeschlossen Ministerien zusammengearbeitet und über 13.000 Lehrkräfte erreicht.
Die Messlatte höher legen Das e-CF ist zwar als Ausgangspunkt für die grundlegende digitale Kompetenz aller Bürger nützlich, reicht jedoch nicht aus, diejenigen adäquat vorzubereiten, die eine weitergehende Ausbildung im IT-Bereich wünschen oder einen akademischen Bildungsgang in Informatik einschlagen möchten. Diese Problematik ist in den europäischen Mitgliedsstaaten weit verbreitet und wird im 2011 veröffentlichten Livingstone-Hope-Bericht auf den Punkt gebracht: „Die Industrien leiden unter einem Bildungswesen, das ihren Bedarf nicht versteht. Dies wird noch verstärkt von schulischen Lehrplänen, die sich auf die Büroanwendungen der IKT konzentrieren und vertiefte Informatikund Programmierkenntnisse, wie sie hochtechnisierte Industrien wie die Videospiel- oder Spezialeffekte-Branche benötigen, vernachlässigen. Gleichzeitig brauchen die Jugendlichen und ihre Lehrkräfte ein stärkeres Bewusstsein für die Beschäftigungsmöglichkeiten in diesen Branchen und die Ausbildungswege, die sie dahin bringen. Die MINT-Fächer – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – sowie Kunst sind der Schlüssel zum Erfolg.“ Im weiteren Verlauf des Berichts wird die Empfehlung ausgesprochen, Informatik als Fach denselben Stellenwert einzuräumen wie anderen Naturwissenschaften wie Physik und Mathematik, es ab dem Alter von elf Jahren zu unterrichten und es in den allgemeinbildenden Lehrplan weiterführender Schulen zu integrieren. Ein Ergebnis dieses Aufrufs ist, dass die britische Regierung den Beschluss gefasst hat, den traditionellen IKT-Unterricht (der auf dem Ansatz der Vermittlung digitaler Kompetenzen basierte) durch Informatikunterricht zu ersetzen, in dem der Schwerpunkt auf Programmierung, Webdesign und die Entwicklung von Anwendungen für mobile Geräte gelegt wird.
Mathematik und Physik Eine bedeutsame Herausforderung auf dem Weg von grundlegenden ITKompetenzen zu e-Skills sind die Leistungen in Mathematik und Physik. Gute mathematische Fertigkeiten – insbesondere ein Verständnis für Algebra und Algorithmen – sind unabdingbar für die Entwicklung weiterführender Programmier- und Informatikkenntnisse. Studien von Microsoft Teaching and KAPITEL 5 DIE NEUE INNOVATIVE BILDUNG
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Learning haben gezeigt, dass Mathematik typischerweise eines der Fächer ist, in denen innovative Methoden im Unterricht am wenigsten eingesetzt werden. Ebenso sind physikalische Kenntnisse und Fertigkeiten unabdingbar für Anwendungen aus dem Bereich Netzwerke und Informatik. Das relativ niedrige Niveau der Leistungen und des Interesses an diesen Themen unter den europäischen Schülern ist im Hinblick auf den Erwerb weitergehender e-Skills besorgniserregend. Eurydice-Studien zeigen insbesondere fehlende politische Maßnahmen auf nationaler Ebene in vielen europäischen Ländern auf, wenn es um die Unterstützung schwächerer Schüler geht. Länder, die in der PISA-Studie (Programme for International Student Assessment) der OECD in Naturwissenschaften und Mathematik besser abgeschnitten haben, haben in der Regel robuste Systeme, die dafür sorgen, dass Schüler, die mit Mathematik und Physik Probleme haben, ausreichend Unterstützung erhalten, um ihre Ergebnisse zu verbessern. Eurydice weist außerdem darauf hin, dass die besondere Rolle von IKT in der Mathematik häufig vernachlässigt wird: „Die Nutzung von IKT im Mathematikunterricht ist in den meisten Ländern vorgeschrieben. Obwohl verfügbar, werden Computer jedoch nur selten im Mathematikunterricht eingesetzt. Dieser Widerspruch deutet darauf hin, dass es bisher nicht gelungen ist, der Mathematik ihre Bedeutung zurückzugeben, indem man sie mit einer Technologie verbindet, die Schüler täglich nutzen.“ Außerdem leiden Mathematik und Physik besonders unter geringem Interesse bei Mädchen. Die in diesen Fächern verwendeten Beispiele und Modelle scheinen für Jungen sehr viel attraktiver zu sein als für ihre Mitschülerinnen. Dies hält Mädchen häufig davon ab, in der Oberstufe Mathematik und Physik zu wählen, was wiederum ein Hindernis für die Wahl von Informatik als Studienfach und damit für eine Berufslaufbahn in der IT-Branche darstellt. Eurydice weist darauf hin, dass ein wesentlicher Faktor bei dieser Problematik die Tatsache ist, dass in der Lehrerausbildung zu wenig Wert auf das Thema Diversität gelegt wird: „Der Umgang mit Diversität, d. h. das Unterrichten unterschiedlicher Schülergruppen, die Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen von Jungen und Mädchen und die Vermeidung von geschlechtsspezifischen Stereotypen in der Interaktion mit Schülern ist die in diesen Ausbildungsgängen am wenigsten thematisierte Kompetenz.“ Dies zeigt, wie wichtig es ist, die Qualität des Lehrens und Lernens in den mathematischen und physikalischen Fächern durch den Einsatz innovativerer Ansätze auf der Grundlage moderner Technologien zu verbessern und dabei der Gleichheit zwischen den Geschlechtern eine größere Bedeutung beizumessen.
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Informatik als Fach Es ist bezeichnend, dass es nur wenige aktuelle europaweite Daten über die Rolle der Informatik als eigenständiges Fach im Lehrplan gibt. Aus den InsightLänderberichten von European Schoolnet geht jedoch hervor, dass Informatik – wenn überhaupt im Lehrplan vertreten – fast immer freiwillig ist. Eine seltene Ausnahme ist die Schweiz, wo die Informatik 2008 zu einem Pflichtfach wurde. Ein anderer interessanter Fall ist Österreich, wo IKT für den beruflichen Einsatz explizit zu den nationalen Zielsetzungen gehört, genau wie „e-Skills“, die über grundlegende digitale Kompetenzen hinausgehen, und zu denen auch die „angewandte Informatik“ gehört. Informatik ist dort ab Beginn der weiterführenden Schule ein eigenständiges Fach. Erworbene Kompetenzen werden über externe Qualifikationen wie den Europäischen Computerführerschein, aber auch über Industriezertifizierungen von Cisco, Microsoft, SAP, Novell und Oracle nachgewiesen. Auch Zypern hat Informatik als verpflichtende Einführung in die Thematik im ersten Jahr der Oberstufe festgelegt. In den beiden folgenden Jahren der Sekundarstufe II können die Schüler verschiedene Module aus den Bereichen Informatik, Anwendungen und Netzwerke (letzteres gefördert von der Cisco Networking Academy) wählen. In speziellen technischen Schulen wird ein dreijähriges Wahlpflichtfach Technische Informatik angeboten, das die gesamte Informatik abdeckt. Eine Reihe weiterer Länder bietet ähnliche technische Wahlfächer in den berufsbildenden Schulen an. Die Anzahl der teilnehmenden Schüler ist jedoch häufig niedrig und der Anteil von Mädchen gering. Nur wenige Länder erwähnen das e-CF als Hilfsmittel für die Aufnahme der IT-Kompetenz in einen gemeinsamen europäischen Standard. Dies ist bedauerlich, da die e-CF-Zuordnung einen besseren Überblick über die Situation in der EU liefern würde. Obwohl es in Europa an einer umsichtigen Politik bezüglich der Informatik mangelt, gibt es Beispiele für Ansätze auf unterer Ebene zur Integration von Informatik und Technologie in die Schulbildung: • Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat „Scratch“, eine Programmiersprache für Kinder, entwickelt. Schulen in der ganzen Europäischen Union, von der Grundschule an, setzen sie ein. Scratch-Communities sind insbesondere in Großbritannien und Portugal stark vertreten. • Im Rahmen des SURFnet/Kennisnet-Projekts, das vom niederländischen Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft finanziert wird, werden innovative Anwendungen und Dienstleistungen konzipiert, die es Bildungseinrichtungen gestatten, das Potenzial von IKT voll auszuschöpfen. Allerdings ist die Verwendung von IKT in niederländischen Schulen nicht bindend vorgeschrieben. KAPITEL 5 DIE NEUE INNOVATIVE BILDUNG
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• Das vom Microsoft-Programm „Partners in Learning“ gesponserte Forschungsprojekt „Innovative Teaching and Learning“ beschäftigt sich mit der Notwendigkeit, die Jugend auf das 21. Jahrhundert vorzubereiten. Bei ITL geht es um die Vermittlung von Unterrichtsansätzen, von denen man weiß, dass sie die für das 21. Jahrhundert notwendigen Lernergebnisse fördern. Die Ergebnisse machen deutlich, dass die meisten Schüler nach wie vor in traditionellen Rollen als Konsumenten von Information verharren und sich noch nicht zu Problemlösern, Innovatoren und Produzenten von Information entwickelt haben. Während der Einsatz von IKT im Unterricht sich immer weiter ausbreitet, war die Nutzung von IKT durch die Schüler in ihrem persönlichen Lernverhalten an vielen der untersuchten Schulen die Ausnahme. Es ist an der Zeit, von einigen „Vorreiter-Inseln“ Es ist an der Zeit, von einigen zu einem generalisier„Vorreiter-Inseln“ zu einem teren Ansatz für das Lehren und Lernen von generalisierteren Ansatz für Informatik zu gelangen. das Lehren und Lernen von Die Bildungssysteme in der gesamten Europäischen Informatik zu gelangen. Union müssen sich die Frage nach der Notwendigkeit der Förderung von Informatik stellen und sehr viel weitergehende IKT-Kompetenzen in die Lehrpläne aufnehmen. Mit der Thematisierung von Teilen der Informatik sollte nicht bis zur Sekundarstufe I oder II gewartet werden – es gibt sehr einfache Methoden, mit der diese bereits auch den jüngsten Schulkindern vermittelt werden können.
Vorbilder können einen negativen Einfluss haben Vorbilder wie Lehrkräfte, Eltern, Berufsberater und Prominente beeinflussen die Berufswahl von Jugendlichen. Insbesondere Schülerinnen bedürfen der Unterstützung älterer Vorbilder bei der Entscheidungsfindung im Hinblick auf ihren künftigen Berufsweg. Die unten dargestellte Grafik vergleicht die Ansichten von Schülerinnen, IT-Personal bei Cisco sowie Eltern und Lehrkräften.
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Was beinhalten Internet-Netzwerk-Jobs? 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
Entwicklung von Software
Kundenkontakt
Anderen Menschen helfen
Die Welt verbessern
Anteil der Internet-Netzwerk-Jobs, die Cisco zufolge diese Aktivitäten umfassen Schülerinnen, die glauben, dass die meisten Internet-Netzwerk-Jobs diese Aktivitäten beinhalten Lehrkräfte/Eltern, die glauben, dass die meisten Internet-Netzwerk-Jobs diese Aktivitäten beinhalten
Die Wahrnehmung von IT-Berufen durch Eltern und Lehrkräfte erscheint besonders unrealistisch: Weniger als 35 % glauben, dass IT-Netzwerk-Jobs die Welt insgesamt positiv verändern, und die große Mehrheit geht davon aus, dass IT-Fachkräfte wenig Zeit mit anderen verbringen. Diese Untersuchung ist ein starker Hinweis darauf, dass unrealistische berufliche Informationen an junge Leute weitergegeben werden. Es ist entscheidend, die Wahrnehmung von IKTBerufen durch Eltern und Lehrkräfte zu verbessern, um zu erreichen, dass mehr Jugendliche in dieses Berufsfeld eintreten.
Schließen der Kluft zwischen Bildung und Arbeitswelt Eine andere große Herausforderung für e-Skills stellt die Kluft zwischen Bildungswesen und Arbeitsmarkt dar. Reformen der Grund- und Sekundarbildung gehen häufig auf die gesellschaftliche Notwendigkeit zurück, Kinder mit einem Kapital an Wissen auszustatten, das es ihnen erlaubt, in ihrem späteren Leben ihrer Rolle als kultivierte Bürger gerecht zu werden. In vielen Ländern herrscht Skepsis gegenüber der Notwendigkeit, sich bei der Entwicklung der Fähigkeiten, die junge Menschen für die Zukunft benötigen, am Bedarf der Industrie zu orientieren. Dahinter steht der Anspruch, dass das Bildungssystem mehr sein soll als nur die Pipeline für spätere Jobs. Zweifellos müssen junge Menschen Wissen um seiner selbst willen erwerben und Fächer kennenlernen, welche nicht nur ihre Beschäftigungsmöglichkeiten, sondern auch ihre Lebensqualität erhöhen. Allerdings hat die Waage vielleicht zu weit in diese Richtung ausgeschlagen: Besonders die jungen Leute leiden KAPITEL 5 DIE NEUE INNOVATIVE BILDUNG
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unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise. Die Länder, die weniger unter der Krise gelitten haben – wie die Niederlande, Deutschland und Österreich – sind jene, die den größten Wert auf Maßnahmen für die Arbeitsfähigkeit ihrer Jugendlichen, wie Berufsausbildungen und die Einbeziehung von Arbeitgebern in die Schulbildung, legen. Dr. Anthony Mann von der britischen Education and Employers Taskforce führt aus, dass „OECD-Analysen zeigen, dass die Länder mit Bildungssystemen, welche eine Kombination von schulischem Unterricht und praktischen Einsätzen am angestrebten Arbeitsplatz (wie etwa das deutsche Ausbildungssystem) bieten, in der Regel eine sehr viel geringere Jugendarbeitslosigkeit haben.“ In seinem Bericht wird weiter angegeben, dass „britische Daten einen statistisch signifikanten positiven Zusammenhang zwischen der Zahl der Arbeitgeberkontakte (wie Gespräche über Karrierewege oder Arbeitserfahrung) belegen, die ein Jugendlicher (zwischen vierzehn und neunzehn) in der Schule hat, und seinem Vertrauen (zwischen neunzehn und vierundzwanzig) in das Erreichen seiner persönlichen Karriereziele.“ Die Kampagne „e-Skills for Jobs 2014“ ist ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit von mehreren Interessengruppen in diesem Bereich. Dabei arbeiten hunderte von Akteuren aus verschiedenen Interessengruppen zusammen, um die Aufmerksamkeit auf IT-Berufslaufbahnen zu lenken und jungen Leuten, Arbeitslosen und Arbeitnehmern in Umschulungsmaßnahmen Schulungs- und Bildungsangebote zu vermitteln. Diese konzertierte Aktion hat eine Wirkung, die die Summe ihrer Teile übertrifft, und sollte langfristig aufrechterhalten werden, um den maximalen Effekt zu erzielen. Im weiteren Feld von Wissenschaft und Technologie ist das zu 50 % aus dem FP7-Forschungsprogramm der Europäischen Kommission und zu 50 % von der Industrie finanzierte inGenious-Projekt eine gemeinsame Initiative von European Schoolnet und dem European Round Table of Industrialists, die darauf abzielt, das Interesse der jungen Europäer an einer naturwissenschaftlichen oder technischen Ausbildung und Berufslaufbahn zu stärken. Alle im Rahmen von inGenious durchgeführten Maßnahmen fördern die Kooperation zwischen Schulen und Industrie, um das Ansehen von MINT-Berufen unter Jugendlichen zu verbessern und wecken Interesse für die Chancen, die MINTStudiengänge mit sich bringen.
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Empfehlungen Die folgenden Punkte halten wir für vorrangig: • Die digitale Kompetenz von Lehrkräften in der EU erhöhen. Eine e-CF-konforme Akkreditierung für Lehrkräfte einführen, um sicherzustellen, dass die Schüler in der EU vollständig von den Investitionen in die IKT-Infrastruktur profitieren. • Digitale Kompetenz von Grund auf entwickeln. Dafür Sorge tragen, dass e-Skills schon während der Grund- und Sekundarbildung gefördert werden und auf höherer Ebene zusätzlich zur digitalen Kompetenz Wert auf weitergehende e-Skills gelegt wird. • Den Unterricht in den Naturwissenschaften, insbesondere Mathematik und Physik, verbessern. Den Fokus auf Diversität legen, schwächere Schüler unterstützen und innovativere Methoden einsetzen. Arbeitgeberengagement in Berufsberatungsprogrammen fördern, die auch wichtige Vorbilder wie Eltern und Lehrkräfte einbeziehen. • Anzahl der Partnerschaften mit jeweils mehreren Interessengruppen erhöhen, in denen Industrie und Bildungswesen zusammen an der Herausforderung der Karrierewege und der Aneignung von Kompetenzen im IT-Bereich arbeiten. • Auch weiterhin müssen e-Skills und die sie unterstützenden Maßnahmen eine politische Schlüsselpriorität für die Sicherstellung langfristigen Handelns und von Veränderungen im Bildungssystem bleiben.
KAPITEL 5 DIE NEUE INNOVATIVE BILDUNG
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KAPITEL 6 Die neuen digitalen Talente Finden und Fördern von Talenten Arbeitskräfte mit digitalen Kompetenzen sind global fast immer knapp, weil sich die IKT rasant entwickelt und die Bildungssysteme nur langsam umgestellt werden können. Da die IKT unseren Alltag jedoch immer mehr durchdringt, wird diese Knappheit akuter. In diesem Kapitel werden zwei wichtige Gesichtspunkte dieser Situation behandelt: • Das Potenzial der gut ausgebildeten Arbeitnehmer wird nicht ausreichend genutzt. Betriebliche Strategien und Methoden werden benötigt, um e-Skills voll auszuschöpfen und effektive, IT-basierte Innovationen zu erleichtern. • Millionen von Europäern sind von der digitalen Wirtschaft ausgeschlossen: Frauen, Senioren, Behinderte und digital/sozial ausgegrenzte Gruppen. Wenn diese beim Erwerb von e-Skills unterstützt würden, könnte das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften zunehmen. Schulungsprogramme für digital ausgegrenzte Gruppen haben sich als erfolgreich erwiesen, allerdings sind stärkere, umfassendere Maßnahmen nötig. Trotz der populären Vorstellung der Jugend als „Digital Natives“ hatte laut Untersuchungen von European Schoolnet und der Universität Lüttich im Auftrag der Europäischen Kommission im Jahr 2013 einer von vier jungen Europäern zu Hause und in der Schule noch einen unzureichenden Zugang zu Technologie. Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Kompetenzen der breiteren Bevölkerung zu verbessern, die zwar „einbezogen“, jedoch nicht ausreichend sicher und geschult ist, um Technologie in ihrem täglichen Leben und Beruf zu ihrem Vorteil zu nutzen.
Diversität in Angriff nehmen Die geringe Diversität der Arbeitnehmer ist in ganz Europa und im gesamten IT-Sektor weiterhin ein Problem, das vor allem im IT-basierten KMU-Bereich akut ist. Die Vorstellung vom isolierten jungen Mann, der in einem schlecht beleuchteten Büro Programmcode schreibt und keine Möglichkeit für Autonomie und Kreativität besitzt, hält sich hartnäckig und wird häufig von einflussreichen Vorbildern noch proklamiert. Und dies, obwohl die Stärken gemischter Teams gut dokumentiert sind und das kooperative Wesen der meisten IKT-Aktivitäten bekannt ist – zumindest innerhalb der Berufsgruppe. Untersuchungen von European Schoolnet im Auftrag von Cisco im Jahr 2009 zeigen erhebliche Diskrepanzen zwischen der Art, wie die Beschäftigten ihre IKT-Jobs 54
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beschreiben, und wie sie von Vorbildern – insbesondere Eltern und Lehrkräften – dargestellt werden. Gleichzeitig hält das Fehlen positiver Rollenvorbilder in den Medien und in der Kultur Mädchen großteils davon ab, ernsthaft über eine Berufslaufbahn in der IT nachzudenken. Frauen sind eine besonders große Gruppe, die diese Problematik betrifft, da IKT-Berufe weiter als Domäne von Männern dargestellt und wahrgenommen werden. „Das Fehlen von Frauen auf dem Gebiet der Wissenschaft und Forschung ist seit einiger Zeit bekannt ... Wenn die Hälfte der 500 Millionen Europäer nicht einbezogen ist und davon profitiert, haben wir es mit einem geschlechts- und altersspezifischen Ungleichgewicht sowie sozialer Ungerechtigkeit im großen Maßstab zu tun. Als Politiker müssen wir alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um diese Situation zu verändern.“ Edit Herczog, ehemalige Abgeordnete im Europäischen Parlament Politiker und IKT-Akteure sind gemeinsam gefordert, diese Wahrnehmungsproblematik anzugehen. Sie schreckt neue Talente ab, verhindert Innovationen in die IKT-Entwicklung und -Nutzung und führt zu einem Ungleichgewicht, das sich allgemein auf die Wirtschaft und Gesellschaft auswirkt. Edit Herczog bezeichnet die Senioren anhand des vom Forscher Mark Prensky entwickelten Konzepts der „digitalen Immigranten“ als Personen, die nicht in einer vom Internet geprägten Welt geboren wurden. In ihrem Aufruf zur Entmystifizierung der IKT stellt sie folgende Beobachtungen an: „Es muss weiterhin auf Programme und Workshops gesetzt werden, die sie (die Senioren) unterstützen und ihnen deutlich machen, dass es sich bei IKT um ein Werkzeug handelt, das einem dabei hilft, Informationen zu bekommen und zu teilen, letzten Endes nicht viel anders als das Radio oder das Fernsehen ... Sie (IKT-basierte Dienstleistungen) können das Gefühl der Verwundbarkeit reduzieren und es in eine lebenslange Unabhängigkeit verwandeln.“ Angesichts der Tatsache, dass die arbeitende Bevölkerung in Europa immer schneller immer älter wird, können e-Skills eine hervorragende Ergänzung im Profil eines Arbeitnehmers mit Berufserfahrung darstellen und die Bedeutung seiner sonstigen Kompetenzen in einem sich verändernden Arbeitsmarkt nur verstärken. Andere ausgegrenzte Gruppen können durch Modelle der nicht formalen Bildung erreicht werden. IT-basierte, kommunale Telezentren sind eine hervorragende Plattform für die Verbesserung der digitalen Kompetenz von benachteiligten Gruppen in Europa. Telezentren befinden sich typischerweise in öffentlichen Bibliotheken, Schulen und Gemeindezentren, werden häufig von gemeinnützigen oder kommunalen Organisationen betrieben und sind in der Regel kostenlos und für jedermann zugänglich. Sie bieten Zugang zu Technologie, informellem Lernen und Vernetzungsgelegenheiten, die für die digital ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen attraktiv sind. Die Besucher beginnen häufig mit dem Erlernen grundlegender digitaler Kompetenzen, die sich auf die persönliche Entwicklung, aktives Bürgertum und soziale Integration auswirken, und erreichen schließlich die Arbeitsfähigkeit, was ein entscheidender Aspekt dieses Modells ist. KAPITEL 6 DIE NEUEN DIGITALEN TALENTE
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Die MIREIA-Untersuchung ergab, dass es fast 250.000 Organisationen für die digitale Integration in Europa gibt bzw. im Durchschnitt eine solche Organisation pro 2.000 Einwohner. Es ist allerdings erforderlich, die nationalen Initiativen miteinander abzustimmen. Vor diesem Hintergrund wurde die gemeinnützige Vereinigung Telecentre-Europe gegründet. TelecentreEurope übernimmt auch eine Vermittlerrolle, indem es den Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Ländern fördert, sodass Europa in die Lage versetzt wird, als eine Einheit auf die steigende Nachfrage nach IKTLeistungen zu reagieren
Die Bereitstellung von e-Kompetenzen wirkt sich auf den Erfolg aus Zwischen 41 und 56 % der Firmen aus allen Branchen sagen aus, dass sie regelmäßig IT-Spezialisten einstellten und viele dieser Positionen „schwierig zu besetzen“ seien. Empirische Studien der OECD und des europäischen e-Skills-Forums stützen diese Sicht der Dinge. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir unsere vorhandenen e-Skills-Talente gut nutzen. Der Einsatz von IKT-Arbeitskräften kann teuer kommen, da häufig aufgrund der Spezifität vieler IKT-Unternehmen nach der Einstellung eine spezielle Schulung erforderlich ist. Darüber hinaus gibt es Anzeichen dafür, dass europäische Unternehmen schlechter in der Lage sind, e-Kompetenzen produktiv einzusetzen als US-Unternehmen. Ebenso scheinen US-basierte Firmen in Europa bei der Erzielung von Produktivitätssteigerungen mithilfe von IKT effektiver zu sein als lokale Unternehmen. Dies ist möglicherweise auf unterschiedliche organisatorische und betriebliche Prozesse und Fähigkeiten zurückzuführen. Es gibt jedoch auch Unterschiede zwischen europäischen Firmen. Große Unternehmen sind sich bei Neueinstellungen der Notwendigkeit von e-Skills sehr stark bewusst, während dies in KMU weniger der Fall ist – trotz klarer Belege, dass sie von einer effektiven IT-Nutzung stark profitieren können. Einer von Vanson Bourne durchgeführten internationalen Studie zufolge identifizierten 60 % der KMU den Einsatz von Computertechnologie als den entscheidenden Faktor dafür, ob ihr Unternehmen erfolgreich sein oder einfach nur überleben würde. Mittlerweile besteht auch im öffentlichen Sektor wegen der zunehmenden Verwendung digitaler Prozesse in der Verwaltung und im Gesundheitswesen ein Bedarf an e-Skills. Einem Kompetenzmangel kann auf zweierlei Weise begegnet werden: zum einen durch eine Verbesserung der beruflichen Ausbildung, der Immigration von Arbeitskräften oder der Auslagerung und zum andern durch eine effektivere Nutzung des geschulten oder schulbaren Personals. Aktuell liegt der Fokus in Europa auf der Erweiterung des Talentpools, allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass diese Talente genutzt werden müssen.
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Vom Klassenzimmer an den Arbeitsplatz Technologische Innovationen formen die Zukunft der Arbeitswelt, deshalb müssen sich globale Trends bei Technologie und Innovationen in der Ausbildung niederschlagen. Die Lehrkräfte benötigen flexible Lernlösungen und eine geeignete schulische Infrastruktur, um Jugendliche und lebenslang Lernende einzubinden bzw. erneut einzubeziehen. Die Schulleiter und Lehrkräfte in Europa weisen darauf hin, dass der Mangel an Computern in Schulen das größte Hindernis für innovatives IKT-basiertes Lernen darstellt, und laut EU-Untersuchungen wünscht sich einer von zwei Lehrern mehr Schulungen in IKT-Pädagogik. Auch die Entwicklung der Cloud-Technologie unterstützt diese Argumentation. Laut IDC weist der Cloud-Sektor insgesamt eine Wachstumsrate von mehr als 27 % auf und doch können 56 % der europäischen Unternehmen kein Personal für Cloud-Projekte finden. Nur einige wenige innovative Schulen beginnen mit der Nutzung cloudbasierter pädagogischer Dienstleistungen, und hochqualifizierte e-Skills für die Cloud werden nur selten in Hochschulseminaren außerhalb der Informatik vermittelt. Unternehmen, die über die richtigen CloudKompetenzen verfügen, können einen Wachstumskurs einschlagen. Für die CIOs muss die Ausbildung in Cloud-Kompetenzen deshalb absoluten Vorrang haben. Die Entwicklung neuer Beschäftigungschancen im Zusammenhang mit der Cloud wurde in einem Microsoft-Lernbericht mit der Bezeichnung „Cloud Computing: What IT Professionals Need to Know“ detailliert dargestellt. Die Auswirkungen der Technologie auf Unternehmen und Kompetenzen sind ein Thema, das in einer Studie der London School of Economics unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet wird. „Modelling the cloud: Employment effects in two exemplary sectors in the UK, Germany, Italy & the US“ kommt zu dem Ergebnis, dass Cloud-Computing betriebliche Veränderungen über Branchengrenzen hinweg nach sich ziehen wird, und Manager, um erfolgreich zu sein, ein duales wirtschaftliches und technologisches Profil verkörpern müssen. IT-Kompetenzen sind in immer mehr Bereichen des Arbeitsmarktes erforderlich. Die damit einhergehenden Folgen für das Management bedürfen keiner weiteren Erklärung. In Anbetracht des Rekordhochs der Jugendarbeitslosigkeit in Europa wird sich der Erwerb neuer Kompetenzen und Zertifikate als kritisch dafür erweisen, ob junge Leute sich neue Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt erschließen können. Die IKT-Branche muss sich am Aufbau und an der Entwicklung von Kapazitäten beteiligen und dabei auf allen Ebenen mit anderen Interessengruppen kooperieren, um sicherzustellen, dass IKT-Kompetenzen in Kombination mit anderen arbeitsplatzrelevanten Kompetenzen wie Zusammenarbeit und effektiver Kommunikation den Weg für Beschäftigungschancen ebnen.
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Die europäische e-Skills-Herausforderung ist auch eine Herausforderung für das Management. Untersuchungen des Centre for Economic Performance an der London School of Economics haben gezeigt, dass der betriebliche Umgang mit IT in den Unternehmen sehr stark variiert. Europäische Firmen verzeichnen dabei unter Verwendung derselben Technologien und desselben Bewerberpools schlechtere Ergebnisse als ihre US-amerikanischen Wettbewerber auf genau denselben Märkten. Diese Erkenntnisse werden durch andere Studien der London School of Economics bestätigt, die die betrieblichen Prozesse von kleinen und großen Unternehmen in der Luftfahrtbranche untersuchten. Die Löhne und anderen Anreize scheinen in den USA für Beschäftigte mit einem hohen und mittleren Niveau an e-Skills größer zu sein, und die Aufgaben, mit denen diese Mitarbeiter gewöhnlich betraut wurden, nutzen diese Kompetenzen offensichtlich effektiver aus. Auch das Qualitätsmanagement wirkt sich auf Innovationen aus. Um es mit den Worten einer hochgeschätzten Gruppe von Analysten aus IT-Wirtschaft und -Management zu sagen: „Firmen schalten nicht einfach Computer oder Telekommunikationsgeräte an und erleben dann automatisch Servicequalität oder Effizienzgewinne. Stattdessen durchlaufen sie einen manchmal langwierigen und schwierigen Prozess der Miterfindung. IT-Vertriebsleute erfinden Technologien; sie setzen ihre Anwendung nicht voraus, sondern ermöglichen sie lediglich; IT-Nutzer müssen die Anwendungen miterfinden. Miterfindung umfasst wie jede Erfindung Prozess- und Produktelemente. Auf der Prozessebene von Miterfindung umfasst der effiziente Einsatz von IT häufig Veränderungen in der Organisationsstruktur.“ Diese Beobachtung weist auf einen bisher nicht ausreichend erforschten Bruch der europäischen e-Skills-Wertschöpfungskette hin. Die europäische e-Skills-Herausforderung ist auch eine Herausforderung für das Management – und zunehmend auch eine Herausforderung für das gesamte Spektrum der betrieblichen Bereiche wie Finanzen, Marketing und Verwaltung, die für die Bereitstellung von e-Business-Tools zur Produktivitätssteigerung und zum Erreichen der Geschäftsziele effektive e-Skills benötigen. Der Fokus sollte deshalb von der IT-Fakultät zur wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät verschoben werden, und die politischen Entscheidungsträger täten gut daran, dies zu berücksichtigen, um eine Fehlzuordnung von Ressourcen zu vermeiden.
Talente ziehen Talente an – Achtung Europa! Talentierte Arbeitskräfte neigen dazu, eine Stelle in leistungsstarken Organisationen zu suchen. Vergleichende Studien zu den Lohnniveaus zeigen, dass die Menschen geignetere und höherqualifizierte Kompetenzen erwerben, wenn sie eine realistische Chance haben, in leistungsstarken Organisationen eine Anstellung zu finden. Da solche Organisationen diese Kompetenzen 58
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besser nutzen können, sind sie auch in der Lage, höhere Löhne zu zahlen und bessere Anreize für innovative Arbeit zu bieten. In einem immer globaleren Markt werden sich die europäischen e-Skills-Talente die Organisationen aussuchen, die ihnen die besten Möglichkeiten bieten. Es besteht eine reale Gefahr, dass sie diese Möglichkeiten immer häufiger außerhalb der europäischen Grenzen finden werden. So riskiert Europa, durch die Weiterentwicklung seiner e-Skills zu einem Netto-Exporteur von e-Skills statt zu einem regionalen Zentrum für hochwertige Innovationen zu werden – eine unglückliche Entwicklung. Damit müssen wir jedoch rechnen.
Empfehlungen Europas Potenzial sind die Kompetenzen seiner Bürger. Ohne eine überall vorhandene Infrastruktur – insbesondere an Aus- und Weiterbildungseinrichtungen – kann es nur einen begrenzten Einsatz von IKT geben, und ohne Kompetenzen kann dieser Einsatz nur einen begrenzten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mehrwert bringen. Ein verbesserter Zugang zu Geräten und auf das Internet sowie besser ausgebildete Ausbilder sind unverzichtbar. Wenn dies nicht angegangen wird, wird der Mangel an IKT-Kompetenzen zum Engpass, der verhindert, dass die EU im globalen Wettbewerb besteht. In der Digitalen Agenda für Europa sind eine Reihe von Zielsetzungen zur digitalen Integration festgeschrieben. Dazu zählen die Anhebung der regelmäßigen Internetnutzung von 60 auf 75 % bis 2015 (und von 41 auf 60 % für benachteiligte Personengruppen) sowie die Halbierung des Anteils der Bevölkerung, der das Internet noch nie genutzt hat, bis 2015 (auf dann 15 %). Ein Aktionsplan für digitale Kompetenzen und Fertigkeiten ist erforderlich, um diese Ziele zu erreichen. Ein solcher Plan würde spezifische Schulungsmaßnahmen in digitalen Kompetenzen für von Ausgrenzung bedrohte Gruppen, die Förderung von Partnerschaften zwischen mehreren Interessengruppen und die Schaffung von Anreizen für privatwirtschaftliche Initiativen zur Versorgung aller Arbeitnehmer mit Fortbildungen umfassen. Diese Maßnahmen wären ganzheitlich mit Initiativen aus dem Bildungsbereich zu verknüpfen. Im Hinblick auf die Herausforderungen von Produktivität und Nutzung der Investitionen in Technologie-Talente haben folgende Maßnahmen Priorität: • Stärkerer Fokus auf Technologiemanagement und auf Sensibilität für gute Betriebsprozesse. Die Manager benötigen eine bessere, höherwertige Ausbildung, die zur optimalen Nutzung von IKT-Ressourcen anleitet, während die Regierungen unzureichend geführte Betriebe beim Erwerb besserer Kompetenzen unterstützen müssen.
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• Mitarbeiter mit e-Skills sollten ermuntert werden, die Unternehmensstrategie aktiv mitzugestalten. Zu häufig sind Mitarbeiter mit entsprechenden Kompetenzen in ihrer Arbeit auf rein technische Funktionen beschränkt und erhalten nicht die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten auf innovative und produktivitätssteigernde Weise einzusetzen. • Es ist sicherzustellen, dass Mitarbeiter mit e-Skills über angemessen verbesserte Beschäftigungsbedingungen verfügen. Bezahlung und Honorierung, insbesondere der geringe Unterschied zwischen jenen mit Kompetenzen und jenen mit langer Betriebszugehörigkeit aber weniger Kompetenzen, stellen Negativanreize für junge Arbeitnehmer dar. Während die Unternehmen klagen, dass sie ihren Bedarf nicht decken können, weist wenig auf allgemein erhöhte Lohnniveaus für Arbeitnehmer mit e-Skills in Europa hin. • Anpassung der Karrierechancen für Mitarbeiter mit e-Skills. Die IKT ist integraler Bestandteil der meisten erfolgreichen Unternehmen. Personal mit e-Skills ist jedoch selten in der Lage und wird noch seltener ermutigt, sich auf die attraktivsten Stellen in europäischen Firmen zu bewerben. • Die Regierungen müssen darauf achten, dass ihr Einsatz von e-Skills beispielhaft ist, dass ihre e-Government-Funktionen von hoher Qualität sind und dass sie in Experimente und bewährte Praxismodelle investieren. • Es ist sicherzustellen, dass die grundlegenden Kompetenzen im Arbeitsmarkt vergleichbar sind, so dass Arbeitgeber die Fähigkeiten von Bewerbern besser einschätzen können. Aufeinander abgestimmte Zeugnisse und Stellenbeschreibungen würden es den Arbeitnehmern erleichtern, die Anforderungen einer Stelle zu verstehen. Produktivitätszuwachs durch e-Skills vollzieht sich in zwei grundlegenden Formen: durch die Flexibilität, sich schnell und günstig an neue Methoden anzupassen, und durch Innovation. Die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten sollten die Begeisterung für diese Fähigkeiten im Bildungswesen, im Regierungsbetrieb und in öffentlichen Sensibilisierungsprogrammen fördern. Die Fakten und ihre Folgen liegen auf dem Tisch. Politische Entscheidungsträger, Industrie, Hochschulen, Personalfachleute und Unternehmensführungen sind aufgerufen, diese zu beherzigen.
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KAPITEL 7 Die große Koalition für digitale Arbeitsplätze Kräfte bündeln und kooperieren Europa befindet sich in der paradoxen Situation, dass derzeit 25 Millionen Menschen arbeitslos sind, während die Unternehmen in manchen Ländern Schwierigkeiten haben, qualifizierte Fachkräfte in der digitalen Technologie zu finden. In einigen Ländern sind mehr als die Hälfte der arbeitsfähigen Jugendlichen arbeitslos. Darüber hinaus könnten bis zum Jahr 2020 bis zu 900.000 Stellen in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) unbesetzt sein, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Dies ist nicht akzeptabel. Wenn wir unsere Lehren aus diesen Statistiken ziehen wollen, müssen wir erkunden, wie die digitalen Technologien die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Arbeitsmärkte Europas verändern und was dies für die Beschäftigten bedeutet. Die digitale Wirtschaft bietet großartige Arbeitsplatzchancen für die Europäer, allerdings nur, wenn sie über die richtigen Kompetenzen verfügen. Eine Tendenz, die wir bei den Beschäftigten beobachten, ist die Polarisierung von niedrig- und hochqualifizierten Arbeitnehmern. Europäer mit geringen Qualifikationen sind von der Wirtschaftskrise am meisten betroffen. Für sie wird es zunehmend schwieriger, einen Arbeitsplatz zu finden, die Stellen sind weniger stabil, und sie werden durch mittelqualifizierte Arbeitnehmer selbst aus einfachen Arbeitsverhältnissen verdrängt. Im Gegensatz dazu profitieren hochqualifizierte Arbeitnehmer in großem Ausmaß von den Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt. Europa ist hierbei kein Einzelfall. Wir beobachten diese Entwicklung aktuell überall auf der Welt, zum Beispiel in den USA und in Kanada, aber auch in mehreren asiatischen Ländern. Anders als die meisten anderen Wirtschaftsbereiche schafft die IKT-Branche neue Arbeitsplätze. So entstanden 2012 mehr als 100.000 IKT-Arbeitsplätze, während die Beschäftigung insgesamt zurückging. In allen Industriezweigen besteht ein hoher Bedarf an digitalen Kompetenzen, nicht nur im IKT-Sektor. Unter anderen suchen Unternehmen, die in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Energie, KFZ, Einzelhandel, Fertigung und kreative Dienstleistungen tätig sind, nach IKT-Experten. Im Prinzip braucht jeder Wirtschaftszweig digitale Hilfsmittel und Mitarbeiter, die diese effektiv konfigurieren, nutzen und warten können. Überall werden Experten für Cloud-Computing, Datenschutz und Sicherheit, Unternehmensarchitektur, Entwicklung von mobilen Anwendungen, Big-DataAnalysen oder digitales Marketing benötigt, um nur einige Aspekte zu nennen. Viele dieser Arbeitsplätze gehören zu den am besten bezahlten in Europa. KAPITEL 7 DIE GROSSE KOALITION FÜR DIGITALE ARBEITSPLÄTZE
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Erkenntnisse aus der großen Koalition für digitale Arbeitsplätze Angesichts dieser Situation ist es offensichtlich, dass wir mehr in die IKT-Ausbildung investieren, unsere Bildungssysteme umgestalten und Berufslaufbahnen in der digitalen Technologie, insbesondere unter Frauen, fördern müssen. Nur mit qualifizierten Beschäftigten wird die digitale Technologie weiter eine wichtige Rolle für Wachstum und Wohlstand in Europa spielen. Dafür werden sowohl kurzfristige als auch langfristige Lösungen benötigt. Aus diesem Grund rief die Europäische Kommission 2013 die „Grand Coalition for Digital Jobs“ als eine Partnerschaft von mehreren Interessengruppen ins Leben. Auf diese Weise sollte der Mangel an digitalen Kompetenzen in Europa bewältigt und Abhilfe für die Hunderttausenden nicht besetzter IKT-Stellen geschaffen werden. Aus den bisherigen Erfahrungen mit dieser Initiative konnten einige nützliche Erkenntnisse gewonnen werden. Die erste Erkenntnis besagt, dass beim Aufbau einer Arbeitnehmerschaft, die für das digitale Zeitalter bereit ist, alle Interessengruppen eng zusammenarbeiten müssen: Unternehmen und Regierungen, Schulen und Universitäten. Wir müssen das Bewusstsein für die hochinteressanten Chancen, die die digitale Technologie in kleinen und großen Organisationen bietet, erhöhen. Lehrpläne müssen angepasst, und mehr interne Schulungsmöglichkeiten müssen angeboten werden. Das ist keine leichte Aufgabe, sondern erfordert ein entschlossenes Vorgehen, Ressourcen und eine Vision, die alle Interessengruppen teilen. Diese Vision umfasst fünf übergeordnete Ziele: (1) Eine grundlegende IKT-Bildung muss in die Ausbildung aller Europäer integriert werden. Es müssen mehr aufeinander abgestimmte Abschlüsse und Lehrpläne an berufsbildenden Schulen und Universitäten angeboten werden, damit die Schüler bzw. Studenten die Qualifikationen erwerben, die sie für einen Erfolg im Arbeitsmarkt benötigen. Dazu gehören auch Programmierkenntnisse. (2) Junge Leute, insbesondere Mädchen und Frauen, müssen die digitale Technologie als attraktive Karriereoption begreifen und erkennen, dass digitale Kompetenzen für ihren beruflichen Erfolg unerlässlich sind. Der Ruf der IKT als Betätigungsfeld für Computerfreaks muss zurechtgerückt werden. (3) Schulungspakete müssen gemeinsam mit Arbeitgebern, IKTUnternehmen und traditionellen Branchensegmenten besser konzipiert werden, damit wirklich die Kompetenzen erworben werden, die die Unternehmen auch benötigen. (4) Nach dem Abschluss einer Ausbildung müssen die Absolventen vergleichbare Zertifikate erhalten, damit die Arbeitgeber Kompetenzen erkennen, honorieren und entwickeln können. 62
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(5) Die Arbeitnehmer werden dort gebraucht, wo sich die IKT-Arbeitsplätze befinden. Dies erfordert eine größere Mobilität der Arbeitnehmer in der EU bzw. neue Ansätze, wie die Arbeit zu den Arbeitskräften gebracht wird. Die zweite Erkenntnis aus der Coalition for Digital Jobs ist, dass alle unterstützenden Akteure auch selbst konkrete Maßnahmen ergreifen: Fünfundfünzig Zusagen wurden von großen Konzernen sowie von kleineren Unternehmen, Bildungsanbietern und NROs eingereicht. Diese Akteure versprechen, Schulungen, Praktika und Arbeitsplätze bereitzustellen bzw. Veranstaltungen und Schulbesuche zu organisieren, um junge Leute über IKT-Berufslaufbahnen zu informieren. Wir bitten zudem CEOs und Politiker, eine substanzielle Unterstützung für die Koalition zuzusagen und weitere IKT- und IKT-nutzende Unternehmen aufzunehmen. Wir möchten eine stärkere Miteigentümerschaft von Interessengruppen an der Koalition erreichen und Finanzierungsoptionen über die Jugendgarantie, den Europäischen Sozialfonds und Erasmus+ erschließen. Die dritte Erkenntnis besagt, dass wegen der unterschiedlichen Herausforderungen zwischen den Ländern die Maßnahmen auf europäischer Ebene im Sinne wahrer Subsidiarität durch nationale und lokale Initiativen ergänzt werden müssen. Die EU sollte nur auf den Gebieten aktiv werden, wo sie europäischen Mehrwert bietet. Die spezifischen Anforderungen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene können von nationalen und lokalen Initiativen berücksichtigt werden. Über 10 nationale und lokale Koalitionen wurden bereits ins Leben gerufen und mehrere andere werden in den kommenden Monaten starten. Die Welt wird zunehmend digital, und dies gilt auch für den Arbeitsmarkt. Die Herausforderungen der digitalen Kompetenzen werden längere Zeit ganz oben auf der politischen Tagesordnung bleiben. Fähigkeiten wie Programmieren sind die neue Alphabetisierung. Ob als Ingenieur oder Designer, Lehrkraft, Krankenpfleger oder Internetunternehmer – überall werden digitale Kompetenzen benötigt. Wir sind alle – ob Politiker, Unternehmer, Ausbilder oder Privatperson – gemeinsam dafür verantwortlich, dass die europäischen Arbeitnehmer über die richtigen digitalen Kompetenzen verfügen. Mit diesen Kompetenzen behalten wir die Vorreiterrolle hinsichtlich der digitalen Technologie und ermöglichen unseren Kindern den Zugang zum Arbeitsmarkt von Morgen.
KAPITEL 7 DIE GROSSE KOALITION FÜR DIGITALE ARBEITSPLÄTZE
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KAPITEL 8 Die Zukunftsvision Voranschreiten und die Anstrengungen erhöhen Auch 2014 setzt sich Europas enormer Bedarf an Produktivitätswachstum fort. Zwar sind die akuten Symptome der Finanzkrise mittlerweile abgeklungen, die ihnen zugrunde liegenden Krankheiten sind jedoch nicht geheilt. Mit Haushaltsdisziplin und Einsparungen allein kann kein Wohlstand geschaffen werden. Die grundlegenden langfristigen Herausforderungen wie die alternde Bevölkerung, die ungleiche Verteilung von medizinischen Leistungen, die Energieeffizienz und die hohe Umweltverschmutzung lassen sich nur mithilfe der IKT bewältigen. Europa muss die richtigen Kompetenzen fördern, um mithilfe von Innovationen und unternehmerischer Initiative Wachstum zu erzielen. „Kompetenzen und die Entwicklung des Arbeitskräftepotenzials sind die Währung für die wirtschaftliche Zukunft Europas“, so Jan Muehlfeit, Chairman bei Microsoft Europe und stellvertretender Vorsitzender der European e-Skills Association. Innovationen bezeichnet Peter F. Drucker, der Vater des modernen Managements, als den „Vorgang, Ressourcen eine neue Fähigkeit zu verleihen, um Wert zu schöpfen“. IKT-Innovationen weisen einige Besonderheiten auf, die den Bedarf an Kompetenzen bestimmen: • Rasant: Trotz der Abhängigkeit von längerfristigen Entwicklungen wie neuen mobilen Netzwerkstandards oder der grundlegenden Erforschung von Speichertechnologien gibt es in keiner anderen Branche vergleichbar kurze Innovationszyklen. Die entsprechenden Kompetenzen besitzen deshalb eine begrenzte Lebensdauer. • Ineinander verflochten: IKT-Innovation geschieht selten isoliert. Konzepte wie Plattformstrategien sind von grundlegender Bedeutung für die Branche. Deshalb beruhen die erforderlichen Kompetenzen, auch im Hinblick auf die strategische Ausrichtung, sowohl auf den technischen Entwicklungen wie auf der Marktdynamik. • Gesellschaftlich: Die IKT initiiert gesellschaftliche Phänomene wie Massenkollaboration, soziale Medien und Crowdsourcing. Sie gestaltet die soziale Interaktion und die Arbeitsprozesse um. Die IKT schafft somit einen Bedarf auf gesellschaftlichem, juristischem und betrieblichem Gebiet. • Wirklich global: Durch die IKT ist der jeweilige Standort unerheblich geworden, und sie hat die ersten wirklich globalen und globalisierenden Branchen 64
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geschaffen. Einige Aspekte sind lokal – insbesondere jene an der Schnittstelle mit der Gesellschaft, Nutzern und Organisationen – und andere werden zunehmen konzentrierter. Ein Beispiel: Googles Dienste in über 100 Ländern werden in lediglich zehn großen Rechenzentren erbracht, die an Standorten überall auf der Welt stehen. • Unternehmerisch: IKT-Innovation basiert mehr und mehr auf offener Innovation und Prozessen wie dem Management von Ausgliederungen und externen Projekten sowie dem Wachstum durch Fusionen und Übernahmen. Globale Akteure wie Facebook oder Google waren noch vor weniger als einem Jahrzehnt Start-ups. • Transformatorisch und disruptiv: Die IKT ermöglicht Innovationsschübe, nicht nur mit neuen Produkten und Dienstleistungen, sondern auch durch die Schaffung eines neuen Nervensystems innerhalb von Unternehmen zur Veränderung von Abläufen und organisatorischen Modellen. Die IKT legt die Grundlage für gänzlich neue Geschäftsmodelle und hat so das Potenzial, Branchen zu zerrütten und neu zu erfinden. Angesichts dieser wichtigen Faktoren ist eine enge, ausschließlich technologieorientierte Betrachtung der e-Skills nicht angemessen. Die IKT muss durch Mitarbeiter mit integrativen Kompetenzen unterstützt werden. Die Bildung steht im Zentrum dieser Lösung. Wir müssen e-Skills und die IKT-gestützte Ausbildung tiefer und umfassender in unsere Bildungssysteme und das lebensbegleitende Lernen einbinden. Dazu zählen auch unternehmerische und betriebswirtschaftliche Qualifikationen und Kompetenzen. Michael Gorriz, CIO von Daimler, merkt dazu an: „Die Möglichkeit, die richtigen e-Skills zu erwerben und weiterzuentwickeln, sollte für IKT-Fachleute, aber auch für jene, die strukturierte Aufgaben ausführen, das normale Muster in unserer Gesellschaft werden. Das ist nicht nur in großen Unternehmen sinnvoll; es ist auch notwendig, um Europa Schritt für Schritt aufzubauen und zu einer innovativen Gesellschaft oder dem, was manchmal als „Wissensgesellschaft“ bezeichnet wird, zu entwickeln.“
Seien Sie gewarnt Europa ist in Gefahr. Die Pipeline zur Versorgung mit zukünftigen europäischen Talenten im IKT-Bereich – einer Schlüsseldisziplin und -branche des 21. Jahrhunderts – ist labil. Das Potential eines weitaus größeren Einsatzes von IKT in Grund- und weiterführenden Schulen und ihrer Einbindung in die Lehrpläne ist noch lange nicht ausgeschöpft. Während dieser Phase der Ausbildung wird die Motivation für ein späteres Studium geschaffen und werden die grundlegenden Kompetenzen KAPITEL 8 DIE ZUKUNFTSVISION
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erworben. IKT hält viele Chancen für Pädagogen bereit, innovative Bildungsmodelle zu entwerfen, insbesondere, indem sie die Bildungsumgebung den Problemen der wirklichen Welt annähert. Beispiele wären die Nutzung von Umwelt- und Verkehrsinformationen in Echtzeit in einer Erdkundestunde, der Zugriff auf historische Dokumente in digitalen Bibliotheken im Geschichtsunterricht oder die Durchführung von Datenanalysen auf der Grundlage von umfangreichen realistischen Datenmengen in Mathematik. Ein IKT-Studium schließt derzeit wichtige e-Skills zum Beispiel in Bezug auf die soziale Dimension von IKT, Unternehmertum und Innovationen sowie allgemeine betriebswirtschaftliche Kompetenzen aus. Diese Kompetenzen werden in der Regel nach dem Abschluss im Berufsalltag erworben. Einige Universitäten haben die Herausforderung jedoch erkannt. Die Universität Warwick bietet ihren Studierenden beispielsweise die Möglichkeit zur Teilnahme an einem kurzen „Schlüsselkompetenzen“-Programm. Dieses e-Skills-Defizit in der Grund-, Sekundar- und Hochschulbildung in Europa hat zu einem IKT-Arbeitsmarktumfeld geführt, in dem traditionelle akademische Referenzen nur von geringer Bedeutung für die Arbeitsfähigkeit sind. Tatsächlich haben viele IKT-Fachleute einen Hochschulabschluss in einem anderen Fach als Informatik. IKT-Kompetenzen werden durch Arbeitsergebnisse oder Berufswege nachgewiesen oder einfach so angegeben, ohne dass es eine formale Möglichkeit gäbe, sie zu messen oder zu überprüfen.
Die Zeit ist gekommen Im vorliegenden Manifest schlagen in ihrem Bereich führende Experten eine ganze Reihe konkreter Maßnahmen vor, um den Nachwuchs der IKT-Fachleute zu sichern. Das wird im Gegenzug helfen, sowohl eine gesunde IKT-Branche als auch eine breitere Arbeitnehmerschaft mit e-Skills zu verjüngen und zu halten.
Beginn in Grund- und weiterführenden Schulen Der frühe Erwerb von e-Skills schon mit Beginn der Grundschule bis hin zum Beginn der akademischen Karriere von Studenten und Studentinnen fördert eine innovative Denkweise, die sich beim Eintritt in den Arbeitsmarkt als wertvoll erweisen wird. Industrieinitiativen in Schulen und Hochschulen für Lehrkräfte, Schüler und Studenten wie der Imagine Cup von Microsoft, das Intel-Programm World Ahead und die Science Fair von Google unterstreichen die Unterstützung von Seiten der IKT-Industrie, aber auch das Interesse auf Seiten der Schüler und Studenten. Seit seinem Start haben 1,75 Millionen Studenten aus über 190 Ländern am Imagine Cup teilgenommen. Ein wesentliches Merkmal solcher Initiativen ist der Einsatz von Kreativität und Unternehmergeist durch die Studierenden, wenn sie mit Problemen konfrontiert werden, die mit der Hilfe von IKT gelöst werden können. Der 66
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nächste Schritt wäre die Einbindung solcher Lernelemente in Lehrpläne als Unterstützung unternehmerischer Innovationen in Bildungseinrichtungen (z. B. Erforschung neuer Lernräume und Themen), die Innovationen in der Bildung mithilfe von IKT vorantreiben.
Steigerung der Attraktivität von Karrieren in der IKT Die Attraktivität von IKT als Berufsbild ist wichtiger Bestandteil und Ausgangspunkt der Aktivitäten zur Veränderung der Ausbildung. Die enormen Chancen und der berufliche Werdegang im IKT-Bereich muss gegenüber den europäischen Bürgern transparenter dargestellt werden, damit diese e-Skills in ihre Berufslaufbahn einbeziehen. Das europäische e-Skills-Karriereportal hilft zum Beispiel dabei, die richtigen Kompetenzen mit den richtigen Stellen zusammenzubringen und einige der Vorurteile über IKT-Karrieren abzubauen. Eine deutliche Veränderung der Wahrnehmung von IT und e-Skills unter jungen Menschen, Frauen und der alternden Arbeitnehmerschaft ist notwendig. Ein Weg dazu wäre die Einbeziehung und die Profilschärfung von digitalen Botschaftern in Europa als aktive Vorbilder in der IKT-Branche und aus verwandten Bereichen wie CIOs, digitalen Unternehmern und führenden Wissenschaftlern. Die bestehenden Vorurteile über IKTFachleute werden, wenn nichts dagegen getan wird, das Wachstum der IKTDienstleistungsbranche behindern und die betriebliche Innovation in fast allen Unternehmen ausbremsen. Progressive Maßnahmen berücksichtigen die aktive Rolle, die Frauen in der IKT spielen können. Ein gutes Beispiel hierfür ist der „Code of Best Practice of Women in ICT“ (Kodex für eine vorbildliche Frauenförderung in der IKT), eine Initiative von Neelie Kroes, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission. Er enthält ein erstes Paket praktischer Initiativen für die Verbesserung der Erfahrungen von Frauen in IKT-Berufen. Viele Hochschulen und IKT-Industriepartner haben den Kodex unterzeichnet.
Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und der IKT-Branche verstärken und ausweiten In der sich rasant entwickelnden IKT-Welt, die in hohem Maße von unternehmerischem Handeln und der Marktaktivität bestimmt wird, muss die Wissenschaft eine enge Beziehung zur Industrie aufrechterhalten. Von der Industrie durchgeführte Programme mit universitärer Beteiligung wie die Academic Initiative von IBM oder die Academic Alliance von Microsoft stellen in diesem Zusammenhang wichtige Instrumente dar. Ein erster Schritt war das Angebot kostenfreier oder -günstiger Produkte und Dienstleistungen für Hochschulen. Neue Entwicklungen KAPITEL 8 DIE ZUKUNFTSVISION
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umfassen die Bereitstellung von industriellen Rechenzentrumskapazitäten und großen Datenanalyseumgebungen wie in der gemeinsamen Initiative Cloud Computing University von IBM und Google. Außerdem bringt sich die IKT-Branche durch Forschungszentren auf dem Campus, Austausch von Personal und neue Formen der Zusammenarbeit ein. Ein Beispiel dafür ist die finnische Universität Aalto, die gemeinsam mit Nokia und anderen Partnern aus der Industrie gemeinsame Design- und Serviceanlagen anbietet, um unternehmerische Aktivitäten von Studierenden und ihren Einsatz für innovative Projekte zu fördern. Die IKT-Branche berät Hochschulen auch bei Möglichkeiten zur Verbesserung und Erweiterung der Ausbildung in Informatik und verwandten Fächern. Ein Beispiel dafür ist die IBM-Initiative Service Science, die die Entwicklung von Lehrplänen für IKT-Innovationen in komplexen Dienstleistungssystemen wie dem Gesundheitswesen oder dem Energiesektor fördert. Die Zusammenarbeit zwischen privaten IKT-Schulungszentren, der Industrie und den Hochschulen kann noch verbessert werden. Dies berührt das Thema Zertifizierung, die als Ergänzung zu den akademischen Abschlüssen angeboten werden sollte. Die Kompetenzen, für die es Zertifizierungen gibt, beziehen sich meist auf einen klar abgegrenzten Bedarf des Marktes, beispielsweise Beherrschung von Methoden der Softwareentwicklung, Produktschulungen oder bestimmte Programmiersprachen. Zertifizierungen können eine breitere akademische Ausbildung mit spezifischen Elementen ergänzen, welche es dem Arbeitgeber ermöglichen, zu beurteilen, ob ein Bewerber eine bestimmte IKT-Aufgabe, -Technologie oder ein entsprechendes Tool beherrscht. Die Zertifizierung, wie sie hier beschrieben ist, löst auch das Problem der qualitativen Beurteilung und des sich rasant verändernden IKT-Markts, auf dem spezifische Qualifikationen nur eine geringe Lebensdauer haben.
Förderung europäischer Zertifizierungsstandards Die Steigerung des Stellenwerts von Professionalität in der IKT setzt neue Anreize und schafft eine neue Dynamik für den Erwerb von weiterführenden IKT-Kompetenzen. Wenn man sich überlegt, ob es sich lohnt, in den Erwerb von Kompetenzen in einem bestimmten Bereich zu investieren, sind Zertifizierungen ein gewichtiges Argument, da sie die Mobilität von Fachkräften verbessern und die Grundlage für die Entwicklung attraktiver Karrierestrukturen legen. Die einzigartige Entwicklung des Rahmens für IKT-Kompetenzen bietet eine konsensbasierte und von verschiedenen europäischen Akteuren entwickelte Referenz für die Bewertung der Kompetenzen von IKT-Fachleuten in allen 68
Das e-Skills-Manifest
Mitgliedstaaten und Industriebranchen. Das Rahmenkonzept hat das Potenzial, Europa einen wichtigen Vorteil zu verschaffen. Die ehrgeizige Arbeit, die hinter der Veröffentlichung der europäischen Leitlinien für IKT-KompetenzLehrpläne durch INSEAD steht und die inhaltlich dem e-CF entspricht, bildet den Beruf des IKT-Experten in einem standardisierten Studienplan ab. Dies stärkt die Rolle der europäischen Universitäten in der Ausbildung von IKTFachleuten und Managern mit IKT-Kompetenzen in Europa. Es handelt sich hierbei auf jeden Fall um einen Schritt in die richtige Richtung.
Partnerschaften für Innovationen in der IKTAusbildung und für die Entwicklung von e-Skills Regierungen, Industrie und Hochschulen sollten eng zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass Europa über die fortgeschrittenen e-Skills verfügt, die es in neuen Bereichen wie Cloud-Computing, Green IT, Cybersicherheit, Interoperabilität und e-Health braucht. Kompetenzen, die den Erfolg der IKTIndustrie sichern sollen, müssen neue Wachstumsmärkte entwickeln und erschließen. Der Einfluss von e-Skills auf Bereiche wie das Gesundheitswesen wird sich verändern und die Art und Weise verbessern, wie wir mit einigen der größten Herausforderungen umgehen, vor denen die Gesellschaft steht ,. Unter anderem folgende europäische Organisationen fördern die IKTAusbildung und e-Skills aktiv: Das European Institute of Technology and Innovation (EIT) – ICT Labs,die European e-Skills Association (EeSA), die European Learning Industry Group (ELIG), die European Foundation for Management Development (EFMD), European Schoolnet (EUN), DIGITALEUROPE etc. Jede dieser Organisationen trägt zu den in diesem Manifest vorgestellten größeren Zielen und in einem weiteren Sinne zur grundlegenden Förderung der e-Skills-Strategie der Europäischen Kommission bei. Europa und die Mitgliedstaaten sind bereit, die nächsten Schritte zu gehen und müssen nun die Empfehlungen beherzigen, die hier ausgesprochen wurden. Eine groß angelegte und konzertierte Anstrengung von allen Akteuren ist notwendig, um sicherzustellen, dass Europa vollständig von einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit, mehr Wachstum und mehr und besseren Stellen profitieren kann. Die Herausforderungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Schaffung der integrativen e-Skills, die für die IKT-Berufe der Zukunft benötigt werden • Weiterentwicklung der Rolle der IKT und des Lernens mithilfe von IKT in der Grund- und Sekundarbildung, um das Interesse und die Motivation für IKT-Karrieren zu stärken
KAPITEL 8 DIE ZUKUNFTSVISION
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• Erweiterung und innovative Veränderung der Lehrpläne der akademischen Ausbildung in Informatik und verwandten Disziplinen zur Bewältigung der IKT-Herausforderungen der Zukunft. Dies beinhaltet die Überwindung des vorrangig technischen Fokus in den IKT-Fächern. • Schaffung neuer Partnerschaftsmodelle zwischen Industrie und Wissenschaft, insbesondere zur Förderung der Einbindung der Studierenden in IKTbasierte Innovationen und unternehmerisches Lernen • Ergänzung der akademischen Qualifikationen durch industriegeführte, nicht formale Qualifikationen nach in ganz Europa anerkannten Standards und Zertifizierungsmodellen
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Autoren Gilles Babinet Digital Champion von Frankreich Als Digital Champion von Frankreich arbeitet Gilles Babinet an der Förderung von Innovationen durch Bildung. Er ist Vorsitzender von CaptainDash und ehemaliger Vorsitzender des Conseil National du Numerique. Professor Martin Curley Vice-President und Director, Intel Labs Europe, Intel Corp. Als technischer Leiter und Vice-President für Intel Labs hat Herr Prof. Curley die Verantwortung für über 4.000 Wissenschaftler und Entwickler in Europa. Seine Laufbahn umfasst leitende Funktionen im internationalen IT-Management, in der Automatisierung und in der Forschung bei Intel, General Electric und Philips. Prof. Curley ist Mitbegründer des Innovation Value Institute in Irland und derzeit stellvertretender Vorsitzender der Open Innovation Strategy and Policy Group der EU. Er ist auch in beratender Funktion auf EU-Ebene für IKT und Innovationsbeurteilungen tätig. Dr. Michael Gorriz CIO und Head of IT Management, Daimler AG Dr. Gorriz hat die Position als CIO für Daimler seit 2008 nach einer langen und vielseitigen IKT-Karriere in diesem Unternehmen und in der Luftfahrtindustrie inne. Er ist verantwortlich für die Strategie, Planung und Entwicklung aller IT-Systeme sowie den Betrieb aller Rechenzentren und Kommunikationsnetzwerke. In seinen früheren Funktionen war er u. a. in leitenden Positionen auf Vice-President-Ebene im IT-Sektor von verschiedenen Daimler-Geschäftsbereichen und weltweiten Systemen tätig. 2009 wählten ihn die Zeitschriften CIO und Computerwoche zum „CIO des Jahres“ in der Kategorie Großunternehmen. Peter Hagedoorn Secretary-General, European CIO Association Herr Hagedoorn ist seit 2011 Secretary-General der European CIO Association (ehemals EuroCIO). Im Jahr 2004 gründete er die niederländische CIO-Plattform. Die über zwanzigjährige Erfahrung im IKT-Sektor von Herrn Hagedoorn umfasst Positionen als CIO und Vice-President bei den multinationalen niederländischen Unternehmen Hagemeyer und OcéNV sowie beratende Funktionen im öffentlichen und privaten Bereich auf europäischer Ebene. AUTOREN
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Birgit Hanny Vice Managing Director, ASIIN Birgit ist in leitenden Management- und Beratungspositionen für die Akkreditierungsagentur ASIIN tätig. Sie ist an der Entwicklung und Erweiterung von Kriterien und Verfahrensgrundsätzen für die externe Qualitätssicherung im Hochschulwesen beteiligt und ist in Beratungsund Evaluationsdiensten für Organisationen aktiv, die im Bildungs- und Forschungsbereich tätig sind. Davor hatte Frau Hanny eine leitende Beratungsfunktion bei KPMG (BearingPoint) für den Finanzbereich und den öffentlichen Sektor inne. Dr. Lex Hendriks Business Knowledge Consultant, EXIN Dr. Hendriks hat mehr als 25 Jahre Erfahrung in der IT, im ITServicemanagement sowie in der Schulung und Zertifizierung, trug zum ITIL-Zertifizierungsprogramm bei und war einer der Architekten des ITServicemanagementprogramms von EXIN. Dr. Hendriks war außerdem an mehreren Projekten in Bezug auf e-Kompetenz beteiligt, z. B. am Projekt für das e-Skills-Qualitätssiegel der Europäischen Kommission unter Leitung von empirica. Er hat mehrere Artikel über computergestützte Forschung in der mathematischen Logik- und Designtheorie veröffentlicht. Edit Herczog Ehemalige Abgeordnete des Europäischen Parlaments und Governor der European Internet Foundation Frau Herczog hat im vergangenen Jahrzehnt als Abgeordnete im Europäischen Parlament eine führende Rolle im Hinblick auf Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstandsentwicklung gespielt. Im Industrie- und Haushaltsausschuss setzte sie sich für die optimale Nutzung der europäischen Ressourcen ein. Der Aufbau von Personalkapazitäten, die Maximierung des Talentpools und die fortschreitende Digitalisierung sind ihre obersten Prioritäten. Als e-Skills-Botschafterin und Governor der European Internet Foundation tritt sie im Sinne der bestmöglichen Nutzung der digitalen Chancen für die Unterstützung der Jugend und der älteren Generation ein. Frau Herczog war für die Privatwirtschaft auf dem Gebiet der Spezialchemikalien tätig. John Higgins CBE, Director General, DIGITALEUROPE Die IT-Karriere von Herrn Higgins begann in der Systemanalyse, dann war er in leitenden Beratungsfunktionen bei Ernst & Young tätig und danach bei dem kalifornischen Internetunternehmen Rocket Networks als CEO. Im Jahr 2011 wurde er schließlich zum Generaldirektor von 72
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DIGITALEUROPE ernannt, nachdem er gleichwertige Positionen in Großbritannien bekleidet hatte. Er ist Mitglied des Führungsgremiums der Universität Warwick und war Ausschussvorsitzender für die Confederation of British Industry und die World IT Services Association. Herr Higgins ist Mitglied der Royal Society of Arts und wurde 2005 für seine Dienste an der britischen IT-Industrie zum Commander of the British Empire (CBE) ernannt. Tobias Hüsing Senior Research Consultant, empirica Die Arbeit von Herrn Hüsing umfasst Recherche und Beratung zu e-Leadership, e-Skills-Politik und zum Arbeitsmarkt sowie Forschung, Innovationen und Wissenstransfer. Gegenwärtig koordiniert er für die Europäische Kommission die Untersuchung über e-Leadership-Kompetenzen für KMUs. Tobias leitet das Team für die Angebots- und Nachfrageprognose bezüglich e-Skills bei empirica, das Industrie- und Arbeitsmarktdaten sowie die Versorgung mit e-Skills und die Situation der e-Leadership-Ausbildung und -Schulung analysiert. Dr. Bruno Lanvin Executive Director, INSEAD eLab Als Executive Director von INSEADs eLab ist Dr. Lanvin mit Führungsaufgaben bei den Projekten von INSEAD in Bezug auf Innovationen betraut (Innovation Readiness Model, Global Innovation Index). Aufgrund seiner Arbeit zur Entwicklung des Networking Readiness Index und des Global Information Technology Report ist er seit Langem im Weltwirtschaftsforum aktiv. Im Laufe seiner Karriere hatte Dr. Lanvin leitende Positionen bei der Weltbank und bei den Vereinten Nationen inne, wo er Kabinettschef des Generaldirektors, Leiter der strategischen Planung und Chef der Einheit für die Wettbewerbsfähigkeit von KMUs war. Simon Robinson Director, empirica Herr Robinson leitet Beratungs- und Forschungsteams bei empirica, die sich mit Innovationen, Lenkung von Forschungsarbeiten, Wissenstransfer, Innovationen im Gesundheits- und Sozialbereich und der Evaluation von öffentlichen Interventionen befassen, darunter wichtige Energiesparinitiativen der EU. Im e-Skills-Bereich initiierte er den für die „European Guidelines and Quality Labels for e-Leadership Curricula“ übernommenen Ansatz vom GD Unternehmen und Industrie und koordiniert nun die Arbeiten für diese Richtlinien und Qualitätssiegel.
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Professor Sharm Manwani Executive Professor of IT Leadership, Henley Business School, University of Reading Pr. Manwani lehrt und forscht im Bereich Unternehmens- und IT-Integration und befasst sich dabei mit Strategien, Architekturen und Änderungsprogrammen. Er konzipierte und leitet heute den Masterstudiengang Enterprise Information Management der Deutschen Telekom. Pr. Manwani war als europäischer CIO bei Diageo und Electrolux tätig. Er ist ein Juror für große Preise der IT-Branche und hielt Vorträge auf vielen akademischen und beruflichen Konferenzen. Sein Buch „IT Enabled Business Change: Successful Management“ unterstützt eine BCS-Qualifikation. Dr. Clare Thornley Research Fellow, Innovation Value Institute (IVI) Die Forschungsinteressen von Dr. Thornley umfassen folgende Bereiche: Informationsrückgewinnung, neue Messmethoden zur Auswirkung von Forschung unter Einbeziehung des Einflusses auf Politik und Praxis, Informationsmanagement für bessere Leistung, Informationsethik und Informationsphilosophie. Sie ist seit September 2013 in der Forschung bei IVI tätig und war Mitglied im Projektteam von „e-Skills: the international dimension and the impact of globalisation“. Dr. Thornley verfügt über umfangreiche Unterrichts- und Schulungserfahrung und hat an Colleges in Großbritannien und Irland Informationsrückgewinnung und Forschungspolitik gelehrt. Die Kolleginnen Dr. Marian Carcary und Dr Eileen Doherty vom IVI haben Dr. Thornley bei ihrer Arbeit am Manifest unterstützt. Freddy Van den Wyngaert CIO Agfa-Gevaert Group Herr Van den Wyngaert verfügt über 30 Jahre Erfahrung im IT-Bereich in Europa und den USA. Er ist Vice President und Chief Information Officer für die Global Shared Services von „Agfa ICS“ (Information and Communication Services) und zudem Vorstandsvorsitzender der European CIO Association (EuroCIO). Vor seiner Tätigkeit bei AgfaGevaert bekleidete er eine Vielzahl von Managementpositionen im IT- und betriebswirtschaftlichen Bereich von ExxonMobil Chemical. Herr Van den Wyngaert ist Vorstandsmitglied bei ADM, einem Unternehmens-/ITNetzwerk in Belgien, und Vorstandsvorsitzender des CIOforum für belgische Unternehmen.
Dr. Desirée van Welsum Senior ICT Policy Consultant, Weltbank Desirée van Welsum ist eine Wirtschaftswissenschaftlerin und politische Beraterin, die sich bei der Weltbank auf die ökonomischen Auswirkungen von Informations- und Kommunikationstechnologien spezialisiert hat. Sie verfügt über 10 Jahre Erfahrung in angewandter Wirtschaftsforschung und politischer Analyse in Bezug auf private und öffentliche Wirtschaftsbereiche und arbeitete zuvor bei der OECD, der UN (UNCTAD und ITU), bei The Conference Board und am britischen National Institute of Economic and Social Research (NIESR). Sie war zudem beratend für die RAND Corporation, INSEAD und die Europäische Kommission tätig. Außerdem hat sie viele Artikel über die Auswirkungen der IT veröffentlicht, u. a. auf Wachstum und Produktivität, Innovationen, Beschäftigung und Qualifikationen, auf den Dienstleistungsverkehr sowie auf Offshoring und Outsourcing.
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PRĂœFER Emma Bluck, Director bei Gold Spark Consulting und Consultant bei European Schoolnet Patrice Chazerand, Director Digital Economy und Trade Groups, DIGITALEUROPE Alexa Joyce, Director of Policy, Teaching and Learning, Microsoft Marianne Kolding, Vice President der European Services Research Group von IDC Jonathan Murray, Director, DIGITALEUROPE Andrea Parola, Director General, European e-Skills Association Christel Vacelet, Communications Manager, European Schoolnet
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LITERATURANGABEN Ala-Mutka, K., Punie, Y. und Redecker, C. (2008). „Digital Competence for Lifelong Learning“. Kurzdossier. Europäische Kommission. JRC Technical Notes ( JRC48708). Andersson, T., Curley, M. und Formica, P. (2010). „Knowledge driven entrepreneurship. The key to social and economic transformation“. Springer. ACS (2014). Australian Computer Society Code of Professional Conduct Case Studies Agresti, W. (2008). „An IT body of knowledge: The key to an emerging profession“, IEEE IT Professional, Nov.-Dez. 2008, S. 18-22. Avolio, B.J., Kahai, S. und Dodge, G.E. 2001. „e-Leadership: Implications for Theory, Research, and Practice“. Leadership Quarterly, 11(4): 615-668 Bilbao, B., Dutta S. und Lanvin, B. (2014) – „The Rewards and Challenges of Big Data“, Global Information Technology Report, Cornell-INSEAD-World Economic Forum. Bresnahan, T., Brynjolfsson, E. und Hitt, L. (2002) „Information Technology, Workplace Organization, and the Demand for Skilled Labor: Firm-Level Evidence“. Quarterly Journal of Economics, Vol. 117, S. 339-376 Carcary, M., Sherry, M., McLaughlin, S. und O’Brien, C. (2012). „Career development for ICT professionals: driving transparency in educational attainment“. Cattaneo, G., Husing, T., Kolding, Korte, W.B. und M., Lifonti, R. (2009). „Monitoring e-Skills demand and supply in Europe. Current situation, scenarios, and future development forecasts until 2015“. Cedefop. „Skill supply and demand in Europe. Medium Term forecast up to 2020“. CEN (2008). CWA 15893-1:2008. European e-Competence Framework - Part 1: The Framework. CEN ICT Skills Workshop.
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