DA S e-SKILLS-
MANIFEST Mit einer Einführung von Don Tapscott, Autor von Wikinomics
Mit Beiträgen führender Persönlichkeiten aus Regierung, Bildung, Politik, Forschung und Industrie
DA S e-SKILLS-
MANIFEST Mit einer Einführung von Don Tapscott, Autor von Wikinomics
Mit Beiträgen führender Persönlichkeiten aus Regierung, Bildung, Politik, Forschung und Industrie
VORWORT Trotz der aktuellen wirtschaftlichen und finanziellen Turbulenzen beschleunigt sich der Übergang zu einer wissensbasierten und innovationsgetriebenen digitalen Wirtschaft. Die Fähigkeit europäischer Unternehmen zu Wettbewerb und Innovationsfreude hängt immer stärker von der strategischen und effizienten Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien ab. Diese neue industrielle Revolution führt dazu, dass gut ausgebildete und IKT-feste ArbeitnehmerInnen sehr gefragt sind, während jene mit geringen oder unpassenden Fähigkeiten immer stärker ausgeschlossen werden. Immer mehr ausgezeichnete Wettbewerber und Märkte entwickeln sich überall in der Welt, so dass sich die Industrie Talente und Ressourcen dort beschafft, wo sie gerade verfügbar sind. E-Skills sind entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit Europas als Region. Die aktuelle Krise hat deutliche Schwächen unserer Volkswirtschaften und Arbeitsmärkte offengelegt. Selbst angesichts der aktuellen Arbeitslosenquote von mehr als 10% bilden wir immer noch nicht genug Fachkräfte mit IKTKenntnissen aus. Zur Verdeutlichung sei darauf hingewiesen, dass die Anzahl der IKT-AbsolventInnen bis 2005 konstant anstieg, seitdem aber abnimmt. Hinzu kommt, dass der Anteil weiblicher Studenten enttäuschend gering bleibt. Führende WirtschaftsvertreterInnen warnen davor, dass wir bei Wettbewerbsfähigkeit und Innovation in Rückstand geraten könnten, wodurch langfristig unser Wachstum behindert würde. Wir brauchen nicht nur IKT-Fachkräfte, sondern auch WirtschaftsführerInnen, ManagerInnen und UnternehmerInnen mit e-Skills in allen Berufsgruppen und in allen Branchen. Europa ist weiterhin so aufgestellt, dass es die zukünftigen Herausforderungen annehmen kann. Die Europäische Kommission hat eine langfristige e-Skills-Strategie und eine Digitale Agenda ins Leben gerufen, um die notwendigen Bedingungen zu schaffen, die zur Nutzung des IKT-Potentials erforderlich sind. Wir können gute Fortschritte verzeichnen, doch dies wird nicht ausreichen: Wir müssen schneller handeln und mehr tun. Angesichts der historisch hohen Arbeitslosenquote und düsterer wirtschaftlicher Perspektiven wird die Europäische Kommission 2012 neue Vorschläge auf den Tisch legen für eine neue Industriepolitik für mehr Wachstum. Dieses Manifest enthält viele wichtige Vorschläge von führenden VertreterInnen von Regierungen, aus dem Bildungssektor, der Politik, Forschung und Industrie. Es spiegelt die wesentlichen Punkte der Herausforderung im Bereich e-Skills in Europa und liefert wertvolle Hinweise auf das, was getan werden muss. Ich danke ihnen allen ausdrücklich dafür, dass sie ihre Klugheit, Erfahrung und Energie in eine gemeinsame Vision und einen Aktionsplan einbringen. Dieses Manifest ist ein Aufruf zum Handeln an alle.
Antonio Tajani
Vizepräsident der Europäischen Kommission Verantwortlich für Industrie und Unternehmertum VORWORT
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EINFÜHRUNG Digitale Kapazitäten in Europa schaffen Von Don Tapscott Europa steht am Scheideweg. Staatsschulden, Jugendarbeitslosigkeit, wirtschaftliche Malaise, soziale Unruhen, fehlende Innovation, gelähmte Institutionen: Diese Herausforderungen sowie andere Probleme sind alle miteinander verbunden. Nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt versagen die gewerbliche Wirtschaft und viele ihrer Institutionen mehr und mehr. Industrien befinden sich in der Krise, Regierungen gelingt es nicht, die Probleme ihres Landes zu lösen, Medien wie Zeitungen befinden sich im Niedergang, der Finanzdienstleistungssektor schwächelt, die Verkehrssysteme sind angeschlagen und Institutionen für die globale Zusammenarbeit und Problemlösung zeigen Schwäche. Wir müssen viele der Organisationen und Institutionen überdenken und neu aufbauen, die uns jahrzehntelang gute Dienste geleistet haben, jetzt aber am Ende ihres Lebenszyklus angekommen sind. Gleichzeitig treten neue Unternehmen, Industrien und eine neuen Zivilisation auf den Plan. Die Gesellschaft verfügt heute über die mächtigste Plattform, die sie je hatte, um die Menschen, Kompetenzen und Kenntnisse zusammenzubringen, die für Wachstum, gesellschaftliche Entwicklung und eine gerechte und nachhaltige Welt notwendig sind. Die digitale Revolution hat alte industrielle Modelle auf den Kopf gestellt; neue Möglichkeiten entstehen. Das Internet entwickelt sich rasch zu einem immer mächtigeren Kommunikationsmedium und einem bedeutenden Innovations- und Wohlstandsmotor. Es senkt die Kosten für Zusammenarbeit deutlich, wodurch tiefgreifende Veränderungen möglich werden: In unserem Umgang mit der Wandlungsfähigkeit der Gesellschaft, mit der Möglichkeit, Güter, Dienstleistungen, Wohlstand, ja sogar Werte zu schaffen. Nicht nur der Rhythmus der Veränderungen, sondern auch der ihrer Folgen beschleunigt sich. Die digitale Revolution enthält das Versprechen, unsere Volkswirtschaften und Gesellschaft hin zu Wohlstand, sozialer Entwicklung und Stabilität zu verändern. Unternehmen und Gemeinschaften arbeiten auf neue Weise an gemeinsamen Anliegen, Bestrebungen und Herausforderungen. Menschen überall auf der Welt arbeiten wie nie zuvor zusammen, um unsere Institutionen neu zu definieren und unseren Planeten, unsere Gesundheit und unsere Existenz zu bewahren. Von Bildung und Wissenschaft bis hin
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Das e-Skills-Manifest
zu neuen Ansätzen für bürgerschaftliches Engagement und Demokratie entstehen spannende neue Initiativen auf der Grundlage eines neuen Prinzipienkatalogs für das 21. Jahrhundert – Zusammenarbeit, Offenheit, Austausch, Interdependenz und Integrität. Es gibt allerdings ein ernsthaftes Problem. In Europa wächst die Kluft zwischen den Anforderungen durch digitale Veränderungen auf der einen und den Kompetenzen, dem Know-how und den Fähigkeiten der Arbeitskräfte auf der anderen Seite. Das e-Skills-Manifest zeigt auf, dass die Arbeitgeber trotz einer durchschnittlichen Jugendarbeitslosigkeit von 22% in Europa regelmäßig betonen, dass sie offene Stellen, die naturwissenschaftliche und technische Kompetenzen erfordern, nicht besetzen können. Dieser Mangel wird sich in Zukunft noch verschärfen. Jüngste europaweite Studien der London School of Economics (LSE) kommen zu dem Schluss, dass unter Europas Jugend ein ernsthafter Kompetenzmangel herrscht, obwohl diese Generation gemeinhin als die der „Digital Natives“ angesehen wird. Außerdem weist die LSE darauf hin, dass die Fortschritte beim Erwerb von e-Skills in der Bevölkerung in den letzten Jahren stagnieren. Der viel beachtete Livingstone-Hope-Bericht aus Großbritannien stützt diese Sicht der Dinge und bestätigt, dass die Lehrpläne den Bedarf der Industrie weder widerspiegeln noch verstehen. Beispielsweise vermitteln die Schulen meist einfache Anwenderkompetenzen wie Textverarbeitung anstelle der tiefergehenden, entscheidenderen und stärker benötigten Kenntnisse über die vielen verschiedenen technologischen Werkzeuge, in Informatik und Programmierung. Die aktuellsten, 2009 veröffentlichten Eurostat-Daten offenbaren, dass sich in den siebenundzwanzig Mitgliedstaaten der Europäischen Union lediglich 14,3 von 1000 Menschen zwischen 20 und 29 zu Beginn ihres Studiums für naturwissenschaftliche und technische Fächer entscheiden. Wir haben es hier mit einem Paradoxon zu tun: Junge Menschen sind besonders eifrige ITNutzerInnen. Die 16-24-Jährigen verwenden das Internet fünf bis sieben Mal in der Woche. Trotzdem planen weniger als 30% der Jungen und 15% der Mädchen, nach der Schule ein Fach mit IT-Bezug zu studieren. Das Interesse an naturwissenschaftlichen und technischen Fächern sinkt gegen Ende der Grundschule bis zum Anfang der weiterführenden Schule. Es wirkt sich auf die Zahl junger Talente aus, die sich für ein Studium in diesem Bereich entscheiden, und beeinträchtigt in der Folge das verfügbare e-Skills-Niveau in der arbeitenden Bevölkerung. Wir benötigen ehrgeizige Ziele und Veränderungen im gesamten Bildungswesen, um den Bedürfnissen der jungen EuropäerInnen gerecht zu werden, die Wahrnehmung naturwissenschaftlicher und technischer Fächer und damit Motivation und Ergebnisse in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern im akademischen Bereich zu verbessern und die jungen Menschen besser auf ihr späteres Berufsleben vorzubereiten.
EINFÜHRUNG
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Die Kluft bei den digitalen Kapazitäten ist ein riesiges Problem Wir haben es hier mit einem Problem gewaltigen Ausmaßes zu tun, denn technologische Kompetenzen, Fähigkeiten und Skills sind für alle Industrien von grundlegender Bedeutung. Die alten Modelle des Industriezeitalters zu Innovation, Produktion, Handel und so gut wie jeder anderen wirtschaftlichen Aktivität werden von der Globalisierung und der digitalen Revolution auf den Kopf gestellt. Seit einigen Jahren schon weise ich darauf hin, dass Unternehmen, die sich durch Technologieeinsatz weiterentwickeln, innovativer sind, da ein vernetzter Einsatz von Talenten bessere Ergebnisse bringt. Sie haben bessere Kundenbeziehungen, da die sozialen Medien den Kunden den Zugang zum Unternehmensnetzwerk ermöglichen. Das Internet, die Mobilität und der Anstieg so genannter „großer Datenmengen“ und Datenanalysen der nächsten Generation ermöglichen es Firmen, ihre Leistungsfähigkeit zu steigern und Wettbewerbsvorteile herauszuarbeiten. Im Ergebnis fallen europäische Unternehmen, Regierungen und andere Institutionen hinter der Konkurrenz zurück, da es ihren Arbeitskräften an digitalem Wissen und entsprechenden Kompetenzen fehlt. Es gibt jedoch noch ein anderes Problem, und zwar das der Jugendarbeitslosigkeit, die Schätzungen zufolge in Europa deutlich über 22 % liegt. Diese Zahl ist in den letzten 10 Jahren stetig gestiegen. In Griechenland und Spanien ist die Jugendarbeitslosigkeit auf fast 50 % geklettert. Häufig wird die Technologie dafür verantwortlich gemacht. Dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. Bei der letzten Technologiewelle ging es in der Tat um Automatisierung – in der Regel mit dem Ziel der Kostensenkung und insbesondere der Reduzierung der benötigten Arbeitskräfte. Inzwischen jedoch hat die digitale Revolution ihre volle Reife erreicht und die Technologie dient im Wesentlichen der Verbesserung und nicht der reinen Automatisierung menschlicher Fähigkeiten. Computer sind zu Werkzeugen für Kommunikation und den Austausch von Informationen, Wissen und menschlicher Intelligenz geworden. Sie sind nicht mehr in erster Linie Automatisierungswerkzeuge. Auf dem globalen Markt stellen sie außerdem Werkzeuge für den Aufbau wettbewerbsfähiger Unternehmen und Volkswirtschaften und damit neuer Arbeitsplätze dar. Natürlich können einige Formen der Zusammenarbeit zu einem Wegfall bestimmter Arbeitsplätze führen oder Unternehmen dazu bringen, ihre Belegschaft zu verändern und zu verkleinern. Aber in einem sehr viel stärkeren Maße hilft Informationstechnologie jungen Unternehmen, indem sie ihre Innovationsfähigkeit stärkt. Neue und junge Kleinunternehmen sind auf der anderen Seite jene, die am zuverlässigsten Arbeitsplätze schaffen.
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Das e-Skills-Manifest
2007 kam eine richtungsweisende Studie der Kauffman Foundation in den USA zu dem Schluss, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen vor allem in neuen Firmen, also durch Existenzgründungen geschieht: Acht Millionen der zwölf Millionen neu geschaffenen Stellen entstanden in Start-ups, die seit weniger als fünf Jahren bestanden. Die Regierungen liegen falsch in dem Glauben, dass es die größten und erfolgreichsten Unternehmen eines Landes sind, die Arbeitsplätze schaffen. Im Gegenteil läutet das Internet eine neue Ära des Unternehmertums und neuer Geschäftsmodelle ein. Kleine Unternehmen weisen viele der Fähigkeiten großer Unternehmen auf, ohne dass sie durch dieselben Verpflichtungen – Bürokratie, ererbte Kulturen und Systeme und alte Arbeitsweisen – gebunden wären, welche Innovationen hemmen können. Offene Innovation, bei der Talente nicht an Unternehmensgrenzen gebunden sind, kommt allen Organisationen und ganz besonders kleinen Unternehmen zu Gute. Während mehr kleinere Firmen die neuen Ressourcen des Internets nutzen, erreichen sie einen vorher ungekannten Zugang zu globalen Märkten, der bislang den Großunternehmen vorbehalten war. Die IKT-Branche wurde immer von unternehmerischer Initiative angetrieben. Andere Branchen kopieren dieses Modell immer häufiger. Unternehmerische Kompetenz und Innovationsfähigkeit werden daher ein entscheidender Teil zukünftiger e-Skills werden. „Kompetenzen und Entwicklung des Arbeitskräftepotenzials sind die Währung für die wirtschaftliche Zukunft Europas“, so Jan Muehlfeit von Microsoft, Ko-Direktor der Europäischen e-Skills-Vereinigung. Unternehmertum schafft Arbeitsplätze. Zusammenarbeit und vernetzte Unternehmensmodelle ermöglichen konkurrenzfähiges Unternehmertum. Diese Tatsachen gelten sowohl für die IKT-Industrie selbst als auch für die Wirtschaft als Ganzes. Es fehlt allerdings noch ein Bestandteil. Wenn wir das Problem der strukturellen Arbeitslosigkeit beheben wollen, braucht Europa eine Politik, die den erforderlichen Rahmen dafür schafft. Die Möglichkeiten durch Technologie sind universell und UnternehmerInnen in Europa befinden sich in einem globalen Wettbewerb. Ein Unternehmer in Indien oder China kann ebenfalls von Global Sourcing, internationalem Knowhow und Zugang zu Kunden über verschiedene neue Online-Plattformen profitieren. Die Arbeitsplätze werden sich in hohem Maße dahin verlagern, wo Kultur, Institutionen und Talente Anreize für neue Innovationen auf dem Markt schaffen. Es ist für Europa von grundlegender Bedeutung, sich in diesem globalen Wettbewerb an die Spitze der wertvollsten e-Skills zu setzen und Arbeitskräfte, einschließlich UnternehmerInnen und ManagerInnen, auszubilden, denen tiefgreifendes technologisches Know-how und die Kultur der digitalen Revolution in Fleisch und Blut übergegangen sind. Um Existenzgründungen und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu ermöglichen, müssen die Regierungen in das Bildungswesen investieren und so Arbeitskräfte
EINFÜHRUNG
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mit ausgeprägten e-Skills ausbilden. Es gilt, Protektionismus zu vermeiden und sicherzustellen, dass globale Märkte Existenzgründern nicht verschlossen bleiben. Regierungen können Forschung und Entwicklung über steuerliche oder sonstige Anreize fördern und Start-ups den Zugang zu Risikokapital und Marketingunterstützung erleichtern. Politiker in allen Ländern könnten digitale Brainstormings und Wettbewerbe durchführen, um die BürgerInnen in die Überlegungen zur Förderung von Unternehmertum einzubeziehen. Wenn es Europa gelingen soll, Arbeitsplätze auf dem entstehenden globalen Markt zu schaffen und zu sichern, dürfen die Regierungen sich nicht mehr nur auf die großen Unternehmen verlassen, sondern müssen selbst Schrittmacher für Unternehmensgründungen werden. Dies muss in Schulen, den Medien und an jedem anderen Ort und zu jeder anderen Gelegenheit geschehen. Jedes europäische Land braucht eine „Arbeitsplätze durch e-Entrepreneurship“Kampagne, die von Partnerschaften aus mehreren Akteuren getragen wird und sich darauf konzentriert, die e-Skills und Fähigkeiten für die Förderung von Unternehmensneugründungen und Wachstum neuer Unternehmen aufzubauen. In Europa sind jedoch gegenwärtig 300 Millionen Menschen von der digitalen Wirtschaft ausgeschlossen. Der Erwerb von e-Skills kann die Verfügbarkeit entsprechend ausgebildeter ArbeitnehmerInnen erhöhen, Beschäftigungschancen verbessern und Europa den so sehr benötigten Produktivitätsschub verleihen. ArbeitnehmerInnen müssen ihre vorhandenen Kompetenzen stetig ausbauen, um sicherzustellen, dass sie auf dem anspruchsvollen Arbeitsmarkt des 21. Jahrhunderts konkurrenzfähig bleiben. Das Lohnniveau von Fachkräften mit e-Skills liegt sehr viel höher als das von ArbeitnehmerInnen mit weniger Kompetenzen in diesem Bereich. Es bedarf jedoch stabiler betriebswirtschaftlicher Strategien und Techniken, damit das Potential von e-Skills vollständig genutzt wird, nachhaltige ITbasierte Innovationen erleichtert werden und Wirtschaftsaufschwung und Produktivitätswachstum angekurbelt werden. Know-how ist auf verschiedenen entscheidenden Ebenen erforderlich: • Alle ArbeitnehmerInnen benötigen ein bestimmtes Maß an Beherrschung, Kompetenz und Wissen im Hinblick auf die Werkzeuge unserer Zeit, da diese für eine erfolgreiche Berufstätigkeit zunehmend von Bedeutung sind. • Auch ManagerInnen und Führungskräfte müssen über digitale Kompetenzen verfügen. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass sie verstehen, wie die neuen Medien ein Unternehmen erfolgreich verändern können. Im Vergleich zu anderen Teilen der Welt haben sich europäische Führungskräfte langsamer auf die persönliche Nutzung
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Das e-Skills-Manifest
von Computern eingestellt. Dabei sollten sie hier eine führende Rolle einnehmen, da sie durch ihr eigenes Verhalten die Unternehmenskultur prägen. Die Ausbildung von Führungskräften und e-Leadership sind Schlüsselfaktoren. • Wir müssen den Sachverstand professioneller TechnologInnen per se tiefer entwickeln – ProgrammiererInnen, AnalystInnen, SystemingenieurInnen und -architektInnen werden von Unternehmen und Regierungen gebraucht, um ihre IKT-Umgebungen aufzubauen und zu verwalten. • Die IKT-Branche selbst erfordert ein neues Talenteniveau – Fachleute, die in der Lage sind, auf dem globalen Markt zu bestehen. Europa benötigt eine Arbeitnehmerschaft auf Weltklasseniveau mit sehr gut ausgebildeten SpitzentechnikerInnen, EntwicklerInnen und TechnologInnen. Angesichts der rapide wachsenden Innovationszentren vom Silicon Valley über Bangalore und Beijing bis nach Seoul muss das schnell geschehen. • Der Talentemangel in den IKT ist nur die Spitze des MINT-Eisbergs. Europa muss also seine Fähigkeiten in der gesamten Wissenschaft, in Technik, Ingenieurwesen und Mathematik verbessern. Das bedeutet nicht, dass nur technische Bildung wichtig wäre oder dass Kompetenzen im klassischen Sinne alles sind, was zählt. Es bedeutet vielmehr, dass wir ein Gleichgewicht zwischen Natur- und Geisteswissenschaften im Bildungswesen brauchen. Auch die Geisteswissenschaften haben ihren Platz in der Grundausbildung auf Hochschulebene. Früher erwarb man seinen Abschluss und hatte für immer ausgesorgt – man brauchte die Entwicklungen im gewählten Bereich lediglich ein wenig „mitzuverfolgen“. Heute erwirbt man seinen Abschluss und hat für, sagen wir mal, fünfzehn Minuten ausgesorgt. Wenn man im ersten Studienjahr einen technischen Kurs besucht, ist die Hälfte dessen, was man dort gelernt hat, bereits wieder überholt, wenn man im vierten Jahr ist. Natürlich braucht man auch heute noch eine Wissensgrundlage. Man kann nicht alles, was man für Arbeit und Gespräche braucht, ergoogeln. Aber was sehr viel mehr zählt, ist die eigene Fähigkeit, ein Leben lang dazuzulernen, zu denken, zu forschen, Informationen zu finden, zu analysieren, zusammenzufassen, sie in einen Kontext einzuordnen und kritisch zu bewerten, Forschung als Problemlösungsstrategie anzuwenden, mit Anderen zusammenzuarbeiten und zu kommunizieren. Dies gilt besonders für Studierende und Arbeitgeber, die in einer globalen Wirtschaft bestehen müssen. Die Arbeitsmärkte von heute funktionieren global. Angesichts von Unternehmensmodellen, die in Netzwerke eingebunden sind, sehen sich WissensarbeiterInnen dem Wettbewerb in Echtzeit ausgesetzt. ArbeitnehmerInnen und ManagerInnen müssen wie nie zuvor dazulernen, sich anpassen und Leistung erbringen.
EINFÜHRUNG
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Wenn im Manifest also der Begriff „e-Skills“ verwendet wird, meint er nicht nur die begrenzten Fähigkeiten zur Nutzung bestimmter digitaler Werkzeuge, sondern ein vertieftes Wissen und die Fähigkeit des lebenslangen Lernens in allen Bereichen der digitalen Revolution, ihrer Technologien, Anwendungen, Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten.
Was müssen wir also tun? Um das Potential der digitalen Revolution voll auszuschöpfen und im globalen Wettbewerb Schritt halten zu können, muss Europa die Kompetenzen, Kenntnisse und Fähigkeiten seiner ArbeitnehmerInnen verändern. Gemeinsam haben Industrie, Bildungswesen und Regierung die Macht, langfristiges Handeln und nachhaltigen Erfolg zu gewährleisten, welche zu Arbeitsplätzen, Wettbewerbsfähigkeit und Produktivitätswachstum führen werden. Die europäischen ArbeitnehmerInnen brauchen Werkzeuge, um auf der Welle der innovationsbasierten Möglichkeiten mitzuschwimmen, die von den digitalen Unternehmen ausgehen wird. Das gilt für alle Bereiche der Wirtschaft. Wir müssen dafür sorgen, dass alle ArbeitnehmerInnen, nicht nur die jungen, über die notwendigen e-Skills verfügen, um an dieser Ära der netzwerkbasierten Intelligenz teilzuhaben. Bildung ist jetzt ein lebenslanger Prozess. Alle BürgerInnen müssen die Möglichkeit haben, ohne Schwierigkeiten IKTFortbildungsangebote in Anspruch zu nehmen. Die Europäische e-Skills Week spielt in diesem Prozess eine besonders wichtige Rolle. Sie konzentriert sich auf die Ziele, die 2007 von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung ‚e-Skills für das 21. Jahrhundert‘ formuliert wurden. Darin wird dazu aufgerufen, e-Skills in die Grund- und Sekundarbildung aufzunehmen. Wir müssen die Ausbildung in den naturwissenschaftlichen Fächern, insbesondere Mathematik und Physik, aufwerten. Junge Menschen müssen verstehen, dass sie mit e-Skills bessere Karrierechancen haben. Die Grenzen zwischen Wissenschaft und Industrie werden weiter verschwimmen. Das ist gut, denn es erleichtert eine bessere Abstimmung zwischen den Bedürfnissen der Industrie und der Forschung. So können ITFachleute mit den entsprechenden e-Skills ausgebildet werden. Das wiederum verspricht einen höheren geschäftlichen Nutzen. Gleichzeitig muss sich Europa auch verstärkt bemühen, bestehende Talente besser einzusetzen. e-Skills sind eine hervorragende Ergänzung im Profil eines jeden Arbeitnehmers mit Berufserfahrung. IDC-Studien haben gezeigt, dass im Jahre 2015 90 % aller Stellen grundlegende e-Skills erfordern werden. e-Government kann nur umfassend genutzt werden, wenn die europäische Bevölkerung Zugang zum Internet hat und über e-Skills verfügt. Wir brauchen Schulungen in digitalen Kompetenzen für Personengruppen, die von Ausgrenzung bedroht sind.
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Das e-Skills-Manifest
Selbst in Rente profitieren ältere Menschen von mehr und besseren e-Skills bei der Erledigung ihrer täglichen Aufgaben, ob bei gesundheitlichen, finanziellen oder persönlichen Fragen. Der besorgniserregende Trend der sinkenden Zahl von Frauen, die in den IKT tätig sind, muss dringend gestoppt werden. Er hemmt wirtschaftliches Wachstum, und alle Länder müssen Maßnahmen ergreifen, um die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zu bekämpfen. Die Tatsache, dass Frauen in IKT-Studiengängen und -Berufen unterrepräsentiert sind, schlägt sich in einem massiven Mangel an Talenten in IKT-Unternehmen und der Wirtschaft nieder. Die Bewältigung der e-Skills-Herausforderungen in Europa setzt eine signifikante Verbesserung der betriebswirtschaftlichen Praktiken voraus, um von den immensen Chancen für Unternehmen und Geschäft profitieren zu können. Wir müssen Technologie mit anderen betriebswirtschaftlichen Kompetenzen verbinden. Das Innovation Value Institute hat herausgefunden, dass die IT-Abteilungen in vielen Unternehmen unterdurchschnittliche Leistungen erbringen und das Unternehmensmanagement nicht willens ist, Innovationen finanziell zu fördern. Es gibt Anzeichen dafür, dass jene Unternehmen führend sind, die an der Schnittstelle zwischen Betriebswirtschaft und IT am innovationsstärksten sind. Das Vorantreiben europäischer Standards für e-Kompetenzen und Zertifizierungen wird das Profil der IKT-Professionalität schärfen und die Attraktivität des Erwerbs von e-Skills steigern. Die im öffentlichen und im privaten Sektor benötigten Kenntnisse, Skills und Kompetenzen würden so festgelegt. Dies stärkt die Rolle der europäischen Universitäten in der Ausbildung von IKT-Fachleuten und ManagerInnen mit IKT-Kompetenzen in Europa. Erfolgsrezepte aus der IKT-Branche müssen neue Quellen des Wachstums entwickeln und erschließen. Im vorliegenden Manifest erklären sich die Akteure und Unterstützer der Europäischen e-Skills-Strategie bereit, ihrer Rolle bei der Schaffung einer europäischen Innovationspartnerschaft in der Bildung gerecht zu werden. Innovationen in der IKT-Bildung und der e-Skills-Entwicklung haben oberste Priorität.
EINFÜHRUNG
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Don Tapscott ist Bestseller-Autor. Sein neuestes Werk (zusammen mit Anthony D. Williams) heiĂ&#x;t Macrowikinomics. Derzeit leitet er eine Studie zu neuen Modellen fĂźr globale ProblemlĂśsung und internationale Politik.
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Das e-Skills-Manifest
INH ALTSVER ZEICHNIS Vorwort
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Einführung: Digitale Kapazitäten in Europa schaffen
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Inhaltsverzeichnis
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Allgemeiner Überblick: Das große Ganze: Neue Suche nach Exzellenz und Innovation
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Kapitel 1: Innovative Bildung: Europas künftige Arbeitskräfte
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Kapitel 2: Finden und Fördern von Talenten
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Kapitel 3: Hin zu einer wertebasierten IT-Funktion
46
Kapitel 4: Das volle Potential der Frauen erschließen Kapitel 5: Zukunftsvision AutorInnen
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Literaturangaben
61
86
100
INHALTSVERZEICHNIS
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ALLGE MEINER ÜBER BLICK : Das große Ganze: Neue Suche nach Exzellenz und Innovation Von Dr. Bruno Lanvin Die gesamte Idee eines Europas als ‚realistische Utopie‘ sieht sich gegenwärtig ihrem ersten wirklichen Lackmustest gegenüber. Obwohl sie unbestreitbar globale Ausmaße hat, weist die derzeitige Krise in den verschiedenen Teilen der Welt unterschiedliche Formen und Verläufe auf. Zum ersten Mal in der Geschichte der Moderne ist eine Krise zu einem Zeitpunkt ausgebrochen, zu dem die größte produzierende Wirtschaft nicht auch die größte konsumierende Wirtschaft ist. Auch zum ersten Mal in der Geschichte der Moderne gründen internationale Wettbewerbsvorteile auf Faktoren, die so wenig mit natürlichen Gegebenheiten, geografischen Aspekten und ‚nachhaltigen technologischen Vorteilen‘ zu tun haben.
Neues Bewusstsein für die Dringlichkeit In einem solchen sich schnell wandelnden Umfeld steht Europa unter dem Druck, die Grundlagen seines künftigen Wohlstands zu definieren. In den letzten zehn Jahren hat Europa strategische Entscheidungen in dieser Hinsicht getroffen: Dazu gehören der Aufbau einer wettbewerbsfähigen und integrativen Wirtschaft sowie eine Vorreiterrolle bei Umweltschutz und Innovation. Die gegenwärtige Krise führt dazu, dass diese Entscheidungen teurer, aber auch wertvoller werden. Wenn sich in Europa im Hinblick auf das Thema e-Skills irgendetwas geändert hat, dann ist es das neue Bewusstsein für die Dringlichkeit: Die Arbeitslosenzahlen in Europa steigen weiter, während sie in den USA und anderen Teilen der Welt ihren Höhepunkt offensichtlich überschritten haben (vgl. untenstehendes Diagramm). Jugendarbeitslosigkeit, EU-27 und Euro-17, saisonbereinigt, Januar 2000 - Januar 2012 Euro-17
% 10
EU-27
USA
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Japan
4 ‘00
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’03
‘04
Quelle: Eurostat 2012
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Das e-Skills-Manifest
’05
‘06
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Kalenderjahr
Die wahre Dringlichkeit ergibt sich jedoch aus der hohen Jugendarbeitslosigkeit (der Arbeitslosigkeit der 15- bis 24-Jährigen) in Europa. Für Januar 2012 weisen die aggregierten Daten (vgl. untenstehendes Diagramm) eine Jugendarbeitslosigkeit von 22,4 % in der EU-27 und von 21,6 % in der Eurozone aus. Im Januar 2011 lag sie bei 21,1 bzw. 20,6 %. Die niedrigsten Quoten hatten Deutschland (7,8 %), Österreich (8,9 %) und die Niederlande (9,0 %), die höchsten wurden in der Slowakei (36,0 %), Griechenland (48,1 % im November) und Spanien (49,9 %) beobachtet. Vergleichbare Daten für die USA und Japan zeigen eine Arbeitslosigkeit von 8,3 und 4,6 %. Arbeitslosenquoten EU-27 und Euro-17, saisonbereinigt, Januar 2000 - Januar 2012 EU-27
% 22
Euro-17
20 18 16 14 ‘00
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’05
‘06
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Kalenderjahr
Quelle: Eurostat 2012
Dieses neue Bewusstsein für die Dringlichkeit geht einher mit dem wachsenden Eindruck, dass neue Produktionstechniken, neue Konsummuster und neue Verhaltensweisen den Boden für einen ‚Aufschwung mit neuen Arbeitsplätzen‘ in Europa bereiten, ohne dass dies den Anspruch Europas, weltweit bei Produktivität, Innovation und Integration an der Spitze zu stehen, in Frage stellen würde. Und genau hier werden Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und e-Skills zu einem zentralen Element künftiger Analysen und Maßnahmen für die Sicherstellung eines nachhaltigen Aufschwungs in Europa, der Arbeitsplätze schafft.
Eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der täglich versendeten E-Mails in der Welt von 12 Milliarden auf 247 Milliarden gestiegen, die der Textnachrichten von 400.000 auf 4,5 Milliarden und die der wöchentlich online verbrachten Stunden von durchschnittlich 2,7 auf unglaubliche 18: In einer solchen Welt müssen die individuellen, sozialen, beruflichen und betriebswirtschaftlichen Kompetenzen neu definiert und angepasst werden. Neue Entwicklungen im Bereich Information und Netzwerke (einschließlich Cloud Computing, große Datenmengen, soziale Medien, mobiles Internet
ALLGEMEINER ÜBERBLICK: DAS GROSSE GANZE
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und Konvergenz, um nur einige zu nennen) schaffen einen Bedarf an neuen Kompetenzen und riesige Chancen für jene, die diese Kompetenzen als erste entwickeln und beherrschen. In einem der nachfolgenden Kapitel finden Sie Daten zum gegenwärtigen und zu erwartenden Angebots- und Nachfrageniveau von und nach e-Skills. Diese zeigen ein anhaltendes Defizit für Europa als Ganzes auf: Das Paradoxon hoher Arbeitslosenzahlen in Kombination mit einer großen Zahl unbesetzter Stellen im e-Skills-Bereich ist nach wie vor eines der eindrucksvollsten in der europäischen Job-Landschaft. In diesen Zeiten ist die Wahl der besten Strategie zum Umgang mit dem e-Skills-Problem genau so wichtig wie die Werkzeuge und Prozesse, die für seine Lösung eingesetzt werden. Da die globale Wettbewerbsfähigkeit immer stärker von Wissen und Innovation abhängt, ist ganz deutlich, dass Europa auf seine Stärken (wie seine IKT-Branche und die wissensbasierte Wirtschaft) bauen muss, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile auf internationaler Ebene zu entwickeln. Die Anpassung seiner Arbeitskräfte in Qualität und Struktur an die Herausforderungen und Chancen, die sich aus dieser globalen wissensbasierten Wirtschaft ergeben, bleibt jedoch eine Herausforderung, welche, wenn wir sie nicht angehen, andere Anstrengungen zur Gestaltung der Zukunft Europas als globale Macht und Modell für ‚Wettbewerbsfähigkeit mit Integration‘ gefährden könnte. Darum und um nicht weniger geht es bei der Herausforderung der e-Skills.
Ein kritisches fehlendes Glied, intern wie extern Weite Teile der Akteure sind sich einig, dass e-Skills wesentlich sind für die Entwicklung von Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität und Innovation sowie Professionalität und Arbeitsfähigkeit der europäischen ArbeitnehmerInnen. Es besteht der Bedarf, dafür zu sorgen, dass das Wissen, die Skills, Kompetenzen und der Einfallsreichtum von ManagerInnen, IT-Fachleuten und BenutzerInnen den höchsten globalen Standards entsprechen und in einem Prozess effektiven lebensbegleitenden Lernens ständig aktualisiert werden. Europa braucht sowohl Menschen mit e-Skills, welche die Infrastruktur bereitstellen, als auch Menschen mit e-Skills, die diese verwenden. Eine Gesellschaft, die sich aus Menschen mit e-Skills zusammensetzt, ist daher der Wegbereiter für eine wissensbasierte Gesellschaft. So lange die europäische Bevölkerung nicht über ausreichende e-Skills verfügt, werden die in Infrastruktur (z. B. Breitband) getätigten und geplanten Investitionen keine volle Rendite bringen. Aus Sicht der Industrie ist außerdem deutlich, dass ein anhaltender bedeutender Mangel an IT-Arbeitskräften den Erfolg der europäischen Volkswirtschaft ernsthaft in Gefahr bringt. Er beeinträchtigt
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Das e-Skills-Manifest
die Entwicklung hochtechnisierter Industrien und verlangsamt die Innovationsgeschwindigkeit, welche sich wiederum auf Beschäftigung und Produktivität in den betroffenen Industrien auswirkt. Ein Mangel an ITArbeitskräften schwächt also die Fähigkeit Europas, im globalen Wettbewerb zu bestehen. Innerhalb Europas bedeutet ein solcher Mangel außerdem eine Gefahr für das Erreichen eines Digitalen Binnenmarktes.
e-Skills sind entscheidend für Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung in Europa Im September 2007 verabschiedete die Europäische Kommission nach ausführlichen Beratungen und Gesprächen mit Akteuren und Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen e-Skills-Forums eine Mitteilung über „e-Skills für das 21. Jahrhundert: Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung“, die auch eine langfristige e-Skills-Strategie der EU beinhaltet. Die Mitgliedstaaten begrüßten diese Strategie in den Schlussfolgerungen des Rates Wettbewerbsfähigkeit im November 2007. Auch die Akteure begrüßten eine langfristige e-Skills-Agenda. Die IKT-Industrie richtete das „e-Skills Industry Leadership Board“ ein, um sich an der Umsetzung der Strategie zu beteiligen. In einer Studie fand man heraus, dass die nationale IT-Politik dazu neigt, sich auf die Entwicklung grundlegender IT-Nutzer-Kompetenzen zu konzentrieren. Die Entwicklung von IT-Fachkenntnissen hingegen wird meist als Teil der beruflichen Weiterbildung angesehen. Die Studie zeigt auf, dass es in neun Ländern eine Politik zur Entwicklung von e-Business-Skills gibt. Sechsundzwanzig Länder verfolgten eine Politik, die auf die Entwicklung von e-Skills für NutzerInnen abzielt, während elf Länder (Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Malta, Portugal, Rumänien, Spanien, die Türkei und Ungarn) eine Politik umsetzen, welche die Entwicklung von e-Skills von Fachleuten zum Ziel hat. Die Studie identifizierte insgesamt fünfundvierzig Initiativen, die sich speziell mit der Entwicklung von IT-Fachkenntnissen beschäftigen. Bei der Umsetzung der EU-e-Skills-Strategie wurden große Fortschritte erzielt. Es wurden ein Europäischer Rahmen für IKT-Kompetenzen geschaffen, ein Europäisches e-Skills-Karriereportal eingerichtet und verschiedene hochrangige Partnerschaften mit jeweils mehreren Akteuren begründet. Seitdem wurden noch weitere Aktivitäten ins Leben gerufen. Dazu zählen Aktionen aus dem Bereich Angebot und Nachfrage (einschließlich der Entwicklung von Zukunftsszenarien), mit denen Veränderungen besser vorhergesehen werden sollen, die Weiterentwicklung des Europäischen Rahmens für IKT-Kompetenzen und die Förderung bedeutender finanzieller und steuerlicher Anreize. In diesem Sinne war die pan-europäische e-Skills Week eine wichtige Sensibilisierungskampagne für die Förderung von e-Skills, den Erfahrungsaustausch, den Aufbau von Zusammenarbeit und die Mobilisierung von Akteuren.
ALLGEMEINER ÜBERBLICK: DAS GROSSE GANZE
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Während Europa immer noch darum kämpft, seinen Weg aus der Krise zu finden, erhalten die Ergebnisse aus dem Jahr 2007 eine neue Bedeutung: Die IT-spezifische Arbeitslosigkeit lag immer deutlich unter der Gesamtarbeitslosigkeit. Dies lässt darauf schließen, dass die Förderung des Wachstums der IT-Branche (und von e-Skills) es verdient, als anti-zyklisches politisches Instrument für den bereits erwähnten Aufschwung mit neuen Arbeitsplätzen in Erwägung gezogen zu werden.
Neue Dimensionen des globalen Wettstreits um Talente Ein wichtiger Trend, der sich auf die Nachfrage nach e-Skills auswirkt, ist Global Sourcing. Ein Blick auf die Handelsbilanzen zeigt, dass Europa mehr IT-Güter importiert und mehr IT-Dienstleistungen exportiert, während es teurere IT-Produkte und -Dienstleistungen exportiert und weniger teure Güter und Dienstleistungen importiert. Es ist daher deutlich, dass Europa Fachleute mit einem hohen e-Skills-Niveau benötigt, die insbesondere im Dienstleistungsbereich Innovationen fördern können. Europa war im letzten Jahrzehnt nicht besonders erfolgreich beim Anwerben ausländischer IT-Talente. Verlagerungen und Abwanderung in andere Teile der Welt können nicht die Lösung für Europas Mangel an e-Skills sein. Wenn sie zu sehr genutzt werden, gefährden solche Methoden die Qualität innovativer Produkte und Dienstleistungen. Es gibt außerdem deutliche Hinweise darauf, dass Länder, die bisher den Mangel an IT-Fachkräften in Europa decken – etwa China und Indien – bald selbst mit ernsthaften e-Skills-Versorgungsproblemen zu kämpfen haben werden. Ergänzend zur Sicherstellung ausreichender professioneller e-Skills in Europa wird es auch notwendig sein, Wege zu finden, die e-Skills der gegenwärtigen Arbeitnehmerschaft zu verbessern. Heute wird die ‚Globalisierung der e-Skills-Märkte‘ durch die erhöhte Mobilität gut ausgebildeter Arbeitskräfte verstärkt. Globale Informationsnetzwerke, Telepräsenz und virtuelle Teams, die über geografische Grenzen und Zeitzonen hinweg zusammenarbeiten, schaffen neue Arbeitsumgebungen, in denen das Anwerben der richtigen Talente zu einer strategischen Herausforderung geworden ist. „Der Wettlauf um die Anhebung des Kompetenzniveaus und die Förderung akademischer Exzellenz ist in vollem Gange: Die Ausgaben für Hochschulbildung und Forschung und Entwicklung nehmen in der ganzen Welt – und insbesondere in Schwellenländern – stark zu.“
Zeit für gezieltes Handeln Ausgehend vom Paradigma der ‚Kompetenz-Pyramide‘ des INSEAD-eLab wird deutlich, dass Europa auf allen drei Ebenen, (1) Alphabetisierung und Grundfertigkeiten einschließlich e-Skills, Mathematik und Naturwissenschaften, (2) Berufliche Fertigkeiten, wie sie der Arbeitsmarkt erfordert und wie sie in der
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formalen Bildung, aber auch verstärkt ‚on the job‘ erworben werden, und (3) Fertigkeiten für die globale wissensbasierte Wirtschaft, die weniger greifbar sind, zu denen aber die Führung von Teams und die Vorhersage von Veränderungen zählen und die für Innovation von Bedeutung sind, neuen Herausforderungen begegnen muss. Obwohl Europa bei den Grundfertigkeiten und den beruflichen Fertigkeiten besser abschneidet als die meisten seiner Konkurrenten, erzielt es in keinem der drei Bereiche überdurchschnittliche Ergebnisse (vgl. weiter unten).
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Talente der globalen wissensbasierten Wirtschaft: Die dritte (obere) Stufe umfasst die subtileren – aber schlechter quantifizierbaren – Kompetenzen, die man braucht, um multikulturelle Teams anzuleiten und zu führen, in virtuellen Teams zu arbeiten und Änderungen anzugehen, zu Fertigkeiten für die globale antizipieren und umzusetzen. Diese Kompetenzen sind kritisch für Innovawissensbasierte tion und den Umgang mit neuen Herausforderungen und Problemen.
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Wirtschaft
Berufliche Fertigkeiten
Alphabetisierung & Grundfertigkeiten (Mathematik, Naturwissenschaften, IT-Kompetenzen)
Berufliche Fertigkeiten: Die zweite (mittlere) Stufe bezieht sich auf das Wissen und die Fertigkeiten, die man erwerben muss, um sich für bestimmte Jobs zu qualifizieren. Viele dieser Kompetenzen können in der formalen Bildung erworben werden (z. B. in einem Ingenieurs- oder Jurastudium). Ein immer größerer Teil dieser Kompetenzen wird jedoch 'on the job' erworben. Alphabetisierung und Grundfertigkeiten: Die erste (untere) Stufe der Kompetenz-Pyramide umfasst grundlegende Kompetenzen und Kenntnisse, die man braucht, um in der modernen Gesellschaft zu leben. Sie beinhalten nicht nur die klassische Alphabetisierung (d. h. Schreiben, Lesen und grundlegende Rechenfähigkeiten), sondern zunehmend auch IT-Kompetenzen.
Quelle: Lanvin, B. und Fonstad, N. (2009), „Who Cares? Who Dares? Providing the skills for an innovative and sustainable Europe“, INSEAD eLab, März 2009.
2009 vergab INSEAD an Europa die Noten B für Grundfertigkeiten, B minus für berufliche Fertigkeiten und C für Fertigkeiten für die globale wissensbasierte Wirtschaft. Seitdem haben sich die Dinge nicht merklich geändert. Es gibt jedoch keinen Grund, weshalb Europa zurückfallen sollte: Finnland, Dänemark und Schweden beispielsweise weisen in den globalen Indizes gute Ergebnisse auf. Obwohl Lernen ‚on the job‘ ein wichtiger Teil der Lösung sein wird, liegt der Schlüssel nach wie vor im Bildungswesen. Europas Bildungssysteme, von der Grundschule bis hin zu den Hochschulen, bedürfen einer systematischen Umstrukturierung und müssen digitale Kompetenzen stärker in den Lehrplan integrieren. Eine solche Umstrukturierung erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Bildung und Wirtschaft, ein Verständnis für die Notwendigkeit grundlegender Reformen und deutliche höhere Investitionen. Europa investiert sehr viel weniger in Hochschulbildung als die USA und Japan. Eine kürzlich erschienene Studie der Economist Intelligence Unit (EIU) kam zu dem Schluss, dass die USA, Singapur, Großbritannien, Irland und Südkorea die Länder sind, denen es am besten gelingt, die richtigen IT-Talente zu entwickeln. Die EIU geht davon aus, dass der Schlüssel zum Erfolg dieser Länder im konsequenten Ausbau der Studierendenzahlen an den Hochschulen, einschließlich der natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächer, liegt.
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Sie unterhalten außerdem Weltklasse-Universitäten oder Technologieinstitute, in denen TechnikerInnen Wirtschafts- und Management-, und eben nicht nur Technikkompetenzen erwerben.
Entwicklung der Digitalen Agenda für Europa 2010 verabschiedete die Europäische Kommission förmlich die Digitale Agenda für Europa von Vizepräsidentin Neelie Kroes und definierte sieben vorrangige Handlungsfelder: Schaffung eines digitalen Binnenmarkts, größere Interoperabilität, Steigerung von Vertrauen und Sicherheit im Internet, schnellere Internetverbindungen, mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung, Verbesserung der digitalen Kompetenzen und Integration sowie Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen wie Klimawandel und alternde Bevölkerung. Zu den Vorteilen gehören einfachere elektronische Zahlungs- und Abrechnungsmethoden, schnelle Entwicklung der Telemedizin und energieeffiziente Beleuchtung. Die Europäische Kommission wird: • e-Leadership und IKT-Professionalität fördern, um den europäischen Talentpool zu vergrößern und die Kompetenzen und Mobilität von IKTFachkräften in ganz Europa zu verbessern. • Die Entwicklung von Online-Tools zur Prüfung und Anerkennung der Kompetenzen von IKT-Fachkräften und -NutzerInnen im Zusammenhang mit dem Europäischen Rahmen für IKT-Kompetenzen und EUROPASS unterstützen. • Den Anteil von Frauen an den IKT-Arbeitskräften fördern. • Digitale Kompetenzen zu einer Priorität der Verordnung über den Europäischen Sozialfonds (2014-2020) erheben. • EU-weite Indikatoren für digitale und mediale Kompetenzen vorschlagen. Zur Unterstützung dieser Anstrengungen wird von den Mitgliedstaaten erwartet, dass sie: • Langfristige politische Maßnahmen zur Förderung von e-Skills und digitalen Kompetenzen umsetzen. • e-Learning in all ihre politischen Maßnahmen zur Modernisierung von Bildung und Ausbildung, einschließlich Lehrpläne, Bewertung der Lernergebnisse und Weiterbildung von Lehrkräften und FortbilderInnen, aufnehmen.
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Es ist relativ einfach, aufzuzeigen, wie die oben beschriebene Typologie (SkillsPyramide) ganz direkt auf alle und jeden einzelnen dieser Punkte angewandt werden kann. Eine Herausforderung wird es sein, dies in gleichem Maße in allen Europäischen Institutionen und nationalen Regierungen zu tun.
Innovationen für Exzellenz und Exzellenz für Innovationen In den letzten Jahren haben verschiedene Akteure (insbesondere aus der Industrie) lautstark Empfehlungen für ein sofortiges Handeln ausgesprochen. Einige davon sind im Folgenden aufgeführt. Die Behörden sollten auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten von öffentlich-privaten Partnerschaften getragene Sensibilisierungskampagnen ins Leben rufen, bei denen die Karrierechancen für Studierende der Mathematik, Naturwissenschaften und Technik beleuchtet werden. Bei diesen Kampagnen sollte auch auf den Mangel an e-Skills, mit dem die EU gegenwärtig zu kämpfen hat, und die Konsequenzen einer immer größer werdenden Abweichung zwischen Angebot und Nachfrage hingewiesen werden. Alle Grund- und weiterführenden Schulen sollten bis 2015 mit schnellen Internetverbindungen ausgestattet werden und alle SchülerInnen sollten lernen, verantwortungsvoll und sicher mit dem Internet umzugehen. Außerschulische Aktivitäten wie Exkursionen in Labore, Offene Tage in Unternehmen oder Besuche von ForscherInnen sollten verstärkt werden. Praktikumsmöglichkeiten sollten in zwei Schlüsselmomenten ausgeweitet werden, um die SchülerInnen und Studierenden in Richtung „marktfähiges Wissen“ zu orientieren: Wenn sich Teenager gegen Ende der weiterführenden Schule entscheiden, was sie studieren möchten, und zu Beginn des Studiums, wenn sich die Studierenden entscheiden, welche beruflichen Schwerpunkte sie wählen. Mittelfristig sollte Folgendes angegangen werden: • Es sollten gründliche statistische Analysen des IT-KompetenzMangels erfolgen, um eine Unterversorgung in bestimmten Bereichen festzustellen. Es sollten jährliche Eurobarometer-Berichte erstellt werden, in denen die Sicht der Arbeitgeber auf den Bedarf an e-Skills in den nächsten drei bis fünf Jahren dargestellt wird. • Es sollten Anreize für Lehrkräfte geschaffen werden, ihr eigenes ITWissen aufzufrischen und ihren Unterricht so zu modernisieren, dass digitale Lehr- und Lernmethoden verbreitet eingesetzt werden.
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Es sollte Zertifizierungen für Lehrkräfte geben, mit denen sie ihre e-Skills nachweisen können. • Die Europäische Kommission sollte schulische Wettbewerbe in Mathematik und Naturwissenschaften in ganz Europa ausrufen und finanzieren, um Exzellenz zu honorieren. Weiterhin ist klar, dass die e-Skills-Herausforderung sowohl eine qualitative als auch eine quantitative ist. Europa braucht einen Pool gut ausgebildeter IT-Fachkräfte, die den Bedarf der Arbeitgeber decken. Das klassische ‚erst ausbilden, dann arbeiten‘-Modell verliert in einem von immer größerer Volatilität geprägten Markt an Relevanz. Arbeitgeber und Ausbildungsstätten müssen eng zusammenarbeiten, um eine flexibleren Rahmen für den Erwerb von Kompetenzen (z. B. Lernen lernen) zu schaffen. Eine von der EU getragene e-Skills-Strategie kann keine Eintagsfliege sein. Es klafft eine deutliche Lücke zwischen Angebot und Nachfrage von und nach e-Skills. Dieses Problem wird sich weiter verschärfen. Es wird eine erhöhte Nachfrage nach den klassischen Kompetenzen im Hinblick auf die technologische Infrastruktur geben. Hinzu kommt die Nachfrage nach den Kompetenzen, welche die ArbeitnehmerInnen in der von Zusammenarbeit geprägten Wissensgesellschaft benötigen. All diese Empfehlungen müssen jedoch zurückstehen hinter dem ‚globalen Innovations-Imperativ‘, vor dem Europa steht. e-Skills sind eine entscheidende Komponente des Innovations-Ökosystems. Anders ausgedrückt muss Europa sich die Mittel der Exzellenz in e-Skills an die Hand geben, um im globalen Wettbewerb um Innovationen führend zu bleiben. Europa braucht Exzellenz, um Innovationen hervorbringen zu können. Gleichzeitig muss Europa sein Aus- und Weiterbildungssystem verbessern, um mehr Talente, ForscherInnen und gut ausgebildete Fachkräfte und ManagerInnen hervorzubringen und anzuziehen. In der Hochschulbildung wie auch beim lebensbegleitenden Lernen und der Grundbildung muss Europa innovativ sein, um Exzellenz hervorbringen zu können.
Keine Zeit für Hinhaltetaktiken Europa muss als ganze Region einfallsreich sein und politischen Maßnahmen, die auf die Behebung des e-Skills-Mangels, der struktureller und nicht zyklischer Natur ist, abzielen, breite Unterstützung zukommen lassen. Die aktuelle Krise hat die Debatte auf gewisse Art verschleiert, da gesunkene Nachfragewerte zu dem Trugschluss geführt haben, der e-Skills-Mangel als solcher könnte zurückgehen. Dies ist jedoch eine große Illusion: Wenn die europäischen Unternehmen, Regierungen und Hochschulen nicht rasch
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reagieren, wird dieser Mangel in dem Moment, in dem die wirtschaftliche Erholung an Schwung gewinnt, umso deutlicher zutage treten. Diejenigen europäischen Volkswirtschaften, die die Krise nicht nutzen, um ihre Fähigkeit zur Produktion von mehr Arbeitskräften und ManagerInnen mit e-Skills zu verbessern, werden sich im Wettlauf um wissensbasierte und innovationsgetriebene globale Wettbewerbsfähigkeit auf den hinteren Plätzen wiederfinden. Kompetenznachfrage des Marktes
Gesamtnachfrage & Verfügbarkeit von Kompetenzen
Kompetenzangebot des Marktes Szenario 2:
Verbesserte Lehrpläne für e-Kompetenzen Auf dem Markt verfügbare Kompetenzen
Kompetenzangebot des Marktes Szenario 1:
Kompetenzmangel
Keine Maßnahmen
Zeit
Vor-Krise
Krise
Nach-Krise
Quelle: Lanvin, B. and Fonstad, N. (2010), “Strengthening e-Skills for Innovation in Europe”, INSEAD eLab, 2010.
Im Licht der unmittelbaren Herausforderung, welche die Jugendarbeitslosigkeit in Europa gegenwärtig darstellt, gewinnt die Dringlichkeit zu handeln eine ganz neue Bedeutung. Wir stehen erst am Anfang der digitalen Revolution: Ihre Zukunft sollte stark mit den allgemeinen Zielen Europas (zu denen Wettbewerbsfähigkeit sowie nachhaltiges und innovatives Wachstum zählen) verbunden und gleichzeitig fest in der Reaktion auf den gegenwärtigen Bedarf und die Erwartungen der europäischen BürgerInnen verankert sein. Ihnen die Möglichkeit zu bieten, e-Skills zu erwerben, ist ein Schlüsselelement in diesem komplexen Unterfangen.
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Kapitel 1: Innovative Bildung: Europas künftige Arbeitskräfte Seit Veröffentlichung der ersten Auflage des e-Skills-Manifests 2010 hat sich die Wirtschaftskrise zwar deutlich auf die Arbeitslosenzahlen – und insbesondere auf die Jugendarbeitslosigkeit – ausgewirkt, eine Sache jedoch hat sich kaum verändert: Das Missverhältnis zwischen den Kompetenzen, die im Bildungssystem vermittelt werden, und jenen, die in der Arbeitswelt gefordert sind. Wie wir in der ersten Auflage dieses Manifests herausgestellt haben, haben wir es hier mit einem Paradoxon zu tun: „Junge Menschen sind besonders eifrige ITNutzerInnen. Die 16-24-Jährigen verwenden das Internet fünf bis sieben Mal in der Woche. Trotzdem planen weniger als 30% der Jungen und 15% der Mädchen, nach der Schule ein Fach mit IT-Bezug zu studieren.“ Das sinkende Interesse an naturwissenschaftlichen und technischen Fächern beginnt früh (Ende der Grund- bis Anfang der weiterführenden Schule), wirkt sich auf die Zahl junger Talente aus, die sich für ein Studium in diesem Bereich entscheiden und beeinträchtigt in der Folge das verfügbare e-SkillsNiveau in der arbeitenden Bevölkerung. Um den Bedürfnissen der jungen EuropäerInnen gerecht zu werden, die Wahrnehmung naturwissenschaftlicher und technischer Fächer und damit Motivation und Ergebnisse in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern im akademischen Bereich zu verbessern und die jungen Menschen besser auf ihr späteres Berufsleben vorzubereiten, bedarf es ehrgeiziger Ziele und Veränderungen im gesamten Bildungswesen.
Mangelnde Kompetenzen bei SchülerInnen und Studierenden Die europäische Politik verfolgt hehre Ziele für die Ausstattung junger Menschen mit den Fertigkeiten, die in der Arbeitswelt von ihnen verlangt werden, und das Erreichen einer „EU-weiten Beschäftigungsquote von 75% bei Frauen und Männern zwischen 20 und 64 bis 2020“. Die im November 2010 gestartete Initiative „Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen“ zielt insbesondere darauf ab:
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• Den künftigen Kompetenzbedarf besser zu antizipieren. • Kompetenzen und Bedarf des Arbeitsmarktes besser in Einklang zu bringen. • Den Graben zwischen Bildungs- und Arbeitswelt zu schließen. In Anbetracht der Tatsache, dass die 20-Jährigen von 2020 heute am Anfang ihrer Sekundarbildung stehen, bedeutet dies, dass das Bildungssystem die Kinder und Jugendlichen schon heute mit den digitalen Kompetenzen und e-Skills ausstatten sollte, die sie brauchen, wenn sie 2020 in den Arbeitsmarkt eintreten. Vor diesem Hintergrund definiert die 2006 veröffentlichte Europäische Empfehlung zu Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen zwei prioritäre Bereiche technologischer Kompetenz: „Grundlegende naturwissenschaftlich-technische Kompetenz“ (einschließlich theoretischem Wissen und Anwendung von technologischen Werkzeugen) sowie „digitale Kompetenz“ für die Nutzung von IT-Tools für Arbeit, Freizeit und Kommunikation. Von Eurostat für den Anzeiger zur Digitalen Agenda (Digital Agenda Scoreboard) erhobene Daten zeigen die besorgniserregenden Kompetenzniveaus junger Menschen beim Umgang mit digitalen Werkzeugen. Es gibt immer noch junge Menschen, die das Internet nicht regelmäßig nutzen. Diese Gruppe setzt sich vor allem aus Personen mit einem niedrigen formalen Bildungsstand zusammen: Im europäischen Durchschnitt machen sie 13% aus, in Ländern wie Rumänien ist ihr Anteil mit bis zu 50% besonders hoch. Nur 25% der jungen Menschen in der EU geben an, über ein „hohes“ Niveau bei grundlegenden Internetkenntnissen zu verfügen. Darunter fallen fünf oder sechs Aufgaben wie die Nutzung einer Suchmaschine, um Informationen zu finden, der Versand einer E-Mail mit Anhängen, das Posten von Nachrichten in Chatrooms, Newsgroups oder sonstigen Diskussionsforen im Internet, die Nutzung des Internets zum Telefonieren, Peer-to-Peer-Datenaustausch für das Tauschen von Filmen, Musik etc. und Erstellung einer Internetseite. Angesichts der Tatsache, dass dieses „hohe“ Niveau so grundlegende berufliche IT-Fertigkeiten wie soziale Netzwerke, IT-Wartung, Netzwerken oder BasisProgrammierkenntnisse nicht einmal einschließt, ist dieser Aspekt potentiell katastrophal für die heutige Generation, die sich mit Eintritt auf den Arbeitsmarkt in einer Situation wiederfinden wird, in der die große Mehrheit der Jobs e-Skills erfordern, um so mehr, als der Europäische Monitor für offene Stellen deutlich macht, dass Computer-Berufe zu den Berufen mit den größten Chancen für hochqualifizierte junge Menschen zählen.
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Politik für grundlegende IKT-Kompetenzen Trotz der deutlichen Kluft, die zwischen den Kompetenzen der SchülerInnen und Studierenden und den Erwartungen klafft, werden grundlegende IKTKompetenzen in den Bildungssystemen politisch stark gefördert. In der Regel begegnet man dem Thema ganzheitlich auf verschiedenen Stufen des Bildungswesens: Kompetenzen der Lehrkräfte, Kompetenzen der SchülerInnen, eSafety und IKT für die Integration von SchülerInnen mit besonderem Förderbedarf sowie Überwindung der digitalen Kluft. Bei diesen Maßnahmen geht es auch um die Bereitstellung der Infrastruktur, darum, sicherzustellen, dass die Schulen Zugang zu den entsprechenden Techniken wie interaktiven Whiteboards, in einigen Fällen Netbooks sowie traditionelleren Computerlaboren (fest installiert oder mobil) haben. Auch digitale Inhalte stellen in den meisten europäischen Ländern eine Priorität dar, angefangen mit Praxisgemeinschaften für Lehrkräfte und SchülerInnen im Internet bis hin zur Bereitstellung von digitalen Lehrbüchern oder Ressourcen-Datenbanken. Die Insight Reports der verschiedenen europäischen Mitgliedstaaten von European Schoolnet aus dem Jahr 2011 zeigen viele wirksame Maßnahmen und Praxisbeispiele aus den nationalen Bildungsministerien auf, welche die Entwicklung von grundlegenden IKT-Kompetenzen und die Anerkennung der Tatsache, dass digitale Kompetenzen ein wichtiger Bestandteil eines modernen Kompetenzkonzepts sind, fördern. Es gibt eine ganze Reihe Ansätze für die Umsetzung des Lehrens digitaler Kompetenzen und Fertigkeiten auf nationaler Ebene, von einem Lehrplan für IKT als eigenem Fach, das sich typischerweise auf die Fähigkeiten zur IKT-Nutzung konzentriert, bis hin zur Einbindung von IKT in alle Schulfächer. Einige Länder (z. B. Deutschland) und Regionen haben die Zertifizierung durch Dritte eingeführt, um grundlegende IKT-Kenntnisse anerkennen zu lassen, beispielsweise über den Europäischen Computerführerschein. Bisher hat die Mehrheit der Länder die Überwindung der digitalen Kluft jedoch noch nicht zu einem vorrangigen Ziel erklärt und die Schulen setzen die Top-down-Politik der Regierung sehr unterschiedlich um. Dies erklärt sicher einen großen Teil der Abweichung zwischen politischen Zielsetzungen und den anschließenden Beobachtungen im Hinblick auf das Kompetenzniveau der SchülerInnen. Es besteht also der Bedarf, die gegenwärtige Politik fortzuführen und dafür zu sorgen, dass IKT-Methoden und -Tools in die richtigen Bereiche des Bildungssystems gelangen. Gleichzeitig muss jedoch ein stärkerer Fokus auf die allgemeine Einführung von IKT-Ansätzen gelegt werden. Außerdem sollte dem Thema der digitalen Kluft eine größere Bedeutung beigemessen und sichergestellt werden, dass alle SchülerInnen unabhängig von ihrem Hintergrund ein angemessenes Level grundlegender IKT-Kompetenzen erreichen. Das Thema der Kompetenzen der
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Lehrkräfte stellt jedoch nach wie vor eine große Barriere dar: Es gibt keinen gemeinsamen europäischen Standard für die Kompetenzen von IKT-Lehrkräften und die internationalen Standards sind nicht unbedingt auf den europäischen Kontext anwendbar. Die Bildungsministerien prüfen daher gegenwärtig den Bedarf der Entwicklung eines eigenen Standards, welcher in Einklang mit dem Europäischen Rahmen für IKT-Kompetenzen stehen sollte. Von mehreren Akteuren getragene Initiativen wie das Future Classroom Lab, die es Lehrkräften ermöglichen, mit innovativer Pädagogik zu experimentieren und dabei Technologie einzusetzen, stellen einen wesentlichen Beitrag zu ihrem Erwerb von digitalen Kompetenzen dar.
Sind die Zielsetzungen ehrgeizig genug? Die aktuellen, im europäischen Referenzrahmen für Schlüsselkompetenzen niedergelegten Zielsetzungen sind zwar als Ausgangspunkt für grundlegende digitale Kompetenzen für alle BürgerInnen nützlich, schenken aber den spezifisch erforderlichen Kompetenzen für e-Skills im Berufsleben nicht ausreichend Berücksichtigung. Sie dienen eher als Zusammenfassung der grundlegenden Kompetenzen, die für eine ganze Reihe von Aktivitäten nützlich sind, jene, die eine weitergehende Ausbildung im IT-Bereich wünschen oder einen akademischen Bildungsgang in Computerwissenschaften einschlagen wollen, jedoch nicht adäquat vorbereiten. Dieses Thema betrifft alle europäischen Mitgliedstaaten. Im Livingstone-Hope-Bericht ist zu lesen: „Die Industrien leiden unter einem Bildungswesen, das ihren Bedarf nicht versteht. Dies wird noch verstärkt von schulischen Lehrplänen, die sich auf die Büroanwendungen der IKT konzentrieren und vertiefte Informatik- und Programmierkenntnisse, wie sie hochtechnisierte Industrien wie die Videospiel- oder Spezialeffekte-Branche benötigen, vernachlässigen. Gleichzeitig brauchen die Jugendlichen und ihre Lehrkräfte ein stärkeres Bewusstsein für die Beschäftigungsmöglichkeiten in diesen Branchen und die Ausbildungswege, die sie dahin bringen. Die STEM-Fächer – Naturwissenschaften, Technik, Ingenieurwissenschaften und Mathematik – sowie Kunst sind der Schlüssel zum Erfolg.“ Im weiteren Verlauf des Berichts wird die Empfehlung ausgesprochen, Informatik als Fach denselben Stellenwert einzuräumen wie anderen Naturwissenschaften wie Physik und Mathematik, es ab dem Alter von 11 Jahren zu unterrichten und es in den allgemeinbildenden Lehrplan weiterführender Schulen zu integrieren. Ein Ergebnis dieses Aufrufs ist, dass die britische Regierung den Beschluss gefasst hat, den traditionellen IKTUnterricht (der auf dem Ansatz der Vermittlung digitaler Kompetenzen basierte) durch Informatikunterricht zu ersetzen, in dem der Schwerpunkt
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auf Programmierung, Webdesign und die Entwicklung von Anwendungen für mobile Geräte gelegt wird.
Von Mathematik und Physik zu Programmierung Eine bedeutsame Herausforderung auf dem Weg von grundlegenden ITKompetenzen zu e-Skills sind die Ergebnisse in Mathematik und Physik. Gute mathematische Fertigkeiten – insbesondere ein Verständnis für Algebra und Algorithmen – sind unabdingbar für die Entwicklung weiterführender Programmier- und Informatikkenntnisse. Studien von Microsoft Teaching and Learning haben gezeigt, dass Mathematik typischerweise eines der Fächer ist, in denen innovative Methoden im Unterricht am wenigsten eingesetzt werden. Ebenso sind physikalische Kenntnisse und Fertigkeiten unabdingbar für Anwendungen aus dem Bereich Netzwerke und Informatik. Das relativ niedrige Niveau der Ergebnisse und des Interesses an diesen Themen unter den europäischen SchülerInnen ist im Hinblick auf den Erwerb weitergehender e-Skills besorgniserregend. Eurydice-Studien zu diesen Themen zeigen insbesondere fehlende politische Maßnahmen auf nationaler Ebene in vielen europäischen Ländern auf, wenn es um die Unterstützung schwächerer SchülerInnen geht. Die Länder, die in der PISA-Studie (Programme for International Student Assessment) der OECD in Naturwissenschaften und Mathematik besser abgeschnitten haben, haben in der Regel robuste Systeme, die dafür sorgen, dass SchülerInnen, die mit diesen Themen Probleme haben, ausreichend Unterstützung erhalten, um ihre Ergebnisse zu verbessern. Außerdem wird in einer Eurydice-Studie deutlich, dass die besondere Rolle von IKT in der Mathematik häufig vernachlässigt wird. „Die Nutzung von IKT im Mathematikunterricht ist in den meisten Ländern vorgeschrieben. Obwohl verfügbar, werden Computer jedoch nur selten im Mathematikunterricht eingesetzt. Dieser Widerspruch deutet darauf hin, dass es bisher nicht gelungen ist, der Mathematik ihre Bedeutung zurückzugeben, indem man sie mit einer Technologie verbindet, die SchülerInnen täglich nutzen.“ Außerdem leiden Mathematik und Physik besonders unter geringem Interesse bei Mädchen. Die in diesen Fächern verwendeten Beispiele und Modelle scheinen für Jungen sehr viel attraktiver zu sein als für ihre Mitschülerinnen. Dies hält Mädchen häufig davon ab, in der Oberstufe Mathematik und Physik zu wählen, was wiederum ein Hindernis für die Wahl von Informatik als Studienfach und damit für eine Berufslaufbahn in der IT-Branche darstellt. Eurydice weist darauf hin, dass ein wesentlicher Faktor bei dieser Herausforderung die Tatsache ist, dass in der Lehrerausbildung zu wenig Wert auf das Thema Diversität gelegt wird: „Der Umgang mit Diversität - d. h. das Unterrichten unterschiedlicher
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SchülerInnen, die Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen von Jungen und Mädchen - und die Vermeidung von geschlechtsspezifischen Stereotypen in der Interaktion mit SchülerInnen ist die in diesen Ausbildungsgängen am wenigsten thematisierte Kompetenz.“ Dies zeigt, wie wichtig es ist, die Qualität des Lehrens und Lernens in den mathematischen und physikalischen Fächern durch den Einsatz innovativerer Ansätze auf der Grundlage moderner Technologien zu verbessern und dabei der Gleichheit zwischen den Geschlechtern eine größere Bedeutung beizumessen.
Informatik als Fach Es ist bezeichnend, dass es nur wenige aktuelle europaweite Daten über die Rolle von Informatik als eigenständigem Fach im Lehrplan gibt. In einem der Insight-Länderberichte wird das Thema zwar angesprochen, jedoch nur, insofern es einen Bezug zu grundsätzlicheren Fragen von IKT in der Bildungspolitik aufweist. Aus den Länderberichten geht jedoch hervor, dass Informatik – wenn überhaupt im Lehrplan vertreten – fast immer freiwillig ist. Eine der wenigen Ausnahmen ist die Schweiz, wo Informatik seit 2008 Pflichtfach ist und wo man explizit darauf hinweist, dass das technische Verständnis für IKT ein wichtiger Punkt für die höhere Sekundarbildung ist. Ein anderer interessanter Fall ist Österreich, wo IKT für den beruflichen Einsatz explizit zu den nationalen Zielsetzungen gehört, genau wie „e-Skills“, die über grundlegende digitale Kompetenzen hinausgehen, und zu denen auch „angewandte Informatik“ gehört. Informatik ist dort ab Beginn der weiterführenden Schule ein eigenständiges Fach. Erworbene Kompetenzen werden über externe Qualifikationen wie dem Europäischen Computerführerschein, aber auch Industriezertifizierungen von Cisco, Microsoft, SAP, Novell und Oracle als Ergänzung zu grundlegenden technischen Fertigkeiten zertifiziert. Sie werden besonders über einen speziell auf Schulen zugeschnittenen Teil des „eLearning-Cluster“ gefördert. Auch Zypern hat Informatik in der Sekundarstufe II eingeführt, und zwar als verpflichtende Einführung in die Thematik im ersten Jahr der Oberstufe. In den beiden folgenden Jahren der Sekundarstufe II können die SchülerInnen verschiedene Module aus den Bereichen Informatik, Anwendungen und Netzwerke (letzteres gefördert von der Cisco Networking Academy) wählen. In speziellen technischen Schulen wird ein dreijähriges Wahlpflichtfach Technische Informatik angeboten, das die gesamte Informatik abdeckt. Eine Reihe weiterer Länder bietet ähnliche technische Wahlfächer in den berufsbildenden Schulen an – die Anzahl der SchülerInnen in diesen freiwilligen Kursen ist jedoch häufig niedrig und der Anteil von Mädchen gering.
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Es ist offensichtlich, dass die eingehende Beschäftigung mit Themen der Informatik – von Algorithmen über Programmierung bis hin zu Netzwerken – eine bessere Vorbereitung für Ausbildungsgänge im technischen Bereich, sei es ein Studium oder eine Berufsausbildung, bietet. Es gibt Beispiele für niederschwelligere Konzepte für die Einbindung von Informatik und Technik in den Schulalltag: Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat „Scratch“, eine Programmiersprache für Kinder, entwickelt. Schulen in der ganzen Europäischen Union, von der Grundschule an, setzen sie ein. Scratch-Gemeinden sind insbesondere in Großbritannien, Portugal und anderen Ländern stark vertreten. In den Niederlanden werden bei einem gemeinsamen Projekt von SURFNET und Kennisnet seit 2004 verschiedene IT-Tools in Schulen eingeführt (z. B. Durchführung eines Spielewettbewerbs). Ein anderer interessanter Ansatz wurde auf freiwilliger Basis in beruflichen Schulen eingeführt, wo Industriezertifizierungen wie IC3, der Europäische Computerführerschein oder Microsoft-Zertifikate angerechnet werden können, um die erforderlichen Credits für den Schulabschluss zu erreichen. Die vom Microsoft-Programm Partners in Learning gesponserte Initiative Innovative Teaching and Learning research beschäftigt sich mit der Notwendigkeit, die Jugend auf das 21. Jahrhundert vorzubereiten, ein Ziel, von dem viele glauben, dass sein Erreichen eine fundamentale Umstrukturierung von Bildungschancen und die Integration von Technologie in den Lehr- und Lernprozess erfordert. Bei der ITL Research geht es um die Vermittlung von Unterrichtsansätzen, von denen man weiß, dass sie die für das 21. Jahrhundert notwendigen Lernergebnisse fördern. Die Ergebnisse machen deutlich, dass die meisten SchülerInnen nach wie vor in ihrer Rolle als Konsumenten von Information verharren und sich noch nicht zu ProblemlöserInnen, InnovatorInnen und ProduzentInnen von Information entwickelt haben. Während der Einsatz von IKT im Unterricht sich immer weiter ausbreitet, bleibt die Nutzung von IKT durch die SchülerInnen in ihrem persönlichen Lernverhalten in vielen Schulen die Ausnahme. Es ist außerdem an der Zeit, von einigen „Vorreiter-Inseln“ zu einem generalisierteren Ansatz für das Lehren und Lernen von Informatik zu gelangen. Die Bildungssysteme in der gesamten Europäischen Union müssen sich die Frage nach der Notwendigkeit der Förderung von Informatik stellen und sehr viel weitergehende IKT-Kompetenzen in die Lehrpläne aufnehmen. Mit der Thematisierung von Teilen der Computerwissenschaft sollte nicht bis zur Sekundarstufe I oder II gewartet werden – es gibt sehr einfache Methoden, mit der diese auch den jüngsten Schulkindern bereits vermittelt werden können.
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Vorbilder halten junge Menschen von einer Beschäftigung mit IT ab Je älter die SchülerInnen werden, desto wichtiger werden Identifikationsfiguren wie Lehrkräfte, Eltern, StudienberaterInnen und sogar Prominente im Entscheidungsprozess für eine Berufslaufbahn. Insbesondere Schülerinnen bedürfen der Unterstützung älterer Vorbilder bei der Entscheidungsfindung im Hinblick auf ihren künftigen Berufsweg und damit auch auf die Ausbildung, für die sie sich nach der Schule entscheiden. Die unten dargestellte Grafik vergleicht die Ansichten von Schülerinnen, IT-Personal bei Cisco und Eltern und Lehrkräften. Was beinhalten Internet-Netzwerk-Jobs? 100 %
50 %
0%
Entwicklung von Software
Kundenkontakt
Anderen Die Welt verbessern Menschen helfen
Anteil der Internet-Netzwerk-Jobs, die Cisco zufolge diese Aktivitäten umfassen Schülerinnen, die glauben, dass die meisten Internet-Netzwerk-Jobs diese Aktivitäten beinhalten Lehrkräfte/Eltern, die glauben, dass die meisten Internet-Netzwerk-Jobs diese Aktivitäten beinhalten Quelle: WHITE PAPER Women and ICT, European Schoolnet, 2009
Sie zeigt deutlich, dass die Wahrnehmung von IT-Berufen durch Eltern und Lehrkräfte besonders unrealistisch ist: Weniger als 35% glauben, dass ITNetzwerk-Jobs die Welt insgesamt positiv verändern und die große Mehrheit glaubt, dass IT-Leute wenig Zeit mit Kontakt mit Anderen, z. B. KundInnen, verbringen. Diese unrealistische Einschätzung geben sie an die Jugendlichen weiter, welche dann unter Umständen ihre Karriereentscheidung von solchen Informationen abhängig machen. Es besteht also eine kritische Notwendigkeit, die Informationen über Karrierewege in der IT, die Lehrkräfte und Eltern erreichen, zu verbessern, wenn die „Pipeline“ junger Menschen, die sich für dieses Berufsfeld entscheiden, vergrößert werden soll.
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Graben zwischen Bildung und Arbeitswelt schließen Eine andere große Herausforderung für e-Skills stellt der Brückenschlag zwischen Bildungswesen und Arbeitsmarkt dar. Reformen der Grund- und Sekundarbildung gehen häufig auf die gesellschaftliche Notwendigkeit zurück, Kinder mit einem Kapital an Wissen auszustatten, das es ihnen erlaubt, in ihrem späteren Leben ihrer Rolle als kultivierte BürgerInnen gerecht zu werden. In vielen Ländern herrscht Skepsis gegenüber der Notwendigkeit, bei der Entwicklung der Fähigkeiten, die junge Menschen für die Berufswelt benötigen, den Bedarf der Industrie einzubeziehen und zu berücksichtigen. Dahinter steht der Anspruch, dass das Bildungssystem mehr sein soll als nur die Pipeline für spätere Jobs. Es ist unbestritten richtig, dass junge Menschen Wissen um seiner selbst willen erwerben und viele verschiedene Fächer kennenlernen sollten, welche nicht nur ihre Beschäftigungsmöglichkeiten, sondern auch ihre Lebensqualität erhöhen. Im untenstehenden Diagramm wird deutlich, dass die Industrie den Pipeline-Ansatz als wesentlich für die Behebung des derzeitigen Kompetenz-Mangels ansieht. Livingstone-Hope-Studie zu Kompetenzen für die Videospiel- und Spezialeffekte-Branchen: Ziele, Talente-Pipeline
Sicherstellung eines ständigen Flusses hochqualifizierter Talente vom Bildungswesen in die Industrie
Ziele
Sicherstellung der Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Schulungsangeboten für die Verbesserung der Kompetenzen der ArbeitnehmerInnen
Schulungsanbieter
Talente-Pipeline
Schulen
Weiterbildung
Industrie
Quelle: The Livingstone-Hope Skills Review of Video Games and Special Effects, 2011
Vielleicht hat die Waage aber zu sehr in diese Richtung ausgeschlagen – junge Menschen leiden besonders unter den Folgen der Wirtschaftskrise – und jetzt muss die Aufmerksamkeit auf Kompetenzen gelegt werden, welche die Arbeitsfähigkeit stärken. Die Länder, die weniger unter der Krise gelitten haben – wie die Niederlande, Deutschland und Österreich – sind jene, die den größten Schwerpunkt auf die Verknüpfung verschiedener Maßnahmen für die
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Arbeitsfähigkeit ihrer Jugendlichen, wie Berufsausbildungen und die Einbindung von Arbeitgebern in die Schule, legen. Dies wurde in einer jüngst veröffentlichten Studie von Dr. Anthony Mann von der britischen Education and Employers Taskforce bestätigt, die zu dem Schluss kommt, dass „OECD-Analysen zeigen, dass die Länder mit Bildungssystemen, welche eine Kombination von schulischem Unterricht und praktischen Einsätzen am angestrebten Arbeitsplatz (wie etwa das deutsche duale Ausbildungssystem) bieten, in der Regel eine sehr viel geringere Jugendarbeitslosigkeit haben.“ Der Bericht besagt weiter: „Britische Daten zeigen einen statistisch signifikanten positiven Zusammenhang zwischen der Zahl der Arbeitgeberkontakte (wie Gespräche über Karrierewege oder Arbeitserfahrung), die ein Jugendlicher (zwischen vierzehn und neunzehn) in der Schule hat, und seinem Vertrauen (zwischen neunzehn und vierundzwanzig) in die Erreichung seiner persönlichen Karriereziele.“ Die IT-Branche muss genau wie andere Industrien viel enger mit dem Bildungswesen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass Einbindung von Arbeitgebern in die Schule und Berufsberatung realistisch sind und regelmäßig stattfinden. Mit groß angelegten Initiativen wie der e-Skills Week und inGenious wird versucht, diese Lücke in Europa systematisch zu schließen. Bei der von der Europäischen Kommission veranstalteten e-Skills Week kommen alle Akteure zusammen, um gemeinsam für Karrierewege in der IT zu sensibilisieren und jungen Menschen Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten zu eröffnen. Außerdem richtet sie sich an Fachleute und KMU. Dieses gemeinsame Handeln entfaltet eine Wirkung, die mehr ist als die Summe ihrer Teile, und muss langfristig angelegt sein, um sich so positiv wie möglich auszuwirken. Im weiteren Feld von Wissenschaft und Technologie ist das zu 50% aus dem FP7-Forschungsprogramm der Europäischen Kommission und zu 50% von der Industrie finanzierte inGenious-Projekt „eine gemeinsame Initiative von European Schoolnet und dem European Round Table of Industrialists, die darauf abzielt, das Interesse der jungen EuropäerInnen an einer naturwissenschaftlichen oder technischen Ausbildung und Berufslaufbahn zu stärken und somit einem Fachkräftemangel in der Zukunft vorzubeugen. Alle im Rahmen von inGenious durchgeführten Aktivitäten zielen auf eine Verbesserung des Images von STEM-Karrieren unter jungen Leuten ab. Die Kooperationen zwischen Bildungsbereich und Industrie sollen sie ermutigen, die vielfältigen Möglichkeiten, die STEM ihnen für die Zukunft bringen kann, zu erwägen.“
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Empfehlungen: Zusammenfassend kann man sagen, dass zwar bereits viel erreicht wurde, aber auch noch viel getan werden muss. Die folgenden Punkte halten wir für vorrangig: • Verbesserung der praktischen Einführung digitaler Kompetenzen im gesamten Bildungssystem. Verbesserung der Kompetenzen der Lehrkräfte in diesem Bereich durch die Schaffung einer Akkreditierung für Lehrkräfte in Übereinstimmung mit dem Rahmen für IKT-Kompetenzen, um sicherzustellen, dass SchülerInnen und Schulen bestmöglich von den Investitionen in die IKT-Infrastruktur profitieren. • Es ist sicherzustellen, dass e-Skills während der gesamten Grund- und Sekundarbildung durch Entwicklung digitaler Kompetenzen bis hin zur Computerwissenschaft erworben werden. In den Schulsystemen müssen neben grundlegenden digitalen Kompetenzen auch Informatikinhalte behandelt werden, die zu weitergehenden e-Skills führen. • Förderung des Unterrichts in den Naturwissenschaften – insbesondere Mathematik und Physik – durch einen stärkeren Schwerpunkt auf die Gleichheit zwischen den Geschlechtern und Unterstützung für SchülerInnen mit Problemen sowie die Anwendung innovativerer Methoden. • Das Problem der Fehlinformationen über Karrierewege ist zu lösen, indem dafür gesorgt wird, dass sich die Arbeitgeber in den Entscheidungsprozess einbringen und die Vorbilder der SchülerInnen wie Eltern und Lehrkräfte sowie Studierende der entsprechenden Fächer angesprochen werden. • Mehr Partnerschaften mit jeweils mehreren Akteuren, in denen Industrie und Bildungswesen zusammen an der Herausforderung der Karrierewege, aber auch der Aneignung von Kompetenzen im ITBereich arbeiten. • Auch weiterhin müssen e-Skills und die sie unterstützenden Maßnahmen eine politische Schlüsselpriorität für die Sicherstellung langfristigen Handelns, das die erforderlichen Veränderungen im Bildungssystem bringen kann, bleiben.
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Kapitel 2: Finden und Fördern von Talenten Talente sind überall auf der Welt Mangelware. Im Laufe der Zeit wird dieser Mangel immer akuter werden. In dieser Situation spielen insbesondere zwei Aspekte eine Rolle: Viele EuropäerInnen sind von der digitalen Wirtschaft ausgeschlossen – sie dazu zu bekommen, e-Skills zu erwerben, könnte das Angebot an gut ausgebildeten Arbeitskräften verbessern. Mit einer mutigen europaweiten Politik könnte Europa bei der Überwindung dieses Mangels einen großen Schritt vorankommen. Zu den ausgeschlossenen Menschen gehören Frauen, SeniorInnen, Menschen mit Behinderungen und digital ausgegrenzte Menschen. Auch das Potential der gut ausgebildeten ArbeitnehmerInnen wird nicht ausreichend genutzt. Das Lohnniveau von Fachkräften mit e-Skills ist hoch und die Besonderheiten in Unternehmen machen es häufig erforderlich, dass neue Angestellte zunächst nachgeschult werden. Es braucht betriebliche Strategien und Methoden, um sicherzustellen, dass e-Skills voll genutzt werden, um die europäische Produktivität zu fördern und effektive IT-basierte Innovation zu erleichtern.
Einbindung der nicht Verbundenen Die Konzentration von Maßnahmen auf die digital Ausgegrenzten kann helfen, den Mangel zu überwinden – Schulungsprogramme für traditionell ausgeschlossene Gruppen wirken sich nachgewiesenermaßen positiv auf die Stellensuche dieser Menschen aus. Diese Gruppe ist in Europa nach wie vor weit verbreitet und manchmal sind diese Menschen auch froh, nicht den Zwängen des modernen Lebens zu unterliegen, die Technologie ihrer Meinung nach mit sich bringt. Eine solche Weltsicht stellt jedoch ein Hindernis für die Teilhabe an einer immer digitaleren Gesellschaft dar. Digitale Kompetenzen und Beschäftigungen fungieren als Tor zu wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung und eröffnen Lernmöglichkeiten. Es braucht ein konsequenteres Vorgehen, um diese digital ausgegrenzten Menschen anzusprechen – und auch die Kompetenzen der breiteren Bevölkerung zu verbessern, die zwar „eingeschlossen“, jedoch nicht vertraut und geschult genug ist, Technik in ihrem täglichen Leben und Beruf zu ihrem Vorteil zu nutzen. In den Worten von Edit Herczog, Abgeordnete des Europäischen Parlaments: „Das Fehlen von Frauen in den Bereichen Wissenschaft und Forschung ist seit langem bekannt. Die Anzahl der Menschen, die ihrer diesbezüglichen Sorge Ausdruck
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verleihen und dazu aufrufen, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, steigt ständig. So dringlich dieses Thema auch ist, gibt es noch ein verwandtes (oder spezifischeres), das bisher größtenteils vernachlässigt worden ist. Das Fehlen von Frauen in der IT-Branche hat bisher wenig bis gar keine Aufmerksamkeit erregt. Die EUrelevante Literatur und Forschung zu diesem speziellen Thema ist begrenzt. Wenn die Hälfte der 500 Millionen Europäer nicht integriert ist und davon profitiert, haben wir es mit einem geschlechts- und altersspezifischen Ungleichgewicht sowie sozialer Ungerechtigkeit im großen Maßstab zu tun. Wir als PolitikerInnen müssen alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um diese Situation zu verändern.“ Das Thema des Vorurteils der IT als das Revier von Männern, insbesondere jungen Männern, stellt eine Herausforderung für die Branche dar. Es führt zu einem Ungleichgewicht in der Branche, der gesamten Wirtschaft und selbst der Gesellschaft. Alle Menschen haben Chancen in dieser Branche, wenn sie e-Skills erwerben. Eine besondere Herausforderung liegt im Bereich der KMU innerhalb der IT-Branche, wo es wenig Vielfalt bei den Führungskräften von IT-basierten Unternehmen gibt.
Gute Vorsätze Kann es jedoch sein, dass dies eher mit fehlender Motivation als mit Ausgrenzung zu tun hat? Es gibt einige starke Diskrepanzen zwischen dem, was ArbeitnehmerInnen aus der Branche beschreiben, und dem, was Rollenvorbilder – insbesondere Eltern und Lehrkräfte – glauben. Sie nehmen fälschlicherweise an, dass IT-Leute alleine arbeiten, in einem schlecht beleuchteten Büro Zeile um Zeile Programmiercode in den Computer tippen und keine Möglichkeit zu eigenverantwortlicher und kreativer Arbeit haben. Dieses negative Bild geben sie an die Jugendlichen und andere weiter, die selten mit realen IT-Fachkräften in Berührung kommen. Politik und Privatwirtschaft müssen diese Herausforderung gemeinsam angehen. „Dies könnte ein guter Ausgangspunkt für die Arbeit an einer Politik sein, die darauf abzielt, auch andere Generationen und Altersgruppen einzubeziehen. In diesem speziellen Fall sind aber statt e-Skills eine positive Einstellung und Enthusiasmus für Technologie und die Branche alles, was gebraucht wird“, so die Europaparlamentarierin Edit Herczog. Studien haben außerdem ergeben, dass das Fehlen positiver Rollenvorbilder in den Medien und der Kultur insgesamt Mädchen davon abhält, ernsthaft über eine Berufslaufbahn in der IT nachzudenken. Programmierer und IT-Experten in Film und Fernsehen – ob fiktional oder nicht-fiktional – werden immer gleich dargestellt. Das festigt das Bild, dass die IT nur „Männerberufe“ bietet und Frauen und andere ausgegrenzte Gruppen in dieser Industrie keine Rolle spielen. Beim Thema SeniorInnen spricht Edit Herczog von digitalen ImmigrantInnen, jenen, die noch nicht in eine webfähige Welt hineingeboren wurden. Sie erklärt:
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„IT wird von Erwachsenen und SeniorInnen, den so genannten digitalen ImmigrantInnen, häufig mystifiziert. Es muss weiterhin auf Programme und Workshops gesetzt werden, die sie unterstützen und ihnen deutlich machen, dass es sich um ein Werkzeug handelt, das einem dabei hilft, Informationen zu bekommen und zu teilen, letzten Endes nicht viel anders als ein Radio oder das Fernsehen. Der Hauptunterschied liegt darin, dass es schneller und vielfältiger ist als irgendetwas Anderes in der Geschichte der Menschheit. Es bietet Möglichkeiten für jede Altersgruppe: Von trivialen Dingen wie dem Lesen der Nachrichten, dem Nachschlagen eines Rezepts oder der Buchung von Theaterkarten bis hin zum Kontakthalten mit den Menschen, die einem am Herzen liegen, dem Teilen von Fotos oder der Organisation eines Familienurlaubs innerhalb von Minuten. Die Tatsache, im täglichen Leben ständig Dokumente wie Gesundheitsberichte abspeichern und finden zu können und IKT-basierte Gesundheits- oder Notfallversorgung zu erhalten, kann das Gefühl der Verwundbarkeit reduzieren und es in eine lebenslange Unabhängigkeit verwandeln.“ Ältere Menschen sperren sich oft gegen IT-Tools, da sie das Gefühl haben, in ihrem bisherigen Leben auch ohne zurechtgekommen und erfolgreich gewesen zu sein. Aber auch die älteren Generationen würden zweifelsohne von mehr e-Skills profitieren – ob im Beruf oder im Privatleben. Angesichts der Tatsache, dass die arbeitende Bevölkerung in Europa immer schneller immer älter wird, können e-Skills eine hervorragende Ergänzung im Profil eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin mit Berufserfahrung darstellen und die Bedeutung seiner weiteren Kompetenzen in einem sich verändernden Arbeitsmarkt nur verstärken. Andere ausgegrenzte Gruppen innerhalb der Gemeinschaft können durch Modelle der nicht formalen Bildung erreicht werden. IT-basierte Gemeinschafts-Telezentren stellen europaweit eine hervorragende Möglichkeit für den Erwerb digitaler Kompetenzen und die Erwachsenenbildung in benachteiligten Zielgruppen dar. Sie beginnen mit grundlegenden digitalen Kompetenzen, die auf Entwicklung der Persönlichkeit, aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und soziale Integration abzielen, und gehen dann – auf Grund der fortschreitenden wirtschaftlichen Rezession – zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit über. Telezentren sind in der Regel kostenlos, zugänglich und lokal – sie bieten Möglichkeiten des informellen Lernens und zum Netzwerken, welche für die digital Ausgegrenzten attraktiv sind. Die Kontaktaufnahme zu diesen Gruppen mit Hilfe von digitalen Technologien stellt einen entscheidenden Beitrag zur Integration dieser ausgegrenzten Gruppen in die Gesellschaft dar. Arbeitsfähigkeit ist ein kritisches Konstrukt. Die grundlegenden Fähigkeiten, die man braucht, um die Chance auf eine Stelle zu haben, werden mehr und mehr e-Skills beinhalten. Wenn nichts getan wird, wird sich mit der Zeit eine wachsende digitale Unterschicht herausbilden, welche die Gesellschaft dauerhaft entstellt.
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Telezentren sind in der Regel in öffentlichen Bibliotheken, Schulen und Gemeindezentren angesiedelt und werden oft von ehrenamtlichen oder gemeinnützigen Organisationen getragen – sie sind für die Öffentlichkeit zugänglich und unterstützen Menschen beim Zugang zu Computern, dem Internet und anderen digitalen Technologien, mit denen sie Informationen sammeln, schaffend tätig werden, lernen oder mit Anderen kommunizieren können. In Europa gibt es derzeit bereits mehr als 100.000 Telezentren. Die nationalen Initiativen müssen jedoch europaweit harmonisiert werden. Vor diesem Hintergrund wurde Telecentre-Europe gegründet, um die nationalen Initiativen zu koordinieren, denn Länder, in denen die Anstrengungen koordiniert wurden, sind erfolgreicher bei der Nutzung der Ressourcen, die ihnen ihre Regierungen zur Verfügung stellen. Telecentre-Europe übernimmt auch eine Vermittlerrolle beim Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Ländern, so dass Europa insgesamt in die Lage versetzt wird, auf die steigende Nachfrage nach IT-Leistungen zu reagieren.
Produktivität ist entscheidend Im Hinblick auf die Frage einer besseren Nutzung des vorhandenen e-SkillsPotentials wurden in Forschungen der London School of Economics mehrere Herausforderungen herausgearbeitet. Es ist eine Herausforderung, gut ausgebildete MitarbeiterInnen in der IT richtig einzusetzen, weil sie teuer sind und die Besonderheiten in vielen Unternehmen es erforderlich machen, sie nach der Einstellung erst einmal zu schulen. Sie sind zum Teil auch schwierig in die Unternehmenshierarchie zu integrieren und können somit ein organisatorisches Problem darstellen. Heute kommt jedoch kein Unternehmen mehr ohne e-Skills aus und sie sind ein absolutes Muss, um einen effizienten Betrieb aufrechtzuerhalten. Indikatoren zeigen auf, dass Unternehmen in Europa weniger gut in der Lage sind, e-Skills in Produktivität umzuwandeln. Die Belege dafür sind häufig nicht mehr als Indizien: Beispielsweise ist das Lohnniveau bei ArbeitnehmerInnen mit e-Skills nicht so hoch, wie man vielleicht angesichts des immer verbreiteteren Bewusstseins dafür, dass solche KandidatInnen auf dem Arbeitsmarkt Mangelware sind, denken könnte. Direkte Nachweise zeigen, dass amerikanische Firmen in Europa erfolgreicher darin sind, IT für Produktivitätsgewinne nutzbar zu machen, als lokale Unternehmen – und zwar unabhängig davon, ob sie ihre MitarbeiterInnen vor Ort oder im Ausland rekrutieren. Das legt den Schluss nahe, dass der Unterschied mit organisatorischen und betrieblichen Methoden und Fähigkeiten zusammenhängt. Es gibt jedoch auch große Unterschiede zwischen europäischen Firmen. Große Unternehmen sind sich bei Neueinstellungen der Notwendigkeit von e-Skills sehr stark bewusst, während dies in KMU weniger der Fall ist – obwohl es deutliche
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Belege dafür gibt, dass KMU von einem effektiven IT-Einsatz in großem Maßstab profitieren. Der öffentliche Sektor hingegen fordert e-Skills. Unabhängig davon herrscht jedoch ein breiter Konsens darüber, dass die Verfügbarkeit von Arbeitskräften mit e-Skills in Europa nicht ausreicht, um die sozioökonomischen Ziele der Europäischen Union zu erreichen – UnternehmensführerInnen, Regierungen und AnalystInnen senden bereits entsprechende Warnsignale aus. Zwischen 41 und 56% der Firmen aus allen Branchen sagen aus, dass sie regelmäßig IT-SpezialistInnen einstellten und viele dieser Positionen „schwierig zu besetzen“ seien. Empirische Studien der OECD und des europäischen Forums e-Skills stützen diese Sicht der Dinge. Dem Defizit könnte auf zweierlei Weise begegnet werden: Stärkung der beruflichen Ausbildung (oder Verstärkung der Arbeitskräfte durch ImmigrantInnenoder Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland) und verbesserte Verwendung geschulten oder schulbaren Personals. Kurz gesagt liegt Europas Fokus gegenwärtig darauf, seinen Talentpool zu erweitern – es ist jedoch noch weit mehr nötig, um diese Talente dann auch gewinnbringend einzusetzen.
Vom Klassenzimmer an den Arbeitsplatz Technologische Innovationen verändern die Zukunft der Arbeit. Es ist jedoch eine immer größer werdende Kluft zwischen jenen, die den Zugang, die Kompetenzen und die Möglichkeiten haben, auf diesem neuen Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein, und jenen, die dies nicht haben, zu erkennen. Digitale Kompetenzen sind für die Arbeitsfähigkeit und beruflichen Erfolg in einer ganzen Reihe von Berufen in Europa entscheidend. Wenn wir uns anschauen, wo die Nachfrage herkommt, besteht die Antwort zum Teil in der kritischen Rolle, die Technologie heute in kleinen und mittleren Unternehmen, die das Rückgrat der Gesellschaft darstellen, spielt. Einer von Vanson Bourne durchgeführten internationalen Studie zufolge identifizierten 60% der KMU den Einsatz von Computertechnologie als den entscheidenden Faktor dafür, ob ihr Unternehmen erfolgreich sein und einfach nur überleben würde. Außerdem glauben 73% der KMU, dass Technologie ihre Arbeitskräfte in die Lage versetzen sollte, jederzeit überall zu arbeiten. e-Skills für die New Economy sind daher eine Priorität für Regierungen, Industrie und Hochschulen. Die IT-Welt verändert sich rasch. Jene, die die Kompetenzen entdecken und beherrschen werden, welche es ermöglichen, den Kompetenz-Mangel zu beheben, sichern ihre Zukunft und die ihrer Unternehmen. Diese globalen Trends in Technologie und Innovation müssen sich niederschlagen in von flexiblen
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Lernlösungen für Schulen und Lehrkräfte geprägten Bildungsangeboten, die junge Menschen und lebensbegleitende Lernende (wieder) begeistern und sie mit den Kompetenzen ausstatten, welche die New Economy braucht. Wenn man sich einmal das Beispiel des Übergangs zum Cloud Computing ansieht, werden die meisten Unternehmen ihre IT-Fachkräfte dahingehend schulen wollen, dass sie in der Lage sind, ihre Teams mit den Fähigkeiten und Kompetenzen auszustatten, um diesen Veränderungen zu begegnen. Informationsbeauftragte, die eine größere Wertschöpfung durch IT generieren möchten, müssen unbedingt an vorderster Front der Vermittlung von Cloud-Kompetenzen stehen – für sich selbst und für ihre IT-MitarbeiterInnen. Die Art der Arbeit verändert sich. Die Entwicklung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit CloudTechnologie und der entsprechende Kompetenz-Fahrplan sind Thema eines Lernberichts von Microsoft mit dem Titel ‘Cloud computing: What IT professionals need to know’. Die sich herausbildende Cloud-Umgebung bietet jenen mit den entsprechenden Fähigkeiten und Kompetenzen die Möglichkeit, ihr Unternehmen auf- und auszubauen. Die Ausbildung von Kompetenzen für die Zukunft und Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt sind auch der rote Faden, der sich durch den kürzlich veröffentlichten Bericht ‘Modelling the Cloud. Employment effects in two exemplary sectors in the UK, Germany, Italy & the US’ der London School of Economics zieht. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Cloud Computing betriebliche Veränderungen über Branchengrenzen hinweg nach sich ziehen wird, und ManagerInnen, um erfolgreich zu sein, ein doppeltes wirtschaftliches und technologisches Profil verkörpern müssen. Hinsichtlich des mit neuen Technologien in Verbindung gebrachten Wachstumspotentials wird davon ausgegangen, dass die Wachstumsrate für Stellen im Cloud Computing in Großbritannien in der Smartphone-Dienste-Branche zwischen 2010 und 2014 beispielsweise bei 349% liegen wird. IT-Kompetenzen sind in immer mehr Bereichen des Arbeitsmarktes erforderlich. Die damit einhergehenden Folgen für das Management bedürfen keiner weiteren Erklärung. Mit diesen Tendenzen Schritt zu halten und Kompetenzen für das 21. Jahrhundert zu erwerben, ist besonders für junge Menschen in Europa von Bedeutung, deren Chancen maßgeblich von diesen Kompetenzen abhängen. In Anbetracht des Rekordhochs der Jugendarbeitslosigkeit in Europa wird sich die Entwicklung neuer Kompetenzen und Nachweise als kritisch dafür erweisen, ob diese jungen Menschen die neuen Anforderungen des Arbeitsmarktes erfüllen und sich neue Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt erschließen. Die IKTIndustrie spielt in der Partnerschaft mit anderen Akteuren auf allen Ebenen eine Rolle, um sicherzustellen, dass sowohl grundlegende als auch weiterführende IT-Kompetenzen einen klaren Weg zu Arbeitsmöglichkeiten darstellen.
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Die britische Initiative ‘Britain Works’ ist ein Beispiel für eine anpassbare öffentlich-private Partnerschaft, die sich der Notwendigkeit der Weiterentwicklung und -verbreitung von Kompetenzen verschrieben hat. Mit Hilfe einer Reihe von Partnerschaften mit Nichtregierungsorganisationen, Lernzentren in den Kommunen und öffentlichen Einrichtungen will das BritainWorks-Programm innerhalb von drei Jahren eine halbe Million Menschen in den Wirtschaftszweigen, die den Aufschwung vorantreiben werden, in Arbeit bringen. 300.000 junge Menschen haben dank IT-Kompetenz-Schulungen und ITAusbildungen bereits eine Stelle in so unterschiedlichen Bereichen wie Fertigung, Dienstleistungen und IT-Branche selbst gefunden.
Schwaches Management Das Vorherrschen von Selbststudium bei ArbeitnehmerInnen und Indizien für das Ausmaß unternehmensinterner Schulungen zeigen, dass Bedarf für Weiterbildungen besteht, die über das normale Angebot von Bildungseinrichtungen und Schulungsanbietern hinausgehen. Jüngere ökonometrische Untersuchungen des Centre for Economic Performance an der London School of Economics haben gezeigt, dass der betriebliche Umgang mit IT in den Unternehmen sehr stark variiert. Europäische Firmen verzeichnen dabei schlechtere Ergebnisse als ihre USamerikanischen Wettbewerber auf genau denselben Märkten. In der Regel nutzen diese Firmen identische Technologien und rekrutieren ihre MitarbeiterInnen aus demselben Pool. Da es sich hierbei um zusammenfassende Untersuchungen handelt, die sich auf Paneldaten zahlreicher Firmen stützen, sind die Korrelationen stark signifikant. Die Erklärung für diese Abweichungen bleibt jedoch vage. Weitere aktuelle Studien der London School of Economics (LSE) zu betrieblichen Methoden von kleinen und großen Unternehmen in der Luftfahrtindustrie geben jedoch weitere Hinweise darauf, in welchen betrieblichen Praktiken sich die Unternehmen tatsächlich unterscheiden, und ermöglichen uns ein besseres Verständnis für die Art und Weise, wie mit ArbeitnehmerInnen mit e-Skills umgegangen wird. Dabei wird beispielsweise deutlich, dass Gehälter und andere Anreize in den USA sowohl für NutzerInnen von mittleren wie auch von hohen e-Skills höher sind und wir können annehmen, dass diese Kompetenzen bei der Art von Aufgaben, die sie normalerweise verrichten, besser genutzt werden. Dies ist recht ernüchternd. Die Herausforderungen, vor denen Europa mit Blick auf e-Skills steht, sind sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur. Diese Erkenntnis richtet die Aufmerksamkeit direkt auf einen bislang unbekannten Bruch in Europas Wertschöpfungskette. Die erfolgreichsten Länder haben einen sehr viel geringeren Anteil schlecht geführter Unternehmen. In den Ländern, die die
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höchsten Anteile schlecht geführter Firmen aufweisen, herrscht die Ansicht vor, dass die Qualität des Managements keine herausragende Bedeutung hat. Eine Verbesserung der betrieblichen Praktiken wirkt sich auch positiv auf die Ergebnisse eines Unternehmens aus. Unter ManagerInnen herrscht ein deutlicher Mangel an Selbsterkenntnis hinsichtlich von Management-Qualitäten; Daten zeigen, dass ManagerInnen nicht dazu neigen, ihre betrieblichen Verfahren mit denen anderer Unternehmen, nicht einmal jener aus derselben Branche, zu vergleichen. Sicher muss das allgemeine Kompetenzlevel in der Wirtschaft angehoben werden, insbesondere in jenen EU-Ländern mit einem niedrigen Kompetenzniveau wie Großbritannien, Griechenland und Portugal. Die größten Unterschiede bestehen jedoch in der Art und Weise der Nutzung von IT. Lohnniveau und Produktivität stehen in einem sehr viel direkteren Zusammenhang mit der Anzahl der Aufgaben, für die Computer genutzt werden, als mit der schlichten Existenz von Computern am Arbeitsplatz oder dem grundlegenden Kompetenzniveau der MitarbeiterInnen. Die europäische e-Skills-Herausforderung ist auch eine e-Skills-Herausforderung für das Management. Unser Fokus sollte sich deshalb von den Fakultäten für Informatik hin zu den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten verschieben. Die Politik täte gut daran, sich dies bewusst zu machen, um einen falschen Einsatz von Ressourcen zu vermeiden.
Innovation braucht Management Diese Management-Herausforderung wird noch verschärft von der kulturellen Bedeutung der Einbindung von Innovationen in die Geschäftsabläufe. Kompetenzen werden zwar von Einzelpersonen verkörpert, ergeben jedoch nur in ihrer Anwendung auf wirtschaftliche Aufgaben Sinn. Neben Routineaufgaben im Zusammenhang mit dem standardisierten Umgang mit Informationen sind es in der Tat innovative Aktivitäten, die bei der Nutzung von IT häufig und gebräuchlich sind. Sie erfordern Flexibilität auf Unternehmens- wie auf Mitarbeiterebene. Um es mit den Worten einer hoch geschätzten Gruppe von Analysten von ITWirtschaft und -Management zu sagen: „Firmen schalten nicht einfach Computer oder Telekommunikationsgeräte an und erleben dann automatisch Servicequalität oder Effizienzgewinne. Stattdessen durchlaufen sie einen manchmal langwierigen und schwierigen Prozess der Miterfindung. IT-Vertriebsleute erfinden Technologien; sie setzen ihre Anwendung nicht voraus, sondern ermöglichen sie lediglich; IT-NutzerInnen müssen die Anwendungen miterfinden. Miterfindung umfasst wie jede Erfindung Prozess- und Produktelemente. Auf der Prozessebene von Miterfindung umfasst der effiziente Einsatz von IT häufig Veränderungen in der Organisationsstruktur.“
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Maximale Übereinstimmung: Die besten Talente der besten Unternehmen Die besten Talente suchen die besten Organisationen. Die Anreize, welche Menschen dazu bringen, sich Kompetenzen anzueignen, hängen auch von den Arbeitsmöglichkeiten innerhalb von flexiblen Organisationen ab, die diese Kompetenzen honorieren. Es ist dieser Zusammenhang zwischen den Fähigkeiten der Unternehmen und den Anreizen für Einzelne, der hinter oberflächlicheren, aber messbaren Phänomenen steht: Anzahl der MitarbeiterInnen mit Kompetenzen in der Belegschaft und Einstellungsverhalten von Unternehmen. Dies bedeutet nicht nur, dass Menschen bereit sind, passendere und weitergehende Kompetenzen zu erwerben, wenn sie damit rechnen können, in einer solchen Organisation eine Stelle zu finden, sondern auch, dass Firmen, die diese Kompetenzen besser zu nutzen wissen, auch in der Lage sein sollten, höhere Gehälter und bessere Anreize für innovative Arbeit anzubieten. Das geht aus vergleichenden Gehaltsstudien recht deutlich hervor. In einem immer globaleren Markt werden sich die europäischen e-SkillsTalente die Organisationen aussuchen, die ihnen die besten Möglichkeiten bieten. Es besteht eine reale Gefahr, dass sie diese Möglichkeiten immer häufiger außerhalb der europäischen Grenzen finden werden. So entwickelt sich Europa durch die Weiterentwicklung seiner e-Skills zu einem NettoExporteur von e-Skills statt zu einem regionalen Zentrum für hochwertige Innovationen – ein unglückliches Ergebnis. Damit müssen wir jedoch rechnen.
Von Worten zu Taten IKT durchdringt mittlerweile so gut wie alle Bereiche unseres Lebens. IKT ist untrennbar mit unserer Sehnsucht nach einer florierenden und wettbewerbsfähigen Wirtschaft, dem Schutz der Umwelt und einer demokratischeren, offeneren und integrativeren Gesellschaft verbunden. Diese Sehnsucht kann jedoch nur Wirklichkeit werden, wenn alle BürgerInnen sich einbringen und befähigt werden, die neue digitale Gesellschaft voranzubringen und an ihr teilzuhaben. Business as usual ist keine Option. Die Menschen für die digitale Welt von heute zu befähigen, bedeutet mehrere grundlegende Dinge. Befähigung bedeutet, dass wir als NutzerInnen und KonsumentInnen über eine ganze Reihe an Rechten an der neuen Online-Umgebung verfügen; Befähigung bedeutet auch, dass wir Zugang zu stabilen und zuverlässigen kabelgebundenen und kabellosen Breitbandnetzwerken haben. Aber vor allem meint Befähigung e-Skills, oder in anderen Worten die Tatsache, dass alle über die Kompetenzen und Fähigkeiten verfügen, die Chancen des digitalen Zeitalters zu nutzen.
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Unter Berücksichtigung des gesamtheitlichen Ansatzes, der notwendig ist, um alle EuropäerInnen wirksam für die digitale Ära zu befähigen, braucht es eine strategische Agenda, die es erlaubt, die Fortschritte des Prozesses regelmäßig zu bewerten. Es erscheint daher angemessen, konkrete politische Zielsetzungen zu definieren, die es uns ermöglichen, die Wirksamkeit unseres politischen Handelns für das Erreichen der eben angesprochenen politischen Ziele ständig zu überwachen und bewerten. Vor diesem Hintergrund sind in der Digitalen Agenda für Europa eine Reihe von Zielsetzungen zur digitalen Integration festgeschrieben. Dazu zählen die Anhebung der regelmäßigen Internetnutzung von 60 auf 75% bis 2015 (und von 41 auf 60% für benachteiligte Personengruppen) und die Halbierung des Anteils der Bevölkerung, der das Internet noch nie genutzt hat, bis 2015 (auf dann 15%). Alle Erwachsenen müssen die Möglichkeit haben, ohne Schwierigkeiten IKT-Fortbildungsangebote in Anspruch zu nehmen. Diesbezüglich wäre die vorgeschlagene politische Maßnahme, mit der die angesprochenen Ziele zu erreichen wären, die Schaffung eines Aktionsplans für digitale Kompetenzen und Fertigkeiten. Diese Initiative bestünde in der Entwicklung spezifischer Schulungsmaßnahmen in digitalen Kompetenzen für von Ausgrenzung bedrohte Gruppen, der Förderung von Partnerschaften zwischen mehreren Akteuren und Anreizen für privatwirtschaftliche Initiativen für die Versorgung aller ArbeitnehmerInnen mit Fortbildungen. Diese Maßnahmen wären ganzheitlich mit Initiativen aus dem Bildungsbereich zu verknüpfen. Das Potential Europas liegt in den Kompetenzen seiner Bevölkerung, seiner ArbeitnehmerInnen und seiner Unternehmen. Ohne überall vorhandene Infrastruktur kann es nur einen begrenzten Einsatz von IKT geben und ohne Kompetenzen kann dieser Einsatz nur einen begrenzten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mehrwert bringen. Wenn dies nicht angegangen wird, wird der Mangel an IKT-Kompetenzen zum Engpass, der verhindert, dass die EU im globalen Wettbewerb besteht. Im Hinblick auf die Herausforderungen von Produktivität und Nutzung der Investitionen in Technologie-Talente haben folgende Maßnahmen Priorität: • Stärkerer Fokus auf Technologiemanagement und Selbsterkenntnis hinsichtlich von guten allgemeinen betrieblichen Verfahren. ManagerInnen müssen besser für diese Selbsterkenntnis ausgebildet sein und ihr Wissen systematisch einsetzen. Regierungen sollten schlecht geführte Unternehmen ermutigen, bessere Kompetenzen zu erwerben. Das umfasst zwei Elemente: Mehr Manager brauchen eine höhere Ausbildung und die Ausbildung von Managern muss Module zum Charakter von Technologie und zum bestmöglichen Einsatz von MitarbeiterInnen mit e-Skills umfassen.
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• MitarbeiterInnen mit entsprechenden Kompetenzen sollten ermutigt werden, sich als Teil des Unternehmens zu sehen, dessen Ziele sie teilen und in dessen Prozesse sie sich einbringen können. Zu häufig sind MitarbeiterInnen mit entsprechenden Kompetenzen in ihrer Arbeit auf rein technische Funktionen beschränkt und erhalten nicht die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten auf innovative Arten und Weisen, welche die Produktivität steigern würden, breiter einzusetzen. • Es ist sicherzustellen, dass MitarbeiterInnen mit e-Skills über angemessen verbesserte Beschäftigungsbedingungen verfügen. Bezahlung und Honorierung, insbesondere der geringe Unterschied zwischen jenen mit Kompetenzen und jenen mit langer Betriebszugehörigkeit, aber weniger Kompetenzen, stellen Negativanreize für junge ArbeitnehmerInnen dar, Anstrengungen zu unternehmen, um ihr Kompetenzniveau zu erhöhen. Während die Unternehmen klagen, dass sie ihren Bedarf nicht decken können, weist wenig darauf hin, dass die Nachfrage das Lohnniveau für ArbeitnehmerInnen mit e-Skills in Europa allgemein nach oben treibt. • Anpassung der Karrierechancen für MitarbeiterInnen mit e-Skills: IKT ist integraler Bestandteil der meisten erfolgreichen Unternehmen. Personal mit e-Skills ist jedoch selten in der Lage und wird noch seltener ermutigt, sich auf die attraktivsten Stellen in europäischen Firmen zu bewerben. • Die Regierungen müssen sicherstellen, dass ihr Einsatz von e-Skills beispielhaft ist, dass ihre e-Government-Funktionen von hoher Qualität sind und dass sie in Experimente und Bewährte-Praxis-Modelle investieren, welche die Praxis in der Gesamtwirtschaft verändern könnten. • Es ist sicherzustellen, dass die grundlegenden Kompetenzen im Arbeitsmarkt vergleichbar sind, so dass Arbeitgeber die Fähigkeiten von BewerberInnen besser einschätzen können. Aufeinander abgestimmte Zeugnisse und Stellenbeschreibungen würden es den ArbeitnehmerInnen erleichtern, die Anforderungen einer Stelle zu verstehen. • Produktivitätszuwachs durch e-Skills vollzieht sich in zwei grundlegenden Formen: Durch die Flexibilität, sich schnell und günstig an neue Methoden anzupassen, und durch Innovation. Die künftige e-Skills-Agenda sollte sich auf diese Fähigkeiten konzentrieren und die Begeisterung für diese Fähigkeiten im Bildungswesen, in der Regierung und öffentlichen Sensibilisierungsprogrammen fördern. DieFaktenundihreFolgenliegenaufdemTisch.PolitischeEntscheidungsträgerInnen, Industrie, Hochschulen, Personalfachleute und Unternehmensführer sind aufgerufen, diese praktischen Ratschläge zu beherzigen.
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Kapitel 3: Hin zu einer wertebasierten IT-Funktion Die IT-Funktion stellt eine wichtige Verbindung zwischen der IT-Industrie und anderen Unternehmen, die sie bedient, dar – und sie ist ein lebendiger Quell für Innovationen. Die IT-Funktion schafft eine verbindende und aktivierende Plattform innerhalb der Wertschöpfungskette von Unternehmen, indem sie als Fundament geschäftlichen Handelns fungiert. Sie unterstützt Unternehmen darin, Menschen, Prozesse und Technologie zu automatisierten Geschäftsabläufen zu kombinieren und Lösungen hervorzubringen, welche es den Organisationen und NutzerInnen ermöglichen, effizient und innovativ tätig zu werden. Letztlich besteht die Rolle der IT-Funktion darin, IT-Investitionen in Form von Menschen, Prozessen und Technologien mit Hilfe von NutzerInnen mit e-Kompetenzen in einen geschäftlichen Nutzen zu verwandeln. Ein in der ITFunktion ausgegebener Euro sollte mehr als einen Euro geschäftlichen Nutzen generieren. Ist dies aber so? Und wissen wir überhaupt, wie das zu messen wäre? Im Wesentlichen kämpft die IT-Funktion gerade darum, Antworten auf diese Fragen zu finden. Chief Information Officers (CIOs) in vielen Unternehmen sind nicht in der Lage, den von der IT generierten geschäftlichen Nutzen genau zu messen und zu beschreiben. Dies wird häufig als IT-Produktivitätsparadoxon beschrieben, das Robert Solow definierte, als er sagte: „Ich sehe überall Computer, nur nicht in den Produktivitätsstatistiken.“ Dies frustriert Firmenchefs und schafft Misstrauen zwischen dem Management und der IT-Funktion. In manchen Fällen führt es dazu, dass die IT-Funktion auf die Position eines operativen Zulieferers zurückgedrängt wird statt als strategischer Partner gesehen zu werden. Wenn es der ITFunktion gelingt, dieses Problem zu lösen, hat sie die Chance, vom Hinterzimmer in die Chefetage aufzusteigen. Zu der negativen Wahrnehmung der IT innerhalb der Unternehmen kommt, gleichermaßen alarmierend, hinzu, dass auch die IT-Berufe als solche häufig negativ wahrgenommen werden. WirtschaftskommentatorInnen beklagen häufig die schlechten Karriereentwicklungsmöglichkeiten, das uninteressante Image, die kurzsichtige Verengung auf Technologie, die steigende Kommerzialisierung und die sinkende strategische Bedeutung der IT innerhalb der Unternehmen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wieso wir in Europa zu wenig IT-StudentInnen haben. Und trotzdem ist die IT, dem Mooreschen Gesetz zufolge, vielleicht die dynamischste Geschäftsressource, die Industrie und Unternehmen heute zur Verfügung steht.
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Die Folgen des schlechten Rufs der IT innerhalb der Unternehmen und in der Gesellschaft sind offensichtlich: Eine unzureichende Anzahl angemessen ausgebildeter Arbeitskräfte tritt in den Beruf ein und verbleibt in ihm und als Folge davon haben die europäischen Unternehmen Probleme, von der Innovationsfähigkeit der IT zu profitieren. Dies wiederum wirkt sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit Europas auf der internationalen Bühne aus. Es kann zu einem Teufelskreis kommen. Die Unfähigkeit der IT, ihren geschäftlichen Nutzen sichtbar zu machen, beeinträchtigt ihre strategische Bedeutung innerhalb der Unternehmen und damit auch das Niveau der Investitionen, die sie erhält. Je geringer ihre Bedeutung eingeschätzt wird, desto weniger Geld wird investiert und desto weniger Karrierechancen bieten sich. Dies wiederum wirkt sich negativ auf die Zahl derjenigen aus, die eine Berufslaufbahn in diesem Bereich einschlagen möchten, und begrenzt letztlich den Kompetenzpool, aus dem sich die Unternehmen bedienen können, um Wertschöpfung zu generieren. Trotzdem ist die Lage nicht nur negativ. Einige große europäische Unternehmen binden IT erfolgreich in alle Aspekte ihres Geschäfts ein. In diesem Kapitel werden mehrere Beispiele dafür vorgestellt und es wird die Frage nach den Praktiken und Kompetenzen gestellt, die für einen solchen Erfolg notwendig sind. Am Ende des Kapitels geben wir Empfehlungen für Maßnahmen, die umgesetzt werden sollten, um dieses Muster in Europa insgesamt schneller zu entwickeln.
Ist IT wichtig? Martin Curley, Direktor von Intel Labs Europe und Ko-Direktor des Innovation Value Institute (IVI), hat die Herausforderung erkannt. Er sagt: „IT wird immer mehr zu einer der dominierendsten Kräfte, die Wirtschaft und Gesellschaft heute verändern. Immer häufiger beobachten wir eine Kollision des Mooreschen Gesetzes mit allen Arten von Unternehmen, was große unternehmerische und wirtschaftliche Chancen, aber auch Herausforderungen mit sich bringt.“ Obwohl sich Technologie, angetrieben vom Mooreschen Gesetz, mit einer sehr hohen Geschwindigkeit entwickelt, besteht offensichtlich eine bedeutende Verzögerung beim Einsatz von Maßnahmen für den Umgang mit und die Verwendung von IT. Dies zeigt sich auch in den häufig von CEOs benannten Sorgen und den vielzitierten Aufsätzen, die die Frage nach der Wichtigkeit der IT stellen. Es besteht ganz eindeutig nach wie vor der Bedarf, den Zusammenhang zwischen Investitionen in IT und dem Ergebnis in Form von geschäftlichem Nutzen deutlicher zu kommunizieren.
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Abwärtsspirale Das Innovation Value Institute hat herausgefunden, dass die IT-Abteilungen in vielen Unternehmen unterdurchschnittliche Leistungen erbringen und das Unternehmensmanagement nicht willens ist, Innovationen finanziell zu fördern. In solchen Unternehmen ist die Sicht auf die IT-Funktion rein operativ geprägt, und das Potential neuer Technologien wird nicht erkannt. Beispielsweise wird in diesen Unternehmen das Einzelziel der Einführung von Cloud Computing lediglich als Möglichkeit gesehen, normale IT-Aktivitäten besser durchzuführen und nicht als Möglichkeit, Innovationen zu fördern. Um dieser Situation Herr zu werden und den strategischen Niedergang der IT aufzuhalten, müssen CIOs den potentiellen Nutzen von IT besser herausstellen. Außerdem braucht es MitarbeiterInnen mit der richtigen Mischung von Kompetenzen und Wissen, die diese Vision umzusetzen wissen.
Missverständnisse über IT ausräumen Der Schlüssel für die richtigen MitarbeiterInnen liegt in der Versorgung mit entsprechend geschulten Menschen. Dies stellt in der Industrielandschaft von heute eine Herausforderung dar. Unter jungen Menschen herrscht häufig das Missverständnis vor, dass IT-Leute in IT-Unternehmen arbeiten. Tatsache ist, dass weniger als 50% der IT-Fachleute in der IT-Branche tätig sind. Die meisten arbeiten in IT-Funktionen von Anwenderunternehmen. Ein anderes Missverständnis ist, dass eine Karriere in der IT technologieorientiert sein muss. Wenn wir uns die IT im weiteren Sinne ansehen, stellen wir fest, dass immer weniger Fachkräfte reine Technologen sind. Die Tendenz geht zu einer Mischung aus Technologie und anderen betriebswirtschaftlichen Kompetenzen. Einfach gesagt geht die alleinige Ausrichtung auf Technologie zurück. Es gibt Indizien dafür, dass führende Unternehmen am besten in der Lage sind, da innovativ zu sein, wo Betriebswirtschaft und IT miteinander in Berührung kommen. IT ist vor allem eine Grundlage und ihr Potential als Wettbewerbsvorteil wird da am besten genutzt, wo es in Kombination mit betriebswirtschaftlicher Innovation statt allein eingesetzt wird. Um solche Innovationen zu fördern wird es immer mehr Fachkräfte brauchen, die IT mit betriebswirtschaftlichem Können verbinden. Das Angebot an solchen Fachkräften deckt derzeit jedoch nicht die Nachfrage der Industrie und daher gehen Chancen und Wettbewerbsfähigkeit verloren. Dies hat langfristige Auswirkungen auf die Wirtschaft und, genau so wichtig, auf den gesellschaftlichen Wohlstand. Jüngere Studien weisen auf einen Rückgang der IT-Studenten hin. Studierende in IT-Fächern stellen nur eine potentielle Quelle für Arbeitskräfte mit e-Skills dar; hier spiegeln sich Befürchtungen angesichts der Wahrnehmung von IT
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durch die breitere Öffentlichkeit. Diese Tendenz gilt es umzukehren. Die Rolle der IT in Europas führenden Unternehmen ist in einem raschen Wandel begriffen; die Bedeutung von Nicht-Technologen nimmt zu. Außerdem kann man davon ausgehen, dass die Tatsache, dass neuere Technologien wie Cloud Computing die Demokratisierung der IT vorantreiben, die Möglichkeiten für Einzelne, IT auf alle Unternehmensbereiche auszuweiten, in den nächsten Jahren stark erweitern wird. So wird beispielsweise die immer größere Ausgereiftheit und Benutzerfreundlichkeit von Plattformen als Service den Aufbau innovativer IT-Lösungen außerhalb der traditionellen IT-Umgebung begünstigen. Dies erfordert jedoch entsprechend geschulte Fachkräfte, welche die richtige Mischung von IT- und betriebswirtschaftlichem Know-how mitbringen. Eine große Lücke, die geschlossen werden kann, ist die von IT- und ManagementAusbildungen mit Bezug zu IT-Innovationen. Diese sollten in die MBAProgramme führender Business Schools aufgenommen werden.
Die Bedeutung von IT Michael Gorriz, Präsident von EuroCIO, der European CIO Association, und CIO von Daimler, erklärt: „Innerhalb großer Organisationen spielen IT und Informationsmanagement eine immer wichtigere Rolle. Diese Tatsache wird von der Außenwelt vielleicht nicht so wahrgenommen. Große Unternehmen würden überhaupt nicht mehr funktionieren, wenn ihre IT-Systeme ausfielen. Ein langfristiger Ausfall würde unweigerlich zu wirtschaftlichen Problemen führen. In großen Unternehmen wären die Auswirkungen auf alle Beteiligten kaum zu ermessen.“ Michael Gorriz entwirft ein positives Bild von der Art und Weise, wie IT bei Daimler innovativ eingesetzt werden kann: „Daimler unterscheidet sich in der Hinsicht nicht von den Anderen. Die IT ist integraler Bestandteil der gesamten Organisationsstruktur. Sie ist in alle primären und sekundären Geschäftsprozesse eingebunden. Bevor das erste Stück Metall eingesetzt wird, hat ein neuer Mercedes Benz bereits Millionen von Testkilometern auf dem Computer hinter sich. Unsere Fahrzeuge werden dreidimensional auf dem Computer entworfen, konstruiert und entwickelt. Das umfasst Crash- und Belastungstests sowie Fahrersimulationen. Nur durch diese Simulationen können wir das Verhalten eines neuen Modells vorhersagen.“ All dies gilt für die gesamte Produktionslinie von Mercedes Benz – alles wird in 3D modelliert. Als Folge dessen sind ungeplante Änderungen in der Konstruktion selten geworden. IT spielt eine Rolle in der Auslieferung, der Wiederverwertung, dem Ersatzteilmanagement, in Handel, Marketing, Kundendienst und Reparaturaufträgen. In Wahrheit ist die IT ein Motor für betriebswirtschaftliche Effizienz. Immer mehr KundInnen personalisieren ihre Autos und fordern online Angebote an oder machen Probefahrten aus.
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e-Skills sind also kritisch für die operative Effizienz. Immer stärker spielen e-Skills eine kritische Rolle für Innovation, da IT ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal für neue Produkte und Dienstleistungen wird. Genau so bei Intel, wo die Informationstechnologie das Nervensystem des Unternehmens und immer mehr auch die Muskulatur darstellt, da automatisierte IT-Systeme es den internationalen Intel-Werken ermöglichen, mehr als eine Milliarde hochwertiger High-Tech-Teile jährlich zu fertigen und zu versenden. Der Innovationsrhythmus in Unternehmen wie Intel, wo ganze Produktportfolios fast jährlich neu entwickelt werden, wird ganz entscheidend von der IT unterstützt. Globale Entwicklungs-Teams in der ganzen Welt, die über IT miteinander verbunden sind, unterstützen Intel und Unternehmen aus allen Branchen bei der ständigen Innovation. Daimler ist ein anderes gutes Beispiel für IT als Grundlage für unternehmerische Innovationen. car2go hat den Personenverkehr in der Stadt neu definiert. Zum ersten Mal können KundInnen überall in der Stadt, zu jeder Tageszeit und zu günstigen Minutenpreisen Autos der Marke Smart Fortwo mieten. Über das Handy oder Internet kann nach verfügbaren Fahrzeugen gesucht werden. Diese können dann spontan gemietet werden – auch für eine einfache Fahrt – oder für einen späteren Zeitpunkt reserviert werden. Mobiltelefontechnologie und die neueste IT erlauben einen einzigartigen und simplen Mietprozess, der sehr einfach zu handhaben ist. Innovative IT-Lösungen sind in diesem Fall der Motor für ein gänzlich neues Mobilitätskonzept und ein entsprechend starkes betriebswirtschaftliches Szenario. Die IT-Organisation von Intel hat in Zusammenarbeit mit der Intel Corporate Affairs Group eine globale Plattform für wertvolle Medieninhalte für den naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterricht mit Kindern auf der ganzen Welt gegründet. Die IT-Organisation richtete nicht nur eine gut bestückte Plattform (www.skool.com) ein, die mehr als zwanzig Länder auf der ganzen Welt in verschiedenen Sprachen bedient, sondern begründete auch ein einzigartiges Unternehmensmodell auf der Basis einer öffentlichprivaten Partnerschaft, um die Nachhaltigkeit der Plattform sicherzustellen. Die frühe Einführung digitaler Fotografie in den Disney-Themenparks durch die IT von Disney, gegen die sich die Branche zunächst wehrte, ist ein anderes Beispiel dafür, wie die IT-Organisation eine Vorreiterrolle übernehmen und ihrem Unternehmen dabei helfen kann, nicht nur zu überleben, sondern sich erfolgreich zu entwickeln. Die Nutzung digitaler Fotografie in den Themenparks eröffnete Disney die Möglichkeit, mehrere Male Einnahmen von den ParkbesucherInnen zu erzielen und gleichzeitig deren Erfahrungshorizont zu erweitern.
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Es ist ermutigend und inspirierend, von solch innovativen Einsatzmöglichkeiten der IT zu lesen. Daimler, Intel und Disney sind jedoch nicht die einzigen, die die IT in ihrer jeweiligen Organisation gewinnbringend einsetzen, um einen betriebswirtschaftlichen Nutzen zu erzielen und Innovationen zu fördern. Andere führende Unternehmen in Europa setzen vergleichbare Strategien um. Aber all diese Unternehmen haben mit denselben Problemen hinsichtlich eines ernsten Mangels an entsprechend ausgebildeten Arbeitskräften zu kämpfen.
e-Skills in Anwenderunternehmen Wie sieht also ein IT-zentriertes Unternehmen wie Daimler e-Skills? Michael Gorriz erklärt: „Wir haben drei Gruppen von MitarbeiterInnen, die mit IT arbeiten. Zunächst haben wir jene, die normalerweise als IT-Fachleute bezeichnet werden und in der IT-Abteilung tätig sind. Im Falle von Daimler machen sie 2% der Belegschaft aus. In anderen Unternehmen ist diese Zahl höher, in der Finanzdienstleistungsbranche kann sie die 10% überschreiten. Dann gibt es eine größere Gruppe von MitarbeiterInnen, die die IT sehr stark nutzen. Diese Menschen arbeiten in der Konstruktion, der Logistik, der Finanzabteilung oder der Verwaltung. Sie alle nutzen IT als wichtigen Teil ihres Arbeitsalltags. Die letzte Gruppe besteht aus allen anderen, die Standard-IT-Systeme wie das Intranet, E-Mail, Prozessunterstützung und Informationssysteme nutzen. Sie benötigen allgemeine e-Skills oder spezielle Schulungen für die Systeme, die sie verwenden. Es ist eindeutig, dass auf allen Unternehmensebenen heute von den MitarbeiterInnen weitreichende e-Skills gefordert werden.“ In ganz Europa haben sich verschiedene Akteure in Partnerschaften auf eine allgemeine Definition der e-Skills für IT-Fachleute geeinigt. Master-Programme werden derzeit ausgearbeitet. Um dieses e-SkillsModell jedoch weiter zu verankern, müssen sich noch mehr Firmen und Bildungseinrichtungen einbringen und es fördern. Leider ist in allen drei Gruppen ein Mangel an Arbeitskräften, oder genauer gesagt ein Mangel an Arbeitskräften mit den richtigen e-Skills, offensichtlich. Natürlich sind alle jungen Menschen in der Lage, Computerspiele zu spielen und soziale Netzwerke zu nutzen. Für viele von ihnen stellt es jedoch eine große Herausforderung dar, ein Standard-IT-System zu bedienen, wenn sie anfangen, zu arbeiten. Hier wäre die Förderung und Nutzung einer Basis-Level-Zertifizierung wie des Europäischen Computerführerscheins ein großer Schritt nach vorn. Es würde den Studierenden, Unternehmen und der ganzen Gesellschaft zugute kommen, wenn alle Menschen diese grundlegenden e-Skills erwürben. Über Textverarbeitung
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und Tabellenkalkulation hinaus sollten wir grundlegendes Wissen über die Nutzung administrativer Business-Systeme einbeziehen. Dies würde sowohl der Professionalisierung als auch der Arbeits-Mobilität dienen. Für IT-Fachleute sehen wir eine Reihe von Problemen. Wir haben nicht nur zu wenige Absolventen von Studiengängen wie Informatik, Informationsmanagement und ähnlichen (es ist mit einem Rückgang von 10-15% bis 2015, je nach wirtschaftlicher Lage, zu rechnen). Auch in anderen Fächern wird der IT zu wenig Beachtung geschenkt. In allen traditionellen Fächern sind IT-Kenntnisse erforderlich, um professionell zu arbeiten, insbesondere dann, wenn es um Innovationen geht. Hier zeigt sich ein Missverhältnis zwischen dem, was Ausbildungsinstitute vermitteln, und dem, was Arbeitgeber brauchen. Obwohl die Universitäten e-Skills auf vielfältige Art und Weise fördern, müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Lehrpläne mit dem sich schnell verändernden IT-Umfeld Schritt halten. Soziale Netzwerke und Cloud Computing gibt es erst seit kurzer Zeit, sie haben aber schon jetzt enorme Auswirkungen auf unser Leben. Wir müssen e-Skills in unseren Plan für lebensbegleitendes Lernen einbinden. Ein großes Unternehmen wie Daimler hat den Vorteil, direkt mit Hochschulen zusammenzuarbeiten. Das Angebot von Schulungen und Kursen für seine MitarbeiterInnen ist eine Möglichkeit, auf die Herausforderungen zu reagieren, vor denen Daimler steht. Aber Daimler ist der Ansicht, dass noch mehr getan werden muss. „Die Gesellschaft muss Arbeitskräfte mit den entsprechenden e-Skills hervorbringen, egal, ob es sich um ‚Power-User‘ oder IT-Fachleute handelt“, unterstreicht Michael Gorriz. „Die ist nicht nur der Bedarf großer Unternehmen, sondern eine Voraussetzung für die Entwicklung hin zu einer wissensbasierten Gesellschaft.“ Ein weiteres Thema ist die Forschung in der Wirtschaftsinformatik. Ein großer Teil dieser Forschung wird derzeit in den Hochschulen durchgeführt, die entsprechenden Institute kommen aus den Verhaltenswissenschaften. Diese Forschung ist zwar wertvoll, aber nicht ausreichend. Immer stärker entwickelt sich ein konstruktiver Ansatz (die so genannte Design Science oder Entwurfswissenschaft) als Forschungsparadigma, der neue Werkzeuge und Objekte hervorbringen kann, mit denen Führungskräfte aus IT und Business systematischer Nutzen aus der IT ziehen und diesen einsetzen können. Das Innovation Value Institute gründet seine hauptsächliche Forschungsaktivität auf Entwurfswissenschaft und entwirft Werkzeuge und
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Schulungsprogramme für Führungskräfte in der IT. Ein besonderer Aspekt dieser Forschung besteht darin, dass ein großer Teil der Arbeit von ITFührungskräften in vielen Unternehmen geleistet wird, die ihr Wissen bündeln, um den Berufsstand der IT-Führungskräfte voranzubringen. Dieses gebündelte Wissen ist in einem lebendigen Rahmenwerk und eine Datenbank namens IT Capability Maturity Framework (IT-CMF) kodifiziert und eingebunden. Aufgrund der lebendigen Struktur der Wissensdatenbank kann diese spontan Schulungsangebote auswerfen, um Fort- und Weiterbildungen anzubieten, die mit dem sich immer schneller vollziehenden technologischen Wandel Schritt halten. Diese Verwischung der Grenzen zwischen Wissenschaft und Industrie ist eine Tendenz, die sich in den nächsten Jahren wohl noch verstärken wird, da sie eine Annäherung zwischen den Anforderungen der Industrie und den Ergebnissen der Forschung erleichtert, mit dem Ziel, IT-Fachkräfte mit den geforderten e-Skills auszubilden und auf diesem Wege einen höheren betriebswirtschaftlichen Nutzen zu erzielen.
e-Kompetenz Neben den soeben besprochenen Kompetenzmängeln zeigt sich auch immer deutlicher ein Missverhältnis zwischen dem, was die Ausbildungsinstitute bieten, und dem, was die Wirtschaft braucht. Aufgrund der fehlenden Reife des IT-Berufsstands gibt es auch keinerlei Vergleichbarkeit auf Unternehmensebene - und geschweige denn auf europäischer Ebene - zwischen verschiedenen ITKompetenzen und dem entsprechenden Know-how von in der IT Tätigen. Diese Situation ist unhaltbar. Je stärker IT alle Aspekte des modernen Lebens durchdringt, desto größer wird das Risiko, das sich aus unterschiedlichen Interpretationen von IT-Kompetenz ergibt. Ein wichtiger Schritt für die Lösung dieses Problems wäre die Einführung eines Rahmenwerks für eine kohärente Definition von e-Skills in ganz Europa. Dies würde es Schulen, tertiären Bildungseinrichtungen, Arbeitgebern, ArbeitnehmerInnen, Schulungsanbietern und Personalvermittlern erlauben, geeinter zu handeln. Mit einem solchen Ansatz könnten Organisationen Stellenprofile an Hand der relevanten und geforderten IT-Kompetenzen erstellen. Fachleute könnten sich selbst an Hand der IT-Kompetenzen, die sie besitzen, einordnen. Und Ausbilder könnten Transparenz bei den Kompetenzen, die in den von ihnen angebotenen Kursen vermittelt werden, bieten und somit die Schulungs- und Karriereplanung erleichtern. Die ursprünglichen Versionen des Europäischen Rahmens für IKT-Kompetenzen zeigten sein Potential, als Stein von Rosette für e-Kompetenzen in ganz Europa zu wirken. Das Ergebnis wäre die Erleichterung der Fachkräfte-Mobilität dank eines gemeinsamen Verständnisses über Unternehmen und Grenzen hinweg. Damit der Rahmen sein volles Potential entfalten kann, müssen alle wichtigen Akteure
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– Industrie (sowohl IT- als auch Anwenderunternehmen), Bildungsanbieter (öffentliche wie private) und Regierungen (auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene) – dringend die Schlüsselmaßnahmen, die er vorsieht, umsetzen. Weiteres Handeln in diesem Bereich muss Priorität haben. Ohne ein solches konzertiertes Handeln ist es wahrscheinlich, dass es verschiedene Modelle auf Unternehmens-, lokaler, nationaler und europäischer Ebene geben wird, die nicht aufeinander abgestimmt sind und deshalb die Mobilität und Karriereentwicklung der ArbeitnehmerInnen in Europa hemmen. Das kürzlich von der GD Industrie und Unternehmen initiierte und vom IVI und dem europäischen Dachverband der nationalen Informatik-Gesellschaften (Council of European Professional Informatics Societies, CEPIS) durchgeführte IKT-Professionalisierungs-Forschungsprojekt empfahl die Verabschiedung des Europäischen Rahmens für IKT-Kompetenzen. Weiterhin wird die Verbindung zwischen individuellen Kompetenzen und Fähigkeiten der Unternehmen empfohlen. Dies ist das Thema des folgenden Kapitels.
Innovation und Wert Werte und Kosten sind natürlich zwei unterschiedliche Konzepte. Wie Oscar Wilde sagte: „Ein Zyniker ist ein Mensch, der von allem den Preis und von nichts den Wert kennt.“ Viele CIOs werden an jemand Bestimmtes denken, wenn sie dieses Zitat lesen. Im Hinblick auf IT liegt der Fokus sehr stark auf den Kosten. Das hat nichts mit der Wirtschaftslage zu tun, sondern ist ein ständiges Phänomen. Der Fokus muss in Richtung Wert verschoben werden, um vom betriebswirtschaftlichen Nutzen IT-getriebener Innovationen zu profitieren. Die Herausforderung, IT-gestützte Innovationen zu generieren, ist nicht nur von e-Skills abhängig; es ist ein größerer Komplex zu lösen. Die Lösung muss Menschen, Prozesse und Technologien umfassen. Das bedeutet, dass CIOs und CEOs das Gesamtbild der Bewertung der Kapazitäten der IT für das Unternehmen im Blick haben müssen, anstatt sich auf die Kompetenzen der einzelnen MitarbeiterInnen zu konzentrieren. Das Verständnis der Reife eines Unternehmens in dieser Hinsicht liefert Einsichten darüber, welche Strategien und Taktiken umgesetzt werden können, um den betriebswirtschaftlichen Nutzen der IT, welcher sich aus den menschlichen, technischen und operativen Aktiva eines Unternehmen ergibt, zu steigern. IKT-Kapazitäts-Rahmenwerke können eingesetzt werden, um Lücken in der Kapazität der Unternehmens-IT aufzudecken. Ein mögliches Ergebnis eines solchen Bewertungsprozesses ist die Identifizierung der Notwendigkeit, eine bessere Beherrschung spezifischer Fachkompetenzen zu entwickeln
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– dies ist möglich über gezielte Mitarbeiterschulungen oder Einstellungen/ Auslagerung. In diesem Sinne können sich IKT-Kapazitäts-Rahmenwerke und IKT-Kompetenzen gegenseitig perfekt ergänzen und einen Beitrag zu einem höheren betriebswirtschaftlichen Nutzen für die Unternehmen leisten. Es gibt daher eine starke symbiotische Beziehung zwischen Kapazitäts-Rahmenwerken für Unternehmen wie dem IT-CMF und individuellen e-Skills-Rahmen wie dem Rahmen für IKT-Kompetenzen.
Neue Verantwortlichkeiten Die IT-Funktion steht an einem kritischen Punkt. Das Zusammenspiel bedeutender Tendenzen in der Branche, wie Cloud Computing, Demokratisierung von IT und Dienstleistungsinnovation, wirkt sich auf die Rolle des CIO aus. Es sind signifikante Änderungen vorzunehmen, wenn diese Rolle auch in der Wirtschaftswelt von morgen noch Bestand haben soll. Ungeachtet des Reifegrads eines Unternehmens bedeutet die Schlüsselrolle der IT in Unternehmen, dass der Fokus des CIO zuallererst auf die Errichtung eines soliden Fundaments für die effiziente Dienstleistungserbringung gerichtet sein muss. Kann er kein einheitliches Dienstleistungsniveau bieten, wird es dem CIO nicht gelingen, auf der Wertschöpfungskette nach oben zu klettern. Die Art und Weise, wie der CIO die grundlegende Einsatzfähigkeit der IT (die Aufrechterhaltung des Betriebs) managt, wird sich wohl sehr stark verändern, da wir dabei sind, in ein Gebrauchsmuster der Cloud-Dienstleistungen einzutreten. Ein neuer Schwerpunkt wird auf dem Management von Beziehungen mit Dritten statt auf dem Management interner Ressourcen zur Erbringung dieser Leistung liegen. In der Realität scheint es wahrscheinlich, dass viele Unternehmen ein hybrides Cloud-Modell umsetzen werden, bei dem sie weiterhin interne Ressourcen zur Sicherstellung der sensibelsten Prozesse und Aktivitäten vorhalten, während sie sich für kundenorientierte Geschäftsvorgänge auf ein Ökosystem externer Dienstleister stützen. Um diesen Übergang zu schaffen, braucht es Änderungen in den Kompetenzmustern sowohl von CIOs als auch von IT-Fachleuten in der IT-Funktion. Mittelfristig werden CIOs, wenn immer mehr Verantwortlichkeiten für die operative IT an externe Dienstleister abgegeben werden, wohl IT-Aktivitäten mit Mehrwert - der Nutzung von IT als Hebel für Innovationen im Unternehmen eine höhere Aufmerksamkeit beimessen. Die Art und Weise der Generierung, Lieferung und Verwaltung solcher Innovationen wird sich jedoch voraussichtlich stark verändern. Beispielsweise werden die immer größere Ausgereiftheit und Benutzerfreundlichkeit von Plattformen als Service statt IT-basierter Innovationen vorrangig aus der IT selbst in Zukunft eher den Entwurf und die Konstruktion von Lösungen außerhalb der IT-Funktion fördern. Um Konsistenz, Qualität und Kohärenz sowie das Zusammenspiel mit den IT-Systemen des Kerngeschäfts
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sicherzustellen, müssen CIOs daran arbeiten, solche Lösungen zu fördern und umzusetzen. Dies wird eine grundlegende Änderung im Rollenverständnis von CIOs bedeuten. Man geht davon aus, dass heute vier Anwenderprogrammierer einem IT-Fachmann gegenüber stehen. Bisher haben sich die meisten CIOs darauf konzentriert, den potentiellen Schaden solcher Anwender zu kontrollieren und zu begrenzen. Jetzt, wo sich das Stärkepotential neuer Plattformen abzeichnet, muss sich die Rolle des CIO verändern und diesen potentiellen Ressourcenpool umfassen und nutzen, denn ihre Nähe zu den Unternehmen und ihre relative Anzahl bedeuten, dass sie eine riesige Chance für neue Innovationsquellen darstellen. Dafür sind eindeutig Veränderungen bei den e-Skills von CIOs, ITFachleuten und diesen „Anwenderprogrammierern“ vonnöten. Ganz klar wird die Nachfrage nach „dualen Denkern“, solchen, die in der Lage sind, IT- und betriebswirtschaftliches Wissen zu kombinieren, dramatisch zunehmen. In dieser Entwicklung am Arbeitsplatz haben Bildungsanbieter eine bedeutende Rolle zu spielen, um sicherzustellen, dass es entsprechende Änderungen in der Art und Weise gibt, wie die nächste Generation unterrichtet wird, wenn es ein entsprechendes Angebot an angemessen ausgebildeten jungen Menschen geben soll, die diese steigende Nachfrage decken. Die Herausforderung besteht darin, sich des Themas der Ausbildung von IT-Studierenden anzunehmen und Studierende aus anderen Fächern mit relevanten IT-Kompetenzen auszustatten. Ohne solche Veränderungen wird es den europäischen großen wie kleinen Unternehmen nicht gelingen, Potential aus diesen Technologien zu schlagen, was wiederum die Fähigkeit Europas, als wissensintensive globale Volkswirtschaft im Wettbewerb zu bestehen, schwächt.
Der CIO als Schlüsselfigur Der CIO spielt eine Schlüsselrolle in der Umsetzung der notwendigen Veränderungen im Unternehmen, bewegt sich jedoch in einem schwierigen Umfeld. Die IT erhält von Seiten der Geschäftsführung nicht immer die notwendige Anerkennung für den Beitrag, den sie zu leisten vermag, oft deshalb, weil die Mitglieder der Geschäftsführung eine falsche Vorstellung von IT haben. Gleichzeitig wird die IT in der Führungsetage häufig nur mit Kostensenkungen in Verbindung gebracht, anstatt über IT-basierte Innovationen nachzudenken. Dies hat damit zu tun, dass es den Führungskräften in der IT häufig nicht gelingt, den von der IT erbrachten Wert zu kommunizieren. Verschärft wird die Situation durch einen Mangel an wichtigen betriebswirtschaftlichen Kompetenzen innerhalb des IT-Führungsstabs. Unter den Mitgliedern der Geschäftsführung herrscht häufig ein Missverständnis über den potentiellen Beitrag der IT vor, weil ihnen dieser Arbeitsbereich zu wenig vertraut ist. Einerseits stehen sie vor der Herausforderung, die oftmals eher IT-unbedarften Mitglieder der Geschäftsführung dahingehend zu erziehen,
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den Wert, den die IT für ihr Unternehmen haben kann, wahrzunehmen. Chief Financial Officers können lernen, dass reine Kostensenkung nicht die Lösung ist, um eine innovative IT-Abteilung aufzubauen. Andererseits stehen CIOs in den nächsten Jahren (ungeachtet des enormen Rückgangs verfügbarer adäquat ausgebildeter MitarbeiterInnen) vor der Herausforderung, den Mehrwert der IT für eine Revitalisierung des Geschäfts deutlich zu machen. Es sieht so aus, als habe die CIO-Gemeinschaft die Botschaft verstanden. Sie hat damit begonnen, Initiativen umzusetzen, um diese Situation anzugehen. In einem ersten Schritt hat das IVI (dem viele große IT-Unternehmen und solche, die IT nutzen, angehören) ein Rahmenwerk und ein Schulungsprogramm entworfen, um das IT-Management dabei zu unterstützen, den Wert der IT aufzuzeigen. Mehr als 500 Führungskräfte aus der IT haben weltweit an dieser Schulung teilgenommen und ein neues Masterprogramm mit dem Titel IT Management for Value ist in Arbeit. Gleichzeitig hat die European CIO Association mit der Entwicklung eines eigenen Schulungsprogramms begonnen, das direkt an den Bedürfnissen der Nachfrageseite ansetzt; sie versucht so, einige der dringlichsten offenen Stellen in einer Reihe von Schlüsselpositionen zu besetzen. Die ersten Studierenden nehmen bereits an den Programmen teil, und der CIO-Gemeinschaft ist es gelungen, eine Reihe etablierter europäischer Business Schools und technischer Universitäten von einer Mitarbeit an dem Programm zu überzeugen. Einer der interessanten Aspekte des Programms ist, dass die Studierenden in jedem der beteiligten Ausbildungsinstitute in verschiedenen Ländern am Programm teilnehmen können - sie erhalten jedoch alle dasselbe gemeinsame Zertifikat. Es wurde bereits der Beschluss gefasst, den Kurs an den Rahmen für IKT-Kompetenzen (e-CF) anzupassen - damit würde es sich um die erste e-CF-zertifizierte Prüfung in Europa handeln. Obwohl diese Initiativen wichtige Schritte in Richtung eines besseren ITManagements darstellen, sind sie weder umfassend genug, die Anzahl der IT-Studierenden signifikant zu erhöhen, noch sind sie in der Lage, anderen Berufsgruppen ein besseres Verständnis für IT zu vermitteln. Zusätzliche Maßnahmen sind notwendig, um zu einer zufriedenstellenden Lösung für Europa zu gelangen.
Empfehlungen Die European CIO Association und das Innovation Value Institute sprechen folgende Empfehlungen aus: Umsetzung des Europäischen Rahmens für IKT-Kompetenzen ausweiten. Der Rahmen für IKT-Kompetenzen (und die damit einhergehenden Ergebnisse des Stellenprofil-Projekts) muss in der IT-Branche und den IT nutzenden Branchen sowie in KMU und Regierungen beworben werden. Je verbreiteter der Rahmen umgesetzt wird, desto größer seine potentielle Bedeutung für die
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Standardisierung von Kompetenzen, Stellenprofilen und Ausbildung und damit für eine ständige Professionalisierung der IT. Gleichzeitig sollte die weitere Ausarbeitung von IKT-Stellenprofilen in Zusammenarbeit mit wichtigen Akteuren, die IT-Fachkräfte beschäftigen, vorangetrieben werden. Leitlinien für IKT-Lehrpläne sind zu aktualisieren und Ausbildungsinstitute in ganz Europa bei der Entwicklung von Ausbildungs- und Schulungsprogrammen in Übereinstimmung mit dem Rahmen für IKT-Kompetenzen zu unterstützen. Es ist wichtig, den in der IT Tätigen eine gemeinsame pädagogische Plattform zur Verfügung zu stellen. Gegenwärtig gestaltet es sich für Arbeitgeber und Fachleute schwierig, die Inhalte verschiedener Kurse, insbesondere in verschiedenen Ländern, zu verstehen. Eine Angleichung auf Grundlage des Rahmens für IKTKompetenzen käme der Transparenz in dieser Hinsicht sehr zugute. IT-Ausbildung für Angehörige anderer Berufsgruppen verstärken. IT spielt in so gut wie jedem Beruf eine grundlegende Rolle und das Verständnis für die im jeweiligen Bereich eingesetzten IT-Systeme ist quasi unabdingbar für eine effiziente Ausübung des eigenen Berufs. Allerdings richten die Ausbildungsinstitute häufig ihre Lehrpläne nicht an den Erfordernissen der Industrie aus und es sind noch weitere Anstrengungen nötig, um sicherzustellen, dass Studierende beispielsweise lernen, wie IT in ihrem angestrebten Beruf eingesetzt wird, welche Systeme es gibt und wie sie die IT-Funktion bei der Verbesserung der Systeme unterstützen können. IT spielt heutzutage bei so vielen Stellen eine Rolle, dass die Studierenden entsprechende IT-Skills erwerben müssen, um ihre effiziente Eingliederung am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Der Übergang zum Cloud Computing wird die Bedeutung dieser Tendenz wohl noch weiter verstärken, da Anwenderprogrammierer sich der potentiellen Stärke der sich entwickelnden Technologien immer deutlicher bewusst werden (z. B. über Plattform-als-Service-Umgebungen). Engere Beziehungen zwischen Industrie und Ausbildungsinstituten entwickeln. Industrie und Ausbildungsinstitute müssen enger zusammenarbeiten. In diesem Bereich wurden schon wichtige Schritte unternommen, es bestehen aber nach wie vor viele Mängel. So wendete das Innovation Value Institute beispielsweise einen offenen Innovationsansatz an, indem es mit der stetigen Hilfe von zahlreichen Unternehmen, Hochschulen und Regierungsbehörden eine lebendige Wissensdatenbank mit integrierten Lehrplänen aufbaute. Genau so sitzen bei den von der European CIO Association entwickelten Bildungsprogrammen CIOs und andere Wirtschaftsteilnehmer in den entsprechenden Gremien, um sicherzustellen, dass die Schulungen dem Bedarf der Industrie gerecht werden. Leider handelt sich dabei nicht um eine weit verbreitete Praxis. IT-Koryphäen werden nur selten als IT-DozentInnen an renommierten Universitäten akzeptiert oder wirken an der Gestaltung entsprechender Ausbildungsprogramme mit. Damit hebt sich die IT negativ von anderen
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Fächern wie Jura, Medizin oder Ingenieurswissenschaften ab, wo erfahrene ExpertInnen aus der Wirtschaft eingeladen werden, solche Funktionen zu übernehmen. Allerdings könnten auch diese Berufsgruppen noch weiter von der Einbindung bedeutender IT-ExpertInnen in ihre Studienprogramme profitieren, um die Entwicklung entsprechender IT-Kompetenzen in ihren Lehrplänen festzuschreiben. Beziehungen und Verständnis zwischen Führungsebene und ITFunktion verbessern. Viele Unternehmen leiden unter einem schlechten Verhältnis zwischen der IT-Funktion und der Geschäftsleitung. Das hemmt Produktivität und Innovationen, kann aber auch ein Risiko darstellen (wenn die Geschäftsleitung beispielsweise Fakten schafft, um ihre neueste High-Tech-Spielerei auf dem internen Netzwerk zu präsentieren). Eine Reihe politischer Mitteilungen und ähnlicher Initiativen mit Blick auf die Führungsebene, die von der Europäischen Kommission herausgegeben oder unterstützt werden, könnten ein größeres Bewusstsein und Verständnis für die Bedeutung der IT bei der Generierung von Werten und Innovationen schaffen. Die potentielle Rolle der IT hat sich dramatisch verändert, aber die Führungskräfte in einigen Unternehmen konzentrieren sich nach wie vor auf die Produktivität und Kosten der IT statt auf ihr Potential zur Förderung von Innovationen. Die Unterstützung der Kommission in diesem Bereich könnte dazu führen, dass sich führende Akteure der bedeutsamen Rolle der IT in Europas Unternehmen stärker bewusst werden. In diesen politischen Mitteilungen kann es auch um andere Schlüsselthemen wie den Umgang mit Informationen, strategische Analysen des IT-Umfelds und die Beziehungen zwischen Unternehmensleitung und IT gehen. So wird die Aufmerksamkeit der Führungsebene auf diese Themen gelenkt, welche in allen Unternehmen und nicht nur der IT-Branche zunehmend an Bedeutung gewinnen. Junge Menschen für IT begeistern. Das Interesse an Informatikkursen in den Schulen geht zurück. Dies ist eine alarmierende Tendenz, die es zu stoppen gilt. Außerdem ist es ganz besonders notwendig, bei jungen Menschen ein Bewusstsein zu schaffen und sie für die wachsende Rolle von IT in allen Branchen und nicht nur der IT-Branche zu sensibilisieren. In jüngerer Zeit haben von der CIO-Gemeinschaft in Schulen durchgeführte Maßnahmen ernsthafte Missverständnisse über die von IT gespielte Rolle offenbart. Ohne ein genaues Verständnis der vielen und vielfältigen Karrierechancen, die die IT bietet, besteht die Gefahr, dass das Interesse junger Menschen an IT weiter zurück geht, was die europäische Wettbewerbsfähigkeit mittelfristig ernsthaft in Gefahr bringen kann. Um mit den Veränderungen an der richtigen Stelle anzusetzen, sollten sich die Anstrengungen auf weiterführende Schulen und möglicherweise sogar Grundschulen konzentrieren. Die Europäische e-Skills Week spielt bereits eine wichtige Rolle dabei, die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu verändern. Ein weiterer konzertierter Einsatz von Industrie,
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Regierungen und ausgewählten Ausbildungsinstituten kann dazu beitragen, diese Arbeit voranzutreiben und die wichtigsten Zielsetzungen der Digitalen Agenda für Europa zu stützen. Die oben ausgesprochenen Empfehlungen erinnern stark an die Maßnahmen, die als Ergebnis eines kürzlich vom IVI und CEPIS durchgeführten und von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebenen Forschungsprojekts identifiziert wurden, dessen Ziel es war, einen europäischen Rahmen für IKTProfessionalität zu entwickeln. Obwohl sich dieses Projekt ausschließlich auf IT-Fachleute konzentrierte, war die Bedeutung der Entwicklung entsprechender e-Skills ein Motor für die Ausgestaltung des vorgeschlagenen Rahmenwerks. Aus Sicht der IKT-Branche wurden von der Europäischen Kommission wichtige positive Schritte unternommen. Diese Initiativen erhalten große Unterstützung. Der IKT-Sektor ist sich der Notwendigkeit bewusst, diese Initiativen auf lange Sicht fortzusetzen und zu verstärken, insbesondere angesichts des potentiellen Nutzens, den die Branche daraus ziehen könnte. Die Aufgabe der Einbeziehung und Mobilisierung von Industrie, Regierungen und Wissenschaft ist eine große Herausforderung. Hier müssen die verschiedenen Akteure ihrer Verantwortung gerecht werden. Studien legen nahe, dass die Zahl der IT-Fachleute bis 2015 um 10 bis 15% zurückgehen wird und Jugendliche sich immer weniger für das Thema interessieren. In Kombination mit der immer größer werdenden Kluft zwischen Ausbildung und Praxis und dem Mangel an e-Skills in Berufen außerhalb der IT wird deutlich, dass das Problem, vor dem Europa steht, enorme Ausmaße angenommen hat. In Anbetracht der Rolle, die IT für die Ermöglichung von Innovationen in Unternehmen spielt, kann der Ruf nach einem gemeinsamen und abgestimmten Handeln beim Thema e-Skills nur in aller Deutlichkeit formuliert werden. Wenn wir einen weiteren Rückgang der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit Europas verhindern wollen, müssen alle Akteure diesem Ruf Gehör schenken und unverzüglich handeln.
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Kapitel 4: Das volle Potential der Frauen erschließen „Vergessen Sie China, Indien und das Internet: Die treibende Kraft des Wirtschaftswachstums sind Frauen.“ The Economist, 15. April 2006 In der Erklärung der Europäischen Union zur Überalterung der Arbeitskräfte heißt es: „Ab 2012 wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zu schrumpfen beginnen, während die Bevölkerung über 60 Jahre weiter um rund zwei Millionen Menschen pro Jahr zunehmen wird. Dabei wird von einem Szenario ausgegangen, das wahrscheinliche Zuwächse der Einwanderung und Geburtenrate berücksichtigt.“3. Es werden mehr vielseitig qualifizierte Menschen benötigt, um die Bedürfnisse der Unternehmen zu decken, weil in Zukunft dieselbe Anzahl an Stellen von weniger ArbeitnehmerInnen ausgefüllt werden muss. Der einzig schlüssige Weg, dies zu erreichen, ist die effiziente Nutzung von IKT. Allerdings muss man sich hierbei einige wichtige Fragen stellen: Wo sind die Frauen? Was leisten sie? Worin wird ihre künftige Rolle in der IKT bestehen? Dieses Kapitel zeigt einige Schlüsseldaten auf, wirft einen Blick hinter die Zahlen und verdeutlichen, wieso es jetzt an der Zeit ist, die Welt in Richtung Gleichheit zwischen den Geschlechtern zu verändern. Am Ende des Kapitels werden einige Empfehlungen ausgesprochen, damit in Zukunft Frauen ihren Platz in der digitalen Wirtschaft finden und ihr Beitrag voll anerkannt wird.
Statistiken, Projekte und Initiativen Statistiken zeigen, dass Geschlechterdifferenzen im IKT-Bildungssystem schon früh beginnen. Sie verschärfen sich gegen Ende der weiterführenden Schulbildung und sind in der Hochschulbildung besonders ausgeprägt. Die Kluft setzt sich in der Arbeitswelt fort. Die erste umfassende Studie zu den Interessen, Einstellungen, Werten und Plänen im Hinblick auf Naturwissenschaften und Technik aus Sicht der Lernenden wurde 20032006 vom Norwegischen Zentrum für naturwissenschaftlichen Unterricht an der Universität Oslo in Norwegen durchgeführt. ROSE – The Relevance of Science Education – erhob die Daten von mehr als 40.000 15-Jährigen in vierzig Ländern und gab Aufschluss über die wichtigsten Faktoren für das Lernen.
KAPITEL 4: DAS VOLLE POTENTIAL DER FRAUEN ERSCHLIESSEN
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Die Bedeutung naturwissenschaftlicher Bildung Türkei Griechenland Portugal Spanien Polend Tschechische Rep. Lettland Estland Slowenien Österreich Deutschland Irland Schottland Nordirland England Finnland Island Schweden Dänemark Norwegen 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Mädchen, die gern eine Stelle in der Technologiebranche hätten. Jungen, die gern eine Stelle in der Technologiebranche hätten. Quelle: ROSE-Projekt - The Relevance of Science Education (Die Bedeutung naturwissenschaftlicher Bildung), 2010
In dieser internationalen Vergleichsstudie kam zum Ausdruck, dass in den meisten europäischen Ländern extrem wenig Mädchen in Erwägung ziehen, Wissenschaftlerinnen zu werden. Tatsächlich sind nur sehr wenige Mädchen in europäischen Ländern an Stellen in der Technologiebranche interessiert. Diese Haltung spiegelt sich auch im niedrigen Anteil von weiblichen Studienanfängern in diesen Fächern wider. Junge Frauen machen lediglich 10 bis 30% der Studierenden in IKT-Kursen aus und stellen weniger als 20% der Angestellten in IKT-basierten Berufen. Auch in der natur- und ingenieurwissenschaftlichen Forschung finden sich diese Tendenzen hinsichtlich der Zahl der Frauen in Europa wieder: Die Zahl der weiblichen Informatik-Absolventen in Europa ist von 25% 1998 auf 22% 2006 gesunken – schlechte Zahlen im Vergleich zu Kanada (27%), den USA (28%) und Südkorea, wo 38% der IT-Absolventen Frauen sind. Diese besorgniserregenden Tendenzen setzen sich in Europa heute fort. Die akademischen Karrieren von Frauen sind nach wie vor deutlich von einer starken vertikalen Diskriminierung geprägt. Die Anzahl der Frauen steigt von lediglich 31% der Studierenden bei den Studienanfängern auf 36% bei den Doktoranden und Absolventen, fällt dann aber wieder auf 33% beim Hochschulpersonal der Kategorie C, 22% in der Kategorie B und 11% in der Kategorie A (das so genannte ‚Scheren-Diagramm‘).
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Abbildung 3.2: Anteile von Männern und Frauen in typischen akademischen Laufbahnen in Natur- und Ingenieurwissenschaften, Studierende 100 % und MitarbeiterInnen an Hochschulen, EU-27, 2002/2006
Männer 2006
50 %
0%
Frauen 2006 ISCED 5A ISCED 5A ISCED 6 ISCED 6 Kategorie C Kategorie B Kategorie A Studierende Absolventen Studierende Absolventen Quelle: She-Zahlen 2009, Europäische Kommission, GD Forschung Definition der Kategorien: A: Die höchste Stelle/der höchste Posten für Einzelpersonen, auf der/dem normalerweise Forschung betrieben wird. B: ForscherInnen, die Stellen innehaben, die nicht so viel Berufserfahrung wie der höchste Posten (A) erfordern, aber mehr Berufserfahrung, als sie einE WissenschaftlerIn direkt nach Abschluss der Promotion hat. C: Die erste Stelle/der erste Posten, den einE WissenschaftlerIn nach Abschluss seiner/ihrer Promotion normalerweise erhält. ISCED 5A: Tertiärprogramme, die ausreichende Qualifikationen vermitteln, um in weiterführenden Forschungsprogrammen & Berufen mit hohem Kompetenzanforderungsniveau zu arbeiten. ISCED 6: Tertiärprogramme, die zu einer fortgeschrittenen Forschungsqualifikation (Doktorgrad) führen. NIT-Bildungsbereiche = 400 Wissenschaften, Mathematik und Informatik + 500 Ingenieurswissenschaften, Produktion und Konstruktion. NIT-Wissenschaftsbereiche = Ingenieurwissenschaften und Technologie + Naturwissenschaften.
Die fünf europäischen Länder, in denen der Anteil von Frauen am Hochschulpersonal der Kategorie A am höchsten ist, sind Rumänien, Lettland, Bulgarien, Finnland und Portugal. Im Gegensatz dazu weisen Malta, Luxemburg, Zypern, Irland, Belgien, Griechenland und die Niederlande den niedrigsten Anteil auf. Die Prozentsätze gehen dabei von 32% in Rumänien bis 2% in Malta. Dieser Unterrepräsentierung von Frauen in IKT-Studiengängen und -Berufen schlägt sich in einem massiven Mangel an Talenten in IKTUnternehmen und der Wirtschaft nieder. Wenn man die verschiedenen Kontinente miteinander vergleicht, findet man den größten Anteil an Frauen in Natur- und Ingenieurwissenschaften in Nord-/Mittelamerika, gefolgt von Mittel-/Osteuropa, Südamerika und Ozeanien. Westeuropa liegt abgeschlagen auf dem fünften Platz.
KAPITEL 4: DAS VOLLE POTENTIAL DER FRAUEN ERSCHLIESSEN
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Geschlechterverteilung in Natur- und Ingenieurwissenschaften 2008 Natur- und Ingenieurwissenschaften 2008 1 2 3 4 5 6 7 8
Weltweit Nord-/Mittelamerika Mittel-/Osteuropa Südamerika Ozeanien Westeuropa Mittlerer Osten Asien Afrika
Frauen Absolut 1.058.156 296.894 92.228 62.298 21.909 268.182 85.572 226.337 4.736
% 39,4 48,2 46,9 44,7 43,0 41,8 40,3 28,0 24,5
Männer Absolut % 1.625.546 60,6 51,8 318.714 104.391 53,1 77.082 55,3 29.003 57,0 373.963 58,2 126.983 59,7 580.850 72,0 14.560 75,5
Gesamt 2.683.702 615.608 196.619 139.380 50.912 642.145 212.555 807.187 19.296
Quelle: Science and Engineering Inficators, NSF, 2008.
Die Position Westeuropas verbessert sich jedoch, wenn man sich die Zahl der Ingenieurinnen ansieht. Im Hinblick auf den Anteil von Frauen an der Gesamtzahl der Arbeitskräfte liegt Westeuropa hinter Mittel-/Osteuropa, Südamerika und Ozeanien auf dem vierten Platz. Die geringe Zahl Frauen, die eine Ausbildung in der IT absolvieren, wirkt sich direkt auf die Anzahl an Frauen, die heute als IT-Fachkräfte beschäftigt ist, aus. Obwohl die Anzahl von Frauen, die in der sekundären Schulbildung ITQualifikationen erwerben, gering ist - wie Statistiken aus Großbritannien zeigen - schneiden diese wenigen Frauen durchgehend besser ab als ihre männlichen Mitschüler. Man kann deshalb vernünftigerweise davon ausgehen, dass sich die Qualität und die Größe des verfügbaren Talentepools für IT-Arbeitgeber deutlich verbessern würden, wenn mehr Frauen sich für Karrieren in der IT interessierten. In den letzten Jahren hat Accenture mehrere Studien anlässlich des Weltfrauentages durchgeführt, aus denen zweierlei hervorgeht: IKT spielt für ein erfolgreiches weibliches Führungsverhalten eine immer wichtigere Rolle, und die Bedeutung, die Frauen in Führungspositionen zukommt, wird innerhalb der Unternehmen immer größer. Im Schnitt beteiligten sich 4000 weibliche Führungskräfte aus mittleren bis großen Unternehmen aus etwa zwanzig Ländern an den jährlichen Online-Umfragen. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass Frauen belastbarer sind und „in der heutigen von wirtschaftlicher Unsicherheit und hartem Konkurrenzdruck geprägten Wirtschaftswelt haben Unternehmen, deren Führungskräftenachwuchs belastbar ist, einen klaren Vorteil.“
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Das e-Skills-Manifest
Mehr als acht von zehn Frauen gaben an, bereit zu sein, sich mit neuen Technologien wie Blogs oder sozialen Netzwerken als Mittel zum Erfolg vertraut zu machen und sie einzusetzen. Mehr als 76% der Frauen gingen davon aus, dass diese Technologien in Zukunft eine große Rolle spielen werden. 66% der Frauen erwarten, dass von Technologie geprägte Beziehungen sich in Zukunft deutlich verändern werden. Wenn man sich die Situation der weiblichen Arbeitskräfte in Europa (EU27) ansieht, stellt man fest, dass 31,6% der Berschäftigten in der IKTBranche Frauen sind. Frauenanteil in IKT, Europa, 2010 Höchster Anteil
Niedrigster Anteil
Litauen
45.1%
Österreich
30%
Bulgarien
43.9%
Irland
30%
Lettland
37.8%
Slowakei
29.3%
Rumänien
36.2%
Schweiz
29.1%
Kroatien
35.4%
Großbritannien
28.5%
Zypern
35.5%
Dänemark
28.2%
Deutschland
34.3%
Tschechische Republik
26.5%
Polen
34.2%
Türkei
25.1%
34%
Island
24.6%
Niederlande
23.4%
Finnland Griechenland
33.7%
Quelle: Global Contact, Frankreich, 2012 (erstellt auf Grundlage von OECD, Eurostat, IESF)
Den höchsten Anteil an Frauen in der IKT (> 35%) innerhalb der EU-27 verzeichneten 2010 folgende Länder: • Litauen: 45,1% • Bulgarien: 43,9% • Lettland: 37,8% Den niedrigsten Anteil an Frauen in der IKT innerhalb der EU-27 verzeichneten 2010 folgende Länder: • Dänemark: 28,3% • Tschechische Republik: 26,5% • Niederlande: 23,4%
KAPITEL 4: DAS VOLLE POTENTIAL DER FRAUEN ERSCHLIESSEN
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Eine besorgniserregende Tendenz für Entscheidungsträger ist die Tatsache, dass die Zahl der in der IKT beschäftigten Frauen in Europa (EU-27) zwischen 2008 und 2010 von 32,7% auf 31,6% zurückgegangen ist. Manche EU-Länder wie Luxemburg und Italien verzeichneten einen Anstieg der Zahl der in der IKT tätigen Frauen von 5,2 bzw. 1,8 %, während die Anzahl von Frauen in der IKT in anderen Ländern wie Lettland, Portugal und Dänemark stark zurückging. Diese großen Unterschiede sollten genauer untersucht werden, um mehr über die dahinterliegenden Gründe zu erfahren. Im Anschluss sollten fundierte Vorschläge erarbeitet und adäquate Maßnahmen ergriffen werden, um die Lücke zwischen den höchsten und niedrigsten Prozentsätzen zu schließen. Die von CEPIS unter 2000 IT-Fachleuten in achtundzwanzig Ländern im erweiterten Europa 2011 durchgeführte Studie zu fachlichen e-Kompetenzen („Professional e-Competence in Europe“) bestätigte die oben genannten Tendenzen und den inadäquaten Anteil von Frauen in der IKT. Es gibt nur zwei Stellenprofile, bei denen der Anteil von Frauen mehr als 20 % beträgt: IT-QualitätsmanagerIn & PrüferIn (30 %) und IT-TrainerIn (41 %). In folgenden IT-Berufen liegt der Anteil von Frauen hingegen unter 10 %: IT-SicherheitsbeauftragteR, NetzwerkmanagerIn und IT-SystemingenieurIn. CEPIS - Dachverband der nationalen Informatik-Gesellschaften Europa (Durchschnitt) IT-TrainerIn IT-QualitätsmanagerIn & PrüferIn IT-ManagerIn Software-EntwicklerIn IT-System-ArchitektIn IT-SicherheitsmanagerIn NetzwerkmanagerIn IT-SystemingenieurIn 0%
50%
100%
Weibliche Angestellte Männliche Angestellte Quelle: CEPIS Survey of Professional e-Competence in Europe, European Report 2011
Als Empfehlungen für die Zukunft formulierte CEPIS den deutlichen Bedarf an „Sofortmaßnahmen für die Überwindung der Unterschiede zwischen den Geschlechtern in allen Ländern und die Erhöhung des Anteils von Frauen in IKT-Berufen. Bestehende Initiativen, die mit Vorbildern und MentoringProgrammen arbeiten, sollten intensiv weitergeführt, ausgeweitet und
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Das e-Skills-Manifest
gefördert werden. Die Mitgliedstaaten sollten steuerliche Anreize für diejenigen Unternehmen bieten, die das Thema Geschlechtergleichstellung zu einem Teil ihrer Unternehmenskultur, ihrer Einstellungspraxis und ihrer Programme zur beruflichen Entwicklung machen.“ Im Hinblick auf die Anhebung des Gesamtniveaus der e-Skills in Europa sollten sich die Maßnahmen nach dem unten erläuterten Evaluierungsprozess richten, welcher deutlich macht, dass informelles Lernen für Frauen nach wie vor die Hauptquelle für den Erwerb von e-Skills darstellt. Selbststudium und formalisierte Bildungsinstitutionen kommen an zweiter und dritter Stelle. Männer bevorzugen das Selbststudium vor informellem Lernen und formalisierter Ausbildung. In den letzten Jahren haben sowohl öffentliche als auch private Akteure, Hochschulen und Nichtregierungsorganisationen einige interessante Initiativen zur Unterstützung von Aktionen und Projekten ins Leben gerufen, mit denen Mädchen und Frauen motiviert werden sollen, ihre Kompetenzen zu verbessern und zu erweitern. Im Rahmen des äußerst erfolgreichen und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (2002-2006) geförderten Projekts „Roberta – Lernen mit Robotern“ des Fraunhofer IAIS wurden zwischen 2005 und 2008 dreiundzwanzig RobertaRegioZentren in Deutschland gegründet. Über ‚Roberta Goes EU‘ wurden 12 RobertaRegioZentren in Großbritannien, Italien, Österreich, Schweden und der Schweiz eröffnet. Mehrere Hundert Lehrkräfte und etwa 5000 Kinder haben bei den Trainings in Deutschland mitgemacht, und europaweit nahmen rund 5000 Mädchen teil. Die Roberta-Kurse waren für viele Mädchen der Ausgangspunkt für die Bildung von Robotertechnik-Teams, die an Roboter-Wettbewerben wie dem RoboCupJunior oder der FIRST Lego League teilnahmen. Nach Feedback befragt, gaben 94 % der Roberta-Teilnehmerinnen an, die Kurse hätten ihnen gefallen, 88 % würden sie ihren Freunden empfehlen und 74 % würden an weiteren Kursen teilnehmen. Das Fraunhofer IAIS und das ECWT arbeiten an einer Lösung, um das Robotertechnik-Netzwerk für Mädchen weiterzuentwickeln auf ganz Europa auszuweiten. Auf nationaler Ebene ist das Projekt mit der größten Reichweite und dokumentiertem Erfolg Computer Clubs for Girls (CC4G) in Großbritannien, das Mädchen zwischen zehn und vierzehn ermutigt, eine Berufslaufbahn in der IT in Erwägung zu ziehen. Erreicht wird dies durch Projekte zu den Themen Musik, Mode und Stars, die Technologie erfahrbar machen und den Mädchen nahe bringen. Unter der Einbeziehung von Online-Ressourcen der
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Spitzenklasse wurde die neueste Version von der Produktionsfirma Aardman entwickelt, bekannt für die „Wallace & Gromit“-Filme. Mehr als 135.000 Mädchen aus 3.800 Schulen haben CC4G seit 2005 kennen gelernt. Befragungen ergaben, dass 84 % der Mädchen seitdem eher ein Studium oder eine Berufslaufbahn in der IT in Erwägung ziehen. Mit einer Spende von 600 € kann eine Schule ein Jahr lang einen Online-CC4G-Club anbieten. Sponsoren unterstützen häufig einen lokalen Club und schauen auch mal vorbei, um die Mädchen bei ihrer Arbeit zu ermutigen. Es bedarf keines ITFachwissens, alle Arten von Unternehmen können sich beteiligen. Auf europäischer Ebene hat der Dachverband der nationalen InformatikGesellschaften (CEPIS) zusammen mit der Europäischen e-Skills Week 2010 einen neuen CEPIS-Preis für Frauen in der IKT ausgelobt, um junge Frauen zu ermutigen, eine Ausbildung und eine Karriere in der IKT einzuschlagen und dabei zu bleiben. Der Preis basiert auf einem europaweiten Wettbewerb zu digitalen Kompetenzen bei Frauen. 2010 gewann die vierzehnjährige Anna Voríšková aus der Tschechischen Republik das Bildungsstipendium in Höhe von 1000 € für ihre Internetseite (http://www.folmici.cz/) und ihren Blog. Auf dem zweiten Platz landete Louisa Luciani aus Schweden. Sie gründete Computer-Clubs und übernahm eine Vorbildfunktion für die Integration von Frauen in der IKT. Die Gewinner 2012 sind Afroditi Gkertsi, Firini Kokkinidou und Anastasia Zarafidou aus Griechenland mit ‘Beat Robotics’, Zweitplatzierte ist Sarka Vavrova aus der Tschechischen Republik mit ‘Timekeeper’. Auch im Hinblick auf Frauen aus Randgruppen gibt es einige motivierende Fallbeispiele. Frauen machen über die Hälfte der Einwanderer in Europa aus. Im Rahmen einer 2009 von TASCHA durchgeführten und von Microsoft finanzierten Studie namens „Immigrant Women, e-Skills and Employability in Europe“ wurde untersucht, wie von Nichtregierungsorganisationen durchgeführte e-Skills-Schulungsprogramme sich auf die Beschäftigungschancen und die gesellschaftliche Integration von Einwanderinnen in Italien, den Niederlanden, Rumänien, Spanien und Ungarn auswirken. Die Studie war Teil des langfristigen Engagements im Rahmen des „Microsoft Unlimited Potential“-Programms. Mit diesem Programm soll durch Partnerschaften mit Nichtregierungsorganisationen und gemeinschaftlichen Bildungsinitiativen in die Entwicklung von e-Skills in Europa investiert werden, um diejenigen Bevölkerungsgruppen zu erreichen, die nur ungenügenden Zugang zur Informationstechnologie haben. Die Studie untersuchte 530 Einwanderinnen und belegt, wie entscheidend IT für die Verbesserung des sozialen und wirtschaftlichen Status und die Stellensuche ist. Etwa die Hälfte der Einwanderinnen verfügt über grundlegende Computerund Internet-Kompetenzen. Über durchschnittliche Computer-Kompetenzen
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Das e-Skills-Manifest
verfügen 32 %, und 22 % haben durchschnittliche Internet-Kompetenzen. Etwas mehr als 20 % der Frauen gaben an, über keinerlei e-Skills zu verfügen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Einwanderinnen mit einem „doppelten Nachteil“ auf dem Arbeitsmarkt zu kämpfen haben, erstens als Frauen und zweitens als Einwanderer. Um die Hindernisse für den Eintritt in den Arbeitsmarkt zu überwinden, benötigen sie Sprachkenntnisse, Kenntnisse über beschäftigungsrelevante Themen, Hilfe beim Aufbau eines sozialen Netzwerks und Schulungsangebote. Ein anderes gutes Beispiel ist die Initiative des Europäischen Bündnisses „Skills for Employability“ und seiner Partner Microsoft, der Adecco-Gruppe und State Street, der „Skills for Employability Award 2011“. Neben den Kategorien „Youth Empowerment through Skills“ und „Active Ageing through IT Learning“ wurde eine spezielle Kategorie „Empowering Women through Technology“ eingeführt. Mit diesem Preis werden Nichtregierungsorganisationen ausgezeichnet, die in herausragender und effizienter Weise IKT-Schulungen und Kurse für bessere Beschäftigungschancen und eine bessere digitale und soziale Integration nutzen. Der erste Preis und 5000 € gingen an die litauische Organisation „Langas i ateiti“ – „Windows to the Future“ – für ihr erfolgreiches Programm von Computerund Informationsschulungen für Mädchen und Frauen in Zusammenarbeit mit Unternehmen und der Öffentlichkeit. Unter der Leitung seiner Direktorin Loreta Križinauskienė hat „Langas i ateiti“ in den letzten fünf Jahren 45.000 Frauen geschult.
Der Zeitpunkt für die Trendwende zur Geschlechtergerechtigkeit ist jetzt Um die wachsende Bedeutung neuer Kompetenzen im 21. Jahrhundert zu verstehen im Vergleich zu denen, die das 20. beherrschten, müssen wir uns klarmachen, dass sich in der Welt eine bedeutende Veränderung vollzogen hat: Unser Dasein hat sich von einem vorrangig analogen zu einem vollständig digitalen gewandelt. Josephine Green, seit 1997 Senior Director Trends and Strategy bei Philips Design, spricht in diesem Zusammenhang davon, dass Technologie von einem treibenden Einfluss zu einer Grundlage geworden sei oder – in anderen Worten – vom Wandel der Welt als Pyramide zur Welt als Pfannkuchen. Im 20. Jahrhundert fußte die Wirtschaft auf Massenmärkten, Größenvorteilen und Massenprodukten als Motoren für Wachstum. Es handelte sich um die Ära des Technologiemarkts mit einer Kommando- und Kontrollstruktur von oben nach unten – eben um eine Pyramide. Im 21. Jahrhundert geht es um soziale Innovationen.
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Den Menschen ist es nun durch die Technologie möglich, ihr Leben und ihren Lebensstil selbst zu gestalten. Dank des World Wide Web haben die Menschen Zugriff auf alle Abschnitte der Neuerung. Es geht nicht um den Konsum von irgendetwas, sondern um Zusammenleben. Unsere Welt ist geprägt von interkulturellem Management und interkultureller Kommunikation und basiert weitgehend auf Anwendergemeinschaften (Communities of Practice, CoP) und dem Einsatz von IKT. Alles dreht sich in einem Kreislauf, der von individueller Personalisierung angetrieben wird. Jetzt, da die „Netzgeneration“ (auch als „Digital Natives“ bekannt) zum ersten Mal in führende Positionen eintritt, sollten ihre Merkmale und ihr Lernverhalten Berücksichtigung finden, wenn wir das Phänomen der geringen weiblichen Teilhabe erfolgreich bekämpfen wollen. Dies ist die Generation der MP3-Player, des Instant Messaging, der Online-Spiele und des Filesharing. Diese Generation glaubt fest daran, dass man „Kultur lehren kann“, und zieht es vor, die Personalstrategie auf den Menschen anstatt auf Produkte auszurichten. Die Schlüsselaspekte solcher Strategien sind Motivation und Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens. Die Welt von heute schätzt Vielfalt, Integration und Gleichstellung zwischen den Geschlechtern mehr als je zuvor. Während Männer an der Spitze der Veränderungen des Industriezeitalters standen, können Frauen in der Welt von heute eine Schlüsselrolle für Innovationen spielen. John Hagel III, Ko-Direktor des „Deloitte Center for the Edge“ im Silicon Valley, das eigene Studien durchführt und fundierte Standpunkte für neues unternehmerisches Wachstum entwickelt, unterstützt diese Sicht der Dinge: „In der digitalen Wissensgesellschaft ersetzt Humankapital die natürlichen Ressourcen als Grundlage des Wachstums. Die Unternehmen und Länder, die im 21. Jahrhundert führend sein werden, werden jene sein, die am besten in der Lage sind, Innovationen und die Kreativität ihrer Mitarbeiter gewinnbringend einzusetzen. Frauen sind zweifelsohne eine wachsende Kraft im Talentpool.“ Es werden neue Konzepte wie die Sozialrendite eingeführt und neue Arten von Kompetenz benötigt. In der „Pyramidenwelt“ waren die erforderlichen Kompetenzen Management, Planung, Budgetierung, Messen, Evaluieren, Organisieren, Strukturieren und Kontrollieren. In der „Pfannkuchenwelt“ sind es Innovation, Infragestellen, Herausfordern, Träumen, Ausmalen, Experimentieren, Lernen und Unternehmungsgeist. „A Green Knowledge Society - an ICT policy agenda to 2015 for Europe‘s future knowledge society“ lautet der Titel eines 2009 während der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft von der schwedischen Regierung
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Das e-Skills-Manifest
vorgestellten Berichts, der als eine der zehn wichtigsten Anforderungen für die Zukunft einen Schwerpunkt auf Investitionen in immaterielle Infrastrukturen herausstellt – Investition in soziales Kapital. Diese Schwerpunktverschiebung entspricht dem von Frauen geäußerten Wunsch, in Feldern und Berufen zu arbeiten, die der Gesellschaft und/ oder den Menschen direkt zugutekommen, und wird helfen, Frauen in den Ingenieurwissenschaften zu halten. Diversität wird heute weithin als wirtschaftliches Prinzip anerkannt. Die 2009 von McKinsey durchgeführte Studie „Women Matter“ und die 2010 von McKinsey durchgeführte Studie „Centered Leadership“ kamen beide zu dem Ergebnis, dass Schlüsselmerkmale weiblichen Führungsverhaltens – intellektuelle Stimulierung, Inspiration, partizipatorische Entscheidungsfindung und Schaffen von Anreizen/Belohnungen – eine bedeutende Rolle auf dem Weg aus der Rezession hin zum Erfolg in der heutigen komplexen und von der Finanzkrise geprägten Wirtschaft spielen. Das Weltwirtschaftsforum fand heraus, dass jene Länder, die vorbildlich Ressourcen auf Frauen und Männer gerecht verteilen, unabhängig von der Höhe der vorhandenen Mittel erfolgreicher sind. In einer Studie aus dem Jahre 2011 ermittelte Catalyst einen Unterschied von 26 % in der Rentabilität des investierten Kapitals zwischen den Unternehmen im oberen Viertelwert mit 19-44 % Frauen in Führungspositionen und Unternehmen im untersten Viertelwert ohne Frauen in der Führungsebene. Dr. Erkki Ormala, Vizepräsident Business Environment bei Nokia Corporation und Präsident von DIGITALEUROPE, stellte bei der e-SkillsKonferenz 2011 zu Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Arbeitsplätzen am 13. Dezember 2011 in Brüssel heraus, dass „mehr Frauen in die Technologieentwicklung zu bekommen ein wahrer Quell für Innovationen“ ist. Nokia sieht drei Ziele im Hinblick auf eine stärkere Beteiligung von Frauen: • Führen - Talente zur Steuerung der Veränderungen in einem digitalen Markt. • Organisatorische Fähigkeiten aufbauen - Talente mit dem Wissen, den Kompetenzen und Erfahrungen, die Nokia von den Mitbewerbern im Wettbewerb abheben. • Vielfältige Anwendererfahrungen ermöglichen - Differenzierung zwischen den Geschlechtern für attraktive Lösungen auf dem Markt.
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Soziale Medien Frauen dominieren die sozialen Medien heute vollständig: In jeder Altersgruppe übersteigt die Zahl der Frauen, die soziale Netzwerktechnologien nutzen, die der Männer. Auch wenn man den Zeiteinsatz betrachtet, geben Frauen in sozialen Netzwerken den Ton an. Wenn Facebook ein Land wäre, wäre es das drittgrößte auf der Welt. Das am schnellsten wachsende Segment auf Facebook ist die Gruppe der 55- bis 65-jährigen Frauen. 57 % der Nutzer von Facebook und Twitter sind weiblich. 86 % der Frauen in den USA haben eine Profilseite in einem sozialen Medium, und 72 % besuchen die Seite täglich. 80 % der Frauen, die soziale Medien nutzen, sind Fans von Produkten oder Marken geworden. Als die EU- Women -Seite auf Facebook im Zusammenhang mit dem Workshop „Women for Smart Growth“ bei der Digitalen Versammlung im Juni 2011 freigeschaltet wurde, verzeichnete sie innerhalb eines Monats mehr als 14.500 Post Views. Fünfundneunzig NutzerInnen klickten „Gefällt mir“. Gleichzeitig erzielte LinkedIn mehr als 100 Gruppenbeitritte und fünfzehn Diskussionen innerhalb eines Monats, und der Twitter-Account @EUWomen zog während des Monats vor der Digitalen Versammlung 158 Tweets und einundneunzig Follower an. In seiner mittelfristigen Prognose bis 2020 erläutert Cedefop (das Europäische Zentrum für die Förderung der Berufsbildung), dass es im Zuge der Entwicklung zu in Wissen und Kompetenz immer anspruchsvolleren Arbeitsplätzen notwendig werden wird, das Potential der Nichterwerbstätigen und insbesondere der Frauen anzuzapfen, deren Qualifikationen die der Männer übertreffen. Im Allgemeinen ist die Erwerbsbeteiligungsquote von Frauen niedriger als die von Männern. Sie entwickelt sich jedoch aufgrund des steigenden Qualifikationsniveaus nach oben, während die Quote von Männern sinkt. Die Hierarchie innerhalb der Qualifikationsniveaus ist bei beiden Geschlechtern identisch. Die Steigerungsraten sind jedoch bei Frauen in der Regel höher als bei Männern, was zeigt, dass Frauen in der Zukunft stärker (formal) hochqualifiziert sein werden als Männer, mit Ausnahme des mittleren Qualifikationsniveaus, wo die Zuwachsraten bei Männern höher sind als bei Frauen. Auf der anderen Seite geht man davon aus, dass der Anteil der Niedrigqualifizierten an den Erwerbspersonen zurückgehen wird. Dieser Rückgang wird bei den Frauen ausgeprägter sein als bei den Männern. Diese allgemeinen Tendenzen sind in fast allen Ländern zu beobachten.
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Das e-Skills-Manifest
Eine andere branchenspezifische Veränderung, die auf einen wachsenden Bedarf an weiblichen Arbeitskräften hinweist, ist der anhaltende Trend zu Stellen im Dienstleistungsbereich, insbesondere bei marktvermittelten Dienstleistungen. Im Bereich der unternehmerischen und anderen Dienstleistungen wird es voraussichtlich etwa sieben Millionen neue Stellen geben. Auch in Handel und Transport ist mit bedeutenden Zuwächsen zu rechnen. Das erwartete moderate Wachstum der Beschäftigung im Bereich der nicht marktgehandelten Dienstleistungen resultiert aus der Schaffung zahlreicher Arbeitsplätze im Gesundheits- und Bildungswesen, die jedoch zum Teil verzehrt wird von einer geringeren Nachfrage nach Arbeitskräften in der öffentlichen Verwaltung als Folge von zu erwartenden Haushaltskürzungen.
Geschlechtsspezifische Innovationen In den letzten Jahren hat sich das Verständnis für den Mehrwert der Einbeziehung der geschlechtsspezifischen Dimension in der Forschung verbessert. Immer mehr ForscherInnen setzen die geschlechtsspezifische Dimension bewusst als Quelle zur Anregung neuen Wissens und neuer Technologien ein. Das aktuelle Projekt „Gendered Innovations“, das an der Universität Stanford ins Leben gerufen wurde, arbeitet mit einer von der Europäischen Kommission gegründeten Expertengruppe für „Innovation durch Chancengleichheit“ zusammen, in der Experten aus zwanzig Mitgliedstaaten der Europäischen Union vertreten sind und die von der Technischen Universität Berlin und der Fraunhofer Gesellschaft getragen wird. In diesem Projekt werden Methoden der Gender-Analyse für Wissenschaftler und Ingenieure entwickelt, und es werden Fallstudien entworfen als konkrete Illustration dafür, wie GenderAnalysen zu Innovationen in drei Kernbereichen (Wissenschaft, Gesundheit und Medizin, Ingenieurwesen) führen.
Empfehlungen Es ist an der Zeit, der geschlechtsspezifischen Dimension der IKT in Europa einen größeren Stellenwert einzuräumen und mehr Ressourcen für sie bereitzustellen. Der Erfolg der Digitalen Agenda für Europa und der Strategie Europa 2020 wird in großem Maße davon abhängen, ob die Europäischen Kommission mit den entsprechenden Akteuren Wege und Mittel findet, um in Zusammenarbeit eine kritische Masse von Frauen in Europa während des Zeitraums 2011-2020 dazu zu bringen, ITK in Anspruch zu nehmen, zu entwickeln, erforschen, verbessern, herzustellen und zu nutzen.
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Das gesamte IT-Fach muss zusammenarbeiten, um eine Versorgung mit weiblichen Nachwuchstalenten für die Industrie sicherzustellen, wobei der gesamte Lebenszyklus Berücksichtigung finden muss. Gleichzeitig müssen wir uns auch auf die Frauen konzentrieren, die bereits in der Branche tätig sind, damit sie bleiben und Erfolg haben. Die Grundlagen für diese europaweite Zusammenarbeit wurden bei der Konferenz „Women in Science, Innovation and Technology in the Digital Age“ gelegt, die von der GD Informationsgesellschaft, der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft und ECWT am 7. und 8. März 2011 in Budapest veranstaltet wurde. Die Konferenz stand unter der Schirmherrschaft von Neelie Kroes, zuständige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission für die Digitale Agenda, und fand ihren Abschluss in der Verabschiedung der „Budapest International Women’s Day Centenary Declaration 2011“. Diese Erklärung zum Weltfrauentag basiert auf dem ECWTPositionspapier zur Ausrichtung auf die Digitale Agenda und dem Online-Anhörungsverfahren, das von Februar bis Ende Juni 2011 lief. Sie unterstreicht die Notwendigkeit, eine nachhaltige europäische Infrastruktur von Partnerschaften mit mehreren Beteiligten aufzubauen und wichtige europäische Akteure des öffentlichen und privaten Sektors, der Hochschulen und der Nichtregierungsorganisationen für einen gemeinsamen GenderAktionsplan für die Digitale Agenda zu gewinnen.
Maßnahmen
Die Digitale Versammlung bestätigte die Erklärung von Budapest am 16. und 17. Juni 2011 in Brüssel und hob hervor, dass die „Stärkung von e-Skills und die Integration weiblichen Talents in alle e-Skills-Aktivitäten einer der Pfeiler der Digitalen Agenda sein muss“.
- Frühe Investitionen in junge Menschen und insbesondere Mädchen - Ausweitung des Gender-Aspekts, Verbreitung von bewährten Praktiken und Rollenvorbildern - Förderung einer Digitalen Agenda, die Gender-Aspekte berücksichtigt - Förderung von Humankapital und Investitionen in Frauen - Stärkung eines besseren Managements auf Grundlage von Vielfältigkeitsindikatoren
Quelle: Bericht. Digitale Versammlung. 2011 Workshop 22 Women 4 Smart Growth
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IKT für gesellschaftliche Herausforderungen
Förderung von e-Skills
Forschung & Innovation
Sehr schnelles Internet
Vertrauen & Sicherheit
Interoperabilität & Standards
Digitaler Binnenmarkt
Pfeiler der Digitalen Agenda
Digitale Zukunft
Der letzte Schritt für eine tatsächliche Umsetzung der Erklärung von Budapest ist die Sicherung der Unterstützung für die Erklärung bei der geplanten Anhörung im Europäischen Parlament im Herbst 2012 und die Annahme einer Entschließung zu ihrer Einbindung in das HORIZON2020-Programm der Europäischen Kommission für die Jahre 2014-2020. Die Empfehlungen des European Centre for Women and Technology sehen folgende Maßnahmen vor: • Erstellung eines langfristigen europäischen Aktionsplans, der das Engagement und die Verpflichtungen jedes einzelnen Akteurs und die notwendigen Maßnahmen für konkrete, bedeutsame und messbare Ergebnisse für die Förderung von Frauen und der e-SkillsAgenda auf europäischer Ebene klar festlegt und eine Investition in einige Großprojekte vorsieht, die eine deutliche Wirkung auf die Schlüsselzielgruppen (junge Mädchen, Einwanderinnen, arbeitslose Frauen) haben. Benchmarking und ein jährliches Monitoring der Ergebnisse müssen integraler Bestandteil dieses Plans sein. • Ausweitung des Arbeitsbereichs des ECTW zur Einbindung eines europäischen Forschungslabors zum Thema Frauen und Digitale Medien. Ausweitung des im Januar 2010 von der Europäischen e-Skills-Vereinigung (des ehemaligen e-Skills Industry Leadership Board) unterstützten Europäischen Verzeichnisses für Frauen im IKT-Sektor, damit es als zentraler Zugriffspunkt auf Informationen über Frauen und e-Skills in Europa (nationale Politik, bewährte Praktiken, Forschung, vom Anwerben zum Entlohnen, vom Erwerb von Kompetenzen zur Nutzung von Kompetenzen etc.) dienen kann. • Vorantreiben einer europaweiten Studie zu bewährten Praktiken in Nichtregierungsorganisationen, die in Europa e‐Skills-Schulungen anbieten. Welche Maßnahmen für die Überwindung der digitalen Kluft greifen, wie und warum? Sicherstellen, dass Partnerschaften mit verschiedenen Akteuren, die die Bildung und das Interesse junger Menschen an Naturwissenschaften, Technik, Ingenieurwesen und Mathematik fördern sollen, dem Gender-Aspekt ausreichend Beachtung schenken. Ermöglichung eines starken Beitrags zum Thema Frauen und e-Skills in Europa bei der Weltausstellung in Mailand 2015.
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Kapitel 5: Zukunftsvision Auch 2012 setzt sich Europas enormer Bedarf nach Produktivitätswachstum fort. Auch wenn die akuten Symptome der Finanzkrise mittlerweile abgeklungen sind, bedeutet das nicht, dass die ihnen zu Grunde liegenden Krankheiten geheilt wurden. Ein kritisches Beispiel dafür ist die Jugendarbeitslosigkeit in Europa, die in den letzten Jahren immer weiter zugenommen hat. Die schlechtesten Zahlen beziehen sich dabei auf die unter 25-Jährigen. Neuesten Eurostat-Daten zufolge ist die Arbeitslosenquote in Griechenland auf 47,2% geklettert und in Spanien hat sie ein neues Hoch von 48,3% erreicht. Diese alarmierende Tendenz betrifft viele gut ausgebildete junge EuropäerInnen. Die Zahlen sind auch das Ergebnis eines sich verändernden Arbeits- und Beschäftigungsumfeldes in Europa, sich immer schneller vollziehender globaler Veränderungen und des teilweisen Niedergangs vieler traditioneller Industrien. Sparmaßnahmen und Kostensenkungen im öffentlichen, halböffentlichen sowie privaten Sektor werden notwendig, jedoch keinesfalls ausreichend sein, um eine gute Zukunft für Europa zu gewährleisten. Wachstum muss aus Innovationen und unternehmerischer Initiative kommen. Gleichzeitig sehen sich die europäischen Gesellschaften mit mehreren grundlegenden und langfristigen Herausforderungen konzentriert, wie der Anpassung an eine alternde Gesellschaft und der Notwendigkeit eines intelligenteren und effizienteren Gesundheitssystems. Weitere Herausforderungen sind Mechanismen für eine verbesserte Energieeffizienz und einen vernünftigeren Konsum, Wasserversorgung und der Umgang mit Verkehr und Verschmutzung in wachsenden Städten. Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) werden in diesem Zusammenhang zu Recht als Möglichkeit gesehen, Wirtschaft und Gesellschaft zu verändern. Die neue Schlüsselfrage lautet daher: Wie kann Europa die richtigen e-Skills in Europa fördern, um nicht nur die Anwendung von IKT zu ermöglichen, sondern auch IKT-basierte Innovationen und neue Wachstumsbranchen und -märkte zu schaffen? „Kompetenzen und Entwicklung des Arbeitskräftepotenzials sind die Währung für die wirtschaftliche Zukunft Europas“, so Jan Muehlfeit von Microsoft und Ko-Direktor der Europäischen e-Skills-Vereinigung. „Auf der globalen Plattform haben die politischen EntscheidungsträgerInnen technologische Innovationen als unabdingbar für die vollständige Nutzung des menschlichen Potentials identifiziert. Sie sehen neue Technologien
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auch als Schlüssel, um die nationalen Prioritäten vom Gesundheitsund Bildungswesen hin zu energiewirtschaftlicher Unabhängigkeit und Klimawandel zu verschieben“, erkennt er richtig. Werfen wir zunächst einen Blick auf Innovation selbst. Bei Innovation geht es nicht darum, etwas Neues zu erfinden, sondern darum, einen neuen Wert zu schaffen. In den Worten von Peter F. Drucker, dem Vater des modernen Managements, handelt es sich darum, Ressourcen eine neue Fähigkeit zu verleihen, um Wert zu schöpfen (Innovation and Entrepreneurship, 1985). Ein bestimmendes Merkmal von IKT ist ihre steigende Vernetztheit, exponentielle Datenproduktion und die immer größer werdende Interdependenz ihrer technischen Elemente – Software, Services, Daten oder Geräte. IKTInnovation weist einige Besonderheiten auf, die die Nachfrage nach Kompetenzen bestimmen: Rasant: Es gibt keine andere Industrie mit vergleichbar kurzen Innovationszyklen. Obwohl die IKT-Branche auch von langfristigeren Entwicklungen wie neuen mobilen Netzwerkstandards oder Grundlagenforschung in Speichertechnologien oder Prozessordesign abhängt, handelt es sich beim IKT-Markt um einen rasanten Markt, insbesondere, was Verbraucherprodukte und -dienstleistungen betrifft. Dies führt zu der ständigen Notwendigkeit, Kompetenzen, insbesondere technische Kompetenzen, aktuell zu halten, sowie zu einer begrenzten Lebensdauer dieser Kompetenzen. Interdependent: IKT sind sehr stark miteinander verflochten. IKTInnovation geschieht selten isoliert. Konzepte wie Plattformstrategien sind von grundlegender Bedeutung für die Branche. Der Kompetenzbedarf wird daher nicht nur von neuen technischen Entwicklungen, sondern auch sehr stark von der Marktdynamik bestimmt. Das beinhaltet auch eine Nachfrage nach technologie-orientierten strategischen Kompetenzen. Gesellschaftlich: IKT hat gesellschaftliche Phänomene wie gemeinschaftliche Entwicklung, soziale Medien, Crowdsourcing und viele mehr hervorgebracht. Genau wie es sich bei IKT um eine interdependente Technologie handelt, verändert sie in zunehmendem Maße Interaktionen, Organisationen und Arbeitsabläufe. Aus diesem Grunde hat IKT auch einen Bedarf an Kompetenzen an der Schnittstelle von IKT mit der Gesellschaft, dem rechtlichen Umfeld und innerhalb von Unternehmen hervorgebracht, insbesondere im Hinblick auf IKT-basierte Servicesystementwürfe, Nutzereinbindung oder Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Wirklich global: Die IKT gehörte zu den ersten wirklich globalisierten Industrien und treibt die Globalisierung gleichzeitig voran, wie es der ehemalige
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CEO von IBM, Sam Palmisano, 2006 in seinem Artikel ‘The globally integrated enterprise’ für Foreign Affairs ausdrückte. IKT hat eine globale Zusammenarbeit und Service-Interaktion in Echtzeit möglich gemacht. Auf der anderen Seite sind so auch die globale Suche nach Talenten und die weltweite Verteilung von Aufgaben möglich geworden. Dies hat zu einer Situation geführt, in der einige Aspekte der IKT lokal sind – insbesondere jene an der Schnittstelle mit der Gesellschaft, Nutzern und Organisationen – und andere viel konzentrierter und geografisch unabhängig geworden sind. Zum Beispiel: Googles Dienste in über 100 Ländern werden in lediglich zehn großen Rechenzentren erbracht, die an Standorten überall auf der Welt stehen. Gleiches gilt für die Konzentration von IKT-Entwicklung und -Forschung. Es ist von grundlegender Bedeutung für Europa, weiterhin an der Spitze der wertvollsten IKT-Kompetenzen in diesem globalen Wettbewerb zu stehen. Unternehmerisch: Die IKT-Branche wurde immer von unternehmerischem Handeln angetrieben. Globale Akteure wie Facebook oder Google waren noch vor weniger als einem Jahrzehnt Start-ups. IKT-Innovation basiert mehr und mehr auf offener Innovation und Prozesse wie das Management von Ausgliederungen und externen Unternehmen sowie Wachstum durch Fusionen und Aufkäufe sind etwas ganz Normales in der Branche geworden. Andere Branchen kopieren dieses Modell immer stärker. Ein gutes Beispiel dafür sind europäische Fahrzeugbauer. Daimler und BMW fördern Innovation in Mobilitätsdienste in externen Unternehmen und unterstützen Start-ups. Transformatorisch und disruptiv: Keine andere Technologie hat sich je so stark auf Industrie und Dienstleistungssektor ausgewirkt. Sie ermöglicht Innovationsschübe, nicht nur mit neuen Produkten und Dienstleistungen, sondern auch durch die Schaffung eines neuen Nervensystems innerhalb des Unternehmens zur Veränderung von Abläufen und organisatorischen Modellen. IKT legt die Grundlage für gänzlich neue Business-Modelle und bietet so das Potential, Industrien zu stören und neu zu erfinden. Auf der Grundlage dieser wichtigen Faktoren scheint eine enge, rein auf Technologie konzentrierte Perspektive im Hinblick auf e-Skills nicht angemessen. IBM hat dies beispielsweise im Begriff SSME (Service Science Management & Engineering) zusammengefasst, der zum Ausdruck bringt, dass betriebswirtschaftliche, technische und ingenieurwissenschaftliche Kompetenzen erforderlich sind, um die IKT-basierten Servicesysteme der Zukunft zu entwerfen. Als integrative Technologie muss IKT von Fachkräften mit integrativen Kompetenzen unterstützt werden. Es bedarf einer konzertierten Anstrengung aller Akteure, um diese Situation zu lösen. Bildung steht im Zentrum dieser Lösung. Es ist offensichtlich, dass die akademische Disziplin der Informatik dabei eine wesentliche Rolle spielt.
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Sie kann die dargelegten Herausforderungen aber nur zum Teil bewältigen. Wir müssen außerdem e-Skills und IKT-basierte Ausbildung tiefer und umfassender in unsere Bildungssysteme und das lebensbegleitende Lernen einbinden. Dazu zählen auch unternehmerische und betriebswirtschaftliche Skills und Kompetenzen. Dabei handelt es sich nicht um eine einmalige pädagogische Herausforderung, sondern um eine ständige Herausforderung für jeden, der in seinem Berufsleben mit IKT zu tun hat. Das sieht auch Michael Gorriz, CIO von Daimler, so: „Die Möglichkeit, die richtigen e-Skills zu erwerben und weiterzuentwickeln, sollte für IKT-Fachleute, aber auch für jene, die strukturierte Aufgaben ausführen, das normale Muster in unserer Gesellschaft werden. Das ist nicht nur in großen Unternehmen sinnvoll; es ist auch notwendig, um Europa Schritt für Schritt aufzubauen und zu einer innovativen Gesellschaft oder dem, was manchmal als ‚Wissensgesellschaft‘ bezeichnet wird, zu entwickeln.“
Seien Sie gewarnt Es gibt zwingende ökonomische Gründe, die im Zusammenspiel mit gesellschaftlichen Herausforderungen zu einer unbestreitbaren Notwendigkeit führen, in Europa das Thema der Entwicklung von e-Skills und der Rolle von IKT in der Bildung anzugehen. Ein wesentlicher Faktor ist hier die Schwierigkeit, größere Studierendengruppen – insbesondere Frauen – für ein IKT-Studium und IKT-basierte Karrierewege zu begeistern. Es war bisher auch schwierig, potentiellen Studierenden den weitreichenden Einfluss von IKT und der damit zusammenhängenden Kompetenzen, welche die Zukunft der IKT-Berufe bestimmen werden, zu vermitteln, obwohl die meisten jungen EuropäerInnen IKT-Tools täglich in vielen Bereichen ihres Lebens einsetzen. So wie es aussieht, läuft Europa Gefahr, über keine effiziente Pipeline zu verfügen, die Europas künftige Talente für diese Schlüsseldisziplin und -branche des 21. Jahrhunderts hervorbringt. Dies kann aus mehrerlei Gründen so sein. Zunächst einmal ist das Lernen mit IKT nicht ausreichend in den Lehrplänen für die Grund- und Sekundarbildung in Europa vertreten. Während dieser Phase der Ausbildung wird die Motivation für ein späteres Studium geschaffen und werden die grundlegenden Kompetenzen erworben. Das Potential eines weitaus größeren Einsatzes von IKT in Grund- und weiterführenden Schulen und ihrer Einbindung in die Lehrpläne ist noch lange nicht ausgeschöpft. IKT könnte viele Chancen für PädagogInnen bereithalten, innovative Bildungsmodelle zu entwerfen, insbesondere, indem sie die Bildungsumgebung den Problemen der wirklichen Welt annähert. Beispiele wären die Nutzung von offenen Echtzeit-Daten über Umwelt- und Verkehrsinformationen in einer Erdkundestunde, der Zugriff auf historische Dokumente in digitalen Bibliotheken im Geschichtsunterricht oder die Durchführung von Datenanalysen auf Grundlage von realistischen großen Datenmengen in Mathematik.
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Ein anderer Grund ist die Tatsache, dass Informatik im höheren Bildungswesen in Europa traditionell rein mathematisch und technisch ausgerichtet ist. Studien in diesem Bereich zeigen den Ausschluss kritischer e-Skills-Kompetenzen, wie sie oben beschrieben sind, wie jene, die mit der gesellschaftlichen Dimension von IKT, Unternehmertum und Innovation in Zusammenhang stehen oder allgemeine betriebswirtschaftliche Kompetenzen. Diese Kompetenzen werden in der Regel nach dem Abschluss im Berufsalltag erworben. Einige Unternehmen haben die Herausforderung jedoch erkannt. Die Universität Warwick bietet ihren Studierenden beispielsweise die Möglichkeit zur Teilnahme an einem kurzen ‚Schlüsselkompetenzen‘-Programm. Dieses e-Skills-Defizit in der Grund-, Sekundar- und Hochschulbildung in Europa ist größtenteils verantwortlich für den Mangel an Fachkräften mit IKT-Kompetenzen und hat zu einem IKT-Arbeitsmarktumfeld geführt, in dem traditionelle akademische Referenzen nur von geringer Bedeutung für die Arbeitsfähigkeit sind. Tatsächlich haben viele IKT-Fachleute einen Hochschulabschluss in einem anderen Fach als Informatik. IKT-Kompetenzen werden durch Arbeitsergebnisse oder Berufswege nachgewiesen oder einfach so angegeben, ohne dass es eine formale Möglichkeit gäbe, sie zu messen oder zu überprüfen.
Die Zeit ist gekommen Im vorliegenden Manifest schlagen in ihrem Bereich führende ExpertInnen eine ganze Reihe konkreter Maßnahmen vor, um den Nachwuchs der IKTFachleute zu sichern. Das wird im Gegenzug helfen, sowohl eine gesunde IKT-Branche als auch eine breitere Arbeitnehmerschaft mit e-Skills zu verjüngen und zu halten. Beginn in Grund- und weiterführenden Schulen Der frühe Erwerb von e-Skills, schon mit Beginn der Grundschule bis hin zum Beginn der akademischen Karriere eines Studierenden, kann den einzelnen Menschen verändern. Die SchülerInnen sind dann sehr viel besser in der Lage, Informationen zu verwalten und Nutzen aus ihnen zu ziehen. Sie entwickeln eine innovative Denkweise, welche beim Einstieg in den Beruf in Zukunft einen immer größeren Vorteil darstellen wird. Industrieinitiativen in Schulen und Hochschulen für Lehrkräfte und SchülerInnen und Studierende wie der Imagine Cup von Microsoft, das Intel-Programm World Ahead und die Science Fair von Google unterstreichen die Unterstützung von Seiten der IKT-Industrie, aber auch das Interesse auf Seiten der SchülerInnen und Studierenden. Beispielsweise haben mehr als 300.000 Studierende aus 142 Ländern am Imagine Cup 20092010 teilgenommen. Ein wesentliches Merkmal solcher Initiativen ist der Einsatz von Kreativität und Unternehmergeist durch die Studierenden, wenn sie Problemen ausgesetzt sind, die mit der Hilfe von IKT gelöst werden können.
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Der nächste Schritt wäre die Einbindung solcher Lernelemente in Lehrpläne als Unterstützung unternehmerischer Innovationen in Bildungseinrichtungen (z. B. Erforschung neuer Lernräume und Themen), die Innovationen in der Bildung mit Hilfe von IKT vorantreiben. Steigerung der Attraktivität von Karrieren in der IKT Die Attraktivität von IKT als allgemeines Feld beruflicher Attraktivität und Karrieremöglichkeit ist wichtiger Bestandteil und Ausgangspunkt der Aktivitäten zur Veränderungen der Bildung. Eine transparentere Darstellung der zahlreichen Möglichkeiten und Karriereentwicklungen innerhalb der IKT muss vorgenommen werden, damit die europäischen BürgerInnen das Gefühl haben, e-Skills in ihre Karriere einbauen zu können. Eine solche Maßnahme war die Freischaltung des europäischen e-SkillsKarriereportals , das dabei helfen soll, die richtigen Kompetenzen mit den richtigen Stellen zusammen zu bringen und einige der Vorurteile über IKTKarrieren abzubauen. In dieser Hinsicht ist eine deutliche Veränderung der Wahrnehmung von IT und e-Skills unter jungen Menschen, Frauen und der alternden Arbeitnehmerschaft notwendig. Eine spezielle Methode wäre das Engagement und die Profilschärfung von digitalen BotschafterInnen in Europa als aktive Vorbilder in der IKT-Branche und verwandten Bereichen wie CIOs, digitalen UnternehmerInnen und führenden WissenschaftlerInnen. Wenn wir keine derartigen Strategien umsetzen, werden wir unsere besten Talente mit Sicherheit an andere Branchen oder Weltregionen verlieren. Die bestehenden Vorurteile über IKT-Fachleute werden, wenn nichts dagegen getan wird, das Wachstum der IKT-Dienstleistungs-Branche behindern und unternehmerische Innovation in fast allen Organisationen ausbremsen. Die Schritte, die wir unternehmen, müssen die aktive Rolle, die Frauen in der IKT spielen können, berücksichtigen. Eine gute Veranschaulichung dessen ist der Kodex für eine vorbildliche Frauenförderung in den IKT, eine Initiative von Neelie Kroes, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und für die Digitale Agenda zuständige Kommissarin. Er bietet ein erstes Paket praktischer Initiativen für die Stärkung der Erfahrungen von Frauen in IKT-Karrieren. Viele Hochschulen und IKT-Industriepartner haben den Kodex unterzeichnet. Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und der IKT-Industrie verstärken und ausweiten In der sich rasant entwickelnden IKT-Welt, die in hohem Maße von unternehmerischem Handeln und der Marktaktivität bestimmt wird, muss die Wissenschaft eine enge Beziehung zur Industrie aufrechterhalten. Von der Industrie durchgeführte Programme mit universitärer Beteiligung wie die Academic Initiative von IBM oder die Academic Alliance von Microsoft stellen in diesem Zusammenhang wichtige Instrumente dar. Ein erster Schritt war das Angebot kostenfreier oder -günstiger Produkte und Dienstleistungen für Hochschulen. Neue Entwicklungen umfassen die Bereitstellung von industriellen
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Rechenzentrumskapazitäten und großen Datenanalyseumgebungen wie in der gemeinsamen Initiative Cloud Computing University von IBM und Google. Außerdem bringt sich die IKT-Branche durch Forschungszentren auf dem Campus, Austausch von Personal und neue Formen der Zusammenarbeit ein. Ein Beispiel dafür ist die finnische Universität Aalto, die gemeinsam mit Nokia und anderen Partnern aus der Industrie gemeinsame Design- und ServiceWerke anbietet, um unternehmerische Aktivitäten von Studierenden und ihren Einsatz für innovative Projekte zu fördern. Die IKT-Branche berät Hochschulen auch bei Möglichkeiten zu Verbesserung und Erweiterung der Ausbildung in Informatik und verwandten Fächern. Ein Beispiel dafür ist die IBM-Initiative Service Science, die die Entwicklung von Lehrplänen für IKT-Innovationen in komplexen Servicesystemen wie dem Gesundheitswesen oder dem Energiesektor fördert. Aktuell wurde im Rahmen der IBM Academic Days darüber debattiert, wie die Analyse großer Datenmengen in der akademischen Ausbildung geleistet werden kann. Über die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Industrie in Bereichen wie Wissenschaft und Unternehmertum hinaus besteht auch Bedarf für eine bessere Zusammenarbeit zwischen privaten IKT-Schulungszentren, der Industrie und den Hochschulen. Dies berührt das bereits angesprochene Thema Zertifizierung, die als Ergänzung zu den akademischen Abschlüssen angeboten werden sollte. Die Kompetenzen, für die es Zertifizierungen gibt, beziehen sich meist auf einen klar abgegrenzten Bedarf des Marktes, beispielsweise Beherrschung von Methoden der Softwareentwicklung, Produktschulungen oder bestimmte Programmiersprachen. Zertifizierungen können eine breitere akademische Ausbildung mit spezifischen Elementen vervollkommnen, welche es dem Arbeitgeber ermöglichen, zu beurteilen, ob einE BewerberIn eine bestimmte IKT-Aufgabe, -Technologie oder ein Tool beherrscht. Zertifizierung wie sie hier beschrieben ist löst auch das Problem der qualitativen Beurteilung und des sich rasant verändernden IKT-Markts, auf dem spezifische Qualifikationen nur eine geringe Lebensdauer haben. Förderung europäischer Zertifizierungsstandards Die Steigerung des Stellenwerts von Professionalität in der IKT setzt neue Anreize und Dynamik für den Erwerb von weiterführenden IKT-Kompetenzen. Wenn man sich überlegt, ob es sich lohnt, in den Erwerb von Kompetenzen in einem bestimmten Bereich zu investieren, sind Zertifizierungen ein gewichtiges Argument, da sie die Mobilität von Fachkräften verbessern und die Grundlage für die Entwicklung attraktiver Karrierestrukturen legen. Die einzigartige Entwicklung des Rahmens für IKT-Kompetenzen bietet eine konsensbasierte und von verschiedenen europäischen Akteuren entwickelte Referenz für die Bewertung der Kompetenzen von IKT-Fachleuten in allen Mitgliedstaaten und Industriebranchen. Der Rahmen hat das Potential zu einem gewichtigen europäischen Vorteil. Der Rahmen für
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IKT-Kompetenzen bietet eine grundlegende, klare und solide Orientierung für Unternehmen, die Entscheidungen zu Fragen des Talentmanagements, wie Einstellungen, Karriereplanung, Weiterbildung und Mitarbeiterbewertung, zu treffen haben. Es stellt eine Verbindung her zwischen dem Wissen, den Skills und den Kompetenzen, die am IKT-Arbeitsplatz sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor erforderlich sind und eingesetzt werden. Die ehrgeizige Arbeit, die hinter der Veröffentlichung der Europäischen Leitlinien für IKT-Kompetenz-Lehrpläne durch INSEAD steht und die inhaltlich dem Rahmen für IKT-Kompetenzen entspricht, bildet den Beruf des IKT-ExpertInnen in einem standardisierten Lehrplan ab. Dies stärkt die Rolle der europäischen Universitäten in der Ausbildung von IKT-Fachleuten und ManagerInnen mit IKT-Kompetenzen in Europa. Es handelt sich hierbei auf jeden Fall um einen Schritt in die richtige Richtung. Angebot an die Nachfrage anpassen Regierungen, Industrie und Hochschulen sollten eng zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass Europa über die fortgeschrittenen e-Skills verfügt, die es in neuen Bereichen wie Cloud Computing, grüne IT, Cyber-Sicherheit, Interoperabilität und e-Gesundheit braucht. Kompetenzen, die den Erfolg der IKT-Industrie sichern, müssen neue Wachstumsmärkte entwickeln und erschließen. Der Einfluss von e-Skills auf Bereiche wie das Gesundheitswesen wird sich verändern und die Art und Weise, wie wir mit einigen der größten Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft steht, umgehen, verbessern.
Förderung von Partnerschaften für Innovation in der europäischen IKT-Ausbildung und der Entwicklung von e-Skills Wie wir gesehen haben, liegen in der e-Skills-Zukunftsvision große Herausforderungen vor uns. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Schaffung der integrativen e-Skills, die für die IKT-Berufe der Zukunft benötigt werden. 2. Weiterentwicklung der Rolle von IKT und Lernen mit Hilfe von IKT in der Grund- und Sekundarbildung, um das Interesse und die Motivation für IKT-Karrieren zu stärken. 3. Erweiterung und innovative Veränderung der Lehrpläne der akademischen Ausbildung in Informatik und verwandten Disziplinen zur Bewältigung der IKT-Herausforderungen der Zukunft. Dies beinhaltet die Überwindung des vorrangig technischen Fokus in den IKT-Fächern.
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4. Schaffung neuer Partnerschaftsmodelle zwischen Industrie und Wissenschaft, insbesondere zur Förderung der Einbindung der Studierenden in IKT-basierte Innovationen und Unterstützung unternehmerischen Lernens. 5. Ergänzung der akademischen Qualifikationen durch industriegeführte nicht formale Qualifikationen nach in ganz Europa anerkannten Standards und Zertifizierungsmodellen. Verschiedene europäische Organisationen beschäftigen sich von unterschiedlichen Standpunkten aus mit der Weiterentwicklung der IKTAusbildung und e-Skills. Dazu gehören u. a.: das Europäische Innovationsund Technologieinstitut (EIT) – IKT-Labore, die Europäische e-SkillsVereinigung (EeSA), die European Learning Industry Group (ELIG), die European Foundation for Management Development (EFMD), European Schoolnet (EUN) und DIGITALEUROPE. All diese Organisationen haben einen besonderen Schwerpunkt: Standardisierte digitale Kompetenzen und Zertifizierung (EeSA), Innovation und Lerntechnologien für den Erwerb von e-Skills (ELIG), betriebswirtschaftliche und unternehmerische Aspekte von e-Skills (EFMD), e-Skills-Schulprogramme (EUN), wissenschaftliche Exzellenz in der IKT-Ausbildung (EIT) und Gesamtrepräsentation der IKT-Industrie (DIGITALEUROPE). Jeder dieser Bestandteile trägt zu den in diesem Manifest vorgestellten größeren Zielen und in einem weiteren Sinne zur grundlegenden Förderung der e-Skills-Strategie der Europäischen Kommission bei. Europa und die Mitgliedstaaten sind bereit, die nächsten Schritte zu gehen und müssen nun die Empfehlungen beherzigen, die hier ausgesprochen wurden. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit für Innovation in der europäischen IKT-Ausbildung und e-Skills ist dringend erforderlich. Eine groß angelegte und konzertierte Investition von allen Akteuren ist notwendig, um sicherzustellen, dass Europa vollständig von einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit, mehr Wachstum und mehr und besseren Stellen profitieren kann. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Maßnahmen auf den Grundlagen fußen, die im vorliegenden Manifest vorgestellt werden. Es ist jetzt an der Zeit, die einzelnen Teile zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Europa 2020 ist das nächste Ziel. In diesem Manifest erklären wir, die Akteure und Unterstützer der Europäischen e-Skills-Strategie, uns bereit, unserer Rolle bei der Schaffung einer europäischen Innovationspartnerschaft in der Bildung gerecht zu werden. Damit reagieren wir auf den Aufruf der für die Digitale Agenda
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zuständigen Kommissarin Neelie Kroes bei der Konferenz Online Educa in Berlin im Dezember 2011. Innovationen in der IKT-Ausbildung und der Entwicklung von e-Skills müssen das vorrangige Ziel für die Zukunft werden. Die von der dänischen Präsidentschaft am 27. und 28. Februar 2012 veranstaltete Konferenz kam den beiden Worten, die die obige Vision am besten zum Ausdruck bringen, vielleicht am nächsten: „Digitale Denkweisen“ oder „Digital denken“ ist in der Tat das, was wir brauchen, um Wachstum und Arbeitsplätze in Europa zu diesem kritischen Zeitpunkt zu fördern.
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AUTOREN Pilar del Castillo Vera
Abgeordnete des Europäischen Parlaments Dr. Pilar del Castillo ist Abgeordnete des Europäischen Parlaments und stammt aus Spanien. Zwischen 2000 und 2004 war sie Ministerin für Bildung, Kultur und Sport in ihrem Heimatland. 2004 wurde sie zum ersten Mal ins Europäische Parlament gewählt. Sie gehört dem Partido Popular (Volkspartei) an, welcher wiederum Mitglied der Europäischen Volkspartei ist. Sie ist Koordinatorin der EVP-Fraktion im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungsangelegenheiten, Mitglied der Delegation für die Beziehungen zur Volksrepublik Indien und stellvertretendes Mitglied der Delegation im Gemischten Parlamentarischen Ausschuss EU-Kroatien. Seit 2009 hat sie den Vorsitz in der Europäischen Internet-Stiftung inne und ist Mitglied des Transatlantic Policy Network (TPN) und des Europäischen Energieforums (EEE). Pilar del Castillo gehört außerdem dem Knowledge4Innovation-Forum (K4I) an und ist Vorsitzende der ständigen Arbeitsgruppe Energie des European Ideas Network.
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Professor Martin Curley
Beratender Chef-Ingenieur und Direktor, Intel Labs Europe, Intel Corp. Martin Curley ist Direktor von Intel Labs Europe und beratender Chef-Ingenieur bei der Intel Corporation. Intel Labs Europe ist eine Netzwerkorganisation von vierundzwanzig Intel-Laboren und über tausend ForscherInnen/EntwicklerInnen in Europa, die es sich zum Ziel gesetzt hat, sowohl die Intel-Forschung als auch die europäische Wettbewerbsfähigkeit/Gesellschaft nach vorne zu bringen. Zuletzt war Herr Curley Globaler Direktor IT-Innovation bei der Intel Corporation. Zuvor bekleidete er verschiedene führende Posten im Bereich IT-Management und Automatisierung bei Intel, sowohl in den USA als auch in Europa, und Management- und Forschungsstellen bei General Electric (Irland) und Philips (Niederlande). Er ist Verfasser und Mitverfasser von drei Werken zu den Themen Technologiemanagement für Wertschöpfung, Innovation und Unternehmertum. Außerdem ist er Professor für Technologie und Innovationstätigkeit in Unternehmen an der National University of Ireland, Maynooth und war Gaststipendiat am MIT Sloan. Er ist Mitgründer/Direktor des Innovation Value Institute, einem einzigartigen Zusammenschluss von Industrie und Hochschulen für offene Innovationen, das sich der Förderung von Management und Innovationen in der IT verschrieben hat. Gegenwärtig ist er Vorsitzender der Open Innovation Strategy and Policy Group der EU und Mitglied des High-Level Panel on the Measurement of Innovation der EU.
AUTOREN
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Eva Fabry
Direktorin des European Centre for Women and Technology (ECWT) Eva Fabry ist eine der Gründerinnen des ECWT und seine derzeitige Direktorin. Sie ist außerdem Vorsitzende des Global Women and Technology (GWT) Network sowie Managerin Europäische Angelegenheiten beim Regionalen Innovationszentrum Papirbredden Innovasjon. Seit 2000 ist Frau Fabry aktiv am Aufbau des internationalen Netzwerks der Schwedischen Nationalen Vereinigung für Ressourcenzentren für Frauen (Vorstandsmitglied 2000-2007) und des Europäischen WINNET-Verbands (2006-2007) beteiligt. Seit 2005 ist sie Mitglied des Steuerungsausschusses der International Taskforce for Women and ICTs (ITF) und von der Globalen Allianz für IKT und Entwicklung der VN (GAID) als führende Fachfrau in der Expertengemeinschaft anerkannt. Frau Fabry spielte eine entscheidende Rolle bei der Gründung des European Centre for Women and Technology (ECWT) und wurde im Juli 2008 zu dessen Direktorin gewählt. Sie arbeitet außerdem als Projektmanagerin für das von der Europäischen Kommission im Oktober 2009 ins Leben gerufene Europäische Verzeichnis für Frauen im IKT-Sektor.
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Dr. Michael Gorriz
Chief Information Officer und Head of Information Technology Management, Daimler AG Im Januar 2008 trat Dr. Michael Gorriz sein Amt als Chief Information Officer (CIO) und Head of Information Technology Management (ITM) bei der Daimler AG an. Er ist verantwortlich für die Strategie, Planung und Entwicklung aller ITSysteme sowie den Betrieb aller Rechenzentren und Kommunikationsnetzwerke der Daimler AG. Herr Dr. Gorriz berichtet direkt an Wilfried Porth, Personalvorstand von Daimler. Er begann seine Karriere im deutschen Luftfahrtunternehmen Messerschmitt-Bolkow-Blohm GmbH, das später unter dem Namen DASA als Tochterfirma von Daimler-Benz bekannt wurde und kürzlich im EADS-Konzern verschmolzen ist. Anfang 2000 kam er als Vizepräsident IT Business Systems ins ITManagement von Daimler, wo er 2005 zusätzlich die Funktion des CIO Mercedes-Benz Cars and Vans übernahm. In dieser Funktion war Herr Dr. Gorriz für weltweite IT-Systeme innerhalb des Geschäftsbereichs Mercedes-Benz Cars and Vans der Daimler AG zuständig. 2009 wählten ihn die Zeitschriften CIO und Computerwoche zum „CIO des Jahres“ in der Kategorie Großunternehmen.
AUTOREN
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Peter Hagedoorn
Generalsekretär, EuroCIO Peter Hagedoorn ist seit etwa 20 Jahren in der IT-Branche tätig. 2000 übernahm er die Funktion des Chief Information Officer und des Vizepräsidenten bei Hagemeyer (einem niederländischen multinationalen Handelsunternehmen) und anschließend die des Chief Information Officer und beratenden Vizepräsidenten bei Océ NV. Im Jahre 2004 gründete er mit anderen niederländischen CIOs die Niederländische CIO-Plattform, eine Vereinigung von CIOs, die er fünf Jahre lang führte. Während dieses Zeitraums war er auch Mitglied des Beirats von EuroCIO. 2005 wurde Peter Hagedoorn für seine herausragenden Verdienste mit dem Preis „CIO des Jahres“ ausgezeichnet. Seit 2008 berät er verschiedene öffentliche und private Organisationen. In diesem Zusammenhang bekleidete er beispielsweise die Funktion des Geschäftsführers der Unternehmensberatung 3Align und die des KoVorsitzenden des Vorstands der Europäischen e-Skills-Vereinigung. Im November 2011 ernannte der Vorstand Peter Hagedoorn zum ersten Generalsekretär der European CIO Association (Nachfolgeorganisation von EuroCIO).
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Edit Herczog
Abgeordnete des Europäischen Parlaments 1989 trat sie der MSzP (Ungarische Sozialistische Partei) bei. 1998 bis 2004 saß sie in der ungarischen Nationalversammlung. Seit 2007 ist Frau Herczog Mitglied des Vorstands der Ungarischen Sozialistischen Partei. 2004 wurde sie ins Europäische Parlament gewählt und war fortan Vollmitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie und im Haushaltskontrollausschuss. Gegenwärtig ist sie Vollmitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie und stellvertretendes Mitglied im Haushaltskontrollausschuss und im Haushaltsausschuss. Sie ist außerdem Schatzmeisterin der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament. Edit Herczog sitzt in den Vorständen des Europäischen Energieforums, der Europäischen Internet-Stiftung, der Kangaroo Group, des Forum for the Future of Nuclear Energy und des Transatlantic Policy Network.
AUTOREN
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John Higgins, CBE
Generaldirektor DIGITALEUROPE John Higgins ist seit November 2011 Generaldirektor von DIGITALEUROPE, der Vereinigung der digitalen Technologieindustrie in Europa. Vorher leitete er neun Jahre lang ihre britische Mitgliedsorganisation Intellect. Seit mehr als 20 Jahren ist er in der IT tätig. 1995 wurde er zum CEO des Rocket Networks, eines dot.com-Unternehmens aus Kalifornien, das die weltweit ersten Online-Aufnahmestudios entwickelte, ernannt. 1998 kehrte er nach Großbritannien zurück und wurde Generaldirektor der Computing Services and Software Association, einer der Vorläuferinnen von Intellect. Herr Higgins ist Mitglied des Vorstands der Universität Warwick und Vorsitzender ihres Prüfungsausschusses. Außerdem leitet er das Global Policy Action Committee der World IT Services Association WITSA und Vorstandsmitglied bei e-Skills, dem britischen Rat für Kompetenzen für den digitalen Sektor. Zweimal erhielt er einen Preis für außergewöhnliches Engagement, einmal für Vereinigungen (2004) und einmal für die ITIndustrie (2008). Die Queen ernannte ihn 2005 für seine Dienste an der britischen IT-Industrie zum Commander of the British Empire (CBE).
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Alexa Joyce
Senior Corporate Development Manager European Schoolnet Alexa Joyce ist Senior Corporate Development Manager bei European Schoolnet, dem Netzwerk von Bildungsministerien aus 30 europäischen Ländern. Ihre Aufgabe besteht in der Bildung neuer großer Partnerschaften und der Leitung einer wichtigen F&DInitiative aus dem Bereich der STEM-Bildung mit dem Namen inGenious (www.ingenious-science.eu). Frau Joyce arbeitet seit 13 Jahren im Bildungsbereich. Ihr Schwerpunk liegt dabei auf der Ausbildung in Naturwissenschaften, Technik, Ingenieurwesen und Mathematik sowie der Rolle der Technologie für die Forderung von Bildungsreformen im Bereich der Lehr- und Lernprozesse. Frau Joyce fungiert auch als externe Beraterin für das STEM+ CatalystProgramm von Hewlett-Packard und ist Mitglied im Vorstand der Europäischen e-Skills-Vereinigung. Sie ist Herausgeberin und Verfasserin zahlreicher wichtiger politischer Dokumente wie des e-Skills-Manifests und des Weißbuchs Frauen und IKT von Cisco. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf europäischen Projekten zur Bildungsforschung. Sie war jedoch auch schon als Beraterin für die OECD, die IUPAC und die UNESCO (in Paris, Frankreich und Bangkok, Thailand) zu globaler Bildung sowie Bildung im Asien-Pazifik-Raum tätig.
AUTOREN
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Werner Korte Direktor, empirica
Werner B. Korte ist neben Simon Robinson einer der beiden Geschäftsführer von empirica (http://www. empirica.com/index_de.php) und zuständig für viele der größten Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu den Themen e-Skills und Politikbewertung, neue Arbeitsformen, Informationsgesellschaft, statistische Indikatoren für die Bewertung von e-Skills und vielen weiteren. Zu den in letzter Zeit unter seiner Verantwortung durchgeführten bedeutenden Projekten zählen „IKT-Kompetenzen“, „Monitoring e-Skills Supply and Demand in Europe“ (2009-2010) und die e-Skills-21-Studie „Evaluation of the Implementation of the Communication on e-Skills for the 21st Century“ für die GD Unternehmen und Industrie (2010). Herr Korte führte auch Studien zu „e-Skills Country Profiles“ und „Skills Statistics“ für Cisco Systems durch. Ab 2012 arbeitet er als Projektkoordinator für die GD-Unternehmens-Studien über „e-Skills Vision, Roadmap and Foresight Scenarios“ und „Quality labels for training fostering e-Skills“.
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Dr. Bruno Lanvin
Geschäftsführer INSEAD eLab Dr. Bruno Lanvin war früher leitender Angestellter der Weltbank und der Vereinten Nationen. Gegenwärtig leitet er das eLab von INSEAD. Er befasst sich schwerpunktmäßig mit den Themen Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, Kompetenzen und Regierungsreform. Ihn verbinden seit langem Beziehungen mit dem Weltwirtschaftsforum (insbesondere ist er seit 2001 an der Entwicklung und jährlichen Erstellung des Networked Readiness Index und des Global Information Technology Report beteiligt). Er spielte führende Rollen in den Arbeiten von INSEAD zum Thema Innovation (Entwicklung des Innovation Readiness Model (IRM), Anpassung des Global Innovation Index (GII), Erarbeitung von Kompetenzen für Innovation – Arbeit für die Europäische Kommission und die European Business Summits seit 2009). Während seiner 20-jährigen Tätigkeit für die Vereinten Nationen bekleidete er verschiedene führende Posten. Unter anderem war er Kabinettschef des Generaldirektors der Vereinten Nationen in New York, Leiter Strategische Planung und später Chef der Einheit Wettbewerbsfähigkeit von KMU innerhalb der UNCTAD/SITE. Dr. Lanvin wird häufig als Eröffnungsredner zu hochrangigen Treffen eingeladen und berät internationale Unternehmen und Regierungen zu strategischen Themen.
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Andrea Parola
Geschäftsführer der Europäischen e-Skills-Vereinigung (EeSA) Andrea Parola ist Berater aus Brüssel. Derzeit ist er Geschäftsführer der Europäischen e-Skills-Vereinigung (EeSA), einer Plattform unterschiedlicher Akteure mit Sitz in Brüssel. Die EeSA fungiert als wichtigste europäische Plattform für die Entwicklung von IKT-Skills und Kompetenzen für ExpertInnen, Fachleute und BürgerInnen in allen Branchen und der gesamten Gesellschaft, mit dem Ziel, ein integrativeres, wettbewerbsfähigeres und innovativeres Europa aufzubauen. Die EeSA fördert den Ideenaustausch, versucht, ein neues Bewusstsein zu schaffen und bewährte Praktiken in Europa umzusetzen und unterstützt die Entwicklung von Werkzeugen und Methoden für den Umgang mit e-Skills. Herr Parola ist außerdem Geschäftsführer des von ihm 2009 gegründeten Unternehmens EU Strategy sprl, das im Bereich Public Affairs und Advocacy tätig ist.
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Dr. Richard Straub Generalsekretär, European Learning Industry Group Während seiner zweiunddreißigjährigen Tätigkeit für IBM hat Dr. Richard Straub wichtige internationale Führungsposten wie den des Stellvertretenden Geschäftsleiters PCs Europa oder den des Global Chief Learning Officer bekleidet. 2006 begann er eine neue Karriere bei gemeinnützigen Organisationen - als nebenberufliche Führungskraft und als Sozialunternehmer. Derzeit sitzt er im Vorstand der European Foundation for Management Development (EFMD) und ist Generalsekretär der European Learning Industry Group (ELIG). Außerdem behielt er die Funktion des strategischen Beraters für die globale Bildungsindustrie bei IBM. Als Sozialunternehmer gründete Herr Straub 2008 die Peter Drucker Society of Austria und 2010 die Peter Drucker Society Europe, deren Präsident er ist. Die Peter Drucker Society versteht sich als Katalysator für die Verbesserung des Managements als zentrale Aufgabe in der modernen Gesellschaft. Wichtigste Veranstaltung der Drucker Society ist das jährlich in Wien stattfindende Global Peter Drucker Forum – die vierte Ausgabe ist für November 2012 geplant.
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Don Tapscott Don Tapscott ist einer der führenden Köpfe bei den Themen Innovation, Medien und wirtschaftliche und soziale Auswirkungen von Technologie. Er berät Unternehmen und Regierungsvertreter in der ganzen Welt. Er ist (Mit-)Autor von 14 viel gelesenen Büchern, darunter des Bestsellers Paradigm Shift von 1992. Sein großer Erfolg The Digital Economy von 1995 veränderte weltweit das Denken über die verändernde Natur des Internets. Zwei Jahre später definierte er in Growing Up Digital die Net-Generation und die „digitale Kluft“. Sein Werk Digital Capital führte 2000 bahnbrechende Ideen wie das „Business Web“ ein und wurde von BusinessWeek als „reine Erleuchtung“ gefeiert. Wikinomics: Die Revolution im Netz war 2007 das meistverkaufte Managementbuch in den USA und wurde in über 25 Sprachen übersetzt. The Economist beschrieb seine neueste Veröffentlichung Macrowikinomics: Rebooting Business and the World als „schumpetereske Geschichte kreativer Zerstörung“ und die Huffington Post schrieb, dieses Buch sei „nichts Anderes als eine Strategie zur Heilung einer zerbrochenen Welt“. In über 30 Jahren hat Don Tapscott zahlreiche richtungsweisende Konzepte eingeführt, die Teil des Weltverständnisses von heute geworden sind. 2011 wurde er erneut in die Thinkers50 Definitive List of the Top 50 Business Thinkers in the World aufgenommen, in der er den neunten Platz belegt. Er wurde Zweiter bei der Wahl zum World‘s Leading Thinker on Globalization und Macrowikinomics errang den zweiten Platz bei der Verleihung des Preises für das Best Business Book of the Last Two Years. Herr Tapscott ist Mitglied des Weltwirtschaftsforums und außerordentlicher Professor für Management an der Rotman School of Management der Universität Toronto. Es ist schwierig, sich jemanden vorzustellen, der die digitale Revolution und ihre Folgen für die Welt mehr und tiefgreifender erklärt hat als und damit so großen Einfluss hatte wie Don Tapscott.
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Das e-Skills-Manifest
John Vassallo
Vize-Präsident EU-Angelegenheiten, juristischer Berater Microsoft Europa John Vassallo leitet das Team EU Corporate Affairs and Regulatory bei Microsoft in Brüssel. Sein Posten wurde geschaffen, um den Dialog des Unternehmens mit der EU-Politik- und Rechts-Gemeinschaft zu führen. John Vasallo war Vorsitzender von AmCham EU, einer Organisation, die 140 Unternehmen amerikanischer Herkunft bei den Europäischen Institutionen und den EU-Regierungen in Brüssel vertritt. Zwischen 1993 und 1997 war Herr Vasallo Botschafter Maltas bei der Europäischen Union, der NATO und in Belgien. In dieser Funktion verhandelte er den Zeitplan für den Beitritt seines Landes zur EU und zur NATO. Anschließend bekleidete er den Posten eines führenden Rechtsbeistands und des Direktors des European Affairs Office von General Electric in Brüssel, die er bis zu seinem Wechsel zu Microsoft 2008 innehatte.
AUTOREN
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LITER ATUR ANGABEN Accenture. (2008). One step ahead of 2011. A new horizon for working women. Eingesehen auf der Accenture-Website: http://www.accenture. com/SiteCollectionDocuments/Local_Germany/PDF/2008_ ANewHorizonforWorkingWomen.pdf Accenture. (2010). Women Leaders and Resilience – Perspectives from the C-Suite. Eingesehen auf der Accenture-Website: http://www.accenture. com/SiteCollectionDocuments/PDF/Accenture_Womens_Research_ Women_Leaders_and_Resilience3.pdf Ala-Mutka, K., Punieand, Y., & Redecker, C. (2008). Digital Competence for Lifelong Learning. Richtlinienhinweis. Europäische Kommission. JRC Technical Notes ( JRC48708). Eingesehen auf der JRC-Website: http://ftp.jrc.es/EURdoc/JRC48708.TN.pdf Andersson, T., Curley, M., & Formica, P. (2010). Knowledge driven entrepreneurship. The key to social and economic transformation. (Innovation, Technology, and Knowledge Management). New York: Springer. BERR , BCS, e-Skills UK, & Intellect. (2008). Women in IT Scorecard. A definitive up to date evidence base for data and commentary on women in IT employment and education. Eingesehen auf der Website des National Archives UK: http://webarchive.nationalarchives.gov. uk/20100421065100/e-skills.com/research-and-policy/2535 Britain Works Program: http://www.microsoft.com/uk/britainworks/ britainworks.aspx Cattaneo, G., Husing, T., Kolding, Korte, W.B., & M., Lifonti, R. (2009). Monitoring e-Skills demand and supply in Europe. Current situation, scenarios, and future development forecasts until 2015. Eingesehen am 30. März 2012 auf der eSkills Monitor-Website http://www.eskills-monitor. eu/documents/e-Skills%20Monitor2010_brochure.pdf Cedefop. Skill supply and demand in Europe. Medium Term forecast up to 2020. Eingesehen auf der Cedefop-Website: http://www.cedefop.europa. eu/EN/Files/3052_en.pdf Danish Business Authority und Europäische Kommission (2012). European High Level Conference: A Single Digital Market by 2015 - A driver for economic growth and jobs. Eingesehen auf der Website der Dänischen
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Ratspräsidentschaft. Siehe im Sitzungsbericht den Vorschlag des ehemaligen finnischen Premierministers, Esko Aho, zur Verwendung der Mittel aus dem Europäischen Strukturfonds für IKT http://eu2012.dk/en/Meetings/ Conferences/Feb/A-Single-Digital-Market-by-2015 Devillard, S., Desvaux, G., & Baumgartner, P. (2007). Women Matter. Gender diversity, a corporate performance driver. McKinsey &Company. Eingesehen auf der McKinsey & Company-Website DIGITALEUROPE: http://www.digitaleurope.org/ Dolton, P., & Pelkonen, P. (2008) The wage effects of computer use. Journal of Industrial Relations, 46 (4), 587-630. EU Women: https://www.facebook.com/euwomen http://linkd.in/euwomen; @EUWomen Europäische Kommission, Generaldirektion Bildung und Kultur. (2007). Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen - Ein Europäischer Referenzrahmen. Amtsblatt, L 394. Eingesehen auf der Website der Europäischen Kommission: http://ec.europa.eu/dgs/education_culture/ publ/pdf/ll-learning/keycomp_en.pdf Europäische Kommission, Generaldirektion Forschung. (2009). She figures 2009, Statistics and Indicators on Gender Equality in Science. Eingesehen auf der Website der Europäischen Kommission: http://ec.europa.eu/research/ science-society/document_library/pdf_06/she_figures_2009_en.pdf Europäische Kommission. Demography Report 2008: Meeting Social Needs in an Ageing Society. Brussels: SEC (2008) 2911. Eingesehen auf der Website der Europäischen Kommission: http://ec.europa.eu/social/ BlobServlet?docId=709&langId=en Europäische Kommission. Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration. (2012). European Vacancy Monitor. (Ausgabe Nr. 5/ Januar 2012). Eingesehen auf der Website der Europäischen Kommission: http://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=7314&langId=en Europäische Kommission. Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration. (2011). Employment and Social Developments in Europe 2011. Eingesehen auf der Website der Europäischen Kommission: http://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=7294&langId=en
LITERATURANGABEN
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LITERATURANGABEN
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Dieses Manifest wird von European Schoolnet und DIGITALEUROPE als Teil der Europäischen e-Skills Week herausgegeben. Die Europäische e-Skills Week ist eine Initiative der Europäischen Kommission und wird aus ihrem Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) finanziert, mit dem die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen gefördert werden soll.
Herausgeber European Schoolnet (EUN Partnership AISBL), Rue de Trèves 61, 1040 Brüssel, Belgien Verfasser Caroline Bergaud, Natalia Kurop, Alexa Joyce und Colleen Wood Design, DTP und Druck Josworld, Belgien und Hofi Studio, Tschechische Republik Übersetzungskoordination Danosh Nasrollahi
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Autoren Pilar del Castillo Vera Martin Curley Eva Fabry Michael Gorriz Peter Hagedoorn Edit Herczog John Higgins CBE Alexa Joyce Werner Korte Bruno Lanvin Andrea Parola Richard Straub Don Tapscott John Vassallo ISBN 9789490477301 - EAN: 9789490477301 Druckauflage 14.000
Veröffentlicht im Juni 2012. Die in dieser Veröffentlichung geäußerten Meinungen sind diejenigen der Verfasser und spiegeln nicht unbedingt die von European Schoolnet, DIGITALEUROPE, der Europäischen e-Skills-Vereinigung oder der Europäischen Kommission wider. Die Veröffentlichung dieses Buches unterliegt den Bestimmungen der Creative-Commons-Lizenz Attribution 3.0 Unported (http://creativecommons.org/ licenses/by/3.0/).
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Notizen
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Notizen
Notizen
DAS e-SKILLSMANIFEST Nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt beginnen die gewerbliche Wirtschaft und viele ihrer Institutionen zu scheitern. Gleichzeitig werden die Umrisse neuer Unternehmen, Industrien und einer neuen Zivilisation deutlicher. Aus diesem Grund steht Europa an einem kritischen Punkt. Es herrscht eine immer größere Kluft hinsichtlich der digitalen Kapazitäten zwischen den Anforderungen an digitale Veränderungen auf der einen und den Kompetenzen, dem Know-how und den Fähigkeiten der Arbeitskräfte auf der anderen Seite. Um das Potential der digitalen Revolution voll auszuschöpfen und im globalen Wettbewerb Schritt halten zu können, muss Europa dringend eine Arbeitnehmerschaft, die mit e-Skills ausgestattet ist, aufbauen. Wenn sie zusammenarbeiten, haben Industrie, Bildungswesen und Regierung die Macht, langfristiges Handeln und nachhaltigen Erfolg zu gewährleisten, welche zu Arbeitsplätzen, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum führen werden. Das vorliegende Manifest ist eine Blaupause dafür, wie dies aussehen könnte. Seine Grundlage bildet die Gegenüberstellung unterschiedlichster Perspektiven - ein wahres Muss für alle, die mit der Entwicklung, Förderung und Bindung von Talenten mit e-Skills im 21. Jahrhundert zu tun haben. „Die Kluft bei den digitalen Kapazitäten ist ein riesiges Problem. Die Arbeitsmärkte von heute funktionieren global. Angesichts von Unternehmensmodellen, die in Netzwerke eingebunden sind, sehen sich WissensarbeiterInnen dem Wettbewerb in Echtzeit ausgesetzt. ArbeitnehmerInnen und ManagerInnen müssen wie nie zuvor dazulernen, sich anpassen und Leistung erbringen.“ Don Tapscott
Don Tapscott ist einer der weltweit führenden Köpfe bei den Themen
Innovation, Medien und wirtschaftliche und soziale Auswirkungen von Technologie. Er berät Unternehmen und Regierungsvertreter in der ganzen Welt. Er ist Bestseller-Autor von 14 Büchern über Technologie in Wirtschaft und Gesellschaft. Sein neuestes Werk (mit Anthony D. Williams) trägt den Titel Macrowikinomics. The Economist nannte es eine „schumpetereske Geschichte kreativer Zerstörung“ und die Huffington Post schrieb, dieses Buch sei „nichts Anderes als eine Strategie zur Heilung einer zerbrochenen Welt“. Derzeit leitet Don Tapscott eine Studie zu neuen Modellen für globales Problemlösen und internationale Politik.