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Mutgeschichten der Redaktion

Mut

Anna-Nicole Heinrich

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Mut – das ist ein kleines Wort. Aus nur drei Buchstaben besteht es, nur eine Silbe hat er, der Mut. Viel Aufhebens um sich macht er also nicht. Doch der Mut hat es in sich. Mut hat Kraft und kann Gutes bewirken. Mut hat eine gute Aussicht und setzt auf Hoffnung, getragen von Zuversicht. Mut verlangt manchmal ganz schön viel. Manchmal ist man mutig und manchmal muss man mutig sein. Und manchmal geschieht es, dass man viel mutiger ist, als man es von sich selbst gedacht hat.

In ziemlichen vielen Worten steckt „Mut“ drin. Mut ist vielfältig. Mal sind die „Mut-Worte“ maskulin und mal sind sie feminin. Mut zeigt sich auf unterschiedliche Weise. In Demut zum Beispiel steckt „Mut“ oder auch in Wankelmut, aber auch in Freimut oder auch in Anmut. Einmütig können Entscheidungen getroffen werden. Gutmütige Menschen sind sympathisch und friedliche Zeitgenossen. Hochmütige hingegen sind kaum zu ertragen. Arroganz hat zerstörerisches Potenzial. Den Sanftmütigen sagt Jesus in der Bergpredigt zu, dass sie das Erdreich besitzen werden. Wagemut ist bereit, etwas zu riskieren. Er kommt leichtsinniger daher als der Großmut. Und in mancher Herausforderung liegt eine echte Zumutung.

Zugegeben, wirklich häufig benutze ich diese Worte nicht: Großmut, Freimut, Wankelmut. Das Wort mutig nutze ich häufiger. Jemand trifft mutige Entscheidungen, geht mutig voran. „Kirche muss mutig sein, sich was trauen.“ Mutig zu sein, das ist was Positives, das heißt, aus Routinen auszubrechen, ausgetretene Pfade zu verlassen, Neues zu erkunden. Das heißt, eine Vision, ein Ziel vor Augen zu haben, aber den Weg noch nicht zu kennen. Häufig sind da Hürden, die überwunden werden. Aber mutig zu sein heißt voll Überzeugung zu sein, dass es wert ist etwas zu tun, Hürden zu überwinden, das es etwas gibt, für dass es sich lohnt.

Mut und Gemüt gehören zusammen. Ich muss mir ein Herz fassen, wenn ich mich etwas traue. Und es kommt auch vor, dass ich mir etwas zutraue, auch wenn andere sagen: Das kannst du nicht oder das schaffst du nie. Doch, doch, sagt dann mein Mut, und ich hoffe, dass das nun nicht allzu übermütig ist. Na, wird schon gut gehen, beruhigt mich meine Unerschrockenheit. Vielleicht klopft mein Herz dabei ganz heftig in meiner Brust. Ich brauche dabei aber nicht nur mein Herz, sondern auch meinen Verstand. Denn naiv und blind bin ich nicht. Ich kann die Situation schon einschätzen. Entschlossen und beherzt gehe ich es an. Mit ganzem Gemüt und all unseren Kräften sollen wir Gott lieben und wir sollen den Nächsten lieben wie uns selbst. So heißt es in der Bibel.

Mut ist mehr als nur eine Gefühlsanwandlung, mehr als nur eine Erkenntnis, dass es doch anders und darum besser sein soll. Mut ist eine Haltung. Für mich kommt er aus meinem Gottvertrauen. Zum Mut gehört die Zuversicht, die Sehnsucht danach, dass es irgendwie gut ausgeht. Für mich und mein Leben, aber eben nicht nur für mich allein, sondern für alle.

Und manchmal muss man seinen ganzen Mut zusammennehmen, um nicht in der Angst unterzugehen, die einen überfallen hat. Man muss den Mut regelrecht aus vielen kleinen Einsichten und Hoffnungen zusammensammeln. Das kostet Kraft, macht aber fähig zum Handeln, denn es eröffnet Spielräume und im besten Falle gehen Türen auf, die fest verschlossen schienen.

Mutlosigkeit hingegen lähmt. Die Furcht zieht Energie ab. Es geht nicht vor und nicht zurück. Man dreht sich im Kreis und kommt da nicht raus. Immer wieder werden dieselben Fragen gewälzt. Dann brauche ich jemanden, der mir sagt: „nur Mut“ oder „fürchte dich nicht“. Es braucht jemanden, der

Foto: Peter Bongard

diesen Kreislauf der Mutlosigkeit und Verzagtheit durchbricht. Jemanden, der mir dabei hilft, darüber hinaus zu blicken. Mut-Worte, die brauche ich immer wieder, Mut-Worte, die jemand mir zuspricht und in denen ich höre: Ich bin nicht allein. Eines meiner Mut-Worte ist: Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit (2. Timotheus-Brief 1,7). „Uns“ – also nicht nur mir allein. Mir gibt das Kraft in all meinem Tun. Ich gehöre zu einer Gemeinschaft, wir sind viele. Überall auf der Welt leben und wirken Christ:innen, die glauben, hoffen und lieben. Der Mut anderer steckt mich an und begeistert mich, gibt mir Schwung, manchmal leihe ich mir von anderen deren Furchtlosigkeit. In unseren Kirchen und Gemeinden sind viele, die sich für ein gutes Leben für alle einsetzen – gerade zurzeit engagieren sich so viele in der Hilfe für Flüchtlinge, protestieren auf Demonstrationen für Freiheit und Gerechtigkeit, Beten für den Frieden.

Was zeichnet einen Menschen aus, von dem gesagt wird, die ist aber mutig oder der traut sich etwas (zu). Mutig ist jemand, der etwas wagt, der bereit ist, sich auf unsicheres Terrain zu begeben, etwas anzugehen, von dem man noch nicht weiß, wie es ausgehen wird. Bisweilen ist der Mut auch geradezu winzig klein und beinah nicht mehr vorhanden. Aber er ist da. Der Prophet Elia begegnet Gott im leichten, sanften Säuseln, im Windhauch – nicht im Sturm, nicht im Erdbeben und nicht im Feuer. Dabei hatte er so für Gott gekämpft und gewütet. Nun ist er ausgelaugt. Da begegnet ihm Gott in einem stillen, sanften Sausen (1. Könige 19,1–18).

Der Mut hat noch eine andere Seite, mutig ist nicht allein die, die etwas macht. Mutig ist auch jemand, der sagt: Da mache ich nicht mit, daran beteilige ich mich nicht. Ich mache nicht mit bei der Intrige, bei dem Machtspiel, bei der Hetze gegen eine andere Person. Das verlangt Mut, denn oft sind persönliche Nachteile damit verbunden.

Als Christin bin nicht allein unterwegs, andere sind es auch. Ich gehöre zur Gemeinschaft derer, die aus Gottvertrauen leben und darum eine Kraftquelle haben. Schon in der Schule hab ich mitgesungen:

„Wenn einer sagt, ich mag dich du, ich find dich ehrlich gut, dann krieg ich eine Gänsehaut und auch ein bisschen Mut.“

Das macht mir Mut, dass wir hier viele sind, und uns gegenseitig unterstützen. Es macht mich mutig, mich in dieser Kirche zu engagieren, weil dies viele andere auch tun. Der Glaube an Gott gibt Kraft und Hoffnung, dass wir auch in herausfordernden Zeiten den Mut nicht verlieren. Man stelle sich unsere Kirche vor, die Gottes Liebe in Demut und Anmut lebt und die darum guten Mutes ist und keine Furcht vor Gegenwart und Zukunft hat. Die sich darum nicht in ein Schneckenhaus zurückzieht, weil sie das gut kennt und weil es da vermeintlich sicher ist, weil es schon immer so war. „Fürchte dich nicht“ – darauf setze ich.

Anna-Nicole Heinrich ist Präses der 13. Synode der EKD, Mitglied im Rat der EKD.

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