Chefin - ja oder nein?
08.01.2014
Auf dem Weg nach oben gehen Frauen einfach verloren
Frauen in der Chefetage großer Konzerne sind in Deutschland immer noch eine Seltenheit. Es hat sich aber einiges getan in der jüngsten Zeit. Bald gibt es zudem eine Quote für die Aufsichtsräte. Alles gut also? Von Daniel Rademacher Mary Barra am Steuer bei General Motors, Yahoo-Chefin Marissa Mayer und Janet Yellen als neue oberste Währungshüterin bei der US-Notenbank Fed: Blickt man über den großen Teich, sieht es gar nicht so schlecht aus für Frauen in Führungspositionen. Anders hierzulande: Bei Deutschlands Top-Konzernen sucht man vergeblich eine Vorstandschefin. Dennoch sehen Forscher einen Silberstreif am Horizont. In der Privatwirtschaft hat sich beim Anteil von Frauen in den Chefetagen in den vergangenen Jahren insgesamt wenig getan, wie die Experten des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in einer jüngst veröffentlichten Studie herausfanden. Der Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit zufolge lag der Frauenanteil 2012 in der ersten Führungsebene der Betriebe - damit ist meist der Vorstand gemeint - bei 26 Prozent, nach 25 Prozent vier Jahre zuvor. Auffallend sei aber ein "enormer Anstieg im Westen zwischen 2008 und 2012 auf der zweiten Führungsebene", sagt die IAB-Forscherin Susanne Kohaut, die gemeinsam mit einer Kollegin für die Untersuchung verantwortlich zeichnet. "Diese Entwicklungen kann man als Hinweis deuten, dass die öffentliche Diskussion möglicherweise schon etwas bewirkt hat. Es bleibt zu hoffen, dass dies kein Strohfeuer ist." Sicher, die Führungsetagen deutscher Großunternehmen sind in den vergangenen Jahren weiblicher geworden. So hat beispielsweise die GM-Tochter Opel gleich zwei weibliche -1-
Vorstände: Tina Müller (Marketing) und Susanna S. Webber (Einkauf und Logistik). Bei BMW leitet Milagros Caiña Carreiro-Andree das Personal- und Sozialwesen, und bei Daimler ist Christine Hohmann-Dennhardt die erste Frau im Vorstand - zuständig für den Bereich Integrität und Recht. Generell gilt aber: An den Schalthebeln sitzen nach wie vor meist Männer. Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sieht das Problem darin, "dass es die meisten großen Unternehmen versäumt haben, Frauen von der untersten bis zu obersten Ebene aufzubauen". Insbesondere bei kleineren, aber auch bei mittleren Unternehmen sei die Lage aber schon besser. "Natürlich haben Frauen in Konzernen einige Hierarchiestufen mehr zu überbrücken. Auf dem Weg nach oben gehen die Frauen dann einfach verloren", konstatiert sie. In Ostdeutschland haben Frauen nach Erkenntnissen von IAB-Forscherin Kohaut grundsätzlich häufiger Führungsverantwortung als im Westen - eine Ausnahme bilden die Großbetriebe. "In der zweiten Ebene ist der Anteil von Frauen deutlich höher. Sehr erfreulich ist, dass der Anteil der Frauen im Osten hier ihrem Anteil an allen Beschäftigten inzwischen entspricht." Die Erwerbsbeteiligung von Frauen war im Osten nach ihren Worten schon immer eine andere als im Westen. "Das hat mit einer ganz anderen Tradition und einem anderen Verständnis der Geschlechterrolle zu tun. Außerdem ist die Kinderbetreuung dort seit jeher besser. Aber im Westen wurde inzwischen auch viel getan." Wenn Frauen Spitzenpositionen innehaben, war es in der Vergangenheit häufig das Personalressort. Experten führen das zumeist darauf zurück, dass Frauen ihre Karriere in diesem Bereich beginnen und im Laufe ihres Aufstiegs im gleichen Arbeitsfeld bleiben. Auch in der Politik ist das Thema ein Dauerbrenner - sowohl in Berlin als auch in der EU. Immer wieder gab es Vorschläge für gesetzlich vorgeschriebene oder freiwillige Quoten. Die große Koalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag schließlich auf eine gesetzliche Frauenquote geeinigt. Demnach sollen in den Aufsichtsräten großer börsennotierter Unternehmen ab 2016 mindestens 30 Prozent Frauen vertreten sein. Darüber hinaus müssen große Unternehmen ab 2015 eigene verbindliche Ziele für die Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsrat, Vorstand und den obersten Management-Ebenen definieren und veröffentlichen. Brüssel will eigentlich mehr, sieht aber in den deutschen Plänen einen guten Anfang. "Wenn das, was jetzt im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist, Realität wird, würde Deutschland gemeinsam mit Frankreich und Italien zu den Vorreitern bei der Frauenquote werden", erklärt EU-Justizkommissarin Viviane Reding. "Das wäre ein starkes Signal für Europa und für die Frauen." Die EU-Kommission strebt bis 2020 europaweit für alle Aufsichtsräte großer Unternehmen eine Frauenquote von 40 Prozent an. Nach ihren Worten sind derzeit europaweit rund 83 Prozent der Mitglieder in Kontrollgremien und 97 Prozent der Vorstandschefs Männer. Daher bekräftigt Reding: "Gemeinsam wollen wir die gläserne Decke einreißen."
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