Jubiläumsmagazin

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Zum Jubil채um 1761-2011



Editorial

Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell

Liebe Freunde des Hauses Faber-Castell, dieses Magazin ist einem außergewöhnlichen Ereignis gewidmet – dem 250-jährigen Firmenjubiläum. Als weltweit führender Hersteller holzgefasster Stifte mit einem breitgefächerten Sortiment zum Schreiben, Zeichnen, kreativen Gestalten und für dekorative Kosmetik zählt Faber-Castell damit zu einem der ältesten Industrieunternehmen der Welt, das bereits in achter Generation in Familienbesitz ist. Wir laden Sie ein, gemeinsam mit uns zurückzublicken auf 250 Jahre bewegte Welt- und Unternehmensgeschichte, die gekennzeichnet ist durch gute Zeiten, durch Aufbruch und Wirtschaftswachstum, aber auch durch schwierige Zeiten, in denen Revolutionen, Kriege und Wirtschaftskrisen zu meistern waren. In unserer Firmengeschichte war es insbesondere mein Ur-Ur-Großvater Lothar von Faber, der das Unternehmen im 19. Jahrhundert nachhaltig geprägt hat: Er gilt als Pionier des Markenartikels, der mit dem Schaffen seiner eigenen Marke einen völlig neuen Anspruch festlegte, welcher nicht nur zum Maßstab für die Branche, sondern auch für die Folgegenerationen des Unternehmens wurde: „Mir war es von Anfang an nur darum zu tun, mich auf den ersten Platz emporzuschwingen, indem ich das Beste mache, was überhaupt in der Welt gemacht wird.“ Im Zuge der strategischen Neuausrichtung von Faber-Castell Anfang der 90er Jahre erfuhren die Leitgedanken Lothar von Fabers als Kernwerte der Marke eine Renaissance. Nach wie vor ist ein Faktor ganz entscheidend für die Erfolgsgeschichte von Faber-Castell: die Einzigartigkeit der Produkte, die sich aufgrund ihres klar erkennbaren Kundennutzens vom Wettbewerb deutlich unterscheiden. Die Graf von Faber-Castell Collection ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel. Wie führen wir die Erfolgsgeschichte von Faber-Castell fort? Ganz einfach: indem wir mit Leidenschaft daran arbeiten, die Wünsche unserer Kunden ständig neu zu ergründen, ihnen zu entsprechen und dabei unserem Anspruch treu bleiben, der auch für die Zukunft des Unternehmens höchste Priorität hat: gewöhnliche Dinge außergewöhnlich gut zu machen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre.

Ihr

250 Jahre Faber-Castell

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Inhaltsverzeichnis

Aus den Familienalben Private Einblicke auf den Seiten 22, 30−34, 46−49, 51 und 118

6 Acht Generationen Die ersten drei Generationen – Kaspar,

Anton Wilhelm und Georg Leonhard Faber

12 Lothar Freiherr von Faber 4. Generation – Sein Leben und sein Werk

52

20 Wilhelm Freiherr von Faber 5. Generation – Schicksalsschläge 26 Alexander Graf von Faber-Castell 6. Generation – Ein großer Name und

eine große Marke entstehen

36 Das Haus Castell

und Faber-Castell als Lebensbegleiter

56 Kompetenzfelder

Spielen & Lernen, Allgemeines Schreiben, Markieren, Premium, Art & Graphic

66 Werkzeug der Kreativen Vincent van Gogh, Carl Barks,

Paul Klee, Oskar Kokoschka, Neo Rauch, Karl Lagerfeld

76 Graf von Faber-Castell Collection

Der Luxus des Einfachen

Vom Landesherrn zum Unternehmer

42 Roland Graf von Faber-Castell 7. Generation – 50 wechselvolle Jahre

8. Generation – Seit 1978 an der Unternehmensspitze

54 Kernwerte der Marke

18 Mit Delfinen & Kamelen Die Bedeutung der Verpackung

Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell

250 Jahre Faber-Castell

82 Faber-Castell Cosmetics

Private Label Hersteller für die Kosmetikindustrie


Ansichten und Meinungen von dem Werk in Stein und aus unseren Gästebüchern auf den Seiten 10, 24, 41, 50, 100 und 110

86 Farbe bekennen

Farbkonzept im Werk Geroldsgrün

90 Aus Stein in die Welt

Internationale Unternehmensgruppe

Impressum Herausgeber: Faber-Castell AG Verantwortlich für den Inhalt: Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell Redaktionsleitung: Sandra Suppa Chef vom Dienst: Antje Röder

Redaktion:

96 Vom Baum zum Bleistift

Im Einklang mit der Natur

101 Die Faber-Castell Sozialcharta 102 Das Graf von Faber-Castell’sche Schloss

Authentische Einblicke in den Lebensstil einer vergangenen Epoche

112 Gewöhnliche Dinge außergewöhnlich gut machen Im Gespräch mit Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell 118 Tradition und Zukunft

Dr. Siegfried Bloß, Ulrike Hammad, Kathrin Hecht, Dr. Renate Hilsenbeck, Edith Luther, Antje Röder, Pia Vogel Produktionsleitung: Stefan Kendl

Gestaltung/Layout:

Pia Vogel, vogelsolutions.com

Fotos/Illustrationen:

Archiv A.W. Faber-Castell, Frank Boxler, Jairo Cantarelli, Gareth Davies, Faber-Castell Cosmetics, Fürstlich Castell’sches Archiv, Fürstlich Castell’sche Bank, Kamila Gaj, Galerie EIGEN + ART, Ralf Hanisch, Christiane Haumann-Frietsch, Friedrich Hewicker, Georg Hohenberg, iStockphoto, Frantzesco Kangaris, Karmann Medienproduktion, Karl Lagerfeld, Elke Mayr, Fee Meisel, Musées de la Ville de Strasbourg, Steidl Verlag, Marc Sullivan, Sandra Suppa, Van Gogh Museum Amsterdam, Venturelli, VG Bild-Kunst/Bonn 2010, Vincent van Gogh Foundation, Pia Vogel, Wolf-Dietrich Weissbach, Privatalben der Familie Faber-Castell

Anschrift der Redaktion:

Faber-Castell AG, Nürnberger Straße 2 D-90546 Stein/Nürnberg Tel.: +49-911 9965-0, Fax: +49-911 9965-5586 Titelbild: Pia Vogel

Produktion:

Verlag Kendl + Weissbach Publikationen, Würzburg Druck: Stürtz GmbH, Würzburg Alle Urheber- und Verlagsrechte dieser Publikation oder Teilen davon sind vorbehalten. Jede Verwertung oder Verwendung, insbesondere Nachdruck, Vervielfältigung, Mikroverfilmung, Speicherung und Nutzung auf optischen wie elektronischen Datenträgern, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Faber-Castell AG.

www.faber-castell.de

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Acht Generationen Kaspar Faber 1730-1784 Anton Wilhelm Faber 1758-1819

Georg Leonhard Faber 1788-1839

Lothar von Faber 1817-1896

Wilhelm von Faber 1851-1893

„Wenn der Mensch etwas produciren etwas schaffen will, so muss das was er schaffen will erst Fleisch und Blut in ihm angenommen haben‌,

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Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell Geboren 1941

Roland Graf von Faber-Castell 1905-1978

Alexander Graf von Faber-Castell 1866-1928

er muss mit einem Wort das Zeug dazu haben, um aus sich selbst heraus schöpfen zu können…“ Lothar Freiherr von Faber in einem Brief an seinen Bruder Eberhard, 31. Mai 1869

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1. Generation 1761–1784

Kaspar

I

n der Reichsstadt Nürnberg sind um das Jahr 1660 die ersten Bleistiftmacher nachzuweisen. Aber auch im Umland etablieren sich etliche Handwerksbetriebe, insbesondere in Stein, einer kleinen Ortschaft im Grenzgebiet zwischen der Reichsstadt und dem Markgrafentum Ansbach. Im Gegensatz zu den Nürnberger Werkstätten unterliegt das Bleistiftmachergewerbe nicht den strengen Auflagen der dort gültigen Handwerkerordnung und kann sich deshalb ungehindert entfalten. Auch der Schreiner Kaspar Faber (1730−1784) widmet sich der Bleistiftherstellung. Zunächst arbeitet er noch für ortsansässige Bleistiftmacher, stellt aber auch auf eigene Kosten Stifte her. Bald ist er so erfolgreich, dass er sich mit einer kleinen Werkstatt selbständig machen kann und in der Lage ist, das Geschäft weiter auszubauen. Nach dem Tod Kaspar Fabers übernimmt sein Sohn Anton Wilhelm (1758−1819) den bereits recht ansehnlichen Handwerksbetrieb seines Vaters. Er erwirbt ein am Ortsrand von Stein gelegenes Grundstück mit Werkstatt, die er binnen weniger Jahre zu einer florierenden Manufaktur ausbaut. Bis auf den heutigen Tag ist hier der Stammsitz der Firma A.W. Faber-Castell angesiedelt. Anton Wilhelm, dessen Initialen in den Firmennamen eingegangen sind, kann seinem einzigen Sohn Georg Leonhard noch zu Lebzeiten einen Besitz übergeben, der in offiziellen Dokumenten bereits als „Bleistiftfabrik“ bezeichnet wird. Georg Leonhard Faber (1788−1839) führt den Bleistiftbetrieb in politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten fort, kann aber nicht verhindern, dass die Geschäfte rückläufig sind. Marktführer sind nach wie vor die englischen Bleistifte,

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Ansicht von Stein. Kupferstich aus: J.C. Volkamer, Nürnbergische Hesperiden, 1708.

denn die Graphitvorkommen in England, vor allem in der Grafschaft Cumberland, sind mit strengem Ausfuhrverbot belegt. In Deutschland hemmen Zollschranken den freien Handelsverkehr, die technische Entwicklung hält dem Fortschritt in den europäischen Nachbarländern nicht stand. Noch werden die Faber’schen Stifte mit herkömm-


2. Generation 1784—1810

3. Generation 1810-1839

Anton Wilhelm

Georg Leonhard

Firmengebäude, Aquarell von Georg Christoph Wilder, um 1830

Georg Leonhard Faber

lichen Methoden gefertigt, während in Frankreich von Nicolas Jacques Conté ein neues Verfahren für die Minenproduktion erfunden worden ist. Georg Leonhard Faber erkennt, dass für die Zukunft seines Unternehmens Bildung und Berufserfahrung im Ausland von entscheidender Bedeutung sind: „Lernt nur soviel ihr lernen könnt,

mir ist kein Geld dafür zu viel“, prägt er seinen Söhnen ein. Während der Jüngste, Eberhard, ein Jura-Studium absolviert, gehen Lothar und Johann auf Reisen. Beeindruckt von der Weltläufigkeit in den Metropolen Paris und London, entwickelt Lothar jene Ideen, die in den Folgejahren die Fabrik in den Rang einer Weltfirma erheben werden.

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Colour scheme in the stairwell at the production site in Stein

Nana Mouskouri | Singer | Greece


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4. Generation 1839–1896

Lothar Freiherr von Faber

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839 übernimmt Lothar nach dem Tod seines Vaters Georg Leonhard die Bleistiftfabrik in Stein. Nachdem er in den damaligen Handelsmetropolen Paris und London wichtige Erfahrungen sammeln konnte, modernisiert der 22-Jährige den väterlichen Betrieb von Grund auf, sein ehrgeiziges Ziel stets vor Augen: „... mich auf den ersten Platz emporzuschwingen, indem ich das Beste mache, was überhaupt in der Welt gemacht wird ...“. Höchste Priorität hat von Anfang an die Qualität seiner Produkte: „… Ich hatte damals eine gewaltige Concurrenz in Bleistiften in Paris zu bekämpfen. … Deshalb galt es für mich Mittel zu ersinnen, um mich über die Concurrenz mit der Zeit emporzuschwingen. Das beste Mittel ist freilich immer die Qualität eines Fabrikates …“. Tatsächlich gelingt es ihm binnen kurzer Zeit, Stifte von ausgezeichneter Qualität herzustellen. Er kennzeichnet sie mit dem Firmennamen und kreiert damit den ersten Markenbleistift. Auch seine Idee, sich mit dem Zusatz „fabrique fondée en 1761“ auf die langjährige Familientradition der Firma als Empfehlung für Qualität und Zuverlässigkeit zu berufen, ist einzigartig in seiner Zeit. 1847 vermählt sich Lothar mit Ottilie Richter, die fortan an seiner Seite den Aufstieg des Unternehmens begleitet. Wilhelm, das einzige Kind des Paares, wird 1851 geboren. Im Gegensatz zu den damals üblichen Gepflogenheiten macht sich Lothar von Faber von Zwischenhändlern unabhängig und bereist persönlich die Länder Europas, um sich einen eigenen Kundenkreis zu erschließen. Weitsich-

tig erkennt er die zukünftige Bedeutung des amerikanischen Marktes und gründet bereits im Jahr 1849 eine Verkaufsgesellschaft in New York. Er knüpft ein weltweit gespanntes Handelsnetz, das er vom Haus in Paris aus (1855) steuert: Als brillanter Schachzug gilt auch, dass Lothar von Faber sich im Jahr 1856 die alleinigen Abbaurechte einer Graphitmine in Sibirien sichert, die den damals besten Graphit der Welt lieferte – eine wesentliche Ressource zur Herstellung von Qualitätsbleistiften. 1861 gründet er eine Schiefertafelfabrik in Geroldsgrün in Oberfranken, die sich im 20. Jahrhundert zu einem der weltweit größten Rechenstab-Werke entwickeln wird. Da die mittlerweile renommierte Marke „A.W. Faber“ vielfach gefälscht wird, reicht Lothar von Faber 1874 eine Petition „zur Schaffung eines Markenschutzgesetzes“ ein und wird damit zum Wegbereiter des Markenschutzgesetzes in Deutschland. Lothar von Faber ist Mitbegründer des Bayerischen Gewerbemuseums (1869) – heute Landesgewerbeanstalt Bayern – und der Nürnberger Lebensversicherung (1884) – heute die erfolgreiche Nürnberger Versicherungsgruppe. Zudem erweist er sich auch als verantwortungsbewusster Unternehmer. Seine sozialen Einrichtungen gelten als derart vorbildlich, dass sogar der französische Kaiser Napoleon III. im Jahr 1867 eine ExpertenDelegation nach Stein entsendet. Auf Grund seiner großen wirtschaftlichen und sozialen Verdienste wird Lothar von Faber 1862 in den Persönlichen und 1881 in den Erblichen Freiherrnstand erhoben. Im Jahr 1867 erhält er den Orden der französischen Ehrenlegion, und 1891 wird er zum „Erblichen Reichsrat der Krone Bayerns“ auf Lebenszeit ernannt.

Ottilie Freifrau von Faber

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Meilensteine 1839–1896

Federhalter und Minendrehstift aus dem Besitz der Königin Maria Sofia beider Sizilien

1844 – Lothar von Faber erweist sich als fortschrittlicher Unternehmer, indem er bereits 1844 eine Betriebskrankenkasse und wenig später eine Arbeitersparkasse und einen Pensionsfond einrichtet. Er lässt Werkswohnungen bauen, unterstützt Schulen und einen der ersten Betriebskindergärten Deutschlands.

1839 – Die

Produktionsanlagen werden

unter dem Gesichtspunkt modernisiert, „sie geräumig und hell herzustellen, und der Gesundheit der Arbeiter Rechnung zu tragen“.

1849 – Mit der Gründung einer Auslandsniederlassung in New York erschließt sich Lothar von Faber frühzeitig den amerikanischen Markt. Bereits seit 1843 ist er dort über eine Agentur präsent.

1851 – Von der neu gegründeten Niederlassung in London aus werden die englischen Kolonien beliefert, die Handelswege reichen bis nach China, Japan und Südamerika, Indien und Australien.

1855 – Im Geschäftshaus in der eleganten Metropole Paris laufen die Fäden des internationalen Handelsnetzes zusammen. Lothar von Faber: „Paris ist es, von wo aus die Fabrik mit ihren Fabrikaten jetzt die Welt beherrscht … Fremde aus allen civilisierten Ländern der Welt kommen nach Paris und besehen sich die

1856 – Lothar von Faber sichert sich

1861 – Lothar von Faber gründet im

Fabrikate meiner Fabriken, während sie sich

durch die Abbaurechte einer Mine in Sibirien

oberfränkischen Städtchen Geroldsgrün bei

hier in Stein nur selten einfinden“.

Graphit von bester Qualität.

Bad Steben eine Schiefertafelfabrik.

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1861 – Die Firma besteht seit 100 Jahren.

1861 – A.W. Faber eröffnet eine Bleistiftfabrik in New York, um im Lande

Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen

selbst produzieren zu können. Die Leitung übernimmt Eberhard Faber (vorne,

über 250 Mitarbeiter und hat einen festen

3. von rechts), der jüngste Bruder Lothars.

Platz auf dem Markt erobert. Auf Initiative von Lothar von Faber wird in Stein ein Vikariat eingerichtet und durch seine großzügige finanzielle Unterstützung wird auch der Bau einer Kirche möglich.

1862 – Für seine herausragenden wirt-

1870

schaftlichen und sozialen Verdienste erhält

fünfte Marke ins Handelsregister der USA

Lothar von Faber im Laufe der Jahre zahl-

eingetragen. Da die vier anderen Firmen nicht

reiche Auszeichnungen. 1862 verleiht ihm

mehr existieren, ist A.W. Faber somit die älte-

König Maximilian II. von Bayern den Titel

ste Marke der USA. Es folgen Registrierungen

eines Freiherrn, drei Jahre später wird er zum

in Russland, England, Italien, Frankreich und

Reichsrat der Krone Bayerns ernannt.

Spanien.

– Die Marke A.W. Faber wird als

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Meilensteine 1839–1896

1875 – Das Markenschutzgesetz in Deutschland tritt in Kraft. Lothar von Faber sieht sich gezwungen, gegen die billigen Nachahmungen seiner Produkte gerichtlich

1874 – Die Agentur in St. Petersburg bil-

vorzugehen.

det einen weiteren wichtigen Stützpunkt für die Produkte aus dem Hause A.W. Faber. Das von Lothar von Faber geknüpfte Handelsnetz umspannt inzwischen die „ganze zivilisierte“ Welt.

1879 – Johann Faber, der jüngere Bruder von Lothar von Faber, gründet in Nürnberg ein eigenes Bleistiftunternehmen.

1880 – Stets legt Lothar von Faber größten

1884 – Seit der Reichsgründung 1871

Wert auf eine exklusive Präsentation seiner

wächst Berlin zu einer bedeutenden Metropole

hochwertigen Produkte. Er gestaltet Verkaufs-

heran. Auch A.W. Faber ist in der neuen

räume und Schaufenster mit viel Liebe zum

Hauptstadt präsent und eröffnet am 22.

Detail und scheut dabei weder Kosten noch

März, dem „Kaisertag“ des Jahres 1884, in

Mühe. Diese Präsentationstruhe ist mit

der eleganten Friedrichstraße ein von dem

Einlegearbeiten und Gussfiguren aufwändig

Architekten Hans Grisebach entworfenes, sehr

dekoriert.

repräsentatives Geschäftshaus.

1881 – Gründung einer Tinten- und Farbenfabrik in Noisy-le-Sec bei Paris.

1891 – Lothar Freiherr von Faber wird zum „Erblichen Reichsrat der Krone Bayerns“ ernannt, ein ehrenvolles Amt in der Ersten Kammer des Bayerischen Landtags, das ihm politische Einflussnahme ermöglicht.

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1892 – Der Hofarchitekt des bayerischen

1899 – Unter großer Anteilnahme der Steiner

Königs Maximilian II., Friedrich Bürklein,

Bevölkerung wird am 19. Juni 1899 vor der Kirche

errichtete für Lothar von Faber um 1848 das

in Stein ein von der Gemeinde gestiftetes Denkmal

„Alte Schloss“. Um 1892 führt er Umbauten

für den 1896 verstorbenen Ehrenbürger Lothar Freiherr

an dem in einen weitläufigen Landschaftspark

von Faber enthüllt. Die lebensgroße Bronzefigur

eingebetteten repräsentativen Anwesen

entwarf der Bildhauer Johann Rössner.

durch. Die historistische Fassadengestaltung verbindet Stilelemente der Gotik und der Renaissance.

HEUTE – Auf Initiative von Lothar von Faber wird

1884 die „Nürnberger

Lebensversicherungs-Bank“ gegründet, heute „Nürnberger Versicherungsgruppe“. Der Business Tower der „Nürnberger Versicherungsgruppe“ ist inzwischen neben der Burg zum Wahrzeichen Nürnbergs geworden.

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Mit Delfinen & Kamelen Litographierte Etiketten

L

ondon, 1. Mai 1851: Königin Victoria besteigt unter den Klängen der Nationalhymne den Thron in der Mitte der riesigen Halle im Hyde Park, einem Traum aus Glas und Stahl. Hunderttausende Schaulustige drängen sich, um einen Blick auf die königliche Familie zu erhaschen. Die erste Weltausstellung ist eröffnet. Die Dimensionen der Schau sind gewaltig: 17.000 Teilnehmer aus 28 Nationen bieten ihre Erzeugnisse auf nahezu 90.000 Quadratmetern an. Über sechs Millionen Besucher zählt dieses gigantische Spektakel, das im Oktober seine Pforten wieder schließt. Lothar von Faber ist begeistert: „Im Jahre 1851 kam die wahrhaft großartige Idee des Prinzen Albert in Ausführung: die große Welt-Ausstellung in London, wie die Welt zuvor noch keine gesehen. Die Fabrikate der hiesigen Fabrik durften darauf nicht fehlen, sie haben sich die Medaille errungen.“ Auf engem Raum finden sich die neu-

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esten Erzeugnisse aus aller Welt und dokumentieren den rasanten Fortschritt dieser Zeit. Natürlich lässt sich Lothar inspirieren von dieser Vielfalt. Er ist beeindruckt von den neuen Verpackungen, die dem frisch entfachten Bedürfnis des Konsumenten entgegen kommen. „… Dort sah ich nicht an Bleistiften anderer Fabrikanten, sondern an fremden Artikeln Reliefetiquetten die einen bedeutend besseren Effect machten, als die meinigen glatt gedruckten Gold und Silberetiquetten“. Keine Frage, Lothar setzt die neue Idee sogleich um und lässt „die schönsten und brillantesten“ Etiketten für seine beste Sorte, die Polygrades, herstellen. Diese Sorgfalt verwendet er nicht nur auf Verpackungen, sondern auch auf Rechnungen, Firmentableaux und Preislisten. Immer ist auch das Gründungsdatum der Firma vermerkt: Manufactury established 1761, „eine gewaltige Empfehlung“ für die Fabrik.


Auch in der Folgezeit werden bei A.W. Faber die Stiftkartons mit attraktiven Motiven verziert, die zeigen, wie international das Geschäft schon damals ausgerichtet war. Farbige Lithographien verweisen auf das jeweilige Bestimmungsland: ein reitender Beduine, Japanerinnen in ihren eleganten Kimonos, eine idyllische Impression vom Nilufer. Aber auch für

die Region typische Tiere wie Antilopen, Strauße oder Kängurus sind beliebte Motive, und natürlich darf die schmauchende Dampflok nicht fehlen, mit deren Hilfe ferne Länder erreicht werden können. Die hohe Bedeutung wertiger Verpackungen, Kataloge und Etiketten ist bis heute unverändert gültig.

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5. Generation 1877–1893

Wilhelm Freiherr von Faber

Die Söhne von Wilhelm von Faber: Lothar (links) und Alfred Wilhelm

W

ilhelm von Faber ist das einzige Kind von Ottilie und Lothar von Faber. Es steht für seinen Vater außer Frage, dass der Sohn das Familienunternehmen einmal leiten soll: „und ich darf mit Sicherheit darauf rechnen, daß er in meine Fußtapfen treten und das Werk in meinem Sinn u. Geiste fortsetzen wird“. Um für sein zukünftiges Betätigungsfeld gerüstet zu sein, sammelt Wilhelm internationale Erfahrungen auf Reisen nach Italien und Frankreich und absolviert eine kaufmännische Ausbildung in der Schweiz. Mit 18 Jahren tritt er in die Firma ein, übernimmt fünf Jahre später im Pariser Haus eine leitende Stellung und erhält 1876 Prokura. Im gleichen Jahr vermählt er sich mit Bertha, der ältesten Tochter von Eberhard Faber. 1877 wird die älteste von drei Töchtern, Ottilie, geboren. Der erste Sohn des Paares kommt 1880 zur Welt und wird auf den Namen Lothar getauft – die Nachfolge in der mittlerweile bereits sechsten Generation scheint gesichert. Doch es kommt anders: Der kleine Lothar erkrankt mit drei Jahren schwer und stirbt. Auch der 1886 geborene zweite Sohn, Alfred Wilhelm, fällt 1890 einer Scharlach-Erkrankung zum Opfer. Von dieser erneuten Tragödie kann sich Wilhelm von Faber nicht mehr erholen, er wird schwermütig. Wenige Wochen vor seinem 42. Geburtstag verstirbt er am 27. Juni 1893 in seinem geliebten Forstgut. Lothar und das von ihm aufgebaute Unternehmen sind ohne männlichen Erben – ein schwerer Schicksalsschlag für die Familie von Faber. Marmorgruppe zum Gedenken an Wilhelm von Faber und seine früh verstorbenen Söhne Lothar und Alfred

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Aus dem Familienalbum Die Töchter von Wilhelm und Bertha Freiherr von Faber

Ottilie Gräfin von Faber-Castell (rechts) mit ihrer Schwester Gräfin Hedwig (um 1902)

Bertha Freifrau von Faber mit Gräfin Ottilie (stehend) und Gräfin Sophie (1896)

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Aus dem Familienalbum Schloss Schwarzenbruck | Jagdhaus dürrenhembach

Das 1886 vollendete Schloss Schwarzenbruck bewohnt Lothar von Faber mit seiner Familie ausschließlich in den Sommermonaten. Dem Hausherrn bereitet es Vergnügen, zahlreiche Gäste zu begrüßen, Ausflüge in das romantische Schwarzachtal und in das nahe Jagdhaus in Dürrenhembach (Foto rechts) zu unternehmen.

Wilhelm von Faber (4. von links vor dem Haus), der ein passionierter Jäger ist, bevorzugt den Aufenthalt im Jagdhaus in Dürrenhembach, das 1866 von Lothar von Faber (auf dem Balkon stehend) erworben wurde.

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Colour scheme in the stairwell at the production site in Stein


Christopher Lee | Actor | England


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6. Generation 1900–1928

Alexander Graf von Faber-Castell

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Den bewährten Grundsätzen der Firma ver898 vermählt sich Freiherr Wilhelm von pflichtet, gelingt es Graf Alexander, dem KernsorFabers älteste Tochter Ottilie (1877−1944) mit Alexander Graf zu Castell-Rüdenhautiment ein klassisches, unverwechselbares Profil sen, der aus einem der ältesten deutschen Adelszu verleihen. Die neu geschaffene Marke geschlechter stammt. Gemäß der Castell – versinnbildlicht in dem testamentarischen Verfügung von Ottilies Großvater Lothar von Faber Motiv des Ritterturniers, das für die sollte diejenige Enkelin, die einst ritterlichen Tugenden des Mittelalseinen Besitz erben würde, nicht ters steht – setzt sich international nur den Firmennamen, sondern auch durch; das hochwertige grüne Bleiden Familiennamen Faber fortfühstiftsortiment Castell wird für ren. So entstand mit Genehmigung lange Zeit Flaggschiff des Hauses des Prinzregenten Luitpold das neue bleiben. Das Unternehmen floriert. Grafengeschlecht Faber-Castell. Nach dem Tod von Lothars 1911 kann die Firma bereits auf eine Witwe Ottilie im Jahr 1903 geht das 150-jährige Geschichte zurückbliDas Wappen des neuen GrafenUnternehmen an ihre Enkeltochter geschlechts Faber-Castell cken. Der Erste Weltkrieg bleibt für Ottilie und deren Ehemann Alexandas Unternehmen nicht ohne Folder über. Im gleichen Jahr lässt Graf Alexander ein gen – ausländische Niederlassungen und Produk„Schlossgebäude von großem Umfange“ errichtionsstätten, wie die in den USA, gehen verloren. ten. Das 1906 bezugsfertige „Neue Schloss“ liegt Kurz vor seinem Tod vollendet Graf Alexander den Neubau von großzügigen Fabrikationsanlagen in unmittelbarer Nähe zur Fabrik und ist durch und hinterlässt seinem Sohn Roland 1928 ein geeinen Turm mit dem 1845 von Lothar von Faber sundes, gut geführtes Unternehmen. erbauten kleineren „Alten Schloss“ verbunden.

Alexander Graf von Faber-Castell, Rittmeister à la suite der Bayerischen Kavallerie, und Ottilie Gräfin von Faber-Castell mit ihren Kindern Elisabeth, Irmgard, Roland und Mariella (Mitte)

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Meilensteine 1900–1928

1905 -

Mit der hochwertigen Stiftserie

CASTELL gelingt es Graf Alexander bereits kurze Zeit nach Übernahme der Geschäftsleitung, sich auf dem Markt auf unverwechselbare Weise zu positionieren. Die grüne Politur – gewählt nach der Farbe von Graf Alexanders Regiment – wird ebenso wie das Werbemotiv

1903 - Unmittelbar neben dem von

der Bleistiftritter zum Markenzeichen der Firma.

Lothar von Faber errichteten „Alten Schloss“ planen Ottilie und Alexander von FaberCastell einen repräsentativen Neubau nach Entwürfen des Nürnberger Architekten Theodor von Kramer (s. dazu auch Beitrag Seite 102 ff.).

1908 - Kurze Zeit nach dem 1906 -

CASTELL-Sortiment kommt mit dem Als Schutzmarke für die neue

„Polychromos“ ein weiterer Erfolgs-

Produktlinie wählt Alexander Graf von Faber-

stift auf den Markt. Er ist bereits in 60

Castell in Anlehnung an seinen Namen und

Farbtönen erhältlich, die sorgfältig auf

seine feudale Herkunft das Motiv einer mit-

die gängigen Aquarellfarben abgestimmt

telalterlichen Burg. Tatsächlich lassen sich die

sind. Binnen weniger Jahre avanciert er

Ursprünge des fränkischen Hauses Castell bis

in Künstlerkreisen zum Spitzenprodukt,

ins 11. Jahrhundert zurückverfolgen.

dessen hervorragende Stellung bis heute unangefochten ist.

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1911 - Das Unternehmen feiert sein

1911–1928 - Um der steigenden

150-jähriges Jubiläum. Seit 1904 hat sich die

Nachfrage entsprechen zu können,

Anzahl der Mitarbeiter mehr als verdoppelt:

erweitert Graf Alexander die Produk-

2.000 Arbeiter, 300 Heimarbeiterinnen und

tionsanlagen in zwei Etappen: zunächst

200 leitende Angestellte im kaufmännischen

1911 und schließlich in den 1920er

und im technischen Bereich, sogenannte

Jahren. Die modernen Fabrikationsräu-

„Beamte“, sind für das Unternehmen tätig,

me sind lichtdurchflutet und großzügig

um 100.000 Stammkunden in aller Welt zu

bemessen.

betreuen.

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Aus dem Familienalbum

Alexander Graf von Faber-Castell mit seinen Tรถchtern Elisabeth und Mariella in der Sommerfrische auf Norderney, 1903

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Aus dem Familienalbum

Globalisierung 1909

Reise in die „Neue Welt“: Graf Alexander an Bord der „Kronprinz Wilhelm“ auf dem Weg zur firmeneigenen Gummifabrik in Newark/New Jersey

New York, Mittwoch den 5. Mai 1909. Der „Bleistiftkönig“ hier eingetroffen – Die Großindustrie hatte an Bord des gestern Nachmittag, kurz nach 5 Uhr, in Hoboken eingetroffenen Norddeutschen-Lloyd-Schnelldampfers „Kronprinz Wilhelm“, der 130 Passagiere in der ersten Klasse an Bord hatte, entschieden die Führung und fast alle die Vertreter deutscher Groß-Industrie stehen in engster Fühlung zu bedeutenden industriellen Etablissements hier im Lande. Graf Alexander von Faber-Castell, der Inhaber der berühmten Bleistift-Fabrik A. W. Faber in Nürnberg und der Erfinder der „Castell-Bleistifte“, kommt in Begleitung des General-Direktors der Fabrik Herrn Ernst Meusel. Die Firma betreibt schon seit mehreren Jahren eine größere Gummi Fabrik in Newark, N.J., und es ist die Absicht der beiden Herren, die zum ersten Male nach Amerika kommen, diese Anlage zu inspizieren. Die im St. Regis Hotel abgestiegenen Besucher gedenken sich mehrere Wochen hier aufzuhalten und auch den Westen des Landes zu bereisen.

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Aus dem Familienalbum | Hochzeitsreise

Unmittelbar nach der Hochzeitsfeier am 28. Februar 1898 brechen Graf und Gräfin von Faber-Castell in Begleitung von Ottilies Mutter Bertha und ihrer jüngeren Schwester Sophie zu einer mehrmonatigen Reise auf: Das Ziel der ersten Etappe ist Italien, wo sich die kleine Reisegesellschaft in Genua auf der „Augusta Victoria“ nach Übersee einschifft. Nach einem Besuch der amerikanischen Verwandtschaft und der firmeneigenen Niederlassung in New York führt der Weg über Washington nach Kanada. Im Juni kehren die Weitgereisten schließlich wieder nach Europa zurück.

1

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3

4 1 Cannes: die berühmte Flaniermeile Boulevard de la Croisette 2 Milano, Galleria Vittorio Emanuele: elegante Einkaufspassage 3 Augusta Victoria: Damensalon auf dem Kreuzfahrtschiff

4 Erinnerungsfoto vor den Niagarafällen (v.l.n.r.:) Alexander Graf von Faber-Castell, Bertha Freifrau von Faber, Sophie Freiin von Faber und Ottilie Gräfin von Faber-Castell

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Aus dem Familienalbum | Ottilie Gr채fin von Faber-Castell | 1909

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A.W. Faber | Preisliste von 1900 mit Ballbleistiften

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Das Haus Castell Das Haus Castell präsentiert sich heute in der 27. Generation als modernes Unternehmen, das auf eine wahrhaft spannende und wechselhafte Geschichte zurückblicken kann: Als Ahnherr des Hauses gilt ein gewisser Robbrath, der in einer Urkunde von 1057 namentlich aufgeführt wird. Der Grafentitel wird spätestens seit 1202 geführt; aus dieser Zeit stammt das rot-silberne Wappen, das bis heute Markenzeichen aller Casteller Unternehmen geblieben und das auch in das Faber-Castell’sche Wappen integriert ist.

Die Urgroßeltern von Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell: Fürst und Fürstin Wolfgang zu Castell-Rüdenhausen

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Gartenansicht von Schloss Castell (erbaut 1691). Links auf dem Herrenberg steht noch der Treppenturm vom oberen Schloss (1613/15), dem Stammsitz der Herren und Grafen zu Castell

D

ie Grafen und Herren zu Castell machten eine glänzende Karriere, bekleideten sie doch am Hof der Würzburger Bischöfe das begehrte Oberschenkenamt und damit eines der vier höchsten Hofämter. Doch waren die Zeiten nicht immer einfach. Zahlreiche Ländereien gingen verloren, zudem drohte das Geschlecht im 15. Jahrhundert mit Friedrich VI. auszusterben. Deshalb legte er seine Domherrenpfründe nieder, ließ sich laisieren und war damit frei für die Ehe mit einem Hoffräulein aus Ansbach. Die gemeinsamen Nachkommen sorgten mit standesgemäßer Heiratspolitik und einem straff organisierten Verwaltungssystem für eine gesicherte Zukunft.

Nunmehr fast eintausend Jahre lang ist der Name dieses edelfreien Adelsgeschlechtes mit Franken verbunden. Seit dem 18. Jahrhundert existieren zwei Linien: die auf Graf Albrecht Friedrich Carl zurückgehende Linie Castell-Castell mit Wohnsitz in dem 1691 erbauten Schloss in Castell, und die Linie Castell-Rüdenhausen mit ihrem Stammvater Christian Friedrich, die seit dem 16. Jahrhundert im ehemaligen Wasserschloss Rüdenhausen ansässig ist. Aus dieser Familie stammt Graf Alexander, der Großvater Graf Anton Wolfgangs von Faber-Castell. Er hat durch seine Eheschließung mit Ottilie von Faber 1898 die neue Familie der Grafen von Faber-Castell begründet.

Fürst und Fürstin Wolfgang (stehend, 4. und 5. von links) mit Familie vor dem Neuen Schloss in Rüdenhausen; rechts daneben Gräfin Ottilie und Graf Alexander

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Das Haus Castell

Das angehängte Siegel an einer Urkunde von 1224 zeigt die älteste Darstellung des Rot-Silber gevierten Wappens der Grafen zu Castell.

Heute wird der Name des traditionsreichen Adelsgeschlechtes Castell vor allem mit jenen erlesenen Weinen verbunden, die an den sonnigen Hängen des Steigerwaldes reifen. Die Kultur des edlen Rebensaftes wird im Hause Castell seit nachweislich über siebenhundert Jahren mit großem Erfolg gepflegt. Um den berühmten Silvaner rankt sich übrigens eine hübsche Geschichte: Diese österreichische Rebe war in Deutschland lange unbekannt. Als man nach den verheerenden Verwüstungen des

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Dreißigjährigen Krieges das Land wieder zu kultivieren begann, hielt man auch nach neuen Rebsorten Ausschau. Der Zufall wollte es, dass sich die Gattin eines Rebenhändlers im Casteller Wildbad zur Kur aufhielt. Sie plätscherte ganz entspannt im Badgewölbe des heutigen Archivs und kam währenddessen ins Gespräch über eine neue Rebsorte. Kurzum: Einige Zeit später ist im April 1659 der Ankauf von „25 Österreicher [=Silvaner] Fechsern“ aktenkundig und damit die erste Silvanerpflanzung Deutschlands.


Albrecht Fürst zu Castell-Castell (sitzend), Erbgraf Ferdinand zu Castell-Castell, Johann-Friedrich Fürst zu Castell-Rüdenhausen und Otto Erbgraf zu Castell-Rüdenhausen (v.r.n.l.)

Kaum weniger beeindruckend ist die Tradition der Fürstlich Castell’schen Bank, die als älteste Bank in Bayern bereits im Jahre 1774 gegründet wurde. Damals hatten schwere Hungersnöte das Land heimgesucht, und die Bauern und Handwerker standen vor dem Ruin. Um ihnen mit günstigen Krediten auszuhelfen, riefen die Casteller Landesherren eine „Land-Credit-Cassa“ ins Leben, die heutige Fürstlich Castell’sche Bank. Schwerpunkt der Bank ist das Vermögensmanagement und das Firmenkundengeschäft mit mittelständischen,

Die Linie Castell-Rüdenhausen wohnt seit dem 16. Jahrhundert in dem ehemaligen Wasserschloss Rüdenhausen, das im frühen 20. Jahrhundert umgebaut wurde, seinen mittelalterlichen Charakter und Charme jedoch bis heute bewahrt hat.

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Das Haus Castell

Urkunde der Fürstenstandserhebung (12. März 1901)

familiengeführten Unternehmen. Sie hat ihren Sitz in Würzburg, verfügt über sechs Niederlassungen in Bayern und Baden-Württemberg sowie elf Filialen in Franken und hat sich mittlerweile zur tragenden Säule der Casteller Unternehmen entwickelt. Zu diesen gehören neben dem Fürstlich Castell’schen Domänenamt auch die Meierei und die Forstverwaltung, die beide insgesamt rund 5.000 Hektar Land bewirtschaften. Das Jahr 1806 bedeutete einen tiefen Einschnitt in der Geschichte des Hauses. Der König von Bayern nahm die Grafschaft Castell in Besitz, und aus den unabhängigen Landesherren waren Standesherren mit eingeschränkten Rechten geworden. Doch das alte Adelsgeschlecht erwies sich als geschickte Unternehmerfamilie, der es gelang, sich erfolgreich in das Königreich Bayern zu inte-

grieren und politischen Einfluss zu erhalten. 1901 erhob Prinzregent Luitpold als Zeichen der Wertschätzung die beiden Vettern Friedrich Carl zu Castell-Castell und Wolfgang zu Castell-Rüdenhausen, den Vater Graf Alexanders von Faber-Castell, in den Fürstenstand. Heute stehen Johann-Friedrich Fürst zu Castell-Rüdenhausen (geb. 1948) und Erbgraf Ferdinand zu Castell-Castell (geb. 1965) an der Spitze des Familienunternehmens.

„Das ist mein Lieblingsplatz. Der Blick lenkt meine Gedanken zum Gebet. Hier danke ich Gott für meine Familie, für mein erfülltes Leben und für mein Zuhause. Mir sind 85. Lebensjahre geschenkt worden. Welch eine Gnade. Lob – Preis und Ehre sei dem Vater im Himmel und Jesus dem Herrn meines Lebens, und dem Heiligen Geist, dessen Führung ich vertraue.“ Mit diesen Worten und dem Foto bedankte sich Albrecht Fürst zu Castell-Castell bei den zahlreichen Gratulanten zu seinem Geburtstag im August 2010.

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Colour scheme in the stairwell at the production site in Geroldsgr端n

Simon Le Bon | Singer (Duran Duran) | Great Britain


7. Generation 1928–1978

Roland Graf von Faber-Castell

N

ach dem Tod von Graf Alexander im Jahr 1928 tritt sein Sohn Roland die Nachfolge in der Unternehmensführung an und wird die Firma ein halbes Jahrhundert lang leiten. Die schwierige Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ist sowohl wirtschaftlich als auch politisch eine große Herausforderung für den jungen Grafen, denn die Wirtschaftskrise bedeutet auch für die Bleistiftindustrie deutliche Einbrüche. Um die Produktionsanlagen besser auszunutzen und die Kosten zu senken, schließen sich die Firmen A.W. Faber-Castell und Johann Faber zu einer Betriebsgemeinschaft zusammen. Im Laufe der nächsten Jahre kauft A.W. Faber-Castell alle Anteile von Johann Faber und damit auch die Tochtergesellschaft „Lapis Johann Faber“ in São Carlos/Brasilien. 1935 erwirbt A.W. Faber-Castell die renommierte Füllfederhalter-Firma Osmia in Dossenheim bei Heidelberg. Zunächst wird der Markenname Osmia noch beibehalten, ab 1952 wird jedoch ausschließlich unter eigenem Namen produziert. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg widmet sich Roland Graf von Faber-Castell der Gründung und dem Wiedererwerb ausländischer enteigneter Gesellschaften. In den 50er Jahren gründet er eine Bleistiftproduktion in Irland und erwirbt eine Minderheitsbeteiligung an der amerikanischen Gesellschaft Faber-Castell USA, die nach dem Ersten Weltkrieg enteignet worden war. Zwischen 1960 und 1977 entstehen neue Gesellschaften im Ausland, darunter Vertriebsgesellschaften in Frankreich und Italien sowie Produktionen in Österreich, Argentinien, Peru und Australien. Als zukunftsweisend gilt der Rückkauf der Mehrheitsanteile an der im Zweiten Weltkrieg beschlagnahmten „Lapis Johann Faber“ S. A. in São Carlos, Brasilien, der Graf Roland im Jahr 1967 gelingt: Heute gehört zu diesem Unternehmen die größte Holzstiftfabrik der Welt.

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Meilensteine 1928–1978

1932 - Gründung einer Betriebsgemeinschaft mit der Firma Johann Faber und Beteiligung an der Fabrik „Lapis Johann Faber“ in São Carlos in Brasilien. Als 1942 die Firma Johann Faber erlischt, wird die erfolgreiche Farbstiftmarke „Goldfaber“ von A.W. Faber-Castell weitergeführt.

1935 - A.W. Faber-Castell erwirbt eine 1948 - A.W. Faber-Castell gründet eine Patentstiftproduktion in Konstanz. Der dort gefertigte

Mehrheitsbeteiligung an der Füllhalterfirma Osmia. Zunächst werden die Füllhalter noch

TK-Stift, ein neuer mechanischer Stift für Techniker und Künstler, setzt sich auch international

unter dem Namen Osmia hergestellt, später

erfolgreich durch.

unter eigenem Namen vertrieben.

1949 - Kugelschreiber werden nach dem

1950 - Zu Beginn des Jahrzehnts führt Graf Roland ein neues

Krieg zum beliebten Schreibgerät und machen

Logo ein. Das einprägsame Oval mit dem Firmenschriftzug, gekrönt

dem Füllhalter ernsthafte Konkurrenz. Auch

von dem Wappen der Familie Faber-Castell, markiert den Aufbruch

A.W. Faber-Castell nimmt den Kugelschreiber

in eine neue Zeit.

in sein Sortiment auf.

1950 - Neue Fertigungsmethoden für Rechenstäbe: Rechenschieber aus Kunststoffen ergänzen die bewährten

1969 - Der Tuschezeichner Castell TGm kommt in verschiedenen

aus Holz gefertigten Stäbe – der ab 1962 hergestellte

Linienbreiten auf den Markt. Für den technischen Zeichenbedarf werden

Novo-Duplex-Rechenstab entwickelt sich zu einem

außerdem Zeichenplatten, Zirkel und Schablonen angeboten.

Spitzenprodukt.

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Roland Graf von Faber-Castell (sitzend, Mitte) zu Besuch bei der Faber-Castell Corporation USA. Mit auf dem Foto: Chairman Gus Wiedenmayer (sitzend, rechts) und President Christoph Wiedenmayer (1. stehend, links). Mit der Familie Wiedenmayer war Graf Roland nicht nur geschäftlich sondern auch freundschaftlich eng verbunden.

1957 UND 60ER - Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg expandiert das Unternehmen durch die Gründung von Vertriebsgesellschaften und Produktionsstätten im Ausland. Damit knüpft Graf Roland wieder an seine erfolgreiche internationale Unternehmenspolitik der Vorkriegsjahre an.

1961 - Das Unternehmen feiert sein 200-jähriges Bestehen mit 3.000 Mitarbeitern, Pensionisten und Gästen aus aller Welt. Von der Insel Reichenau im Bodensee ist die Bürgerwehr in ihren historischen Uniformen angereist. Regen Anteil an dem Ereignis nimmt die Steiner Bevölkerung – die Kinder haben sogar schulfrei und betrachten mit Begeisterung den farbenprächtigen Festzug. In der geschmückten Messehalle in Nürnberg kann Roland Graf von Faber-Castell mit seiner Familie hochrangige Gäste wie Staatsminister, den Nürnberger Oberbürgermeister Dr. Urschlechter und weitere Honoratioren begrüßen.

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Aus dem Familienalbum | Roland Graf von Faber-Castell | 1927

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Aus dem Familienalbum | Weihnachten 1940 Katharina Gr채fin von Faber-Castell, seit 1938 verheiratet mit Roland Graf von Faber-Castell

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Aus dem Familienalbum | Nikolaus 1950 V.l.n.r.: Graf Andreas, Gr채fin Angela und Graf Anton Wolfgang von Faber-Castell

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Production of wood-cased pencils at the production site in Stein

Tomi Ungerer | Illustrator | France


Aus dem Familienalbum | 1965

Anlässlich des 60. Geburtstages von Roland Graf von Faber-Castell 1965 versammelten sich um den Jubilar von links nach rechts: Seine Kinder Gräfin Katharina, die Grafen Andreas, Christian, Anton Wolfgang, Tochter Angela von Kölichen und Schwiegersohn Heinrich von Kölichen, seine Tochter Heidi Gräfin von Wedel und seine Frau Katharina Gräfin von Faber-Castell. Graf Roland hält seine jüngste Tochter Gräfin Cornelia auf dem Arm, hinter ihm sein Schwiegersohn Edzard Graf von Wedel, daneben seine älteste Schwester Elisabeth Gräfin von Bismarck-Schönhausen sowie sein Sohn Hubertus Graf von Faber-Castell mit seiner Frau Lilo.

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8. Generation seit 1978

I

m Jahr 1978 tritt Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell an die Unternehmensspitze. Noch im selben Jahr erweitert er das Portfolio der Marke mit der Produktion von holzgefassten Stiften für die dekorative Kosmetik. In den folgenden drei Jahrzehnten positioniert sich die Faber-Castell Gruppe weiterhin kontinuierlich als global agierendes Unternehmen mit deutschen Wurzeln. Mit der Gründung weiterer Auslandsgesellschaften und -werke werden weltweit neue Märkte erschlossen, vor allem in Südamerika (Argentinien 1988, Costa Rica 1996, Kolumbien 1998, Chile 2006) und Asia/Pacific (Malaysia 1978, Hongkong 1979, Indonesien 1990, Indien 1997, Singapur 2000 und China 2001). Auch Umweltaspekte treten vermehrt in den Vordergrund unternehmerischen Denkens: Um die Sicherung der wichtigen Ressource Holz gewährleisten zu können, initiiert Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell Mitte der 80er Jahre im Südosten Brasiliens ein bis heute weltweit einzigartiges Aufforstungsprojekt. Als erster Hersteller holzgefasster Stifte führt Faber-Castell im Jahr 1992 zudem die umweltfreundliche Wasserlack-Technologie in Deutschland ein. Der Beginn der 90er Jahre steht ganz im Zeichen der strategischen Neuausrichtung und der Restrukturierung des Sortiments in fünf Kompetenzfelder. Ein neues Kapitel in der langen Tradition sozialer Verantwortung des Unternehmens schreibt Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell schließlich im März 2000 mit der Unterzeichnung einer weltweit gültigen Sozialcharta, die den Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) entspricht. Mit dem Beitritt zum „Global Compact“ der Vereinten Nationen im Juli 2003 bekennt sich Faber-Castell nachdrücklich zu gemeinsamen globalen Werten von Unternehmen im Sozial- und Umweltbereich. Für sein weitreichendes ökonomisches und soziales Engagement wird Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell im Jahr 2008 von der Umweltstiftung WWF Deutschland und dem Wirtschaftsmagazin Capital zum „Ökomanager des Jahres“ gekürt. Im September 2010 erhält er das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

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Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell 250 Jahre Faber-Castell

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Brand essentials

Kompetenz & Tradition Herausragende Qualität Innovation & Kreativität Soziale & ökologische Verantwortung Kernwerte der Marke Faber-Castell

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Lebensbegleiter

„Wir sehen uns als Lebensbegleiter. Ein Kind, das die Qualität unserer Schulprodukte liebt, wird der Marke Faber-Castell auch als Erwachsener treu bleiben.“ Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell

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Kompetenzfeld

Spielen & Lernen Kinder sprühen vor Ideen und Eifer. Das Sortiment „Spielen und Lernen“ nimmt schon die Kleinsten mit auf eine bunte, faszinierende Entdeckungsreise und unterstützt sie dabei, sich beim Zeichnen, Malen und Schreiben von Anfang an kreativ zu entfalten. Sorgfältig durchdachte Produkte, die qualitativ und funktional den altersspezifischen Bedürfnissen von Kindern entsprechen, begleiten dabei jede Entwicklungsphase individuell und zuverlässig. Die natürliche Kreativität, die erwiesenermaßen die Entwicklung des kindlichen Gehirns begünstigt, wird dabei ganz spielerisch gefördert. Willkommen in der faszinierenden Welt der Farben!

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Kompetenzfeld

Allgemeines Schreiben Wenn Bleistift,

Kugelschreiber,

Radierer

oder Spitzer zum unverzichtbaren Begleiter avancieren ‌

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Intelligenter Zusatznutzen „Point of Difference“

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Kompetenzfeld

Markieren

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Leuchtstark, effizient und besonders umweltverträglich – diese Textmarker setzen farbenfrohe Highlights! Wenn der Vorrat einmal zur Neige geht, werden sie einfach mit Tinte auf Wasserbasis aufgefüllt.

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Kompetenzfeld

Premium

GUTES Design SPRICHT FÜR SICH SELBST UND IST EIN ENTSCHEIDENDER wettBEWERBSFAKTOR

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FORMVOLLENDETE SCHREIBGERÄTE UND ACCESSOIRES

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Kompetenzfeld

Art & Graphic

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Höchste Künstlerqualität in ihrer schönsten Form „Art & Graphic“ vereint das Beste aus 250 Jahren Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung exklusiver Künstlerprodukte und genießt von jeher hohes Ansehen bei Hobbymalern und Profis. Schon bedeutende Künstler und Kreative wie Vincent van Gogh, Paul Klee, Karl Lagerfeld und Neo Rauch schätzten die facettenreiche Auswahl an Farbnuancen ebenso wie das qualitative Versprechen des Sortiments, das bis heute unverändert Gültigkeit hat: Die hochwertigen Pigmente garantieren höchste Lichtbeständigkeit und Farbbrillanz über Jahrzehnte hinweg – so entstehen Kunstwerke für die Ewigkeit.

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„Ich wollte Dir noch erzählen von einer Sorte von Bleistiften von Faber, die ich gefunden habe …


Werkzeug der Kreativen

Vincent van Gogh

Vincent van Gogh, Bäuerin beim Graben, Juli−September 1885, Nuenen, Kreide, 55,7 × 41 cm, Van Gogh Museum Amsterdam (Vincent van Gogh Foundation)

… Die sind von dieser Dicke (Zeichnung des Durchmessers mit rechteckiger Mine), sehr weich und von besserer Qualität als die Zimmermannsstifte, geben ein famoses Schwarz und man arbeitet damit sehr angenehm bei großen Studien. Ich habe eine Näherin damit gezeichnet auf grauem Papier sans fin und erzielte eine Wirkung wie mit lithografischer Kreide. Diese Bleistifte sind in weiches Holz gefasst, von außen dunkelgrün gefärbt und kosteten 20 Cent pro Stück.“ Vincent van Gogh in einem Brief vom 14./16. Juni 1883 an seinen Freund und Mentor, den holländischen Zeichner Anthon van Rappard.

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Werkzeug der Kreativen

Carl Barks

Carl Barks, Comiczeichnung Seite 7 aus der Story Donald und Daisy – The Beauty Business von 1966, Tusche (Faber-Castell Higgins) über Bleistift auf Karton, 59,5 × 41 cm (Sammlung Faber-Castell, © Disney)

Seite 9 der deutschen Ausgabe mit dem Titel Donald hat Geheimnisse aus dem Jahr 1968 in der kongenialen Übersetzung von Erika Fuchs (Sammlung Faber-Castell, © Disney)

Mit dem Pechvogel und Wüterich Donald Duck und dessen chronischem Optimismus schuf der amerikanische Comiczeichner und -autor Carl Barks (1901-2000) ab 1942 eine der weltweit berühmtesten und beliebtesten Figuren. Milliardenfach wurden seine Storys in vielen Sprachen der Welt gedruckt. Donald Duck existierte zwar schon ab Mitte der 30er Jahre, doch erst Barks machte den ursprünglich recht eindimensional entwickelten Charakter zur Hauptfigur eines ganzen Kosmos. Er erweiterte die Geschichten um wichtige Figuren und lokalisierte sie in Entenhausen. Auch der Zeichenstil des Autodidakten Barks wurde richtungsweisend für alle Donald Duck Zeichner und gilt bis heute. Carl Barks schuf im Laufe der Jahre für Disney über 6.000 verschiedene Heftseiten, von denen nur noch 200 im Original existieren. Die übrigen wurden vom Original Tuschefass vom Zeichentisch Verlag Western Publishing entsprechend dem Lides amerikanischen Comiczeichners und -texters Carl Barks, an dem dieser zenzvertrag mit Disney systematisch vernichtet. von 1942 bis 1973 seine Donald Duck Einem ehemaligen Redakteur ist es zu verdanken, Comics entwarf. Zu seinen Zeichenwerkzeugen gehörten Faber-Castell dass einige Originale des großen Comiczeichners Higginstusche sowie Polychromos Farbstifte (© Helnwein). erhalten blieben.

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Werkzeug der Kreativen

Paul Klee

Paul Klee, Es will nicht hinein, 1939, 86, Kreide (PITT) auf Papier auf Karton, 27 × 21,5 cm (Privatbesitz Schweiz, Depositum im Zentrum Paul Klee, Bern)

„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar“, so lautete das Credo des Künstlers und Kunsttheoretikers Paul Klee (1879−1940). Die hier abgebildete Zeichnung aus dem Jahre 1939 entstammt dem Spätwerk Klees, als dieser als „entarteter Künstler“ in seine Heimat Bern zurückgekehrt bereits von einer tödlichen Krankheit gezeichnet war. Wie in vielen Werken Klees spielt auch in dieser Zeichnung die Linie eine Schlüsselstellung. Oskar Schlemmer, Kollege Paul Klees am Bauhaus, schrieb bereits 1916: „In einem Minimum von Strichen kann er seine ganze Weisheit offenbaren“. Der unermüdlich zeichnende Klee vermerkte auf der Rückseite seiner Werke häufig die gewählte Papiersorte und selten, aber doch wie hier, auch den benutzten Zeichenstift: A.W. Faber

„Pitt“stift.

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Werkzeug der Kreativen

Oskar Kokoschka

Oskar Kokoschka, Meer und Inseln Ullapool, 1944, Farbstift (Polychromos), 25,2 × 35,5 cm (© 2010 Fondation à la mémoire de Oskar Kokoschka, Vevey/VG Bild-Kunst, Bonn 2010)

Die Stifte, meist Faber-Castell Polychromos, spitzte oskar kokoschka mit einem Messer, um sie vielfältig für dünne, dicke oder anschwellende Linien einsetzen zu können. Flach angesetzt konnte er damit Schraffuren durchführen.

Doppelreihiges Reiseetui Oskar Kokoschkas mit einer auffällig breitgefächerten und abgestuften Palette aus 141 Farbstiften (Fondation à la mémoire de Oskar Kokoschka, Vevey)

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Werkzeug der Kreativen

Karl Lagerfeld Anton Wolfgang Graf von FaberCastell beim Hochzeitswalzer am 12. Dezember 1987 mit Gräfin Mary, strahlend schön in der Robe von Karl Lagerfeld.

Karl Lagerfeld, Entwurfszeichnung Brautkleid Mary Gräfin von Faber-Castell, ohne Datum, Faserstift und Kreide (Polychromos Pastell), 29,5 × 20,9 cm (Sammlung Faber-Castell, © Karl Lagerfeld)

„Die Mode beginnt auf Papier; und sie überdauert auf Papier“. Mit diesem Zitat beschreibt einer der kreativsten deutschen Köpfe, Karl Lagerfeld (*1938), seine Wertschätzung der Modezeichnung. Für Lagerfeld, der sich nicht als Designer, sondern als Illustrator bezeichnet, ist nicht der Stoff Ausgangspunkt für die Entwicklung seiner Haute-Couture- und Prêt-à-porter-Kollektionen: Ihm dienen Stift und Papier als Quelle der Inspiration. Seine Zeichnungen sind Arbeitsskizzen und direkte Anleitung zugleich. Im Jahr 1987 gab es anlässlich der Hochzeit von Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell und Mary Hogan, Marketing-Direktorin von Chanel USA in New York, ein besonderes Geschenk: Das Haus Chanel hatte seinen Chefdesigner Karl Lagerfeld mit der Anfertigung des Brautkleides beauftragt. Das Kleid passte perfekt zum Ort der Festlichkeit, dem Graf von Faber-Castell’schen Schloss in Stein: Der Modeschöpfer hatte sich von Details des Schlosses anregen lassen, die er zuvor in dem Architekturmagazin „World of Interiors“ entdeckt hatte. Vom Deckenmosaik des Damenbades im Graf von Faber Castell’schen Schloss ließ Karl Lagerfeld sich beim Design des Brautkleids inspirieren.

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Werkzeug der Kreativen

Neo Rauch Eine „Ladung Stifte“, die Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell dem Leipziger Maler Neo Rauch (*1960) ins Atelier gebracht hatte, gab diesem den nötigten Impuls von außen. Der Kunst des Zeichnens hatte sich Rauch, der mit seinen rätselhaften, komplexen Bildwelten als international bedeutendster deutscher Maler seiner Generation gilt, bisher nicht gewidmet. Erst das richtige Zeichenmaterial nahm dem Künstler seinen großen Respekt vor der „Zeichnung als Stunde der Wahrheit“: Die gerade neu entwickelten PITT Artist Tuschestifte öffneten dem Maler den Zugriff auf Zeichnerisches. Neben der Möglichkeit zur satten farbigen Linienführung war es auch die fehlende kunstgeschichtliche Tradition dieses neuartigen Stiftes, die Neo Rauch zu einem organischen und beiläufigen Arbeiten auf Papier verhalfen. „Er (Graf von Faber-Castell) war also

buchstäblich ein Anstifter“, so Neo Rauch.

Neo Rauch, o. T., 2005, Tuschestift (PITT Artist Pen), Farbstift (Polychromos) und Öl auf Papier, 21 × 29, 7 cm (Sammlung Faber-Castell, © courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin und David Zwirner, New York / VG Bild-Kunst, Bonn 2010)

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Neujahrsgrüße von Neo Rauch an Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell und seine Familie

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Werkzeug der Kreativen

Aus der Sammlung Faber-Castell

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4 1 Adolph Menzel, Studienblatt mit stehendem Mann, 1880, Graphit (Zimmermannsstift) auf Papier, 19,8 × 12,4 cm (Sammlung Faber-Castell) 2 Marc Brandenburg, Untitled, 2008, Bleistift (Castell 9000 in 2 H, HB und 5 B) auf Papier, 100 × 100 cm (Sammlung Faber-Castell) 3 Karl Horst Hödicke, Zeichnend II, 1975–1982, Kohle (PITT Monochrome) auf Papier, 86 × 61 cm (Sammlung Faber-Castell) 4 Erik Bulatov, Soirée noire – neige blanche, 1999, Farbstift (Polychromos) auf Papier, 36,2 × 43,5 cm (Sammlung Faber-Castell)

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6 5 Horst Janssen, Ahab, 1963, Bleistift (Castell 9000) und Farbstift auf Papier, 44,5 × 31,3 cm (Sammlung Faber-Castell) 6 Günter Grass, Angespitzt, aus der Folge „Fundsachen für Nichtleser“, 1997, Aquarell auf Papier, 31,4 × 24,2 cm (Sammlung Faber-Castell) 7 Georg Baselitz, o.T., 2009, Bleistift (Castell 9000) und Tusche auf Papier, 65,9 × 50,8 cm (Sammlung Faber-Castell) 8 Matthias Weischer, o.T., 2007, Pastellkreide (Polychromos) auf Papier, 25,5 × 25,5 cm (Sammlung Faber-Castell)

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Graf von Faber-Castell Collection

Taschenbleistift, 1885

»

In Anlehnung an ausgewählte Schreibgeräte meiner Vorfahren war es für mich eine persönliche Herausforderung, diese Produkte der Vergangenheit wiederzuentdecken und sie mit zeitlos gültigem Design und moderner Technik auf die Gegenwart zu übertragen. Mit der Graf von Faber-Castell Collection haben diese Ideen Gestalt angenommen und verbinden höchste Handwerkskunst, wertvolle Materialien und überzeugende Funktionalität mit anspruchsvoller Ästhetik.

«

Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell

Die Cassette Nr. 1, gefüllt mit einem platinierten Perfekten Bleistift, Ersatz-Taschenbleistiften und Ersatz-Radierer

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Der Luxus des Einfachen

Der Perfekte Bleistift, platiniert, mit integriertem Spitzer und Radiergummi 250 Jahre Faber-Castell

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Graf von Faber-Castell Collection

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250 Jahre Faber-Castell

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Graf von Faber-Castell Collection

Pen of the year 2011

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ie Edition Pen of the Year verkörpert den Qualitätsanspruch der Graf von FaberCastell Collection par excellence. Seit 2003 wird längstens ein Jahr ein Füllfederhalter hergestellt, der ausgewählte und in der Verarbeitung anspruchsvolle Materialien wie beispielsweise Mammut-Elfenbein, Bernstein oder indisches Satinholz aufwendig inszeniert. Die jeweils produzierte, nummerierte Auflage wird am Jahresende bekannt gegeben. Der Pen of the Year 2011 ist aus einem kostbaren Edelstein gefertigt, der bereits seit Jahrtausenden wegen seiner Schönheit und seiner kul-

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turhistorischen Bedeutung geschätzt wird: Jade. Umgeben von einer faszinierenden Aura, die auch Glück und Unsterblichkeit verheißt, ist der grüne Edelstein geradezu prädestiniert, den exklusiven Füllfederhalter zum 250-jährigen Firmenjubiläum zu zieren: Acht Jadesegmente symbolisieren die acht Generationen, die das Familienunternehmen bis heute geprägt haben; das tiefe Grün steht für gelebte Tradition ebenso wie für eine erfolgreiche Zukunft. In Anlehnung an das Gründungsdatum des Unternehmens im Jahr 1761 ist die exklusive Edition auf 1.761 Exemplare limitiert.

Jade


Von links nach rechts: 2003 Schaft aus Schlangenholz, 2004 Bernstein mit platinierten Zierringen, 2005 Perlrochenleder, 2006 Mammut-Elfenbein in Ebenholzh체lse, 2007 Schaft aus versteinertem Holz, eingefasst in platinierte Beschl채ge, 2008 filigranes Miniaturparkett aus indischem Satinholz. Nicht auf dem Bild: 2009 Schaft aus gewobenem Rosshaar, 2010 kaukasisches Walnussholz mit buntgeh채rteten Metallteilen

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,7¶6 285 1$785( ,7¶6 285 1$785( ,7¶6 285 1$785(

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Faber-Castell Cosmetics

Sitz der Verwaltung in der Gründerzeit-Villa neben dem Graf von Faber-Castell’schen Schloss

I

m Jahr 1978 erweitert Faber-Castell sein Sortiment und überträgt sein Know-How im Bereich holzgefasster Stifte auf eine neue Branche: die dekorative Kosmetik. Mittlerweile zählt FaberCastell Cosmetics als Partner international renommierter Kosmetikfirmen zu den führenden Private Label-Herstellern von Produkten für die BeautyIndustrie. Auf Basis eigener Entwicklungen und mit Hilfe von innovativen Technologien werden hochwertige Kosmetikstifte für Gesicht, Augen, Lippen und Nägel gefertigt, die dem individuellen Kundenwunsch angepasst sind. Sorgfältig ausgewählte Inhaltsstoffe garantieren besonders angenehme Anwendungs- und Trageeigenschaften. Mit Produktionsstätten in Deutschland und Brasilien sowie Vertriebsagenturen in 14 Ländern präsentiert sich die Kosmetik-Sparte heute als global agierendes Unternehmen.

Gräfin Mary von Faber-Castell – hier mit Ehemann Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell – leitet als geschäftsführende Gesellschafterin zusammen mit Stefano Castelletti die Kosmetik-Sparte.

Nachhaltigkeitsmanagement mit ökologischer Verantwortung gehört seit jeher zur Philosophie des Hauses. Faber-Castell Cosmetics verbindet diese Prämisse mit den Anforderungen der dynamischen Kosmetikindustrie und entwickelt Naturkosmetik, die aus FSC-zertifiziertem Holz besteht, mit Schonern aus biologisch abbaubaren Rohstoffen versehen ist und die international anerkannten Gütesiegel Ecocert, BDIH und NaTrue trägt. Faber-Castell Cosmetics gilt auf diesem Gebiet als Branchenpionier: Unter dem Motto It’s our Nature® hat das Unternehmen mit Truly Natural ein rundum ökologisches Make-up Konzept für Kosmetikstifte entwickelt, das im Jahr 2008 erstmals vorgestellt wurde; weitere Produkte für die dekorative Kosmetik und die Nagelpflege folgten.

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Faber-Castell Cosmetics

Das breitgefächerte Sortiment von Faber-Castell Cosmetics besteht aus einem intelligenten Baukastensystem an Formulierungen und Formaten. Höchste Qualitätsansprüche und individuelle Kundenwünsche erfüllt dieses Konzept gleichermaßen.

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k Eyeliner in metallischen Farben, Eyeshadow mit Glitter und fl端ssiger Eyeliner mit extra breiter Pinselspitze

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Werk Geroldsgrün

Farbe bekennen Vor zwanzig Jahren hat Professor Werner Knaupp, damals Lehrer an der Kunstakademie Nürnberg, auf Wunsch von Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell ein Farbkonzept speziell für Faber-Castell geschaffen. „Ein Unternehmen, das ein breites Spektrum von Farben produziert, sollte dies auch innen und außen dokumentieren“, so seine Meinung. Der Künstler hat sich bei der Entwicklung seines Konzeptes sowohl von den psychologischen Wirkungen von Farben leiten lassen wie auch von den physikalischen Gesetzmäßigkeiten des Farbkreises.

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Werk Geroldsgrün

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Farbkonzept Geroldsgrün

Charles Graf von Faber-Castell, Professor Werner Knaupp und Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell (v.l.n.r.)

Im Werk Geroldsgrün präsentieren sich die kompletten Gebäudefassaden in diesen kräftigen Regenbogenfarben, vielleicht, um einen Kontrapunkt zum einheitlichen Fichtengrün des Frankenwaldes zu setzen. Gelb wurde für das Verwaltungsgebäude gewählt, Rot für das Heizwerk, Blau für die Fertigungshallen. Für die Fensterrahmen wurden die jeweiligen Komplementärfarben Violett, Grün und Orange eingesetzt, da dadurch der stärkste Farbkontrast erreicht wird. Zur Schließung der letzten grauen Lücken im Geroldsgrüner Farbenspiel hatte im Sommer 2002 bei einer Feier unter dem Motto „Farbe bekennen“ Graf Anton Wolfgang von Faber-Castell selbst den Pinsel geschwungen, unterstützt von seinem Sohn Charles. Im Jahr 2011 feiert das Werk Geroldsgrün sein 150-jähriges Jubiläum.

urch die Anordnung der Regenbogenfarben in einem Kreis von Goethe im 18. Jahrhundert vorgeschlagen und von Johannes Itten, einem Bauhauslehrer, 1961 perfektioniert, werden Wirkung und Kontrast der Farben zueinander in Relation gesetzt. Prof. Werner Knaupp hatte bei Itten noch Vorlesungen gehört. An den Gebäuden der Werke in Stein und Geroldsgrün wurde das Konzept in den vergangenen Jahrzehnten in einmaliger, wenn auch unterschiedlicher Weise umgesetzt. Am Stammsitz in Stein fallen im U-förmigen Fabrikgebäude die farbigen Eingangstüren und Treppenhäuser auf, die von Gelb über Orange, Rot, Violett, Blau bis zu Grün genau dem Farbkreis folgen. In der vertikalen Richtung nehmen die Fenstersprossen, mit Grün im Keller beginnend, diese Logik dezent auf.

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150 Jahre Werk Geroldsgrün

Hundert Jahre nach der Firmengründung in Stein wird 1861 das Werk Geroldsgrün in Oberfranken errichtet. Man beginnt mit der Produktion von Schiefertafeln und einfachen Zeichengeräten. Seit 1892 wird die Fertigung von Rechenschiebern aufgenommen. Auf diesem Gebiet wird sich Faber-Castell zu einem der weltweit führenden Hersteller entwickeln. Die Erfindung des elektronischen Taschenrechners bereitet den Rechenschiebern Mitte der siebziger Jahre ein abruptes Ende. Heute werden im Werk Geroldsgrün weiterhin hochwertige Zeichen- und Schreibgeräte sowie Kosmetikstifte aus Kunststoff hergestellt.

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Internationale Unternehmensgruppe

Aus Stein in die Welt

StammSitz des Unternehmens ist Stein

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ie farblich markierten Stationen bilden ein einzigartiges Ensemble aus Produktionsstandort, Repräsentativbauten und Landschaftspark, das heute als „Faber-Castell Erleben“ öffentlich zugänglich ist. Die besondere Faszination ergibt sich aus dem Nebeneinander von Herkunft und Zukunft eines weltweit agierenden Familienunternehmens. Das Graf von Faber-Castell’sche Schloss sowie das Museum »Alte Mine« sind an jedem 3. Sonntag im Monat von 11.00−17.00 Uhr geöffnet. Individuelle Führungstermine an Werktagen können angefragt werden unter www.faber-castell. de/Faber-Castell-Erleben.

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Graf von Faber-Castell’sches Schloss Dauerausstellung, Cafeteria Fertigungsstätte »Holzgefasste Stifte« Besucherzentrum »Ehemaliges Kesselhaus« Museum »Alte Mine« Faber-Castell Shop im ehemaligen Gärtnerhaus


Faber-Castell produziert weltweit in 10 Ländern, vermarktet die Produkte in über 20 Vertriebsgesellschaften und ist in mehr als 120 Ländern vertreten.

Deutschland Tschechien Schweiz Österreich

Frankreich

USA

Italien Mexiko

China Hongkong

Indien

Costa Rica

Singapur

Malaysia

Kolumbien Peru

Indonesien Brasilien

Chile Argentinien

Australien Neuseeland

Produktionsstätten

Vertriebsgesellschaften

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Produktionsstätten

SteinDeutsch grünDeutschlan zellÖsterreich lien PrataBras Brasilien Nei BogotaKolumbi GuangzhouCh en BekasiIndo LumpurMalaysia 92

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in 10 L채ndern

hland Gerolds nd Engelharts SaoCarlosBrasi silien Manaus ilyCostaRica ien LimaPeru hina GoaIndi onesien Kuala a 250 Jahre Faber-Castell

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Faber-Castell Brasilien

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Brasilien In der weltweit größten Fabrik für Blei- und Buntstifte in São Carlos im Südosten Brasiliens tragen rund 2.800 Angestellte dazu bei, dass Jahr für Jahr mehr als 2 Milliarden Stifte vom Band laufen.

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Vom Baum zum Bleistift Faber-Castell forciert seine ökologische Vorreiterrolle und wirtschaftet weltweit klimaneutral

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an muss kein Visionär sein, um zu erkennen, dass die Sicherung der Res„ sourcen für das Leben der kommenden Generationen von höchster Bedeutung ist“, sagte A.W. Graf von Faber-Castell bereits kurz vor dem Weltgipfel der Nachhaltigkeit in Johannesburg im Jahr 2002. Damals präsentierte sich Faber-Castell als einziges mittelständisches Unternehmen vor den 25.000 Delegierten, Beobachtern, Journalisten und Nichtregierungsorganisationen als eine Firmengruppe mit Weitblick für ökologische Notwendigkeiten. Als branchenweiter Vorreiter im Bereich industrieller, umweltfreundlicher Fertigungsprozesse hatte man über zwei Jahrzehnte zuvor in ein Projekt investiert, das bis dato von der Öffentlichkeit fast unbemerkt vor sich hin wuchs: 10.000 Hektar Pinienwälder – mit viel personellem Aufwand in Eigenregie aufgeforstet und bewirtschaftet – stellen eine biologisch

wertvolle Rohstoffquelle für die Holzstiftproduktion dar – ausreichend, um heute den Jahresbedarf von mehr als 2 Milliarden holzgefassten Stiften des Faber-Castell’schen Werks im brasilianischen São Carlos zu decken. Ein visionäres Projekt, das von Anton Wolfgang Graf von FaberCastell und seiner Geschäftsführung von Anfang an einen langen Atem verlangte: Ein Pinienforst benötigt 15 bis 20 Jahre bis zur Erntereife der ersten Baumreihen. Kein ergebnisorientiertes Shareholder Value Modell also, sondern ein Projekt, welches geduldige und überzeugte Befürworter verlangte, um zum Erfolgsfaktor zu gedeihen. Die Wälder werden nach modernsten Kriterien der Nachhaltigkeit bewirtschaftet. Sie entsprechen als „sozialverträgliches, ökologisch wertvolles und wirtschaftlich rentables“ Forstprojekt den Anforderungen des Forest Stewardship Council (FSC), einem Expertengremium aus internationalen Forstwissenschaftlern und Umwelt-

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Eine Million Setzlinge des Typs Pinus Caribea werden jedes Jahr neu angepflanzt.

Die Wälder der Faber-Castell Gruppe bieten auch ein Refugium für seltene Tierarten.

verbänden, deren Zertifizierung als Qualitätssiegel gilt. Nach diesen strengen Kriterien wurden nicht nur die firmeneigenen Wälder, sondern auch alle Sägewerke und alle Produktionsstätten für holzgefasste Stifte zertifiziert. Nachhaltigkeit – also der Einklang von Ökologie und Ökonomie – lässt sich in Zahlen messen: Dem ständig steigenden Weltmarktpreis für Holz stehen die sich langfristig amortisierenden Investitionen der Waldbewirtschaftung entgegen. Die Strategie der vertikalen Diversifizierung, die schon Lothar von Faber (4. Generation) verfolgte, als er im Jahr 1856 eine sibirische Graphitmine kaufte, sorgt nicht nur für Planungssicherheit bei der Rohstoffbeschaffung, sondern garantiert auch eine gleichbleibend hohe Qualität. Einnahmen aus der Abfallverwertung senken obendrein die Kosten. Hühnerfarmen und landwirtschaftliche Betriebe sind beispielsweise dankbare Abnehmer der im Betrieb anfallenden Sägespäne, welche zu Pellets gepresst auch als regenerative Energie in den eigenen Produktionsstätten genutzt werden. Eine andere erfreuliche Rechnung besagt, dass die firmeneigenen Wälder ausreichend sind, um den CO2-Ausstoß aller Fertigungsstandorte zu kompensieren.

Im Jahr 2008 schloss sich Faber-Castell der Wirtschaftsinitiative „Business & Biodiversity“ an, die das Thema Biodiversität auf die Firmenagenda setzt. 34 brasilianische, deutsche und japanische Unternehmen unterschrieben auf Einladung des Bundesumweltministeriums eine Leadership-Erklärung, die der Förderung der biologischen Vielfalt Rechnung trägt. „Der Schutz von nativer Flora und Fauna, wie er in einem aufwändigen wissenschaftlichen Programm in unseren Forsten bei Prata betrieben wird, ist schon seit langem fester Bestandteil der Firmenpolitik, denn „ökologische und soziale Verantwortung“ sind als Markenkernwert in den Unternehmensgrundsätzen festgeschrieben. 55 Säugetier-, 232 Vogel- und 55 Reptilien- und Amphibienarten sind in den naturbelassenen Arealen der firmeneigenen Forste beheimatet, die etwa 30 Prozent der Gesamtfläche ausmachen“, erklärt Jairo Cantarelli, Leiter der Holzversorgung für Faber-Castell Brasilien und als solcher verantwortlich für das Forstprojekt in Prata. Nicht zuletzt die Zusammenarbeit mit renommierten lokalen Universitäten verschaffte dem FaberCastell’schen Engagement zum Erhalt der Artenvielfalt internationale Anerkennung.

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Wertvolle Rohstoffquelle für die Holzstiftproduktion: eigene Pinienwälder in Brasilien

Luftbild der Faber-Castell Forste in Brasilien

Die ökologischen Bemühungen an den Faber-Castell Standorten sind also kein öffentlichkeitswirksames Lippenbekenntnis auf dem Zenith des aktuellen Ökotrends, sondern seit vielen Jahren Realität. Inzwischen bezieht das Unternehmen global 95% des jährlich benötigten Holzbedarfs aus zertifizierten Quellen; die restlichen Holzmengen stammen aus nachhaltig bewirtschafteten Forsten. Im Jahr 2008 erhielt Anton Wolfgang Graf von FaberCastell für sein langjähriges Engagement vom WWF und der Zeitschrift Capital den Titel des „Ökomanagers des Jahres“. Eberhard Brandes, Geschäftsführer der renommierten Umweltstiftung in Deutschland, sieht in FaberCastell „ein hervorragendes Beispiel dafür, wie ein global agierendes Unternehmen trotz des wachsenden Drucks auf den Märkten im Sozial- und Umweltbereich weitreichende Standards setzen kann“. Nicht erst seit ökologische Verantwortung als einer der Kernwerte der Marke etabliert wurde, wächst in der Firmengruppe der Ehrgeiz. Dem Einsatz von ausschließlich zertifizierten Hölzern gelten bei Faber-Castell weltweit größte Anstrengungen. Der gesamte Produktzyklus – von der energiesparenden Fertigung bis zum

Abfall-Recycling – unterliegt ständiger Kontrolle; bei Weiterentwicklung und ökologisch wie ökonomisch sinnvollen Verbesserungsprozessen helfen moderne Technologien, und das nicht nur bei holzgefassten Stiften, sondern auch in allen anderen Produktkategorien. Für den Firmenchef Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell ist die Verantwortung für Mensch und Umwelt jedoch kein Selbstzweck. Er möchte „anständig“ Geld verdienen – im ethischen wie im betriebswirtschaftlichen Sinne. „Um langfristig erfolgreich zu sein, muss man in Generationen denken. Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, nicht auf Kosten meiner Nachfolger zu wirtschaften, und dazu gehört auch, dass ich für unseren wichtigsten Rohstoff Holz nachhaltige Quellen schaffe, die nicht zulasten der Umwelt oder des Menschen gehen und gleichzeitig unserem Qualitätsanspruch genügen. Unsere gesunde wirtschaftliche Lage und die Anerkennung durch unsere Geschäftspartner, Händler und mündigen Verbraucher sagen mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

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Colour scheme in the stairwell at the production site in Stein

Jack Huston | Actor | England


Die Faber-Castell Sozialcharta

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m März 2000 unterzeichneten Faber-Castell und die IG-Metall die Faber-Castell Sozialcharta. Diese international gültige Vereinbarung gehört in ihrem Umfang zu den ersten ihrer Art. Mit ihr verpflichtet sich Faber-Castell freiwillig, in allen Gesellschaften der Unternehmensgruppe die von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) empfohlenen Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Die Sozialcharta Faber-Castell beinhaltet u. a. das Verbot von Kinderarbeit, die Chancengleichheit und die Gleichbehandlung ungeachtet der Rasse, der Religion, des Geschlechts, der Nationalität sowie die Gewährlei- Unterzeichnung der Sozialcharta am 3. März 2000 durch Faber-Castell und stung sicherer und hygienischer Arbeitsbedingungen. Ein unabhängiger die IG Metall Ausschuss überwacht in regelmäßigen Abständen die Umsetzung der Vereinbarung. Als eines der ältesten Industrieunternehmen der Welt hat Faber-Castell seit jeher ein hohes soziales Engagement bewiesen. Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden eine der ersten Betriebskrankenkassen in Deutschland geschaffen, Schulen gegründet und Werkswohnungen gebaut.

Gelebte Unternehmenstradition von Mensch zu Mensch: Bei Faber-Castell Brasilien in São Carlos engagieren sich freiwillige Mitarbeiter für die Betreuung der Kinder von Werksangehörigen.

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Das Graf von FaberCastell’sche Schloss

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Vorfreude aus der Vogelperspektive: Die Belegschaft am Stammsitz in Stein formiert sich im Sommer 2010 vor der Kulisse des Graf von Faber-Castell’schen Schlosses zur Zahl 250 und läutet damit die Feierlichkeiten ein, die im Jubiläumsjahr 2011 rund um den Globus begangen werden.

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Das Graf von Faber-Castell’sche Schloss

Der Ballsaal zeigt die stilgeschichtliche Vielfalt der Innenausstattung des Schlosses im Zeitalter des Historismus. So sind die „Poussiernischen“ in den Raumecken im neugotischen Stil gestaltet, die Musikempore orientiert sich an Zierelementen der Renaissance, und der schwungvoll ornamentierte Stuckplafond ist ein typisches Beispiel für den Jugendstil.

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Das mit Jugendstilmosaiken ausgestattete helle Marmortreppenhaus (unten links) bildet einen Kontrast zur historistischen Gestaltung der Fassade.

Gobelinsaal (oben) und Mittelhalle (unten rechts) sind mit pr채chtigen polychromen Stuckdecken ausgestattet, die nach der Restaurierung in neuem Glanz erstrahlen.

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Das Graf von Faber-Castell’sche Schloss

Der in Milwaukee/Wisconsin geborene Deutsch-Amerikaner Carl von Marr, Maler und Professor an der Münchner Kunstakademie, schmückte den festlichen Speisesaal mit einer wandfüllenden Malerei mit Temperafarben auf Leinwand aus. Die Darstellung greift das Thema der verschiedenen Lebensalter von der Geburt bis ins hohe Alter auf.

I Die Wandpaneele des Ballsaals sind mit Nussbaumfurnier belegt. Für die Intarsien verwendete man besonders edle Materialien wie Vogelaugenahorn, Ebenholz und Perlmutt. Die textile Wandbespannung ist aus goldfarbenem, mit Palmettenmotiven geschmücktem Brokatell gefertigt.

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nmitten eines Landschaftsparks in unmittelbarer Nähe zu den Fabrikanlagen befindet sich ein einzigartiges Ensemble von drei eindrucksvollen Gebäuden, die mehreren Generationen als Wohnsitze dienten. In Sichtweite der Villa Wilhelm von Fabers wurde für Alexander Graf von Faber-Castell und seine Frau Gräfin Ottilie von 1903 bis 1906 das „Neue Schloss“ errichtet. Es ist durch einen Turm mit dem „Alten Schloss“ verbunden, das der Architekt Friedrich Bürklein 1845−1848 für Lothar von Faber geplant hatte. Für den Bau des „Neuen Schlosses“ fiel die Wahl auf den Architekten Theodor von Kramer, der seit 1888 als Direktor des Bayerischen Gewerbemuseums in Nürnberg tätig war. Diese zentrale Institution für Gewerbeförderung hatte Lothar von Faber 1869 maßgebend mitbegründet. Theodor von Kramer berichtet in seinen Lebenserinnerun-


Die beiden Badezimmer verbinden repräsentative Eleganz mit zeitgemäßer Funktionalität. Das in grüngrauen Farben kühl gestaltete Herrenbad kontrastiert mit den warmen Braun- und Türkistönen des Damenbades.

gen über das „Neue Schloss“ in Stein: „... Der ganze Gebäudekomplex trägt, dem besonderen Wunsche des Auftraggebers entsprechend, burgartigen Charakter. In seinem Inneren empfängt den Eintretenden ein in kostbarem Marmor hellglänzendes Treppenhaus. Weite Hallen führen zu den Sälen und Zimmern, deren Ausgestaltung an fürstliche Pracht erinnert. Dies gilt namentlich von den im Obergeschoß liegenden Festräumen, von denen wiederum der große Speisesaal sich durch künstlerisch wertvolle Wandgemälde, ausgeführt von Carl von Marr, dem späteren Münchener Kunstakademiedirektor, auszeichnet …“. In der Wahl der Stilformen aus der Architekturepoche der Romanik werden Anspielungen auf den familiengeschichtlichen Hintergrund von Alexander Graf zu Castell-Rüdenhausen sichtbar; führt doch das fränkische Adelsgeschlecht

der Grafen zu Castell den Stammbaum bis in das 11. Jahrhundert zurück. Auf die Zeit der Ursprünge des Adelshauses spielt die Bauornamentik in Form neoromanischer Rundbögen am Außenbau an, besonders am imposanten, weithin sichtbaren Schlossturm.

Im Treppenhaus schillern prachtvolle Jugendstilmosaike in vielfältigen Farbnuancen.

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Das Graf von Faber-Castell’sche Schloss

Die Kinderzimmer haben eine farbenfrohe Wandgestaltung, die nach der Restaurierung wieder in voller Pracht erstrahlt.

Im Innern zeigt das „Neue Schloss“ auf beeindruckende Weise die Stilvielfalt des ausgehenden 19. Jahrhunderts bis zum Jugendstil. Noch heute spiegeln die Räumlichkeiten nahezu unverfälscht die Wohnkultur der Noblesse wider. Die vom jungen Architekten Bruno Paul ausgestatteten drei Repräsentationszimmer – der Empfangssalon und das Arbeitszimmer von Graf Alexander im Erdgeschoss sowie das „Zitronenzimmer“ der Gräfin im ersten Obergeschoss – gelten als herausragende Beispiele für den Jugendstil. Eine Vorliebe für geometrische Ornamentsysteme charakterisiert die Gestaltungsweise Bruno Pauls, der die Wandvertäfelungen und das Mobiliar der sorgfältigen handwerklichen Ausführung der Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk in München anvertraut hatte. Neben der Prachtentfaltung der Repräsentationsräume entsprechen die Kinderzimmer dem privaten Wohnbedürfnis. Diese wurden eigens mit leicht abgerundetem Mobiliar kindgerecht ausgestattet, und die farbenfrohe Wandgestaltung mit bunten Märchenfriesen regte die Fantasie der Kleinen an. Der repräsentative Schlossbau verfügte über die neueste Haustechnik. Von der Küche im Keller transportierte der „Elektrische Speisenaufzug System Stigler“ die Speisen bis in den Office ge-

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nannten Zimmerservice-Raum in jeder Etage. Die gesamte Elektroinstallation plante das technische Büro der Siemens-Schuckert-Werke in Nürnberg. Über tausend Glühbirnen beleuchteten die drei Etagen vom Erdgeschoss bis zu den Festräumen im 2. Stock. Für wohlige Wärme und frische Luft sorgte die von der Firma MAN in Nürnberg eingebaute Ventilationsanlage und eine NiederdruckDampfheizung. Die hochmodernen gräflichen Bäder stattete eine in Straßburg im Elsass ansässige Firma für Gas- und Wasserinstallation aus. Das 1906 vollendete „Neue Schloss“ diente bis 1939 als Wohnsitz der gräflichen Familie. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs erlangte Schloss Stein während der Nürnberger Prozesse von 1945 bis 1949 Bekanntheit, als dort im „Press Camp“ internationale Presseberichterstatter und Fotografen logierten. Zwischen 1949 und 1953 nutzte die amerikanische Besatzungsmacht das Gebäude als Offizierscasino. Die Erhaltung des Schlosses ist für AntonWolfgang Graf von Faber-Castell ein wichtiges Anliegen. Seit Jahren sind zahlreiche Restauratoren mit der Renovierung des Familienanwesens betraut.


Das Graf von Faber-Castell’sche Schloss

International Military Tribunal Press Camp K

urz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, am 1. Mai 1939, zog die gräfliche Familie wie üblich in ihren Sommersitz außerhalb Nürnbergs. Wenig später wurde das Schloss von der Deutschen Wehrmacht teilweise genutzt. Ohne größere Schäden überstand es die Kriegsjahre. Neben der Nähe zum zerbombten Nürnberg mit ein Grund, warum das Schloss und die daneben befindliche „Villa Wilhelm von Faber“ nach Kriegsende 1945 von den Alliierten als „Press Camp“ okkupiert wurden. Aus Schloss und Villa in Stein berichteten 92 ausländische Journalisten in die ganze Welt über das Internationale Militärtribunal (IMT) in Nürnberg.

In den großen Sälen des Schlosses hatte die US-Armee lange Tische aufgestellt, an denen akkreditierte Journalisten aus 20 Nationen arbeiteten.

Von den Siegermächten angeklagt wurden in den Nürnberger Prozessen 23 führende Repräsentanten des Nationalsozialistischen Regimes. Die „Nuremberg Principles“ der Anklageerhebung wurden bedeutend für das moderne Völkerrecht und führten zur Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Das Pressecorps umfasste eine ganze Reihe bekannter Namen, darunter Walter Cronkite, Wes Gallagher und William Shirer. Von den angereisten bekannten Schriftstellern seien John Dos Passos, Martha Gelhorn, Janet Flanner, Nora Waln, Rebecca West, Victoria Ocampo und Sir Harold Nicolson erwähnt. Einige deutsche Emigranten berichteten für ihre neuen Heimatländer: Erika Mann, Robert Jungk, Alfred Döblin, Peter de Mendelssohn, Willy Brandt und Markus Wolf. Originalbeschriftungen wie No smoking, Vegetable, Fruits und Juice sowie ein Tranformator im Souterrain, Speisekarten und Wäscherechungen sind stumme Zeugnisse eines bedeutsamen Abschnitts der Geschichte des Schlosses.

Prozesskommentator H. R. Baukhage (l.) von der „American Broadcasting Co.“ im Gespräch mit Lt. Col. Madary, leitender Offizier des Press Camp

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Production of wood-cased pencils at the production site in Stein

Eva Herzigova | Model | Czech Republic


Gewöhnliche Dinge außergewöhnlich gut machen Im Gespräch mit Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell

»Tradition bedeutet, nicht die Asche zu bewahren, sondern die Glut. Der Erfolg von Faber-Castell über die Jahrhunderte hinweg basiert auf der wertschätzung langjähriger erfahrung, dem streben danach, gewöhnliche dinge aussergewöhnlich gut zu machen, der aufgeschlossenheit gegenüber neuen ideen sowie einem verantwortungsvollen, unternehmerischen handeln. diese werte gelten nicht nur für die marke, sondern für das ganze unternehmen und sichern unsere identität sowie unseren langfristigen erfolg.«

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es gibt viele argumente für »den guten alten Bleistift …«

Graf von Faber-Castell, Ihr Unternehmen setzt auch im digitalen Zeitalter auf holzgefasste Stifte – ein Anachronismus? Das Benutzen von PC oder Laptop wird man nicht aufhalten können; trotzdem wird in den nächsten Jahrzehnten noch mit der Hand geschrieben, gezeichnet und gemalt werden. Die Erkenntnisse der Hirnforschung zeigen uns, dass Kinder die Hände nutzen müssen, um ihre mentalen Fähigkeiten zu entwickeln – da sind unsere mit Sorgfalt entwickelten Produkte schon vom pädagogischen Standpunkt her wichtig. Mit der nach wie vor wachsenden Weltbevölkerung, vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern, zeichnet sich zudem eine langfristige Nachfrage an Produkten für Schule und Ausbildung ab, zu denen natürlich auch Blei- und Buntstifte zählen.

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Was ist denn das Gute am Bleistift? Es gibt viele Argumente für den guten alten Bleistift, der ja eigentlich Graphitstift heißen müsste: Er ist umweltfreundlich und ökonomisch, und er hält Hunderte von Jahren. Sogar der russische Kosmonaut Juri Gagarin, der im Jahr 1961 als erster Mensch im All die Welt umrundete, nahm ihn mit an Bord des Raumschiffs ‚Wostok‘, denn der Bleistift schreibt auch in der Schwerelosigkeit.

Sie haben schon erlebt, dass sich der Lebenszyklus Ihrer Produkte ziemlich schnell verändert hat … Ja, wir haben zwei Strukturkrisen erfolgreich überstanden: den Abschied vom Rechenschieber in den 70er Jahren und den Bedeutungsverlust des manuellen technischen Zeichnens in der zweiten Hälfte der 80er Jahre. Langfristig gibt es für uns zwei Bereiche, von denen wir uns nachhaltiges Wachstum versprechen: Zum einen sind das Produkte für Kinder, die pädagogisch wertvoll sind und die Kreativität anregen; zum anderen setzen wir auf erlesene Schreibgeräte und Accessoires. Die frühe Markenbindung bei Kindern und die wichtigen, imagebildenden Abstrahleffekte der hochwertigen Produkte, insbesondere der Graf von Faber-Castell Collection, unterstützen nachhaltig die Positionierung von Faber-Castell. Als Lebensbegleiter beschäftigen wir uns außerdem verstärkt mit Kreativprodukten für Erwachsene: Die hochindustrialisierten Staaten verzeichnen ein steigendes Bedürfnis nach Freizeitbeschäftigung, da die Zahl älterer Menschen zunimmt, und so werden Artikel zum kreativen Gestalten künftig stärker gefragt sein.

Welches ist das aktuell erfolgreichste Faber-Castell-Produkt, weltweit gesehen? Nach wie vor der Buntstift. Aber wir verlassen uns nicht nur darauf. Faber-Castell möchte mit einem breitgefächerten Sortiment Lebensbegleiter sein – von den ersten Produkten zum Malen bis zum anspruchsvollen, hochwertigen Schreibgerät und Accessoire für den privaten Gebrauch.

Sie stellen nicht nur Produkte zum Malen, Schreiben und Zeichnen her … Die wenigsten wissen, dass wir schon seit mehr als 30 Jahren Produkte für bekannte Kosmetikunternehmen herstellen. Faber-Castell Cosmetics hat sich mit holzgefassten Stiften und Applikatoren als einer der führenden Hersteller von Artikeln für die Kosmetikindustrie etabliert.

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MIT ANSTAND ANSTÄNDIG »GELD VERDIENEN.«

Sie sind in 120 Ländern aktiv – welche Märkte sind für Sie besonders interessant? Mit einem gewissen Stolz blicke ich darauf zurück, dass ich schon Ende der 70er Jahre auf die Märkte in Asia/Pacific gesetzt und dort mit der Gründung von Gesellschaften die Grundlage für einen nachhaltigen Erfolg geschaffen habe. Malaysia ist heute ein blühender Produktionsstandort; das Unternehmen Faber-Castell genießt dort einen hohen Bekanntheitsgrad. Ähnlich ist es in Indonesien, Indien und hoffentlich auch bald in China. Ich sehe Asien als großen Wachstumsmarkt – ganz besonders für hochwertige Produkte mit dem Gütesiegel „Made in Germany“. Wie lautet Ihr Verständnis von Profit? Ich halte nichts von kurzfristigem Profitstreben. Die Fähigkeit, nachhaltig ertragreich zu sein, ist für ein Unternehmen, das langfristig erfolgreich sein will, lebensnotwendig. Für mich ist es selbstverständlich, als Unternehmer im doppelten Wortsinn mit Anstand „anständig“ Geld zu verdienen. Der Anstand, der auf Werte wie sozialer Verantwortung, Vertrauen, Ehrlichkeit und fairem Umgang miteinander basiert, ist durchaus mit einem gesunden Streben nach Ertragskraft vereinbar, denn nur ertragreiche Unternehmen können sich soziale Leistungen auch erlauben. Ihr Haus gilt immer wieder als Musterbeispiel dafür, wie sich Profit und soziale Verantwortung vereinbaren lassen. Sie haben sich mit einer Sozialcharta freiwillig verpflichtet, in allen Werken die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation umzusetzen. Warum ist Ihnen das wichtig? Mein Ur-Ur-Großvater, Lothar von Faber, war ein außergewöhnlich sozial eingestellter Unter-

nehmer, und die nachfolgenden Generationen sehen es bis heute als eine Verpflichtung an, seinem Beispiel zu folgen. Die im Jahr 2000 unterzeichnete Sozialcharta verbietet neben anderem Diskriminierung, Kinderarbeit und schützt unsere Mitarbeiter vor Ausbeutung. Die Vereinbarungen, zu denen wir uns darin bekennen, sind für mich eigentlich eine unternehmerische Selbstverständlichkeit. Welche Vorteile hat ein familiengeführtes Unternehmen in der globalisierten Welt? Gut geführte Familienunternehmen zeichnen sich durch Werte aus, die Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und menschliche Tugenden wie Fleiß, Bescheidenheit und Aufrichtigkeit beinhalten. Wichtig ist die Einstellung, die von Generation zu Generation vermittelt wird: dass man sich als dienendes Glied in einer Kette versteht und dass man den langfristigen Erhalt des Unternehmens vor den Wachstum per se stellt. Für mich gilt, dass es nicht die spektakulären Sprünge sind, die uns weiterbringen, sondern die Kontinuität in Dingen, die sich in der Vergangenheit als richtig erwiesen haben. Ständiges Optimieren nach dem Motto „Viele kleine und rasche Schritte ergeben auch einen großen Schritt“ ist seit jeher Bestandteil unserer Unternehmensphilosophie. Welches Erfolgsgeheimnis steckt hinter der 250jährigen Geschichte des Familienunternehmens Faber-Castell? Lothar von Faber hat die nachfolgenden Generationen und auch mich persönlich stark geprägt:

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den Kundennutzen niemals »aus…den Augen zu verlieren. «

Seine Kompromisslosigkeit beim Aufbau der Marke, sein soziales Engagement, seine Kreativität und seine Konsequenz in der Eroberung neuer Märkte, lange bevor es das Wort ‚Globalisierung‘ überhaupt gab, sind unternehmerische Qualitäten, die heute noch so aktuell sind wie damals. Dabei gilt es nicht, die Tradition zu bewahren, sondern sie als ein erfolgreiches Wertesystem zeitgemäß zu erhalten. Gleichzeitig darf man sich nicht scheuen, Bestehendes in Frage zu stellen und zu optimieren – das ist ein wesentlicher Teil des Erfolgs. Am Wichtigsten für mich persönlich ist jedoch, neugierig zu bleiben und den Kundennutzen niemals aus den Augen zu verlieren. Fühlen Sie manchmal die Bürde Ihres Namens? Generell war der Name nie eine Last für mich, im Gegenteil – im Geschäftsleben kann er ein Türöffner sein. Allerdings reicht das alleine nicht aus. Um erfolgreich zu sein, muss man seine Fähigkeiten unter Beweis stellen. Was bedeutet für Sie Luxus? Das Wort ‚Luxus‘ ist mir suspekt, da es für mich den Beigeschmack von Protz und Überfluss hat, und ich interessiere mich weder für das eine noch für das andere. Luxus im Sinne von etwas Besonderem, einem Gegenstand von außergewöhnlichem Wert mit überlegener Funktion und sorgfältiger Verarbeitung schätze ich hingegen sehr. Das kann eine Armbanduhr mit einem ausgefeilten mechanischem Uhrwerk ebenso sein wie ein hochwertiges Schreibgerät – z.B. der „Perfekte Bleistift“ aus der Graf von Faber-Castell Collection. Welcher ist Ihr wertvollster Besitz? Meine Frau und meine Kinder, aber sie sind nicht

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mein Eigentum. Meine wertvollsten Objekte sind Kunstwerke des deutschen Expressionismus und Werke zeitgenössischer Künstler, die ich sammle. Was würde ich gerne besitzen? Ein gut geführtes Weingut – und damit wäre ich gerne so erfolgreich wie mein Vetter, Ferdinand Erbgraf zu CastellCastell. Welches ist Ihr Lieblingsschreibgerät? Der „Perfekte Bleistift“ ist mein unverzichtbarer Begleiter. Außerdem greife ich besonders gern zum Ambition Cocos, dessen Schaft aus indischer Kokospalme gefertigt wird. Das Material liegt angenehm in der Hand, und die Tinte schreibt flüssig und trocknet schnell. Mit welchen Erwartungen begehen Sie das Jubiläumsjahr „250 Jahre Faber-Castell“? Ich freue mich darauf, dieses außergewöhnliche Jubiläum mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den zahlreichen Standorten rund um den Globus gemeinsam zu feiern. Es ist für mich eine Freude und eine Genugtuung, zu diesem Meilenstein in der Unternehmensgeschichte einen Beitrag geleistet zu haben, aber es ist kein Grund, Arroganz oder Selbstzufriedenheit an den Tag zu legen. Gerade in der heutigen Zeit ist es von besonderer Bedeutung, als Unternehmer menschlich zu bleiben und sich an die Werte zu halten, die schon Lothar von Faber geprägt hat, denn diese Werte sind die Stärke unseres Familienunternehmens. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass Faber-Castell sich weltweit noch viel stärker zu einer Premiummarke weiterentwickelt und kompromisslos dem Leitsatz treu bleibt, gewöhnliche Dinge außergewöhnlich gut zu machen.


„Wichtig ist die Einstellung, die von Generation zu Generation vermittelt wird: dass man sich als dienendes Glied in einer Kette versteht und dass man den langfristigen Erhalt des Unternehmens vor überzogene Wachstumsziele stellt.“

Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell

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Aus den Familienalben

Tradition und Zukunft Weihnachten 1941 – Katharina Gräfin von Faber-Castell mit Kindern der 8. Generation (v.l.n.r.): die Grafen Hubertus, Alexander, und Anton Wolfgang, Gräfin Felicitas (hinten) sowie Gräfin Angela von Faber-Castell (ganz rechts)

8. Generation 2010 – Weihnachtsgrüße der 9. Generation (v.l.n.r.): Gräfin Sarah, Gräfin Katharina, Graf Charles und Gräfin Victoria von Faber-Castell

9. Generation 118

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„Mir war es von anfang an nur darum zu tun, mich auf den ersten platz emporzuschwingen, indem ich das Beste mache, was überhaupt gemacht wird.“ Lothar Freiherr von Faber in einem Brief an seinen Bruder Eberhard, 31. Mai 1869


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