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THE LICENCE

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Wie die Geier, diese Paparazzi, und das schon in den 60ern.

Unermüdlich, hungrig, nicht tot zu kriegen. Paparazzi sind die stechwütigen Moskitos im modernen Mediendschungel, und überdauern seit ihrem Aufkommen sämtliche Krisen und Wandlungen des Boulevardjournalismus. FACES beleuchtet ihr von Hassliebe geprägtes Verhältnis zu den Schönen und Reichen und nimmt in diesem Special die Trophäenjäger der medialen Neuzeit ins Visier, die ihr Geld mit Indiskretion verdienen – und dabei zuweilen vor wenig zurückschrecken.

Na, Princess Di, da schaust du – direkt in die Kamera! So then, cheeeeese!

KLICK

Once upon a time in Rome… Wie das PaparazziPhänomen seinen Weg fi ndet aus den Gässchen der ewigen Stadt zum weltweiten Berufsstand – in vier Kapiteln.

Spotted: Jean Paul Belmondo und Alain Delon in Rom.

KLICK

Pause am Filmset von „La Dolce Vita“. Federico Fellini ist der erste, der das Paparazzi-Phänomen cineastisch aufgreift.

Anita Ekberg wird nicht nur auf der Leinwand belagert.

CHAPTER 1

Publikumswirksame Aktionen wie diese sorgen dafür, dass die Spezies der wie Raubtiere auf belichtbare Beute lauernden Paparazzi sich über den Stiefel hinaus verbreitet. An südfranzösischen Hotspots wie Monte Carlo, Cannes, Saint Tropez, weiter auch in Deutschland, Berlin, Hamburg. Den Hauptverantwortliche für den Big Boom fi nden wir – blame the british! – in London. Was die Via Appia einst für den Handel des Römischen Reichs bedeutete, ist die Fleet Street für die englischen Tabloids. Von Mirror bis Daily Mail haben diese hier ihre Headquarter. Am 15. Novemdamaligen „König der ein- ber 1969 steigt Medienhändigen Fotorafenkunst“. mogul Rupert Murdoch Fellini habe ihm sogar bei der Sun ein und modelt die Paparazzi-Paraderolle die kriselnde einstige schlechthin, nämlich jene Prima donna vom BroadWein, Sonne, Dolce far in „La Dolce Vita“, an- sheet zum Tabloid-Format niente – in den 50ern geboten. Schließlich tritt um. Weil die Konkurrenz erklären Ava Gardner, Quinto immerhin als Sta- in Sachen Hintergrund, Alain Delon oder Sophia tist auf. Dafür macht die Investigation und Politik Loren Italien zum Sehn-weibliche Hauptdarstelle- um Meilen besser aufgesuchtsort des Jetset, son-rin Anita Ekberg off-screen stellt ist, liegt die inhaltnen sich an der Riviera, Schlagzeilen, indem sie liche Priorität der Sun auf schlendern durch histo-auf einen eklatant ekligen jenen Berühmtheiten, welrisch behaftete Gässchen. Paparazzi zurückschießt. che durch den Boom des In Rom macht sich eine Mit dem Pfeilbogen. Sie Fernsehens in aller Munde überschaubare Gruppen trifft ihn in die Hand, was und Wohnzimmer sind – von Pressefotografen einen am Folgetag reich bebil- mit Fokus auf deren PrivatSport daraus, die dinieren-dert auf den Frontseiten leben: Liebe, Partys, Affäde oder fl anierende Promi-sämtlicher italienischer ren. Inklusive Bildmaterial, nenz in fl agranti abzulich-Zeitungen steht. entstanden analog zum ten. Teilweise knattern sie Erfolgsrezept der Guerilladen Stars auf Vespas hin- Fotografen in Rom. It sells! terher, eine Hand am Lenker, die andere reckt die Kamera in die Höhe, Zeigefi nger am Auslöser. Der Katalog einer Ausstellung, welche vor rund zwei Jahren im Palazzo Leoni Montanari die Ursprünge des Phänomens ergründet, erwähnt Felice Quinto als

Da nützt auch die Abwehrgeste nichts, liebe Juliette Gréco.

Na gut, manchmal lässt sich mit den FotoKnipsern auch mal ganz nett schwatzen.

Charlie Chaplin in zivil, ein beliebtes Motiv der römischen Paparazzi.

Romantischer Spaziergang? Davon können Alain Delon und Romy Schneider nur träumen. Die Fotografen verfolgen sie auf Schritt und Tritt. In den Reihen der Fleet Street springt eine Zeitung nach der anderen auf den Zug auf, Sun und Co. mutieren zu den meistgelesenen Blättern des Königreichs, mit entsprechendem Einfl uss auf die öffentliche Stimmung. Die Daily Mail ist heute der Platzhirsch, doch die Aufl agen der sogenannten Red Tops gehen allgemein durch die Decke, womit die Nachfrage und Honorare für delikates Bildmaterial permanent steigen. Umgekehrt sinkt die Hemmschwelle der freischaffenden Fotografen beim Eingriff in die Privatsphäre der Celebrities. Mehr und mehr. Mit fortschreitender Globalisierung der Popkultur schifft die PaparazziPraktik Ende der Achtziger über den Atlantik in die neuen Zentren der Showbizz-Strippenzieher: Kalifornien, New York, Florida... Inzwischen sorgen bessere Vernetzung und schnellere Vertriebskanäle dafür, dass Skandalfotos im Eiltempo um den Globus gehen. Das eröffnet den Paparazzi ein noch größeres Kundensegment – was automatisch bedeutet, noch höhere Gagen. Im Prinzip wie beim Poker: Wer ein glückliches Händchen beweist, sahnt den fetten Pot ab. Bald fl ießen für einzelne Bilder mehrere hunderttausend Dollar, bei exquisiten SensationsShots wechseln siebenstellige Beträge die Hand. Forbes listet als teuerstes Promibild aller Zeiten jenes der Kinder von Angelina Jolie und Brad Pitt auf, publiziert im August 2008 in den Magazinen People und Hello!. Kostenpunkt: 15 Millionen Dollar.

Die Zeitung könnte als Sichtschutz dienen.

Fellini prägte den Begriff des Paparazzo und sein Film „La Dolce Vita“ die Sicht über die Fotografen, ohne die Stars nur halb so berühmt wären. Wenn sich Brigitte Bardot sonnt, sind die knipsenden Wichte nicht weit.

Der Crash unter der Pont de l'Alma, die Paparazzi als Schuldige und eine Prinzessin als Opfer: Geschichten, die das Leben schreibt.

AKTE

spannen Filmrollen in die Kameras. Minuten später jagen sie in Kamikaze-Manier hinter dem Fahrzeug her in Richtung Kensington Palace, Stempel durchgedrückt, Rotlichter, Tempolimiten, Verkehrsinseln, Nebensache. Jetzt zählt nur das Bild. Harvey hängt aus dem Fenster, todesmutig, drückt ab, kurz bevor der Audi zur Königsresidenz abbiegt. Volltreffer! Es ist scharf. Und unschätzbar wertvoll. Auf 228 Seiten beschreiben Saunders und Harvey in ihrem Buch „Diana and the Paparazzi“ den Wahnsinn, den Diana die Prinzessin in jenen Jahren täglich erlebt. „Einer der fotogensten Promis aller Zeiten“, schwärmt Ian Down, zuweilen Bildredakteur der Daily Mail, später in Diensten der Bildagentur Silver Hub. 750 Millionen verfolgen die Hochzeit mit Prinz Charles am TV, für ein einfaches Foto aus dem Privatleben der Princess of Wales blättern Boulevardblätter gerne eine halbe Million Pfund hin. Über eine ganze habe er für den ersten Schnappschuss von Diana mit Dodi Al-Fayed eingestrichen, prahlt Ex-Paparazzi Jason Fraser gegenüber Time.com. Paradoxerweise provoziert gerade diese Liebe, respektive das manische Interesse an der zur Stil-Die Leute sind verrückt nach ihr. Um die Volkseuphorie ikone hochstilisierten Frau, deren Tod: Am 31. August 1997 rund um Prinzessin Diana zu bedienen, gehen die Paparazzi kracht ihr Chauffeur mit Vollgas in einen Pfeiler der Pont de l’Alma in Paris, auf der Flucht vor Paparazzi. Sprich über Leichen. Schlussendlich sogar über jene von Lady Di nach einer ähnlichen Aktion, wie sie Harvey und Saunders herself. Eine Abhandlung, wie die Tragödie das Business erlebt haben. Die meistfotografi erte Frau der Welt sowie ihr Geliebter Al-Fayed sterben. Kurz darauf gehen an der Fleet mit der Skandalfotografi e veränderte – und wie nicht. Street erste Angebote ein von Paparazzi, welche die Leiche Dianas fotografi ert haben. Pietät versus Sensationslust. Bereits 1993 hatte Diana gegen den Daily Mirror geklagt, nachdem er sie beim Training im Gym gezeigt hatte. Die Parteien fi nden eine außergerichtliche Einigung, Dianas Hilferuf verhallt ungehört. Doch nachdem die Paparazzi die Prinzessin der Herzen ins Grab gejagt haben, stehen sie am öffentlichen Pranger, ihre Sympathien fallen genauso in den Keller wie die Umsätze der Revolverblätter. So tief schürft die Wut, dass Passanten sogar den als königlichen Fotografen angestellten Tim Rooke vor dem Buckingham Palace anpöbeln. „Wir müssen ihre Söhne schützen!“, fordert Dianas Bruder Charles Spencer an der Trauerfeier, die zum globalen Happening ausartet. Als unmittelbare Reaktion weitet die britische Pressebehörde die Privatsphäre aus und verbietet die gigantischen Teleobjektive. „Die Prinzen waren tabu“, beschreibt Christian Barrett, einst bei Shutterstock beschäftigt, auf Time.com. Welpenschutz für William und Harry, zu diesem Zeitpunkt 15- und 12-jährig. Aber zeitlich limitiert. Williams erste Dates mit Kate Middleton 2003? Harry mit Hitlerkostüm 2005 oder beim StripBillard in Vegas 2012? Draufhalten und abdrücken! Denn eine neue Generation hat nun jene Gilde abgelöst, welcher Dianas Tod in den Knochen steckte. Ein wenig ist vieles wie vorher, als Skandalnudel Harry mit 20 vor einem Londoner Club eine Prügelei mit einem der lästigen Verfolger vom Zaun bricht. Adlige sind ihr Kerngeschäft und Adrenalin ihr Treibstoff. Mark Saunders und Glenn Harvey leben einen Diesmal zieht das Königshaus die Notbremse – in Form einer Ankündigung (oder Drohung, je nach InterpreBerufsalltag auf der Achterbahn der Hormone. Am späten tation), rechtlich rigoros gegen Eingriffe ins Privatleben Abend des 3. März 1994 schlägt ihr Hormonspiegel wie- vorzugehen. Gleichzeitig bespielen die Royals fl eißig ihre der einmal Loopings: Per Telefon fl üstert ihnen ein Spit- Social-Media-Kanäle, um potentiellen Paparazzi proaktiv Diana stirbt am 31. August 1997, zel, Diana Spencer – Noch-Ehefrau von Prinz Charles – den Wind aus den Segeln zu nehmen. Zeitweise erhalten und natürlich kennt die Presse kein anderes Thema. rolle in diesen Minuten in den Hafen von Chelsea ein – in die Red Tops jedes Jahr einen königlichen Brief, welcher Gesellschaft eines Fremden, der vermutlich Oliver Hoare sie zur Zurückhaltung mahnt und dabei unter anderem den heißt, verheirateter Kunstmillionär. Vor Ort beobachten „Protection from Harassment“-Act zitiert. Dieser steht seit Saunders und Harvey, wie der Audi in die Tiefgarage eines Herbst 1997 im britischen Mediengesetz. Für Diana kam Restaurants rollt. Sie beziehen Position am Hinterausgang, er einige Monate zu spät.

WHAT they DO and Jacky Kennedy HOW they DO it und Giovanni Paparazzi sind so etwas wie die Filzläuse in der Schamgegend der Pressefotografen: Hinterhältige, unbeliebte Wadenbeisser, skrupel- ICONS In Blütezeiten der PeopleAgnelli auf dem Weg zur Bootsfahrt im Golf von Salerno. WECHSELWIRKUNG Perfi d, welche Abhängigkeiten aus dem Business und achtungslos, Reputation unter Fotografi e – etwa während der frühen Sechziger- oder mit Promi-Fotos entstehen. Durchaus nachvollziehbar, null. Doch was zeichnet einen den mittleren Neunziger dass eine frisch kahlrasierte Jahren – gelingt manchen und nervlich angeschlagene Paparazzo aus, woher stammt die Paparazzi der Durchbruch Britney Spears durchdreht, Bezeichnung, und wie entwickelte zu Weltruhm, fast schon auf Augenhöhe mit den Prowenn sie sensationsgeile Kameras verfolgen auf dem sich die Praxis der Promijagd? mis. Neben Tazio Secchiaroli (siehe Etymologie) gelingt Weg zu Ex Kevin Federline. Verständlich also, dass HANDWERK dies etwa dessen Landsmann Rino Barillari (76), den Berühmtheiten nicht dauernd erkannt werden wollen. In aller Regel geht der Italien 1998 sogar mit einem Umgekehrt macht jedoch Paparazzo als Freischaffen- Orden für seine Verdienste genau dieses Erkanntwerder auf die Pirsch. Von her- ehrt. Zur französischen den ihre Berühmtheit aus. kömmlichen News- oder Volksseele gehört sowieso Wer darauf aus ist, seinen durch ihr Portfolio selbst zu eine notorische Neugier Promi-Status zu bewahren, Ikonen gewordenen Portraitfotografen wie Bob Rock und dafür, was und mit wem die Idole der Leinwand (bezie- UND WOZU? ist auf Publicity angewiesen. Und für einige jener, welche

Abgelichtet: Elizabeth Annie Leibovitz unterscheidet hungsweise Hitparade) in Ja, welche psychologischen keine Nummer-Eins-Hits lan-

Taylor und Richard Burton in Monte Carlo. er sich darin, dass er seine „Opfer“ jenseits der Inszenieihren Schlafzimmern treiben. Und während des SomMotive stecken dahinter, dass Millionen von Medienden, Weltmeisterschaften gewinnen oder Oscar-NomiETYMOLOGIE Glauben wir dem Duden (das tun in diesem Fall nicht alle), steht am Ursprung der Wortherkunft Federico Fellinis Klassiker „La Dolce Vita“ von 1960 – eine Art Parodie auf das Phänomen, wie in den Fünfzigern etwa in Rom teilweise Schwärme von Pressefotografen den Berühmtheiten nachstellen. Walter Santesso spielt die Rolle eines solchen Knipsers namens Paparazzo. Der Original-Paparazzo war demnach ein kalabrischer Hotelbesitzer, zum Film-Charakter jedoch soll Fellini vor allem Tazio Secchiaroli inspiriert haben, der Gründer der Agenzia Roma Press Photos und damaliger Platzhirsch der Klatschpresse, berüchtigt dafür, wie er mit schamloser Aufdringlichkeit unter anderem den ägyptischen Monarchen Faruk in einem Café an der Via Veneto zu einem Wutanfall provozierte oder den Schauspieler Walter Chiari zu einem Faustangriff. Nach „La Dolce Vita“ engagierte ihn Sophia Loren für private Zwecke – auf Empfehlung Fellinis. Eine andere These verankert den Begriff in einem Dialektwort rung des Showbiz, oft aus einem Versteck heraus, ablichtet. Egal, ob diese das nun wollen oder nicht. Eingangs vor allem in Italien populär, konzentriert sich das Geschäft heute auf die USHot-Spots New York und Los Angeles, sowie in Europa auf London, Paris allenfalls Berlin sowie Festival- oder Urlaubsorte wie Cannes oder Ibiza. Einer, der das Business kennt, ist Justin Steffman, der seit seinen Teens in Kalifornien auf die Jagd geht. Er beschreibt einen perfekten Arbeitstag so: „Du entdeckst als einziger eine berühmte Person, schießt ein scharfes Bild und entkommst unerkannt.“ Mit dem Ziel, die Abzüge so gewinnbringend wie möglich an einschlägige Medienhäuser zu verticken. Als Zwischenhändler fungieren dabei mehr oder minder spezialisierte Bildagenturen (auf internationalem Parkett gehört etwa Getty zu den Marktleadern). Sie handeln wiederum die Publikationsverträge aus, welche bis ins pingeligste Detail die Urheberrechte festlegen, respektive zu welchem Teil der Fotograf an den Lizenzgebühren beteiligt ist. mers an den Stränden der Côte d’Azur. Daniel Angelis’ (77) Stammplatz sind zunächst die Hallen der Pariser Flughäfen, wo er Liz Taylor oder John Lennon abpasst, sich einen Namen macht auf den Redaktionen und 1968 eine eigene Bildagentur ins Leben ruft. Sein Nacktbild von Fiat-Zampano Gianni Agnelli erreicht 1977 Kultstatus, Rockstar Johnny Hally day adelt Agnelli zum Fotografen (und Freund) seines Vertrauens über 15 Jahre. Die Briten Glenn Harvey und Mark Saunders verdanken ihre Bekanntheit ihrerseits der Tätigkeit im Umfeld der Royals, welchen sie aufl auern wie der Fuchs den Hühnern. Der heute 90-jährige Ron Galella aus den USA verursacht schließlich eine Staatsaffäre, als ihn Jacky Kennedy 1972 verklagt und den Geheimdienst beauftragt, seine Kamera zu zerstören. Sein Werk ist zwischen den Buchdeckeln des 192-Seiten-Schinkens „Off Guard“ verewigt. konsumentinnen und -konsumenten danach lechzen, einen Schnipsel aus dem Leben jenseits der Grenze der Privatsphäre jener zu erhaschen, von denen wir normalerweise die blankpolierte Scheinfassade zu sehen bekommen? Da wäre auf jeden Fall eine Faszination für diese schillernden Persönlichkeiten, für ihr Auftreten, ihr künstlerisches Oeuvre – konkret: die Songs, die Filme, die Tore auf dem Fußballrasen, die Stilsicherheit der Garderobe und Frisuren, in manchen Fällen die physische Attraktivität. Dem Paparazzo jedoch geht es nicht ums Zementieren dieses Images – sondern im Gegenteil um dessen Dekonstruktion. Je unvorteilhafter die Situation, in der seine Bilder die Protagonisten einfangen, desto höher im Kurs bei den Konsumenten. Sie liefern dem Publikum den Beweis, dass jenseits von TV-Kameras, Rampenlicht und Gala-Robe auch Pamela Anderson oder Katie Price mit denselben Alltagsproblemchen kämpfen wie das Fußvolk – dass sie zum Beispiel genauso zerknittert aussehen, wenn sie ohne Make-up und in Filznationen einfahren, sind Paparazzi-Bilder ein ebenso dankbares Mittel zum Zweck wie pseudo-intime InstaPosts. So nutzen aufmerksamkeitsbedürftige RealityStarlets wie beispielsweise Jenny Thompson den bereits angeschnittenen Gang zur Abfalltonne als Catwalk der Inszenierung, indem sie dabei etwa sexy Dessous und frische Tattoos vorführen. Die Belagerte aus dem Film „La Dolce Vita“: Anita Ekberg. aus der Region um Neapel, pantoffeln den Müllsack in welches das Geräusch beim den Container schmeißen. Schließen der Kameralinse bezeichnen soll.

Nicht immer nur vorteilhaft abgelichtet: Marlene Dietrich.

Wo Stars und Sternchen sich zeigen, sind Paparazzi nicht weit.

MICHAEL SCHUMACHER

Während der Schwangerschaft im Winter 2006 ist symbolisch Feuer im Dach bei Maggie Gyllenhaal. Nur symbolisch jedoch, und eigentlich eher vor dem Dach: Als die Wehen einsetzen, muss Partner Peter Sarsgaard erst einmal rund 30 Paparazzi aus dem Weg räumen vor der Expressfahrt auf die Geburtenabteilung. Gleiches Szenario bei der Heimkehr mit Töchterchen Ramona. Einer der Fotografen informiert gar zwei Mal (!) die Feuerwehr, weil er hofft, der Fehlalarm würde die Familie ins Freie treiben. Tut er aber nicht, wie die USSchauspielerin People.com erzählt. Ein Abenteuer hätte es werden sollen. Aber so hatte sich Reese Witherspoons damals sechsjährige Tochter ihren Geburtstagstrip 2005 in den Disney Adventure Park im kalifornischen Anaheim kaum ausgemalt. Plötzlich bodycheckt ein Fremder (44, vorbestraft wegen Diebstahl und Betrug, wie sich später herausstellt) Witherspoons Anhang zur Seite, um die Schauspielerin mit Nachwuchs vor die Linse zu zwingen. Er verletzt dabei eine Fünfjährige und deren Mutter, wie die L.A. Times berichtet, und als das Park-Personal einschreitet, entsteht ein Handgemenge. Das letzte Wort in der Angelegenheit hat der Richter: Er spricht den Übeltäter schuldig wegen Tätlichkeit und Missachtung der Privatsphäre.

Tempo war sein Metier, auf Asphalt hätten die meisten Paparazzi höchstens an Schumis Auspuff geschnuppert. Auch auf der Skipiste macht der sieben fache Formel-1-Champion normalerweise eine stilsichere Figur – bis zum Sturz in den französischen Alpen im Dezember 2013. Wochenlang liegt Schumi im Koma. Und vor jedem Besuch bestreitet Gattin Corinna einen Grand Prix: Sie plackert sich durch einen Pulk von Fotografen, welche die Klinik belagern wie die Römer das gallische Dorf. Einer soll sich gar als Priester verkleidet haben, um einen Blick auf den bruchgelandeten, an Sauerstoffschläuche angeschlossenen Rennfahrer zu erhaschen. Jene Bilder, welche gemäß dem UK-Revolverblatt Sun für fast eine Million Pfund an Medien angeboten werden, stammen je nach Quelle von einem schwach gewordenen Freund oder von Angehörigen anderer Patienten im Spital von Grenoble.

VICTIMS!

KRISTEN STEWART

19 Jahre Altersunterschied trennen die Schauspielerin von Regisseur Rupert Sanders. Im Sommer 2012 teilen die beiden während des Drehs zu „Snow White and the Huntsman“ trotzdem das Bett. Ans Licht bringt die Affäre die Agentur FameFlynet, deren Angestellte Stewart im Vorfeld rund um die Uhr überwachen. Sie kennen ihre Gewohnheiten, ihre Autonummer, ihre bevorzugten Supermärkte, wie Agentur-Inhaber Boris Nizon gegenüber dem Magazin Domo erklärt. Stewarts Beziehung zu „Twilight“Partner Robert Pattinson überlebt den Seitensprung nicht, Sanders Ehe endet zwei Jahre später vor dem Scheidungsgericht.

KANYE WEST

HAILEY BIEBER

Kaum verlässt die Tochter von Hollywood-Haudegen Stephen Baldwin mit ihrem Ehemann Justin das Haus, hängen ihr die Paparazzi am Rockzipfel. Im Fall der 24-Jährigen ist das wörtlich zu verstehen: Im April jammert sie in der Talkshow von Tiktoker Dixie D’Amelio, einer habe ihr hinter einem Vorhang hervor unter den Mini fotografi ert, als sie ins Auto einstieg. Wobei wir anmerken möchten, dass dieser Mini tatsächlich seeehr kurz geraten ist. Bodyguards? Nein, der selbst ernannte „Yeezus“ legt selbst Hand an, und zwar alles andere als barmherzig samaritterlich. Ein Rencontre vor dem Flughafen LAX lässt Paparazzo Daniel Ramos im Sommer 2013 mit einer Hüftverletzung zurück. Er verklagt den Rap-Mogul, der schon 2008 wegen Ausfälligkeiten gegen Fotografen verhaftet worden war, auf Körperverletzung. Die beiden versöhnen sich außergerichtlich – inklusive medien wirksamem Handshake-Picture.

PRINZESSIN STÉPHANIE VON MONACO

Was eine Runde Tequila im Taco Shop, das sind Skandalstorys aus dem Leben der Adligen für die Klatschpresse: Geht immer und hält die Kundschaft bei Laune! Mitte der Neunziger ist Prinzessin Stéphanie hoch im Kurs, erst die Techtelmechtel mit Belmondo und Delon, schließlich – fast schon fi lmreif – die Heirat 1995 mit Leibwächter Daniel Ducruet. Welche aber kurz währt: Im Folgesommer zeigt die Klatschpresse, wie der Bodyguard ein Nacktmodell vernascht. Die Fotografen soll die Dame mutmaßlich selbst angeheuert und hinter den Fenstern des Nachbarhauses in Position kommandiert haben. Stéphanie ihrerseits pfeift auf solche Details – sie reicht die Scheidung ein. Kürzlich lieferten die Paparazzi einen Epilog: Fotos, auf denen Ducruet und Stéphanie sich auffallend nahe kommen – 25 Jahre danach.

ARNOLD SCHWARZENEGGER

Als A-Listen-Promi in Kalifornien schlägt sich Action-Movie-Haudegen Arnie laufend, radelnd, essend, knutschend oder joggend mit Paparazzi rum. Als republikanisch gesinnter Gouverneur des Golden State (2003-2006) drückt der King of Bizeps in einem Kraftakt ein Gesetz durch, das Seinesgleichen in der Öffentlichkeit sozusagen unter Artenschutz stellt – und hinter dem ein gewisses Maß an Eigeninteresse steckt. Es verbietet ab 1. Januar 2006 die Verfolgung von Prominenten im Auto, genauso wie das Blockieren ebensolcher zu fotografi schen Zwecken. Delinquenten bittet der Governator deftig zur Kasse: Verursachter Schaden ist fi nanziell in bis zu dreifacher Höhe zu vergüten, allenfalls eingestrichenes Honorar für entstandene Bilder anstandslos herauszurücken – bis zum letzten Cent. Sommer 2000, verliebt in Rom – doch die Dolce Vita bekommt für Steffi Graf und Andre Agassi einen bitterbösen Beigeschmack: Paparazzi umschwirren das Tennis-Traumpaar wie Wespen einen Gelati-Stand. Während einer Auto fahrt knattert ihnen eine unerwünschte Eskorte von Fotografen auf Motorrädern hinterher, verursacht ein Verkehrschaos, das nur dank sehr viel Glück ohne Blech- oder anderen Schaden ausgeht. Der Welt am Sonntag gibt Graf zu Protokoll: „Kürzlich las ich im Flugzeug in der Bunten einen Artikel über mich. Mein Name war das einzige, was darin richtig geschrieben war.“

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1 Meghan Markle und Prinz Harry 2 George Clooney 3 Perez Hilton 4 Hugh Grant 5 Fabrizio Corona 6 Prinz William und Kate Middleton 7 Khloé und Kourtney Kardashian 8 Jessica Simpson 9 Caitlyn Jenner

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issues LEGAL

Wer sich mit Paparazzi und/oder den Produkten ihrer Arbeit anlegt, sollte einen Plan haben im Irrgarten der Paragraphen. Weil dabei einerseits oft im juristischen Graubereich operiert wird. Und es geht um stattliche Summen, im Spannungsfeld zwischen Persönlichkeits- und Publikationsrechten, zwischen privaten, öffentlichen sowie vor allem kommerziellen Interessen.

1. Die Akte Meghan:

Selbst ohne Adelstitel zwingen Mexit-Meghan Markle und ihr Gatte Prinz Harry einen Giganten der Paparazzi-Industrie in die Knie. Splash News, eine der produktivsten Agenturen am Platz, verscherbelt im Sommer 2020 Bilder aus dem kanadischen Exil des Promi-Paares an mehrere Medienhäuser. Bilder, auf denen Baby Archie zu sehen ist. Das weckt in Mami den Beschützerinstinkt, Markle zieht vor Gericht. Und weil die Zeichen auf Sieg stehen, meldet Splash News im März 2021 Konkurs an – präventiv. Dass Medien und Agenturen freiwillig, beziehungsweise aus Respekt vor hohen allfälligen Prozesskosten, auf die Publikation von Bildern klagefreudiger Stars verzichten (Heidi Klum gehört dazu), ist derweil kein allzu neuer Trend, wie der Schweizer Zwischenhändler Dukas verlauten lässt. 2. Die Akte Jenner: 2015 geht es auf kalifornischen Straßen um Leben und Tod. Ein Verkehrsunfall, in den Berufspromi Caitlyn Jenner verwickelt ist, endet mit einem Todesopfer. Allerdings ohne Eigenverschulden der damals 68-jährigen US-Amerikanerin, wie der L.A. County Bezirksanwalt entscheidet. Sie habe die Geschwindigkeitsbegrenzungen eingehalten und sei offenkundig abgelenkt gewesen – durch einen motorisierten Schwarm Paparazzi.

3. Die Akte Clooney: Zwei auf einen Streich, what else? Die reizvolle Aussicht, George Clooneys niedliche Zwillinge auf Film zu kriegen, verlockt 2017 einen Fotografen des Magazins Voici dazu, über einen Zaun auf das Grundstück der Clooneys zu linsen. Der Hausherr fi ndet das alles andere als amüsant und zieht den Übeltäter kurzerhand vor Gericht.

20'000 Euro dafÜr, dass die bilder verschwinden? Absolut BranchenÜblich.

4. Die Akte Hilton: Bauernschlau, denkt BunthaarBlogger Perez Hilton, als er im Sommer 2013 kopiergeschützte Fotos von Glee-Star Darren Criss aus dem Web screenshootet, mit seinem eigenen Wasserzeichen versieht und auf seine Page lädt. 14 Stück. Dummerweise entdeckt der „bestohlene“ Robert Caplin sein Werk auf Hiltons Blog. Aus den geleakten Gerichtsakten geht das Ausmaß der Klage hervor: 150'000 Dollar muss der Dieb blechen – für jedes einzelne Bild. Womit Caplin seinen Lebensabend fi nanziert haben dürfte. 5. Die Akte Corona: Vor Corona zittert die Prominenz lange vor der Verbreitung von Sars-Cov-2. Statt um eine Pandemie geht es dabei jedoch um Erpressung. Fabrizio Corona, ein ins Paparazzi- Milieu verstrickter PeopleJournalist aus Sizilien, offeriert mehreren Prominenten aus Politik, Sport und Showgeschäft, die von ihnen gemachten unvorteilhaften Schnappschüsse unter Verschluss zu halten. Gegen Cash, versteht sich. Unter anderem erwischt Corona den damaligen Juventus-Fußballer David Trezeguet beim Rumfummeln mit einem Model und fordert vom französischen Nationalkicker 20'000 Euro als Gegenleistung dafür, dass die Bilder diskret verschwinden. 2007 fl iegt Corona auf und hat die Frechheit, vor Gericht auf Unschuld zu plädieren. Seine Praxis sei „im Geschäft absolut üblich“. Hochwürden pfeift darauf und verurteilt den Paparazzo im Januar 2013 in letzter Instanz zu fünf Jahren Knast. Worauf dieser Hals über Kopf nach Portugal abhaut. Wenige Tage später nagelt ihn die Mailänder Polizei in Lissabon fest. Gute Führung bringt ihm eine vorzeitige Entlassung – bis der heute 47-Jährige erneut in den Bau wandert, weil er auf ausländischen Bankkonten über eine Million Euro an der Steuerbehörde vorbeischleust. 6. Die Akte Simpson: Über elf Millionen Follower bestaunen Jessica Simpsons Twitter und Instagram, wie die Sängerin 2018 aus dem New Yorker Bowery Hotel auscheckt – aufgebrezelt nach allen Regeln der Schminkkunst, zuckersüß lächelnd. Das Grinsen vergeht der Besitzerin eines eigenen Mode-Labels, als Splash News auf den Plan tritt. Jene Agentur, welche das Bild vertreibt und die Rechte daran besitzt. Sie hätte von Simpson, welche „das Foto für kommerzielle Interessen“ nutze, gern 150'000 Dollar und deponiert eine entsprechende Forderung beim kalifornischen Obergericht. Entscheid hängig.

7. Die Akte Kardashian:

Sister Act mit Nachspiel: Khloé Kardashian und Schwester Kourtney dinieren im September 2016 in Miami. Erstere postet auf ihrem Insta-Channel eine Impression des Abends. Bloß – die Rechte an dem Schnappschuss gehören der Agentur Xposure, an welche der Fotograf das Bild verkauft hat. Recht am eigenen Bild? Pustekuchen, fi ndet Xposure, und klagt die Kardashian auf 175'000 Dollar ein. Der Prozess zieht sich in die Länge wie geschmolzener Mozzarella, bis die Parteien nach anderthalb Jahren die Sache beilegen. 8. Die Akte Kate: 2012 nimmt die französische Closer ihren Titel allzu wörtlich und publiziert Bilder aus der privatesten Privatheit des royalen Liebespaares Kate und William: Herzogin Middleton im Urlaub, oben ohne. Das Urteil fällt mit einer Busse von 2'000 Dollar milde aus. Vorerst. 2016 geht das Paar erneut gegen das Heft und seine Herausgeber vor, mit der Forderung eines Schmerzensgeldes von mindestens 1.5 Millionen. Begründung: Paparazzi gehörten hart angefasst, schließlich hatten sie schon Harrys Mutter Diana in den Tod getrieben.

9. Die Akte Attacke: Im Wilden Westen haben sie Banditen geteert und gefedert. Im London des 21. Jahrhunderts ereilt ungeliebte Paparazzi eine Dusche mit CowboyBohnen – dann nämlich, wenn Hugh Grant einen davon in die Finger kriegt. So wie Ian Whittaker im April 2007. Mr. Blue Eyes verpasst dem Fotografen ein blaues Auge und deftige Fußtritte, bevor er eine Dose Baked Beans über den Leichtverletzten kippt und, wie Whittaker dem Guardian berichtet, seiner Familie den Krebstod wünscht. Dass dem deswegen später verhafteten Hollywood-Beau die Sicherungen durchbrennen (genauso wie auch Amy Winehouse oder David Beckham), wird vielleicht ein wenig nachvollziehbar vor dem Hintergrund, dass Grants zweite Frau Tinglan Hong nach der Geburt des gemeinsamen Babys im Herbst 2011 die Richter um Hilfe fl eht, weil ihr Paparazzi derart penetrant aufl auern, dass jeder Gang vor die Haustür zum Massenaufl auf ausartet.

The

NEW AGE

Digitalisierung des Mediengeschäfts, Smartphone-Kameras lösen analoge Monsterapparate ab, maskentragende Celebrities, eine Berg-und-Talfahrt der Honoraransätze für Freelance-Fotografen – das Business bleibt in Bewegung. Dies sind die Treibkräfte der jüngsten Entwicklungen: ➭ Social Media

Twitter und Co. als Schaufenster in die innersten Innereien des prominenten Privatlebens? Das macht auf den ersten Klick tatsächlich den Anschein. Wer regelmäßig durch einschlägige People-Portale surft oder Klatschmagazine durchblättert, stellt fest, dass mehrheitlich Insta als Quelle dient für Fotos, auf denen die Schönen und Schöneren ihre Babybäuche oder Boyfriends präsentieren. Für die Zeitungen gratis (weil zu PR-Zwecken) und selbstverständlich von der Schokoladenseite. Bad Hair Day oder Pickelgesichter? Fehlanzeige. Je aktiver ein Star postet, desto überfl üssiger werden piratenmäßig ergaunerte Fotos, weil die meist verpixelten Paparazzi-Bilder nur schon aus ästhetischer Sicht im Nachteil sind, wie eine People-Redakteurin der Schweizer 20Minuten erklärt. Wer genau hinschaut, erkennt jedoch: Im Gegensatz zu den nicht-inszenierten Caught-in-the-Act-Bildern überwachen Promis äußerst akkurat, was über ihren SocialMedia-Kanal nach außen dringt. In vielen Fällen unterstützt von (gelegentlich bildretouchierenden) PR-Profi s und/oder Hoffotografen. Einen, wie Donald Trump während seiner Amtszeit im Weißen Haus zum Beispiel für Schnappschüsse mit der Familie beschäftigte. Gerade um Prominente, die ihre Privatsphäre zurückhaltend offenbaren, kreisen jedoch weiterhin die Guerilla-Fotografen wie Wüstengeier über einem sterbenden Kamel. Die Paparazzi sind auf Posten, zuverlässig wie eine Schweizer Kuckucksuhr – und ihre Ware in den People-Redaktionen nach wie vor heiß begehrt.

➭ Preiskampf

Liefern – oder geliefert sein. So lautet das Gesetz des (Über-)Lebens im Piranhabecken der Paparazzi. Seit jeher. Der Marktwert eines Fotos ist dabei extrem dynamisch, beeinfl usst zum Beispiel durch folgende Faktoren: ☛ Wie populär ist die abgebildete Person? ☛ Welche Qualität weist das Bild auf, wie eindeutig ist die Person zu erkennen? ☛ Wie viele Fotografen bieten ähnliche Sujets an? Je weniger, desto teurer. ☛ Für welche Märkte taugt es? USA und UK schenken dabei deutlich mehr ein als ein auf den europäischen, deutschsprachigen oder nationalen Markt begrenztes Bild. ☛ Wie oft tritt die abgebildete Person in die Öffentlichkeit? Je seltener, desto wertvoller. ☛ Wo und wie wird das Bild veröffentlicht? Das Einzelbild ist in einem Print-Medium mehr wert, im Falle von Online-Diashows geht der einzelne Shot oft zum Schleuderpreis weg. ☛ Was tut die Person auf dem Bild, wie neu ist die Botschaft? Jackpot: eine aufgedeckte Schwangerschaft oder geheime Dates.

➭ Schrumpfende Etats

träge mit größeren Bildagenturen ab. Honorare für Freelancer gehören zu den ersten eingesparten Posten, was die Situation auf dem Paparazzi-Parkett dramatisiert. Für die Masse an angebotenen Fotos steht wenig zu verteilendes Geld zur Verfügung. Klar, wegen der Pandemie, Social Media, der Technologie und der damit einhergehenden Beschleunigung. Breaking News erscheinen teils in Echtzeit im Netz, die heiße Scheiße des Moments ist drei Stunden später kalter Kaffee. Dennoch: Ein Volltreffer bleibt möglich. Einen, wie ihn etwa Felipe Ramales landet, der als erster Katie Holmes und Jamie Foxx turtelnd im Central Park ertappt.

➭ Handycams

Teleobjektive vom Ausmaß einer Bazooka und Apparate, schwer wie asiatische Elefanten – sie zählen zu den Relikten des analogen Zeitalters. Ein halbwegs konkurrenzfähiges Smartphone reicht für den semiprofessionellen Schnappschuss, wenn mehr oder weniger zufällig eine Berühmtheit den Weg kreuzt – was den Berufsstand des Bildjägers einerseits agiler macht, und andererseits für die breite Masse öffnet. Star-Status wie Ende der Achtziger einst Rino Barillari erreicht heute durch die Beschleunigung des Nachrichtenstroms kein Paparazzi mehr, und dass eine Bildstrecke mehrere tausend Dollar abwirft, kommt selten vor. In New York oder Los Angeles etwa hätten Agenturen gemäß dem Schweizer Abnehmer Dukas inzwischen angefangen, mit Handys oder BilligCams ausgestattete Tagelöhner an strategisch geschickten Spots aufzustellen. In Deutschland wirbt das Boulevardblatt Bild mit dem Projekt „1414 Lesereporter“ um Einsendungen aller Art, welche die Sensationslust des Publikums anregen könnten. Viply.de unterhält mit paparazzi@viply.de sogar eine spezifi sche Mail-Adresse für Promi-Sights und beteiligt Hobby-Fotografen im Falle einer Publikation am Umsatz. Richtlinien für den Wert so eines Bildes punkto Exklusivität, Aufl ösung oder Motiv sind dabei explizit defi niert. Dahinter steht die Agentur HGM-Press, welche die Homepage sozusagen als Schaukasten nutzt, um das eingesandte Material an andere Titel zu vertreiben. Normalerweise wirft ein Amateurbild etwa 50 Euro ab. Nachdem er einen deutschen Schauspieler beim Fremdknutschen in der Disco ertappte, verdiente ein Abiturient allerdings angeblich stolze 18'000 Euro an Lizenzgebühren, wie HGM-Press-Geschäftsführer Kai Michel auf Meedia.de verrät.

➭ …and how much

in the end?

Splashnews macht 2004 für einen erschlichenen Schnappschuss der Britney-Spears-Hochzeit mit Jason Alexander 150'000 Dollar locker, wie die Schweizer Illustrierte weiß. Ein Jahr später sollen Brad Pitt und Angelina Jolie am Strand sogar eine halbe Million gekostet haben. „Für das Bild, auf dem ich einen fremden Mann küsse, zahlen Magazine bis 50'000 Euro“, schätzt Michelle Hunziker 2013 gegenüber dem Magazin Domo. Auf dem Konto des Fotografen landen davon in der Regel zwischen 40 und 60 Prozent – je nach Länge der Vertriebskette. Weil jeder Vermittler seine Kommission abzwackt. Übers Ganze gesehen zeigt die Kurve aber in den letzten zehn Jahren deutlich nach unten. Heute, rechnet Jobmonkey vor, bringe ein qualitativ anständiges, nicht-exklusives Paparazzi-Bild ab 50 bis 250 Dollar, das Exklusiv-Foto eines Topshots à la Brad Pitt an die 2'000. Wer ein Skandälchen um jemanden vom Kaliber Paris Hilton aufdeckt, darf mit 50'000 Dollar rechnen.

➭ Covid

„Wir agieren seit jeher aus Distanz“, erklärt PaparazziVeteran Justin Steffman der Vanity Fair. Insofern: Social Distancing ändert wenig am Handwerk als solches. Allerdings hat die Pandemie andere Konsequenzen: Rote Teppiche bleiben eingerollt, VIP-Clubs verriegelt, die Küchen der Gourmetlokale kalt. Exponieren tun sich die Objekte der fotografi schen Begierde viel seltener. Randy Bauer, Boss des Hollywood Hunt Club Bauer-Griffi n, spricht im April 2020 von einem Output von 1'000 Bildern pro Monat gegenüber dem siebenfachen in Prä-Pandemie-Zeiten. Tom Brady lungert einsam im Central Park rum, Arnold Schwarzenegger pedalt im Sattel des Beachcruiser durchs Quartier, Reese Witherspoon besitzt, wie wir dank Covid wissen, ein halbes Hunderudel. Einen Clue landet die englische Daily Mail, als sie Fußball profi Jack Grealish erwischt, wie er nach einer Party seinen Range Rover schrottet, wenige Tage nachdem er seine Fans in einem Video zum Daheimbleiben aufgefordert hat. Mode-Labels zeigen derweil stolz prominente Träger ihre Haute-Couture-Schutzmasken. Hinter ebensolchen Masken, Sonnenbrillen und Caps sind die berühmten Gesichter, welche das Publikum sehen möchte, jedoch kaum zu erkennen. Das erschwert einerseits die Motivsuche: Brad Pitt bedient aus einem Food Truck Bedürftige – unerkannt. Jemand wie Cher freut sich auf Insta, wie sie anonym (!) auf dem Wochen markt einkauft. Andererseits ist die knappere Auswahl ein Faktor, der die in den Keller gefallenen Preise etwas anhebt. Für jene, die das Risiko eingehen und die ethischen Skrupel ablegen, sich unter Menschen zu begeben. Auf der anderen Seite scheinen einzelne Celebrities böse auf Aufmerksamkeits-Entzug. Kim Kardashian verlinkte eine Strecke der Agentur Splash News auf ihrem InstaChannel – fremd dargestellte Selbstdarstellung at its best!

➭ The Future

„Die Paparazzi sterben aus“, titelt die FAZ bereits im Sommer 2013. Sie irrt, zumindest aus heutiger Sicht. Gute 15 fette Jahre dauern die Paparazzi-Heydays ab den mittleren Neunzigern, als ihre Shots Giga-Gagen einbringen. Seit Ende der Nullerjahre befi nden sich die Märtyrer der Gossip-Presse auf dem absteigenden Ast, wofür die FAZ die Erklärung liefert: „Die einen Promis bringen sie vor Gericht, die anderen stellen ihre Urlaubsbilder selbst ins Internet.“ Logisch drückt die Fülle an privaten Bildern auf das Honorar der Paparazzi, von denen, wie Slate.com schreibt, allein in Los Angeles noch an die 150 operieren. Unkraut vergeht nicht, im Gegenteil, der angewelkte Berufszweig könnte bald wieder neue Blüten treiben. Weil, wer ahnt schon, welche Revolution nach Digitalisierung und Social Media das Mediengeschäft als nächstes durchrüttelt? Wird Insta bald kostenpfl ichtig für die Presse? Bringt das Ende der Pandemie einen Aufwärtstrend? Solange die Menschen im Fokus des öffentlichen Interesses eine Grenze ziehen zwischen Privatleben und Öffentlichkeit, überlebt der voyeuristische Trieb des Publikums. Selbst wenn die Paparazzi derzeit hartes Brot picken – aussterben werden sie nicht, vorerst, sondern eisern ausharren. Vielleicht bis zu einem nächsten Frühling.

Der Konkurrenz-Druck unter den Berufskollegen ist groß, noch größer die Wut der Celebs über die überall auftauchenden Fotografen. Doch Not macht erfinderisch und aus dem Paparazzo Hans Paul mal eben einen Malermeister.

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