FACES Deutschland Dez 24

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LOUD

Christina
by Tanya & Zhenya Posternak

N°12/2024

S.16

The Faces

Ethel Cain, Abou Sangaré, Aitana Bonmati, Marcelo Gutierrez, Naiomi Glasses, Vinod Khosla, Mikey Madison, Rhuigi Villaseñor, Katja Lewina, Lucas Pinheiro Braathen, Parshad Esmaeili

S.32

The Hype

Fashion, Beauty, Travel, Eat&Drink, Watches&Jewellery

S.54 Party

Photography: Andrea Tota

S.62

Songbird in a Golden Cage

Portrait: Bryan Ferry

Looks zum Abfeiern gibt es im Editorial von Andrea Tota. S.54
Seit 50 Jahren eine Klasse für sich: Bryan Ferry. S.62
Bring Farbe in deinen Winter mit The Hype: Beauty. S.38

Bildgewaltig: Unsere Vorschau auf die photoSCHWEIZ 2025. S.76

S.68

Eco Rebel

Portrait: Yannik Zamboni

S.76

Framed

photoSCHWEIZ 2025

S.96

Creative Encounters

Interview: Ju Schnee

S.100

Great Moss

Interview: Lilo Klinkenberg

S.106

Immersion

Photography: Benjamin Audour

Eintauchen in andere Welten mit dem Editorial von Benjamin Audour. S.106
Ein Designer mit weißer Weste: Yannik Zamboni. S.68

SPORT CLASSIC

Die EBEL Sport Classic ist die sportlich-schicke Ikone aus den 70er Jahren.

Ihr legendäres Wellengliederarmband, das nahtlos in das ikonische sechseckige Gehäuse übergeht, begeistert durch eine markante Ästhetik und außergewöhnlichen Tragekomfort.

Berühmt für ihr unverkennbares, zeitloses Design, verkörpert die EBEL Sport Classic die perfekte Verbindung von Schönheit und Funktionalität.

Ein unvergängliches Symbol für Eleganz und ein Klassiker der Schweizer Uhrmacherkunst.

COVER

Photography: Andrea Tota

Styling:

Luisa-Marie Henkel

Styling Assistance:

Olena Styling

Hair & Make-up:

Sophie Lerche

Art Direction:

Sifa Cakarer

Photography Assistance: Arunasalam Ravishankar

Set Design:

Marina Peters

Beauty Disruptor

Interview: Ellen Atlanta

S.144

Champagne Cowboys

Palm Springs

S.178

WTF

Model: Annama Nemetz, Louisa Models S.124

Louis Vuitton S.12

Impressum

S.14

Contributors

Unser kalifornischer Kurzurlaub: Palm Springs in Bildern. S.144
Göttliche Gaben in unserem Still Life Editorial. S.124

IMPRESSUM

HERAUSGEBER

Stefan Berger – berger@faces.ch

Patrick Pierazzoli – pierazzoli@faces.ch

CHEFREDAKTEUR

Patrick Pierazzoli

VERLAGSLEITUNG

Julia Gelau

CREATIVE CONSULTANTS

Florian Ribisch

Alex Wiederin

REDAKTION

Michael Rechsteiner

Josefine Zürcher

Livia Schneckenburger

FASHION DIRECTOR

Nadia Hartzer

GRAFIKLEITUNG

Bianca Ugas – grafik@faces.ch

DESIGN/LAYOUT

Gian Ganter

FACES, Bertastrasse 1, CH-8003 Zürich

AUTORINNEN

Lisa Hollogschwandtner, Michael Rechsteiner, Ilija Trojanow, Josefine Zürcher

FOTOS & ILLUSTRATIONEN

Benjamin Audour, photoSCHWEIZ, Andrea Tota, Josefine Zürcher, pa picture alliance (dpa), Launchmetrics SpotlightSM

TYPEFACES

Synt (Dinamo)

Salt Lake (Florian Ribisch)

ANZEIGEN & KOOPERATIONEN DEUTSCHLAND & ÖSTERREICH

FACES Deutschland, Straßburger Straße 6D, D-10405 Berlin

Julia Gelau, Managing Director Germany & Austria – julia@faces.ch; +49 (0) 30 552 02 383

ANZEIGEN & KOOPERATIONEN SCHWEIZ Mirco Ludolini, Sales Director – ludolini@faces.ch

Monika Brändli – monika.braendli@faces.ch

Pascal Konrad – pascal.konrad@faces.ch +41 (0) 43 322 05 37

ANZEIGEN & KOOPERATIONEN ITALIEN EDICONSULT INTERNAZIONALE srl, Piazza Fontane Marose 3, I-16123 Genova milano@ediconsult.com; +39 (0) 010 583 684

ANZEIGEN & KOOPERATIONEN FRANKREICH & GROSSBRITANNIEN

Nina Neuhaus – nina.neuhaus@condenast.de; +33 6 88 58 71 74 ABONNEMENTSPREISE

FACES erscheint 8 Mal im Jahr. Einzelverkaufspreis EUR 10.— ; Jahresabo EUR 68.—

© Copyright 2024 Fairlane Consulting GmbH

Der FACES-Schriftzug/-Stern sind eingetragene Markenzeichen der Fairlane Consulting GmbH und dürfen nicht ohne deren Zustimmung verwendet werden. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Andrea Tota

Vielleicht liegt es daran, dass er zweisprachig aufgewachsen ist – Multitasking ist für Andrea Tota ein Leichtes. Denn bevor er sich als Mode- und Porträtfotograf etablierte, stand er als Influencer selbst vor der Kamera. Nun kann er sich Kooperationen mit Puma, Asos und Weekday in den CV schreiben. Braucht Andrea doch einmal eine kreative Pause, tobt er sich beim Sport aus oder sorgt am DJ-Pult für Stimmung. Seinen beiden Träumen, einmal an einem Festival aufzulegen und eine große Kampagne zu shooten, steht also nichts im Weg.

MERCI

Let the beauty of what you love be what you do.

Luisa-Marie Henkel

Wer denkt, Styling hat nur mit Kleidung zu tun, hat weit gefehlt. Für Luisa-Marie Henkel geht es ums Geschichtenerzählen. Zu einem guten Stylingkonzept gehört darum nicht nur die Fashion, sondern auch die Location und kulturelle Referenzen So entstehen Editorials, die Emotionen wecken –und international in Magazinen landen, zum Beispiel bei Schön, Numéro und natürlich bei uns. Luisa-Marie hat in Paris studiert und ist seit diesem Jahr wieder in Deutschland ansässig.

Als Benjamin Audour seine Karriere als Regieassistent bei großen Liveshows begann, waren die Adrenalinschübe garantiert. Als Fotograf sucht er einen ganz anderen Kick: Am liebsten fotografiert er nämlich alles analog. Dass ihm das fantastisch gelingt, sieht man in unserem Editorial. Und weil das noch nicht genug Talente sind, spricht Benjamin nicht nur Französisch und Englisch, sondern auch Spanisch, Italienisch und ein bisschen Polnisch.

In ihren Adern fließt Mode. Diese diente als Inspirationsquelle und Antrieb gleichermaßen, und so studierte Marie Revelut Modedesign in Perpignan und Narbonne, um dann endlich nach Paris zu gehen, der Modemetropole schlechthin. Dort läuft es auch gleich rund mit der Karriere. Für verschiedene Magazine hat Marie ihren ganz eigenen Stil als Stylistin einfließen lassen. Als Inspiration zitiert sie die gesamte Palette der Ästhetik: Poesie, Kunst, Frauen und Schönheit.

Benjamin Audour
Marie Revelut

„SHINE ON YOU CRAZY DIAMOND.“ THE FACES

Als sitze man im Fegefeuer und trinke Coca-Cola: Ethel Cain besingt den American Nightmare.

ETHEL CAIN

SOUND & FURY

Amerikas Dämonen beten in den Kirchen, tanzen in den Nachtclubs, weinen alleine in ihren Betten. Und alle, alle leben und leiden sie in der Musik von Ethel Cain. Als hätte Lana Del Rey den Paten des Southern-Gothic-Genres William Faulkner als Songtexter engagiert, exerziert Ethel Cain in pechschwarzem Folk-Pop ihre eigene Biografie – als trans Frau aufgewachsen in einer streng religiösen Familie – und reiht dabei Meisterinnenwerk an Meisterinnenwerk. Bald steht das nächste an: Im Januar erscheint das zweite Album „Perverts“. Rohes neues Jahr!

Une vie bizarre: Kriegt Filmpreise, aber kein Asyl.

ABOU SANGARÉ

SEUL ASYLUM

Er möchte kein Filmstar sein. Sondern einfach als Mechaniker arbeiten dürfen. Doch ersteres scheint für Abou Sangaré einfacher als zweiteres. Bei den Filmfestspielen von Cannes gewann er einen Preis als bester Darsteller für den Film „L’Histoire de Souleymane“. Die Geschichte von Souleymane ist auch jene von Abou: Wie die Hauptfigur schlägt sich der 23-Jährige derzeit als illegal eingewanderter Immigrant durch Frankreichs Arbeitswelt und Behördenbürokratie. Und trotz prestigeträchtiger Auszeichnung kämpft der Guineer weiter für sein Happy End.

Für einmal wird der Ball nicht ins Tor getreten.

AITANA BONMATI

GOLDEN GIRL

Wer Aitana Bonmati zu Hause besucht, setzt besser eine Sonnenbrille auf. Denn die Awards in ihrem Regal leuchten inzwischen heller als das Sommerwetter über Barcelona. Alles, was es im Fußball zu gewinnen gibt, hat die Katalanin abgeräumt. Oft mehr als einmal. Deshalb sammelt die Weltmeisterin jetzt außerhalb ihrer Disziplin Preise, beispielsweise den begehrten Laureus World Sports Award for Sportswoman of the Year – als erste Fußballerin überhaupt. Merke: Das Runde kommt ins Eckige. Und was auf dem Grünen passiert, wird bei Aitana zu Gold.

PAINT AND GLORY

Wie Frank Sinatra einst zwischen zwei Gläsern Whiskey on the rocks croonte: Wer es in New York schafft, der schafft es überall. Doch wer will dann überhaupt noch woanders hin? Für seine Karriere als Make-up-Artist wählte Marcelo Gutierrez das toughste Pflaster. Und weil seine Kreationen die It-Crowd nicht nur verschönern, sondern zu Gesamtkunstwerken machen, wurde New York zum Königreich des Kolumbianers. Dessen Menschen widmet Marcelo jetzt den Fotoband „Nothing Precious“. Nicht nur für Fans von kolossaler Kosmetik ein absoluter Goldschatz.

Seine Arbeit ist wesentlich bunter, versprochen.

Ob in der Prärie oder in der verschneiten Stadt, Naimoi Glasses gibt richtig Stoff.

NAIOMI GLASSES

INDIGENIUS

Aus ihren Stoffmustern liest sich die stolze Tradition der Navajo Nation. Mit jedem Stück spinnt Naiomi Glasses die Geschichte ihrer AhnInnen weiter – und erreicht jetzt ein besonders aufregendes Kapitel. Die Textilkünstlerin in siebter Generation wurde von Ralph Lauren zur ersten Artist in Residence gekürt und lanciert eine Capsule Collection mit der Modemarke. Damit bringt die – übrigens auch verdammt gut Skateboard fahrende – Designerin die Diné-Ästhetik einem breiten Publikum hautnah und setzt warme Farbtupfer in der Wintergarderobe.

BILLION DOLLAR BATTLE

Coke gegen Pepsi, Tom gegen Jerry, Edison gegen Tesla – und Elon Musk gegen Vinod Khosla. Bei einigen Rivalitäten muss unser Popcornbecher tief sein, weil sie scheinbar nie enden. Der indisch-amerikanische Investor wurde mit Mikrochips zum Milliardär und profiliert sich als einer der schärfsten Kritiker von Donald Trumps neuem Plus 1 auf Gartenpartys. Als selbsterklärter Techno-Optimist fordert Vinod unter anderem ein bedingungsloses Grundeinkommen und legt seinen unternehmerischen Fokus auf den Umweltschutz. Wenn schon viel zu reich, dann so.

Guter Rat ist teuer. Vinod Khosla kann ihn sich leisten.
CAPTURED BY JOE CLARKE

Wenn alles richtig läuft, geht sie demnächst mit Oscar ins Separée.

POLE POSITION

Spoileralarm für einen fünf Jahre alten Film: Am Ende von Quentin Tarantinos „Once Upon a Time… in Hollywood“ wird Mikey Madison von Leonardo DiCaprio spektakulär abgefackelt. Inzwischen ist es aber Hollywood, das Feuer und Flamme ist für die Schauspielerin. Mit ihrer Titelrolle im Film „Anora“ geht die Newcomerin als Favoritin in die kommende Filmpreissaison. Als Sexworkerin balanciert Mikey auf High Heels so lang wie Stricknadeln zwischen Drama und Komödie und schafft das nuancierte Porträt einer pretty woman in einer hässlichen Welt.

RHUIGI VILLASEÑOR

FORZA FASHIONISTA

Der Fußballclub Como 1907 spielt nach 21 Jahren wieder in der ersten italienischen Liga. (Dass die Mannschaft bei Redaktionsschluss keines der letzten sieben Spiele gewonnen hat, schieben wir auf einen vorzeitigen Winterschlaf.) Um sich für den Aufstieg herauszuputzen, wurde Rhuigi Villaseñor zum Chief Brand Officer ernannt. Der Filipino ist Gründer der Streetwear-Marke Rhude und Ex-Creative-Director bei Bally. Jetzt will er aus Como 1907 einen internationalen Lifestyle Brand machen. Und das mit dem Tore schießen klappt dann auch, irgendwie.

Gibt es bessere Teams? Wahrscheinlich. Gibt es schickere Teams? Impossibile!

TODESMUT

Leben mit der Deadline. Das müssen nicht nur AutorInnen. Sondern wir alle. Doch am Ende geben wir kein Manuskript ab, dafür den Löffel. Und Gabel. Und Messer. Das ganze Besteck, einfach alles. Nach dem plötzlichen Tod ihres siebenjährigen Sohnes und einer Diagnose der Herzkrankheit ARCV musste sich Schriftstellerin Katja Lewina radikal mit der eigenen Sterblichkeit auseinandersetzen. Herausgekommen ist dabei das Buch „Was ist schon für immer“. Es zeigt auf: Je früher wir die eigene Endlichkeit akzeptieren, desto erfüllter wird der Weg dorthin.

Lektüre für das Leben vor dem Tod.

LUCAS PINHEIRO BRAATHEN

CRISTO RENNTOR

Dank ihm ist Brasilien jetzt Skination. 2023 beendete Lucas Pinheiro Braathen auf dem Höhepunkt seine Karriere als bester Slalom-Rennfahrer der Welt. Desillusioniert vom norwegischen Skiverband zog sich der exzentrische Superstar aus dem Schnee zurück und schöpfte im Sand Brasiliens neue Energie. Das Heimatland seiner Mutter bot ihm eine Bühne als DJ und Model. Doch der Ruf des Berges war zu laut. Jetzt startet Lucas unter neuer Flagge und will Glamour und Rock’n’Roll zurück in den Skizirkus bringen – und natürlich erneut allen davonfahren.

Skisaison 2024/2025: Weniger Glühwein, mehr Caipirinhas.

Deutschland hat gewählt. Und zwar die Pointen von Parshad Esmaeili.

PARSHAD ESMAEILI

FUNNY BUSINESS

Zum Lachen geht Deutschland bekanntlich in den Keller. Was völlig okay ist, sofern das WLAN-Signal bis dorthin reicht. Dann kriegt man auch die Comedy von Parshad Esmaeili rein, die es kürzlich mit ihrem YouTube-Kanal auf über 100'000 AbonnentInnen schaffte. Die Deutsche ist auf Pointen aus, die einem danach etwas schlauer machen. Beispielsweise als Teil von Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“-Crew oder Rezos Anti-Fake-News-Aufklärungsprojekt „Fake Train“. Ob auf der Bühne, als Podcast oder Online-Clip, bei Parshad gilt: lustig, listig – läuft.

THE HYPE „YOU MAKE ME FEEL BRAND NEW.“

Text: Josefine Zürcher

FASHION

Stop talking about fashion and start wearing it.

SMOOTH MOVES

Lederlook geht immer. Statt rauem Leder setzen wir aber diese Saison auf weiches Material. Midiröcke, Hosen, Blazer und Co. kommen so glatt daher wie nie. Am liebsten kleiden wir uns von Kopf bis Fuß im soften Look ein.

Collaboration

Was haben eine Outerwearmarke und ein bei Gen Z beliebtes Label gemeinsam? Nicht viel, würde man meinen. Falsch gedacht, denn der Kollaboration von Barbour und Ganni ist die wohl coolste Jacke entsprungen. Diese checkt alle Boxen: Stylisch, mit Trendmuster Animalprint, tragbar von

Herbst über Winter bis Frühling. Wir schnappen uns eine, bevor sie alle weg sind. barbour.com ganni.com

„I work in three shades of black.“ Rei Kawakubo

BLOOD RED BAG

Ob Weekender, MiniClutch oder alles dazwischen: Taschen glänzen diesen Herbst und Winter im schönsten Dunkelrot, so wie dieses Modell von Ferragamo. Wer der Farbe vollends verfallen ist, kann sich gleich noch darin einkleiden –und auch Schuhe sehen in Burgunderrot großartig aus.

die ikonischen Treter auf dem Buckel. Das ist genug Zeit, um mehrere Verwandlungen durchzumachen. Für wen Birkenstock-Schuhe noch immer Synonym für verstaubte Hippielatschen oder langweilige Gesundheitsschuhe sind, hat einiges nachzuholen. Schon immer machten sich Subkulturen die kultigen Schuhe zu eigen. Doch heute sind sie längst im Mainstream angekommen. Mit Kollaborationen wie mit dem Berliner Label 032c, mit reichlich Glitzer bedeckt und an

Gigi Hadid oder Miley Cyrus haben die Schlappen ihren Coolness-Faktor immer höher nach oben geschraubt – ohne dabei ihre Identität zu verlieren. Das wird in „The Book of Birkenstock“ auf fast 700 Seiten zelebriert. Über 1'000 Bilder illustrieren die Geschichte der Marke – vom traditionellen Schuhmacherhandwerk bis zu ungesehenen Blicken ins Archiv ist alles dabei. Ein Muss für den Coffee Table aller Birkenstock-Superfans. „The Book of Birkenstock“, Steidl Verlag, ca. 75.–, steidl.de

Liebling COLOR ME UP

Wer die dritte Staffel von „Emily in Paris“ nicht durchgesuchtet hat, lügt. Oder mag einfach keine seichte, modebewusste Unterhaltung. Besonders aufmerksamen Augen mögen die knalligen Schmuckstücke von NeverNoT aufgefallen sein, die gleich mehrmals einen Auftritt im Spotlight hatten. Unter anderem Emily höchstpersönlich schmückt sich nämlich mit den farbigen Kreationen. Und auch Kylie und Kendall Jenner gehören zu den bekennenden Fans. Klar, dass wir nun auch völlig hin und weg von den

REGENERATION

Mit einem Kleid 8'000 Hektar Land wiederherstellen? Das geht. Das Winterkleid von ba&sh besteht zu 55% aus regenerativer Wolle und zu 45% aus biologischen Baumwollfasern. Und trägt damit zur Finanzierung eben dieser 8'000 Hektar Landwirtschaftsfläche bei. Die regenerative Wolle NATIVATM hat strenge Anforderungen: Unter anderem gehören die Einführung von mehrjährigen Gräsern auf natürlichem Weideland, die Wiedereinführung einheimischer Baumarten und die Wiederherstellung des lokalen Ökosystems durch Bäche, natürliche Flussufer und Tränken dazu. Um im Einklang mit dem Schafschur-Zyklus zu arbeiten, musste ba&sh alles auf den Kopf stellen, von Logistik bis Zusammenarbeit mit Partnern in der Lieferkette. Der Aufwand lohnt sich aber, wenn dabei ein genauso nachhaltiges wie schönes Kleidungsstück herausspringt. ba-sh.com

BEAUTY

Hair Trend

SHORT AND SWEET

Es braucht immer Überwindung, die Haarpracht, die sich ihre liebe Zeit nimmt, bis über die Schultern zu wachsen, wieder zu trimmen. Winter ist jedoch die beste Zeit für einen etwas kürzeren Schnitt, denn dann überwiegen die Vorteile. Der größte davon: Man kann die dicksten Schals tragen, ohne dass diese die Haare in einen Filzklumpen verwandeln. Einfach gestylt ist der Bob auch noch, wenn man ihn einfach ein bisschen messy und natürlich gewellt sein lässt.

„I like to emphasize my eyes because if I do it well enough, then they look very blue.“
Sabrina Carpenter

Special Edition

GLITTER

Wenn es nach uns geht, darf es immer glitzern. Die Weihnachtszeit hebt die Glitzertoleranz zum Glück bei allen an. Guerlain

meint es ernst mit dem Sparkle: Make-upKlassiker wie Lippenstift und Lidschattenpalette haben sich einem

Make-up Trend SOFTIE

Wem ein Cat Eye bisher zu dramatisch war, kann sich nun etwas braunen Lidschatten schnappen. Damit lässt sich die Linie nicht nur viel einfacher aufzeichnen, sie darf sogar ein bisschen verschwommen und weich sein.

funkelnden Makeover unterzogen, von dem wir auch nach den Feiertagen begeistert sein werden. guerlain.com

Product

SCHACHMATT

Schach regt nicht nur unser Gehirn an, sondern liefert immer wieder ästhetische Inspiration. So stellen die limitierten Lippenöle von Clarins Farben und Muster des Brettspiels dar. Der weiße Farbton ist mit silbernen Perlmuttpartikeln angereichert, die für irisierenden Glanz sorgen. Bei der schwarzen Shade war Innovation angesagt:

Die Perlmuttpartikel färben die Lippen nicht etwa schwarz, sondern entwickeln dank einem Pigment, das sich an den pH-Wert der Lippen anpasst, einen Pflaumenfarbton. Dank Pflanzenölen wie Haselnuss und Jojoba bleiben die Lippen den ganzen Tag gepflegt. Clarins, Lip Comfort Oil

Black and White, 7 ml, ca. 39.—, clarins.com

Liebling CLEAN GIRL

Minimalistische Make-upLooks für die Laufstege von Coperni und Off-White sowie für Magazine wie Vogue, Pop und Another: Make-up-Artistin Fara Homidis Kreativitätsquelle sprudelt so stark, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie ihre eigene Linie ins Leben ruft. Diese beinhaltet alles, was die Künstlerin so beliebt macht: eine Handvoll innovativer, cleaner Produkte – vegan und frei von Tierversuchen –, bei denen Textur, Qualität und Ästhetik oberste Priorität haben. Mit Lippenprodukten, Konturenset und Pinsel hat man alles für einen natürlichumwerfenden Look. In Fotografin Zoë Ghertner hat Fara Homidi eine kreative Verbündete gefunden, die ihre Visionen visuell umsetzt –und bei uns für reichlich Inspiration sorgt. farahomidi.com

Fotos: © Zoë Ghertner

TRAVEL

New Opening

ETERNAL SUMMER

Alle, die weder mit Bergen, Schnee oder Glühweinertränkten Weihnachtsmärkten warm werden, müssen eine weite Reise in Kauf nehmen –was sich durchaus lohnen kann. In Kalifornien, wo Schnee einem Großteil der Bevölkerung nur aus Erzählungen bekannt ist, gehört strahlender Sonnenschein genauso zum Alltag wie die Promis, die ihre Villen aus gutem Grund in und um Los Angeles bauen. Doch auch für Reisende auf der Suche nach der Sonne bietet die Stadt der Engel Platz, zum Beispiel im neu eröffneten Regent Hotel in Santa Monica. Dieses könnte man dank der modernen und doch kreativen Inneneinrichtung glatt mit einem Filmset verwechseln. Und dank Ozean in Gehdistanz möchte man den Wochenaufenthalt am liebsten in eine permanente Residenz umwandeln. Regent Santa Monica, 1700 Ocean Ave, Santa Monica, CA 90401, USA, santamonica.regenthotels.com

Blessed are the curious for they shall have adventures.

Book

CINEMATIC

Accidentally Wes Anderson – so bezeichnet man einen Ort, der dank Pastellfarben und auffälliger Symmetrie an die unverkennbare Ästhetik des amerikanischen Filmemachers erinnert. Dass solche Orte, die direkt dem Filmset entsprungen sein könnten, auf der ganzen Welt verteilt sind, inspirierte Wally und Amanda Koval zum beliebten Instagram-Account @accidentallywesanderson. 2020 kulminierte die virtuelle Sammlung der ästhetischsten Ecken der Erde in einem gleichnamigen Buch. Nun geht das Ganze in die zweite Runde und beweist: Die Welt ist eine Wes-Anderson-Kulisse, wenn man denn nur genau hinschaut. Anders können wir uns kaum erklären, wie es möglich ist, weitere 368 Seiten mit den süßesten Wes-Anderson-esken Schauplätzen aus aller Welt zu füllen. Für die größten Anderson-Fans unter uns dient das Buch nicht nur als CoffeeTable-Deko, sondern als Reiseführer für den nächsten Urlaub. Wally und Amanda Koval, „Accidentally Wes Anderson: Neue filmreife Reiseziele“, Dumont, ca. 35.–, dumont-buchverlag.de

Places

SCHNEETRAUM

Schnee, der in der Sonne glitzert, heißer Tee, ein Sprung ins Spa nach einem Skitag draußen –etwa so stellen wir uns den idealen Dezember und Januar vor. Die Wintermonate kann man im Le Mélézin oberhalb des französischen Städtchens Courchevel exakt so verbringen. Das Hotel öffnet pünktlich zur Saison Mitte Dezember wieder seine Türen für Winterliebende. Fängt man auf der Piste doch einmal an zu frieren, dann gibt es drinnen einiges zu entdecken, zum Beispiel den Spabereich oder das japanische SignatureRestaurant des Hotels. Und natürlich die Räume selbst: Jedes der 31 Zimmer bietet Ausblick auf Skipisten, Berge oder Wälder. Aman Le Mélézin, 310 Rue de Bellecôte, 73120 Courchevel, Frankreich, aman.com

We Love

CABIN FEVER

Wo die Weihnachtsferien verbringen, wenn die heimische Stube zu langweilig ist? In der hektischen Großstadt, wo noch Last-MinuteShopping betrieben werden kann, oder doch lieber abgelegen in der Stille der Natur? Wir plädieren für einmal auf die Stille, ganz im Sinne der Weihnachtsfeier. Die Farouche Tremblant Cabins außerhalb

von Montreal stehen ganz oben auf unserer Reiseliste. Kleine, aber feine, mit nicht viel mehr als einem gemütlichen Bett ausgestattete Hütten versprechen Naturnähe und Entspannung pur. Farouche Tremblant Cabins, 3633 Chem. du Lac-Supérieur, Lac-Supérieur, QC J0T 1P0, Kanada, farouche.ca

„I like being in nature –walking, climbing trees.“ Harris Dickinson

Egal ob Zug, Bus oder Flugzeug – auf Reisen schläft es sich meist nicht allzu bequem. Ist man jedoch einige Stunden unterwegs, kann ein Schläfchen nicht nur die Reisezeit verkürzen, sondern ist auch nötig, um am Ziel angekommen mit Energie die Ferien zu starten. Nackenkissen, Schlaf-masken und Co. von Slip tun ihr Bestes, um uns die Reisestunden gemütlich zu gestalten. slip.com

EAT&DRINK

We Love

PULVER TO GO

Das Zauberwort Kollagen ist gerade in aller Munde. Zu Recht, denn mit dem Voranschreiten der Zeit nimmt die körpereigene Kollagenproduktion ab. Heißt: Nicht nur Falten werden sichtbar, auch Gelenkbeschwerden und Knochenverlust treten häufiger auf. Das Pulver von Formetta stimuliert die Produktion von Kollagen, Elastin und Hyaluronsäure – den drei Helferlein für straffes Bindegewebe. Genügend Kollagen zu sich zu nehmen ist nun ein Kinderspiel: Dank verschiedenen Geschmacksrichtungen wie Vanille oder Traube und der Möglichkeit, das Pulver nach Belieben mit Wasser, Joghurt oder sonstigen Kaltgetränken zu mischen. formetta.com

„I love cooking in cool outfits.“

Nara Smith

Collaboration

PLAYFUL

Glashersteller Ichendorf Milano reicht es nicht, hübsche Trinkgläser und Karaffen zu erschaffen: In den Behältern muss Leben und Kreativität sein. In der neuesten Kollektion mit dem Schmucklabel Aliita blicken einem niedliche Geister, Häschen, Roboter oder gar ein Haus entgegen, während man das Glas leert. Kaum jemand vereint edles Design so harmonisch mit kindlicher Verspieltheit. aliita.com

Liebling

CHEERS

Champagner muss man nicht aus Gläsern trinken. Regeln sind ja sowieso zum Brechen da. Der Champagnerbecher der Porzellanmanufaktur Fürstenberg muss dafür auch nicht un-

bedingt als solcher verwendet werden. Mit seinem knalligen, von Pop Art inspirierten Design und der Innenseite aus 24-karätigem Gold ist er auch das ideale Dekoobjekt in Küche oder

Wohnzimmer. Und wem die Regeln so richtig egal sind, der schlürft einen Tee daraus.

Sieger by Fürstenberg, „Sip of Gold“, Champagnerbecher, ca. 175.—, fuerstenberg-porzellan.com

Nice to Have

PASTELL

Wir können leider nicht alle nach Belieben unseren Herd aus der Küche schmeißen und gegen ein neues, farbenfrohes Modell eintauschen. Wer gerade im Umbau ist oder einen neue Küche in Betracht zieht, sollte schleunigst das Angebot von La Cornue durchstöbern. Das Modell „Albertine 90“ kommt unter anderem in süßem Babyblau oder -pink daher. HobbyköchInnen werden sich an der innovativen Technologie freuen: Ein Multi-

funktionsbackofen und entweder fünf Gasbrenner oder eine Induktionsplatte garantieren fine dinig für Zuhause. Für ÄsthetInnen, die lieber etwas zu essen bestellen und dafür stets eine saubere Küche zuhause haben, sind die wunderschönen

Pastellfarben und Goldakzente Grund genug, sich etwas von der französischen Traditionsmarke auszusuchen.

La Cornue, CornuFé Albertine 90, ca. 8'000.—, lacornue.com

Weihnachten gönnen wir unserer Küche ein Textil-Upgrade.

Für

Unfuck the World FAIRER STOFF

Textilien begleiten uns überall – nicht nur in unseren Outfits, sondern auch in der Küche, wo ohne Tücher, Schürzen und Co. Chaos ausbricht. Dass es in der

Textilbranche oft unfair zu und her geht, wissen wir. Hier kommt Social Fabric ins Spiel. Das unabhängige Atelier in Zürich legt seinen Fokus auf Bildungs- und Beschäf-

tigungsmöglichkeiten für Menschen mit Fluchthintergrund. Die frauengeführte Organisation fördert dadurch die Integration der Mitarbeitenden, das Nähen als Handwerk, den schonenden Umgang mit Ressourcen und eine nachhaltige und faire Produktion. Dabei heraus kommen die tollsten Textilkreationen. Schürzen, Tischtücher, Servietten oder Brottaschen beweisen, dass qualitativ hochwertige Textilien nicht nur unsere Garderobe, sondern auch die Küche aufwerten. socialfabric.ch

WATCHES & JEWELLERY

Legend HANDWERK

Es braucht nicht viel, um unverwechselbar zu sein. Zwei Dinge reichen, wie Bulgari seit Jahrzehnten beweist. Das Traditionsunternehmen machte sich einerseits leuchtendes Gelbgold, andererseits die Tubogas-Technik zu eigen. Bereits 1984 begann das Haus, mit dieser zu experimentieren, um das geschmeidige Armband der allerersten Serpenti-Schmuckuhr herzustellen. Die Goldstreifen werden von KunsthandwerkerInnen ohne Löten miteinander verwoben. Die neue Tubogas-Kollektion zeichnet sich aus durch warme Orangetöne und geschwungene Formen, die durch eben diese Technik entstehen. bulgari.com

New Edition

HEAVY METAL

Seit drei Jahrzehnten gehört die Seamaster Diver 300M zu Omegas beliebtesten Taucheruhren. Und überrascht immer wieder mit neuem Auftritt. Aufmerksame Uhrenfans erspähten die neue Serie bereits im Sommer an James Bonds, äh, Daniel Craigs Handgelenk. Er trug

an den Olympischen Spielen in Paris die Edelstahlversion in Schwarz. Die neue Serie fokussiert auf verschiedene Metallarten. Schwarzes Aluminium, Titan und Edelstahl verleihen der Uhr ordentlich monochromatische Coolness. omegawatches.com

Liebling GEM

Nostalgie ist immer gut. Darum heißt die neue Kollektion von Pomellato auch „Memorio d’Archivo“ –Erinnerungen aus dem Archiv. Diese lässt zwei beliebte Serien aus 1996 und 1997 in neuer Frische aufblühen. Die Kollektion „Mora“, benannt nach dem italienischen Wort für Brombeere, ist eine Hommage an die

Fülle der Natur – und erinnert in Form und Farbe an die saftige Beere. „Mosaico“ wiederum ist von der zeitlosen Kunst des Mosaiks inspiriert. Jeder Ring ist ein kleines Mosaik, dank einer Komposition aus Edelsteinen im Cabochon-Schliff. pomellato.com

GALAXY

Alles endet einmal. Außer unser Universum, das sich endlos ausdehnt und in Richtung Nirgendwo bewegt. Keine Angst, wir tauchen nicht weiter in die Astrophysik ein. Der philosophische Exkurs mit möglicher Existenzkrise zur Folge wurde von Graff ausgelöst. Deren Kampagne „Galaxia“ ist inspiriert von den endlosen Weiten des Himmels. Galaktisch sind nicht nur die Diamanten, Smaragde, Saphire und Co., welche die neuen Kreationen aus dem Haus

schmücken, sondern auch das Team, das die Kampagne zum Leben erweckte: Das niederländische Model Rianne van Rompaey wurde von der ehemaligen Chefredakteurin der Vogue Paris gestylt und vom schwedischen Modefotografen Mikael Jansson in Szene gesetzt. Das Resultat? Gleich beeindruckend, wie wenn man die Aurora Borealis mit eigenen Augen sieht. graff.com

We Love

MINIATURE

Man müsste wissenschaftlich erforschen, was es ist, das uns an Dingen im Miniformat so begeistert. Wahrscheinlich ist es der Niedlichkeitseffekt. Fast so süß wie eine Babykatze sind nämlich die Mini Watches von Cartier. Einige der

Klassiker aus dem CartierRepertoire gibt es auch in winzig. Die „Tank Louis Cartier“, die „Panthère de Cartier“ oder die „Tortue“ zum Beispiel. Noch ein Vorteil der Mini-Modelle: Sie sind so klein, dass man genug Platz hat, um sie alle zu sammeln. cartier.com

P

PARTY

Photography: Andrea Tota
Styling: Luisa-Marie Henkel
Styling Assistance: Olena Diakonova
Photography Assistance: Arunasalam Ravishankar
Hair & Make-up: Sophie Lerche
Art Direction: Sifa Cakarer
Set Design: Marina Peters
Model: Annama Nemetz, Louisa Models

Strümpfe von FALKE. Jacke von DOROTHEE SCHUMACHER. Schuhe von BLOODY BALLET. Halsketten von SWAROVSKI.

Strümpfe von FALKE.

Shorts von PLAN C.

Jacke von EMPORIO ARMANI.

Schuhe von SIMONE ROCHA.

Ohrringe von SWAROVSKI.

Kleid und Hose von CHRISTIAN DIOR COUTURE. Socken von JAN-NIKLAS JESSEN. Bootcovers von BLOODY BALLET. Boots von MIISTA. Halskette von SWAROVSKI.

Top von YOUSEF CHEHAB.

Hose von BRUNELLO CUCINELLI. Halskette von SWAROVSKI.

Shirt von BRUNELLO CUCINELLI. Rock von MAX MARA RUNWAY ARCHIVE. Gürtel, Tasche und Ohrringe von DIOR. Schuhe von HÖGL.

Oberteil und Gürtel von GIULIA & ROMEO.

Rock von BRUNELLO CUCINELLI.

Schuhe von SAKS5TH AVENUE.

Uhr und Ohrringe von DIOR.

Hose
Korsett
Socken von TWIN SET. Halskette von SWAROVSKI.

SONGBIRD IN A GOLDEN CAGE POPULENCE

Gäbe es einen griechischen Gott der Cocktailpartys, hätten wir längst antike Vasen mit dem Antlitz von Bryan Ferry ausgegraben. Doch Bryan Ferry ist kein griechischer Gott. Er ist ein englischer Sänger. Und damit – wahrscheinlich –ein bloßer Sterblicher. Doch einer, dessen Songs und Stil einen eigenen Pantheon verdient haben.

Die neue Retrospektive „Selected Recordings 1973 - 2023“ ist genau das und blickt auf eine 50-jährige Karriere zurück. Wir tun es auch.

Text: Michael Rechsteiner

Bryan Ferry im T-Shirt? Ein Anblick so selten wie Einhörner während der Sonnenfinsternis.

Großes Tennis: Die Karriere von Bryan Ferry begann als Sänger und Songschreiber von Roxy Music, einer der künstlerisch einflussreichsten Bands Englands. Bereits zur Zeit von Roxy Music machte sich Ferry auch als Solokünstler einen Namen und weitete nach der Auflösung der Gruppe sein musikalisches Spektrum aus in Genres wie Jazz und Electro. Musikstile wechselte er zwar öfters, sein Modestyling blieb dagegen zeitlos.

BRYAN FERRY, RETROSPECTIVE: SELECTED RECORDINGS 1973-2023

„More Than This“ können Fans von Bryan Ferry nicht verlangen. Die erste Karriere umfassende Werkschau des Engländers packt 50 Jahre Musikgeschichte auf zwei Doppel-Vinyl-LPs bzw. fünf CDs. mit 81 Songs (inklusive der neuen Single „Star“). Streamen über die gängigen Plattformen lässt sich die Compilation zwar auch, doch ergänzt wird die Veröffentlichung mit einem 100-seitigen Buch. Dessen Liner Notes und Aufnahmen von Starfotografen wie Anton Corbijn untermauern, warum sich dank der eisigen Coolness von Bryan Ferry die Erderwärmung zumindest ein bisschen verzögert. (Oder auch nicht. Wir sind StyleExpertInnen, keine KlimaforscherInnen.)

bryanferry.com

Du stehst am Fenster deines Penthouses. Die goldenen Aschenbecher sind voll. Die Fruchtschalen aus Schildpatt sind leer. Das Model – männlich, weiblich, anderes – liegt im Bett auf dem zerwühlten Satin, nachdem ihr den ganzen Abend lang Sex hattet. Du nippst an Champagner, dessen Flasche so teuer ist wie eine Einbauküche, und fühlst – nichts. Jetzt ist der Moment gekommen, um die Stimme von Bryan Ferry zu hören. Eleganz, Melancholie, Künstlichkeit sind die Co-Autorinnen seines Œuvres. Ein Leben lang wirkte Bryan Ferry wie der eleganteste Mann auf einer Party, an der er eigentlich gar nicht unbedingt sein möchte. In einem Interview verriet Ferry einst: Er fühle sich nicht wohl dabei, mit anderen Menschen zu reden – deshalb sei er Sänger geworden. Ein introvertierter Dandy, dem keine andere Wahl blieb als Rockstar, Popidol, Jazzinterpret.

LEIDEN IM LUXUS

Das Leben im weißen Smoking schien ihm zunächst nicht vorbestimmt. Bryan Ferry wuchs im Norden Englands auf als Sohn eines Minenarbeiters, der Zugpferde unter Tage führte. Nach einem Kunststudium in Newcastle und kurzem Engagement als Keramiklehrer formte Ferry mit ehemaligen Klassenkameraden und Gleichgesinnten die Band Roxy Music. Mit flamboyanten Stylings und Rock’n’Roll-Anlehnungen verhedderte sich die Gruppe in den Sog der Glam-Rock-Mania, die sich im Jahr 1972 über England ausbreitete. Doch Roxy Music als Glam-Rock-Band zu bezeichnen, ist, als würde man James Cameron als Regisseur von „Piranha II: The Spawning“ vorstellen. Stimmt zwar auch, doch schon von Beginn weg operierten Roxy Music künstlerisch und intellektuell auf anderem Niveau. Hinter dem Rücken des Glam Rocks erfanden die ehemaligen Kunststudenten den Art Pop und stocherten mit diesem in der Seele der westlichen Nachkriegsgesellschaft. Für diese wurden Songs wie „In Every Dream Home a Heartache“ zur ernüchternden Zwischenbilanz: Mit einem Mal begann der Luxus zu langweilen, den man sich in den Fünfzigerund Sechzigerjahren unter seinem Dach angehäuft hatte. Und trotzdem war da ständig die große Angst, ihn wieder zu verlieren. Materialismus als toxische Liebesbeziehung. Doch statt gegen diese Erkenntnis zu rebellieren, zelebrierten Roxy Music und allen voran ihr Frontmann den tristen Glanz der Oberflächlichkeiten. Zum Markenzeichen der Band wurden die lasziven Plattencover, von Bryan Ferry persönlich inszeniert wie die Titelseiten eines Modehefts. Roxy Music war jene Band, die in ihren

LPs nicht nur Musiker und Toningenieure in den Produktionsnotizen hervorhob, sondern auch die Verantwortlichen für Hair und Make-up.

BRYAN VS. BRIAN

Nach zwei Alben verließ Keyboarder Brian Eno die Band. Zum einen, weil Bryan Ferry das kreative Kräftemessen gewonnen hatte und die Avantgarde-Ambitionen von Eno für einen geschmeidigeren Popsound zurückstecken wollte. Zum anderen, angeblich, weil der singende Dressman nie so ganz verstehen konnte, warum der kleingewachsene Studiotechnik-Nerd mit dem schütteren Haar backstage all die Frauen abbekam. In den folgenden zehn Jahren wurde Roxy Music die Begleitband zur pastellfarbenen Dekadenz der späten Siebziger und frühen Achtziger. Mittendrin und doch irgendwie entrückt: Bryan Ferry als der ultimative British Gentleman, gegen den selbst James Bond wirkte wie ein um Suppe bettelnder Waisenknabe von den Seiten eines Charles-DickensRomans. Sexy. Sophisticated. Und doch… somewhat sad hinter diesen stahlblauen Augen. Mit der Rolle des ultimativen Verführers konnte Ferry zwar auf der Bühne kokettieren, doch abseits war es oft das eigene Herz, das gebrochen wurde. Seine Verlobte Jerry Hall, Model auf dem Albumcover zu „Siren“, verließ den Sänger 1977 medienwirksam für einen anderen: Mick Jagger. Immerhin kein kleingewachsener Studiotechnik-Nerd mit schütterem Haar.

GOING SOLO

Auf dem Höhepunkt des kommerziellen Erfolgs lösten sich Roxy Music 1983 auf. Bryan Ferry ging danach seiner bereits lancierten Karriere als Solokünstler nach. Er blieb seinem Stil treu und interpretierte mit diesem unter anderem Klassiker anderer MusikerInnen neu, beispielsweise auf dem Bob-Dylan-Coveralbum „Dylanesque“. Doch auch als Jazz-Crooner und Vocalist düsterer Electronica-Tracks hat Bryan Ferry bis heute seine musikalische Relevanz beibehalten. Noch immer geht er regelmäßig auf Tournee und nutzt die Konzertreisen insbesondere, um die örtlichen Museen zu besuchen – auch im Alter von 79 Jahren noch immer ein Student der Kunst. Die glitzernden Partys besuchen jetzt andere. Ausnahmetalente wie The Weeknd, Harry Styles oder St. Vincent, die sich auf das modische und musikalische Erbe Bryan Ferrys beziehen. Das Wasser mögen sie ihm dabei zwar nicht ganz reichen. Aber vielleicht den Champagner, das Glas so teuer wie ein Flachbildfernseher.

ECO REBEL VISIONARY

Text & Fotos: Josefine Zürcher
Yannik Zamboni

Im Studium fasste er den Entschluss, vorwiegend in Weiß zu designen – und bleibt dieser Ästhetik bis heute treu.

Man kennt ihn als Designer, Gewinner der Realityshow „Making the Cut“ und guten Freund von Heidi Klum. In erster Linie aber ist Yannik Zamboni ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Für ihn ist das Wort kein Trend, mit dem man sich gerade schmückt, sondern die Essenz seiner Arbeit. Mit seinem veganen und plastikfreien Label maison blanche ist er auf dem besten Weg, die Modewelt zu revolutionieren. Wir haben den charismatischen Modemacher im Oktober an den Laax Vintage Days getroffen.

Statt im Trubel einer Fashion Week oder backstage bei einer Fernsehshow hat Yannik Zamboni in der Ruhe der Berge Zeit für uns: Im pittoresken Laax, das im Oktober noch nicht von den skihungrigen Touristenmassen überschwemmt wird. An den Laax Vintage Days stellen eine auserlesene Handvoll DesignerInnen aus, die das Thema Nachhaltigkeit in ihren Designs alle auf ihre eigene Weise zum Fokus machen. Wie gewohnt von Kopf bis Fuß in weiß gekleidet, arbeitet Yannik entspannt in der Lounge seine Mails ab – auch ein scheinbar gelassener Moment scheint für den Designer nie ganz frei von Arbeit zu sein. Wer Yanniks steile Karriere auf Instagram verfolgt, weiß, dass er in den letzten zwei Jahren selten eine Verschnaufpause einlegte. 2022 ging es für Yannik plötzlich rasant bergauf, als er zum Gewinner der von Heidi Klum und Tim Gunn moderierten Show „Making the Cut“ erkoren wurde. Es folgten eine Show an der New York Fashion Week und die nicht zu verachtende Startsumme von einer Million US-Dollar für das eigene Label – und obendrauf noch eine Freundschaft

mit Megastar Heidi Klum. Klingt nach einer märchenhaften Karriere. Ist es auch – doch der Designer mit Modelerfahrung nahm die Erfolgswelle nicht an, ohne vieles zu hinterfragen. Nachhaltigkeit und sozialpolitische Themen sind Grundsteine seines Schaffens. So fasste er vor etwa einem Jahr den Entschluss, sich von seinem Vertriebspartner Amazon zu trennen – ein Schritt, der mit seiner Moral übereinstimmt, ihn und sein Label maison blanche aber auch fast von null an beginnen ließ. Ein kleines Team von fünf Leuten schmeißt nun den Laden. Ein Crowdfunding half, einigermaßen finanziell stabil zu bleiben. Ist er für einmal nicht unterwegs, arbeitet Yannik momentan im Studio in Zürich an der neuen Kollektion, die nächstes Jahr erscheinen soll – und an allem anderen, was dazu gehört: „Ich bin gerne mein eigener Chef, aber ich bin nicht so gerne Chef von anderen. Mein Traum ist, irgendwann so weit zu sein, dass ich nur Creative Director bin“, sagt Yannik. Vorerst kann er sich noch einige andere Berufsbezeichnungen in den CV schreiben: Marketing, IT und Buchhaltung beispielsweise.

„Wir machen Kleidung für alle, egal welche Größe, welche Breite, egal welches Aussehen.“

WHITE VISION, GREEN IMPACT

In einem Ausstellungsraum an den Vintage Days sind einige der aktuellen Stücke von maison blanche zu sehen. Ausgefallene Schnitte, viel Weiß und keine klare Aufteilung nach Geschlecht heben Yanniks Designs von der Masse ab. Ein schwarzer Mantel sticht heraus, da er vom üblichen Farbschema abweicht. Die Farbe Weiß hat Yannik im Studium für sich entdeckt. Er habe bemerkt, dass selbst bei etablierten Brands mit herausragenden DesignerInnen die Entwürfe oft langweilig sind, sobald die Farbkombination oder der Print wegfällt. So hat sich Yannik die Aufgabe gestellt, alles farblos zu machen und dank Endverarbeitung, Silhouette und Design muss es trotzdem spannend sein. Nach einem halben Jahr strikter Durchführung ist Yannik der Range an Weißtönen komplett verfallen, und die Liebe zu den hellen Tönen ist bis heute nicht verblasst. „Bleaching ist schlecht, ja, aber damit man überhaupt eine Farbe haben kann, muss man zuerst bleichen. Jede Faser wird weiß gebleicht und erst dann eingefärbt. Somit lassen wir immerhin meistens das Färben weg. Prints haben weniger Auswirkungen auf die Umwelt als die Färberei“, erklärt Yannik.

Und schon sind wir mittendrin im Thema Nachhaltigkeit, das bei maison blanche nicht oberflächlich als Imageverbesserer gebraucht wird, sondern Leitfaden, Motto, Motivation und Versprechen an KonsumentInnen und Umwelt gleichermaßen ist. Bei der Panel-Diskussion an den Vintage Days wird schnell klar, dass Yannik sich tief in die Materie eingearbeitet hat. Er, der Mode über alles liebt, scheut sich nicht davor, die Industrie zu kritisieren. Und auch vieles, das als nachhaltig gilt, hat für den Designer noch Ausbaupotenzial. So setzen zwar mittlerweile einige Brands auf Upcycling, doch Yannik verwendet für sein Label keine Materialien, von denen er nicht genau weiß, wo sie herkommen. „Es gibt eine Downside beim Upcycling, denn wenn man nicht weiß, wo die Fasern produziert werden, steckt vielleicht Kinderarbeit dahinter, und im schlimmsten Fall setzt man bei jeder Wäsche Mikroplastik frei, wenn synthetische Fasern wie Polyester enthalten sind“, sagt Yannik, und fügt an: „Wir sind vegan und plastikfrei – viele wissen gar nicht, wie schwierig das ist, da so viele Ersatzprodukte PVCbasiert sind“.

PLANT POWER

Was kann man denn überhaupt verwenden, das weder Tier noch Umwelt schädigt? Regenerative Cotton –Baumwolle, die man bis zum Bauer zurückverfolgen kann –, und andere natürliche Fasern wie Jute, Flachs oder Leinen stehen bei maison blanche ganz oben auf der Liste. „Ich hoffe, dass Brennnessel noch mehr aufkommt, da man diese bei uns gut anpflanzen kann“, erklärt Yannik. Die Welt der naturbasierten, abbaubaren Materialien ist gar nicht so klein, taucht man erst einmal richtig ein. „Ich könnte drei Wochen über Nachhaltigkeit reden und ich hätte noch nicht alles gesagt“, sagt er und lacht. Die Fortschritte und Möglichkeiten in Sachen natürlicher Materialien stimmen tatsächlich hoffnungsvoll: So gebe es eine Pflanze, die in Indien wächst, kaum Wasser und keine Pestizide braucht und in ihren Eigenschaften der Wolle ähnlich ist, erklärt Yannik. Die weiße Jacke, die er dabei hat, stammt aus einer älteren Kollektion und ist noch aus Wolle. Dieselbe werde er bald neu aus eben solcher veganen Wolle

machen. Auch Leder kommt dem Designer nicht auf die Haut, und schon gar nicht in die eigene Kollektion. Seine eigenen alten Ledersachen hat er längst weggegeben. „Nur ein Parasit fühlt sich unter der Haut eines anderen Lebewesens wohl“, sagt Yannik bezüglich der toten Tierhaut. „Ob man nun eine Schlange oder eine Kuh züchtet und für ihre Haut tötet, spielt keine Rolle. Es ist genau gleich absurd. Und es produziert so viel chemischen Abfall“, fügt er an.

Wissen ist der Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit. So auch für Yannik, der seit acht Jahren vegan lebt. Der Weg dazu sei ein langsamer Prozess gewesen, bei dem er immer mehr ausgeschlossen und reduziert habe. „Je mehr ich las und mich informierte, desto weniger wollte ich gewisse Sachen unterstützen. Genau darum wurde ich auch vegan: Wenn man sieht, woher Käse kommt und was es braucht, um Parmesan zu machen, wie die Tiere behandelt werden, was wir alles züchten und überzüchten – da wird einem schlecht“, sagt Yannik. Dasselbe gelte für die Modebranche: „Die Textilbranche ist entstanden, weil sie auf Ausbeutung aufgebaut hat. Es ist nicht schwierig, in der Modebranche Gewinn zu machen, wenn kein Mensch in der Lieferkette bezahlt wird und Kinderarbeit drinsteckt. Wenn man das alles reduziert, dann wird eben auch das Endprodukt teurer.“ Preise sind ein viel diskutiertes Thema bei nachhaltigen Modebrands. Maison blanches erste Kollektion wurde in China hergestellt – für viele ein Grund zur Entrüstung. „Die Leute dort hatten aber 30 Prozent mehr Lohn als der Durchschnitt. Und der Impact des Transportwegs ist verschwindend klein im Vergleich zu allen anderen Faktoren, die die Umwelt zerstören“, erklärt Yannik. Mittlerweile hat er die Produktion nach Portugal verlagert. Und sein Team in der Schweiz wird nach Schweizer Standards bezahlt. Die Preise seiner Kleidungsstücke zu kritisieren, macht für ihn keinen Sinn: „Die Menschen haben vergessen, was ein Kleidungsstück wert ist: Von der Anpflanzung und Ernte der Faser, der Verarbeitung, den Löhnen der Mitarbeitenden: Wird all dies fair entlöhnt, dann rechtfertigt sich der Preis. Ansonsten findet irgendwo Ausbeutung statt.“ Das Wort Nachhaltigkeit wird laut Yannik viel zu schnell benutzt. Er selbst sagt es nicht einmal gerne, obwohl maison blanche die Definition davon ist. „Das Nachhaltigste wäre, nicht zu produzieren“, meint Yannik dazu. Das kommt für den kreativen Kopf aber nicht in Frage – zur Freude aller ModeliebhaberInnen. Statt sich von den Schattenseiten der Industrie zermürben zu lassen, glaubt Yannik daran, etwas bewirken zu können. Diese Idee ist der Antrieb, der ihn zum Designstudium und schließlich dahin, wo er jetzt ist, brachte: „Ich wollte irgendwann nicht mehr in einem Büro arbeiten. Ich will etwas machen, mit dem ich Einfluss nehmen und etwas verändern kann. Wenn ich in einem Büro sitze, kann ich keine Veränderung in dem Maße vornehmen, wie ich es gerne würde.“

ACTIVIST AT HEART

Yanniks Herz schlägt nicht nur für die Nachhaltigkeit. Sozialpolitische Themen webt er wortwörtlich in den Stoff ein: Auf den Kleideretiketten seiner Stücke steht „Do not wash after you’ve just been sexually assaulted. Your clothes hold crucial DNA evidence. Do not wash this piece of clothing, put it in a paper bag and bring it to your nearest police station for the securing of DNA of the perpe-

Gewagt, exzentrisch, nachhaltig: Das ist maison blanche.
Welt warten auf Yannik Zamboni und seine Kreationen.

trator.“ – ein Hinweis, dass Kleidung im Fall eines sexuellen Übergriffes wichtiges Beweismaterial ist und nicht sofort gewaschen werden soll, da sich darauf DNA-Spuren der Täterschaft befinden kann. Für Yannik ist Mode ein Ausdrucksmittel, mit der nicht nur die eigene Persönlichkeit sichtbar gemacht wird, sondern das auch sozialpolitische Themen aufgreift, kommentiert und im besten Fall Veränderung und Diskussionen anregt. „Ich bin absolut dafür, dass Mode ein Kommunikationsmittel ist – dass man mit seiner Kleidung ein Statement macht“, sagt er. Ähnlich wie beim Thema Nachhaltigkeit machen sich viele Brands Begriffe wie Inklusion und Diversität etwas vorschnell zu eigen, ohne sich wirklich mit deren politischer Relevanz auseinanderzusetzen. Es ist gerade in, sich woke zu nennen und mit Diversität zu werben. Aber was davon wird umgesetzt, nicht, weil es die Kasse klingeln lässt, sondern weil es der Brand wirklich wichtig ist? Wir sind uns einig, dass sich in Sachen ethnischer Diversität einiges getan hat. Auf den Laufstegen dominieren nicht mehr nur weiße Menschen. Yannik bemängelt vor allem das Fehlen körperlicher Vielfalt: „Alle sind plötzlich wieder dünn.“ Der Magerlook der Neunziger und frühen Zweitausender feiert tatsächlich ein bedenkliches Comeback und erreicht dank Instagram, TikTok und Co. ein noch größeres Publikum an jungen, vulnerablen Menschen als damals. Wer die Shows der ganz Großen im Modebusiness genau betrachtet, muss lange suchen, um verschiedene Körperformen sowie verschiedene abilities zu sehen. Auch hier möchte Yannik Veränderung vorantreiben: „Es gibt auch verschiedene Kategorien von Körperfähigkeiten, die man im Alltag sieht. Frauen mit Beinprothese, Menschen ohne Arme – alles, was wir in der Gesellschaft sehen, versuchen wir bei unseren Shows auch auf dem Runway abzubilden. Wir machen Kleidung für alle, egal welche Größe, welche Breite, egal welches Aussehen. Alle können fashionable sein und sollen sich wohlfühlen in der eigenen Haut.“

VON DER TV-SHOW INS STUDIO

Als epicentre of anti-fashion beschreibt sich der 38-Jährige auf Instagram, wo ihm gut 100'000 Leute folgen. Zwischen TV-Auftritten und Partys in New York, LA und der Schweiz fragt man sich, wann Yannik überhaupt Zeit findet, seine Kreativität auszuleben. „Ich arbeite eigentlich 300 Prozent“, sagt er und lacht. Im Laufe des Gesprächs stellt sich aber auch heraus, dass das, was man auf Social Media sieht, nicht unbedingt der Realität entspricht. Das sollten wir ja mittlerweile alle wissen, aber es ist schwierig, sich im Sog von Instagram und Co. zurechtzufinden. Yannik ist kein großer Fan der Plattformen: „Ich hätte kein Problem damit, kein Social Media zu haben für mich selbst. Aber wenn man in einer Realityshow mitgemacht und dadurch Aufmerksamkeit bekommen hat, dann merkt man, dass man Leute erreichen kann. Dass man influencen kann“, sagt Yannik. Stundenlang Reels zusammenschneiden wird man ihn aber nie sehen. Am liebsten postet er Fotos, die andere von ihm gemacht haben.

Wer wie Yannik für seine Überzeugungen einsteht, sich stark macht für marginalisierte Gruppen und die LGBTQ+Community und dazu auch noch die Praktiken der Modeindustrie kritisiert, macht sich automatisch zur Angriffsfläche. Etwas, das Yannik gut zu navigieren gelernt hat: „Wenn ich zum Beispiel für TV-Shows arbeite, schaue ich gar nicht erst, was auf deren Kanäle für Kommentare auftauchen. Auch wenn man versucht, negative Kommentare abprallen zu las-

sen, sind sie doch immer ein Angriff auf einen selbst. Das kann heftig sein. Im Internet fühlen sich alle so geschützt von der Anonymität und lassen viel Scheiß raus. Mich muss die Meinung von jedem anderen über mich aber nicht interessieren.“

Trotz zahlreicher TV-Auftritte und Präsenz an Events scheint Yannik gar nicht unbedingt das Rampenlicht zu suchen. Dass er bei „Germany’s Next Topmodel“ immer wieder als Gastjuror zu sehen ist, liegt vor allem an seiner Freundschaft mit Heidi Klum. „Mit ihr fühle ich mich wohl und verstehe mich privat sehr gut, darum habe ich auch kein Problem, dort dabei zu sein. Wäre sie nicht da, bräuchte es ein bisschen mehr, um mich dorthin zu holen“, fügt er an und lacht. Es sei wichtig für eine Marke, immer und immer wieder erwähnt zu werden und öffentliche Auftritte zu haben. „Es ist aber nicht mein Lieblingsteil des Jobs“, sagt Yannik.

Am liebsten ist er nämlich in seinem Studio und arbeitet an neuen Designs. Dazu braucht es Ruhe und Konzentration und keinen Social-Media- und Medienrummel.

Doch wie entsteht überhaupt eine neue Kollektion?

Yannik fängt oft bei sich selbst an und überlegt, was er gerne tragen würde. „Manchmal sehe ich auch ein gutes Design, das ich aber noch anders machen würde“, erklärt er.

Seine Ideen müsse er, sind sie einmal konkret, zuerst visualisieren, damit sein Team sieht, was in seinem Kopf vorgeht. Auf dem Weg zur Visualisierung entstehen dann oft neue Ideen. Häufig stehe die Hälfte einer Kollektion, und der Rest kommt während der Arbeit dazu. Wenn wir schon bei Kollektionen sind: Bei maison blanche gibt es nur eine pro Jahr, und die ist nicht auf eine Saison ausgerichtet. „Es ist sowieso überall auf der Welt anderes Wetter, warum soll man da nach Saison designen?“, fragt Yannik. Statt die neue Kollektion auf einmal zu veröffentlichen, wird es nächstes Jahr etwa alle zwei Monate etwas Neues geben. Auch bei diesem Thema hat der Konsumwahn überhand genommen, denn nebst den üblichen Frühling/Sommer- und Herbst/WinterKollektionen produzieren viele Brands auch in der Off-Season, geben eine pre-Fall oder pre-Spring-Kollektion heraus und sorgen so für einen Overload an Kleidung, bei dem kaum mehr Zeit zum Verschnaufen bleibt – und zum sich an den Teilen freuen, die man schon hat. Die Inspiration weg vom Massenkonsum lernte Yannik schon durch seine Familie: „Meine Großmutter war Schneiderin und gelernte Strickerin. Sie war stets piekfein angezogen, obwohl sie zur unteren Mittelklasse gehörte. Meine Großeltern hatten vielleicht zehn Outfits, sahen aber auf jedem Foto großartig aus. Sie hatten den Sachen Sorge getragen und es ging nie darum, wie viel man hat“, erzählt er.

Während zu Yanniks Vorbildern in Sachen Design Größen wie Martin Margiela und Yohji Yamamoto gehören –deren Einflüsse man in seinen Kreationen durchaus sehen kann –, fehlen solche Vorbilder, wenn es um Nachhaltigkeit geht, da kaum jemand die Sache konsequent umsetzt. Doch Yannik muss sich eigentlich gar nicht danach umschauen, was andere machen, denn er ist auf dem besten Weg dazu, selbst eines der größten Vorbilder in Sachen Nachhaltigkeit in der Modebranche zu werden. „Es ist ein Abwägen. Wie krass will man sich in das Ganze reinmanövrieren?“, sinniert Yannik, als wir noch einmal auf die Nachhaltigkeit zu sprechen kommen. Er hat sich komplett reinmanövriert. Und das ist gut so. Ein Mensch, der sich Gedanken macht – über die Gesellschaft und seinen Einfluss –, genau das braucht die Modeindustrie.

„Alles, was wir in der Gesellschaft sehen, versuchen wir bei unseren Shows auch auf dem Runway abzubilden“

MAISON BLANCHE AG

2022 startet Yannik Zamboni als Gewinner der von Heidi Klum und Tim Gunn moderierten Realityshow „Making the Cut“ durch. Sein Label maison blanche ist vegan, plastikfrei und für Menschen jeden Geschlechts. Bei ihm ist Mode ein Statement, greift sozialpolitische Themen auf und regt zum Nachdenken an. Eine neue Kollektion ist unterwegs. maisonblanche.swiss

FRAMED ON DISPLAY

Ein Augenpaar, das sieht, was anderen verborgen bleibt, eine Kamera und eine sprudelnde

Inspirationsquelle: Wer mit diesen drei Zutaten ausgestattet visuelle Wunder schafft, dessen Werke haben gute Chancen, an der photoSCHWEIZ zu landen. Um die Vorfreude zu steigern, gibt es bei uns bereits einen kleinen Vorgeschmack auf einige Talente, die Zürich nächstes Jahr in einen Fotografie-Hotspot verwandeln werden. Die Werkschau

zeigt vom 7. bis 11. Februar 2025

, dass es in der Fotografie kaum kreative Grenzen gibt.

Text: Josefine Zürcher Fotos: photoSCHWEIZ

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JUMOKE FERNANDEZ

Wir beginnen mit einer Provokation. Schließlich soll Fotografie zum Diskurs anregen. Jumoke Ltd., die Firma von Jumoke Fernandez, ist nämlich auf Augmented Reality und KI spezialisiert. Was vielen FotografInnen ein Dorn im Auge ist, hält vermehrt Einzug in der kreativen Branche. Statt sich dagegen zu wehren, testet die Kreativdirektorin, was passiert, wenn sie ihre Kreativität mit den neuesten Technologien verschmelzen lässt.

Linke Seite: PHILIPP KEEL

Philipp Keel, der auch Verleger des renommierten Diogenes Verlags ist, begleitet als Produzent für Diogenes Entertainment zahlreiche Film- und Fernsehproduktionen, zuletzt etwa die Netflix-Serie „Ripley“. Auch sonst ist Philipp Keel ein Tausendsassa: Seine Fotografien, Gemälde, Zeichnungen und Drucke wurden in internationalen Ausstellungen gezeigt. Und weil er eine Extraportion Talent für sich reserviert hat, ist er auch noch Autor – von den Bestsellern „All About Me“ und „All About Us“.

Linke Seite:

ELIZA TSITSIMEAUA-BADOIU

Man kann es nicht oft genug sagen: Beim Fotografieren kommt es nicht auf das Equipment an, sondern vielmehr auf die Idee. So kreiert die Rumänin ihre Selbstporträts hauptsächlich mit dem Smartphone. Und tobt sich dabei mit den technischen Möglichkeiten so lange aus, bis wahre Kunstwerke entstehen. Ihr Merkmal? Nostalgie, Bewegung und ordentlich Verschwommenheit.

Rechte Seite: LAURA ZALENGA

Wann und wo passen wir uns an, fügen uns ein, bis wir fast unsichtbar sind? Und wo fühlen wir uns zugehörig? Diesen Fragen geht die deutsche Fotografin mit Selbstporträts nach, die eine zauberhafte Melancholie ausstrahlen. Dabei erkundet sie nicht nur Körperformen, sondern unsere unmittelbare Umwelt. Vielleicht sollten wir alle öfter mal mit der Natur verschmelzen.

© Laura Zalenga

Weibliche Archetypen aus der Popkultur und die Hypersexualisierung derer Körper spielen die Hauptrolle in ihren Fotografien, die mit einem Augenzwinkern Geschlechterrollen in Frage stellen.

zuhause. Sie thematisiert am liebsten Phänomene aus Social Media und der Internetkultur –stets aus einem feministischen Blickwinkel.

Wer selbst chronically online ist, fühlt sich bei der Pariser Künstlerin

AMANDINE KUHLMANNN

Rechte Seite:

Linke Seite:

CARLOS LEAL

Eigentlich kennt man ihn ja als Musiker und Schauspieler. Das Bewegtbild ist nicht allzu weit entfernt von der Fotografie, darum verwundert es auch nicht, dass Carlos Leal gerne selbst die Kamera in die Hand nimmt. Die Filmwelt schimmert aber auch bei seiner Fotografie durch, denn er will mit seinen Bildern am liebsten Geschichten erzählen.

CASAJORDI

Der französische Künstler Georges Bousquet arbeitet lieber unter seinem Pseudonym. Er vermischt handwerkliches Arbeiten und moderne Technologie wie kein Zweiter: Seine Collagen entstehen aus handgemachten Skizzen, die er digital bearbeitet und gerne auch mit bis zu 300 Schichten in Photoshop weiterentwickelt. Dass ihn KI-Programme wie Midjourney nicht einschüchtern, sondern seinen wilden Fantasien noch mehr Tiefe geben, liegt auf der Hand.

Der ukrainische Fotograf zelebriert in seinen Schwarz-WeißFotografien den menschlichen Körper. Starke Kontraste, Silhouetten, geometrische Formen und akribisch durchdachte Kompositionen lassen Kunstwerke entstehen, die an Gemälde erinnern. Je länger man hinschaut, desto mehr erkennt man –eine gute Strategie, wenn man die Aufmerksamkeit der BetrachterInnen erlangen will.

KUSHNIR

Geboren auf der kleinen niederländischen Insel Terschelling, war Paul Cupido stets umgeben von der Natur. Durch die Einbeziehung verschiedener künstlerischer Praktiken erschafft er ein poetisches und organisches Universum, in dem er oft den menschlichen Körper der Natur gegenüberstellt. Seine melancholischen und surrealen Bilder hinterfragen unsere Beziehung zur Realität und unsere Fähigkeit zu träumen.

© Paul Cupido
© Paul Cupido

AARON SCHWARTZ

Wenn andere über Pisten flitzen und Schnee aufwirbeln, zückt Aaron Schwartz die Kamera. Klar, fühlt sich der Fotograf in der Kälte zuhause, schließlich ist er in Vancouver und der Schweiz aufgewachsen und wohnt momentan in Flims, wo winterliche Szenarien an der Tagesordnung sind. Neben der Fotografie ist er als Grafiker und Illustrator tätig.

© Aaron Schwartz

Linke Seite: MELCHIOR IMBODEN

Es geht nichts über das gute alte, klassische Schwarz-Weiß-Porträt. Vor allem dann nicht, wenn man wie der Schweizer Melchior Imboden den ikonischen Fotografen und Regisseur Robert Frank vor die Linse kriegt. Er zeigt in einer Porträt-Serie, wen er über die Jahre im Rahmen der photoSCHWEIZ fotografisch in Zürich verewigt hat.

Rechte Seite: NORA NUSSBAUMER

Sie stand als Model einst selbst vor der Kamera. Dann hat sie die Seite gewechselt und begann, als freischaffende Fotografin und Regisseurin ihre eigene visuelle Welt zu kreieren. Besonders am Herzen liegen ihr dabei Themen wie Nachhaltigkeit, Verbundenheit zwischen Menschen und gegenseitiger Respekt.

© Melchior Imboden

EVITA GALANOU & THOMAS WOLLENBERGER

Wenn es darum geht, gemeinsam zu kreativer Bestform aufzulaufen, dann sind gegensätzliche Ansätze gar nicht so schlecht. Während Thomas auf spontanen poetischen Ausdruck setzt, brilliert Evita in der Nachbearbeitung. Das scheint wunderbar zu funktionieren, denn seit 1998 kreiert das Duo Videodesigns für internationale Theater-. Opern-, Tanz- und Musikproduktionen.

PHOTOSCHWEIZ 25

Emotionen, Politik, Kunst: Was die Gesellschaft gerade bewegt, lässt sich bestens visuell verpacken und an der größten Schweizer Werkschau für Fotografie präsentieren. Während fünf Tagen versorgen Sonderausstellungen und gut 250 Fotografietalente die Gäste mit Inspiration.

photoSCHWEIZ, 7.2. – 11.2. 2025, Kongresshaus Zürich, Claridenstrasse 5, 8002 Zürich photo-schweiz.ch

Evita Galanou & Thomas Wollenberger

CREATIVE ENCOUNTERS

Verschwinden schneller als jedes Black-Friday-Schnäppchen: Ju Schnees Vasen, die sie in limitierter Auflage für den Keramikhersteller Motel a Miio designt.

Angesiedelt zwischen Digitalem und Analogem lässt sich die Kunst von Ju Schnee nicht in eine Schublade pressen. Ebenso wie die Kreative sich selbst, die überzeugt ist: „Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, sondern ganz viel dazwischen.“ Das zeigen nicht zuletzt ihre Werke, voller abstrakter Formen und starker Farben. In Verbindung mit Augmented Reality erhalten die Ölgemälde eine zusätzliche Dimension. Mehrdimensional, das ist auch Ju selbst: Social Media und Designkooperationen sind dabei nur ein kleiner Teil vom großen Ganzen. Über allem steht immer die Kunst, aktuell zu sehen im Rahmen einer Solo-Ausstellung in Wien. Das zentrale Thema: Fallen – und sich fallen lassen. Letzteres tat Ju auch im Interview und zeigte sich ganz persönlich.

Interview: Lisa Hollogschwandtner Fotos: Stephanie Braun, Ju Schnee

FACES: Ju, wer bist du?

Ju Schnee: Eine Macherin. Beruflich, aber auch privat. Wenn ich eine Leidenschaft für etwas habe, dann gehe ich all in – das gilt für Beziehungen und Freundschaften ebenso wie für meine Kunst.

F: Gibt es einen konkreten Moment, in dem du wusstest, dass du Künstlerin werden beziehungsweise sein möchtest?

JS: Auf die Frage gibt es für mich zwei Antworten. Einerseits habe ich bereits ab dem Kleinkindalter gewusst, dass ich später einen kreativen Beruf ausüben möchte. Ich habe gemalt und gezeichnet, sobald ich einen Stift halten konnte. Die Kunst war für mich schon immer mein zentrales Ausdrucksmittel – aber lange kein realistisches Berufsfeld. Künstlerin werden zu wollen war für mich als Kind ähnlich exotisch wie der Berufswunsch Astronautin. Im Zeitverlauf habe ich immer mehr ausprobiert, mit den unterschiedlichsten Techniken und Materialien experimentiert, erste Auftragsarbeiten für meine Familie und Bekannte angefertigt und mich dazu entschlossen, Design zu studieren. Das war gefühlt der „sicherere Weg“ und gab mir trotzdem die Möglichkeit, meine Kreativität auszuleben. Die zweite Antwort auf die Frage: 2019 habe ich für mich begriffen, dass ich doch hauptberuflich als Künstlerin arbeiten möchte. Ich bin nach meinem Kommunikationsdesign-Studium nach Berlin gegangen und habe dort als freischaffende Illustratorin gearbeitet, die Kunst hat mich privat aber nie losgelassen. Irgendwann kam der Punkt, an dem ich ganz klar für mich gespürt habe, dass diese Leidenschaft so viel stärker ist als jene für meinen damaligen Beruf. Und so habe ich den Entschluss gefasst, mein gesamtes Illustrations- und Grafikportfolio zu löschen und nochmal neu zu starten. Am 1. Januar 2020 habe ich den Mietvertrag für mein Studio unterzeichnet.

JU SCHNEE

Während andere einen Graben zwischen digitaler und analoger Kunst sehen, vermischt Ju Schnee die Disziplinen und kreiert so ihr ganz eigenes kreatives Universum. Ölgemälde erhalten Dank Augmented Reality eine neue Dimension. Klar, klopfen da auch die Brands an: Unter anderem mit Keramikhersteller Motel a Miio und Möbelmarke USM Haller hat Ju Schnee schon Kollaborationen auf die Beine gestellt. ju-schnee.com

F: Wie viel Mut hat dich dieser Neustart gekostet?

JS: Das war für mich tatsächlich gar kein so mutiger Entschluss. Ich hatte einfach ein sehr klares Ziel vor Augen. Dabei liebe ich Ziele, die sich fast ein bisschen zu groß anfühlen.

F: Welche Bedeutung hat Social Media in deinem täglichen Arbeiten für dich?

JS: Instagram ist einerseits eine Plattform, die mir einfach Spaß macht, die mir andererseits aber auch die Möglichkeit gibt, sehr kuratiert zu zeigen, wer ich bin, was mich begeistert, was mir Spaß macht. Dabei handelt es sich aber etwas, das für mich sehr natürlich kommen muss. Aktuell macht es mir Spaß, Instagram zu bespielen – ich würde es aber niemals tun, wenn es sich wie Druck oder Zwang anfühlen würde. Für viele ist dieser Kanal der erste Berührungspunkt mit mir und meiner Kunst und ich finde es wunderschön, dort so viele Menschen erreichen zu können. Die Auseinandersetzung mit einem Werk ist online aber sicher eine deutlich oberflächlichere als offline. Bei Ausstellungen, face-to-face, lässt sich da noch eine ganz andere Tiefe vermitteln.

F: Gibt es ein Wunschgefühl, das deine Kunst bei ihren BetrachterInnen auslösen soll?

JS: Ich freue mich, wenn meine Kunst ganz generell Menschen etwas spüren lässt – das kann in viele Richtungen gehen. Wenn ich mir aber etwas wünschen darf, dann ist das eine gewisse Offenheit meinen Werken gegenüber. Ich arbeite an der Schnittstelle zwischen analoger und digitaler Kunst – oder besser, in der Schnittmenge beider Disziplinen. Für mich spiegelt das unsere Welt auch am besten wider. Es geht nicht mehr um ein Entweder-oder, sondern um die Kombination aus on- und offline. Den Fokus meiner Arbeit bilden meine Ölmalereien, die ich mit Augmented Reality verknüpfe. Via App am Smartphone oder Tablet können die BetrachterInnen meine Kunst so nochmal auf einer ganz anderen Dimension erleben. Wenn Menschen

Ölgemälde erwachen dank Augmented Reality plötzlich zum Leben.

dafür offen sind, sich auf dieses Erlebnis einzulassen, dann ist das für mich das schönste Geschenk.

F: Wie weißt du, dass ein Werk fertig ist?

JS: Wenn ich ein neues Werk beginne, habe ich meist schon eine sehr konkrete Vorstellungdavon, wie es am Ende aussehen soll. Teilweise liegt für mich die Schwierigkeit eher darin, auf der Leinwand noch ganz neue Dinge entstehen zu lassen. Das liegt vielleicht auch an meinem früheren beruflichen Background im Kommunikationsdesign. Im Rahmen der Aufträge von KundInnen ging es immer stark um Klarheit – und um einen Nutzen. Im Vergleich dazu ist die Kunst so viel freier. Ein Werk muss keinen Nutzen haben, es geht viel mehr um das Spüren im Prozess, um Intuition. Je stärker es mir gelingt, dieser Intuition Raum zu geben, desto besser ist das Endergebnis.

F: Apropos Nutzen: Du hast Anfang Dezember deinen neusten Vasen-Drop in Kooperation mit Motel a Miio lanciert. Wie kam es zur Zusammenarbeit? Und was bedeutet das Projekt für dich?

JS: Ich habe im Jahr 2020 überlegt, wie ich mein Studio einrichten könnte, und habe dann in puncto Geschirr sehr schnell an Motel a Miio gedacht. Also habe ich der Brand – ehrlicherweise etwas blauäugig – geschrieben und gefragt, ob sie Lust hätten, mir etwas zu schicken. Im Gegenzug habe ich angeboten, in der Zukunft etwas für sie zu malen. Schon Ende des Jahres habe ich mein Versprechen eingelöst und durfte den Motel a MiioStore in Nürnberg bemalen. Im persönlichen Gespräch ist dann recht schnell die Idee zu einer Keramik-Kooperation entstanden. Ich habe ein paar Wochen später die ersten Entwürfe geschickt – darunter war bereits eine Skizze jener Vasen, die wir mittlerweile bereits mehrfach neu aufgelegt haben. Für mich war und ist diese Zusammenarbeit die Möglichkeit, etwas zu erschaffen, das zwischen Kunst und Gebrauchsgegenstand angesiedelt ist – und damit viel zugänglicher ist, als beispielsweise eine Skulptur oder ein Gemälde. Mittler-

weile lancieren wir seit 2021 immer neue gemeinsame Editionen.

F: Wie entscheidest du dich für beziehungsweise gegen die Zusammenarbeit mit einer Marke?

JS: Ich habe sehr klare Ziele und eine sehr konkrete Vorstellung davon, wo ich mit meiner Kunst hin möchte. Mir hilft es enorm, bei jeder Anfrage zu reflektieren, ob mich die Kooperation auf diesem Weg unterstützt, oder ob sie ihn vielleicht sogar erschwert. Eine zweite Frage, die ich mir stelle, ist, ob ich an dem Projekt wirklich als Künstlerin teilhaben kann, oder ob ich reine Dienstleisterin bin. Und drittens frage ich mich, ob mir das Projekt die Möglichkeit gibt, Dinge zu tun, die ich bis dato noch nie getan habe. Für mich muss die Antwort auf alle drei Fragen stimmen, damit sich eine Zusammenarbeit richtig anfühlt.

F: Drei schnelle Fragen zum Schluss: Was bedeutet Luxus für dich?

JS: Etwas, das man sich außerhalb des täglichen Lebens erlaubt zu konsumieren und das einem wirklich Freude bereitet. Das kann ein tolles Essen sein, ein teures Produkt, aber auch Mode und Kunst.

F: Was ist der beste Rat, den du jemals bekommen hast?

JS: „Es ist nicht alles Gold, was glänzt.“ Das hat meine Mama immer zu mir gesagt und ich glaube, das Bewusstsein dafür wird immer wichtiger – gerade in Zeiten, in denen wir auf Social Media und Co. ständig mit unrealistischen Idealbildern konfrontiert sind.

F: Welchen Wunsch hast du an der Kunstbranche?

JS: Dass wir alle ein bisschen liebevoller miteinander sind und dass Diskurs viel häufiger auf Augenhöhe passiert, anstatt von oben herab. Das gilt für Kreative untereinander –wobei ich in der Community in Wien schon einen sehr starken Zusammenhalt spüre – aber auch zwischen Galerien und KünstlerInnen. Ich bin überzeugt, dass wir zusammen so viel mehr schaffen können – und dafür braucht es ein Umfeld, in dem sich alle, unabhängig von Bekanntheitsgrad, Ausbildung, etc., gesehen und gehört fühlen.

FLORESCENCE

GREAT MOSS

Wie von den Seiten eines Märchenbuchs geschält, ranken sich Lilo Klinkenbergs Gebilde in den Raum. Die floralen Arrangements und moosbewachsenen Strukturen der Berlinerin sind eine Architektur der Wildnis. Die Umarmung von Mutter Natur, sorgfältig inszeniert von Menschenhand. Mit Studio Lilo hat sich die studierte Modedesignerin auf Kunst spezialisiert, welche die wilde Landschaft nicht bloß abbildet, sondern zum Rohstoff des kreativen Ausdrucks macht. Damit stellt sie nicht nur unsere Blumendekorationen auf dem Festtagstisch in den Nachtschatten, sondern feiert internationale Erfolge und zieht die Aufmerksamkeit der Modewelt auf sich.

Text: Michael Rechsteiner
Fotos: Studio Lilo, Conrad Bauer, Clemens Poloczek, Mathias Leidinger

Wenn Pflanzen über sich hinauswachsen, hat Lilo Klinkenberg ihre Hände mit im Spiel.

FACES: Du hast ursprünglich Modedesign studiert. Inwiefern lässt sich deine Kreativität besser ausdrücken, indem du ihr mit Pflanzen Gestalt gibst?

Lilo Klinkenberg: Während meines Studiums an der UdK in Berlin habe ich gemerkt, dass der Körper allein mir nicht genug Fläche bietet und auch an sich schon zu viel Form hat, um mich auszudrücken. Mir wurde klar, dass ich eher atmosphärisch, eher räumlich arbeiten will. Interessanterweise denke ich heute immer wieder an mein Studium und stelle fest, wie sehr es mich geprägt hat. Ich gestalte zwar nicht mehr am Körper, aber ich betrachte manche Skulpturen als Körper und manche Materialien als Stoffe.

F: Was waren Momente oder Aufträge, die dir das Gefühl gaben, mit Studio Lilo ein neues Level erreicht zu haben?

LK: Die Greenery-Gestaltung für Flos während des Salone del Mobile in Mailand. Das war ein großer Auftrag, auch das erste Mal aus Mailand, und ich hatte dann auch noch viel kreative Freiheit. Er wurde zu einer Art Startschuss für viele weitere internationale Projekte, die ich seitdem gemacht habe. Was mich bis heute am meisten freut: Wenn ich eine Anfrage von Kunden oder Kooperationspartnern bekomme und merke, dass ich für genau das angefragt werde, was ich mache. Wenn meine Arbeit, meine Ästhetik verstanden wird.

F: Woher beziehst du all das Rohmaterial für deine Installationen?

LK: Ich verwende, soweit es geht, regionale Pflanzen und arbeite mit den Großmärkten vor Ort zusammen, egal wo. Das ist auch eine Art, die Welt kennenzulernen! Manchmal kommt es aber auch ganz anders. Im Oktober habe ich ein Projekt in Neapel gemacht für eine Designmesse und ausschließlich saisonale und lokale Pflanzen benutzt. Die Planung war ziemlich spontan, ich habe erst zwei Tage vor der Produktion wirklich gewusst, was ich von dem Gärtner bekomme. Wir haben dann mit Olivenzweigen, Rosmarin und Blaueiche eine große Installation in der Mitte eines Patios des Staatsarchivs von Neapel gebaut.

F: Welche Pflanzen bevorzugst du für deine Arbeiten? Welche sind eher schwierig zu handhaben?

LK: Moos ist und bleibt mein Lieblingsmaterial, mal natürlich grün, mal gefärbt. Ich arbeite mit Moos wie andere Künstler mit Ton. Blumen sind fragil und müssen immer gut mit Wasser versorgt sein, für Installationen ist das Arbeiten mit ihnen komplizierter, auch weil ich weitestgehend auf Floral Foam verzichte. Ich möchte mich davon aber nicht abschrecken lassen und baue deshalb aufwändigere Unterkonstruktionen, damit ich nicht auf sie verzichten muss.

F: Deine Installationen wirken wie ein Stück Natur, das sich seinen Raum in einer urbanen Umgebung zurück erkämpft hat. Siehst du in deiner Kunst auch eine politische Dimension oder betrachtest du sie rein ästhetisch?

LK: Das Schönste für mich ist zu erleben, wie andere Menschen auf meine Kunst reagieren. Wie sie die Objekte betrachten und welche Gedanken ihnen dabei kommen. Was ich mir erhoffe, ist, dass meine Arbeit den Blick auf die Natur verändern kann, vielleicht die Sinne etwas schärft, um sie bewusster wahrzunehmen. All die schönen Formen und Farben, die jede Jahreszeit mit sich bringt, zu erkennen und sie wertzuschätzen.

F: Womit beginnt deine künstlerische Inspiration? Mit der Farbe? Der Form? Dem Material? Oder wechselt das von Objekt zu Objekt?

LK: Das kann alles sein. Aber tatsächlich sind es immer eher Form und Farbe, die mich inspirieren, als dass es eine ein-

Grüner wirds nicht: Studio Lilos Kreationen, unter anderem für ihre erste Soloausstellung „is this even real?“ (oben).

„WAS ICH MIR ERHOFFE, IST, DASS MEINE ARBEIT DEN BLICK AUF DIE NATUR VERÄNDERN KANN.“

STUDIO LILO

Lilo Klinkenbergs blühende Fantasie gedeiht auch in echt. Ihre botanischen Skulpturen zieren unter anderem Museen und Modenschauen. Zu den Kundinnen von Studio Lilo zählen Loewe, Etro, Cartier und Jil Sander. Im vergangenen Sommer sprießte in der Berliner Galerie von BAM Works die erste Soloausstellung „is this even real?“. Oft angelegt vor grau industriellen Kulissen, entfalten die Installationen dabei eine besonders komplexe Wirkung und werden zur Verschmelzung von ungezähmter Natur und modellierter Kultur. studiolilo.de

Studio Lilos Naturschönheiten ziehen inzwischen auch internationale Auftraggeber an, beispielsweise Google Pixel (oben).

zelne Blume oder Pflanze ist. Oftmals ist es auch ein Raum, der gewisse Visionen auslöst. Gerade bin ich sehr inspiriert von den vereinzelten gelben Herbstbäumen, die zwischen Bäumen stehen, die schon komplett ihre Blätter verloren haben. Oder der erste Schnee, der sich wie ein Schleier auf einen Sandhügel bei einer Baustelle gelegt hat.

F: Hast du eine Vision oder ein Traumprojekt, das du bislang noch nicht umsetzen konntest? Eine Herausforderung, die dich besonders reizt?

LK: Ich arbeite zurzeit daran, meine Objekte haltbar zu machen und experimentiere mit verschiedenen Techniken, anderen Materialien und mit Farbe. Für meine Ausstellung „is this even real?“ im vergangenen Sommer habe ich sechs Skulpturen gebaut, und es hat geklappt, dass sie in ihrer Form und ihrer Farbe erhalten geblieben sind. Als nächstes träume ich davon, Skulpturen für draußen zu bauen: abstrakte Formen an lebenden Objekten. Formschnitt, aber nochmal auf einem anderen Level.

F: Früher oder später verwelken deine Werke. Stimmt dich das wehmütig oder ist das Teil vom Reiz?

LK: Das Verwelken meiner Werke löst schon eine gewisse Melancholie aus, aber ich habe gelernt, die Zeit, die ich mit meinen Werken habe, sehr zu genießen und wertzuschätzen. Und das Tolle ist, dass Blumen auch verwelkt noch schön aussehen können. Ich mag es sehr, den Prozess zu beobachten.

F: Wenn du auf einen Spaziergang in der Natur aufbrichst, siehst du Bäume und Blumen schon als mögliche Skulpturen, oder kannst du sie auch genießen, ohne an zukünftige Projekte zu denken?

LK: Oh, ich genieße es, an zukünftige Projekte zu denken. Ich bin einfach dankbar dafür, an so vielen Orten Inspiration finden zu können. Das passiert übrigens selten beim Spazierengehen, sondern eher, wenn ich schnell irgendwo vorbeilaufe oder fahre. Der kurze Blick auf die Natur bringt mich oft auf eine Idee, das liebe ich an Geschwindigkeit. Mein Gehirn speichert dann nur diesen Eindruck, den Moment, und hat gar keine Gelegenheit, das alles zu überdenken. Deshalb liebe ich Autofahrten auch so. Gestern habe ich eine Skulptur von Berlin nach Aarhus in Dänemark gefahren, und der Weg dorthin hat mich auf zwei Ideen gebracht. Ob ich sie jemals umsetze, weiß ich noch nicht, aber was gibt es Schöneres, als inspiriert zu sein?

F: Wo ist dein Lieblingsfleck in der Natur, in Berlin und weltweit?

LK: Das klingt vielleicht komisch, aber in Berlin ist es beispielsweise der Mittelstreifen am Hohenzollerndamm Ecke Spichernstraße. Und die Ginkgo-Bäume vor der Deutschen Oper, die so schön tanzen. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich dort vorbeikomme. Oder der große Wisteria-Strauch in der Oranienstraße in Kreuzberg. Ich bin eben ein richtiges Stadtkind, mich inspirieren Kontraste. Die Formen der GinkgoBäume vor der Deutschen Oper würde ich wahrscheinlich gar nicht so wahrnehmen, wenn sie in einem Mischwald in der Uckermark stehen würden. Ich sehe überall Formen, ich bin fasziniert von den Bewegungen der Natur, vor allem im urbanen Raum. Außerhalb von Berlin inspirieren mich zwei Inseln ganz besonders, so unterschiedlich sie auch sind, Helgoland und Lanzarote. An Helgoland liebe ich die Weite, von den Grashügeln und den roten Klippen geht es bis in die scheinbare Unendlichkeit. Und auf Lanzarote, einige Flecken grüner Natur, andererseits die schwarzen Vulkanflächen, verbringe ich seit einigen Jahren immer ein paar Wochen im Winter. Die Insel beruhigt mich einfach.

Photography: Benjamin Audour

NEON TANK FLUID EDGE

Styling: Marie Revelut
Make-up: Rafael Pita
Hair: Miki Sato
Model: Lidewij, The Face
Rock, Top und Schuhe von LOUIS VUITTON. Skischuhe von GOLDBERGH.
Lingerie von ERES. Jacke von GOLDBERGH. Schuhe von LOUBOUTIN.
Lingerie von ERES. Cape, Schmuck und Stiefel von FENDI.
Oberteil von SÉBLINE.
Hose, Blazer und Schmuck von CHANEL. Tasche von MELE + MARIE.
Tasche von MAISON ERNEST. Schmuck von PASCALE BRUNI.
Kleid von ELIE SAAB.
Tasche von MAISON ERNEST.
Brille von GOLDBERGH. Schmuck von PASCALE BRUNI.
Hose von THEUNISSEN. Jacke von NA ERUQO.
Schuhe, Tasche, Ohrringe, Kette und Uhr von DIOR.

CHARM BAG DREAMS

JULIA SKERGETH

Transparenz ist bei ihr keine Floskel: Auf ihrer Website legt Julia Skergeth darum die Preiszusammensetzung, Materialquellen sowie die einzelnen Schritte von Design zu fertiger Tasche offen. Außerdem wird für jede Bestellung ein Baum gepflanzt –den Wald dazu kann man sich online anschauen. So lohnt sich eine Taschensammlung erst recht. – juliaskergeth.com

Donuts, Dackel, Rüschen oder Ketten schmücken unter anderem die Taschen der Wiener Designerin Julia Skergeth. Ihr gleichnamiges Label hält gekonnt die Balance zwischen Zeitlosigkeit und Trends. Mit einem Augenzwinkern zeigen die Designs, dass man Mode nicht immer allzu ernst nehmen soll. Warum sie einen Masterplan für die Zukunft ausheckt, echtes Leder immer die bevorzugte Wahl ist und wie wichtig Transparenz ist, erzählt sie im Interview.

Interview: Josefine Zürcher Fotos: Julia Skergeth, Christoph Liebentritt

FACES: Du verbringst einen Großteil deiner Zeit mit dem Designen von Taschen. Was ist für dich die perfekte Tasche?

Julia Skergeth: Eine, die man über alles liebt und nach einigen Jahren wieder aus dem Schrank holt, nur um sich erneut in sie zu verlieben.

F: Besitzt du viele Taschen oder bist du da eher minimalistisch unterwegs?

JS: Meistens trage ich die Prototypen, da ich sie testen muss. Viele davon gehen später wieder zurück in die Produktion. Natürlich habe ich aber den Luxus, jederzeit eine passende Tasche zu meinem Outfit wählen zu können.

F: Woher stammt dein Interesse am Design? Wo hast du deine ersten Erfahrungen gesammelt und wann wusstest du, dass du Taschen designen willst?

JS: Schon als Kind war ich sehr kreativ. In London habe ich dann Modedesign studiert, war mir aber anfangs gar nicht sicher, ob ich ein eigenes Label gründen wollte. Mein Interesse an Taschen entwickelte sich organisch aus der Nachfrage heraus. Ich habe oft Kleidung und Accessoires für mich selbst entworfen, die ich genau so auf dem Markt nicht finden konnte.

F: Du hast unter anderem als Schuhdesignerin begonnen. Wie kam es schließlich zu den Taschen?

JS: Am Anfang war es ein persönliches Projekt. Schuhe sind online sehr schwer zu vermarkten und erfordern ein enormes Produktionskapital, allein schon wegen der verschiedenen Größen. Damals habe ich sogar eigene Schuhsohlen entwickelt, was sehr kostspielig war. Aus strategischer Sicht machte es für mich mehr Sinn, mich auf Taschen zu konzentrieren. Aber eines Tages möchte ich gerne wieder in die Schuhproduktion einsteigen und diese Kategorie erweitern.

F: Aus welchen Materialien besteht eine Julia Skergeth Tasche?

JS: Wir arbeiten hauptsächlich mit Leder. Ich liebe Leder über alles, da es so viele herausragende Eigenschaften besitzt. Manchmal nutzen wir auch Stoffe, stoßen dabei aber im Vergleich zu Leder oft auf Herausforderungen. Wir sourcen all unsere Materialien selbst, von den kleinsten Schrauben bis hin zu den größten Komponenten einer Tasche. Dabei legen wir großen Wert auf Qualität und Transparenz.

F: Transparenz ist gerade bei der Herstellung von Kleidung und Taschen ein wichtiges Thema. Wo wird bei euch produziert?

JS: Unsere Produktion findet in Padua, Italien, statt. Wir sind sehr stolz darauf, einen so großartigen Produktionspartner gefunden zu haben. Es war ein langer Weg, um dorthin zu gelangen, wo wir heute produzieren.

F: Welche unerwarteten Hindernisse musstest du in den Anfängen überwinden?

JS: Wenn man ein eigenes Label aufbaut, stößt man ständig auf Hindernisse, aber das ist wichtig, um zu wachsen, zu lernen und sich zu verbessern. Unsere größten Herausforderungen lagen immer in der Produktion. Wir sind

Das hält Julia Skergeth von…

FAST FASHION:

Das ist ein wirklich schwieriges Thema.

FASHION WEEK: NYC, Paris, Mailand – ja! TIKTOK, INSTAGRAM & CO.: Finde ich wichtig.

FASHION INFLUENCERINNEN: Gut, aber das Ganze ist nicht mehr das, was es einmal war.

VINTAGE/SECONDHAND: Ich mag vor allem Vintageschmuck.

FAKE DESIGNERTASCHEN: Geht gar nicht!

TOTE BAGS: Die mag ich jetzt wieder.

RUCKSÄCKEN: Nur in Kombination mit Sport. NACHHALTIGKEIT IN DER MODEINDUSTRIE:

Auch ein schwieriges Thema.

MASSGESCHNEIDERTER

KLEIDUNG:

Toll. So hat man viel länger Freude an einem Stück.

UNISEX MODE: Ich liebe es, die Hemden von meinem Mann zu tragen.

ECHTES LEDER VS. KUNSTLEDER: Echtes Leder – immer!

darauf angewiesen, dass unsere Designs mit höchster Sorgfalt und Qualität umgesetzt werden. Wenn das nicht der Fall ist, entstehen viele Probleme, abgesehen von den hohen Kapitalanforderungen.

F: Die Modebranche kann ganz schön hart sein. Was sind die wichtigsten Lektionen, die du in den letzten Jahren gelernt hast?

JS: Durchhalten, aufstehen und weitermachen – das sind die wichtigsten Lektionen. Man muss für sein Produkt und seine Marke brennen, um auch schwierige Zeiten zu überstehen.

F: Ist es eine Illusion, dass die Modewelt nachhaltiger wird, oder tut sich tatsächlich etwas in diese Richtung?

JS: Dass Shein seit 2022 der größte Online-Modehändler ist, ist ein besorgniserregendes Zeichen, wenn wir die Modewelt nachhaltiger machen wollen. Um solch günstige Kleidung anbieten zu können, werden die billigsten Materialien verwendet, was zu enormen Mengen an Plastikmüll führt. Solange der Konsum von Billigmode nicht abnimmt, bleibt es schwierig, nachhaltige Mode voranzutreiben.

F: Wofür möchtest du, dass deine Marke steht? Was sollen KundInnen mit Julia Skergeth verbinden?

JS: Meine Marke soll ein Lebensgefühl verkörpern, ein Gefühl von Empowerment. Ich möchte, dass Frauen, die meine Taschen tragen, auf der Straße angesprochen werden und ein Kompliment für ihre Tasche erhalten. Sie sollen sich richtig gut fühlen, wenn sie in eine Tasche investieren und dieses besondere Gefühl lange in Erinnerung behalten.

F: Einige deiner Taschen bestechen durch verspielte Details. Sollte Mode weniger ernst genommen werden?

JS: Absolut! Mode sollte Spaß machen und man sollte sich darin wohlfühlen, anstatt stur den neuesten Trends hinterherzulaufen.

F: Wen möchtest du auf den Straßen mit einer Julia Skergeth Tasche sehen?

JS: Je mehr Menschen, desto besser! Natürlich hat man eine bestimmte Persona im Kopf, für die man designt. Bei mir ist sie äußerst modebewusst, steht mitten im Leben, weiß, was sie will und liebt es, die Taschen auf verschiedenste Weise mit Outfits zu kombinieren. Sie trägt die Tasche auf ihre eigene, individuelle Art.

F: Welche Trends stellst du momentan bei Taschen fest? Und wechseln die Trends mittlerweile schneller?

JS: Ein Taschentrend hält in der Regel drei Saisons, obwohl es natürlich auch schnellere Trends gibt. Zum Glück sind Accessoires etwas langlebiger. Für Herbst/Winter 2024 werden die Farben ruhiger, mit Braun- und Rotbrauntönen. Metallic bleibt angesagt, und es wird eine Highlight-Farbe wie Sulfur geben. Rauleder in Braun und Camel bleibt ebenfalls aktuell – es ist derzeit alles sehr klassisch.

F: Wo siehst du deine Marke in fünf Jahren?

JS: Ich habe einen Masterplan, über den ich noch nicht viel verraten kann, aber es wird um das KundInnenerlebnis gehen – das steht bei mir sogar über dem perfekten Produkt.

Klassisches Design und verspielte Charms: Das sind Julia Skergeths Hauptzutaten für eine gelungene Tasche.

THANK GODS BAGS

Als religiös würden wir uns nicht bezeichnen, aber beim Anblick der schönsten Taschen der Saison rutscht doch das eine oder andere „Halleluja“ heraus. Gefolgt von einem Gebet an die Taschengöttinnen und -götter, in der Hoffnung, dass sie unsere Weihnachtswünsche erfüllen.

ROBERTO CAVALLI, „Roar“, Mini-Bag aus Leder mit Schlangeneffekt, ca. 1'290.—

Mini-Bag mit gebürstetem Schultergurt, aus Polyester und Polyurethan, ca. 210.—

FENDI, „Peekaboo ISeeU“, Petite, Tasche aus Cuoio Romano Metallic-Kalbsleder mit 306 handgefertigten Ziernähten, ca. 3'950.—

PRADA, Schultertasche aus Leder und Lammfell, ca. 2'550.—

CHANEL, kleine „22“-Tasche aus verwaschenem Denim und mit goldfarbenem Metall, ca. 5'100.—

FERRAGAMO, „Hug“, Handtasche in Größe L aus Kalbsleder, ca. 2'689.—

LOUIS VUITTON, „Neverfull Inside Out MM“, wendbare Tote-Bag aus Canvas, Textil und Rindsleder, ca. 1'800.—
GUCCI, „Bamboo 1947“, Mini-Bag aus Leder, mit goldfarbenem Beschlag mit Kristallen, ca. 5'900.—
„Himmel“,

Mini-Pouch aus Lammleder mit Monogramm und Pailletten, ca. 980.—

DIOR, „Lady D-Joy“, Tasche mittelgroß, aus Baumwolle, Kalbsleder und Funktionsstoff, mit Blumen- und Strassstickerei, ca. 6'400.—
LONGCHAMP, Le Roseau, Beuteltasche in Größe XS, aus recyceltem Canvas aus Kunstpelz, ca. 370.—

HERMÈS, „Constance“, Tasche aus Chamlika-Ziegenleder mit eingefasster Schnalle, ca. 9'600.—

MIU MIU, „Yvy“, Häkeltasche aus Lammleder, mit Federn, ca. 3'950.—

UNFILTERED BEAUTY

DISRUPTOR

Vor fast hundert Jahren brachte man Schönheitsnormen auf die Leinwand - heute verbreitet man sie auf Social Media. Das Sentiment bleibt dasselbe: Wir wollen schön sein und gesehen werden. „Silver and Gold“ von William Russell Flint. Öl auf Leinwand, ca. 1931. © picture alliance

Wer schön sein will, muss: Mit Anfang zwanzig Botox in jede imaginäre Falte spritzen, jedes einzelne Körperhaar entfernen, möglichst dünn sein – oder sind Kurven gerade wieder in? Egal, am Schluss wird sowieso alles nachbearbeitet und mit Filtern zum Einheitsbrei der vermeintlichen Perfektion verformt. Um den heutigen Beautystandards zu entsprechen, scheint kein Effort genug zu sein. Ellen Atlanta erforscht in ihrem Buch Pixel Flesh, wie toxische Schönheitsideale mit der digitalen Welt kollidieren – und so für Frauen und Mädchen eine Hölle der Eitelkeit schaffen. Daran trägt niemand alleine die Schuld: Von Politik bis Patriarchat deckt die Autorin anhand persönlicher Erfahrungen und auf Daten gestützt auf, wie Schönheitsstandards jeden Aspekt unseres Lebens diktieren. Im Interview erzählt sie uns, warum sie Beauty trotz allem noch immer liebt, wie wir einen gesunden Umgang damit finden und warum wir öfter offline echte Körper anschauen sollten.

Interview: Michael Rechsteiner, Josefine Zürcher Fotos: Ellen Atlanta

FACES: Du hast viele Jahre in der Beauty-Industrie gearbeitet, unter anderem als Beautyredakteurin. Wann wurdest du dir der toxischen Seite daran bewusst?

Ellen Atlanta: Als ich in meinen Teenagerjahren und frühen Zwanzigern in Beautysalons gearbeitet habe, ging es stets darum, Frauen zusammenzubringen und eine Community zu schaffen – Schönheit fungierte als Mittel zum Zweck und war nicht das A und O. Vielmehr stand Kreativität im Mittelpunkt: Man machte zum Beispiel auf jeden Fingernagel ein anderes Mitglied einer Boyband. Größe, Gewicht oder Aussehen waren keine Einschränkungen – alle können sich die Nägel machen lassen. Ich hatte ursprünglich auch nicht geplant, in der Beauty-Industrie zu arbeiten, doch die Jahre vergingen und plötzlich landete ich in einer Beauty-Tech-Firma. Auch das fing eigentlich ganz harmlos an: Wir verkauften Treatments via Fotos. Man konnte Nägel, Party-Make-up, Zöpfe oder sonstige Hairstyles buchen. Doch Mitte der 2010er-Jahre machte die Schönheitsindustrie einen rasanten und bedenklichen Wandel durch.

F: Inwiefern?

EA: Plötzlich hatten wir Kosmetikerinnen und somit Lippen, Nasen und Wangen auf der Plattform – man konnte sich nun quasi ein neues Gesicht bestellen. Diese Lippen oder jene Nase konnte man dank Filler einfach kaufen. Etwa zur gleichen Zeit bemerkte ich, dass sich die Frauen in meinem Umfeld trotz der BodyPositivity-Bewegung online in echt immer schlechter fühlten – so schlecht wie nie. Und wir konnten nicht darüber sprechen, weil wir online alle unsere glitzernden Zitate über Empowerment posteten. Ich arbeitete mit unglaublich starken und feministischen Frauen zusammen, die alle noch immer dieselben Gespräche darüber führten, was wir essen dürfen und was nicht und wie wir an bestimmten Veranstaltungen aussehen sollten. Dann verließ ich die Schönheitsindustrie, arbeitete für gemeinnützige Organisationen und Plattformen zur Unterstützung von Frauen und Mädchen im Internet und versuchte, Räume zu schaffen, die sich sicherer und feministischer anfühlen.

F: In der Einleitung von „Pixel Flesh“ beschreibst du einen Moment, in dem du mit Freundinnen draußen bist und realisiert, dass du mehr Körper online als in echt siehst. War das der Startschuss fürs Buch?

EA: Genau, das war während der Pandemie. Hier in England durfte man sich in einer Bubble mit einem Haushalt zusammenschließen, und ich wählte meine Freundinnen. Als es einmal richtig heiß war, waren wir draußen am Sonnenbaden. Im Lockdown nahmen wir es alle etwas weniger ernst mit unserer Beautyroutine, man hat sich weniger rasiert, weniger geschminkt, vielleicht ein bisschen zugenommen. Ich schaute mir meine Freundinnen beim Sonnenbaden an und fand sie alle wunderschön – und mir wurde klar, dass ich desensibilisiert war, was das Aussehen von Frauen im wirklichen Leben angeht. Wie wir immer ausgesehen haben, wie wir in unserem natürlichen Zustand aussehen sollten. Ob das nun Bauchröllchen sind, Dehnungsstreifen, Narben, Körperbehaarung. Und dieses Bild hat sich in mei-

„Ich wollte unbedingt, dass im Buch deutlich wird, dass ich Beauty noch immer liebe und schon immer geliebt habe.“

nem Kopf wie ein Renaissance-Gemälde festgesetzt. So kam es auch zum Titel vom Buch: Ich hatte schon eine Weile keine echten Körper mehr gesehen, sondern nur Pixel. Als nach Covid alles wieder fast beim Alten war und wir uns wieder unserer Arbeit in der Beauty-Industrie widmeten, musste ich mich mit meinen Gefühlen arrangieren. Es fühlte sich fast an wie Verrat. Es wurde schon viel über Schönheitsnormen geschrieben, aber niemand hatte sich wirklich damit beschäftigt, was es bedeutet, wenn diese mit der digitalen Welt kollidieren. Es ließ mich nicht mehr los und ich wollte sofort darüber schreiben.

F: Das Buch rechnet mit einer Industrie ab, von der du lange ebenfalls Teil warst. Was hat dir vor der Erscheinung am meisten Sorgen bereitet?

EA: Ein ziemlich großer Teil des Buches sind Memoiren –meine eigenen, aber auch die von fast hundert anderen Frauen, die ihre Geschichte mit mir geteilt haben. Ich habe mich vor allem ihnen gegenüber verantwortlich gefühlt. Ich wollte sicherstellen, dass ich so viele verschiedene Geschichten und Gefühle wie möglich repräsentiere. Es wird zwar alles von Statistiken gestützt, aber ich wollte kein datenlastiges Buch schreiben, sondern eines, das die Leute nicht ignorieren können, weil es sagt: „Seht her, das ist es, was Frauen durchmachen“. Frauen, die sich damit identifizieren können, sollten sich gesehen und verstanden fühlen. Ihr Verhalten ist nicht irrational, sie sind weder verrückt noch irgendwie defekt. Ich wollte unbedingt, dass mir das gelingt.

F: Nun ist „Pixel Flesh“ seit einigen Monaten draußen in der Welt und in den Händen der LeserInnen. Wie war die Resonanz bisher?

ELLEN ATLANTA

Wenn dir ein neuer Beautytrend auffällt, kannst du sicher sein: Ellen Atlanta hat ihn vor dir erspäht und bereits darüber geschrieben – zum Beispiel bei Elle UK, Dazed oder The Times. Gleichzeitig hat sie einige Jahre Erfahrung als Content Creator und beriet als Brand Consultant MakeupRiesen wie Estée Lauder oder Milk Makeup. Welches Projekt sie auch immer anpackt, eines bleibt gleich: Sie priorisiert Female Empowerment, rüttelt an patriarchalen Strukturen und schafft einen Zugang zu Beauty, der niemanden ausschließen soll. ellenatlanta.com

EA: Ich weiß, das sollte man nicht tun, aber ich lese ganz oft meine Bewertungen auf der Website Goodreads. Sie sind teils so bewegend. Da schreiben mir 17-jährige Mädchen ganze Essays, in denen sie erzählen, wie viel ihnen das Buch bedeutet. Auf der anderen Seite finden viele Leute das Buch provokativ. Einige finden es gar schwierig zu lesen. Das Interessante daran ist, dass die Leute mit unterschiedlichen Kapiteln zu kämpfen haben. Das ist abhängig von persönlichen Erfahrungen und Gefühlen. Die Tatsache, dass das Buch konfrontierend ist, signalisiert wiederum, dass wir erst am Anfang einer riesigen Diskussion stehen. Es eignet sich darum auch als Gesprächsgrundlage – ob es nun darum geht, das eigene Privileg zu erkennen oder sich mit vergangenen Erfahrungen auseinanderzusetzen.

F: Wie hat sich im Verlauf der Recherche und des Schreibprozesses dein Verhältnis zu Beauty geändert? Gibt es Dinge, die du jetzt anders machst?

EA: Ein Buch schreibt man ja alleine, meist zuhause im Pyjama, in meinem Fall. Man ist nicht wirklich sichtbar. Als ich fertig war, hieß es dann quasi: „Ok, cool, jetzt werd bitte ein glänzender Instagram-Star, damit wir auch ein paar Exemplare verkaufen“. Und ich merkte, dass ich das eigentlich gar nicht will. Ich hatte damit zu kämpfen, auf eine Art und Weise sichtbar zu sein, die der Botschaft des Buches dient. Ich weiß, dass es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen meinem Aussehen und der Art, wie ich spreche, und der Anzahl der

Medienauftritte, zu denen man mich einlädt. Ob ich zu Podcasts eingeladen werde – die alle Videoelemente enthalten – oder wie viele Fotoshootings man mit mir machen will. Diese Erkenntnis war ziemlich erschütternd.

F: Wie bist du schließlich damit klargekommen und was rätst du anderen jungen Frauen?

EA: Ich habe gemerkt, dass jede so ein Ding hat, womit sie kämpft. Man muss herausfinden, was es ist und es konfrontieren. Für mich sind es Make-up, Nägel und Essen. Nun trage ich weniger Make-up, die meisten Tage der Woche gar keins und ich erlaube mir, mehr zu essen –das klingt albern und trivial. Aber genau dazu ermutige ich in meinem Buch: eine Sache weniger zu tun. Und es ist so viel einfacher zu schreiben, wenn die Nägel nicht lang sind. Vor ein paar Monaten noch hätte ich mir vor diesem Interview bestimmt Nägel angeklebt. Auch das klingt verrückt, aber genau so war es. Als ich einmal bei meiner Charity-Arbeit, wo ich mit jungen Mädchen Workshops mache, vorschlug, dass wir nächstes Mal ein Magazin oder Collagen machen könnten, drehten sich alle um und sagten: „Können wir uns so schminken wie du?“ und ich dachte: „Oh mein Gott, ich bin das Problem“. Man muss diesen jungen Frauen und Mädchen zeigen, wie wichtig es ist, dass sie auftauchen können, wie sie wollen, geschminkt oder ungeschminkt, in Jogginghosen oder in enger Kleidung – sie haben immer denselben Respekt verdient.

F: Als Kind verwendeten wir Make-up und Nagellack spielerisch. Ist es möglich, wieder diesen kreativen Spaß an Beauty zu haben, ganz ohne Druck von aktuellen Trends?

EA: Ich wollte unbedingt, dass im Buch deutlich wird, dass ich Beauty noch immer liebe und schon immer geliebt habe. Als Kind ließ mich meine Mutter wahllos Teile meiner Haare rosa färben. Manchmal waren es nur meine Ponyfransen – wahrscheinlich sah das verrückt aus, aber als ich sieben war, war es das Coolste überhaupt. Es gibt diese magischen Momente, wenn man sich zum Beispiel mit seinen Freundinnen fertig macht oder sich zum ersten Mal die Haare färbt – das sind so schöne und wichtige Momente der Beauty-Kultur. Für mich geht es darum, einen Weg zurück zu finden. Beautystandards sind heute so homogen. Alle fangen an, gleich auszusehen, und das ist nicht das, was wir ursprünglich wollten. Schönheit als Kultur bedeutete früher, mit anderen verbunden zu sein und sich selbst zu verwirklichen. Ich glaube zu 100 Prozent, dass es Wege gibt, dahin zurückzukehren.

F: Hast du ein Beispiel, wie diese Rückbesinnung gelingen kann?

EA: Früher ging es mir beim Make-up immer darum, alles zu kaschieren. Die dunklen Ringe unter den Augen, alles, was ich irgendwie als Makel wahrgenommen hatte. Es ging weniger um Farbe, Glitzer und Spielerei. Eine hilfreiche Übung ist folgende: Mach eine Liste mit allem, was du als Kind mochtest, bevor dir ein Algorithmus vorschrieb, was du mögen musst. Man hatte als Kind diese Obsessionen. Ich liebte zum Beispiel Glitzer, mich wie eine Fee zu verkleiden, aber auch klobige Doc

„Mir wurde klar, dass ich desensibilisiert war, was das Aussehen von Frauen im wirklichen Leben angeht“

Martens zu tragen – und alte Tamagotchis auf Ebay zu kaufen. Das ist die reinste Version meiner selbst. Dahin muss man zurückfinden – zu dem, was sich für dich gut anfühlt, nicht, was gerade auf TikTok angesagt ist. Mein Haar ist bis heute immer irgendeine Version von Rosa oder Lila – weil ich Pink schon immer geliebt habe.

F: Du hast es in der Einleitung angesprochen: Man muss Körper in echt sehen. Liegt die Lösung offline?

EA: Auf jeden Fall. So viel der Arbeit muss offline geschehen. Dort haben wir Kontrolle und einen Sinn für Realität. Ich habe für das Buch mit einer Therapeutin für Essstörungen gesprochen. Sie rät ihren PatientInnen unter anderem, auf dem Weg zur Arbeit die Leute zu beobachten. Schau dir zum Beispiel jede dritte Person an und wie sie sich präsentiert, wie ihr Körper aussieht, anstatt dich nur mit dem zu vergleichen, was du online siehst. Was mein Körpergefühl enorm verändert hat, war, dass ich nicht mehr in diese schicken Pilateskurse ging, wo alle ziemlich gleich aussahen, sondern zum Freizeitzentrum bei mir um die Ecke. Dort besuche ich Tanz- und Fitnesskurse mit Frauen jeden Alters. Eine feierte kürzlich ihren 96. Geburtstag. Außerdem hat es eine Frau mit drei Kindern, die fitter ist als ich es je sein könnte. Die Art und Weise, wie wir die Übungen ausführen, sieht für jede anders aus, aber alle tun ihr Bestes. Es ist so befreiend, die Vielfalt zu sehen. Man lernt, wie Frauenkörper sind und wie sie sein sollten. Solche Räume müssen wir aktiv kultivieren, so wie wir unseren Feed online kuratieren. Wir sprechen nicht oft darüber, wie viel Einfluss wir auf die Menschen in unserem Leben haben – beste Freundinnen, Mutter, Schwestern, Nichten, die Frauen um uns herum. Wir müssen ausatmen, unseren Körper sein lassen und nicht ständig negativ über ihn sprechen. Wenn man das für die anderen Frauen um einen herum tut, entsteht ein Dominoeffekt.

F: Gibt es Personen oder Organisationen, die genau das vorleben und die dir als Vorbild dienen?

EA: Tatsächlich habe ich manchmal Mühe mit der Arbeit, die geleistet wird. Wenn man nämlich diese Probleme anspricht – die toxischen Beautytrends, die auf Social Media die Runden machen – dann lernt man diese Trends manchmal erst durch die Personen kennen, die versuchen, diese zu bekämpfen. Es ist ein Teufelskreis. Ich hätte nie von [hier verrückten Schönheitstrend einfügen] gehört, wenn ich nicht dieser Person zugehört hätte, die davon spricht. Und jetzt kann ich nicht aufhören, daran zu denken. Wir müssen vorsichtig damit sein, wie wir die Aufmerksamkeit auf unseren Körper lenken und wie wir über diese Dinge sprechen. Ich nehme mich da nicht aus – mir ist das ganz zu Beginn auch passiert. Am Anfang habe ich ein Interview gegeben, in dem ich über bestimmte Körpertrends gesprochen habe, und die Journalistin sagte danach: „Ich wusste nicht, dass es so etwas gibt, und ich habe gemerkt, dass ich es habe und nun denke ich die ganze Zeit daran“ – und das war nicht meine Absicht. Es gibt Stellen im Buch, an denen ich sage, wenn du nicht weißt, was dieser Begriff oder dieser Trend ist – nicht googeln,

ignorance is bliss! Ich habe es herausgefunden, damit du es nicht tun musst. Ich versuche mittlerweile, diese spezifischen Dinge nicht zu benennen. Lieber fokussieren wir darauf, was wir sehen wollen und folgen den Leuten, die das für uns repräsentieren.

F: Es gibt natürlich auch unrealistische Beautystandards für Männer. Trotzdem sind hauptsächlich Frauen von toxischer Schönheitskultur betroffen. Sollten gerade darum auch Männer dein Buch lesen?

EA: In einer Buchbewertung hat kürzlich ein Mädchen geschrieben, dass sie ihren Partner auf das Thema angesprochen hat. Obwohl er eigentlich sehr verständnisvoll sei, habe er gesagt, dass Frauen solche Dinge halt tun, weil sie eitel sind. Dadurch wurde ihr klar, wie nuanciert das Thema wirklich ist. Sie wollte ihrem Partner das Buch in die Hand drücken und sagen: „Lies es, denn es erklärt alles“. Viele Frauen haben mir gesagt, dass das Buch Dinge und Gefühle erklärt, die sie bisher nicht in Worte fassen oder entschlüsseln konnten. Einige hören sich das Audiobuch mit ihrem Partner an und führen nach jedem Kapitel Gespräche, das ist wirklich schön. „Pixel Flesh“ kann ein Weg sein, solche Mauern einzureißen.

F: Wie waren die Reaktionen von Männern, die das Buch tatsächlich gelesen haben?

EA: Die Reaktionen der Männer waren großartig. Ich wurde oft gefragt, warum Männer nicht so oft in dem Buch vorkommen, und ich denke, es ist wichtig, zwischen Patriarchat und Männern zu unterscheiden. Das Patriarchat ist ein System, das wir alle aufrechterhalten – ja, Männer sind ein Teil davon. Vor allem die Männer, die in Machtpositionen sind. Viele Männer sind sich dem Ausmaß der Beautyindustrie und ihrer Auswirkung auf Frauen aber nicht ganz bewusst. Deshalb wollte ich meine Geschichte und die Geschichten anderer erzählen. Einige Väter haben das Buch gelesen und mir gesagt, wie hilfreich es war, um ihre Töchter im Teenageralter zu verstehen. Auch mein Vater hat das Buch gelesen und viel über sein Leben und seine Erfahrungen nachgedacht. Viele Männer, die es gelesen haben, fanden es aufschlussreich und schockierend. Die Thematik kann sich spaltend anfühlen – so, als wären die Männer nicht auf unserer Seite. Umso froher bin ich um die positiven Reaktionen, die ich von Männern erhalten habe. Ich hatte Freunde, die es gelesen haben, Männer, die dieses Buch vorher nie in die Hand genommen hätten. Ich war angenehm überrascht und ich glaube, es gibt auf Seiten der Männer tatsächlich eine Bereitschaft, zu verstehen.

F: Woran arbeitest du jetzt gerade und was hast du in der Zukunft vor?

EA: Basierend auf dem Inhalt von „Pixel Flesh“ berate ich Marketingagenturen und Brands und zeige ihnen, wie wir die Welt für junge Frauen und Mädchen besser machen können: Mit besserer Repräsentation und guten Messages. Die Frauen, die am meisten unter dieser Kultur leiden, sind oft diejenigen, die mittendrin sind und ständig von diesen Bildern umgeben sind. Und ich werde weiterhin über Frauen und Mädchen und das Internet schreiben. Ein zweites Buch ist bereits in Arbeit.

PIXEL FLESH: HOW TOXIC

BEAUTY

CULTURE HARMS WOMEN

Filter, die man kaum mehr von der Realität unterscheiden kann, Filler für jede Gesichtspartie und gefühlt jeden Tag ein neuer Beautytrend: Die digitale Welt lässt die ohnehin schon absurden Schönheitsnormen völlig aus dem Ruder laufen. Autorin Ellen Atlanta erkannte das Problem früh, denn sie hat selbst jahrelange Erfahrung in der Beauty-Industrie. In ihrem ersten Buch schlüsselt sie auf, wo die Gefahren für Frauen und Mädchen überall lauern. Und liefert Hoffnung und Lösungen für alle, die mehr in der Realität leben und weniger über all ihre vermeintlichen Schönheitsfehler nachdenken wollen.

Ellen Atlanta, „Pixel Flesh: How Toxic Beauty Culture Harms Women”, Headline Publishing, ca. 20.—, headline.co.uk

F: Kannst du uns einen kleinen Hinweis geben, was wir vom nächsten Buch erwarten dürfen?

EA: Ein bisschen etwas darf ich thematisch verraten: Es wird einen Schwerpunkt geben auf die frühen Zweitausender und inwiefern diese wieder relevant sind. In gewisser Weise dokumentiere ich das Konzept der Girlhood auf sozialhistorische Weise. Meine Aufgabe ist es, die Geschichten von Frauen und Mädchen weiterzuerzählen, so wie es „Pixel Flesh“ hoffentlich getan hat – und damit ein Gefühl von Schwesternschaft zu schaffen, in der Mädchen sich sicher und gehört und verstanden fühlen. Das möchte ich auch weiterhin tun.

F: Hast du einen Lieblingsmoment, den du mit dem Release von „Pixel Flesh“ verbindest?

EA: Es gibt dieses gelbe Shirt, das man auf Social Media ganz oft sieht. Auf dem steht: „Written and directed by Quentin Tarantino“. Eines der Mädchen, das ich für das Buch interviewte, sagte mir, dass sie eines möchte, auf dem steht: „Written by Ellen Atlanta“, weil sie nicht von einem Mann geschrieben werden möchte, sondern von einer feministischen Autorin. Ich habe also mehrheitlich aus Spaß solche T-Shirts für die Launchparty des Buches gemacht. Mittlerweile habe ich sie aber dreimal nachdrucken lassen. Und wenn ganz viele Mädchen das Shirt tragen, dann ist es wirklich so, dass die Geschichten im Buch eben die aller Mädchen sind. Das ist für mich bezeichnend für das, was ich mit meiner Karriere erreichen möchte. Ich war so stolz darauf, dass sich die Frauen durch die Erzählungen im Buch so repräsentiert fühlten. Das ist es, was ich weiterhin tun möchte: über Frauen so zu schreiben, dass es ihren Erfahrungen so nahe wie möglich kommt.

F: Zu guter Letzt müssen wir dir die Frage stellen, die du am Ende jeden Kapitels jemand anderem gestellt hast: Wie können wir eine schönere Welt für Frauen und Mädchen schaffen?

EA: Oh, das ist die Frage, die ich unfairerweise jeder Person im Buch gestellt habe. Am Ende des Buches habe ich versucht, konkrete Lösungen zu finden, anstatt einfach zu sagen „Das Patriarchat ist schlecht!“. Das Thema ist so riesig, dass niemand so recht weiß, wo man anfangen soll. Ich habe ein paar Antworten: Raus in die Welt gehen und in deiner eigenen Community sein. Ich habe es sogar auf einem Sticker: Nurture yourself in every dimension – nurture the women around you in every dimension. Anstelle davon, darüber nachzudenken, was in den Augen anderer gut aussieht – worauf wir unsere ganzes Leben lang konditioniert wurden –, müssen wir dieses dreidimensionale Leben für uns selbst kuratieren: Was fühlt sich gut an, was schmeckt gut, was gefällt mir? Wir müssen uns weigern, in ein zweidimensionales Bild gepresst zu werden, das man online teilt, liked, und beurteilt. Das echte Leben ist mehrdimensional. Wichtig ist auch, darauf zu achten, wie wir über uns selbst und die Frauen um uns herum sprechen. Wenn wir andere Frauen begrüßen, kommentieren wir oft zuerst das Äussere: „Oh, deine Haare sind toll, ich mag dein Outfit“. Aber wir sagen selten: „Ich habe dich vermisst“. Immer wieder priorisieren wir das Äußere, das müssen wir ändern.

OASIS

Pool Partys, der Urquell von Palm Springs, Foto: © Slim Aarons
Wo der Wilde Westen zahm wurde, Foto: © Yasara Gunawardena

Es ist keine Mirage, die sich mitten aus der kalifornischen Colorado-Wüste erhebt. Und doch scheint Palm Springs wie die perfekte Fata Americana. Eine in Pastell getränkte Utopie, in der unser nächster Termin stets nur „Poolside Martinis mit Frank Sinatra“ lautet. Der Bildband „Palm Springs“ ist eine fotografische Zeitreise durch die Ästhetik einer Stadt, in der die Zeit still zu stehen scheint. Und wo Eingeweihte zu jeder Hausecke und Straßenmeile eine filmreife Anekdote raunen könnten. Wer durch die knallbunten Seiten blättert, glaubt, das Klimpern von Cocktailgläsern zu hören und den Kuss der Wüstensonne auf seinem Nacken zu spüren.

Frank Sinatra und Palm Springs gehören zusammen wie Santa Claus und der Nordpol, Foto: © Ron Galella

Die Stadt ist eine Schatztruhe zeitloser Architektur, Foto: © Beau Monde Villas

jeder Tür ein

Noch heute wirkt Palm Springs auf allen Ebenen anziehend, Foto: © Christina House
Hinter
kleines Königreich, Foto: © Elizabeth Viggiano
Ein Pool ohne Party?
Seltener Anblick in Palm Springs, Foto: © Jake Holt
Wo der Tank des American Dreams noch voll ist, Foto: © Palm Springs Historical Society
Die Cowboys tragen hier Polohelme, Foto: © Kerri Kerley

PALM SPRINGS

Seit Jahrzehnten zieht es die Stars der Traumfabrik aus Los Angeles nach Palm Springs, wenn sie selber auch mal träumen und echte Sterne am Himmel sehen wollen. Mit über 200 Fotos und einem Vorwort von Journalistin Sheila Hamilton schreibt „Palm Springs“ der gleichnamigen Stadt einen Liebesbrief und weckt die Sehnsucht nach einem Amerika, dessen Hauptexport Style statt Stuss ist. Sheila Hamilton, „Palm Springs“, Assouline, ca. 105.—, assouline.com

Sean Connery ist selbst auf der Poolliege stylischer als Normalsterbliche an einer Soirée, Foto: © Anwar Hussein

In

Übernachtung inbegriffen:

HISTORIC SUITE DREAMS

Gehören zu Zürich wie der See und die Limmat: Die Türme vom Dolder Grand.
Zeitlose Eleganz in einem der historischen Doppelzimmern.
Die Kunst des Entspannens wird in der Canvas Bar & Lounge zelebriert.
„EIN SCHAUSPIEL, DAS ZU JEDER JAHRESZEIT UNVERGESSLICHE GESCHICHTEN SCHREIBT.“

125 Jahre Geschichte und die Zukunft vor Augen. Im Jubiläumsjahr feiert das Dolder Grand in Zürich seine bewegte Vergangenheit und lanciert Innovationen, die das internationale Prestige des Luxushotels auch für die kommenden Jahre untermauert.

Text: Michael Rechsteiner, Fotos: Dolder Grand

Jedes Hotel ist eine Bühne. Doch nur auf wenigen wird Weltgeschichte aufgeführt. Wer durch das Eingangsportal des Dolder Grands tritt, folgt den Schritten ehemaliger Gäste wie Nelson Mandela, König Charles III., Henry Kissinger, Sophia Loren, Leonardo DiCaprio, den Rolling Stones – ach, stopp, bevor wir uns vollends in das prominenteste Gästebuch der Schweiz verwandeln.

Wer im Dolder Grand absteigt, steht über den Dingen. Oder zumindest über der Skyline von Zürich. Seine Lage am Adlisberg macht das Luxushotel sowohl zum Rückzugsort aus der Limmatstadt, als auch zum City Resort mit eigenem Mikrokosmos. 1899 eröffnete das märchenhafte Schloss seine Tore als Kurresort. 2008 wurde die Residenz renoviert und durch zwei elegante Neubauten von Architekt Lord Norman Foster flankiert.

Ein Blick von außen offenbart seither jenes Kunststück, das den Erfolg des Dolder Grands verinnerlicht. Im Zentrum symbolisiert der Prachtbau aus der Belle Époque die Romantik Schweizer Luxushotel-Tradition. Jeder Wunsch, auch noch so leise geflüstert, wird dabei von den GastgeberInnen prompt erfüllt und gerne übertroffen. Eine hoteleigene Kunstsammlung untermalt die zeitlose Noblesse mit über 100 Meisterwerken, unter anderem von Salvador Dalí, Joan Miró und Jean Tinguely.

Dass diese Institution der internationalen Hotellerie aber nicht bloß in der eigenen Geschichtsträchtigkeit mariniert, zeigt Lord Fosters Addition. Er beflügelt das Dolder Grand in die Moderne. Bereits zu seiner Eröffnung vor 125 Jahren versetzte das Anwesen sein Publikum ins Staunen mit bahnbrechenden Annehmlichkeiten wie Telefon und Telegraf. Heute optimiert das Dolder Grand mit Technologien der Robotik und KI seine Prozesse – stets in Absicht, dass die Maschinen so ihren Dienst tun, damit Angestellten mehr Zeit für zwischenmenschlichen Service bleibt. Nach über hundert Jahren präsentiert sich die Bühne des Dolder Grands somit weiterhin vor einmaliger historischer Kulisse. Doch spielt sie dabei auch immer Zukunftsmusik. Ein Schauspiel, das zu jeder Jahreszeit unvergessliche Geschichten schreibt.

THE DOLDER GRAND

Was schenkt man jemandem zum 125-jährigen Geburtstag? Seine ganze Aufmerksamkeit. Denn wer ein so hohes Alter erreicht, muss fast alles richtig machen. Das Dolder Grand lockt mit 175 Zimmern und Suiten, vier Restaurants und einem Spa-Bereich von 4'000 m2 illustre BesucherInnen aus aller Welt an. Zürichs Vorzeige-Adresse steht für Luxus, den sie gerne auch mit einem Augenzwinkern serviert. Freudentränen gibt es dagegen beim Besuch des kulinarischen Aushängeschildes The Restaurant. Unter der Ägide von Chefkoch Heiko Nieder vereinigt die Institution 19 Gault-Millau-Punkte sowie 2 Michelin-Sterne. Mit ein Grund, warum das Dolder Grand von Gault Millau 2024 zum zweiten Mal als Hotel des Jahres ausgezeichnet wurde. Kein Geschenk, sondern ein verdienter Lohn zum 125-jährigen Geburtstag.

thedoldergrand.com

The Restaurant: Wer hier isst, schwärmt auch ein Jahr später noch.

AmerikanerInnen auf den Spuren der „Pilgerväter“, die ca. 1620 auf Cape Cod ankamen. © picture alliance / akg-images

EN ROUTE

SCHRITT FÜR SCHRITT

Warum brechen wir eigentlich nicht öfters zu Fuß auf? Naja, mit dem Flugzeug ist man schon schneller auf einem anderen Kontinent. Vor Ort aber lohnt es sich, jegliche Fortbewegungsmittel links liegen zu lassen und ganz entschleunigt nur mit dem eigenen Körper die Kilometer zurückzulegen.

Text: Ilija Trojanow

EEigentlich gibt es nur eine Art zu reisen: zu Fuß. Alles andere ist zu schnell und zu laut, überinstrumentiert und entfremdet. „Schildkröten können dir mehr über den Weg erzählen als Hasen“, lautet ein chinesisches Sprichwort. Nietzsche behauptet, es sei keinem Gedanken zu trauen, den man sich nicht erlaufen habe. Und Bruce Chatwin bringt es auf den provokanten Punkt: „Wandern ist Tugend, Tourismus eine Todsünde.“ Ich reise viel zu selten zu Fuß. Aber wenn ich es tue, spüre ich sofort, dass es keine bessere Art der Fortbewegung gibt...

Seit Tagen in Manama, der Hauptstadt Bahrains, unterwegs. In einer motorisierten Umwelt, die mich zu verachten scheint, artet mein Herumschauen in die verzweifelte Suche nach etwas Altehrwürdigem aus, etwas, das von der Zeit angenagt oder gar zerfressen ist, nach einem Gebäude, einem Platz, der seine Existenz lieber mit der Vergangenheit teilt, als sich selbstsüchtig neu zu erfinden. Ich suche nach irgendeinem Überbleibsel und finde mich, Ecke um Ecke, in einer gesichtslosen Moderne wieder. Die Gebäude sind Kastenbauten aus Beton, nach dem Containerprinzip konstruiert, durchweht vom fahlen Hauch der Klimaanlagen, denn die Einheimischen ertragen ihre eigene natürliche Luft nicht mehr. Das Alte ist fast vollständig zerstört, abgesehen von einigen musealen Häusern. Selbst die Reichen haben ihre schönen traditionellen Paläste abgerissen, um sie durch geschmacklose moderne Konstruktionen zu ersetzen. Was soll man fühlen in einer Stadt, deren schönster, spannendster Ort das Museum ist (wie auch in Doha, wie auch in Dubai)?

WARUM LÄUFST DU?

Als ich in Los Angeles dem ambitionierten Plan folge, den weltberühmten Wilshire Boulevard an einem Tag von Süden nach Norden, von der Küste bis in die Inner City zu wandern, um entlang dieser schier endlosen Straße die Vielfalt der ausufernden Metropole kennenzulernen, hält zweimal ein Polizeiwagen neben mir.

Nicht um mir, der ich so ganz offensichtlich Tourist bin, freund-und-helfer-mäßig beizuspringen, sondern um mich misstrauisch nach meinen Absichten zu befragen.

Obwohl ich zehn Jahre in Ostafrika gelebt habe, erweist sich eine zweimonatige Fußwanderung durch Tansania als Offenbarung, denn ich reise in einer neuen Rolle

durchs Land, als hilfsbedürftiger Streuner. Ich falle in die Kategorie des müden Wanderers, dem Menschen überall auf der Welt mit den traditionellen Mitteln der Gastfreundschaft begegnen: jemand, der mit Neugier begrüßt, empfangen, bewirtet und dann verabschiedet wird. Ich bin den Einheimischen gewissermaßen gleichgestellt. Weil ich zu Fuß gehe, ändert sich das Verhalten der Menschen mir gegenüber und damit auch mein Blick auf sie. Während der ersten zwei Wochen auf dem Fußmarsch von Bagamoyo nach Ujiji in Tansania war ich mit mir selbst beschäftigt. Mein Kopf ließ die Ereignisse der letzten Monate Revue passieren, Unverdautes wurde von allen Seiten beleuchtet, erst allmählich setzte Gleichmut ein. Als alles Liegengebliebene abgetragen war, spürte ich eine seltene gedankliche Klarheit, war gänzlich im jeweiligen Augenblick, beobachtete konzentriert und staunte über die Gedanken, die in meinem Kopf sprudelten. Das tägliche ausgiebige Gehen weckte in mir eine Wachheit, die mich wie eine Bogensehne spannte.

SCHRITTE LASSEN GEDANKEN FLIESSEN „Nie habe ich so viel nachgedacht“, schreibt JeanJacques Rousseau in seinen „Bekenntnissen“, „nie war ich mir meines Daseins, meines Lebens so bewusst, nie war ich sozusagen mehr ich selbst als auf den Reisen, die ich allein und zu Fuß gemacht habe. Im Wandern liegt etwas, was meine Gedanken anfeuert und belebt, und wenn ich mich nicht von der Stelle rühre, kann ich kaum denken: Mein Körper muss in Bewegung sein, wenn es mein Geist sein soll.“

Dieser monatelange Fußmarsch geschah vor bald zwanzig Jahren. Inzwischen spüre ich die technologische Beschleunigung auch in mir wirken. Es fällt mir schwerer, langsamer zu treten. Das Smartphone ist der Feind der Versenkung. Flüchtig flattert auch meine Aufmerksamkeit von einer Nebensächlichkeit zur anderen, rastlos nach der nächsten Ablenkung gierend, dem weiteren Höhepunkt. Geradezu als verschroben gilt heutzutage, wer sich in seinem Urlaub nur mit einem Fleck beschäftigt. Ich komme mir vor wie der Reisende in Bertolt Brechts Gedicht „Der Radwechsel“: „Ich sitze am Straßenrand. / Der Fahrer wechselt das Rad. / Ich bin nicht gern, wo ich herkomme. / Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre. / Warum sehe ich den

„Eigentlich gibt es nur eine Art zu reisen: zu Fuß.“

Radwechsel mit Ungeduld?“

Aber ich zwinge mich zu dieser Ungeduld, zu dieser Langeweile, weil ich weiß, dass sich nach einigen Tagen eine Ruhe in mir ausbreiten wird, ich schon übermorgen das zurückgelassene Smartphone nicht vermissen werde. Weil ich der Erfahrung trauen kann, dass ich im Gegenzug Wichtiges gewinnen werde: Wachheit und Einsicht.

AUGEN AUF

Wer mit dem Auto, dem Bus, dem Zug oder dem Motorrad durch die Landschaft prescht, erfährt diese nur mit den Augen. „Vom Auto aus kannst du nichts sehen“, schreibt der große Dichter der Wildnis Edward Abbey in „Die Einsamkeit der Wüste“, „du musst diese verdammte Vorrichtung verlassen und zu Fuß losgehen, besser noch, loskriechen, auf Händen und Knien, über den Sandstein, durch Dornengebüsch und Kakteen. Erst wenn Blut deine Spur markiert, wirst du eventuell etwas sehen.“

Wem dies etwas zu engagiert erscheint, kann sich an den legendären deutschen Wanderer Johann Gottfried Seume halten: „So wie man im Wagen sitzt, hat man sich sogleich einige Grade von der ursprünglichen Humanität entfernt... Fahren zeigt Ohnmacht, Gehen Kraft.“

Wer die Welt zu Fuß durchstreift, sieht mit dem ganzen Körper. Durch die Windschutzscheibe betrachtet, schaut die Fremde aus, als wäre sie schlecht in die eigene Sprache übersetzt. Zu Fuß erscheint sie uns auf eine intime Weise verständlich, zugänglich.

Die ursprüngliche Fortbewegungsweise des Menschen – zu Fuß – ist zugleich die intensivste Art des Reisens. Der Fußgänger ist auf die eigene Muskelkraft, auf die Geschicklichkeit seines Körpers angewiesen, der Wanderstock sein einziges Hilfsmittel. Wer den eisigen Wind spürt, weiß mehr vom Horizont. Zu Fuß sieht es sich besser und genauer, die Flüchtigkeit des Durch-die-Landschaft-Sausens ist aufgehoben, der Schritt zurück ist einfach, wenn sich das Auge in einer Lichtnelke, einem Fuchsbau, einer Lüftlmalerei verfängt.

Unsere Aufmerksamkeit wird geschärft, Kostbarkeiten, die man in der Eile übersehen hätte, erhalten die verdiente Würdigung. Gehend graben wir uns intensiver in die Welt hinein. Verweilen, anstatt auf der Oberfläche dahinzugleiten. Der Augenblick ist das Ziel. Aus Mühsal entsteht

Freiheit. Auch im Kopf. Es gibt viele Gangarten. Das Schlendern bei Stadtspaziergängen etwa, unbelastet von Gepäck und Zeitdruck. Der Flaneur ist jederzeit bereit, in eine Galerie hineinzutreten, weil ihm ein Gemälde im Schaufenster ins Auge sticht, oder sich in einem besonders reizvollen Café niederzulassen. Köstlich, diese Fächertorte, danach lässt sich’s gleich nochmals so gut auf dem Asphalt „botanisieren“, wie Walter Benjamin das sinnlich träge Bummeln nannte. Der passionierte Stadtgeher Ian Sinclair, ein Sohn des Londoner Ostens, der einen tapferen, aber aussichtslosen Kampf gegen die Gentrifzierung seiner Stadt führt, spricht von einer Psychogeografie, die sich dem Geist des Gehenden einschreibt, eine Melange aus Örtlichkeit und Befindlichkeit. Eine innere Landkarte, mithilfe derer die Bewohner einer Stadt diese zu ihrer machen können. Der Fußgänger belebt den Raum, der Autofahrer besetzt ihn. Beim Wandern wird ein forscherer Schritt angeschlagen. Ein zielgerichtetes Gehen, halb Erholung, halb Sport, das nach zügigem Ausschreiten verlangt, mag der Rucksack im Laufe des Tages noch so schwer wiegen. Mittlerweile gibt es Unternehmen, die einem diese Last abnehmen – das Gepäck wird ins nächste Hotel, die nächste Pension voraustransportiert. Der Wanderer entscheidet sich für seine ganz individuelle Tour, bestimmt frei, wie lange er täglich unterwegs sein, wo er Rast einlegen möchte. Unbeschwert kann er die Landschaft durchschreiten, eine moderne Variante des Reisens aus guter alter Zeit, als sich die hohen Herrschaften lediglich mit einem Portemonnaie auf Tour begaben, denn Diener und Gepäckträger schleppten sich mit dem Ballast ab, den Reichtum anhäuft.

LEICHTFÜSSIG

Draußen gibt es keine Klimaanlage, kein Duftbäumchen baumelt Chemie verströmend am Rückspiegel, der Geruch der Umgebung dringt auf einen ein, im Schlechten („Iiiiiieh, Landluft!“) wie im Guten (holder Flieder, betörender Frangipaniduft, sonnendurchtränkter Waldboden, frisch gemähtes Gras, ja sogar der Asphalt nach einem Sommerregen). Soll Reisen nicht Urlaub vom Alltag sein? Also eine Entdeckung des Gehens jenseits der reinen Notwendigkeit, rasch vom

„Vor der eigenen Haustür wimmelt es nur so vor unentdeckten Zielen.“

Auto in den Supermarkt, zum Steuerberater, zum Arzt zu flitzen oder den Müll nach unten zu bringen. Nicht mehr lästiges Füllsel zwischen Büro, Esstisch und Fernseher, sondern reine Lust an der Fortbewegung. Freude, Ekstase, Euphorie.

Seume bemerkte bereits 1806 prophetisch, als Sitzen noch nicht das neue Rauchen war, „dass alles besser gehen würde, wenn man mehr ginge“. Eine Einsicht, der wir viel zu selten folgen. Dabei führen wir das nötige Vehikel allzeit mit uns, müssen also nur hinein in die Wander-/Hiking-/Trekkingschuhe, und es kann losgehen, im trittfesten Sinne des Wortes. Zumal die Wanderschuhindustrie eine unübersichtliche Anzahl von Problemlösungen für jeden krummen Fuß und schiefen Auftritt offeriert: verschiedene Schafthöhen, Sohlenprofile (Dämpfung!), Fersenstabilisierung, Goretex, Nubukleder, das Passende für leichte, schwere oder mittelschwere Touren, für Genuss- oder Bergwandern. Das Angebot kann einen überwältigen, will man doch nur eines: keine Blasen und möglichst wenig Gewichtsklotz am Bein – die oberste Regel des Wanderns ist Leichtfüßigkeit. Gehen bedarf weder langer Vorbereitung noch eines ausgedehnten Urlaubs, die Fußreise kann für ein Wochenende angetreten werden. Vor der eigenen Haustür wimmelt es nur so vor unentdeckten Zielen. In Stadtnähe lassen sich längere Strecken stückeln, am nächsten Tag fährt man einfach mit Bahn oder Tram zum „Gipfel“ des Vortags und marschiert von dort aus weiter. So ging ich vor, als ich eines Frühlings der Themse von Osten nach Westen durch ganz London folgte. Tageweise arbeitete ich mich vor, über Teer, Treidelpfade, Holzplanken. Man könnte sich aber auch ein Beispiel an der großartigen Idee des britischen Journalisten Mark Mason nehmen, der alle Linien der London Underground oberirdisch abwanderte und seine Stadt von unerwarteten Seiten kennenlernte. Oder man läuft einfach los, ohne Ziel, ohne zu wissen, wie weit einen die Füße tragen.

FUSSMÄRSCHE DER ERINNERUNG

In der Kindheit sattelt man nur widerwillig Schusters Rappen. Am ehesten mit dem Versprechen, am Ziel winke ein Eis, ein Schnitzel mit Pommes frites oder irgendein anderes Leibgericht, das zu Hause nie auf den

GEBRAUCHSANWEISUNG FÜRS REISEN

Reisen hat viele Gesichter – und die bekanntesten davon dreht Ilija Trojanow in seinem Buch „Gebrauchsanweisung fürs Reisen“ zum Licht. So schreibt er über Gepäck genauso fröhlich wie über die Unnötigkeit von Souvenirs, über das Reisen als Eremit und in der Gruppe, über Proviant und Durststrecken und über Zimmer mit und ohne Aussicht. Sein Werk ist etwas für alle, deren Puls in die Höhe prescht, sobald Flug, Zug oder auch nur das Hotel um die Ecke gebucht sind und es daran geht, Rucksack oder Koffer fürs große Abenteuer bereit zu machen.

Ilija Trojanow, „Gebrauchsanweisung fürs Reisen. Auch Reisen will gelernt sein.“, Piper, ca. 15.–, piper.de

Tisch kommt, kann der Nachwuchs beim Wanderstock gehalten werden. Trotzdem geht es bei den unseligen Sonntagsspaziergängen oder Urlaubsbergwanderungen nicht ohne Meckern und Nörgeln ab. „Sind wir endlich da?“, lautet der Refrain im Tonfall des tiefsten Unverständnisses, was denn die Erwachsenen an diesem endlosen Getrabe durch die Landschaft so wunderbar finden. Später, freigeschwommen vom Zwang, begibt man sich freiwillig per pedes zu den Ursprüngen. Wird zum Jäger und Sammler der Augenblicke, spürt eine vage Verbundenheit zu den Vorfahren, wenn man an Feldern vorbeigeht, die bereits gemäht sind (allerdings finden sich kaum mehr Diemen oder Heumanderl, heute ist alles säuberlich in Plastik gerollt).

Manchmal blättere ich den eigenen Erinnerungsatlas auf, der mit Fußmärschen in der Kindheit beginnt … ein Waldpfad, nächtliche Stille, ein Fluss vor uns, mein Vater nimmt mich huckepack, watet auf die andere Seite. Die Anspannung der Eltern, der kindliche Übermut – die Flucht über den Eisernen Vorhang war meine erste Wanderung. Ich blättere weiter ... der Pfad entlang einer Caldera, Staub und Durst, die Ausblicke über den Großen Ostafrikanischen Graben, drei Schlangen, die sich vor unseren schweren Schritten verkriechen, der Stolz, die Umrundung des Vulkans geschafft zu haben. Das war am Mount Longonot, ich war zehn, zuerst genervt, später begeistert. Ich blättere weiter ... Auf Klassenfahrt ist unser Bus im Schlamm von Mount Elton stecken geblieben. Zwei Jungs und der Klassenlehrer machen sich auf den Weg, nach Hilfe zu suchen, ein jeder in eine andere Richtung. Als ich den Eingang des Nationalparks erreiche, ist das Wächterhäuschen verschlossen, der Posten verwaist. Auf dem Rückweg laufe ich durch die Nacht, und jedes Geräusch konfrontiert mich mit meiner eigenen Angst. Affen klingen in der Dunkelheit wie Ungeheuer, jedes Rascheln bedeutet unsichtbares Unheil. Mir ist, als könnte ich noch immer jeden Schritt vergegenwärtigen… Und wenn ich heute von kommenden Reisen träume, dann am häufigsten von einem Aufbruch ohne Vorbereitung, von einem Rucksack mit dem Allernötigsten, von leichtfüßigen Schritten aus der Stadt hinaus, den Fluss entlang, Richtung Osten, von einer Heimat zur nächsten.

SOLID

Auf diesem alten Weingut versteckt sich ein architektonisches Meisterwerk.

MONUMENTAL

Auf der griechischen Insel Samos gibt es viel zu entdecken. Besonders aufmerksame BesucherInnen sollten bei einem Spaziergang auf das Liknon stoßen, ein Gebäude, das sich auf einem über hundert Jahre alten Weinberg versteckt. Der steinige Bau schmiegt sich in die Landschaft und lädt zum Verweilen und Weinverkosten ein, Meerblick inklusive.

Text: Josefine Zürcher Fotos: Claus Brechenmacher & Reiner Baumann

Linke Seite: Taucht man irgendwo aus dem steinigen Labyrinth auf, wird man mit Sicht aufs Meer belohnt.

Rechte Seite: Für das ultimative Level an Gemütlichkeit ist mit einem Feuer gesorgt.

Hier lässt sich ein Hitzetag gut verbringen.

„KÜHLER STEIN SCHÜTZT VOR DER INSELHITZE.“

Linke Seite: Was auf den ersten Blick aussieht wie eine Ruine aus vergangenen Zeiten, ist in Wahrheit ein durchdachtes Bauwerk.

Rechte Seite: Sorgfältig ausgewählte Materialien gliedern das Haus perfekt in seine Umgebung ein.

LIKNON

Wenn sich die Landschaft auf mehreren Ebenen erstreckt, schreit das nur so nach einem Terrassenbau. Das Liknon fügt sich so sehr in den uralten Weinberg ein, dass man es auf den ersten Blick kaum sieht. Fast wie ein Labyrinth schlängeln sich die Steinmauern durch die Umgebung und spenden dabei den nötigen Schatten. Von den höheren Plattformen aus wird man mit einer fabelhaften Aussicht belohnt. Das verschachtelte Gebäude hat so viele offene Seiten, dass man nie wirklich weiß, ob man drinnen oder draußen ist.

Liknon, Samos, Griechenland, 380 Quadratmeter

Konzept: K-Studio, Projekt: Dimitris Karampatakis, Christos Spetseris, Stavros Kotsikas, Marina Leventaki, Achilleas Pliakos, Argyris Mavronikolas, Arianna Mechili, Dimitris Eleftheriadis, Myrsini Ziogou, Christina Charistou, Konstantinos Stergiopoulos, Natassa Kallou, Thalia Sachinidi, Antonis Tzortzis, k-studio.gr

FACES’ FAVOURITES

SCHNAPPSCHÜSSE

Ab in die Tasche mit dem Handy – und Hände frei für deine neue Lieblingskamera. Die neueste Kreation aus dem Hause Nikon, die Z6III, eignet sich bestens als treue Wegbegleiterin, die alle Erinnerungen festhält. Kompakt genug für unterwegs ist sie die perfekte Kamera für diejenigen, die auch im Alltag überall etwas Schönes sehen. Auch wer professioneller unterwegs ist, kann sich freuen, denn die Z6III hat einige Tricks für Technikaf-

fine auf Lager. Dank intelligenter Motivwahrnehmung, die Menschen, Tiere und Objekte erkennt, weiß die Kamera immer vor dir, wer oder was gerade vor der Linse steht. So gelingen dir Porträts von deinen Lieblingsmenschen und -tieren im Handumdrehen. Dank des großen ISO-Bereichs des Sensors kann bis in die Nacht hinein fotografiert werden. Reicht einem das Standbild nicht, braucht man sich nicht extra eine Videokamera zuzulegen. Auch das

Filmen kriegt die Z6III mit links hin. Wer behauptet, dass Smartphones heutzutage reichen, um gute Fotos zu machen, wird diese Aussage nach ein paar Stunden mit dieser Kamera schleunigst zurücknehmen. Das Smartphone kommt aber doch noch ins Spiel: Mit der App SnapBridge landen deine Fotos in Sekundenschnelle auf deinem Handy und sind bereit, auf Social Media mit der Welt geteilt zu werden.

Nikon Z6III, ca. 3'600.–, nikon.ch

FAMILY ADVENTURES

Wer den Alltag mit Kinderwagen bestreitet, kennt die täglichen Hürden: Im engen Café schafft man es kaum, den Wagen in der einzigen freien Ecke zu parkieren und auf der Straße kurz auszuweichen wird zum komplizierten Manöver. Das ändert sich mit dem hochmodernen Kinderwagen SWIV von Nuna. Dieser lässt sich dank vier 360° drehbaren

„Swivel-Rädern“ mühelos in alle Richtungen bewegen – sogar seitwärts. Egal, ob in belebten Fußgängerzonen oder bei spontanen Wendungen: Der Kinderwagen rollt wendig überall dahin, wo es die Familie gerade hinzieht, ganz ohne Stress und Steckenbleiben. So wird der Alltag mit Kindern zu dem spannenden Abenteuer, das er auch sein soll. In Kombination mit der

faltbaren LYTL Babywanne, die sich per Adapter mit dem Kinderwagen verbinden lässt, ist selbst das Reisen mit Baby kein Problem. Braucht man den Wagen doch einmal nicht, lässt er sich blitzschnell mit einer Hand zusammenfalten. Die Marke mit Wurzeln in Amsterdam setzt aber nicht nur auf die neueste Technik, Komfort und Flexibilität, sondern schreibt auch raffiniertes

Design, hochwertige Materialien und Ästhetik ganz groß. Den SWIV gibt es darum im trendigen Beigeton „Biscotti“, dem zeitlosen Schwarzton „Caviar“ und dem eleganten Grauton „Granite“. Nuna SWIV, Kinderwagen, ca. 899.–, Nuna LYTL, Babywanne, ca. 249.–, nunababy.com

2.11. GUCCI PRESENTS THE 13TH ANNUAL LACMA ART+FILM GALA, LOS ANGELES

GUCCI, GALA, GRANDEUR

Text: Josefine Zürcher

Fotos: Zach Hilty, Jojo Korsh, Billy Farrell

Los Angeles, Gucci, Film, Kunst – wir zählen hier nicht willkürlich auf, wie man Coolness definieren kann, sondern beschreiben einen Event, bei dem wohl alle, die nicht dabei waren, ordentlich FOMO verspürten. Eine wilde Mischung großer Namen aus Kunst, Film und Mode versammelte sich im Los Angeles County Museum of Art, zu Ehren von Künstlerin Simone Leigh und Filmemacher Baz Luhrmann. Das Museum verwandelte sich in einen Laufsteg, als Sabato de Sarno, Creative Director von Gucci, seine Evening Wear Collection Gucci Notte präsentierte – seine zweite Abendkleidkollektion für das Haus. Klar, war auch ein Großteil der Stars von Kopf bis Fuß in Gucci gehüllt. Zu guter Letzt wandelte sich das Museum vom Laufsteg in eine Konzerthalle und Charli xcx lieferte eine Bühnenshow der Extraklasse – mit Special Guest Troye Sivan.

Highlight: Der Starauflauf! Fazit: Wir brainstormen Ideen, wie wir das nächste Mal auch auf der Gästeliste landen.

20.11. FACES DINNER MÜNCHEN, WIRTSHAUS HERRSCHAFTSZEITEN

ALL THE MERRY FACES

Text: Josefine Zürcher Fotos: Murat Kaydirma

Der Kalender lügt nicht: Auch wenn wir uns gedanklich noch kaum vom Sommer losgerissen haben, neigt sich das Jahr unweigerlich dem Ende zu. Das macht uns zwar ein bisschen nostalgisch, lässt gleichzeitig aber auch die Partylaune ansteigen, denn: Unser jährliches Christmas Dinner in München gehört genauso zur Winterzeit wie Glühwein und Weihnachtsmärkte. Mit 40 unserer treuen WegbegleiterInnen schwelgten wir in Erinnerungen und ließen ein ereignisreiches Jahr Revue passieren. Grund zum Anstoßen gab es alleweil, haben wir doch einmal mehr in den letzten Monaten tolle Projekte gemeinsam realisiert. Passend zur Location gab es ordentlich bayrische Kost: Im Wirtshaus Herrschaftszeiten wurden wir mit Schweinebraten, bayrischen Knödel und Kaiserschmarrn verwöhnt, während Veuve Clicquot den Durst löschte.

Highlight: All die tollen Menschen, die FACES mitgestalten. Fazit: Wir sind ready für 2025!

1 Sibylle Mittrach, Ralph Lauren, Maren Koelpin, H&M, Ann-Luisa Zwick, VIU

2 Fee von der Locht, Sisley

3 Bastian Lerdon, Louis Vuitton

4 Alicia Scholt, Dr. Emi Arpa Skin & Jessica Ritter Kempski von Rakoszyn, PUIG

5 Alina Schenk, Triumph

6 Pauline Mense & Stefanie Hager, Longchamp

7 Durstlöscher von Veuve Clicquot.

8 Alexandra von Frankenberg, Designerin

9 Maja-Lena Mumm & Sophia Comes, Cartier

10 Lars Schüller, Vacheron Constantin, Elisabeth Gridl, Jaeger-LeCoultre, Julia Gelau,

Managing Director FACES Germany & Austria, Valentina Bernardini, Dior

11 Alexandra Degel, ALEX DEGEL STUDIO & Anna Maria Spyropoulos, Audemars Piguet

12 Markus Büger, Baybliss & Braun Germany

13 Julia Gelau, Managing Director FACES Germany & Austria & Stefan Berger, Herausgeber FACES

14 Marc-Vincent Voigtländer, Bulgari & Selina Stratmann, Ralph Lauren

15 Mira Uhler, FACES Germany & Austria & Mara Simon, Louis Vuitton

151'200

Wer Prinzessin Cinderella auf Instagram folgt, der weiss, dass sich für den glamourösesten Auftritt des Abends der Kürbis perfekt eignet. Doch wo findet sich heutzutage in der Innenstadt noch ein Parkplatz für eine Pferdekutsche? Deshalb luxuriert man am besten zumindest flächenmäßig eine Nummer kleiner mit dem Pumpkin Bag von Louis Vuitton. Dieser erzielte kürzlich bei einer Auktion von Christie’s die Rekordsumme von 151' 200 Dollar – der höchste Preis, für den bislang eine Louis-Vuitton-Handtasche ersteigert wurde.

Das Modell ist eine limitierte Auflage, die 2023 in Zusammenarbeit mit der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama entstanden ist. Bei der Auktion steckte übrigens Hermès die anderen Marken in die Tasche. 29 der 30 am teuersten versteigerten Exemplare stammten vom französischen Edel-Maison. Einzig der Kürbis ließ sich nicht komplett von Hermès überflügeln und übertraf seinen Schätzwert um das Zehnfache.

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