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Karl-Heinz Grasser

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Sigrid Maurer

Sigrid Maurer

KORONA BUNT

DAS SONNTAGSMAGAZIN FÜR DEN DRITTEN LOCKDOWN

Korona Zeitung

URABHÄNGIG Sonntag, 27. Dezember 2020

korona.at | Wien 1190 | Armuthgasse 2 | 6969-69

TRADITION HÄNDE FALTEN, GOSCHN HALTEN

Die Vier U’s –ganz persönlich

MENSCHEN

HAGIA GRAF

Unfähig, Unanständig, Untragbar und Unverständlich: Seit sich Rudi, Basti, Karl und Werner zur MÄNNER-WG zusammengeschlossen haben, herrschen Chaos, Streit und Leid. Wie geht es den Vieren? Die Korona-Bunt-Homestory

Die nächsten vier Wochen werden entscheidend sein", sagt Rudi streng und zeigt auf einen querformatigen A3-Zettel, den er für alle gut sichtbar hochhält.

Vier bunte Kurven sind darauf zu sehen. Drei davon verlaufen nach einer kleinen Zacke im Frühjahr bis zum Winter als gerade Linie am Boden, nur eine geht seit März immer steiler in die Höhe – ein exponentielles Wachstum.

Es ist der WG-Putzplan, und neben der steil ansteigenden Kurve hat

Rudi den Namen „Rudi“ geschrieben und neben die anderen drei traurige

Smiley und die drei Namen seiner Mitbewohner. Auf einen Blick wird klar: Nur Rudi DIE FATALISTISCHEN hält sich an die strengen VIER HABEN Regeln, die DIE KONTROLLE Rudi aufVERLOREN gestellt hat. „Es geht jetzt um alles“, mahnt Rudi, „in Wirklichkeit wird jeder einzelne die richtigen und konsequenten Entscheidungen mittreffen müssen.“ Aber die Mitbewohner auf der Couch scheinen Rudi nicht sehr ernst zu nehmen, das liegt vielleicht auch daran, dass er in Golden-Retriever-Plüschpatschen und im schillernden grünen Seidenpyjama ein bisschen aussieht wie ein Kasperl.

Es herrscht wieder einmal peinliche Stille im zweiten Stock am Ballhausplatz 2. Im März hat der ehemalige Oberlehrer hier eine Männer-

WG gegründet, hat sich kaserniert mit dem Ex-Soldaten Karl, dem Studienabbrecher Basti und dem Werner, aber was der Werner macht, das weiß eigentlich niemand so genau.

Werner sagt immer, irgendwas mit

Kultur und Sport, aber wahrscheinlich schaut der Werner einfach nur gern Fußball und Musikantenstadl im Fernsehen. „Wir haben einen gewissen Vorsprung verspielt“, versucht sich Werner nun wild fuchtelnd herauszureden und wie immer kommt er dann mit der Depri-Schiene. Am Anfang sei ja alles gut gegangen, er habe immer brav geputzt, aber dann kam die Trennung von der Ulli. Moria und Josef, wie hat er da gelitten. Richtig AUA hatte es im Herzen gemacht. Und weil all das noch nicht genug ist, redet Werner noch eine halbe Stunde irgendein Zeug, das niemand versteht, so lange, bis Rudis Arme vom SchildHochhalten so wehtun, dass er sie heruntergeben muss und sich verstört zu den anderen auf die Couch setzt.

Am Ende hört er den Werner noch entschuldigend sagen: „Der Frühling war in gewisser Weise leichter, die Tage werden jetzt kürzer, und es wird früher finste, das ist jetzt nicht so spektakulär, aber es drückt auch auf das Gemüt.“

RUDI SAGT: „ES GEHT SCHRITTWEISE NACH UNTEN”

Dabei ist das Chaos unübersehbar, schon im Sommer wäre engagiertes Handeln angesagt gewesen. Stattdessen stapeln sich Berge an vollinserierten Standard- und Krone-Zeitun-

Beim exklusiven "Korona"Besuch zeigen sich der Redakteurin Bilder des Grauens: Eine angelullte Badewanne, verdreckte Fliesen und ein Klovorleger, auf dem sich gerade ein gefährlicher Erreger bildet

gen in der Wohnung, im Eck lehnen verstaubte Fridays-for-FutureProtestschilder an einem rostigen, öligen 250ccm-KTM-Motorrad, am Boden umkreisen Fruchtfliegendas dreckige Plastikgeschirr von Mjam und Lieferando. Es sind die Reste beider Welten.

Es wirkt, als hätten die fatalistischen Vier gerade die Kontrolle über ihr Leben verloren. Nicht nur die Milch und das Joghurt im Kühlschrank sind abgelaufen, sondern auch die Wiener Gastrogutscheine an der Kühlschranktür.

Basti blickt vom Laptop auf, den sein Freund Gernot hier „vergessen“ hat und hebt bedächtig seine Arme. „Ich bin mir vollkommen bewusst, gerade weil ich auch ein junger Mensch bin und viele junge Menschen in meinem Freundeskreis habe, dass sich viele junge Menschen im Moment denken, na ja so schlimm ist es doch nicht“, sagt Basti, und um zu betonen, wie jung und unschuldig er ist, spricht er wieder mit seiner Stimmbruchstimme, die so klingt wie eine Kreuzung aus Bastis Opa und Bastis Oma.

Und überhaupt: Ob er schon einmal in einer türkischen, tschetschenischen oder afghanischen WG gewesen sei, will der freche Jungspund vom Rudi wissen, denn dort sehe es aus wie bei den Hottentotten, er habe ja nichts gegen Ausländer, nur etwas gegen diese Migranten!

Im Übrigen liege man, was die Zahl der Putzstunden betreffe – „Gott sei Dank“ – im gesamten Wohnhaus „nach wie vor in der besseren Hälfte auf Platz elf.“

Rudi kann es überhaupt nicht leiden, wenn der Basti wieder in seine eigene Parallelwelt abdriftet und wird langsam wütend. Das ist schwer zu bemerken, weil der Rudi immer so ruhig redet, aber man erkennt es daran, dass er derart nervös mit seinen Füßen zu wippen beginnt, dass die Ohren seiner Golden-RetrieverHauspatschen zu schlackern beginnen. „Es geht schrittweise nach unten“, sagt Rudi wütend ruhig, „es ist

ein langsamer, zäher Prozess, den wir da haben.“

Da ertönt ein Wutschrei von rechts! „Das ist eine Zumutung, eine Belastung“, platzt es aus dem Karl heraus, er brüllt es mit weit geöffnetem Mund durch seine zusammengebissenen Zähne: „Es zipft jeden an, sich an die Maßnahmen zu halten!“ Als Ex-Soldat lässt er sich sicher nicht von einem ehemaligen Zivildiener im Pyjama schulmeistern wie dem Rudi.

Karl gerät immer mehr in Rage, seine hammerharte Faust knallt auf den Tisch, immer öfter, immer fester, bis sich sein Kopf verfärbt, erst rot, dann blau, dann grün, schon beginnt es pink zu schimmern. Karl ringt um Luft, beginnt zu schnaufen, schließlich greift er sich an die Brust, wo bei anderen Menschen das Herz ist und keucht in Richtung Rudi: „Lebensgefährder!“

Jaja, der Karl, der liebt das Drama. Eigentlich hätte er Ballettänzer werden wollen. Seit er ein Bub war, träumt er davon, einmal den Nussknacker zu spielen. Aber die Eltern hatten anderes mit ihm vor, eine Laufbahn als Offiziersollte er einschlagen. Da hieß es für den Jungen Zähne zusammenbeißen und durch. Er

Die frugalen Vier haben sich seit März in der WG am Ballhausplatz einkaserniert. Seit langem knirscht es im Gebälk. Die WG-Bewohner stellen sich immer öfter die Frage: Passen wir überhaupt noch zusammen?

wurde schließlich Sekretär statt General und wechselte später in den Innendienst. Ordnung ist dem Mann also nicht fremd.

Die anderen drei sind angesichts der theatralischen Einlage verstummt, sie haben sich von der Couch erhoben und stehen nun mit weit geöffneten Mündern da. Auch Karl wird auf einmal ganz leise. Er atmet tief ein und lässt seinen Blick langsam durch die WG gleiten. Geschredderte Festplatten, ein zerstörter grüner Ordner mit der Aufschrift „Prinzipien“, überall liegt Müll, es sieht aus wie nach einer Razzia. Der Saustall ist bei aller Wut nicht mehr zu leugnen. Langsam dreht Karl eine Pirouette, anmutig, dann noch eine und noch eine. Er sieht dabei sehr schwul aus, aber auch sehr schön.

KARL FLÜSTERT: „WOLLEN ZURÜCK ZUR NORMALITÄT”

Schließlich bleibt Karl mit gesenktem Blick stehen und flüstert „Wir wollen alle zurück zur Normalität.“ Er wiederholt es, wird immer lauter und bestimmter, bis auch die anderen in sein Mantra miteinstimmen. Karl sieht alles nun ganz klar. „Ziel ist nicht ein sinnloses Quälen“, ruft er, während die anderen sein Mantra immer schneller wiederholen, „sondern darauf zu achten, dass wir tatsächlich das gemeinsame Ziel erreichen, zu einer Normalität zurückzukehren, nach der wir uns alle so sehnen. Und da geht uns alle, die hier stehen, genau gleich.“ „Da gibt es nichts zu rütteln und zu deuteln“, ruft Werner. „Es ist unsere einzige Chance, unsere letzte Chance, um einen Kollaps zu verhindern“, brüllt Rudi. Basti jubelt: „Es gibt schön langsam Licht am Ende des Tunnels." Kurz beraten sie sich, dann springt Basti auf, rennt zum Laptop und surft euphorisch zur einzigen Internetseite, die nun das Problem der frugalen Vier lösen wird: www.kaufhausoesterreich.at.

Als nach viereinhalb Stunden die ersten blinkenden Gifs geladen sind, nickt Basti seinen WG-Kollegen siegesgewiss zu und tippt drei erlösende Worte ins Suchfeld: „Putzfrau vom Westbalkan“.

ÜBERALL LIEGT MÜLL, ES SIEHT AUS WIE NACH EINER RAZZIA

100 Böse! KORONA VIRUS KORONA VIRUS

Das Jahr 2020 war sehr, sehr böse. In Supermärkten rauften Superspreader ums letzte Blatt Klopapier, im Zoo Das Jahr 2020 war sehr, sehr böse. In Supermärkten rauften Superspreader ums letzte Blatt Klopapier, im Zoo fl etschten tollwütige Babyelefanten die Stoßzähne und wir alle bekamen kollektiv eine Fußfessel verpasst. fl etschten tollwütige Babyelefanten die Stoßzähne und wir alle bekamen kollektiv eine Fußfessel verpasst. Unter diesen Bedingungen war es leicht, böse zu werden. Aber niemandem gelang das besser als unseren Top 100. Unter diesen Bedingungen war es leicht, böse zu werden. Aber niemandem gelang das besser als unseren Top 100.

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Wolfgang Sobotka Wolfgang Sobotka

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Karl-Heinz Grasser Karl-Heinz Grasser

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Rudi Anschober Rudi Anschober

Die Sphinx aus Waidhofen gibt Rätsel auf. Wie kann jemand ein Novomatic-Orchester dirigieren, der sich so oft im Ton vergreift? Wie kann jemand aufgrund dubioser Geschäfte Zeuge im U-Ausschuss sein und diese als U-Ausschuss-Vorsitzender aufklären? Wie kann jemand als Finanzlandesrat Millionen verspekulieren, als Innenminister eine Bundespräsidentenwahl in den Sand setzen und mit dieser Drecks-Bilanz Nationalratspräsident werden? Schon gibt die Sphinx das nächste Rätsel auf: Wie kann man im Ibiza-Ausschuss abstreiten, je Jan Maršalek (Nr. 4) je getroffen zu haben? Und gleichzeitig taucht ein Foto auf, das ihn bei einem Moskauer Abendessen “zu Ehren des Herrn Innenministers Sobotka” mit einem Tischnachbarn zeigt: Jan Maršalek. BoB sagt: Herr Präsident, wir wundern uns, was alles möglich ist.

Die Sphinx aus Waidhofen gibt Rätsel auf. Der zuletzt hauptberu˜ ich Angeklagte hat Wie kann jemand ein Novomatic-Orchester den Job gewechselt und ist nun hauptberufdirigieren, der sich so oft im Ton vergreift? lich nicht rechtskräftig Verurteilter. Es ist das Wie kann jemand aufgrund dubioser Ge- Ende des größten Skandals der Zweiten Reschäfte Zeuge im U-Ausschuss sein und publik! Nein, BoB meint nicht das Verschadiese als U-Ausschuss-Vorsitzender aufklä- chern von Staatseigentum, mit dem KHG sich ren? Wie kann jemand als Finanzlandesrat und seine Freunderln reich machte. Nein, ein Millionen verspekulieren, als Innenminister Skandal, dass Jugend, Schönheit und Klugheit eine Bundespräsidentenwahl in den Sand vor Gericht nichts zählen. Was hat er nicht alles getan? Seine supersauberste Weste angezogen, so unschuldig dreingeschaut wie ein unbe˜ ecktes Opferlamm, die Richterin mit Komplimenten umgarnt. Er zeigte wirklich null Deÿ zit. Und was tun Staatsanwälte und Richterin? Behandeln ihn wie einen Verbrecher, obwohl er sogar brav Maske trug. Nur wegen der paar Beweise und den paar Millionen Euro. 8 Jahre Häfen? Zu dumm, dass er für die Society-Reporter nach dem Häfen wundern uns, was alles möglich ist. zu alt und zu hässlich sein würde. zu alt und zu hässlich sein würde. Der oberösterreichische Volksparteikommissar, pardon Volksschullehrer im grünen Pelz hat den guten Ton: gutgetönte Haare, guttönende Kommentare, immer bereit, mit schuldigem Ton einen fremden Fehler auf sich zu nehmen: Es war ja alles immer nur gut gemeint! Rudi meint alles gut, leider geht alles schief. Kann zwar nach einem Jahr noch immer keine keine verfassungskonformen Verordnungen schreiben, aber sein sanfter Büßerton geht dem Volk ans Herz. Seine konfus-einschmeichelnde Performance brachte Rudi Spitzenbeliebtheitswerte. Jetzt ist es aber klar: Die nächsten Wochen werden entscheiden, es wird wirklich ernst, jeder von uns macht Fehler. BoB macht keine. Ein solider Platz drei.

4Jan Maršalek

Ja leck mi‘ am Arš, Jan Maršalek! So eine Geschichte schreibt nicht mal eine genmanipulierte Kreumal eine genmanipulierte Kreuzung aus Steve Jobs und James zung aus Steve Jobs und James Bond! Auf den Philippinen MilBond! Auf den Philippinen Milliarden Euro an Fantasiegeld erliarden Euro an Fantasiegeld erschaffen, ein Vermögen in Dubai in schaffen, ein Vermögen in Dubai in Bitcoins im großen Stil nach RussBitcoins im großen Stil nach Russland transferieren, mit der FPÖ land transferieren, mit der FPÖ und Geheimdiensten packeln, mit falschem Pass in die weißrussissche Diktatur ˜ üchten und seither per internationalem Haftbefehl gesucht werden? BoB fragt: Wo bist du? Ich brauche Nachhilfe!

5Wolfgang Fellner

Was sagt das über einen Medienmogul aus, wenn er bei einem Terrorangriff das Morden zeigen lässt? Dass er über Leichen gehen lässt? Dass er Leichen schänden lässt, um Quote zu schinden? Nein. Er war ja gar nicht im Dienst, sonst wär das sicher niiiiiiiieee passiert! Der gemütliche „Moderator“ entschuldigt sich brav, es gibt ohnehin das lukrativere Geschäft der Hofberichterstattung. Türkis zahlt, er liefert. Und was? Jourzahlt, er liefert. Und was? Journalistische Qualität aus der Tiefe. nalistische Qualität aus der Tiefe. Das Leben ist ein Gegengeschäft. Das Leben ist ein Gegengeschäft. 6 6 Sebastian Kurz

Der Schutzpatron des Kleinwalsertals ist zum 180-Grad-Wendekanzler gereift: Tauschte FPÖ gegen Grüne aus und zwingt das Volk nun zum Mund-Nasenschutz, obwohl er erst vor drei Jahren die Gesichtsverhüllungen verbieten ließ. Nur eine Konstante bleibt neben seiner Helmifrisur: Schuld an allem sind immer die Ausländer. Sebastian, wechsle die Schallplatte!

7Sigi Maurer

angekommen, laust sie nun untertänig türkise Silberrücken und bekommt dabei ganz schön was zu knabbern. BoB äfft: Ein Stinkeÿ nger macht seinen Weg.

8Paulus Manker

Was ist der Unterschied zwischen drangsalierten Mastschweinen, die im Dreck leben und Mankers Theaterleuten? Die Schweine haben genug zu fressen.

9René Benko

Der Multimilliardär aus Tirol macht, was Multimilliardäre aus Tirol halt so machen: 7500 Mitarbeiter kündigen und sich zur Belohnung einen Gutshof um rund 30 Millionen Euro gönnen. Benko, das S im Namen steht für Soziales Gewissen.

10 Gernot Blümel

also bin ich... ...weiterhin Finanzminister trotz erbärmlichen Auftritt beim Ibiza-U-Ausschuss.“ Und: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Sechs Nullen im Budget? Die Fotos mit Dienstlaptop, den er laut eigenen Aussagen nicht besaß? Für die Augen unsichtbar.

11 Pamela Rendi-Wagner

Österreich versinkt im Regierungschaos, Menschen sterben wie die Fliegen. Was wäre nur geschehen, wäre die Opposition von einer ausgewiesenen Pandemie-Expertin angeführt worden, die zumindest ein Fünkchen politisches Talent gehabt hätte. Die SPÖ hat halt leider nur Rendi-Wagner.

12 Christian Pilnacek

Lädt Beschuldigte in der CasinoAffäre „aus Hö˜ ichkeit“ in sein Büro, knotet daraufhin heimlich die Schuhbänder der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwälte zu-

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