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Nachhaltig

ENERGIEEFFIZIENT

Nachhaltig ist, wenn Gebäude möglichst wenig Energie verbrauchen. So wie dieses Haus, das den KfW 40 Plus-Standard erfüllt und somit besonders sparsam im Betrieb ist. Gussek Haus

Bauen fürs KlimaDer Bau eines Einfamilienhauses lässt sich nachhaltig und energiesparend gestalten. Wir zeigen wie.

Vor kurzem geisterte eine Schreckensmeldung durch die Medien. Die Grünen, so lautete der Vorwurf, würden das Einfamilienhaus verbieten wollen. Was war passiert? Der Grünenfraktionschef Anton Hofreiter sprach in einem Interview mit dem Spiegel über ein Baugebiet im Hamburger Norden. Der dortige grüne Bezirksamtleiter sorgte dafür, dass im Bebauungsplan keine Einfamilienhäuser mehr ausgewiesen werden. Wer sich bis jetzt keinen Bauplatz mit ausgeschriebenem Einfamilienhaus sichern konnte, wird in diesem Bezirk keines mehr bauen können. Die Begründung: In einer Metropole wie Hamburg ist der Zuzug so hoch, dass die Wohnungsnot dramatisch ist und es kaum noch bezahlbarem Wohnraum gibt. Wer im Hamburger Norden ein alleinstehendes Einfamilienhaus bauen will, zahlt im Schnitt

GARTEN...

... statt Steinwüsten. Auch das gehört zur Nachhaltigkeit: Blumen und Sträucher pfl anzen, an denen nutzbringende Insekten Nahrung fi nden. Bloombux 800.000 Euro. Familien mit einem Durchschnittseinkommen können sich das nicht leisten. Der Bezirk hatte sich deshalb dazu entschieden, dringend benötigten und bezahlbaren Wohnraum für viele, anstatt teuren für wenige zu schaffen. Man braucht die Entscheidung nicht gutheißen, nachvollziehbar ist sie.

Schlechtes Gewissen?

Hofreiter sprach also nie davon, dass seine Partei Einfamilienhäuser pauschal verbieten will. Trotzdem bleibt Diskussionsbedarf. So sagte Hofreiter auch: „Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie.“ Unbestreitbar bleibt: Ja, der Bau eines Einfamilienhauses benötigt – wie jeder andere Bau – Baustoffe und Energie. Und ja, ein Einfamilienhaus braucht Platz. Müssen Bauherren jetzt ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie sich den Traum vom Eigenheim erfüllen? Nein, schließlich gibt es zahlreiche Möglichkeiten, beim Bau, beim Betrieb und selbst beim Abriss des Hauses klimafreundlich(er) zu handeln. Und das, für jedes Budget. Wichtig ist dabei, schon bei der Planung die Nachhaltigkeit im Blick zu haben und jede Entscheidung abzuwägen.

Nachhaltige Materialien

Etwa bei den Baustoffen spielt das Abwägen eine wichtige Rolle. Hier gibt es verschiedene Faktoren, die das eingesetzte Material mehr oder weniger nachhaltig machen: • Wie viel Energie benötigt die Herstellung,

Aufbereitung und Verarbeitung des Baustoffes? • Wachsen die Rohstoffe nach? • Werden für Gewinnung, Verarbeitung, etc. giftige, gefährliche, schädliche Stoffe verwendet? • Wie weit sind die Transportwege? • Lässt sich der Baustoff (einfach) recyceln? Es gilt für jeden Fall zu beurteilen, was am wenigsten negative Auswirkungen auf die Umwelt hat. Nicht in allen Bereichen können (oder wollen) die Bauherren auf die ökologischste Variante setzen. Manche Baustoffe – wie etwa Stahl, der bei der Herstellung viel Energie benötigt und deshalb nicht besonders ökologisch ist – sind schlicht alternativlos. Doch dann lässt sich si-

AUTARK

Mit einer Photovoltaikanlage können Familien ihren eigenen, klimafreundlichen Strom erzeugen. Fronius

ZERO-WASTE

Beim Musterhaus „Lichtblick“ können alle verwertbaren oder recyclebaren Bau- und Dämmstoffe umweltverträglich ohne Sondermüllfaktor in den Naturkreislauf zurückgeführt und sortenrein recycelt werden. Baufritz cher in einem anderen Bereich auf eine nachhaltigere Lösung setzen. Kann etwa auf Dämmstoffe auf Erdölbasis wie Polystyrol verzichtet werden? Alternativen sind Holzfaserdämmplatten, nachwachsende Dämmstoffe wie Hanf oder Recycling-Dämmstoffe, die aus Altpapier hergestellt werden. Lässt sich statt Zementestrich etwas anderes einsetzen? Beispielsweise Anhydritestrich, der bei der Herstellung weniger Energie benötigt oder Magnesiaestrich, der mit natürlichen Rohstoffen hergestellt wird? Statt Bodenbelägen aus PVC, die chemisch aufwendig hergestellt werden, lieber Linoleumböden wählen. Diese werden aus natürlichen Rohstoffen hergestellt. Noch besser: Auf Parkett, Holzdielen oder Kork setzen. Jeder Schritt Richtung Nachhaltigkeit zählt.

Ode an das Holz

tafel- oder Holzrahmenbauweise ausgeführt. Wer ein Haus aus Holz baut, macht aus Sicht des Klimaschutzes vieles richtig. Holz ist ein natürlich nachwachsender Rohstoff, der unserer Atmosphäre mithilfe des Sonnenlichts klimaschädliches Kohlendioxid entzieht und dabei lebensspendenden Sauerstoff abgibt. Holz ist quasi unendlich verfügbar, da es beständig nachwächst. Der natürliche Baustoff ist wiederverwendbar und lässt sich bei Bedarf vollständig abbauen. Er vermodert einfach oder kann – wenn er nicht lackiert oder anderweitig behandelt wurde – zur Wärmegewinnung verbrannt werden. Zudem ist Holz in der Lage, den Feuchtigkeitsgehalt in der Luft, beispielsweise in Innenräumen, zu regulieren. In Holzhäusern herrscht deswegen in der Regel eine relative Luftfeuchtigkeit von 30 bis 55 Prozent. Bakterien, Schimmelpilze, Keime und andere Schädlinge haben es da schwer. Das macht das Haus langlebiger und teure Reparaturen – die auch wieder Ressourcen und Energie benötigen – unwahrscheinlich. Für die Bewirtschaftung der Wälder gilt hierzulande das Gebot der Nachhaltigkeit. Bauherren, die mit regionalem Holz bauen, können sich deshalb sicher sein, dass kein Raubbau betrieben wird. Zudem spart sich lange Transportwege, wer auf regionale Baustoffe setzt. Dies wirkt sich positiv auf den Energieaufwand des Bauvorhabens aus. Nachhaltig an Holz ist auch: Bei der Verarbeitung entstehen praktisch keine Abfälle, sondern verwertbare Produkte oder Energieträger. Sägespäne lassen sich beispielsweise für Spanplatten verwenden oder können in Form von Holzpellets energetisch genutzt werden. So kommt es, dass

SCHNELL UND ÖKOLOGISCH

Ein weiterer Vorteil des nachhaltigen Baustoffes Holz: Der Aufbau geht flott. Lignotrend/Zimmerei Krämer, Nürtingen

MASSIVHOLZMÖBEL & LANGLEBIGKEIT

Nicht nur bei den Baumaterialien, auch bei der Einrichtung können Bauherren auf Nachhaltigkeit setzen. Mischa Olma, Gründer des Möbelherstellers woodboom erklärt, warum hier Massivholzmöbel punkten.

„Bei Massivholzmöbeln handelt es sich, wie der Name verrät, um ein massives Stück Holz. Je massiver ein Holzmöbelstück, desto besser, da so weniger Energie für die Verarbeitung benötigt wird. Zudem können Macken leichter entfernt oder der Look angepasst werden – Langlebigkeit ist hier ein wichtiges Stichwort. Selbst auf dem „Second Markt“ hat ein Massivholzmöbel einen hohen Wert. Außerdem kann man (unlackierte) Massivholzmöbel einfach kompostieren oder zur Energieerzeugung verbrennen.“

die Energie, die für die Produktion von Holzprodukten benötigt wird, zum Beispiel bei Sägewerksmaschinen oder Anlagen zur Holztrocknung, oft erneuerbar in Holzheizkraftwerken auf dem Werksgelände erzeugt wird. Aber Achtung: Holz ist nicht immer automatisch klimagerecht. Muss das Holz um den halben Erdball transportiert werden oder wird es aus Raubbau gewonnen, ist die Ökobilanz gleich eine andere.

Im Betrieb klimaneutral

Wir haben von Altbauwohnungen gehört, in denen die Fenster so undicht sind, dass die Bewohner den Windhauch bei geschlossenem Fenster spüren können. Es mag sein, dass diese Wohnungen im Vergleich zu einem Einfamilienhaus weniger Platz benötigen. Ein Gebäude mit schlechter Dämmung, Brennstoffen ist alles andere als klimafreundlich. Was bringt wenig Platz, wenn viel Energie verschwendet werden muss, damit es im Raum warm wird? Entscheidend für die Kli- mafreundlichkeit ist auch, wie viel und welche Energie das Gebäude im Betrieb benötigt. Was das Einfamilienhaus mehr an Energie und Ressourcen bei der Entstehung braucht, holt es bei der Umweltbilanz im Betrieb wieder herein. Etwa zwei Drittel des Energieverbrauchs benötigen private Haushalte im Durchschnitt, um die Räume zu heizen. Hier sind Neubauten hervorragend aufgestellt. Sie benötigen wesentlich weniger Energie, vor allem, wenn Bauherren nach KfW-Standard Förderungsartikel auf Seite 11.) Eine heute im Neubau übliche Fußbodenheizung braucht weniger Energie, weil dafür das Heizwasser nicht so stark aufgeheizt werden muss, wie beispielsweise bei einem Heizkörper. Statt auf fossile Brennstoffe wie Öl und Gas setzen moderne Heizungsanlagen auf regenerative und umweltfreundlichere Techniken, wie etwa Wärmepumpen. (Mehr dazu ab Seite 22.) Auch das Lüften geht inzwischen ohne großen Energieverlust. Lüftungsanlagen können dank Wärmerückgewinnung die Wärme der verbrauchten Luft „recyceln“. Manche Häuser produzieren sogar ihren eigenen Strom, der auch das E-Auto lädt. Damit kann das Eigenheim dazu beitragen, die Mobilität umweltfreundlicher zu gestalten — neben dem Bausektor ist die Mobilität einer der großen CO2-Verursacher. (Mehr dazu ab Seite 28.) Eine Klimaanlage spart sich, wer die Verschattung sinnvoll einsetzt, den Dachüberstand passend ausrichtet, die Himmelsrichtungen bei der Ausrichtung des Baukörpers beach die Zimmer im Sommer nicht so stark auf und man kann auf

BODENHAFTUNG

Die Inneneinrichtung trägt einen wichtigen Teil zur Nachhaltigkeit bei. Das Holz für die Naturholzböden des Herstellers stammt aus nachhaltigen Forstwirtschaften Europas. mafi

MUST HAVE

Wer ökologisch bauen möchte, kommt am Baustoff Holz nicht vorbei. Ganz auf Holz setzt dieses massive Holz-Blockhaus. LéonWood eine stromfressende Klimatisierung verzichten. Das zeigt: Damit das Gebäude im Betrieb sparen kann, muss der zukünftige Energieverbrauch schon bei der Planung berücksichtigt werden. Wer all diese Faktoren beachtet, kann ein Haus bauen, das klimaneutral im Betrieb ist.

Recycling & Lebensdauer

Die Hälfte des deutschen Müllaufkommens sind Bau- und Abbruchabfälle. Auch wenn es in ferner Zukunft liegt: Nachhaltig baut, wer Materialien verwendet, die nach Abbruch des Hauses sortenrein getrennt und wieder verwendet werden können. Hier spielt der „Life Cycle“ eine wichtige Rolle. Vielleicht lassen sich beim jetzigen Bau schon recycelte Rohstoffe einkaufen? Zur Nachhaltigkeit gehört, auf hochwertiges Material zu setzen. Das verlängert die Lebensdauer. Je länger es hält, desto mehr Energie und Material sparen sich Bauherren bei Reparaturen. Zur Nachhaltigkeit gehört auch, sich zu fragen, wie die Bewohner möglichst lange und gerne im Haus wohnen. Überspitzt formuliert: Das nachhaltigste Gebäude nützt nichts, wenn es nur wenige Jahre bewohnt wird. Möchte ich auch noch in zehn, zwanzig, dreißig Jahren darin leben? Habe ich jede Lebenssituation anpassen kann?

Die Sache mit dem Platz

Bauherren sollten sich der Frage stellen: Wie viel Platz brauche ich? Natürlich heißt das nicht, dass die Kinder auf ein eigenes Kinderzimmer verzichten müssen. Aus Klimaschutzgründen sollten die Bauherren sich dennoch ehrlich fragen, wie viel Quadratmeter Wohnraum wirklich notwendig sind. Braucht es ein Büro und ein Gästezimmer, oder kann beides kombiniert werden? Mit einem durchdachten Grundriss kommt dabei nicht das Gefühl der Enge auf. Jeder Quadratmeter weniger spart Ressourcen. Zum Thema „Platz“ sprach Anton Hofreiter im Spiegel-Interview ein weiteres wichtiges Thema an. Er sprach von „Donut-Dörfern“ und kritisierte, dass es einfacher ist, am Ortsrand neue Baugebiete auszuweisen als im Zentrum, obwohl dort oft vieles leer steht. Deshalb sollten Bauherren die Möglichkeit prüfen, ob sich Baulücken schließen lassen, bevor eine Fläche versiegelt werden muss. Fakt bleibt: Es ist nicht möglich, ein Haus ohne Ressourcen und Energie zu bauen. Doch gibt es viele Möglichkeiten, sich für die umweltfreundlicheren Alternativen, etwa bei den Baustoffen oder der Haustechnik, zu entscheiden. (mla)

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