ALPENTOURER 0903 (Auszug)

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ALPEN

EUR 5.00

CHF 8.80

MOTORRADTOUREN ZWISCHEN ALPEN UND ADRIA

ALPEN

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w w w . a l p e n t o u r e r. e u

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IT EUR 6.00

4. Jahrgang | No. 8 | ISSN 1611-4183 | 1 53 63

Aug. | Sept. | OKT.

3/2009

ALPEN

MOTORR ADTOUREN Z WISCHEN ALPEN UND ADRIA

DOBRO DOŠLI IN

KROATIEN

PÄSSEMARATHON DAS GROSSE FINALE! MIT UNTERSTÜTZUNG VON

Traumtouren von den Bergen bis ans Meer

TISCHMIT KROA HFÜHRER AC REISESPR

INSELHÜPFEN

Cres • Krk • Losinj • Pag

SLAWONIEN ISTRIEN DALMATIEN

TOUREN IN K ÄRNTEN-OST TIROL · FRIAUL · SLOWENIEN


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ALPENTOURER

EDITORIAL 3/2009

Dobro došli heißt willkommen!

D

as ALPENTOURER Redaktionsteam rund um Chefredakteur Stephan Fennel versorgt Sie regelmäßig mit spannenden Reisereportagen sowie vielen Tipps und Hinweisen für den perfekten Motorradtrip in den Alpen – doch das genügte Ihnen nicht, wie die letzte Leserbefragung zeigte. Weg vom alpinen Tellerrand, so ihre Forderung. Mit dieser KroatienAusgabe möchten wir Sie daher nun in wärmere Gefilde locken. Mich persönlich freut dies sehr, schließlich hatte ich dadurch die Gelegenheit, die Heimat meiner Eltern, die ich seit frühesten Kindertagen nicht nur durch Urlaubsaufenthalte kannte, nun auch beruflich unter die Räder zu nehmen – und war überrascht, wie sehr die Erinnerung doch trügen kann. Slawonien (ab Seite 74), die nordöstlichste Region, kenne ich wie meine Westentasche – behaupte ich gerne. Doch dies war ein Trugsschluss! Erst bei der Recherche stellte ich überrascht fest, wie viele Bergrücken und kurvenreiche Straßen des Bikers Herz höher schlagen lassen. Auch die Zagorje – der nördlich von Zagreb und an der slowenischen Grenze gelegene Landstrich, bietet Kurvenspaß par excellence. Kulturhungrige sollten allerdings Zeit ein-

planen, da nicht nur Titos Geburtsort sondern auch zahlreiche Burgen und Schlösser zum Besuch laden (mehr ab Seite 22). Von dort aus reisten wir über Istrien in Richtung Jadran, kroatisch für Adria. Hier widmeten wir uns vornehmlich dem touristisch leider noch viel zu oft ignorierten und mehr als spannenden Hinterland, bevor es dann zum Inselhüpfen (mehr ab Seite 14) ging. Alle der 1 246 haben wir zwar nicht geschafft, doch mit Krk, Cres, Lošinj und Pag zumindest die gewählt, die Ihnen als perfektes Sprungbrett nach Dalmatien dienen können. Ihr Kroatisch ist nicht das Beste? Keine Sorge, mit Englisch und meist auch Deutsch gelingt die Verständigung fast überall, einen MiniSprachkurs möchten wir Ihnen dennoch bieten (ab Seite 38). In unseren Portal www.alpentourer.eu. steht außerdem ein faltbares PDF-Exemplar für Sie zur Verfügung! Mir bleibt zu sagen: Sretan put – Gute Reise und viel Spaß bei Ihren Erkundungstouren durchs schöne Kroatien! Aber bleiben Sie bitte auch den Alpen treu – wir bleiben es natürlich auch und bieten Ihnen (ab Seite 52) einige spannende Reisereportagen zu Slowenien, Friaul, Kärnten und Osttirol.

Snežana Šimičić stv. Chefredakteurin

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Tel.: +39 (04 62) 60 11 65 Fax: +39 (04 62) 60 12 47 hotel.bellavista@rolmail.net www.bellavistahotel.it

Die außergewöhnliche Lage mit unvergleichlichem Panorama und die traditionelle Gastfreundschaft machen aus Bellavista das Lieblingshotel für Ihren unvergesslichen Sommeraufenthalt. Das Hotel Bellavista, umrahmt von den berühmten Dolomitenbergen wie dem Langkofel, der Sella, dem Pordoi und dem Rosengarten, ist der beste Startpunkt für jede Motorradtour: Die Pässe der Sella Ronda liegen direkt vor der Tür. Direkt vor dem Hotel in den Sattel steigen, und der Spaß wartet auf dem Asphalt!

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ALPENtourer

inhalt 3/2009

DIE THEMEN 3/09 Seite 14 14

Inseln

Foto: Kraus

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Nordwesten

Foto: Šimičić

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Slawonien

Foto: Fennel

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Osijek

KROATIEN

Foto: Krämer

Foto: Šimičić | Text-o-Pix

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Österreichs Bundesland Kärnten ist ein Geheimtipp für Motorradfahrer – und als Motorradland freundschaftlich verbunden mit dem Nachbarn Osttirol. Wir verraten ihnen Routen-, Schlemmer- und Kulturhighlights.

Michiel van Dam suchte das Paradies – und fand es in den Julischen Alpen. Bei seiner Tour ignorierte er slowenische Autobahnen. Warum? Lesen Sie unseren Standpunkt zur Vignetten-Abzocke. 4

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4. Jahrgang | No. 8 | ISSN 1611-4183 | 1 53 63

Aug. | Sept. | OKT.

3/2009

ALPEN

Foto: Böhringer

MOTORR ADTOUREN Z WISCHEN ALPEN UND ADRIA

DOBRO DOŠLI IN

KROATIEN

PÄSSEMARATHON DAS GROSSE FINALE! MIT UNTERSTÜTZUNG VON

Traumtouren von den Bergen bis ans Meer

74 TISCHMIT KROA CHFÜHRER REISESPRA

INSELHÜPFEN

Cres • Krk • Losinj • Pag

SLAWONIEN ISTRIEN DALMATIEN

TOUREN IN K ÄRNTEN-OST TIROL · FRIAUL · SLOWENIEN

Titelfotos: Krämer | tk-press, Šimičić | Text-o-Pix

Slowenien

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Foto: van Dam

Kärnten/Osttirol


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3/2009

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Editorial Inhalt Vorschau/Impressum Bestellkarte Leserservice

tourer intro

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news & infos rund ums Reisen mit dem Motorrad

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PÄSSEMarathon 2009 – Pässesammler gesucht! Noch bis zum 30. September können Sie eifrig Pässe sammeln. Es gibt Preise im Wert von über 20 000 Euro von BMW Motorrad, Panasonic, rukka und Bridgestone zu gewinnen! Hier erfahren Sie, wie…

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KroatiEn istrien & Dalmatien – Inselhüpfer nordwesten & adria – Schlemmertouren Slawonien – Idylle mit Narben osijek – Slawoniens Hauptstadt informationen & Karte Kleiner Kroatisch-Sprachführer ÖStErrEiCh Kärnten/osttirol – Das große Fressen Genussland – Kärntner Kulinarium Kultur – Kulturland Kärnten hotels – Willkommen im Motorradland attraktionen – Highlights im Motorradland SloWEniEn Shangri-La in Slowenien

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tourEr – Aktuelle Motorräder im Kurzporträt rEiFEn – Übersicht Bridgestone Tourenreifen

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ALPENtourerS 14

PEZIAL Kroatien


Inselhüpfer Klares Wasser, Felsen und Ćevapčići. Das sind die Kindheitserinnerungen an einen Urlaub in Kroatien, das damals noch ein Teil von Jugoslawien war. Letzteres gibt es nicht mehr. Geblieben ist die fantastische Landschaft.

D

urch diese Gassen ist der schwarze Tod geschlichen. Zugegeben: Es ist eine gruselige Vorstellung, die mir durch den Kopf geht, als ich mit gebücktem Haupt durch eines der niedrigen, aus groben Blöcken gefertigten Tore gehe. Doch Dvigrad, rund 15 Kilometer von der istrischen Küste entfernt gelegen, ist eine Geisterstadt. Vor knapp 400 Jahren vertrieb die Pest die Bewohner aus der Doppelburg, was Dvigrad auf Deutsch heißt. Ich laufe durch die Überreste der Häuser, in denen einst Familien gewohnt haben, stolpere mit den Motorradstiefeln über Steinblöcke, die der Verfall auf die Wege hat poltern lassen, blicke nach oben in den blauen Himmel, in den die Reste eines Turms ragen wie ein Mahnmal. Und ich blicke nach unten auf den Boden, hoffe auf unverhofften Reichtum. Denn ein britischer Abenteurer soll hier einen Schatz vergraben haben, den er im 17. Jahrhundert in Panama erbeutet haben soll. Natürlich finde auch ich ihn nicht – auf dem Motorrad hätte er ohnehin keinen Platz gehabt.

bendigkeit, die am Abend erwacht. Doch die haben wir bereits genossen. Wir wollen das andere Istrien zumindest streifen, fahren auf schmalen Straßen über die Erde. Die Landschaft liegt an Von Istriens diesem Vormittag Hinterland bereits im Mittags- (o.r./u.l.) geht es schlaf. Die Dörfer, nach Hum (r.). durch die wir fa- Küstenstädte wie Novigrad (u.r.) hren, wirken wie und die Insel ausgestorben. Ab Lošinj (o.l) sind und zu bellt einmal schnell erreicht. ein Hund oder läuft hinter der Kawasaki hier, dann blökt einmal ein Schaf. Wie die Menschen vor etlichen hundert Jahren suchen wir in der Burg von Pazin Schutz – nur dass wir nicht von marodierenden Horden bedroht werden, sondern von Blitz und Donner. Vorsichtig gleiten wir wenig später auf der Maschine

Wir haben die Küstenstraße rechts liegen lassen und machen uns auf die Suche nach dem Istrien, das von den Strandurlaubern missachtet wird. Nichts gegen die Städtchen am Meer mit ihrer südländischen Le-

Fotos: Krämer; Penßler

Dörfer im Mittagsschlaf

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Fotos: Fennel; Simicic | Text-o-Pix

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SPEZIAL Kroatien

Schlemmer-Touren

Wie die meisten Mittelmeerländer eignet sich auch Kroatien für eine überaus sinnliche Verbindung aus kulinarischen Genüssen und attraktiven Touren. Und das gilt nicht nur für die Küste, wie unsere Tour vom Nordwesten des Landes bis an die Adria beweist.

L Appetit anregend schmurgeln Lämmer und Spanferkel auf Spießen im Hotel Dvorac Gjalski (oben). Aus Titos Geburtsort Kumrovec ist ein formidables Freilichtmuseum geworden (rechts). 22

angsam drehen sich die drei Spieße über dem offenen Feuer. Gerade erst ist ein frisches Lamm eingehängt worden, während über ihm ein Artgenosse bereits verführerisch knusprig aussieht. Dazwischen schmurgelt ein Spanferkel seiner finalen Bestimmung entgegen. Mir läuft das Wasser im Munde zusammen. Das wiederum verwundert kaum, denn wir warten seit Stunden auf die Ankunft unserer Mitreisenden. Allerdings genießen wir die Wartezeit im Hotel Dvorac Gjalski in der Nähe von Zabok, nur ein paar Kilometer hinter der slowenischen Grenze. Es ist ein prächtiges Gebäude mit weitläufigen Zimmern, einer

gut bestückten Bar und – eben – kulinarischen Köstlichkeiten wie Lamm am Spieß. Unsere Top-Hotelempfehlung, so viel sei verraten.

Irgendwann trudeln auch die Nachzügler ein, es wird gegessen und getrunken und gelacht, bis die von der Anreise müden Krieger in die Kissen fallen.

Titos Geburtsort ist ein Museum Ab jetzt ist volles Programm: halb Kroatien in viel zu wenig Tagen. Den Auftakt macht das nur wenige Minuten entfernte Kumrovec, nichts minder als der Geburtsort des berühmtesten Sohnes der Region Zagorje, ach was, Kroatiens: Josip Broz, genannt Tito. Das Dorf wurde schon in den 1950ern zum Open Air Museum deklariert und seither immer wieder liebevoll restauriert. Obwohl es ein über die Grenzen hinaus be-


kanntes Museum ist, leben immer noch einige der ursprünglichen Familien hier, wobei sie ihrer ursprünglichen Arbeit nachgehen, der Landwirtschaft. So werfen wir einen Blick in Titos Geburtshaus, bestaunen die überlebensgroße Statue des Bildhauers Anton Augustinić (siehe auch S. 31), lassen die Bikes fotogen über die staubige Dorfstraße rollen und tummeln uns schon dem nächsten Höhepunkt entgegen. Eine Besichtigung von Schloss Trakošćan ist ein Muss, es gehört zu den meistbesuchten Attraktionen des Landes. Eine ganz eigene Attraktion für Motorrad-Reisende ist der Weg dorthin: Wo ich eigentlich

plattes Land vermutet hatte, mäandert die Straße über Berg und Tal einer wie verzaubert wirkenden Mittelgebirgsregion, in der Weinreben und Obstbäume augenscheinlich prächtig gedeihen. Irgendwoher müssen ja die Grundlagen für gute Tropfen und edle Brände kommen. Das Schloss, schon seit dem 13. Jahrhundert erhaben über seine Umgebung wachend, ist sicher mehr als den Kurzbesuch wert, für den wir Zeit finden. Besonders Kunstliebhaber werden an den Räumen

des im 19. Jahrhundert in seine jetzige Form gebrachten Gemäuers ihre wahre Freude haben. Diverse sehenswerte Sammlungen sind hier ausgestellt, darunter zahlreiche Werke der Malerin Julijana Erdödi, der wahrscheinlich ersten Frau in Kroatien, die den Titel einer akademischen Malerin erworben hatte.

Zahlreiche Kirchen und Klöster Wir rollen weiter nach Varaždin im Tal der Drava (Drau). Die mittel­ alterliche Barockstadt ist das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Nordkroatiens und kann neben seinem Schloss noch zahlreiche Kirchen und Klöster aufweisen, darunter Gründungen der Ursulinen sowie der Benediktiner. Der stetige Wechsel zwischen sehenswerten Städten und einer reizvollen Landschaft lässt mich ganz vergessen, dass Kroatien bisher für mich vor allem aus der Adriaküste und ihren Inseln bestand. Dabei lässt es sich gerade hier im Norden trefflich mit dem Motorrad reisen. Schon am Ende dieses ersten Fahrtages ist gewiss, dass ich der Gegend bald einen weiteren Besuch abstatten werde – dann aber in meinem eigenen Tempo… Denn wir hecheln weiter von Attraktion zu Attraktion. Leider sind den meisten Kollegen lokales Kulturgut und kulinarische Genüsse schnurz. Ihnen liegt viel mehr der Fahrspaß am Herzen. Dabei muss gerade der hier überhaupt nicht zu kurz kommen. Selbst rund um die Hauptstadt Zagreb, die wir elegant umkurven, finden sich kleine Pfade, die für Entdeckerherzen bestens geeignet sind.

Auf einem dieser Wege gelangen wir mitten ins barocke Herz von Samobor. Da war doch was? Richtig, die Stadt ist vor allem für ihre Konditorenspezialität „Samoborske Kremšnite“ – Cremeschnitten also – bekannt. Daher bremse ich die Gruppe mitten auf dem Marktplatz aus, gönne der treuen Sprint ST eine Pause und mir ein Stück der süßen Verführung zu einem ebenso starken wie schmackhaften „kava“, dem besser-als-Espresso-Muntermacher Kroatiens. Die Stärkung für Leib und Seele tat auch Not, denn nach einer munteren Fahrt über feine, kleine

Das Schloss ist das Aushängeschild der Barockstadt Varaždin (oben). Wenig erbaulich hingegen ist das Bürgerkriegsmahnmal in Turanj (links). Genießen lässt sich hingegen die lokale Spezialität von Samobor (unten): die Cremeschnitte.

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Fotos: Fennel; Šimičić | Text-o-Pix

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SPEZIAL Kroatien

Idylle mit Narben Die meisten Kroatien-Urlauber zieht es ans Meer. Auch uns – zunächst. Doch dann reisten wir nach Slawonien und entdeckten in Kroatiens Nordosten ein wunderbares Motorrad-Reiseland – eine Idylle mit Narben.

Slawoniens Mittelgebirge, von schmalen Straßen durchzogen, eignet sich perfekt zum Motorrad-Reisen (oben). Die Wunden des Bürgerkriegs sind hier noch vielerorts sichtbar (oben rechts), der Glaube bleibt dennoch tief verwurzelt (unten).

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B

rückentage sind mir ein Horror. Schon aus unternehmerischer Sicht. Alle wollen frei haben, und am Ende sitzt der Chef allein im Büro mit der ganzen Arbeit, die sich ja nicht von selbst macht. Doch dieses Mal nicht. Nicht mit mir. Ich fahre nach Kroatien! Vereinzelte, an meinem Verstand zweifelnde Blicke ignoriere ich. Ebenso die Tatsache, dass es bis nach Slawonien knapp 800 Kilome-

ter sind – von München aus, wo eine GS auf mich wartet. Und auch da muss ich erstmal hinkommen. Aber sei es drum. Ich habe einfach Lust, diese Ecke Kroatiens auch noch zu entdecken, nachdem wir im Frühjahr schon einen Großteil der Küstenregion und einige Inseln abgegrast haben. War toll, sicher. Aber Istrien und Dalmatien allein sind nun mal nicht ganz Kroatien. Und wir möchten Ihnen dieses Land schließlich möglichst umfassend vorstellen. Allerei Gedanken gehen mir also durch den Kopf, als ich über die Autobahn gen Süden brause. Mit dem Nachtzug hatte ich eine entspannte Anreise nach München, am frühen Morgen rollte die GS bei BMW vom Hof; eine schnuckelige Sozia hintendrauf, die in den nächsten Tagen gleichsam als Dolmetscherin fungieren sollte. Die Sonne versank schon in ihrem Rücken, als wir von der Autobahn abbogen und in Nova Gradiška auf

Hotelsuche gingen. Das war schnell erledigt, denn das einzig nennenswerte Haus war schnell gefunden. 70 Euro für die Nacht sind zwar kein Schnäppchen, aber ein großes Zimmer, ein sicherer Parkplatz und ein leckeres Abendessen versöhnten uns schnell mit diesem gewöhnunsgbedürftigen Ort. Dieses erste Gefühl für Slawonien, das sich in Nova Gradiška einstellte, sollte uns auf der ganzen Reise durch diesen Landstrich begleiten.

In Vergessenheit geraten Slawonien, eingezwängt zwischen Serbien und Ungarn, nach dem Ende Jugoslawiens abgeschnitten vom Meer durch den neuen Staat Bosnien-Herzegowina, scheint in Vergessenheit geraten nach dem Ende des Bürgerkriegs. Auch meine Sozia hatte nur Kindheitserinnerungen zu bieten: flach, Puszta, Mücken. Im Sommer war sie häufig mit den Eltern hier, der Vater kam aus einem kleinen Ort bei Osijek, man baute an einem Haus – für später – und fuhr dann noch zum Entspannen an die Adria. Gastarbeiter-Riten, typische Verhaltensmuster einer nur halb entwurzelten Generation, die


bis zum Krieg anhielten. Dann war für lange Jahre Schluss damit. Doch das Slawonien, das wir nun gemeinsam durchstreiften, war so ganz anders als in ihren Erinnerungen. Von Nova Gradiška fuhren wir zunächst nach Nova Kapela, auf der Suche nach einem typisch slawonischen Dorf, in dem die Lebensweise vom Ende des 19. Jahrhunderts aufgeblüht sein soll, ein Open Air Museum vergangener Zeiten. Gemütlich sah es aus, nett aufgefrischt, herausgeputzt für Gäste, die hier auch übernachten können – wenn sie denn jemanden vorfinden. Heute jedenfalls schien die ganze Einwohnerschaft ausgeflogen, die kleine Pension war geschlossen und nur ein einsamer Mann döste in der Sonne, keine Anstalten machend einen Kontakt zu uns zu suchen. Also sehen wir uns noch ein wenig in die-

ser slawonischen Idylle um und machen uns dann auf den Weg durch die Region um Požega. Prompt erlebt meine Sozia eine Riesenüberraschung. Von wegen Puszta. Durch feinstes Mittelgebirge kann ich die GS schicken, ein wogendes Meer endloser Kurven, die

einen wunderbar sanften Fahrrythmus vorgeben, passend zum Land, passend zu seinen Bewohnern.

Endstation Schotterpiste Ich verlasse mich dabei auf eine an der Tankstelle erstandene Slawonienkarte, verfolge abseits der roten Haupstraßen die mittelgroßen gelben Pfade und muss mit Schrecken feststellen, dass selbst gut ausgebaute Wege hier unvermittelt im Nichts enden können – oder zumindest in einer ausgewaschenen und ausgefahrenen Schotterpiste. So geschehen im Naturschutzpark des Papukgebirges auf unserem Weg nach Voćin. Es war einer der Momente, in denen ich für die GS als fahrbaren Untersatz dankbar war. Doch lässt sich der Schrecken noch steigern, wenn auch auf ganz anderer Ebene. Wir durchqueren ein Geisterdorf irgendwo in den waldreichen Bergen, das an Skurillität kaum zu überbieten ist. Die alten Gebäude sind allesamt zerstört. Aus jedem Haus wächst mindestens ein sattgrüner Baum, von deren Größe

sich um eine serbische Enklave handelte. Kroatien hat nach den Kriegswirren neue Gebäude als Repara­ tionsleistungen aufgestellt. Doch die ursprünglichen Bewohner sind in Serbien, gleichsam aber auch Grundbesitzer hier in Kroatien geblieben. Vielleicht schaffen ihre Kinder ja irgendwann mal wieder den Sprung zurück in diese eigentlich friedvollen Gefilde. Bei einer Rauchpause an einem malerischen Bach kann ich die Verwunderung meiner Sozia fast greifen. „Hier gibt es ja richtige Berge!“ Jau, einige kratzen sogar dicht an der 1  0 00 Meter Marke, umliegende Straßen schaffen schon mal mehr als die Hälfte dieser Höhe. Aber die-

Eine einst serbische Enklave wurde durch den Jugoslawien-Krieg zum Geisterdorf.

sich ableiten lässt, dass es sich um Kriegsschäden aus dem JugoslawienKonflikt handelt. Gleich neben jedem verfallenen Gemäuer steht ein neues Haus – bis auf den Putz fertiggestellt und dennoch unbewohnt. Später werden wir von Einheimischen der Region erfahren, dass es

se Werte sind es nicht, die hier zählen. Es ist der schiere Spaß an flüssigem Fahren, bergauf, bergab, rechts herum, links herum, stundenlang. Erst am Nachmittag hört das Vergnügen auf, ebenfalls sanft, denn nun rollen wir ins Drautal hinab, in die „Puszta“, die aus Kin-

Bei Nova Kapela wartet ein slawonisches Musterdorf auf Besucher – wenn seine Bewohner nicht gerade ausgeflogen sind (links). Manch gut ausgebaute Straße endet in einem Schotterpfad (oben). 29


ALPENtourer

tourguide Motorradland K채rnten/Osttirol

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A

propos satt: Der Begriff Genusstouren wird in dem österreichischen Bundesland im Dreiländereck neu definiert. Gailtaler Speck, Parma-Schinken, Kärntner Käsnudeln, Kaiserschmarrn, Pizza, Fischgerichte, slowenische Kuchenleckereien und die ganz normale alpenländische Hausmannskost scheinen sich hier zu einem lukullischen Füllhorn zu vereinen, dem sich der Reisende weder entziehen kann, noch will. Doch vor der lückenlosen Ausfugung des Magens mit Tiramisu wird dem Genuss­orientierten zunächst eine gehörig lange Anfahrt abverlangt.

Das große

Fressen

Ein Geheimtipp für Motorradfahrer ist das österreichische Bundesland Kärnten, als Motorradland freundschaftlich verbunden mit dem Nachbarn Osttirol. Dort gibt es noch so viel zu entdecken. Und niemals wird man des Fahrens satt…

Schon die Anreise nach Kärnten ist eine Wucht – wenn man über die Großglockner Hochalpenstraße fährt. Allerdings werden Motorradfahrer auch ganz nett zur Kasse gebeten.

Wer nicht auf das elektrifizierte Eisenross als Transportmittel zurückgreifen möchte, muss von Mitteldeutschland aus über 700 Kilometer Autobahn abschruppen, bevor er kurz hinter München Richtung Kitzbühel auf angenehmere Landstraßen wechseln kann, um den Großglockner ins Visier zu nehmen. Doch Vorsicht, hier wird geblitzt, was die Radarfalle, oder besser gesagt die deutschen Portemonnaies, hergeben. Netterweise werden wir von entgegenkommen­ den Bikern rechtzeitig gewarnt und halten auf den abschließenden 200 53


Shangri-La in Slowenien

ALPENtourert

ourguide Slowenien

Noch gelten die Julische Alpen südlich von Kärnten als eine Art Geheimtipp für Motorradfahrer. Wer das Paradies auf Erden sucht, setzt sich also besser gleich aufs Motorrad und fährt los.

Fahrspaß auf Serpentinen bietet nicht nur die Südseite des Vršič-Passes (gr. Bild), sondern auch der Mangart, einer der höchsten Gipfel der Julischen Alpen (rechts). 74

Fotos: van Dam

S

lowenien ist ein Paradies für Motorradfahrer, so sagten uns mehrere begeisterte Biker, die dort schon gewesen sind. Also fahren wir von Villach in Kärnten ausge­ hend in Richtung Süden, wo wir uns nur mit viel Mühe dem Sirenenge­ sang der Bergstraßen entziehen kön­ nen. So wie Odysseus sich einst an den Mast seines Schiffes binden ließ, klammern wir heute unsere Hände ganz fest an den Lenker, um nicht von dem gewählten Kurs abzuwei­ chen. Glücklicherweise gehen aber die verlockenden Karawanken Öster­ reichs nahtlos in Slowenien über. Um dort den angeblichen Garten Eden zu suchen, brauchen wir noch nicht einmal Reisepass oder Perso­ nalausweis vorzuzeigen. Die ehe­ malige nördlichste Teilrepublik Jugoslawiens ist seit 2004 ein Mit­ gliedstaat der EU, seit 2007 Teil der Eurozone und mittlerweile ebenfalls dem Schengener Abkommen mit seinen offenen Innengrenzen beige­ treten. Zöllner und geschlossener Schlag­ baum gehören also am Grenzüber­ gang auf dem Paulitschsattel der

Vergangenheit an. Hinter dem Pavličevo Sedlo, wie dieser Bergpass auf slowenisch getauft wurde, wie­ der auf der horizontalen Ebene ge­ landet, erblicken wir ein Tal, das meiner Vorstellung vom Paradies schon sehr nahe kommt. Nachdem wir ein Paar Euro Ein­ tritt für den Landschaftspark Lo­ garska Dolina bezahlt haben, fahren wir entlang grüner Wiesen auf eine massive Felswand zu. Diese verhin­ dert zwar die Weiterfahrt in Rich­ tung Süden, lohnt sich aber nichts­ destotrotz, denn die Aussicht ist herrlich, und wir genießen die er­ sten Eindrücke von Slowenien in vollen Zügen. Auch im nächsten Tal Robanov Kot endet die Straße in einer Sack­ gasse. Wir schauen uns etwas ver­ wundert um. An den vereinzelten Bauernhöfen stehen Autos. Die Kennzeichen verraten den Wohnort der Besucher. Wenige Slowenen und einige Österreicher haben sich auf­ gemacht, doch der Großteil der Besucher ist aus Deutschland, ins­ besondere aus den nordeutschen Großtstädten angereist. Ihnen müs­


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