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Pasadena

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Inselrallye

Inselrallye

WIE EIN PAPA

Mit Türsteher Ulf Holler durch die Nacht

Norderney ist nicht Spiekeroog, Juist oder Baltrum - jede Insel hat ihren eigenen Charakter. Feiern und Tanzen bedeutet spätestens seit den Goldenen 1920er Jahren - über die wir in dem Beitrag über Familie Gramberg ein bisschen erfahren (S. 183) - ein Stück urbanes Leben, das zur Identität der Insel gehört. Daran scheint grundsätzlich nichts verkehrt. "Es kommt auf die Art und den Umfang des Feierns an", sagt Ulf Holler und hebt entspannt die Hand. "Man muss die Dinge ein bisschen in geordnete Bahnen lenken und immer probieren, alles gut im Griff zu behalten - und das klappt nur, wenn Du aufpasst." Ulf arbeitet als Türsteher für das Pasadena und den Klabautermann, die zu den beliebtesten Locations des Norderneyer Nachtlebens zählen. Ulf kennt den Job an der Tür seit über 30 Jahren. In seinem dunklen Anzug strahlt er Souveränität und freundliche Gelassenheit aus. Die langjährige Erfahrung ist ihm deutlich anzumerken. "Wenn Alkohol ins Spiel kommt, sind die Menschen manchmal wie Kinder. Dann bin ich so etwas wie ein fürsorglicher Papa."

Wir treffen uns mit Ulf an einem belebten Freitagabend gegen elf vor dem Pasadena zum Fototermin. Ein paar Meter weiter an der Tür zum Klabautermann steht ein junger Kollege. Beide Läden könnten kaum unterschiedlicher sein und bilden trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - eine ebenso sympathische wie spannende Kombination unter einem gemeinsamen Dach. Im Klabautermann trifft sich das feierfreudige Publikum in rustikaler Umgebung - von früh um zehn bis nachts um eins. Das Pasadena dagegen verströmt mit seinem urbanen Industriecharme und einer außergewöhnlichen Beleuchtungsanlage echten Clubcharakter. Hier wird getanzt bis tief in die Nacht und manchmal bis früh in den Morgen. "Die beiden Läden teilen sich die Toiletten und sind über das Treppenhaus miteinander verbunden. Das ist ein ständiges Hin und Her", erklärt Ulf. "Deswegen sollte da mittendrin jemand sitzen, der wirklich dicke Nerven hat und klare und eindeutige Ansagen macht, was geht und was nicht." Inselurlauber kennen Ulf Holler auch von den Kutschfahrten, die er tagsüber als zweites berufliches Standbein auf Norderney anbietet. Wenn er seine Pferdekutsche - eine von zwei stämmigen Friesen gezogene offene Wagonette - bei einer Strandfahrt am Spülsaum der Nordsee entlang lenkt und den Kindern und Erwachsenen dabei unterhaltsame Anekdoten und Inselgeschichten erzählt, spürt man, das ist der richtige Typ, um sich auch im Nachtleben um ein gutes Miteinander zu kümmern. Ein freundlicher Riese, ein Bär von einem Kerl.

"Ich habe als Jugendlicher viel Kraft- und Kampfsport gemacht und damals schon 100 Kilo auf die Waage gebracht, heute ist es noch ein bisschen mehr", erzählt Ulf lachend. Mit 18 übernimmt er die Einlasskontrolle in einer kleinen Diskothek in seiner Heimatstadt Leer. "Das hat von Anfang an ziemlich gut funktioniert, weil ich den richtigen Umgang mit den Gästen gefunden habe." Später studiert er Betriebswirtschaft in Bremen und arbeitet parallel als Türsteher in legendären Clubs wie der Lila Eule, dem Delight und dem alten StuBu. Bevor es den Diplom Kfz-Betriebswirt nach Norderney verschlägt, macht er in Amerika einen zweiten Abschluss in International Business & Management und betreibt anschließend in Bremen einen internationalen Fahrzeughandel, verkauft exklusive Autos weltweit. "Aber mit der Finanzkrise Mitte der 00er Jahre ist der Markt ziemlich eingebrochen und ich wollte mich beruflich neu orientieren." Über einen guten Kontakt vor Ort ergibt sich 2007 die Chance, die Security in der Norderneyer Diskothek Inselkeller zu übernehmen. "Da passten eigentlich 250 Leute rein, meistens waren aber 500 drin - da lief der Schweiß von den Wänden." Das Haus der Insel und den Inselkeller gibt es längst nicht mehr. Seit Anfang 2016 arbeitet Ulf an der Tür vom Pasadena und vom Klabautermann. "Das war genau die richtige Entscheidung."

Eine typische Schicht beginnt für Ulf abends um acht. Im Frühjahr und Herbst, wenn viele Clubs und Gruppenreisende unterwegs sind, bekommt er Unterstützung von mehreren Kollegen, die bereits ab mittags auf der Straße stehen und aufpassen, dass die Türen geschlossen bleiben und sich vor dem Laden keine Menschenansammlungen bilden. "Es ist uns ganz wichtig, dass die Anwohner ihre Ruhe haben - auch wenn im Klabautermann tagsüber schon Party gemacht wird. Und das gilt erst recht, wenn abends das Pasadena dazukommt." Ulf hält sich den überwiegenden Teil der Nacht im Treppenhaus auf. Von hier aus hat er alles im Blick und kann bei Bedarf jeden der beiden Läden schnell erreichen. Kaffee zum wach bleiben braucht er fast nicht. "Das ist ein unglaublich kommunikativer Job - du bist immer beschäftigt und unentwegt am Reden mit irgendwem." Wenn der Klabautermann gegen eins schließt, verlagert sich der Arbeitsschwerpunkt nach oben ins Pasadena. Ulf nimmt dann gerne in der Personalecke links vom Eingang Platz. "Auch das ist ein wichtiger Teil von meinem Job - zu sitzen und zu gucken. Schon meine Anwesenheit nimmt vielen den Wind aus den Segeln. Diesen Respekt habe ich mir über Jahre erarbeitet."

Ulfs vielfältige Aufgaben während der Nacht teilen sich in zwei Bereiche - das Selbstverständliche und das weniger Offensichtliche, aber nicht minder Wichtige. Der Türsteher kümmert sich darum, dass es vor den Läden ruhig bleibt und dass niemand Einlass erhält, der oder die zu jung, zu betrunken oder völlig unangemessen gekleidet ist. "Leute in Jogginghose oder zerrissenem Unterhemd kommen nicht rein - da lasse ich auch nicht mit mir diskutieren", sagt Ulf über die typischen Einlasskriterien, wie sie in vielen Clubs und Diskotheken gelten. "Aber wir sind nicht das Berghain - in der Regel freuen wir uns über jeden Gast, der bei uns tanzen und feiern möchte." Der Mann an der Tür wirkt wie ein Ruhepol, wie ein sicherer Ankerpunkt. Wer sich von irgendwem irgendwie belästigt fühlt, kann jederzeit zu ihm kommen - und erhält sofort Unterstützung. Das freut vor allem die Eltern der jüngeren einheimischen Gäste. "Die kennen mich alle seit Ewigkeiten und sagen immer, 'Schön, dass Du auf unsere Kinder aufpasst'." Einige Besucher profitieren davon, dass Ulf seit seinem Studium in Amerika perfekt Englisch spricht. "Wir haben hier auch internationales Publikum - da kann man Fragen und Unklarheiten schnell und unkompliziert klären." Die Liste ließe sich noch deutlich verlängern. Es macht offensichtlich Sinn, einen guten Türsteher zu beschäftigen.

"Am meisten an meinem Job fasziniert mich die Begegnung mit den vielen unterschiedlichen Menschen - und die gute Laune, die sie mitbringen", sagt Ulf abschließend. "Die kommen in der ganz überwiegenden Mehrheit, um entspannt zu feiern und eine gute Zeit zu haben." Einige der Gesichter erkennt der Türsteher jedes Jahr wieder. "Da erzählt man sich auch mal Persönliches und erfährt das eine oder andere Schicksal. Und du siehst die Leute gemeinsam neben dir älter werden."

PASADENA | KLABAUTERMANN

Kirchstraße 17 / Poststraße - 26548 Norderney

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