Glocknerrunde 2015

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Großgl ockner VON UNTERIRDISCHEN BÄUMEN UND LEBENDGEBÄRENDEN KRÄUTERN


Rund um Österreichs höchsten Berg gibt es Erstaunliches zu entdecken. Eine Umrundung des Großglockners ist nicht nur eine der schönsten Wanderungen in den Alpen, sondern auch ein botanisches Abenteuer.

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Text und Fotos: Ulrike Eriksen und Eduard Goßner

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Noch vor 30 Jahren gab es hier einen Gletscher (siehe Seite 54 oben). Nun entwickelt sich ganz allmählich die alpine Vegetation (1). Die Trogalm ist eine der vielen Almen, die man auf der Glocknerrunde erwandert (2). Eindrucksvoll erhebt sich die Südostflanke des Großglockners über den Hohenwartkees (3). Am Berger Törl auf rund 2.600 Metern zweigt der Weg Richtung Salmhütte und Großglockner ab (4).

erdinand ist ein Au genzeuge für das Sterben der Gletscher. Vom Ufer des Weißsees inmitten der Hohen Tauern schaut er hinüber zum Sonnblickkees und zum berühmten Olympia hang, an dem seinerzeit die Skilegenden Toni Sailer und Andi Molterer trainierten. „Die Gletscher verschwinden unheimlich schnell. Da drüben hing der Sonnblickkees in den 1980ern noch viel weiter herunter“, Ferdinand Rieder, Nationalpark-Chefranger, zeigt auf einen Wasserfall weit unterhalb des Sonnblickgletschers. „Dort sind wir 1985 noch mit Steigeisen am Eis hochgeklettert.“ Sein Blick wandert zum Olympiahang südlich des Weißsees. „In den Siebzigern reichte das Eis noch bis zu der Kante da.“ Heute ist das Eis verschwunden. Es gibt nur noch ein kleines Firnfeld, das schon weit oberhalb der Kante endet, auf die Ferdinand zeigt. Von Kindesbeinen an kletterte Ferdinand auf die Berge. Als Zwölfjähriger verbrachte er seinen ersten Sommer als Hütejunge auf einer Alm. Mit dreizehn bestieg er zum ersten Mal einen dreieinhalbtausend Meter hohen, vergletscherten Alpengipfel. Spätestens ab dann war es wohl klar: Die Berge waren seine Berufung und wurden zum Beruf. Jahrzehntelang war er als Bergführer unterwegs und bekam Jahr für Jahr mit, wie sich die Gletscher der Alpen veränderten. Und so berichtet der Chef der Nationalparkranger im Salzburger Teil des Nationalparks Hohe Tauern bei einer Wanderung vom Weißsee über das 2.639 Meter hohe Kapruner Törl hinüber zu den Kapruner Stauseen aus eigener Erinnerung bei jedem Gletscher, wie weit er sich in den letzten dreißig Jahren zurückgezogen hat. Die Sieben-Stunden-Wanderung ist eine der beeindruckendsten Etappen der sogenannten Glocknerrunde, einer Weitwanderroute rund um den Großglockner. Mindestens sieben Tage braucht ein gut trainierter Berg-

Auf der wunderschön gelegenen Jörglalm im Ködnitztal wird das Jungvieh liebevoll betreut.

wanderer für diese Route, die durch die drei Bundesländer Salzburg, Kärnten und Tirol führt. Auf den Etappen erlebt man einige der spektakulärsten Teile des Nationalparks Hohe Tauern und einmalige Ausblicke auf seine dreihundert Gletscher und die unzähligen Dreitausender – und natürlich auf den majestätischen Großglockner, der mit seinen 3.798 Metern alle überragt. Ferdinand Rieder war einer der Erfinder dieser Weitwanderroute: „Angestoßen wurde das Projekt vom österreichischen Alpenverein, um in dem Gebiet mehr Besucher auf die Alpenvereinshütten zu bringen.“ Es entstand die Idee einer Rundwanderung um Österreichs höchsten Gipfel, durch eine Bergwelt aus Fels und immer noch gewaltigen Gletschern, die in der Sonne weiß erstrahlen und den Charaktergipfeln der Hohen Tauern einen arktischen Mantel anlegen. Auf der Glocknerrunde kommt man den Eisströmen nahe. Zumeist wandert man weit oberhalb der Baumgrenze. Überqueren muss man jedoch keinen der Gletscher, nur hin und wieder das eine oder andere Firnfeld, das in Höhen von 2.300 bis 2.600 Metern den Sommer überdauert. Fast neunzig Prozent des Nationalparks Hohe Tauern liegen oberhalb der Baumgrenze, und so kommen Rundwanderer um den Glockner nur bei den wenigen Etappen, die in eines der Täler hinunter gehen, durch Wald. Ansonsten führt der Großteil der Strecke über alpine Matten mit 4/2015

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Gletschersee unterhalb des Sonnblickkees auf 2.600 Meter Seehöhe (1). Die metamorphen Gesteine der Hohen Tauern werden intensiv von Flechten besiedelt (2). An der Farbe des Schmelzwassers kann man mit etwas Erfahrung auf die nächtlichen Temperaturen schließen (3). Hoch über dem Ködnitztal führt der Johann-Stüdl-Weg an steilen Hängen entlang (4).

Der Blick ist das Ziel Vergletscherte Dreitausender über eiskalten Bergseen saftigen Gräsern, artenreichen Kräutern und bunt blühenden Blumen. Und natürlich geht es über Fels und Blockschutt – in Höhen, in denen nur noch trickreich angepasste Spezialisten überleben. Es ist das Reich von Steinadler, Alpensteinbock und Gamswild. Die zeigen sich aber eher selten dem Wanderer. Unweigerlich begegnen dagegen wird er dem „Kobold der Tauern“.

Wolf, Bär und Murmeltier Ein gellender Pfiff schallt über den Hang. Ferdinand blickt nach oben. „Normalerweise bedeutet ein Schrei Gefahr aus der Luft. Dann verschwinden die Murmeltiere sofort in den Höhlen. Wenn sich was am Boden nähert, lässt sich der Wächter mehr Zeit und schreit öfters.“ Am blauen Himmel ist aber nichts zu sehen – kein Adler, der seine Kreise zieht. Falscher Alarm. Aber die pelzigen Gesellen sind eben extrem vorsichtig. Ihnen entgeht fast nichts, was rund um ihre Erdappartements passiert. Daher ist es für den König der Lüfte recht schwer, seinen Lieblingshappen zu ergattern, „denn was für uns das Schnitzel, ist für die Adler das Murmeltier“, so Ferdinands treffende Charakterisierung der Speiseplanvorlieben der Steinadler in den Hohen Tauern. Er beobachtet die mächtigen Greife regelmäßig in den verschiedenen Teilen des Nationalparks. „Wenn Männchen und Weibchen zusammen jagen, probieren sie es manchmal mit Ablenkungs-

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manövern. Erst fliegt der eine einen Angriff und zieht dann ab.“ Die Murmeltiere glauben prompt, die Gefahr sei vorbei und kommen wieder heraus. In dem Moment schießt der zweite Adler heran und schlägt zu. Trotz solch ausgefeilter Jagdtechnik ist dennoch nur etwa jeder zehnte Beuteflug der Adler erfolgreich. Zum Glück für die Greife wächst das Volk der pelzigen Höhlenbewohner offenbar stetig. „Die tauchen jetzt auch an Ecken auf, wo wir sie noch nie zuvor beobachtet haben“, bestätigt Ferdinand. Gut für die Adler. Ihnen gelingen immer mehr erfolgreiche Bruten. Doch nicht jeden freut die steigende Murmeltierzahl. Mancher Almbauer ärgert sich über die eifrigen Erdarbeiter. Sie sehen vor allem negative Folgen für die Almweiden und das Almvieh. Durch Bejagung soll verhindert werden, dass es zu einer „Landplage“ kommt. „Ich denke nicht, dass man irgendwelche Tiere bejagen muss.“ Ranger Ferdinand ist sich sicher: „Die Natur regelt das schon.“ Doch während man sich über die Murmeltiere im Umfeld des Nationalparks noch weitestgehend verständigen kann, wird es in Sachen Wolf und Bär so richtig kontrovers. Aus Italien und Slowenien wandern immer mal wieder Wölfe und Bären Richtung Alpenhauptkamm, und wenn sie das eine oder andere Schaf reißen, ist die Aufregung groß. Im südlichen Salzburger Land wurde im Herbst 2014 sogar ein Almbauer von einem Braunbären verletzt.

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Überlebenskünstler Wildkräuter tricksen das raue Bergklima aus Die Hohen Tauern waren schon immer Zuzugsgebiet. Als vor 10.000 Jahren die Gletscher der Eiszeit abschmolzen und das Klima wärmer wurde, kamen von überall „Einwanderer“ in die gerade frei gewordenen neuen Lebensräume. Der Wind blies Pflanzensamen aus allen Himmelsrichtungen an. Eine vielfältige Flora breitete sich aus. Und genauso bunt war das Getier, das gekreucht und gefleucht kam. Zusammen mit den wenigen Spezies, die die Eiszeit in dem Gebiet überdauert hatten, entstand eine besonders artenreiche Flora und Fauna und die Hohen Tauern wurden zu einer der biologisch wertvollsten Regionen der Alpen. „Eine ähnliche Neubesiedlung findet heute dort statt, wo die Gletscher abschmelzen“, erklärt Ferdinand. „Diese Bereiche, in denen sich die Natur in einzigartiger Weise völlig unbeeinflusst vom Menschen entwickelt, wollen wir als Wildniszonen unter besonderen Schutz stellen.“ Die ersten Pioniere, die diese jungfräulichen Lebensräume erobern, schaffen das nur mit außergewöhnlichen und einfallsreichen Anpassungstricks. Sie ermöglichen es den Pflanzen und Tieren, den Herausforderungen dieses extremen Lebensraumes zu trotzen.

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Kräuter mit Klimaanlage Für die Pflanzen in den Hohen Tauern gilt: Je weiter oben sie am Berg wachsen, desto eigenartiger ihre Biologie. Beispielsweise gibt es „lebendgebärende“ Gewächse. Ferdinand zeigt so eine Kuriosität: „Das ist der lebendgebärende Knöterich.“ Er hält ein zierliches Kraut mit hübschen weißen Blüten in der Hand. „Weil die Vegetationszeit hier so kurz ist, wachsen die Knöterich-Sämlinge komplett mit Wurzeln und allem an der Mutterpflanze heran und werden dann regelrecht abgeworfen.“ Sie fallen auf den Boden und haben gegenüber einem Samen schon einen gewaltigen Wachstumsvorsprung. Die sehr kurze Vegetationszeit in Höhenlagen von über 2.000 Metern ist nur eines der Probleme, mit denen die Pflanzen zu kämpfen haben. Extreme Temperaturen, hohe UVStrahlung, Trockenheit und Humusmangel sind nur für unverwüstliche Kräuter erträglich, die tief in die Trickkiste greifen. Dazu kommen noch brachiale Winde und Schutt, der jedes zarte Grün überrollt. Wer in einem derart feindlichen Umfeld überleben will, muss lernen, sich selbst mit Humus und Dünger zu versorgen, wie etwa die Krumsegge. Andere

Auf der Glocknerrunde findet sich eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt. Ferdinand Rieder, Chef der Nationalparkranger, kennt die erstaunlichen Anpassungen der Flora und Fauna an die harsche Gebirgswelt. Rechts: Fetthennensteinbrech, Kleiner Fuchs, Hauswurz.

wachsen, wie die kriechende Nelkenwurz, einfach unter dem Schutt wieder heraus. Im Kampf gegen die Kälte ist die Natur besonders kreativ. So dienen Blütenblätter und Schmetterlingsflügel als Sonnenkollektoren, und natürlich setzen auch viele Spezies auf isolierende Behaarung. Der Berghummel etwa wächst ein längerer, dichter Pelz und auch so manches Grünzeug legt sich ein regelrechtes Fell zu. Andere Trickser wie der Gletscherfloh und auch einige Pflanzen greifen zu Kniffen aus dem Chemielabor: Aus Zucker erzeugen sie wirksame Frostschutzmittel. Die Gämsheide besitzt sogar eine eigene Klimaanlage. Sie schafft es, die Temperatur in ihrem grünen Polster bis zu 15 Grad über der Umgebungstemperatur zu halten. Diese „Miniatursauna“ wird natürlich auch von Insekten geschätzt, die den frostigen Hochgebirgstemperaturen entkommen wollen. Gegen die harschen Umweltbedingungen muss man zusammenhalten. Es gibt vielfältige Kooperationen zwischen Pflanzen und Tieren. Bei diesen „Joint Ventures“ wäscht eine Hand die andere. Insekten, Vögeln und Säugetieren geht es meistens um Futter. Als Gegenleistung sorgen sie für Bestäubung und Verbreitung.

Schneehühner etwa naschen gerne am lebendgebärenden Knöterich und sorgen so ganz nebenbei für dessen Ausbreitung, denn sonst käme er ja nicht weit von der Mutterpflanze weg. Während im Flachland die Bienen ganz wichtig für die Bestäubung der Blütenpflanzen sind, übernehmen im Hochgebirge Schwebfliegen, Hummeln und Schmetterlinge diese Aufgabe. Die zarten Schmetterlinge, denen man das wohl am wenigsten zutrauen würde, sind die wahren Überflieger – im wahrsten Wortsinne: Wanderfalter wie Distelfalter, Admiral und Kohlweißling überqueren die höchsten Tauernpässe, flattern noch auf 3.000 Metern herum und bestäuben HöhenrekordKräuter, die bis in diese Hochgebirgslagen vordringen. Durch die Klimaerwärmung geht es immer weiter hinauf. Auch das hat Ferdinand im Laufe der Jahre beobachtet: „Ich habe sogar schon den Schwalbenschwanz in 2.000 Meter Höhe gefunden. Er folgt seinen Futterpflanzen, die in immer größere Höhen vordringen.“ Unter den Hochgebirgsbedingungen kommt es zur Miniaturisierung und zu extrem verringerter Wachstumsgeschwindigkeit. Die Entwicklung der Blüten und Samen verläuft bei 4/2015

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Obwohl der Weg hin und wieder durch felsiges Gelände führt, sind für die Glocknerrunde keine Kletterkenntnisse nötig (1). Der Seppenbauer auf seiner Hochalm weit oberhalb von Heiligenblut (2). Schritt für Schritt: Einige Etappen der Glocknerrunde erfordern viel Ausdauer (3). Jäger versuchen, an der Kalser Höhe auf rund 2.400 Metern die stark wachsende Murmeltierpopulation zu reduzieren (4).

Historisches Bild aus kälteren Tagen: Wie schnell die Alpengletscher verschwinden, zeigt sich am Unteren Karlingerbodenkees. 1984 reichte sein Eis noch bis zum Mooserboden (oben). Heute ist davon nichts mehr übrig. Auch das obere Rifflkees (unten) ist stark zurückgegangen.

vielen Arten, wie zum Beispiel beim Gletscherhahnenfuß oder bei der Zwergprimel, stark verzögert. Manche Flechten wachsen gerade einmal 0,01 bis 0,1 Millimeter pro Jahr. Weiden, die normalerweise viele Meter hoch werden, bringen es nur auf wenige Zentimeter Wuchshöhe. Der Stamm der Krautweide ist kaum fingerdick und steckt meist komplett im Boden. Auch die Äste wachsen unterirdisch, nur die Blätter und Blütenkätzchen schauen heraus. Um nicht so viel Feuchtigkeit zu verlieren, bleiben die Spaltöffnungen der Krautweidenblätter tagsüber geschlossen. Nur nachts öffnen sie sich, um Kohlendioxid aufzunehmen. Die Photosynthese verläuft also in zwei tageszeitlich getrennten Schritten – eine Strategie wie bei einer Wüstenpflanze. Viele der pflanzlichen Lebenskünstler haben sich jedoch nicht nur besondere Tricks ausgedacht, um in ihrem rauen Umfeld zurechtzukommen, sie besitzen auch Eigenschaften, die für Mensch und Tier äußerst nützlich sind, denn sie können so manche Malaise lindern oder heilen.

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GLOCKNERRUNDE terra reiseinfos REICH DER MURMELTIERE Die Glocknerrunde ist eine der schönsten Rundwanderungen in den Ostalpen und alles andere als überlaufen. Auf ihr kann man die Bergwelt der Hohen Tauern sehr intensiv und ohne alpinen Massenrummel erleben. Der Nationalpark Hohe Tauern ist der größte Alpennationalpark und umfasst Höhenlagen zwischen 1.000 und fast 4.000 Metern.

Kräutertee fürs Kalb „In so einen Fall bekommt das Kalb Kamillentee mit Wermut.“ Simon, der Seppenbauer, flößt dem gerade einmal sieben Tage alten Hias den Sud ein. Das Kälbchen leidet an einer Lungenentzündung und hat 40 Grad Fieber. „Manchmal geben wir auch ein bisschen Schnaps dazu“, sagt Simon, während er das Kalb behandelt. Die Zutaten für den Tee kommen von der eigenen Alm, die auf über 2.200 Metern liegt. Bei gutem Wetter kann man von hier zum Großglockner hinüberschauen. In dieser Höhe ist es selbst im Sommer manchmal recht kalt. Der kleine Hias und die Mutterkuh liegen deshalb in einem Alm-Stall, während die anderen Kühe auf der weitläufigen Alm grasen. Dort finden sie eine saftige Kräutermischung, die der Biomilch ihren besonderen Geschmack verleiht. Die Alpenkräuter werden seit jeher auch von den Almbauern als Medizin für die Tiere benutzt. So wird etwa ein Sud aus ausgekochten Enzianwurzeln den Kühen zum Trinken gegeben und mit Arnikaschnaps werden Beinwickel gemacht. Almwirtschaft gibt es rund um den Großglockner noch sehr viel – dank Subventionen, ohne die die Almbauern nicht wirtschaftlich arbeiten könnten. „Almwiesen sind ein besonderer Lebensraum“, betont Ferdinand Rieder. „Der ginge verloren, wenn die Almen nicht mehr bewirtschaftet würden.“ Die Glocknerrundwanderung führt auf weiten Strecken über Almwiesen. Besonders schön ist das Leitertal südöstlich des Großglockners. Es ist ein klassisches Hängetal in einer Höhenlage zwischen 1.800 und 2.600 Metern, ausgeschürft von eiszeitlichen Gletschern. Für jede Almkuh ist es das reinste Paradies: saftiges Grün, soweit das Auge reicht, vom Talgrund mit dem wilden Bergbach bis hinauf zu den immer steiler ansteigenden Hängen. Vom Wiener Höhenweg, der weit oben an der Talflanke spektakuläre Ausblicke bietet, sehen die weidenden Kühe winzig klein aus. Immer weiter geht es hinauf, vorbei an einer bunten Blütenpracht mit Glockenblumen, FetthennenSteinbrech und Edelweiß. Ab 2.500 Metern segeln erste Schnee-

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flocken herab. Noch etwas weiter auf 2.638 Metern ist die wohlig warme Salmhütte erreicht. Während die Wirtin dampfenden Tee und Kaffee aufträgt, setzt draußen dichtes Schneegestöber ein. Bald ist ringsum alles in einen weißen Mantel gehüllt. Und das Mitte August! Das Tal knickt nach Norden und steigt über einige schneebedeckte Stufen bis zum Hohenwartkees an, hinter dem gewaltige, dunkle Felszähne in den Himmel beißen. Alles überragend türmt sich darüber der Großglockner. Wolkenfetzen hängen an seiner Südflanke als wäre es ein rauchender Vulkankrater. Vor rund 200 Millionen Jahren ist die Erde hier tatsächlich aufgeplatzt und hat glutflüssige Gesteinsmassen ausgespuckt. Es war die Geburtsstunde eines Ozeans. Das markant grüne Gestein des Großglockners entstand aus Lava, die damals aus submarinen Spalten quoll. Was vor Millionen Jahren Ozeanboden war, ragt heute als Österreichs höchster Berg mit seiner Schneehaube fast 4.000 Meter in die Wolken – ein begehrtes Gipfelziel: An manchen Tagen drängen bis zu 350 Bergsteiger auf die Glocknerspitze. Da heißt es Schlangestehen im Alpenstau. Auf der Glocknerrunde kann das nicht passieren. Und der Blick auf seine Majestät ist von unten sowieso viel besser. y

Als Geologen und Biologen sind Eduard Goßner und Ulrike Eriksen in allen Teilen der Alpen unterwegs, vor allem in den verschiedenen Nationalparks. Ganz besonders gerne besuchen sie den Nationalpark Hohe Tauern.

Schwierigkeitsgrad Der Schwierigkeitsgrad der Standardroute ist nicht besonders hoch. Es müssen keine Gletscher gequert werden und auch eine Seilsicherung ist nicht nötig. Gleichwohl sind Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich, vor allem aber eine sehr gute Kondition. Die Etappen sind recht lang und nur für gut trainierte Berggeher mit entsprechender Ausrüstung geeignet. Die unten genannten Zeiten sind reine Gehzeiten ohne Pausen. Schon nach der ersten Saison mussten die Angaben zu den Gehzeiten korrigiert werden, weil die Wanderer viel länger brauchten, als ursprünglich gedacht. Wer die Wanderung technisch upgraden will, hat dazu verschiedene Möglichkeiten (siehe Etappe 4 und Etappe 7). Etappe 1 Kaprun – Stausee Mooserboden – Alpinzentrum Rudolfshütte Dauer: 5,5 Std.; F 930 m, G 660 m Etappe 2 Alpinzentrum Rudolfshütte – Kalser Tauern – Gradötzsattel – Sudetendeutsche Hütte Dauer: 6 Std.; F 915 m, G 240 m Etappe 3 Sudetendeutsche Hütte – Hohes Tor – Kals Dauer: 4 Std.; F 170 m, G 1.500 m

Etappe 4 Kals – Peischlachtörl – Glorer Hütte – Salmhütte Dauer: 5 Std.; F 1.380 m, G 140 m Die wesentlich schönere, technisch aber anspruchsvollere Variante: Kals – Lucknerhaus Ködnitz Tal – Johann Stüdl Steig – Glorer Hütte Etappe 5 Salmhütte – Stockerscharte – Margaritzen Stausee – Glocknerhaus Dauer: 3 Std.; F 130 m, G 640 m Etappe 6 Glocknerhaus – Pfandlscharte – Ferleiten – Fusch Dauer: 8 Std.; F 530 m, G 1.840 m Etappe 7 Fusch – Gleiwitzer Hütte – Brandlscharte – Talstation Gletscherbahn Kaprun Dauer: 6,5 Std.; F 1.550 m, G 1.460 m Die wesentlich schönere, technisch aber anspruchsvolle Variante: Fusch – Gleiwitzer Hütte (zusätzliche Übernachtung empfohlen) – Gleiwitzer Höhenweg (einer der schönsten Höhenwege der Ostalpen mit 3.000ern, nur bei guten Wetterbedingungen) – Stausee Mooserboden Die Etappen lassen sich in vielfältiger Weise variieren. In die Rundwanderung einsteigen kann man an jeder Etappe. F und G: Höhenmeter im Auf- und Abstieg

Ausrüstung Bergstiefel mit einer festen Sohle, die in felsigen Bereichen Sicherheit gewährt, sind unerlässlich. Sie sollten aber auch eine vernünftige Dämpfung haben, da die zu bewältigende Strecke doch erheblich ist. Deshalb sollten Rucksackgröße und -gewicht auch nicht zu üppig ausfallen. Nicht sparen darf man an Regenschutz und warmer Kleidung (Handschuhe und Mütze!). Selbst im Sommer muss mit Wettersturz und Schneefall gerechnet werden. Trekkingstöcke sind empfehlenswert. Unterkunft Je nach gewählter Etappeneinteilung reicht der Komfort der Unterkünfte von einfacher Berghütte bis Luxushotel. Eine einfache Reservierung ist durch den Hohen Tauern Nationalpark möglich. Informationen und Pauschalangebote zur Rundwanderung sowie Reservierung von Unterkünften gibt es bei:

y Ferienregion NP Hohe Tauern GmbH Gerlosstraße 18 A - 5730 Mittersill Tel.: 0043 6562 40939 E-Mail: ferienregion@nationalpark.at www.nationalpark.at

Informationen y Kärnten Werbung Marketing GmbH Völkermarkter Ring 21 - 23 A - 9020 Klagenfurt Tel.: 0043 463 3000 46 www.kaernten.at y Tourismusinfo Kals am Großglockner, Ködnitz 7 A - 9981 Kals am Großglockner Tel.: 0043 50 212 540 E-Mail: oberhauser@osttirol.com www.osttirol.com y Salzburger Land Tourismus GmbH Wiener Bundesstraße 23 A - 5300 Hallwang Tel.: 0043 662 6688 0 E-Mail: info@salzburgerland.com www.salzburgerland.com


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