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BRUNECK
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Die Räume, geometrisch verspielt. Das Innenleben, schlicht und gelassen. Ein altes Stadthaus in Bruneck erwacht zu neuem Leben und gewährt völlig neue Perspektiven.
Text: Barbara Tilli
In Oberragen stehen die Häuser in Reih und Glied. Ihre bunten Fassaden und charakteristischen Zinnen verleihen dem alten Stadtviertel in Bruneck noch heute Farbe und Charakter. Wer hier wohnt, lebt nicht auf mehreren Etagen, sondern auf zahlreichen versetzten Ebenen. So liegen die Eingangsbereiche in der Oberstadt ein halbes Stockwerk höher als die Gärten, die Richtung Sternbach blicken. Das Innenleben dieser alten, schmalen Stadthäuser ist geprägt von einem Spiel aus Perspektiven, dem eine abwechslungsreiche Wohnatmosphäre zugrunde liegt. In eines dieser Häuser hat sich das Architekturkollektiv „null17“ hineingefühlt und die Räumlichkeiten zu neuem Leben erweckt. „Wir mussten das Haus befreien. Das Innenleben war ein Schatz, den es vorsichtig freizulegen galt“, erklärt Michael Baumgartner, der die mustergültige Sanierung des Wohnhauses zwei Jahre lang betreute. So lange, bis auch das letzte Detail passte. Der Bauherr hatte keine Eile.
NOCH HEUTE ERINNERT SICH Baumgartner an seinen ersten Besuch, an die „Labe“ im Erdgeschoss, die steilen, abgetretenen Granittreppen und die bauchigen Wände: „Ein wahnsinnig spannender Bestand. Doch da waren auch Elemente, die nicht dazupassten und irritierend wirkten.“ Das Ergebnis mehrerer Adaptionen aus den 70er- und 80er-Jahren. Eine Mischung aus Stahlbetondecken, Stahlwänden und Fliesen, die in Kontrast zum älteren Bestand standen. Von diesen Elementen musste das Haus befreit werden, ohne den Charakter des Gebäudes zu verändern. Ganz nach dem Motto: Erhalten, was erhaltenswert ist – mit dem Ziel, die Haptik, Ästhetik und Großzügigkeit der Räume zu bewahren.
MICHAEL BAUMGARTNER
EBENE UM EBENE arbeiteten sich die Architekten nach oben und sanierten das alte Mauerwerk. Weil die Holzbalken beinahe alle gefault waren und die Tragfähigkeit nicht gegeben war, mussten die bestehenden Decken entfernt und durch Betondecken ersetzt werden. „Das war zunächst eine herbe Enttäuschung“, gesteht Baumgartner. Das Satteldach blieb erhalten, eine Zwischensparrendämmung aus Holzfaserplatten sorgt für die nötige Dämmung. Und auch die Fenster wurden mit Wärmeschutz- und Isolierverglasung ausgestattet. Die ursprüngliche Struktur des Hauses blieb bestehen. Allein durch die unterschiedlichen Raumhöhen wird eine spannende Dynamik erzeugt. Die Verbindung zu den verschiedenen Ebenen bildet ein sogenannter Verteilerraum in der Mitte des Gebäudes, der von einem zentralen Lichthof erhellt wird und das Tageslicht von oben an der unebenen Wand herabfließen lässt. Von dort führen verschiedene Türen in die Küche und in den Wohnraum. Getarnt hinter einer dieser Zimmertüren, versteckt sich ein kleiner Aufzug, der den Eingang sowie den Wohnbereich und die zwei Schlafzimmer im Dachgeschoss auch für Menschen mit Beeinträchtigung erschließt. Hierfür wurde ein Gewölbe durchbrochen. Alle Ebenen zu erschließen, wäre aufgrund der Struktur des Gebäudes kaum möglich gewesen.
BESONDERS VIEL WERT legte der Bauherr auf Materialien und Oberflächen. Die alten Granitstufen wurden sorgfältig gereinigt, die Treppen erhielten ein luftig-elegantes Geländer aus Schwarzstahl und die bauchigen Wände eine neue Oberfläche. Der Zementputz musste weichen. Stattdessen kamen Kalk und Lehm zum Einsatz, zwei der ältesten natürlichen Baustoffe, die sowohl funktionale als auch ästhetische Bedürfnisse erfüllen (siehe Interview auf S. 20). Die Wände sind weit mehr als eine schützende Hülle. Durch ihre Materialität und Gestalt bestimmen sie maßgeblich das Aussehen des Gebäudes, und sie harmonieren auch mit den Böden. Durch sämtliche Räume zieht sich massive Esche, verlegt im Fischgrat. Den letzten Boom feierte das Verlegmuster in den 1960er-Jahren, im alten Stadthaus in Bruneck erlebt es eine Renaissance. Nur im Eingangsbereich ziert ein grauer Naturstein aus Pfunders den Boden. Die verschiedenen Oberflächen bilden einen kontrastreichen und doch nahtlosen Rahmen für ausgewählte restaurierte Möbel der Bauherren, einen Hausaltar, alte Kachelöfen und zeitgenössische Einrichtungsgegenstände, die eigens für das Stadthaus designt wurden. Das Ergebnis: Ein spannender Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart, ausgetragen auf verschiedenen Ebenen, der das zeitgenössische Wohnen in alten Gemäuern neu definiert.
DER MALERMEISTER IM GESPRÄCH
Manuel Moling ist eigentlich Malermeister. Er führt in St. Martin in Thurn ein Familienunternehmen, das sich auf Maler-, Boden- und Stuckarbeiten spezialisiert hat. Die vergangenen Jahre hat er sich vor allem mit seinen Steinspachtelungen einen Namen gemacht. Sein Wachszement kommt mittlerweile in Villen von München bis Mailand zum Einsatz.
In diesem Brunecker Stadthaus musste der Zementputz weichen. Warum kamen Kalk und Lehm zum Einsatz?
Manuel Moling: Kalk ist ein natürliches Bindemittel. Es hat eine hohe Kapillarität und Feuchtigkeitsaufnahmefähigkeit. Das heißt, die Wände können besser atmen. Dadurch, dass Kalk sehr alkalisch ist, wird auch das Schimmelrisiko minimiert. Ganz nebenbei kann man Wände mit Kalkputz sehr einfach reinigen, beispielsweise mit einer fettreichen Kernseife und einem sauberen Schwamm. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Wände weniger elektrostatisch aufladen. Das bedeutet, dass im Vergleich zu Wänden mit herkömmlichen Wandfarben, die viele Kunststoffe enthalten, auch weniger Schmutz und Staub haften bleibt.
Wie wirkt sich Kalkputz auf Haptik und Ästhetik aus?
Es entsteht eine besondere Einheit, Fugenlosigkeit und Glätte, die Struktur bleibt aber deutlich sichtbar. Für die sogenannte Kalkglätte mischt man nämlich Marmormehle und Marmorsande dazu. Dadurch entsteht eine strukturelle Masse, die sorgfältig auf die Wand gespachtelt werden kann.
Ist Kalkputz auch in verschiedenen Farben möglich?
Die Grundfarbe ist immer milchigweiß, man kann den Kalkputz aber auch mit verschiedenen organischen Erdpigmenten einfärben.
Lässt sich Kalkputz auf alle Oberflächen auftragen?
Er kommt selbst in Badezimmern zum Einsatz. Dort kann der Kalkputz zusätzlich mit Bienen wachs versiegelt werden, damit die Wand weniger Feuchtigkeit aufnimmt.
Warum hat man sich im Schlafzimmer für Lehmputz entschieden?
Lehmputz reguliert die Feuchtigkeit und absorbiert Schadstoffe, das ist wichtig für ein natürliches Raumklima. Wände mit Lehmputz sorgen für eine konstante und gesunde Luftfeuchtigkeit in Innenräumen, das schont auch die Schleimhäute.