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LÜCKENFÜLLER MIT STIL
BRIXEN
LÜCKENFÜLLERMIT STIL
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Was tun mit einem nur 4,6 Meter breiten Stadthaus? Dieses Townhouse in der Brixner Trattengasse zeigt: Innovative Architektur vollbringt wahre Platzwunder.
Text: Verena Pliger | Fotos: Gustav Willeit
Hinten eine verkehrsberuhigte Gasse, nach vorne hin idyllische Gärten. Dazwischen eine Häuserreihe, fein säuberlich in Reih und Glied angeordnet. Die Brixner Trattengasse ist ein Paradebeispiel für sensible Verdichtung. Für die optimale Nutzung von Zwischenräumen. Jedes Stadthaus hier ist individuell konzipiert. Jedes steht für sich, schließt mit seinen Brandwänden aber unmittelbar an die Nebengebäude an. Der Brixner Architekt Armin Sader hat selbst in solch einem Stadthaus gewohnt. Mit einer Breite von gerade mal 4,6 Metern im schmalsten der Gasse noch dazu. Vor 100 Jahren, also in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, wurde es als Lückenfüller in das enge architektonische Gefüge eingepasst. Nun hat sein Architekturbüro Asaggio dieses Gebäude zu neuem Leben erweckt. „Indem ich selbst darin gewohnt habe, hatte ich eine enorme Affinität zu diesem Stadthaus“, erzählt Sader. Der Planungsprozess war spannend und anspruchsvoll zugleich. Die Architekten mussten mit einem engen Grundriss auskommen. „Wir mussten es schaffen das schmale Haus breit aussehen zu lassen. Die größte Herausforderung bestand also darin, die einzelnen Funktionen möglichst intelligent anzuordnen“, erklärt Armin Sader.
DIE LÖSUNG: Das 24 Meter tiefe Haus wurde vollständig abgetragen und innerhalb eines Jahres in Massivbauweise neu aufgebaut. Gassenseitig wurde die ortstypische Fassade wiederaufgenommen. Richtung Süden öffnen große Fensterflächen und vorgelagerte Balkone den Blick auf den grünen Innenhof. Im Erdgeschoss wurde Raum für ein Geschäftslokal geschaffen, in den drei Geschossen darüber Raum fürs Wohnen. Die Bauherren haben sich in den beiden Geschossen unterm Dach eingerichtet. Darunter sind für die Kinder zwei jeweils 34 Quadrameter große Wohnungen entstanden. Eine wurde Richtung Gasse, die andere Richtung Garten angeordnet. Dazwischen windet sich das Treppenhaus wie eine Skulptur nach oben. „Zusätzlich ist es uns gelungen, genau in der Mitte dieses sehr schmalen Hauses einen Aufzugsschacht einzubauen. Bei Bedarf kann jederzeit ein Aufzug eingebaut werden“, erklärt der Architekt.
SCHLICHT UND OPTISCH klar zeigt sich das architektonische Konzept. Armin Sader zieht es konsequent über die vier Ebenen. Stile und Materialien hat er auf ein Minimum reduziert. Ob außen oder innen, alle Oberflächen wirken wie aus einem Guss oder, besser gesagt, aus einem Putz. Gemeinsam mit dem Gadertaler Malermeister Manuel Moling (siehe Interview auf Seite 20) hat Armin Sader eine Steinspachtelung entwickelt – voll und ganz abgestimmt auf dieses Stadthaus. Je nach Einsatzgebiet wurde der Putz leicht abgewandelt. So wurde die
Spachtelung an der Außenfassade und im Treppenhaus sehr grobkörnig aufgetragen. Die Steine im Putz sind spürbar und in Sicht. „Eine Steinspachtelung funktioniert auch im Außenbereich ganz hervorragend. Wichtig nur: Um eine Algenbildung zu vermeiden, muss man den Putz möglichst dick auftragen. Ähnlich wie es früher auch Kirchen gemacht haben“, erklärt der Architekt. Nicht ganz so rau und körnig, dafür im selben Farbton, präsentiert sich die abgeschliffene Spachtelung am Boden des Treppenhauses. Und eine sehr kunstvolle Optik ergibt sich im Inneren der Wohnräume. Für Böden, Decke, Wand und Bäder wurde die Spachtelung gewachst und fühlt sich in ihrer Haptik sehr samtig an.
AUCH DAS EINRICHTUNGSKONZEPT zeigt sich einheitlich. Angelehnt und abgestimmt auf die 20er-Jahre, also die Entstehungszeit des Hauses. „Wir wollten das Leitmotiv dieser Golden Twenties modern interpretieren“, erklärt der Architekt. Trotz des Art-déco-Einflusses wirken die Wohnräume sehr clean und ruhig. „Die Bauherren hatten vor dem Einzug große Sorge, die Wohnung könnte kalt und nüchtern wirken. Bedenken, die spätestens nach der ersten Nacht in ihrer neuen Wohnung verflogen sind“, schmunzelt Armin Sader. Er ist überzeugt, dass gerade der Minimalismus und die bewusste Beschränkung auf das Nötigste für wohltuende Ruhe sorgt.
DER ARCHITEKT IM GESPRÄCH
Drei Türme, die wie Baumstämme aus dem alpinen Gelände herauswachsen. Und das mitten auf dem Ploseberg. Über kaum ein Hotelprojekt wurde zuletzt so heftig diskutiert, wie über das Forestis. Es trägt – genauso wie dieses Stadthaus in der Trattengasse – die Handschrift des Brixner Studios Asaggio. Drei Monate nach der Eröffnung haben wir mit Architekt Armin Sader über Kritiker und Corona gesprochen – und eine erste Bilanz gezogen.
Sie haben bislang vor allem Wohnanlagen und Unternehmenssitze geplant. In der Hotellerie hatten sie so gut wie gar keine Erfahrung. War es nicht ein Risiko, ein so großes Hotel zu planen?
Armin Sader: Das war es in der Tat. Das einzige Hotelprojekt, das wir vorweisen konnten, war der Umbau der Zimmer und des Wellnessbereichs im Hotel Stroblhof in Eppan.
Womit konnten Sie also punkten?
Teresa und Stefan, die jungen Inhaber des Forestis, haben uns genau deshalb genommen. Weil wir andere Wege gegangen sind. Sie wussten, von uns bekommen sie keinen Entwurf, den wir bereits in anderen Hotels umgesetzt haben. Und genau das wollten sie – was Eigenes und völlig Neues. Unsere Idee: Die Suiten haben wir in den Türmen untergebracht, alle anderen Bereiche haben wir in den Geländeschnitt eingefügt und unter der Erde mit Glasfassaden ausgekleidet.
Ihr Projekt mit den drei Türmen hat aber auch für ordentlich Kritik gesorgt.
Natürlich hat das Projekt polarisiert. Ein Projekt mit drei Hoteltürmen, so was ist neu im Alpenraum. Ich habe mich aber auf die Kritik – vor allem über die Social- Media- Kanäle – nie eingelassen. Und ich würde alles genauso planen. Wir haben ja vom Volumen das bestehende Haupthaus fünf Mal verbaut. Hätten wir es oberirdisch in die Breite verbaut, dann hätten wir massiv in die Landschaft eingreifen müssen. Indem wir in die Höhe gebaut haben, konnten wir die Natur weitgehend erhalten. Zudem werden die Türme Jahr für Jahr mehr Patina erhalten und sich noch besser an die Landschaft anpassen.
Das Projekt zählt mit einem Investitionsvolumen von über 30 Millionen Euro zu den teuersten Hotel projekten des Alpenraums. Ursprünglich sollte es im Mai eröffnen, dann aber kam Corona. Wurden Sie in dieser Phase nie nervös?
Oh doch, und wie! Vor allem da die Banken nervös wurden. Die Ungewissheit wurde ja mit fortschreitendem Lockdown immer größer. Wir wussten nicht, ob und wie sich der Tourismus erholen wird. Zu denken, dass die Banken den Geldhahn zudrehen könnten und dort oben auf der Plose drei Hotelruinen zurückbleiben – das hat uns natürlich nachdenklich gestimmt. Jetzt kann ich darüber nur schmunzeln. Das Konzept ist aufgegangen, das Hotel hat eine Auslastung von über 90 Prozent. Und hat ein extrem tolles und zahlungskräftiges Publikum. Gäste, die Brixen bislang fehlten. Für mich ist Brixen die schönste Stadt im Land, ich habe aber den Eindruck, dass wir uns bislang unter Wert verkauft haben.
Corona hat sich also nicht negativ ausgewirkt?
Am Anfang war es natürlich ein Drama, die Baustelle stand still, und wir wussten nicht, wann es weitergeht. Am Ende hat uns der Lockdown in die Hände gespielt, der Eröffnungstermin wurde um zwei Monate verschoben. So hatte die Natur Zeit, um sich zu erholen. Hätte das Hotel, wie ursprünglich geplant, im Mai eröffnet, hätten uns die Kritiker noch mehr geprügelt – die Natur rund um das Hotel wäre damals noch nicht richtig angewachsen. Besonders zugute kommt dem Hotel heute auch, dass wir die Sitzplätze im Restaurant als Kojen geplant haben – in Zeiten von Abstandsregeln ein ideales Konzept.