Wenn der Chef das Lernen ernst nimmt.

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Menschen in Unternehmen

Geht doch

Zeit für das Lernen einplanen.

Wenn der Chef das Lernen ernst nimmt Interview mit Prof. Dr. Sybille Sachs von Georg Lutz

Berufsbegleitendes Lernen für Kader und Chefs ist heute keine einsame Angelegenheit mehr. So trifft man sich, im Rahmen von Blended Learning, in Foren zum gemeinsamen Lernen. Auch das Argument «Keine Zeit» zieht nicht mehr. Inzwischen gibt es angepasste Settings. Vor welchem Hintergrund findet heute die Weiterbildung von Verantwortungsträgern in Unternehmen statt. Früher war ich häufig lange Jahre im gleichen Unternehmen tätig. Heute wechsle ich viel öfter und bin manchmal auch Quereinsteiger. Stimmen Sie dieser Bestandsaufnahme zu? Das Fachwissen verändert sich laufend. Dadurch sind auch Chefs und Vertreterinnen und Vertreter der Teppichetagen fast schon gezwungen, sich laufend zu informieren und weiterzubilden. Das bedingt die Entwicklung und Umsetzung von strategisch aufgebauten Weiterbildungskonzepten in Unternehmen. Der zweite Punkt betrifft die Fähigkeit, Gegebenheiten und neue Anforderungen zu reflektieren. Nur mit Reflexionsfähigkeit können neue Trends erkannt und in das Unternehmen implementiert werden. Hier sind viele Unternehmen noch zu wenig sensibel, zudem gibt es viel zu wenig entsprechende Weiterbildungsangebote. Mit was für Typen von Chefs haben wir heute zu tun? Ist der klassische Patron ausgestorben, oder lebt er in einem neuen Mantel fort?

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Die Patrons haben den Vorteil, dass sie sich dem Unternehmen verpflichtet fühlen. Sie sind oft im familiären Umfeld, mit einer spezifischen Idee gross geworden und haben diese über Jahre auch effektiv umgesetzt. Hier ist die Herausforderung die, inwieweit sie in der Lage sind, ihre Ideen neuen Gegebenheiten anzupassen. Wie können sie ihre Ideen weiterentwickeln? In welcher Form besteht die Möglichkeit, dass auch Mitarbeitende in diesen Prozess integriert werden? Das sind meist die zentralen Fragen, wenn der Inhaber eines Unternehmens auch in der Führung aktiv ist. Auf der anderen Seite gibt es heute das «WirPrinzip» in der Führung. Sind «Teamplayer» Realität oder doch eher Wunschdenken? Ich kenne einige Führungspersonen, die das Wir-Prinzip leben. Es gibt aber noch zu wenige davon. Führungsfiguren, die flache Hierarchien vorleben, sind theoretisch bei vielen HR-Verantwortlichen gefragt. Allerdings stehen Karrieremuster, wie sie heute immer noch vorherrschend sind, dem gegenüber im Widerspruch. Denn Führungskräfte werden heute von zwei Seiten her selektioniert: einerseits auf der Basis von Fachkompetenz, andererseits aufgrund der Leis-

tungsbereitschaft. Soziale Kompetenzen wie Begeisterungsfähigkeit und Verhandlungsfähigkeit werden im Vergleich dazu immer noch hinten angestellt. Um das zu verändern, müssen sich die Anreiz- und Beförderungssysteme in Unternehmen verändern. Aber auch die Aus- und Weiterbildungsangebote sollten vermehrt auf Sozialkompetenzen setzen. Da gibt es noch Luft nach oben? Eindeutig Ja. Wir haben zum Beispiel in der Gesundheits- und Pharmabranche festgestellt, dass die oben erwähnten, noch zu wenig beachteten Fähigkeiten, wenn sie dann mal zum Zug kommen, zu vermehrten Innovationen führen. Die Experten sollten in ihrem Unternehmen selbst, aber auch darüber hinaus viel mehr mit Menschen kommunizieren, die einen etwas anderen Blickwinkel auf die betrieblichen Herausforderungen haben. Beim Thema Weiterbildung oder lebenslanges Lernen steht oft das Kerngeschäft im Weg. Dann heisst es «Keine Zeit». Welche strategischen Punkte können Sie hier anreissen, um aus dieser Falle zu entkommen?


Menschen in Unternehmen

Diese Argumentation bildet ein Vorgehen ab, das nicht nachhaltig ist. Wenn die Chefs und Angestellten in einem Unternehmen sich nicht ständig fort- und weiterbilden, kommt es häufig auch nicht zu neuen und innovativen Produkten und Dienstleistungen. Zudem sind wir auch aufgrund der demographischen Entwicklung genötigt, zu handeln. Gerade für Menschen in Unternehmen, die über 45 Jahre alt sind, braucht es Angebote, damit sie beispielsweise mit neuen technologischen Möglichkeiten umgehen können. Wir können die Generation der Baby Boomer nicht alle auf einen Schlag in Pension schicken. Einige Grossunternehmen haben das in letzter Zeit leider praktiziert. Die Volkswirtschaft in der Schweiz kann ein solches Vorgehen künftig nicht mehr verkraften. Hier hoffe ich auf kleine Unternehmen, die auf die Kompetenzen ihrer älteren Angestellten setzen und diese auch gezielt weiterentwickeln wollen. An der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich gehen wir dieses zentrale Thema in der Forschung und Lehre an. Es gibt also noch viel zu tun.

«Das sind Settings, die sich in den beruflichen Alltag integrieren lassen». Neue Technologien, insbesondere Kommunikationstechnologien, können beim Thema beruflicher Weiterbildung weiterhelfen. In welcher Form und Umfang stimmen Sie dieser These zu? Da ist sehr viel Potenzial vorhanden. Hier hilft das Stichwort Blended Learning weiter. Es geht dabei

Wie kann ein Chef die Lernkultur in seinem Unternehmen fördern? Es ist bei kleinen Unternehmen viel einfacher Weiterbildung zu integrieren, wenn die Lernkultur von oben durch den Chef in der Firmenphilosophie verankert wird. In einem grossen Unternehmen, das versucht quasi künstlich die Lernkultur zu implementieren, müssen alle Beteiligten einen sehr hohen Aufwand zu betreiben. Ein kleines Unternehmen muss sich mögliche Kooperationspartner allerdings sehr genau anschauen und prüfen, was organisatorisch und auch finanziell machbar ist. Es geht ja hier häufig um Kleinstinterventionen im Aus- und Weiterbildungsbereich.

Vorbild auch beim Lernen – eine Chefin.

um die richtige Mischung, welche Technologie ich in welcher Form und bei welcher Zielgruppe einsetze. Da sollten die Weiterbildungsinstitute die richtigen Kompetenzen im Angebot haben. Die HWZ hat hier eine spannende Kooperation mit der University of Southern Queensland in Australien, die sich auf Blended Learning spezialisiert hat. Diese Art von Wissensvermittlung braucht vielfältige und professionelle Unterstützung. Das reicht von Chat-Foren bis hin zu unterstützenden und vermittelnden Supervisoren.

Wir sprechen da nicht mehr von Programmen, bei denen der Angestellte einige Wochen nicht mehr an seinem Arbeitsplatz ist? Absolut. Es geht um berufsbegleitende Settings, bei denen es sich um Programme handeln kann, die zwei Mal eine halbe Stunde pro Woche oder einen Tag pro Woche in Anspruch nehmen. Das sind Settings, die sich in den beruflichen Alltag integrieren lassen.

Ja, der Mensch will nicht nur einsam vor seinem Arbeits- und Kommunikationsgeräten lernen. Das ist ja auch der Ursprungsgedanke von Blended Learning, der verschiedene und jeweils passende Mischformen des Lernens propagiert. Ist Blended Learning erfolgreich? Blended Learning hat in den letzten Jahren sehr viele Erfolge verzeichnet. Natürlich gab es vor zwanzig Jahren noch einige Kinderkrankheiten, die sind aber inzwischen überwunden.

Prof. Dr. Sybille Sachs ist Leiterin des «Institute for Strategic Management» an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich. www.fh-hwz.ch

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