Bankberatung? Nein, Danke!

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Im focus

Bankberatung?

Nein, Danke! Bankpleiten und Misstrauen gegenüber Finanzinstituten beherrschen die Medien seit Jahren. Kunden wenden sich zunehmend von ihrer Bank ab, nur um festzustellen, dass es eine Tür weiter gleich abläuft. Was also sind die aktuellen Herausforderungen in der Branche?

Prof. Dr. Jörg Bruckner, Leiter Betriebsökonomie, HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich

Durch neue Kontrollorgane und Regulierungen sollte die Finanzkrise eigentlich gelöst werden. Doch hat sich die Kultur in den Finanzhäusern tatsächlich verändert? Dies scheint fraglich, wenn man sich die Entwicklungen an der Front anschaut. Da wurden erfahrene Berater durch junge und günstigere ersetzt. Assistenten erhielten ein eigenes Kundenbuch und Kundenportfolios wurden aus Effizienzgründen aggregiert oder gar in Callcenter verlegt. So sträubten sich die beiden Schweizer Grossbanken jahrelang ihr Wealth Management-Geschäft zu zentralisieren. Doch genau dies taten sie mit speziellen CallcenterNummern respektive dedizierten, aber standardisierten Paketangeboten.

in diesem Fall sind die Zeiten nichtssagender Floskeln vorbei. Produkte, welche selbst vom Berater nicht mehr verstanden werden, haben es zunehmend schwerer. Und seit den Diskussionen und Entscheiden zu Retrozessionen verlangen Kunden mehr Transparenz und Information. Sie vergleichen die Performance, stellen Gebühren in Frage und glauben nicht mehr an Renditeversprechen ohne eine Risikoanalyse. Mitarbeiterförderung statt blinder Technikeinsatz Doch kennen die Banken ihre Kunden überhaupt noch? Reichen die Daten in den CRM-Systemen für ein solides Bild der Kundschaft? Und sind die Mitarbeitenden durch interne Onlinekurse ausreichend ausgebildet? Die Antwort ist: nein. Junge Bankmitarbeitende studieren zwar berufsbegleitend Wirtschaft, jedoch zunehmend mit einer generellen Ausrichtung statt auf die aktuelle Finanzbranche fokussiert.

Effizienz versus Effektivität Dieses Vorgehen mag zwar Kosten senken, doch der Kunde sucht eigentlich etwas anderes. Er will einen sicheren Hafen und ein empathisches Gegenüber, dem er vertrauen kann. Wechselte in den letzten Jahren der Berater teilweise mehrmals im Jahr, ist die Beratung nun ganz anonymisiert. Unter einem Vermögen von 5 Millionen Franken bekommt man bei einigen Grossbanken nicht einmal mehr einen persönlichen Termin. Stattdessen wird man an den Geldschalter mit den freundlichen, aber hilflosen Auszubildenden verwiesen. Dieser Trend ist auch im Geschäftskundenbereich zu beobachten, wo das Branchen-Know-how auf Bankenseite mehr und mehr schwindet. Doch wie will ein Berater Kredite beurteilen, wenn er das Geschäft nicht versteht?

Fehler kopieren statt draus lernen? Bedeutet das alles nun, dass die kleineren, regionalen Banken gegenüber den Grossen im Vorteil sind? Nicht unbedingt. Kleinere Banken haben am Anfang der Finanzkrise zwar Gelder übernommen und um diese Klientel bedienen zu können, teilweise ganze Beraterteams von den Global Players abgeworben. Dabei prallten Kulturen aufeinander, alteingesessene Kunden waren verärgert, die Authentizität litt und das bisherige Profil der Bank verschwamm zusehends in einer Kopie der Universalbanken. Eine fragwürdige Strategie, die sich mancherorts bereits rächt, wenn Gelder wieder zu den Grossbanken zurückfliessen und Fragen zur strategischen Zukunft offen bleiben.

Performance versus Risiko Nehmen wir mal an, eine Bank setzt weiterhin auf ihre Kundenberater an breiter Front. Auch

Kein Plädoyer gegen Fortschritt Diese Analyse heisst nun aber nicht, dass Technologien verbannt werden sollen. Im Gegenteil!

16 /// ANLEGEN & VORSORGEN /// März 2014

Entscheidend ist jedoch, dass die Technologien als Befähiger mit Mehrwert für Bank UND Kunden dienen. Spannend ist, dass bei vielen Banken Facebook und andere Social-Media-Plattformen lange Zeit intern verboten waren und diese heute plötzlich in- wie extern genutzt werden sollen. Fragt sich nur, ob die Aktivitäten ohne entsprechendes Know-how tatsächlich der Kundengewinnung dienen können. Aufgrund der rechtlichen Einschränkungen ist eine Kundenbetreuung über Social Media ohnehin schwierig. Vielmehr muss der crossmediale Ansatz verstärkt werden, damit der Kunde nicht auf jedem Kommunikationskanal wieder bei Null anfangen muss. Ein Umdenken muss auch bei der Kundensegmentierung stattfinden. Denn auch nach Jahrzehnten der soziologischen Veränderung hin zu Verhaltenstypologien bleiben manche Banken den alten Kategorien treu. Und das, obwohl diese längst überholt sind. Kundenanliegen im Fokus «Customer Centric» lautet das Gebot der Stunde. Das heisst: Der Kunde steht im Mittelpunkt und Veränderungen sind nur in direkter, offener Interaktion mit oder durch Beobachtung der Kunden ausmachbar. Aber nicht – wie just durch den Zürcher Bankenverband geschehen – indem nur die eigenen Kundenberater befragt werden, sondern im Dialog mit den Kunden selbst. Halten wir fest: Es braucht nicht zwingend eine Banklizenz, um eine ernste Konkurrenz für die Banken zu sein. Diese kann später immer noch erworben werden, wie man am Beispiel von Swissquote sehen konnte. Nach neuen Zahlungswegen wie «paypal» und digitalen Währungen wie «bitcoin» stehen Amazon, Google, Facebook und Co. bereits mit weiteren Finanzlösungen am Start. Diese kommen den aktuellen Kundenbedürfnissen weit mehr entgegen als der teilweise sehr generische «Beratungsansatz» der Banken. So better watch out! 


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