Fit für die digitale Welt 2.0?

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Tages-Anzeiger | 24. Mär z 2014

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Digital Business

Fit für die digitale Welt 2.0? Digitale Technologien prägen nicht nur unser persönliches Kommunikationsverhalten – sie beeinflussen auch immer stärker die Geschäftswelt. Gefragt sind deshalb ausgebildete Experten, die sich im Digital Business auskennen und ihr Wissen erfolgsversprechend einsetzen können. Interview mit Prof. Dr. Walter Kuhn Herr Kuhn, ist Digital Business für Unternehmen ein Erfolgsfaktor? Stellen Sie sich vor, wir schalten den Strom aller Computer in der Schweiz für einen Monat ab. Was passiert? Wichtige Branchen wie Banken oder Industrie hätten Probleme, den Erfolg ohne Informatik zu sichern. Schalten wir den Strom daher wieder an. Fest steht, dass immer mehr Unternehmen via Internet mit ihren Kunden in Kontakt treten. Zudem sind die Kunden keine klassischen Kunden mehr – sie sind aktiv und produzieren: manchmal Inhalte und oft auch Meinungen. Gutes Digital Business integriert diese Veränderungen in seine Geschäftsprozesse. Eine Studie des Massachusetts Institute of Technology zeigt, dass die sogenannten «Digirati»-Unternehmen durchschnittlich einen 9 % höheren Umsatz und einen 26 % höheren Gewinn erzielen im Vergleich zu Unternehmen, deren digitaler Reifegrad noch gering ist. Wie fit ist die Schweizer Wirtschaft wenn es um Digital Business geht? Das ist von Branche zu Branche unterschiedlich. Dabei muss man differenzieren zwischen kulturellen Aspekten – also wie man sich in der digitalen «Welt 2.0» mit Kunden und Mitarbeitenden auseinandersetzt – und den technischen Grundlagen, die man benötigt. Viele IT-Unternehmen haben die notwendigen technischen Anforderungen gut realisiert. Andere Branchen erwachen diesbezüglich erst aus dem Dornröschenschlaf. Der Reifegrad bei der Nutzung von Social Media ist grösser als derjenige von Mobile Computing & Communication – im Bereich Big Data stecken viele Unternehmen noch in den Kinderschuhen. Wo besteht Nachholbedarf? Die NSA-Affäre mit dem US-Patriot Act zeigt den Bedarf auf, in der Schweiz eigene Cloud-Lösungen anbieten zu können, um nicht einer

Prof. Dr. Walter Kuhn ist Studiengangsleiter des Masterstudiengangs Digital Business, Schulleitungsmitglied und Leiter des Center for Business Engineering an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich.

Wirtschaftsspionage anheimzufallen. Nutzen Sie z. B. Dropbox? Wenn ja: Wo läuft diese? Bei einer CloudLösung ist eben nicht nur die Wirtschaftlichkeit wichtig; es ist auch der Serverstandort des Anbieters und die Verschlüsselung in der Cloud zu beachten. Potenzial besteht auch bei der Erzeugung und kommerziellen Nutzung digitaler Inhalte. Und als drittes Beispiel ist eine menschengerechte Umsetzung digitaler Lösungen, die auch Emotionalität einbezieht, nicht nur für Social Media wichtig. Gamification-Ansätze wie auch «Likes» sind zwei der Mittel, die noch zu wenig oder falsch eingesetzt werden. Trotz aller Technik muss der Mensch auch in der digitalen Welt im Zentrum stehen, wobei die Technik künftig intelligenter eingesetzt werden wird. Die Nutzung mobiler Geräte in unserer Gesellschaft wächst in einem rasanten Tempo. Inwiefern wirkt sich das auf das digitale Business aus? Diese erweiterte Nutzung ist einer der zentralen Auslöser des Digital Business. Während das mobile Business aus IT-Sicht eine Evolution des E-Business darstellt, ist es für den Rest von uns revolutionär: Wir haben in wenigen Jahren eine Marktdurchdringung von intelligenten mobilen Systemen erreicht, die permanent online sein können. Das alte Versprechen «24 Stunden an jedem

Ort» ist somit für jeden Realität geworden. Machen Sie ein Experiment: Stellen Sie sich morgens in den Zürcher Hauptbahnhof und beobachten Sie, wie viele Menschen online sind, während sie gehen. Das «Internet der Dinge» ist ein weiteres sehr aktuelles Thema. Worum geht es dabei konkret? Es klingt wie Science-Fiction: Viele, oft kleine Endgeräte stehen miteinander und mit dem Menschen in Verbindung. Ein paar Beispiele: Der Sportler, der mit einem Polar-Pulsmesser unterwegs ist und dessen Daten sofort mit einer App ins Internet übertragen werden. Autos, die untereinander in Verbindung stehen und sich gegenseitig aktuellste lokale Verkehrsinformationen wie «in 500 Metern Stau in der Kurve» melden. Smart Devices, mit dem Sie per NFC – einer Funktechnologie – beim Vorbeigehen bezahlen. Das Datenvolumen der Kommunikation zwischen Systemen wird dasjenige, das von Menschen direkt verursacht wird, bald um ein Vielfaches übersteigen. Dabei entstehen viele Daten, die verschiedenartig ausgewertet werden können. Der Begriff «Big Data» ist in aller Munde. Was genau verbirgt sich dahinter? Big Data ist ein unglücklich und unscharf definiertes Schlagwort. Zentrale Merkmale von Big Data sind die

Aspekte der Heterogenität der Daten, der Geschwindigkeit der Aktualisierung und Auswertung sowie das schiere Volumen an Daten. Gestützt wird dies durch hohe Vernetzung und breitbandige Verbindungen. Stellen Sie sich vor, Sie würden alle TwitterDaten in Echtzeit auswerten, um herauszubekommen, was im Minutentakt aktuelle Themen und Trends in der Schweiz sind, um damit in Echtzeit darauf reagieren zu können. Und was bedeutet das für Unternehmen? Firmen müssen überlegen, wo ihnen Big Data einen Mehrwert bringt, wie bessere Kundenanalysen oder Mustererkennung. Ein Beispiel: Wenn viele Personen nach einem Grippemittel nachfragen, analysiert ein geeigneter Anbieter hier in Echtzeit, wo dies stattfindet und welche Konsequenzen sich für ihn daraus ergeben können. MAS Digital Business Der MAS Digital Business an der HWZ befasst sich mit der Strategie und der Umsetzung der digitalen Hauptthemen: «Enterprise 2.0» und dem damit verbundenen Kultur-, Prozess- und TechnologieWandel. Fokusthemen sind: Mobilität und Kommunikation, Social Media, Crossmedia und Big Data. Der Masterstudiengang setzt sich aus fünf Zertifikatsstudiengängen (CAS) zusammen, von denen drei zusammen mit einer grösseren praktischen Arbeit zum Master­ titel führen. Auf den Transfer von Theorie zu Praxis wird grossen Wert gelegt; dementsprechend sind in allen CAS praktische Umsetzungen enthalten. So können Mobile-Strategien für die eigene Firma erarbeitet, der Einsatz von Datenanalysen eingebracht oder die eigene digitale Strategie entwickelt werden. Mehr Infos unter: www.fh-hwz.ch/MASDB


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