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Ein Leben im #technologischen Wandel
from SUMO #38
„Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung selbst.“ Heraklits rund 2.500 Jahre altes Zitat gilt auch für den heutigen Drang nach Innovation. SUMO hat sich im Zuge des 25-jährigen Jubiläums des Medienausbildungsstandorts Fachhochschule St. Pölten auf die Suche nach Antworten begeben, wie Verantwortliche mit Change-Prozessen umgehen und dabei versucht, Veränderung zu konkretisieren. Dazu sprach SUMO mit Geschäftsführer Gernot Kohl und Wolfgang Römer, Professor am Department Medien und digitale Technologien.
Der Begriff „Veränderung“ umfasst in der Theorie eine Vielzahl an Definitionen. Grundlegend kann man aber davon ausgehen, dass Veränderung eine Abweichung von einem bestimmten Zustand ist. Um der Sache näher auf den Grund zu gehen, hat sich SUMO gemeinsam mit Wolfgang Römer an einem Beispiel versucht, das eine Situation in Folge einer Veränderung darstellen soll, die uns allen bekannt ist.
Fragen Sie sich einmal selbst, wann Sie sich zuletzt in den Spiegel gesehen haben. Vermutlich erst heute, bevor Sie das Haus verlassen und sich auf den Weg in die Arbeit begeben haben. Ist Ihnen dabei etwas aufgefallen? Vermutlich nicht! Vielleicht noch ein letztes Mal die Haare zurechtgerückt und auf in die Arbeit. Dabei stellt das „Vermutlich NICHT“ in der unternehmerischen Praxis ein Phänomen dar, das sich schnell zu einem Problem entwickeln kann. Man spricht dann auch oft von einer sogenannten Betriebsblindheit, also wenn man sich routinemäßig an einen Zustand gewöhnt, der auf Dauer nicht mehr hinterfragt wird, sodass Möglichkeiten hinsichtlich einer Veränderung gar nicht mehr wahrgenommen werden.
Um sich einer Veränderung erst bewusst zu werden, bedarf es zum einen an Zeit, die einem erst klar macht, in welch einer komplexen Welt, getrieben von Vorsprung und Innovation, wir eigentlich leben. Selbst der Mensch ist angesichts des Alterns tagtäglich Teil einer humanen Veränderung, und das ist auch der Grund, weshalb Ihnen gestern vor dem Spiegel vermutlich nichts aufgefallen ist, denn die grauen Haare kommen nicht einfach über Nacht. Gehen wir einen Schritt weiter und nehmen an, dass Ihnen graue Haare gewachsen sind, dann gäbe es zwei Varianten, wie sie reagiert hätten. Variante A, Sie können es kaum fassen, geraten in Panik und aufgrund dessen verpassen Sie die Bahn, die Sie pünktlich zur Arbeit bringen würde. Oder Variante B, Sie nehmen es offen hin, verlassen das Haus pünktlich und im besten Fall ist es Ihren Arbeitskolleg*innen nicht einmal aufgefallen. Dass Menschen eher dazu neigen, auf Veränderung zu reagieren – wo es sichtlich schon zu spät ist – anstelle zu agieren – dem vorzeitigen Befassen obliegt zwar der subjektiven Perspektive des einzelnen Individuums, ist aber tendenziell von großer Bedeutung hinsichtlich der normativen Ebene: also der Fähigkeit zu erkennen, inwiefern die Veränderung einen Einfluss auf etwas hat. Offenheit ist dabei der Schlüssel zum Erfolg, wenn es darum geht, Veränderung nicht nur wahrzunehmen, sondern auch damit richtig umzugehen. Dass die Schwierigkeit im Erkennen von Veränderung selbst und darüber hinaus im Erkennen von möglichen Zusammenhängen liegt, die sich positiv oder auch negativ auf angrenzende Prozesse und der Umwelt auswirken können, begründet Wolfgang Römer damit, dass Veränderung mit Unsicherheit und oft mit Angst einhergeht. Diese Faktoren grenzen uns Menschen in unseren Entscheidungen und schlussendlich auch in unserem Tun ein. Denn egal, ob Sie sich für Variante A oder B entscheiden, ändern können Sie die Situation in keinem der beiden Fälle. Fakt ist aber, dass bei Variante A die Veränderung eine negative Auswirkung auf Sie und Ihr Umfeld hat, die es vor allem in der Wirtschaft, aber auch im persönlichen Leben zu vermeiden gilt, so Römer, der Herbert Grönemeyer zitiert: „Stillstand ist der Tod, geh voran, bleibt alles anders.“
Wirft man einen Blick auf die Medien, dann wird einem schnell klar, dass mit der Implementierung des Internet nichts mehr so ist, wie es früher einmal war. Eine Welt ohne „Smart“ ist kaum mehr vorstellbar, vor allem nicht für die jüngeren Generationen. Geschäftsführer Gernot Kohl nahm SUMO mit auf eine kleine Zeitreise. Vor 25 Jahren wurde über eine Initiative der Landeshauptstadt St. Pölten der Grundstein für eine Bildungsstätte gelegt, die Teil der wohl größten Veränderung des letzten Jahrhunderts – der Digitalisierung – ist und sich im Zuge dessen auch selbst immer wieder verändern und anpassen musste. Die Fachhochschule (FH) St. Pölten zählt zu den bedeutsamsten Bildungs- und Forschungseinrichtungen in Österreich. Ziel ihrer Gründung 1996 war es, eine zukunftsorientierte Bildungsstätte zu errichten. Für dieses Projekt lagen einige Themenschwerpunkte vor. Schlussendlich wurde durch Mitglieder des Fördervereins der Fachhochschule der Bereich der Telekommunikation als Schwerpunkt näher in Betracht gezogen und als tragende Säule in der Organisation verankert. Mit dem damaligen einzigen Studiengang „Telekommunikation und Medien“ stellte man aufgrund der Veränderung um die Jahrhundertwende im Bereich der Medien und Telekommunikation schnell fest, dass dieser Bereich weitere Potenziale verbirgt. So kristallisierten sich die Vertiefungen „Medienwirtschaft“ sowie „Medientechnik“ heraus, die bald sehr nachgefragt wurden. 2004 hatte die Institution erstmals 1.000 Studierende und erhielt den Titel Fachhochschule, so Gernot Kohl im Interview mit SUMO. Innovation und Qualität waren von Beginn an wichtige Bestandteile des Projekts FH und Treiber in Phasen der Entscheidungsfindung. Im Laufe der Jahre und aufgrund der stetig steigenden Studierendenanzahl wurden die Qualitätskriterien immer höher und man erkannte, dass die Kapazitäten und die Technik, die einen praxisnahen Unterricht möglich machen sollen, den Anforderungen nicht mehr entsprachen. Weiteres führte Gernot Kohl im Interview aus: „Daraufhin hat die Landeshauptstadt St. Pölten 2007 in die Erweiterung der Fachhochschule investiert und einen Campus errichtet, der als Medienausbildungsstätte den nötigen Platz sowie modernste Technik im Bereich der Radio- sowie TV-Technik bietet.“ Auch inhaltlich habe sich im Laufe der Jahre einiges getan, konstatiert Wolfgang Römer. Er kann sich noch gut an eine Zeit als Dozent dazumal erinnern, in der aufgrund des technologischen Wandels gerade in der Medienbranche es zu zahlreichen Umbrüchen im operativen Tagesgeschäft vieler Unternehmen kam. Neue Produkte kamen auf den Markt, mit ihnen eine Veränderung im Konsum und einer Veränderung, die neue Maßstäbe für Unternehmen und ihre Märkte setzte. So wurden bestehende Unternehmen technologischer und zugleich vernetzter. Dies ermöglichte ihnen einen neuen Zugang zu dem, was sie alle am Leben erhält: die Wertschöpfung. Ressourcen mussten effizienter eingesetzt werden, was dazu führte, dass starre Organisationen nicht mehr auf ihren Prozessen beruhen durften, da sie sonst die Anforderungen sowie die Interessen und Bedürfnisse hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Akteur*innen (Kund*innen, Lieferant*innen...) nicht mehr befriedigen konnten. Flexibilität war somit gefragt. Diese neuen Anforderungen schufen Potential für neue innovative Ideen, wodurch neue Märkte entstehen, die auch infolgedessen neuen Unternehmen die Möglichkeit bot, sich auf diesen Märkten zu etablieren und neue Maßstäbe zu setzen. Dass diese Veränderung so weit ging, dass sich nicht nur die operative Ebene an die neuen Gegebenheiten anpasste, sondern man sich auch aufgrund der Intensität strategisch neu ausrichten musste, dass sogar bis hin zu einer Adaption der Firmenphilosophie und somit der Seele eines Unternehmens führen kann, zeigt, wie wichtig es dann doch ist, Veränderung selbst aktiv mitzugestalten oder im Optimum selbst als Unternehmen, Veränderung einzuleiten und nicht erst im Nachhinein auf Veränderung zu reagieren. Denn nur so würden Wettbewerbsvorteile generiert und Ressourcen am effizientesten eingesetzt, wenn in diesem Zusammenhang das Potential der Veränderung erkannt und verstanden wurde. Aufgrund dessen haben sich auch kontinuierlich die Curricula der Studiengänge des vormaligen Departments „Medien und Wirtschaft“ immer wieder geändert. Dies führte dazu, dass sich nicht nur die Wissensvermittlung seitens der Lehrenden veränderte, sondern auch das Verständnis der Studierenden hinsichtlich medialer Kommunikation.
Dass Veränderung somit nicht immer leicht von der Hand geht und oftmals auch auf Widerstand stößt, ist darauf zurückzuführen, dass der Mensch bestehende Gewohnheiten nur ungern aufgibt beziehungsweise umformt. SUMO hat an dieser Stelle gefragt, wie man gerade in der Funktion des Entscheidungsträgers am besten agieren soll, sodass man im Sinn der Verantwortung anderen gegenüber nicht selbst in Gefahr läuft, ungeplant von der Veränderung überholt zu werden. Unabhängig von persönlichen Nuancen sind sich die Experten vor allem in dem Punkt sicher, dass Veränderung ALLE in einer Organisation betrifft. Dass der eine oder die andere im Unternehmen sich auch die Frage stellt: Weshalb müssen wir uns verändern, ist ein Zeichen, dass man gerade im Change-Prozess auf die Meinungen anderer hören sollte und demnach auch alle in den Prozess zu integrieren. Auch das frühzeitige Kommunizieren dürfe dabei nicht vergessen werden, da das Erkennen von etwas Neuem immer die schlechteren Argumente hätte, so Wolfgang Römer. Jetzt könnte man behaupten, dass gerade in Zeiten von COVID-19 der Ausbau der FH mit einem weiteren Gebäude sich nicht gelohnt hätte und man viel eher in Equipment zur Sicherstellung der Fernlehre investieren hätte sollen. Nichtsdestotrotz weist der Geschäftsführer der Fachhochschule St. Pölten daraufhin, dass man davon ausgehen kann, dass auch die Pandemie irgendwann ein Ende haben wird und die Studierenden an die FH zurückkehren werden, da die Lernkurve aufgrund der Interaktion im Hörsaal eine Bessere ist als zuhause vor den Bildschirmen.
Fakt ist, die Berufs- wie auch Studienwelt wird sich weiter verändern, Innovationen und neue Medien entstehen und sie werden Märkte wie Gesellschaften beeinflussen.
von Michael Haas
Wolfgang Römer Copyright: privat
Gernot Kohl
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