Artikel 5: Die Schiefergas Revolution

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Die Schiefergas Revolution Die Förderung von Schiefergas hat in den USA zu einer weitreichenden Veränderung in der Energieindustrie geführt und hat auch Auswirkungen auf den weltweiten Energiemarkt. Die Prämisse von immer knapper werdenden fossilen Energieträgern scheint durch diese neue Entwicklung erschüttert zu sein. Was waren die Voraussetzungen und Gründe dieser Entwicklung und wird Schiefergas in Zukunft auch außerhalb der USA die Energielandschaft verändern? Schiefergas zählt zum unkonventionellen Erdgas und unterscheidet sich in seiner Bildung und Zusammensetzung nicht vom konventionellen Erdgas. Die Art der Lagerstätten und die dadurch erforderliche Technologie zur Förderung des Erdgases weichen jedoch erheblich vom herkömmlichen Erdgas ab. Schiefergas ist in undurchlässigen oder nur schwer durchlässigen Tonsteinen (Schiefer) gespeichert. Die Gewinnung ist technisch viel schwieriger und aufwendiger und verursacht dadurch höhere Kosten als die Förderung von konventionellem Erdgas. In Anbetracht der schwindenden konventionellen Erdgasreserven versuchten amerikanische Firmen seit einigen Jahrzehnten neue Fördertechnologien zu entwickeln. Durch die Kombination von „horizontal drilling“ (horizontale Bohrtechnik) und „hydraulic fracturing“ oder „hydraulic fracking“ (hydraulische Rissbildung) gelang ein technologischer Durchbruch, der es möglich machte Schiefergas zu fördern. Vorkommen von Schiefergas sind oft mit konventionellen Lagerstätten verbunden.

Wie funktioniert „Fracking“?


Erst die hohen Erdöl- und Gaspreise seit Anfang des vergangenen Jahrzehnts machten die Schiefergasförderung auch wirtschaftlich profitabel. Eine andere wichtige Voraussetzung für den rasanten Anstieg der Schiefergasproduktion in den USA war die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen im Jahre 2005 durch den US Kongress, wodurch es den Öl- und Gasfirmen erlaubt wurde, die aus umweltpolitischer Sicht umstrittene Technologie des „hydraulic fracking“ anzuwenden.

Graph 1

USA: Gasproduktion und Gaspreis (Bill. Kubikfuß) 30

Schiefergas

konventionelles Gas

25 20 15 10 5 0

(US$/ mmbtu) 10 9 Gaspreis 8 7 6 5 4 3 2 1 0

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: EIA / US Department of Energy

Während im Jahre 2000 Schiefergas nur knappe 2% der gesamten Gasproduktion in den USA ausmachte, waren es im Jahre 2012 bereits 38%. Durch die steigende Produktion des Schiefergases ist die USA im Jahre 2009 zum größten Gasproduzenten der Welt aufgestiegen und hat Russland auf Platz zwei verwiesen. Dank der Schiefergasförderung werden die USA in den nächsten Jahren ihren gesamten Erdgasbedarf aus heimischen Quellen abdecken und zusätzlich Gas exportieren können. Laut neuesten Prognosen des US-Energieministeriums (EIA/DOE) wird die Schiefergasproduktion in den kommenden Jahrzehnten weiter ansteigen und im Jahre 2040 einen Anteil von über 50% an der Gesamt-Gasproduktion erreichen, während die Produktion von konventionellem Gas nur geringfügig zunehmen wird (Graph 2). Als Folge der steigenden Gasproduktion sind die Gaspreise in den USA von mehr als 10 $/mmbtu1 im Jahr 2008 auf unter 3 US$/mmbtu im Jahr 2012 gesunken und betrugen 3,7 US$/mmbtu im

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Im angelsächsischen Raum werden Gaspreise meist in BTU‘s (british thermal units) angegeben, mmbtu steht für Millionen btu


Jahre 2013. Bemerkenswert ist auch, dass es in den USA seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts zu einer Entkoppelung der Gaspreise vom Erdölpreis gekommen ist.

Graph 2

Der Gasmarkt ist in den USA liberalisiert und der Preis richtet sich weitgehend nach dem Marktgegebenheiten. In Europa und Japan sind die Gaspreise viel höher, weil sie zu einem erheblichen Teil an die Erdölpreise gekoppelt sind und meist in langfristigen Verträgen festgelegt sind. Gas kostete im Jahr 2013 in Europa mehr als dreimal so viel und in Japan sogar mehr als viermal so viel als in den USA (Graph 3). Neueste Prognosen gehen davon aus, dass es als Folge vermehrter Gasproduktion in den USA und den daraus resultierenden LNG-Exporten nach Europa und Asien in den kommenden Jahren auch in Europa und Japan zu spürbaren Gaspreis-Senkungen kommen wird, während die Preise in den USA leicht ansteigen werden. Die Preisunterschiede in den drei Wirtschaftsregionen werden so längerfristig geringer werden. Durch das gestiegene Angebot an Erdgas in den USA wird vor allem bei der Stromgewinnung vermehrt Kohle durch Erdgas ersetzt, was zu einer Verringerung von Kohlendioxid und anderer Luftschadstoffe führt und somit eine positive Auswirkung auf die Erreichung der Klimaziele hat. Diverse Studien belegen, dass die Schiefergasindustrie weitreichende positive Auswirkungen auf die Wirtschaft der USA hat und dazu beitrug viele neue Arbeitsplätze zu schaffen. Einerseits erlebten der Energiesektor und die damit verbundenen Industriezweige zur Errichtung der notwendigen Infrastruktur, wie z. B. die Stahlindustrie einen starken Aufschwung. Andererseits profitierten vor allem die energieintensiven Industriesektoren, wie die Chemie-, Stahl-,


Aluminium- und Kunststoffindustrie durch die niedrigen Gaspreise und haben somit an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Ländern gewonnen. Da Erdgas ein wichtiger Rohstoff für die Chemie- und Kunststoffindustrie ist (z.B. Herstellung von Plastik, Textilien, Düngemittel etc.) erlebt dieser Industriesektor durch das steigende Angebot an Gas und durch die niedrigen Preise einen erheblichen Aufschwung. Die niedrigen Kosten für Gas kommen auch den privaten Haushalten und dem gewerblichen Bereich zugute.

Graph 3

Gaspreise und Ölpreis im Vergleich (US$ / mill btu) 20 Japan LNG cif Deutschland: durchschnittliche Gas-Importpreise cif

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USA Gas Preis - Henry Hub 1/ Erdölpreis: OECD Länder cif

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0 2013

2012

2011

2010

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

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1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

Quellen: BP Statistical Review of the World Energy 2013, Worldbank-Commodity Prices 1/ Henry Hub( Louisiana) ist das wichtigste Verteilerzentrum für Gas-Pipelines in den USA

Nach neuesten Schätzungen des US-Energieministeriums (Energy Information AdministrationEIA) belaufen sich die Schiefergasressourcen weltweit auf 7795 Billionen Kubikfuß (220 Billionen m3). Dabei handelt es sich um die mit den derzeit zur Verfügung stehenden technischen Mitteln förderbaren Vorkommen, unabhängig davon, ob die Förderung auch wirtschaftlich sinnvoll ist. In diesen Schätzungen sind nicht alle Schiefergasvorkommen erfasst, wie z.B. jene im Nahen Osten, in weiten Teilen Afrikas und in der Kaspischen Region. Schiefergaslagerstätten sind auf alle Kontinente und auf viele Länder verteilt. Allerdings teilen sich sechs Länder weit mehr als die Hälfte der Schiefergasvorkommen: USA, China, Argentinien, Algerien, Kanada und Mexiko (Tabelle 1). In welchem Ausmaß die Vorkommen in Ländern außerhalb der USA wirtschaftlich sinnvoll genützt werden können, bleibt abzuwarten. Das hängt zum einen von den geologischen Gegebenheiten der jeweiligen Schiefergasvorkommen, der bereits vorhandenen Infrastruktur und dem technischen Know-how der Förderfirmen ab, andererseits spielen die Akzeptanz der


Bevölkerung bezüglich der Schiefergasförderung und die politischen Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. In den USA befinden sich viele Schiefergasvorkommen in kaum besiedelten Gebieten, während zum Beispiel in Europa Schiefergasreserven in dichtbesiedelten Regionen liegen.

Graph 4

Derzeit werden in den USA und in Kanada Schiefergas in wirtschaftlich relevanten Mengen gefördert. China und Australien produzieren bereits kleinere Mengen an Schiefergas. In Argentinien befindet sich die Produktion noch in der Testphase, und auch in einigen anderen Ländern werden Testbohrungen durchgeführt (z.B. in Polen, Großbritannien und Indonesien). China hat sich bezüglich der zukünftigen Schiefergasproduktion ehrgeizige Ziele gesetzt, da einerseits die Energienachfrage ständig wächst und andererseits durch vermehrten Einsatz von „sauberem“ Gas, vor allem im Elektrizitätssektor, Kohle ersetzt wird, um so der zunehmenden Umweltverschmutzung entgegenzuwirken.

Auch viele europäische Länder verfügen über erhebliche Schiefergasvorkommen, wobei nach jetzigem Wissensstand Polen und Frankreich die größten Vorkommen haben. Wegen der möglichen Umweltschäden, die bei der Schiefergasgewinnung entstehen können, ist man in Europa noch skeptisch und in vielen Ländern ist der Einsatz des „Fracking“ bis auf weiteres verboten. Ende Jänner 2014 hat die EU Kommission den Entwurf eines europäischen Energie- und


Klimaschutzpakets bis zum Jahr 2030 vorgestellt. Darin wird grundsätzlich die Förderung von Schiefergas empfohlen, wenn bestimmte Auflagen erfüllt werden. Die Kommission gibt "Mindestgrundsätze vor, die die Mitgliedsstaaten befolgen sollten, um Umwelt- und gesundheitliche Bedenken auszuräumen und Betreibern und Investoren die Vorhersehbarkeit zu gewährleisten, die sie benötigen"2. Von Umweltschutzorganisationen gab es harsche Kritik zu dieser EU Empfehlung, da man anstatt mehr Geld in erneuerbare Energien zu investieren vor der Schiefergaslobby kapitulieren würde. Tabelle 1

Risiken und Chancen der Schiefergasgewinnung Welche Gefahren bringt die Förderung von Schiefergas für die Umwelt? Umstritten ist vor allem die Methode, mit der Schiefergas gefördert wird. Beim „Fracking“ wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und giftigen Chemikalien unter hohem Druck tief ins Erdreich gepresst. Kritiker sehen darin eine Gefahr für das Grundwasser. Außerdem kommen beim „Fracking“ enorme Wassermengen zum Einsatz, welche dann für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung stehen.

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Europäische Kommission (2014.) Umwelt: Europäische Kommission empfiehlt Mindestgrundsätze für Schiefergas. Pressemitteilung Brüssel, 22. Januar 2014. http://europa.eu/rapid/press-release_IP-14-55_de.htm


In vielen Regionen der Welt gibt es bereits jetzt Wasserknappheit. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass durch den ungeheuren Pressdruck beim Fracking Erdbeben entstehen können. Befürworter der Schiefergasförderung führen an, dass durch das enorme Potential in vielen Ländern auf viele Jahrzehnte hinaus Erdgas zur Verfügung stünde. Erdgas gilt als sauberere Alternative zu Kohle und Öl, da bei der Verbrennung weniger Kohlendioxid und andere Luftschadstoffe freigesetzt werden. Damit könnte die Zeit, bis der Energiebedarf vollständig aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden kann, „klimafreundlicher“ überbrückt werden. Für viele Länder, welche Gas importieren, würde die Abhängigkeit von einigen wenigen ErdgasExportländern reduziert und somit die Sicherheit der Energieversorgung erhöht werden (Beispiel Russland). Mehr Angebot an Erdgas würde auch außerhalb der USA zu einer signifikanten Senkung der Gaspreise beitragen und so auf diverse Wirtschaftssektoren, in welchen Gas entweder als Energiequelle oder als Rohstoff genutzt wird, eine positive Auswirkung haben. Ob und wie schnell die Schiefergasförderung in Zukunft weltweit Verbreitung finden wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Der technologische Fortschritt spielt dabei eine wichtige Rolle. Wenn es gelingt die Fördertechnologien zu verbessern, sodass die möglichen Umweltschäden minimiert werden, so könnte das ein wichtiger Schritt zu mehr Akzeptanz auch in jenen Ländern führen, die sich bislang gegen das „Fracking“ ausgesprochen haben. Bereits bestehende Infrastrukturen, wie Pipelines, technisches Knowhow und Besiedelungsdichte spielen auch eine bedeutsame Rolle. Nicht zuletzt werden die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen eine wichtige Voraussetzung dafür sein, ob die Schiefergasproduktion in Zukunft auch außerhalb der USA eine wichtige Rolle im Energieangebot spielen wird. Die Ukraine-Krise und die daraus resultierenden geopolitischen Veränderungen könnten dazu beitragen, dass man auch in Europa die Schiefergasproduktion vorantreibt, um die Gas-Importabhängigkeit von Russland zu verringern. Anmerkung: Milliarden (109)entsprechen den im angelsächsischen Raum verwendeten Billionen und Billionen (1012) entsprechen den im angelsächsischen Raum verwendeten Trillionen.

Monika Psenner - Energie-Expertin


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