Artikel 4: Energie aus Erdgas: Beitrag zu einer „sauberen“ Energieversorgung?

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Energie aus Erdgas: Beitrag zu einer „sauberen“ Energieversorgung? Erdgas ist mit einem Anteil von 21% am globalen Primärenergieverbrauch hinter Erdöl und Kohle der drittwichtigste Energieträger. Es gilt als umweltfreundlicher, "sauberer" fossiler Brennstoff, da es verglichen mit Erdöl und Kohle die geringsten Kohlenstoffdioxid-Emissionen (CO2) aufweist und auch weniger andere Schadstoffe bei der Verbrennung freisetzt. Sieht man sich die verschiedenen Prognosen an, so besteht Konsens darüber, dass der Gasanteil am globalen Energiemix in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter stark ansteigen wird. Während Erdöl und Kohle weltweit im Zeitraum von 2011 bis 2035 nur ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 0,5% bzw. 0,7% verzeichnen, wird für Erdgas ein Wachstum von 1,6% prognostiziert. Laut Schätzungen der Internationalen Energiebehörde (IEA) wird der Anteil von Gas am PrimärEnergiebedarf von 21% im Jahre 2011 auf 24% im Jahre 2035 ansteigen.

Graph 1

Die Hauptursachen für das starke Wachstum sind einerseits die Klimafreundlichkeit von Erdgas und andererseits die weltweite Verfügbarkeit und die großen Reserven/Ressourcen von Erdgas. Im Vergleich zu Erdöl und Kohle gilt Erdgas als emissionsärmster Brennstoff. Bei der Verbrennung von Erdgas wird erheblich weniger Kohlendioxid (CO2) freigesetzt als bei gleichem Energiegewinn mit Erdöl und Kohle. CO2 trägt wesentlich zur Klimaerwärmung bei und eine Reduzierung des CO2Ausstoßes ist deshalb dringend erforderlich. Auch andere Verunreinigungen, wie Schwefeldioxid, Ruß und andere Partikel-Emissionen sind bei der Erdgasverbrennung wesentlich geringer als bei Kohle und Erdöl. Kohle verursachte im Jahre 2011 mit 44% die größten CO2-Emissionen, gefolgt


von Erdöl mit 35% und Erdgas mit 20%. Verglichen mit Gas, setzt Kohle fast doppelt so viele CO2Emissionen frei (Graph 2). Zur Erreichung der klimapolitischen Zielsetzungen ist deshalb der zunehmende Verbrauch von Erdgas bei gleichzeitiger Verringerung von Kohle und Erdöl von großer Bedeutung.

Graph 2

Erdgas besteht zum größten Teil aus Methan. Gelangt Methan bei der Erdgasförderung direkt in die Erdatmosphäre, wirkt es dort als Treibhausgas und trägt somit sehr stark zur Klimaerwärmung bei. Das kommt vor allem dann vor, wenn Erdgas bei der Erdölförderung als Begleitgas in die Atmosphäre entweicht oder wenn es lediglich abgefackelt wird. Die Abfackelung (englisch: flaring) wird dort eingesetzt, wo eine andere Nutzung für das Gas finanziell uninteressant ist, z.B. in entlegenen Gebieten, in denen es keine Infrastruktur für den Export gibt. Obwohl die Erdgas-Förderländer versuchen das Begleitgas soweit als möglich zu nutzen, wurden im Jahre 2011 immer noch circa 3,6% des weltweiten Gasverbrauchs abgefackelt. Russland und Nigeria gehören zu den Ländern mit den größten Mengen an ungenutztem Gas, das in die Atmosphäre gelangt oder abgefackelt wird.

Gas „Flaring“


Anders als beim Erdöl wird die Verfügbarkeit von Erdgas zur Energiegewinnung auch langfristig bei steigendem Bedarf nicht durch die Vorratslage limitiert sein. Die Erfolge bei der Erschließung nicht-konventioneller Erdgasvorkommen, wie zum Beispiel Schiefergas, vor allem in den USA, haben die weltweite Angebotssituation wesentlich verbessert. Erdgasvorräte gibt es auf allen Kontinenten und in sehr vielen Ländern, wenn auch in ungleichmäßiger Verteilung. Mit fast 20% der weltweiten Erdgasproduktion stehen die USA an erster Stelle, gefolgt von Russland, Katar, dem Iran und Kanada. Auch beim Verbrauch sind die USA mit 20,9% die Nummer 1, vor Russland, dem Iran, China und Japan. Die fünf wichtigsten Exportländer sind Russland, Qatar, Norwegen, Kanada und Algerien. Bei den Importen rangiert Japan mit 12% an erster Stelle, vor Deutschland, den USA, Italien und Südkorea (Tabelle 1). Die USA werden sich dank der steigenden Schiefergasproduktion noch vor 2020 von einem Nettoimporteur zu einem Nettoexporteur entwickeln.

Tabelle 1

Der Gasverbrauch wird weltweit in allen Regionen ansteigen, vor allem für die Nicht-OECD Länder werden hohe Wachstumsraten prognostiziert. Ein starkes Wirtschaftswachstum, die damit einhergehende Industrialisierung, der wachsende Strombedarf und die Erschließung heimischer Ressourcen sind dafür ausschlaggebend. Asien wird mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 3,4% im Zeitraum 2012 bis 2035 die größte Steigerung verzeichnen, verursacht vor allem durch den steigenden Energieverbrauch in China und Indien. In Indien wird sich der Gasverbrauch bis 2035 fast verdreifachen und in China sogar vervierfachen. Auch in Afrika mit 3,2%, im Mittleren Osten mit 3% und Süd- und Mittelamerika mit 2,8% wird der Erdgasverbrauch


stark zunehmen. Als Folge von Effizienzsteigerungen und einem niedrigen Bevölkerungswachstum werden für Nordamerika und Europa inklusive der GUS-Staaten nur moderate Wachstumsraten von durchschnittlich 0,8% und 0,9% vorausgesagt.

Graph 3

Weltweiter Erdgasverbrauch 2012-2035 Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten: 2012-2035

(Mill. toe*) 5000 4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0

3.4% 3.2% 3.0% 0.9% 2.8% 0.8%

2012 Nordamerika

2015

Süd- & Mittelamerika

Quelle: BP World Energy Outlook 2014

2020

2025

Europa & GUS Staaten

2030 Mittlerer Osten

2035 Afrika

Asien und Pazifik

*toe = Tonnen Erdöläquivalent

Betrachtet man die einzelnen Sektoren, so ergibt sich ein differenziertes Bild. Das stärkste Wachstum verzeichnet der Transportsektor mit 6,8% im Zeitraum von 2012 bis 2035, allerdings ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau. Derzeit gibt es weltweit geschätzte 17,7 Millionen mit Gas betriebene Fahrzeuge, das ist lediglich ein Anteil von 1,7% an der gesamten weltweiten Fahrzeugflotte, die weit über eine Milliarde beträgt. Laut IEA könnte dieser Anteil bis 2035 auf 4,8% ansteigen. Zwei Drittel der mit Gas betriebenen Fahrzeuge entfallen auf Nicht-OECD Länder und werden hauptsächlich in Asien und Lateinamerika genutzt. Innerhalb der OECD gibt es nur in Italien und Südkorea eine nennenswerte Anzahl von mit Gas betriebenen Fahrzeugen. Es ist derzeit schon möglich aus Gas, Produkte wie Benzin, Diesel und andere Erdölprodukte herzustellen, allerdings ist das Verfahren sehr aufwendig und kostspielig. Amerikanische Forscher arbeiten derzeit an einem kostengünstigeren Herstellungsverfahren. Anfang März 2014 hat der Energiekonzern Shell ein neues Motoröl auf den Markt gebracht, das aus Gas gewonnen wird. Solche Erfindungen tragen dazu bei, dass Erdöl in mehr Bereichen durch Gas ersetzt werden kann, als jetzt der Fall ist. Positive Effekte dieser Entwicklungen sind weniger CO2-Emissionen und eine Verringerung der Abhängigkeit vom Erdöl.


Im Industrie- und Elektrizitätsgewinnungssektor betragen die durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten im Zeitraum 2012-2035 1,9% und 1,8%. In der chemischen Industrie dient Gas als Rohstoff zur Herstellung von Plastik, Ammoniak und Stickstoffdünger u.v.a. Auch in der Eisen- und Stahlindustrie spielt die Nutzung von Gas eine wichtige Rolle. Das bei der Stromerzeugung eingesetzte Erdgas produziert nur halb so viele CO2-Emissionen wie die herkömmliche Stromerzeugung mit Kohle und fast gar keine Schwefelemissionen. Mittel- bis langfristig wird Gas den Einsatz von Kohle bei der Stromerzeugung OECD-weit verdrängen. Gaskraftwerke zeichnen sich durch einen sehr hohen Wirkungsgrad aus und haben ein großes Potenzial, als Regelkraftwerke in Kombination mit den fluktuierenden erneuerbaren Energien (z.B. Windenergie) eingesetzt zu werden. Vor allem die Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke (GuD Kraftwerke), in welchen die Prinzipien eines Gasturbinenkraftwerkes und eines Dampfkraftwerkes kombiniert werden, erreichen einen sehr hohen Wirkungsgrad.

Graph 4

Weltweiter Gasverbrauch nach Sektoren 2012-2035 (Mill. toe*)

Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate: 2012-2035

5000 4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0

1.5 % 1.9%

1.8% 6.8% 2012

2015

2020

2025

2030

2035

Transport Elektrizitätsgewinnung Industrie Andere Sektoren Quelle: BP World Energy Outlook 2014 *toe = Tonnen Erdöläquivalent

Anders als bei Erdöl gibt es für Erdgas keinen Weltmarkt, sondern es bestehen nur regionale Gasmärkte, die weitgehend unabhängig voneinander funktionieren. Die drei wichtigsten Märkte sind Nordamerika, Europa und Asien. Als Folge der steigenden Schiefergas-Produktion kam es in den USA in den vergangenen Jahren zu einem starken Preisverfall auf dem Gasmarkt. Im Jahr 2013 waren die Gaspreise in Europa fast dreimal so hoch wie in den USA und in Japan betrugen sie sogar das Vierfache. Der amerikanische Markt ist weitgehend liberalisiert und die Preise richten sich nach dem Spotmarkt. In Europa und Asien ist ein erheblicher Teil der Gaspreise in langfristigen Lieferverträgen festgelegt, wobei die Preise teilweise an den Erdölpreis gekoppelt sind. Der zunehmende Handel mit LNG (Liquified natural gas - verflüssigtes Erdgas) trägt zu einer größeren Diversifizierung bei und es wird mittel- bis langfristig zu einer Globalisierung des


Gasmarktes kommen. Dadurch werden die Preisunterschiede in den einzelnen Märkten zunehmend geringer werden.

LNG-Tankschiff Erdgas wird entweder über Pipelines transportiert oder als LNG (verflüssigtes Erdgas) mit speziellen LNG-Tankschiffen befördert. Beim Transport in Pipelines verbleibt das Gas in seinem gasförmigen Zustand, wird jedoch stark komprimiert um durch das verminderte Gasvolumen eine höhere Transporteffizienz zu erreichen. Beim Transport in Form von LNG wird das Erdgas in einer Gasverflüssigungsanlage auf -164°C abgekühlt und unter atmosphärischem Druck verflüssigt, so dass das ursprüngliche Volumen des Erdgases auf ein Sechshundertstel reduziert werden kann. Das LNG wird dann in LNG-Tankern transportiert. Im Importland wird das Gas in speziellen LNGTerminals wieder in seinen gasförmigen Zustand zurückversetzt, bevor es in die Verteilerpipelines eingespeist wird. Der größte LNG-Exporteur ist derzeit Katar, gefolgt von Australien und Malaysia. Der globale Erdgashandel mit LNG- und Pipeline-Transportsystemen ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1


Durch den Bau neuer Pipelines und durch den zunehmenden Handel mit LNG werden die Gasimporte und Gasexporte in allen Regionen der Welt in den kommenden Jahren und Jahrzehnten stark wachsen. Vor allem im Asiatischen Raum wird es starke Zuwächse geben. So werden sich in China die Gasimporte bis 2035 verdreifachen. Gas-Exporte/-Importe werden laut neuesten Prognosen weltweit um jährlich durchschnittlich 3,7% bis 2030 wachsen, der LNGHandel wird um 4,3% ansteigen, während Gas, das in Pipelines transportiert wird, um 3% zunehmen wird. Im Jahre 2001 betrug der Anteil von LNG an den Gesamt-Erdgasexporten nur 26%, im Jahre 2012 stieg er auf 32% an und im Jahre 2035 wird er voraussichtlich bereits 46% ausmachen.

Graph 5

Weltweite Gasexporte

(Milliarden m3)

PROGNOSE

2500 Pipeline

LNG

2000 966

1500 1000 298 500

143 411

189 26%% 74%

533

31%

328 32%

69%

706 68%

26% 74%

46%

1.134 54% 678

0 2001

2005

2010

2012

2035

Quelle: BP Statistical Review of the World Energy 2013 & BP Energy Outlook 2013 rld Energy

Erdgas wird in der globalen Energieversorgung in den kommenden Jahrzehnten an Wichtigkeit zunehmen. Dank der weitverbreiteten Verfügbarkeit und der großen Erdgasvorräte sowie der konkurrenzfähigen Kostenstruktur wird der Erdgasverbrauch wesentlich stärker wachsen als der Verbrauch von Erdöl und Kohle. Der steigende Trend bei den LNG-Exporten wird die Flexibilität des Gasmarktes weiter verbessern und somit die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Erdöl und Kohle erhöhen. Durch den wachsenden LNG-Markt kann zudem die Versorgungssicherheit besser gewährleistet werden, da die Abhängigkeit von einigen wenigen Erdgaslieferanten, wie das jetzt vor allem in Europa der Fall ist (Importe aus Russland), abnehmen wird. Verglichen mit Erdöl und Kohle hat Erdgas die geringsten CO2-Emissionen und auch andere Schadstoffe, wie Schwefeldioxid und Ruß sind bei der Erdgasverbrennung wesentlich geringer als bei Kohle und Erdöl. Deshalb spielt Erdgas bei der Erreichung der klimapolitischen Ziele eine zentrale Rolle. Erdgas wird vielfach als „Brückenenergie“ hin zu einer Energiewende mit erneuerbaren Energien und weg von den fossilen Energieträgern gesehen.

Monika Psenner - Energie-Expertin


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