Fine Das Weinmagazin 1|2010 - Leseprobe

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E U R O P E A N F I N E W I N E M A G A Z I N E D           · Ö          · S       · S            · G               · U S A · A         

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DA S WEI NMAGA ZIN

Fr aue n im We in : C armen Stev ens

De r Wi nze r Armi n Di e l

Chât e au Pa l mer

C h am pagne K r u g

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K l o s t e r Eb erbac h: R a r i t ä t en- Sensat ion

We i n kos mos S ü da f r ika J A H R G Ä N G E R I E S L I N G


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DA S WEINM AGAZI N

ÂťEs gibt nur eine Art, Krug wirklich zu erleben: man muss seine PersĂśnlichkeit an der eigenen messenÂŤ

â t e a u Pa l m e C hDer Charmeur aus Margaux r Text: JAN ERIK PAULSON

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Fotos: PEKKA NUIKKI

In der Geschichte der Weine aus dem Bordelais gab es immer wieder Jahrgänge, in denen sich ein einzelner Wein durch seine auĂ&#x;ergewĂśhnliche Qualität deutlich von allen anderen abhob und als ÂťWein des JahrgangsÂŤ Geschichte schrieb. In den meisten Fällen handelte es sich dabei um Premier-Cru-Weine. Besonders bekannte Vertreter dieser legendären Jahrgänge sind beispielsweise der Mouton 1945, der Margaux 1900, der Lafite 1870 und der Haut Brion 1989. Doch auch einige wenige Weine ohne Premier-Cru-Status haben es geschafft, in diesen erlesenen Kreis aufzusteigen. Das bekannteste Beispiel hierfĂźr ist wohl der 1961-er von Château Palmer – die herausragende Qualität dieses Weines hat das Château in die Elite der jetzt so genannten Super Seconds befĂśrdert, wenngleich es bei der Klassifikation von Bordeaux-Weinen im Jahr 1855 streng genommen nur als Troisième Grand Cru eingestuft worden war. Erste BerĂźhmtheit erlangte dieser Ausnahmewein im Rahmen der

Aber was macht Champagne Krug so aussergewĂśhnlich? Text: CHRISTIAN GĂ–LDENBOOG

Fotos: MARC VOLK

Beginnen wir mit einem Rßckblick, mit einer Konversation, die vor fßnfzehn Jahren stattfand. Mein Problem mit Champagner ist das Gedächtnis. Ich wßnschte, ich hätte in Bereichen,

legendären Dr.-Taams-Weinverkostung, die 1978 in Holland stattfand

wo ich es wirklich bräuchte, dasselbe ErinnerungsvermÜgen. Ich mache mir selten Notizen

und in deren Rahmen die Experten den Château Palmer 1961 vor allen

in der Champagne. Die Informationen speichern sich wie Kopien in meinem Gehirn ab.ÂŤ

Premier Crus zum Gewinner gekĂźrt hatten.

Vielleicht ist Champagner die LÜsung Ihrer Probleme. Vier Jahre später kommentierte Caroline Krug diese Konversation zwischen ihrem Vater RÊmi und mir mit den Worten: Hat er wirklich Champagner gesagt? Sicher meinte er, dass Krug die LÜsung Ihrer Probleme ist.

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Seite 40 Château Palmer

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Seite 50 Champagne Krug

Die D ol l ase Kol umne

Wein & Speisen

Wein im Klima-Wandel (IV)

ÂťUNSERE WEINBERGE LIEGEN MANCHMAL AUF DER STRASSEÂŤ

JĂźrgen Dollase bei Heinz Winkler in der Residenz Heinz Winkler in Aschau

Lars Maack, Besitzer des renommierten sĂźdafrikanischen Weinguts

Es gibt manchmal schon erstaunliche Entwicklungen. Der Chef eines der kreativsten deutschen Res-

Buitenverwachting nahe Kapstadt, Ăźber Gluthitze, extreme Regen-

taurants klagte vor kurzem ßber eine merkwßrdige Erscheinung. Es gebe da Gäste, die es ablehnten,

gĂźsse, zu trockene Sommer und zehn Zentimeter Wachstum der

eine normale Menge Wein zum Essen zu trinken, und zwar mit der Begrßndung, dass sie sich sonst nicht genug auf die Feinheiten des Essens konzentrieren kÜnnten. Er ärgert sich verständlicherwei-

Reben an einem einzigen Tag. Der deutsche Winzer mit Wurzeln

se darĂźber, weil so zwar das Essen gewĂźrdigt wird, die Kalkulation eines Restaurantbesuchs aber

in Hamburg lebt und arbeitet seit zwanzig Jahren in Constantia,

grĂźndlich durcheinander gerät. Was ist da passiert? Nach wie vor gibt es – speziell in Frankreich –

nur wenige Kilometer von der AtlantikkĂźste entfernt.

noch häufig die Formel: Zwei Personen gleich zwei Flaschen Wein pro Essen, eine weiĂ&#x;e, eine rote.

Interview: UWE KAUSS Fotos: JOHANNES GRAU

Fotos: GUIDO BITTNER

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W E I N & S P E I S E N

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Seite 62 Wein & Speisen: Residenz Heinz Winkler

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Seite 100 Wein im Klimawandel: Lars Maack

Frauen im Wein: Dritte Fol g e

Wie der Mann, so der Wein Wer mit ihm SpaĂ&#x; haben will, braucht selbst Statur: Armin Diel und sein BedĂźrfnis nach Komplexität

Es geht nicht um die Farbe meiner Haut – nur mein Wein ist wichtig Carmen Stevens, Winemaker bei Amani

Text: SuSanne ReiningeR Fotos: JohanneS gRau ein spätsommerlicher Samstagvormittag in Stellen­ bosch, SĂźdafrika. Die TerrassentĂźren des zweistĂścki­ gen Weinguts amani sind weit geĂśffnet und geben den Blick auf den groĂ&#x;zĂźgigen, lichtdurchfluteten innenraum frei: linkerhand ein Kamin umrahmt von Bistrotischen. in der Mitte des Raumes ein Ăźber­ dimensionaler esstisch, an dem zwei junge Frauen sitzen, angeregt ins gespräch vertieft. Davor, auf dem groĂ&#x;en roten Teppich, zwei kleine Mädchen, die mit konzentrierter Miene ein Puzzle zusam­ mensetzen. Die zierliche Frau mit dem garçon­ schnitt schlĂźpft flink in ihre silbernen Pantoletten, als sie uns entdeckt, und eilt uns entgegen. Âťich bin Carmen Stevens, die Weinmacherin hierÂŤ, begrĂźĂ&#x;t sie uns mit mädchenhaftem Lachen und festem handgriff. ÂťDas sind Victoria und Caitlin, meine beiden Kinder!ÂŤ Die grĂźĂ&#x;en wohlerzogen, zupfen dabei schĂźchtern an ihren orangeroten Blumen­ kleidchen, die sie aussehen lassen wie Zwillings­ schwestern. Âťich bin die groĂ&#x;e, ich komme die­ ses Jahr in die Schule, und Mami geht auch wieder zur SchuleÂŤ, sprudelt Caitlin heraus, dabei unter­ streicht sie ihre Worte mit einem Blick, der keinen Widerspruch duldet. Carmen Stevens lächelt milde Ăźber die erläuterung ihrer Ă„ltesten: ÂťStimmt, heute habe ich mir frei genommen, aber sonst lerne ich an den Wochenenden fĂźr meinen Master of Wine, im Juni schreibe ich ein examen, und bis dahin habe ich noch eine Menge zu lernenÂŤ. 104

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Seite 104 Frauen im Wein: Carmen Stevens

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eine gibt es, deren Genuss sich unweigerlich mit einer Person verbindet. Diejenigen vom Schlossgut Diel zählen dazu. Und merkwßrdig, in der Erinnerung wirkt Armin Diel immer hochgewachsener als in Wirklichkeit. Text: GERO VON RANDOW

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Seite 136 Armin Diel

Fotos: JOHANNES GRAU

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I N H A LT SÜDAFRIKA

Mythos Riesling Die Jahrhundert-Geschichte von Aufstieg, Fall und Wiedergeburt eines grossen Weins

EIN WEINLAND SCHLIESST ZUR ELITE AUF – FRISCHER WIND VOM KAP DER GUTEN HOFFNUNG

Text: UWE KAUSS

Es ist still im Kloster. Ein eiskalter Wind durchzieht die jahrhundertealten Räume, die idyllischen Wege um die Gebäude

Text: UWE KAUSS Fotos: JOHANNES GRAU

sind verschneit und vereist. Ein einsamer Tourist hat die Hände tief in die Taschen seiner Daunenjacke vergraben und Der Begründer des südafrikanischen Weinbaus war Niederländer. Vom Wein verstand er nicht

durchquert eilig und fröstelnd den gewaltigen Schlafsaal der Mönche. Unten im ehemaligen Cabinet-Keller von Kloster

viel. Und bleiben wollte er an der Küste des südlichen Afrikas eigentlich auch nicht. Dennoch

Eberbach bei Eltville im Rheingau brennen Kerzen auf den Fässern. Wer von draußen durch das Holztor hineinschlüpft,

bestellte Jan van Riebeeck im Jahr 1655 bei seinem Auftraggeber, der Ostindischen Kompanie,

empfindet es fast als heimelig warm. Die Augen gewöhnen sich schnell ans Halbdunkel der durch die Jahrhunderte des

eine gehörige Menge Reben. Die mächtigen Herren des Rates in Amsterdam wunderten sich und

Weinlagerns tief schwarz gefärbten Gewölbe. In den Fässern reiften einst die allerbesten Weine aus den besten Lagen des

fragten zurück, »ob denn das gesamte Kap mit Weinreben bepflanzt« werden solle. Bereits 1652

Klosters, manchmal dutzende Jahre lang, bis sie für sehr viel Geld den Besitzer wechselten. Heute gucken Besucher kurz

ließ der dreiunddreißigjährige Arzt auf der Route nach Malaysia an jener Küste ankern, an der

durchs rostige Gitter zu den historischen Fassreihen; die Schätze aus dreihundert Jahren Weingeschichte liegen ein paar

heute die 2,6 Millionen Einwohner große Metropole Kapstadt entstanden ist. Mit an Bord sei-

Meter nebenan. Der älteste Wein, der dort unter perfekten Bedingungen lagert, stammt aus dem Jahre 1706. Um einhundert

nes Schiffes reisten neunzig Calvinisten. Sie fuhren, wie viele andere Schiffe der Handelsverei-

Weine aus hundert Jahrgängen ist diese Schatzkammer nun ärmer. Die Hüter dieses Schatzes haben sie für eine Verkostung

nigung, nach Indien auf der von dem Portugiesen Vasco da Gama entdeckten Route entlang des

mit Weinkritikern, Journalisten, Experten, Winzern und Sterneköchen geöffnet. Sie sind betrachtet, beschnuppert und

Kaps der Guten Hoffnung, der Südspitze Afrikas. Dort nahmen sie wertvolle Ladung: Gewürze,

getrunken worden. Einhundert Jahrgänge Riesling. Weingeschichte von 1846 bis 2009 im Glas. Darunter dreiundzwanzig

Pfeffer, Tee und Kaffee. Riebeeck verstand schnell, dass sich Landschaft, Böden und das milde

trockene Rieslinge bis zurück zum Jahr 1896. Allein sieben Cabinet-Weine aus dem 19. Jahrhundert. Eine kleine Sensation.

Klima in der Bucht am Tafelberg hervorragend für Ackerbau und Viehzucht eignen würden. Anstatt nach Malaysia weiter zu segeln, baute er mit seinen Mitreisenden das Fort de Goede Hoop und gründete eine Versorgungsstation: die Cape Colony. Handelsschiffe sollten hier auf halber Kloster Eberbach: Im uralten Fasskeller der Mönche eine Atmosphäre von Ruhe und Abgeschiedenheit

Strecke nach Indien frisches Wasser, Gemüse, Fleisch und Proviant aufnehmen können. Südafrikanische Weinlandschaft, unweit von Kapstadt: Weite Rebhügel unter hohem Himmel

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Seite 24 Jahrhundert-Tasting

Seite 36 Die Stuart Pigott Kolumne

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Seite 72 Weinland Südafrika

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Seite 18

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Die Geschichte des Rieslings

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FINE Editorial

Thomas Schröder

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FINE Degustation

Die Fine-Kriterien

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FINE Rheingau

Mythos Riesling

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FINE Degustation

100 Jahrgänge Rheingauer Riesling

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FINE Die Pigott Kolumne

Weltwein Riesling

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FINE Bordeaux

Château Palmer

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FINE Champagne

Champagne Krug

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FINE Die Dollase Kolumne

Wein & Speisen: Heinz Winkler

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FINE Südafrika

Ein Weinland schließt zur Elite auf

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FINE Interview

Lars Maack über Wein im Klimawandel

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FINE Frauen im Wein

Carmen Stevens

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FINE Lifestyle

Gaggenau Room

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FINE Die Zielke Kolumne

Reiner Wein: Mit PS und PP

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FINE Das Große Dutzend

Champagne Veuve Clicquot

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FINE Weinprobe & Kunst

Château Mouton Rothschild 1992 bis 1999

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FINE Nahe

Armin und Caroline Diel

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FINE Abgang

Ralf Frenzel

Seite 114 AvantgardeWeinkeller

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Kloster Eberbach: Im uralten Fasskeller der MÜnche eine Atmosphäre von Ruhe und Abgeschiedenheit

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Mythos Riesling Die Jahrhundert-Geschichte von Aufstieg, Fall und Wiedergeburt eines grossen Weins

Text: UWE KAUSS

Es ist still im Kloster. Ein eiskalter Wind durchzieht die jahrhundertealten Räume, die idyllischen Wege um die Gebäude sind verschneit und vereist. Ein einsamer Tourist hat die Hände tief in die Taschen seiner Daunenjacke vergraben und durchquert eilig und fröstelnd den gewaltigen Schlafsaal der Mönche. Unten im ehemaligen Cabinet-Keller von Kloster Eberbach bei Eltville im Rheingau brennen Kerzen auf den Fässern. Wer von draußen durch das Holztor hineinschlüpft, empfindet es fast als heimelig warm. Die Augen gewöhnen sich schnell ans Halbdunkel der durch die Jahrhunderte des Weinlagerns tief schwarz gefärbten Gewölbe. In den Fässern reiften einst die allerbesten Weine aus den besten Lagen des Klosters, manchmal dutzende Jahre lang, bis sie für sehr viel Geld den Besitzer wechselten. Heute gucken Besucher kurz durchs rostige Gitter zu den historischen Fassreihen; die Schätze aus dreihundert Jahren Weingeschichte liegen ein paar Meter nebenan. Der älteste Wein, der dort unter perfekten Bedingungen lagert, stammt aus dem Jahre 1706. Um einhundert Weine aus hundert Jahrgängen ist diese Schatzkammer nun ärmer. Die Hüter dieses Schatzes haben sie für eine Verkostung mit Weinkritikern, Journalisten, Experten, Winzern und Sterneköchen geöffnet. Sie sind betrachtet, beschnuppert und getrunken worden. Einhundert Jahrgänge Riesling. Weingeschichte von 1846 bis 2009 im Glas. Darunter dreiundzwanzig trockene Rieslinge bis zurück zum Jahr 1896. Allein sieben Cabinet-Weine aus dem 19. Jahrhundert. Eine kleine Sensation.

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ieter Greiner blickt ein wenig nervös in die Fernsehkameras und die Objektive der Fotografen. Er setzt behutsam den Korkenzieher auf den Flaschenhals. Seine andere Hand umfasst die Flasche, auf deren Etikett »1846er Steinberger Auslese« und darunter »Originalfüllung aus dem Herzogl. Nassauischen Cabinets-Keller« zu lesen ist. Der Geschäftsführer der Hessischen Staatsweingüter Kloster Eberbach zieht routiniert den Korken heraus und riecht daran: »Kein Korkton«, sagt er zu den Fotografen und Kameraleuten. Greiner lächelt gespannt. Er gießt einen winzigen Schluck ins bereitstehende Glas, während die Kameras näherkommen und die Fotoapparate blitzen. Greiner riecht und kostet. Sein konzentrierter Blick entspannt sich. »Betörende Frische. Trockene Früchte. Harmonie!« Greiner strahlt und schweigt einen Moment. Schließlich ruft er: »Geschichte! Ein Riesling aus der Zeit vor der Deutschen Revolution!« Ein paar Minuten später schwenken die zwanzig von den Staatsweingütern Kloster Eberbach, dem VdP und Fine geladenen Verkoster den Wein. Und tatsächlich: Frische! Dazu Aromen nach antikem Holz und eine Ahnung von kandierten Früchten, am Gaumen füllige, präsente Noten nach Kaffee und Sherry mit guter Länge. »Viel Blume, stahlig und geistig.« »Elegant, fein und hochreif.« Diese Verkostungsnotizen des 1846-er Steinberger Cabinet wurden 1893, also vor

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einhundertsiebzehn Jahren, im Buch »Die Weine des herzoglich nassauischen Cabinetskellers« veröffentlicht. Und zu dieser Zeit war der Wein schon siebenundvierzig Jahre alt. Der Autor, Hofrat Dr. Conrad Schmitt, hatte ihn neben vielen anderen analysieren lassen: Demnach hatte er 7,3 Prozent Alkohol und rund sechs Gramm Säure. Schon zur Mitte des 19.Jahrhunderts war dieser Wein eine Kostbarkeit wie heute nur die besten Bordeaux aus besten Jahrgängen: Ein halbes Stückfass, also knapp sechshundert Liter, erzielte bei der Auktion des Jahres 1853 im Kloster den stolzen Preis von 5820 Gulden. Dies entsprach dem Fünfzehnfachen des Durchschnittsgehaltes eines Lehrers, der etwa vierhundert Gulden pro Jahr verdiente. »Noch höhere Preise« für den Steinberger seien durch »einzelne Verkäufe aus der Hand erzielt« worden, berichtet der Mainzer Johann Wirth in seinem 1866 erschienenen Buch »Die Weinorte im Rheinlande«. Seine akribische Aufstellung über Orte, Lagen, Böden, Traubensorten, Winzer, Erntemengen und Weinpreise ist eine frühe Version heutiger Weinführer. Auch die Winzer der umliegenden Orte wie Eltville oder Oestrich verlangten seiner Auflistung zufolge für ein Stückfass Riesling aus guter Lage zu dieser Zeit zwischen fünfhundert und etwa zweitausend Gulden. Denselben Preis erzielten auch die Güter in Nierstein und Bingen. Weine aus dem Hügelland des heutigen Rheinhessen – meist Silvaner, Traminer und ein wenig Riesling – waren dagegen schon für zwei- bis vierhundert Gulden pro Stückfass zu bekommen. Der Rüdesheimer Weinhändler Johannes Baptist Sturm verlangte Ende der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts für eine Literflasche des 1846-er Steinberger satte einundzwanzig Gulden, also rund zwei Drittel des Monatsgehaltes eines Lehrers. Das würde heute etwa dem Preis eines bestens gelagerten 1947-er Pétrus entsprechen, der aktuell um zweitausend Euro zu haben ist. Der 1861-er war sogar noch teurer: Er kostete fünfunddreißig Gulden, viel mehr als ein Monatsgehalt. Diese Jahrgänge waren der erste glanzvolle Höhepunkt des Rieslings, dessen Verbreitung dreihundert Jahre zuvor begann. Im 15. Jahrhundert ist die Existenz der Sorte erstmals schriftlich belegt, und 1601 erließ beispielsweise das St. Stephansstift zu Mainz, »daß alle freien oder auszurodenden Weinberge mit Riesling bestockt werden« sollten. 1716 begann der Fürstabt zu Fulda, die alte Benediktiner-Abtei Johannisberg im Rheingau wieder aufzubauen; 1720 ließ er in seinen Weinbergen 294.000 Riesling-Reben pflanzen. 1803 schreibt der Pater und Kellermeister von Johannisberg, Johannes Staab: »In dem ganzen Rheingau darf keine andere Traubensorte zur Verfertigung der Weine gepflanzt werden, als nur Rüßlinge.« Einige Jahre zuvor hatte die Sorte auch an der Mosel ihren Durchbruch: Der Trierer Kurfürst und Erzbischof Clemens Wenzeslaus von Sachsen erließ 1787 eine Verordnung zum ausschließlichen Anbau von »besseren Reben« anstelle der »rheinischen Reben«. Das Schreiben des Verwalters konkretisierte das Vorhaben: »Bei Anpflanzung neuer Stöcke sollten die Lehnleute gehalten sein, puren grünen Riesling und grünen Kleinbergs sich zu gebrauchen.« Wie weit die Sorte zu Beginn des 19. Jahrhunderts bereits verbreitet war, beschreibt detailliert der Heidelberger Hofgärtner Johann Metzger in seinem 1827 erschienen Werk »Der rheinische Weinbau in theoretischer und praktischer Beziehung«: Unter den regionalen Synonymen »Rießling«, »Rißling«, »Rößling«, »krauser Rößling« und »Klingelberger« werde er angebaut, und zwar »ziemlich häufig an der Mosel, am Niederrhein, im Rheingau, in der Gegend von Mainz bis Worms, am Haardtgebirg, am Main, an der obern Bergstraße, am Neckar, in der Gegend von Pforzheim, im Elsaß und selten im Breisgau«, dazu »in Klingenberg am Main und in der Gegend von Würzburg«. Für Dr. Fritz Schumann, Präsident der Gesellschaft zur Erforschung der Geschichte des Weins, ist diese Entwicklung einfach zu erklären: »Jeder Landesherr war um gute Weinqualität bemüht, denn jeder erhielt seinen Wein ja aus der Abgabe des Zehnten seiner Untergebenen. Die Weinbauern


wollten dagegen ihren Anteil mit möglichst wenig Aufwand an die Fürsten liefern.« Daher bauten sie früh reifende, ertragsstarke und unempfindliche Sorten an, etwa Elbling, Heunisch, Silvaner, Traminer oder den längst verschwundenen Orleans. Dass der Riesling eine ganz besondere Sorte war, hatten die Zeitgenossen längst verstanden. Die Weinbau-Experten dieser Jahrzehnte lobten ihn überschwenglich – doch sie mahnten: Wer Riesling pflanzt, braucht den richtigen Boden. Denn das Aushauen eines Weinbergs hatte für die Bauern eine ganz andere Tragweite als heute. Bis ins 17. Jahrhundert ließ man eine gerodete Weinfläche bis zu zehn Jahren ruhen, bevor sie erneut bepflanzt werden durfte. Nach dem Setzen der Reben blieb ein Weinberg zudem sieben Jahre lang abgabenfrei, weil die fürstlichen Verwaltungen keinen nennenswerten Ertrag erwarteten. Auch Johann Metzger warnte eindringlich: »Der Riesling liefert zwar einen ausgezeichneten Wein, aber nur in vorzüglichen Lagen; man hat daher bei seiner Anpflanzung auf Lage, Beschaffenheit des Bodens und alle anderen zu einem guten Weinberge erforderlichen Eigenschaften, mehr als bei jeder andern Sorte, Rücksicht zu nehmen; denn so wie er in guten Lagen das Vorzügliche liefert, so gering und sauer wird er in geringen Lagen, in schlechten Jahren zumal wird er nicht brauchbar. Wie oft höre ich, wenn von Verbesserungen der Weine die Rede ist, pflanzt Riesling und werft die geringen Sorten weg. Doch diesen Rath darf man nicht unbedingt annehmen.« Der Hofgärtner kannte schon die bis heute wichtigste Eigenschaft der Sorte: ihre Lagerfähigkeit. Denn zu dieser Zeit erzielten viele Jahrzehnte alte Weine höchste Preise. Metzger bemerkte dazu: »Die Rieslingweine erhalten ihre völlige Entwicklung erst auf dem Lager. Kein Wein erhält sich so lange auf dem Lager wie der Rieslingwein, Gehalt und Aroma verliert er niemals.«

Gährung überlassen. Erfolgt diese nicht hinlänglich stark, so erwärmt man den Keller mit Kohlenbecken, oder gießt bis nahe zum Kochen erwärmten Most hinzu. Ein Hauptfehler vieler Weinbereiter am Rhein ist überhaupt, dass sie zu lange und in offenen Gefäßen gähren lassen, wodurch ein großer Theil der geistigen Theile verloren geht. Doch fängt man seit einigen Jahren an, die Gährungsfässer mit Wasser zu schließen.« Auch die Kellertechnik entwickelte sich langsam, und die Kellermeister wussten sich zu helfen: »Hat der Rothwein nicht genug Farbe, so gibt man sie ihm durch einen Zusatz von gekochten Schwarz- oder Heidelbeeren.« Auch das Anreichern war am Rhein mittlerweile üblich: »Häufig setzt man dem Most auch gekochten Most oder Honig, oder Zucker (4 bis 6 Pfund auf die Ohm) zu.« Die Analyse der Cabinetweine von Hofrat Schmitt belegt dies gut: Der 1706-er Hochheimer hatte demnach einen Alkoholgehalt von 4,73 Prozent, der legendäre 1811er Steinberger 6,4 Prozent und der 1846-er bereits 7,3 Prozent. Der 1861-er Marcobrunn dagegen kam mit 11,3 Prozent in die Flasche – und seitdem fiel keiner der Weine auch in miserablen Jahren unter 7,5 Prozent. Der Begriff »Naturwein« etablierte sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Qualitätsbegriff gegen Weine, deren Most mit Zucker angereichert wurde. Die heute übliche Reinsortigkeit deutscher Weißweine begann sich ebenfalls erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts durchzusetzen. So schreibt Johann

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atte der Riesling im 18. Jahrhundert bereits den Ruf, hervorragenden Wein zu ergeben, so markiert die zufällige Entdeckung seiner späten Lese auf dem Johannisberg den Beginn der ersten Ära voller Ruhm und Glanz. Die Geschichte vom »Spätlesereiter« ist eine oft erzählte Anekdote – doch die vereinfachte Fassung für Rheingau-Besucher verschweigt die wichtigsten Elemente. Diese Details kennt der Weingroßhändler F. Jüllien aus Paris. Er hat sie in seinem Werk »Der erfahrne Weinkellermeister« im Jahr 1833 aufgeschrieben: »Ehedem wurden die Trauben zu derselben Zeit gesammelt, wie die der benachbarten Weingärten. Da aber der Pater Kellner der Propstei Johannisberg vor der jedesmaligen Lese bei dem Fürstbischof zu Fulda schriftlich die Erlaubnis dazu einholen mußte, so geschah es einst, das der Befehl zur Weinlese vierzehn Tage später, als gewöhnlich, einging. Man erwartete eine schlechte Ernte, weil die Trauben an den Stöcken überreif und zusammengeschrumpft, zum Theil auch schon von Fäulnis ergriffen waren. Es wurden nun die verfaulten Beeren, welche bei der Schnelligkeit einer gewöhnlichen Weinlese ohne Umstände mitgekeltert werden, sorgfältig abgesondert, dadurch gewann man einen Wein, wie ihn am Rhein noch Niemand gekostet hatte. Diese Erscheinung wurde der Behörde berichtet, die sich sehr freute, das, was an Menge verloren war, durch die Güte reichlich ersetzt zu finden, und dem zufolge wurde der Befehl ertheilt, in der Zukunft immer erst vierzehn Tage später, als bisher gewöhnlich, mit der Weinlese anzufangen. Die Trauben werden nach ihrer Güte sortirt. Die bessern Sorten macht man stets aus den besonders gelesenen, gereifften, meist schon in Fäulnis übergehenden Trauben.« Strenge Selektion und Spätlese – erst diese beiden Entdeckungen ebneten gemeinsam dem Riesling den Weg zum weltweit berühmten Wein. Jüllien gibt auch einen wunderbaren Einblick in die damalige Rheingauer Weinproduktion: »Der Most (wird) in Kellern von 10 bis 12 Grad Wärme der

Kloster Eberbach: In der Schatzkammer der Wein-Mönche das Dämmerlicht der Jahrhunderte

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Ehrfurcht und helle Freude:

Die grosse Probe aufs Exempel Caro Maurer verkostet hundert Jahrgänge Rheingauer Riesling: von 1846 bis 2009

100 Jahrgänge Rheingauer Riesling am 8. und 9. Februar 2010 Veranstalter: Fine Das Weinmagazin Ort: Kloster Eberbach Präsentiert von Dieter Greiner, Direktor der Hessischen Staatsweingüter Verkosterin: Caro Maurer Gäste: Ralf Bengel, Markus Del Monego, Ralf Frenzel, Mark Frese, Gaia Gaja, Christian Göldenboog, Dieter Greiner, Michael Hoffmann, Tilbert Hätti, Uwe Kauss, Bernd Kutschick, Caro Maurer, Stuart Pigott, KarlHeinz Ringel, Jancis Robinson, Paul Smyth, Thomas Schröder, Hans Stefan Steinheuer, Christian Volbracht, Wilhelm Weil Die Runde der Experten verkostet Riesling-Raritäten im prachtvollen Refektorium von Kloster Eberbach

Erster Tag

1974

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1961

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1960

Erster Flight: Riesling

Willy Brandt tritt als Bundeskanzler zurück. 1974 Rüdesheimer Berg Schlossberg Kabinett

Helles Goldgelb. In der Nase Lindenblüten, Waldhonig, getrockneter Apfel und Aprikose. Im Mund überraschend weich, trotz einer lebendigen, federnden Säure. Die Botrytis hinterließ Spuren von Honig, gebräunter Butter, einen Hauch Karamell und Kandis. Die Mineralik im Finish leicht salzig. Erstaunlich frischer Gesamteindruck.

1965

Der schwarze Bürgerrechtler Malcolm X wird in New York erschossen. 1965 Rüdesheimer Berg Schlossberg Beerenauslese

Bernsteinfarben. In der Nase Noten von Blütenhonig gemischt mit getrockneten Rosinen. Im Mund zuerst das Aroma von gerösteten Cashewnüssen, dahinter tut sich dann eine ganze Mischung von Eindrücken auf: Studentenfutter mit getrockneten Aprikosen, Rosinen, Feigen. Ein sehr intensiver Wein, die Säure präsent, aber gut integriert in eine dichte, extraktreiche Struktur, schön ausgeglichen von einer abgepufferten Restsüße. Der kraftvolle Körper bleibt geschmeidig, er legt im Finish noch einen Langstreckenlauf hin.

1963

John F. Kennedy wird in Dallas von einem Attentäter erschossen. 1963 Hochheimer Domdechaney Spätlese

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Mittleres Goldgelb. Ein ganz zartes Bouquet, floral, mit einem Hauch Vanille, die Frucht traubig. Im Mund ein etwas magerer, knochiger Körper, wird von der Säure geschmeidig gehalten. Vegetale Noten von Heu, Stroh und getrockneten Kräutern. Sehr trocken, ein herber Charme, der sich seine Länge dennoch erarbeitet. Die Säure treibt ihn bis zum Ende an.

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Die DDR beginnt mit der Errichtung der Mauer in Berlin. 1961 Rüdesheimer Hinterhaus

Intensives Goldgelb. In der Nase kein Schmeichler, eher schroff mit nassem Fell, feuchtem Holz und etwas Karton, braucht Luft. Im Mund dann erstaunlich sauber, mit deutlicher Firne und reifer Birnenfrucht. Die tertiären Aromen überwiegen mit einer abgeklärten Weinigkeit. Mild gestimmte Säure und eine sanfte Mattigkeit in der Struktur. Ein eingeschliffener Wein, dessen Charme in seiner erfahrenen Art liegt.

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Die erste Antibabypille kommt auf den Markt. 1960 Bensheimer Kalkgasse

Glänzendes Altgold. In der Nase eine sehr reife Honigmelonenfrucht, Honigund Karamellnoten. Im Mund schlank, sehnig, wirkt etwas streng und sehr ernsthaft. Die Frucht hat abgebaut, der Wein ist auf wenige fassbare Bestandteile reduziert: ein Gerüst aus Säure und eine angenehm salzige Mineralität. Leichte Bitternoten im Finish und etwas kurz.

1958

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Elvis Presley leistet seinen Wehrdienst in Deutschland ab. 1958 Rüdesheimer Berg Schlossberg

Altgold mit bronzefarbenen Reflexen. In der Nase Birnengelee, Honig und Nougat. Doch diese süßen Assoziationen werden im Mund nicht bekräftigt, im Gegenteil: Der Wein ist trocken, die Frucht ist der Reife geopfert, und doch erscheint er nicht ausgezehrt, sondern konzentriert, nussig, ergänzt durch Röstnoten und mit Anklängen von Armagnac im Finish.


1957

Das Frankfurter Callgirl Rosemarie Nitribitt wird ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden. 1957 Hattenheimer Engelmannsberg

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1942

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1941

Altgold mit Bronzereflexen. Eine komplexe Nase mit exotischen Früchten wie Mango und Melone, dahinter getrockneter Apfel, kristallisierter Honig und Nüsse. Im Mund ist er jedoch schon reduziert aufs Wesentliche: trocken, prägnante nervige Säure; von der Frucht ist wenig übrig, der Körper wirkt etwas mager und hält im Abgang nicht sehr lange durch.

1948

Mahatma Gandhi wird ermordet. 1948 Steinberger

Glänzendes Gold. Schwierige Nase, erinnert an feuchten Keller. Die zarte Frucht, Quitte, lässt sich nur mehr erahnen. Im Mund dann vor allem eines: Säure! Der Wein ist reduziert auf sein Gerüst, mit Bitternoten im Finish.

1944

D-Day: Die Alliierten landen in der Normandie. 1944 Rüdesheimer Berg Rottland

Dunkles Altgold. In der Nase Mandel, nasse Wolle, feuchte Baumrinde und Würze. Im Mund ein Strauß von pikanten Küchenkräutern, Bouillon, die Frucht reduziert auf Williamsbirne. Dazu Cashewnüsse, zart gesalzen von einer aparten Mineralik. Schlanker Körper, aber immer noch lebhafte Säure, die ihn durchs Finish trägt.

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Anne Frank beginnt ihr Tagebuch zu schreiben. 1942 Erbacher Marcobrunn

Heller Kupferton. In der Nase Suppengewürze und ein aparter Medizinalton mit Kräutern. Im Mund sehr konzentriert, kompakt, fast wie gepresst. Immer noch mit dezentem Fruchtton unterlegt, vor allem Quitte. Sehr intensive Erscheinung, aber von ausgeglichenem Charakter. Erstaunlich nachhaltig in der Länge.

Die deutsche Wehrmacht marschiert in die Sowjetunion ein. 1941 Rauenthaler Gehrn

Altgold mit bernsteinfarbenen Reflexen. In der Nase gebrannte Mandeln, Honig und kandierte Orange. Kompaktes Paket, geschnürt von prägnanter Säure, gefüllt mit anziehender Aromatik: zarte Ledernoten, getrocknete Zitrusschalen, Nuss und eine aparte Salzigkeit, vor allem in der imposanten Länge.

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1940

Die deutschen Luftwaffenverbände starten einen Großangriff gegen England. 1940 Kiedricher Gräfenberg

Altgold mit bernsteinfarbenen Reflexen. Vielschichtiges Bouquet, in dem sich immer neue Aromen hervortun: zuerst rauchige mitsamt einem verwegenen Hauch von Weihrauch, dahinter Nüsse, Rübensirup, gemüsige Noten und Honig. Im Mund Sherry, oxidativ, aber auch nussig, erinnert mehr an Amontillado als an Fino. Im Körper immer noch Anspannung. Starkes Finale. Unvergesslich.

Flaschen-Parade der am ersten Tag verkosteten Rieslingweine

2009

Zweiter Flight: Riesling Cabinet

Im Januar wird Barack Obama als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. 2009 Steinberger »aus dem Cabinet-Keller«

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2006

Ein Sommermärchen: Deutschland feiert die Fußballweltmeisterschaft. 2006 Rüdesheimer Berg Schlossberg Erstes Gewächs

Zartes Strohgelb. Frische Primärfrucht mit Pfirsich, gelbem Apfel, Zitrus und Lindenblüten, unterlegt noch von einem Hauch Hefe. Im Mund sehr frisch und jugendlich mit Prickel von Kohlensäure und einer quicklebendigen Säure. Ein Wein im Babyalter, das Primärstadium noch betont durch Aromen von Geleebanane und exotischen Früchten wie Ananas. Sehr verspielt zwar, aber macht schon richtig Spaß.

Intensives Strohgelb. Ein sehr offenherziges Bouquet mit frischer, klar definierter Pfirsichfrucht und einer Mineralik, die an Feuerstein erinnert. Runder, fülliger Typ im Mund, sehr dicht gewobene Struktur, angenehm cremig. Die Vielschichtigkeit wird ergänzt von einem aparten Röstton. Ein hedonistischer Wein, der im Abgang lange nachwirkt.

Russische Truppen marschieren in Georgien ein. 2008 Rüdesheimer Berg Schlossberg Erstes Gewächs

Das Elbehochwasser wird zur Jahrhundertflut. 2002 Rüdesheimer Berg Schlossberg Erstes Gewächs

Glänzendes Strohgelb. Komplexe, klar definierte gelbe Steinfrucht in der Nase, dazu weiße Blüten und die angenehme Frische von weißer Wäsche, die zum Trocknen an der Leine hängt. Im Mund eine berauschende Fülle, sehr konzentriert und dicht, viel Extrakt, die Säure gut eingebunden. Zwar noch ein jugendlicher Gesamteindruck, aber die ersten Kanten sind schon abgeschliffen. Eine runde, harmonische und überzeugende Erscheinung.

Leichtes Strohgelb. In der Nase sehr zugeknöpft mit leicht flüchtiger Säure. Auch im Mund eine eher diskrete Frucht, Noten von Firne, karamellisiertem Zucker und Honig. Schlanker Körper, der die Säure gut wegsteckt. In der Länge enttäuschend.

2008 2007

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In Heiligendamm findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen der G8-Gipfel statt. 2007 Rüdesheimer Berg Schlossberg Erstes Gewächs

Zartes Goldgelb. Noch junge, leicht dropsige Frucht: Birne, Ananas, Brause, weißer Gummibär, unterlegt von einem exotischen Blütenduft wie aus dem Orchideentreibhaus. Im Mund buttrig, cremig, ein Körper, dessen üppigen Formen die Restsüße schmeichelt. Im Finish dezente Bitternoten.

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2002

2000

In Hannover findet die Expo 2000 statt. 2000 Erbacher Marcobrunn Erstes Gewächs

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Zartes Altgold. In der Nase reife Töne von gebräunter Apfelschale, dazwischen gelbe Blüten und Anklänge von Honig. Im Mund ein Wein auf dem Höhepunkt, ausdrucksstark. Mit reifer Birnenfrucht, zu der die Botrytis Noten von Nüssen und Honig beigesteuert hat. Ein fülliger, fast schon üppiger Körper und eine abgerundete Säure. Überzeugende Länge.

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Frauen im Wein: Dritte Folge

»Es geht nicht um die Farbe meiner Haut – nur mein Wein ist wichtig« Carmen Stevens, Winemaker bei Amani

Text: SuSanne ReiningeR Fotos: JohanneS gRau ein spätsommerlicher Samstagvormittag in Stellen­ bosch, Südafrika. Die Terrassentüren des zweistöcki­ gen Weinguts amani sind weit geöffnet und geben den Blick auf den großzügigen, lichtdurchfluteten innenraum frei: linkerhand ein Kamin umrahmt von Bistrotischen. in der Mitte des Raumes ein über­ dimensionaler esstisch, an dem zwei junge Frauen sitzen, angeregt ins gespräch vertieft. Davor, auf dem großen roten Teppich, zwei kleine Mädchen, die mit konzentrierter Miene ein Puzzle zusam­ mensetzen. Die zierliche Frau mit dem garçon­ schnitt schlüpft flink in ihre silbernen Pantoletten, als sie uns entdeckt, und eilt uns entgegen. »ich bin Carmen Stevens, die Weinmacherin hier«, begrüßt sie uns mit mädchenhaftem Lachen und festem handgriff. »Das sind Victoria und Caitlin, meine beiden Kinder!« Die grüßen wohlerzogen, zupfen dabei schüchtern an ihren orangeroten Blumen­ kleidchen, die sie aussehen lassen wie Zwillings­ schwestern. »ich bin die große, ich komme die­ ses Jahr in die Schule, und Mami geht auch wieder zur Schule«, sprudelt Caitlin heraus, dabei unter­ streicht sie ihre Worte mit einem Blick, der keinen Widerspruch duldet. Carmen Stevens lächelt milde über die erläuterung ihrer Ältesten: »Stimmt, heute habe ich mir frei genommen, aber sonst lerne ich an den Wochenenden für meinen Master of Wine, im Juni schreibe ich ein examen, und bis dahin habe ich noch eine Menge zu lernen«.

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Ein Gutshaus, so unprätentiös wie der Wein: Amani schätzt die Moderne.

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eit 2008 ist die Weinmacherin Stipen­ diatin am renommierten Londoner ins­ titute of Masters of Wine. Das anspruchsvol­ le Studium gebe ihr »als Weinmacherin viel mehr Selbstsicherheit. ich kann viel einfacher über Wein sprechen und erklären, warum ich etwas tue, und ich lerne auch, mein eigenes Terroir bes­ ser zu verstehen«. Sie zeigt mit einer weit aus­ ladenden armbewegung nach draußen, auf ein idyll aus üppigen Rebzeilen, grünen ebenen und hohen Bergen, die das Weingut umgeben. neben der beruflichen Doppelbelastung bleibe ihr »viel zu wenig Zeit für meine kleine Familie«, sagt die allein erziehende Mutter. 2009 wurde sie zur Weinmacherin des Jahres gewählt und gilt als eine der Besten ihres Metiers im Lande. Doch sich auf Lob und Lorbeeren auszuruhen, das passt nicht zu der achtunddreißigjährigen. Sie ist stets in Bewe­ gung und noch lange nicht am ende ihres Weges. Dass ein Studium des Master of Wine eine der härtesten herausforderungen für Weinexperten ist, schreckt Carmen Stevens nicht. Den welt­ weit anerkannten Titel zu erwerben, entspricht emotional und intellektuell der Besteigung des Mount everest. »ich bin mit Bergen aufgewach­ sen, sie sind Teil meiner heimat hier in Südaf­ rika«, entgegnet sie schlicht. Dann berichtet sie mit ansteckender Begeisterung von ihrem ersten

Seminartag in London: »Da kam der Weinmacher von opus one und stellte zwölf Flaschen auf den Tisch, die er aus Fässern abgefüllt hatte, und for­ derte uns Schüler auf: ›Macht daraus euren eige­ nen Blend‹. Das hat mich einfach fasziniert.« eine Cuvée zu machen – davon träumte sie bereits als Schulmädchen. »in der grundschule war ich miserabel in englisch, konnte in die­ ser Sprache kaum lesen und schreiben. Meine Mutter war darüber so verärgert, dass sie mir schließlich eines ihrer englischen ›Mills and Boon‹­groschenheftchen in die hand drück­ te und mich aufforderte: So, das liest du jetzt!« Der kleinen Carmen gefielen die schmachtenden Liebesromane in der Kulisse von Weinbergen und Weinkellern so sehr, dass Lesen zu ihrer Lieblings­ beschäftigung wurde. »eine der Folgen spielte in Kalifornien, wo eine junge Frau Cuvées herstellte und in kleine Flaschen füllte«, erinnert sie sich. ihre großen dunkelbraunen augen strahlen: »ab diesem Moment war mir klar: Das willst du später auch machen!« Doch Carmen Stevens’ Berufsziel schien zunächst unerreichbar. Die angesehene Wein­ macherin wuchs in Kraaifontein, in der nähe von Stellenbosch auf. ihr Vater war Farbiger, arbeiter in einer Kleiderfabrik, ihre Mutter hausfrau. Doch die eltern legten großen Wert auf eine gute

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Foto: Guido Bittner bei Michael Hoffmann für Tre Torri

Wild & mehr von Karl-Josef Fuchs 224 Seiten · € 39,90 (D)

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Können Rezepte Geschichten erzählen? Dies ist die zentrale Frage, die sich der Tre Torri Verlag bei jeder Buchidee stellt, egal, ob es sich um Bücher von Spitzenköchen, um Themen-, Marken- oder Weinbücher handelt. Für Tre Torri sind Kochbücher mehr als Rezeptsammlungen. Das Team ist überzeugt: Nur wenn der Inhalt eine Geschichte erzählt, lebt der Genuss in der Erinnerung fort. Tre Torri. Der Verlag für Essen, Trinken und Genuss.

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EIN EDLES

REFUGIUM DES WEINS Kein düsterer Keller, kein romantisches Gewölbe: Gaggenau und Bulthaup komponieren aus Eiche, Edelmetall und Hightech einen intimen Raum, der den Wein hütet und dem Genuss ungewohnte Perspektiven öffnet. Text: TILL EHRLICH Fotos: MARC VOLK

Guten Wein sollte man wie eine schöne Frau behandeln, sagt ein Sprichwort. Die schönsten Weine ihrer Zeit verlangen daher nach sorgfältigem und liebevollem Umgang mit ihnen, damit sie ihre Schönheit entfalten, und nach einem Raum, in dem sie zur Geltung kommen können. Die Manufakturen Gaggenau und Bulthaup haben daher gemeinsam einen solchen Raum geschaffen, der dem Wein mehr sein will als ein dunkler Lagerort: Der begehbare Weinerlebnisraum ist ein besonders gestalteter separater Ort innerhalb der Wohnung mit zeitgemäßer Behaglichkeit. Hier kann der Wein auch in der Großstadt sachgerecht aufbewahrt, präsentiert und angemessen genossen werden. Die Lagerung wird zum sinnlich erfahrbaren Ereignis, das in die unmittelbare räumliche Nähe des Weinliebhabers rückt.

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verfügten und einströmende Fremdluft vom Wein fern hielten. Die kostbarsten Flaschen lagerten in den rückwärtigen, kälteren Bereichen des Weinkellers, während im Vorkeller die minderen Getränke des Alltags ihren Platz fanden. Aber seit geraumer Zeit werden immer weniger Häuser er Weinkeller war Jahrhunderte lang ein

mit einem Weinkeller gebaut. Sie fallen Pragmatismus und fehlendem

romantischer Ort im Haus, wo der Wein in

Weinverstand zum Opfer, oft werden überhaupt keine Keller mehr ange-

der Geborgenheit eines Gewölbes seiner

legt und wenn, handelt es sich um vollisolierte Räume, die zu warm und

Bestimmung entgegenreifte. Weinkeller wurden gebaut, um nachteilige

trocken sind, als dass sich in ihnen Wein lagern ließe. Häuser ohne Wein-

Einwirkungen der Umwelt auf den Wein zu verhüten. Wein ist empfind-

keller sind besonders in Großstädten die Regel und für jeden Weinlieb-

lich, Sonne und Licht schaden ihm ebenso wie Kälte, Hitze, Trockenheit

haber ein Problem, der mehr sein will, als Kühlschrankbenutzer und Kon-

und Erschütterungen. Besonders die unberechenbaren Wechsel zwischen

sument trinkfertiger junger Weine.

warmer und kalter, trockener und feuchter Atmosphäre, die zum Wesen

Die Veredlung durch Nachreife, die nicht nur bei gutem Wein, sondern

der Natur gehören, gefährden die Entwicklung des Weins. Sie verhindern,

auch bei bestem Schinken, Käse oder besonderen Bränden eine lange Tra-

dass er seine Genussreife erreicht und sein Potential erfüllen kann. Dies

dition hat, folgt der Erfahrung, dass die Dinge mit der Zeit an Komplexität

bedeutet dann immer auch einen beträchtlichen Wertverlust.

gewinnen können. Erst in der Moderne erkannte man, dass die Komplexität

Deshalb war das Innere des Weinkellers ein Ort, der besondere Beständig-

besser ankommt, wenn sie in einem Design mit Formenreduktion präsen-

keit gewährte. Das waren Keller, die oft über mehrere Klima-Bereiche

tiert wird. Daher ist es zu begrüßen, dass sich die Manufaktur Gaggenau

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dieses Problems angenommen und professionelle Weinlager- und Wein-

klimatisierter Stauraum. Ein Ort also, der dem Wein angemessen ist, ihm

klimaschänke für den individuellen Gebrauch entwickelt hat. Sie zeichnen

Schutz bietet und zugleich den zeitgemäßen Ansprüchen eines Wein-

sich durch eine sorgfältige manuelle Verarbeitung hochwertiger Materialen

liebhabers nach Präsentation und sinnlichem Erleben entgegenkommt.

aus, auf denen die Weinflaschen geruchs- und geschmacksneutral lagern

Mit dem Weinerlebnisraum macht Gaggenau gemeinsam mit Bulthaup ein

und die Weinetiketten geschont werden. Die weitgehend unsichtbare,

Angebot, das sich in einer großräumigen Stadtwohnung oder einem Haus

hochentwickelte Technik ist für jahrzehntelange Funktionstüchtigkeit aus-

schnell verwirklichen lässt. Dieser Weinraum ist das moderne Gegenstück

gelegt. Technische Perfektion dient hier dem empfindlichen Gut Wein.

des Herrenzimmers, rundum mit hellem Massivholz ausgekleidet – wahl-

Die Weinklimaschränke von Gaggenau sind nahezu vibibrationsfrei kons-

weise Douglasie oder Eiche von ausgesucht großen Stämmen aus skan-

truiert und besitzen wie ein guter Weinkeller verschiedene Klimabereiche,

dinavischen Wäldern. Man betritt ihn durch einen Gang, der vollkommen

die sich einfach steuern und dem Bedarf anpassen lassen. Sie bieten Platz

aus diesem Edelholz gebaut ist und in seinem reinen Schimmer auch

für bis zu einhundertachtzehn Flaschen, wobei auch die Lagerung von

an weiße Koralle erinnert. Schritt um Schritt wird man von der Sinnlich-

Magnums möglich ist. Je nach Bedarf sind verschiedene Temperatur- und

keit des Naturholzes eingestimmt. Im Inneren dann Wärme und Hellig-

Feuchtigkeitsmodi wählbar, wobei sowohl die mittelfristige Lagerung als

keit des Edelholzes, die auf minimalistische Abstraktion klarer Kanten

auch die schonende, langsame Temperierung des Weins für den Trink-

und Formen trifft – funktionale Raumkunst. Der erste Blick geht dann auf

genuss vorgesehen ist. Gedacht wurde auch an Raum für Dekantier-

eine Wand mit eingebetteten Weinklimaschränken, die die Flaschen gut

karaffen sowie die Lagerung von Zigarren. Diese Spezialschränke füllen

sichtbar präsentieren und einen schnellen Zugriff erlauben. In der Raum-

eine Lücke. Was aber bislang noch fehlte, war ein Ort, der mehr ist als ein

mitte befindet sich ein Block aus Stahl und Kupfer mit verborgener Kühl-

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Eine der erfolgreichsten Erfindungen aus dem Schwarzwald. Und eine Kuckucksuhr.

Der Unterschied heißt Gaggenau. Manche Dinge aus dem Schwarzwald ändern sich nie. Andere werden seit 1683 immer besser. Denn seit unserer Gründung als „Hammerwerk und Nagelschmiede“ haben Innovationen bei uns Tradition. Bestes Beispiel: unsere Backofen-Serie 200, mit Backofen, Dampfbackofen und Wärmeschublade. Sie vereint modernste Technik und beste Materialien mit einzigartigem Design. Schließlich werden unsere Geräte nicht nur immer besser. Sie sehen auch immer besser aus. Informieren Sie sich unter 01801.11 22 11 (3,9 Ct./Min. a. d. Festnetz der T-Com, mobil ggf. auch abweichend) oder unter www.gaggenau.com.


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