Fine Das Weinmagazin 2|2012-Leseprobe

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Deutschland · Österreich · Schweiz ·

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Australien

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Deu tsc hl and Öst er r eic h €  16,90 I ta l i e n    €  18 , 5 0 Sc hw eiz c hf   3 0,00

WEI NMAGA ZIN

Frau en im Wein: La l ou Bize- Leroy

Jürgen Dollase im Le Moissonnier

Fine Tasting: Sassicaia

Giacomo Tachis

L e B on Paste ur

C h a m pag n e Jac qu e s Sel os se

Rodensto ck und Jeffers on

Weltwinz er Ern s t Lo os e n

S üdt irol : Die g ros s e n Weine M

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2/2012

Seite 28 Champagne Jacques Selosse

Seite 40 Le Bon Pasteur

Seite 106 Giacomo Tachis

Seite 88 Sassicaia

Seite 120 Ernst Loosen in Amerika

Seite 130 Ernst Loosen an der Mosel


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I N H A LT Seite 98 Rodenstock und Jefferson

Seite 70 Lalou Bize-Leroy

Seite 16 Monteverro

Seite 48 Ein Weinland blüht auf

Thomas Schröder

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FINE Editorial

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FINE Toskana Monteverro

28

FINE Champagne

Champagne Jacques Selosse

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FINE Bordeaux

Le Bon Pasteur

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FINE Südtirol

Ein Weinland blüht auf

70

FINE Frauen im Wein

Lalou Bize-Leroy

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FINE Wein & Speisen

Jürgen Dollase bei Vincent Moissonnier

88

FINE Tasting Sassicaia

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FINE Die Pigott Kolumne

Die grünen Weine Deutschlands

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FINE Wein und Wahrheit

Rodenstock und Jefferson

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FINE Reiner Wein

Anne Zielke über Verschluss-Sachen

106

FINE Porträt

Giacomo Tachis

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FINE Weinwissen Betontanks

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FINE Das Große Dutzend Mastroberardino

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FINE Die schönen Dinge

Susanne Kaloff: Tafelkultur

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FINE Neue Welt

Ernst Loosen in Amerika

130

FINE Mosel

Ernst Loosen an der Mosel

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FINE Das Bier danach

Bernd Fritz: Über Emmerbier

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FINE Abgang

Ralf Frenzel

Seite 118 Tafelkultur

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der kometenhafte aufsti eg 1)DER)KOMETENHAFTE)AUFSTIEG)! des weinguts 1)DES)WEINGUTS)!

monteverro 4)MONTEVERRO)$ in der maremma 1)IN)DER)MAREMMA)! Georg Weber hat sein Herz an grosse Weine verloren Text: Rainer Schäfer Fotos: Johannes Grau

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1D!

as Wandbild im Restaurant Da Maria in Capalbio zeigt das

mittel­alterliche Städtchen mit den vor ihm liegenden Hügeln im

Breitformat. Es ist ein stimmungsvolles Panorama, von den Wehr­türmen Capalbios, vom Grün der Macchia, des Steppwaldes, und vom Strohgelb der Getreidefelder geprägt. Aber es müsste dringend erneuert werden, wie auch Georg Weber und seine Mutter Christine finden, die an diesem Abend aus München angereist ist. Immer wieder bleiben ihre Blicke am ­unteren ­rechten Bildrand haften. Denn dort, wo eines der interessantesten Wein­güter ­Italiens zu sehen sein müsste, da stehen noch Weizenähren. »­Nächstes Mal ­bringen wir Pinsel und Farben mit«, scherzt Georg Weber, der das ­Weingut M ­ onteverro leitet. Dann könnte das Landschaftsbild der ­Realität angeglichen werden. Zu ergänzen wären die hügeligen Weinberge, die Wege, die zum höchsten Punkt, der Buena Vista, führen. Und natürlich das schmiede­eiserne Tor, das zum Weingut führt. In seiner Mitte prangt ein M, für ­Monteverro. Ein Emblem, das für Aufregung sorgt in der Weinwelt.

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Glückliche Hand: Bei Kauf und Anlage seines Weinguts Monteverro im toskanischen Weinland der Maremma hat sich Georg Weber von akribischen wissenschaftlichen Untersuchungen leiten lassen. Dass dem Winzer der Sprung in die Weltklasse des Weins auf Anhieb gelang, ist indessen auch s­ einem Naturell zu verdanken – er packt herzhaft an und freut sich am Erfolg seiner Arbeit.

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nterhalb von Capalbio, auf dem letzten Hügel vor dem Meer, steht das Weingut Monteverro. Es hat sich entschlossen Zugang zur geschlossenen Gesellschaft der toskanischen Weinaristokratie verschafft. Die feiert seit den 1980-er Jahren Erfolge mit ihren Super Tuscans, die nach Bordelaiser Vorbild erzeugt werden, wie der Sassicaia oder der Masseto. Goldküste wird die Gegend um Bolgheri auch genannt, hier lässt sich mit Prestige­weinen gutes Geld verdienen. Monteverro hat 2008 die ersten Weine abgefüllt und macht schon den Super-Toskanern Konkurrenz. Ungeheuerlich, dass ein Neuling die bleiernen Hierarchien in so rasantem Tempo gesprengt hat. Dabei wurde Monteverro mit vielen Vorbehalten begegnet: Musste ein deutscher Unternehmer unbedingt ein Weingut in die Toskana stellen, gab es davon nicht schon zu viele? War Georg Weber einer dieser gelang­weilten Neureichen, die sich etwas Aufregung von einem eigenen Weingut versprechen? In Deutschland wurde er in Neiddebatten verstrickt, aber bald stellte sich heraus: Der Chef einer deutschen Gartencenterkette leistet sich kein Spielzeug, das er bei der nächsten größeren Laune wieder abzustoßen gedenkt. Weber, Jahrgang 1978, ist ein bodenständiger Unternehmer, der Einstecktücher zu seinen Anzügen trägt und dabei modisch nicht allzu viel wagt. Wie ein Draufgänger wirkt Weber keineswegs – er bevorzugt die l­ eisen Töne. Und doch ist er mit Monteverro entschlossen ins Risiko gegangen. Weber hat sein Herz an große Weine verloren, das war so nicht vorgesehen. Das passierte in Lausanne, wo Weber Betriebswirtschaft studierte, bei einer Flasche Grand Cru Classé aus Bordeaux. Es war ein Erweckungs­erlebnis,

das die bis dahin auf Vernunft gebaute Welt des Studenten m ­ ächtig erschütterte. Weber ließ es zu, dass Weine seine Sinne reizen und b ­ etören. Zuhause in Bayern hatte die Familie sich zumeist mit Rieslingen von der Mosel und aus dem Rheingau begnügt, diese Rotweine aber versprachen Abenteuer in ganz neuen Genusswelten. Auf seinem Nachttisch lagen bald die Klassiker der Weinliteratur, Michel Broadbents Weinnotizen, die v­ oluminösen Standard­ werke über die großen Weine des Bordelais. Weber konnte nie genug Weine probieren und schrieb mit seinen Verkostungs­notizen ganze Bücher voll – Dokumente eines Enthusiasten, vor allem die g­ roßen ­Franzosen hatten es ihm angetan. Ein Château Latour, Jahrgang 1961, oder ein Cheval Blanc, Jahrgang 1947, sagt Weber, seien wie Kunstwerke, die alle Sinne überwältigen. Einer dieser Weine muss es gewesen sein, der den Gedanken in seinem Kopf festsetzte: Weber wollte sein e­ igenes Weingut führen. In den besten Weinregionen hat er sich umgeschaut, im Bordelais, im Burgund, in Australien, Neuseeland und natürlich auch an der Goldküste, manchmal begleitete ihn seine Mutter dabei. »Aber es hat nie richtig gepasst«, sagt Weber. Mehrmals sah er sich in Kalifornien um, in Napa ­Valley b ­ egegnete er dem Schweizer Önologen Jean Hoefliger, Wein­macher bei Alpha Omega. Hoefliger erinnert sich an lange Gespräche mit Weber, aufge­fallen dabei ist ihm die Neugierde und der Wissensdurst des Unternehmers. »Ich habe selten jemanden getroffen, der so viel und exakt nachgefragt hat«, sagt Hoefliger, der inzwischen M ­ onteverro berät und vier bis fünf Mal im Jahr in Capalbio vorbeischaut. Kalifornien reizte Weber zwar enorm

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DIE

GRÜNEN WEINE DEUTSCHLANDS »

Schauen Sie sich das an!« Madame Lalou Bize-Leroy von der Domaine Leroy im burgundischen Vosne-Romanée, in deren Büro wir standen, spuckte

die Worte förmlich aus. Die zierliche Dame im Chanel-Kostüm deutete auf das

Foto eines burgundischen Weinbergs in der aktuellen Ausgabe einer französischen Weinzeitschrift. Die Bildlegende behauptete, dass es sich um eine ihrer Parzellen handele. »Das ist doch nicht einer meiner Weinberge. Sehen Sie: Die Reben sind im Cordon erzogen statt nach Guyot, wie wir es tun, und der Boden ist vollkommen anders!« Das stimmte. Auf dem Foto war kein einziges grünes Fleckchen außer den Reben zu sehen, was auf den Einsatz von chemischen Herbi­ ziden d ­ eutet. Der kahle Boden war grau und offensichtlich ziemlich verdichtet, kurz gesagt, er sah tot aus. Dagegen sind die Böden der Leroy-Weinberge locker und bröselig mit viel lebendigem Grün und tierischem Kleinleben, was in Anbetracht der biodynamischen Bewirtschaftung, die hier seit 1989 betrieben wird, nicht überrascht. »Biodynamie«, wie die Franzosen es nennen, oder neudeutsch »biodyn« heißt ist eine Sonderform ökologischer Landwirtschaft, die auf Rudolf Steiners anthroposophischen Grundsätzen fußt, die er 1924 in einer Vortragsreihe publik gemacht hat; sie ist durch das Demeter-Logo geschützt.

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adame ließ nicht locker, rief in der Pariser Redaktion der Zeitschrift an und verlangte mit Nachdruck nach dem Chefredakteur. Ihr Ton war fast übertrieben höflich: »Haben Sie das Foto in Ihrer letzten Ausgabe g­ esehen, das angeblich einen meiner Weinberge zeigen soll? Das ist nicht einer meiner Weinberge.« Sie ließ die Worte in der Luft hängen, und ich spürte die Erschütterungen eines kleinen Erdbebens im Pariser Büro des Chefredakteurs. Selbst aus der Entfernung von ein paar Metern konnte ich die gestammelte Erklärung vernehmen, die aus dem Hörer quoll. »Ich denke, Sie werden heute Nachmittag herkommen und sich selbst ansehen, was hier nicht stimmt,« sagte Madame darauf, »vier Uhr würde mir gut passen.« Das führte zu weiteren Beben in Paris und weiterem Gestammel. Madame legte den Hörer auf und bemerkte zufrieden: »Er wird pünktlich sein.« Das war im April 1998, als der ökologische Weinbau sich noch ­mühsam aus seiner staubigen Alternativ-Ecke kämpfte, unter anderem durch den persönlichen Einsatz weitblickender Spitzenwinzer, die es satt hatten, nicht ernst genommen zu werden. Auch Lalou Bize-Leroy wurde belächelt, als sie nach der Lektüre von Rudolf Steiners Schriften auf Chemie zugunsten der Stärkung natürlicher Kreisläufe und der Abwehrkraft der Rebe verzichtete – obwohl sie mit diesen Methoden Weine erzeugt, die zu den groß­ artigsten der Bourgogne gehören. Aber das Lachen wurde immer leiser und verstummte schließlich vollends, als viele andere französische Winzer den gleichen Weg einschlugen. Heute wird ökologischer und biodynamischer Weinbau als fortschrittlich und nicht mehr als spinnert angesehen. Dieser Prozess des Umdenkens lief parallel in Frankreich und Deutschland, aber einige entscheidende Momente fanden hierzulande statt. Dazu gehörte die Umstellung des fast dreißig Hektar großen Weinguts Freiherr Heyl zu Herrnsheim in Nierstein/Rheinhessen auf öko­logischen Weinbau Mitte der 1980-er Jahre – ein mutiger Schritt, dem mehrjährige Experimente vorausgegangen waren. Sein Leiter Peter von Weymarn war zweifelsohne ein Idealist, aber als gelernter Astrophysiker mit ordentlichem Haarschnitt und seriös-konservativer Kleidung war der ehemalige Präsident des VDP keinesfalls als Spinner oder gar Fanatiker abzutun. Darüber hinaus waren seine Weine, vor allem die mineralischen Rieslinge aus den Spitzenlagen des Roten Hangs bei Nierstein, sehr überzeugend, auch im Vergleich mit den besten konventionell erzeugten Weinen des Landes. Es handelte sich um starke Vorläufer der heutigen Großen Gewächse. Damit war es in Fachkreisen nicht mehr möglich, Ökoweinbau mit unsachlichen Argumenten zu verdammen.

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ie Erleichterung bei vielen alternativen Winzern des Landes, die im Lauf der späten siebziger und frühen achtziger Jahre auf ökologischen Weinbau umgestellt hatten, war offensichtlich. Sie ­fühlten sich endlich in ihrem Handeln bestätigt, in ihrem Glauben, dass die Industrie­gesellschaft auf fatalen Fehlern basiere. »Wir hatten Mitleid mit der Erde,« sagt der lang­jährige Demeter-Winzer Rudolf Trossen vom Weingut Rita & Rudolf ­Trossen in Kinheim-Kindel/Mosel; seine Worte bringen diese Weltanschauung auf den Punkt. Seit der Finanzskandal von 2008 der ­ganzen Welt die massiven, grundsätzlichen Schwächen der Wirtschaftsstrukturen vor Augen führte, ist eine ganz andere Offenheit für solch funda­mentale Fragen in der gesellschaftlichen Mitte entstanden. Jeder versteht jetzt, dass Weinbau Teil der Realwirtschaft und daher wichtig ist. Der Beginn des neuen Jahrtausends markiert den Wendepunkt sowohl für den deutschen Qualitätsweinbau als auch für den Ökoweinbau in

Deutschland, wie die Statistik auf beeindruckende Weise belegt. In Rheinland-Pfalz, wo mehr als sechzig Prozent der deutschen Weine wachsen, gab es 1980 nur fünf ökologische Weinbaubetriebe mit insgesamt achtund­ dreißig Hektar Weinbergen. Bis 2000 wuchsen diese Zahlen hier stetig auf ein­hundert­sieben­und­zwanzig Betriebe mit eintausendeinhundertfünfundsiebzig Hektar an, doch dann folgte ein richtig großer Sprung: 2007 waren es bereits dreihundert Betriebe mit zweitausendvierhundert Hektar, und Dr. Randolf Kauer von der Forschungsanstalt und Weinbauschule Geisenheim schätzt die Zahl heute auf dreihundertvierzig Betriebe mit dreitausendsiebenhundert Hektar. Für alle Bundesländer zusammengerechnet kommt er auf etwa fünftausend Hektar und damit auf gut fünf Prozent der Gesamt­ rebfläche, was ganz beachtlich ist im Vergleich zu einem Durchschnitt von zwei Prozent für die Welt und nur geringfügig mehr für die Europäische Union. Deutschland ist auch statistisch gesehen ganz vorn mit dabei.

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ieser große Sprung für den ökologischen Weinbau ist zum Teil auch auf einen Umdenkungsprozess bei älteren Winzern zurückzuführen, die sich die Grundsatzfrage nach der Nachhaltigkeit im Weinbau und der Unabhängigkeit von chemischen Hilfsmitteln stellten. Noch mehr aber haben die Jungwinzer bewegt, die während ihres Studiums ­darüber nach­dachten, ­welche Richtung sie in ihrem Berufsleben einschlagen ­wollten. Ökologischer Weinbau wurde endlich auch von den Wein­wissen­ schaftlern ernst genommen, selbst wenn bedeutende Forschungen länger auf sich ­warten ließen. Viele Weinbaustudenten absolvierten P ­ raktika in ­namhaften ökologischen Betrieben im In- und Ausland und erlebten auf diese direkte Weise, wie ökologische Methoden durchaus mit Spitzen­qualität zu vereinbaren sind. Das Thema erschien ihnen durchaus seriös, wenn auch manchmal Vorbehalte zu hören waren: »Kann ich leider noch nicht zu Hause machen, weil mein Papa ..., aber vielleicht später.« Und ein paar Jahre später war es tatsächlich oft so weit. Signalwirkung hatten spektakuläre Umstellungen wie die vom Weingut Dr. Bürklin-Wolf in Wachenheim/Pfalz, dessen sechsundachtzig ­Hektar ­Rebfläche seit 2005 komplett biodynamisch bewirtschaftet werden. Der Name Bürklin-Wolf als Garant für Spitzenqualität geht auf die späten 1920-er Jahre zurück, und auch heute sind die trockenen Rieslinge Großes Gewächs des Hauses in den Kritiker-Bewertungen und auch preislich (bis zu 80 Euro für die Flasche ab Hof ) ganz oben mit dabei. Inzwischen haben es zahlreiche Pfälzer VDP-Weingüter Bürklin-Wolf gleich getan, obgleich sie dies oft nicht in großen Buchstaben auf Etikett, Preisliste und Website kundtun. Diese Politik des Ball-Flachhaltens zielt darauf, die Qualität der Weine, die schon vor der Umstellung sehr hoch war, weiterhin im Vordergrund zu halten. Für Weingüter wie Christmann in Gimmeldingen und Rebholz in Siebeldingen ging es bei der Umstellung auf Biodynamik ebenso darum, das qualitative I-Tüpfelchen zu erreichen wie zur Nachhaltigkeit der Kreislaufwirtschaft zurückzukehren – und nicht nur ihre Großen Gewächse sprechen für die Richtigkeit dieser Entscheidung.

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m Hintergrund spielten auch diverse Skandale in der Lebensmittel-­ Industrie eine wichtige Rolle. Es mag sein, dass Angst um die Gesundheit einen bedeutenden Teil der Mittelschicht in die neuen Ökosupermärkte trieb, obwohl es unter Wissenschaftlern umstritten ist, inwiefern (wenn überhaupt) ökologische Lebensmittel tatsächlich gesünder sind. Das ist aber nicht der Punkt; so oder so haben sich die Ökosupermärkte fest etabliert und

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Viel Lärm um nichts? Hardy Rodenstock gibt sich entspannt und plaudert über teure Flaschen, dunkle Geheimnisse und den kostspieligen Zorn des Milliardärs Text: Christian Volbracht Fotos: Johannes Grau

Ein Weinfälscher? Der Konrad Kujau gar der Weinwelt? Man könnte meinen, Hardy Rodenstock leide unter solchem Verdacht. Doch wie er da sitzt, vor Weißwurst und Mineralwasser, erweckt er den Anschein, als könne er kein Wässerchen trüben – und schon gar keine zweihundert Jahre alten Weinflaschen manipulieren.

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ir treffen uns Anfang Juni bei einem Kitzbüheler Prominenten-Wirt. Es geht um die teuersten Weinflaschen, die je versteigert wurden. Der amerikanische Milliardär William I. Koch hat mehr als zehn Jahre lang mit Millionen­ aufwand versucht, Hardy Rodenstock nachzuweisen, dass er die legendären Jefferson-Flaschen mit Bordeaux-Weinen der Jahrgänge 1784 und 1787 gefälscht habe. Das Buch des amerikanischen Autors B ­ enjamin Wallace über Rodenstock und den verbissenen Feldzug des Amerikaners (»The Billionaire’s Vinegar«)kommt jetzt bei Tre Torri unter dem Titel »Im Wein liegt die Wahrheit!« auf Deutsch heraus. Hollywood hat einen Film angekündigt, Brad Pitt steht nach Angaben der New York Times bereits auf der Liste der Akteure. Wallace beschreibt in seinem Buch, wie der Name des berühmtesten Weinsammlers und -händlers der Welt »zum Synonym für Wein­betrug geworden ist.« Doch Rodenstock, jetzt siebzig Jahre alt, lächelt darüber. Er erwägt ernsthaft, der Einladung zur Präsentation des Buches zu folgen – eines Buches, in dem er wahrlich nicht gut wegkommt. »Auf jeden Fall werde ich zur Präsentation eine sehr gute Flasche alten Wein schicken.«

Das hat er dem Verleger und Fine-Herausgeber Ralf ­Frenzel versprochen. Ralf Frenzel, das war auch jener junge Sommelier, der am 14. O ­ ktober 1985 in der Wiesbadener »Ente vom Lehel« eine der ­ersten der berühmten Jefferson-Weine entkorkt hat. Hardy Rodenstock sitzt mir gegenüber: hellgraues Hemd mit weißem Kragen, fein abgestimmt zum gewellten grauen Haar, mit randloser Brille, ein Seidentüchlein mit zarten Zebra­streifen um den Hals. Er hat die schwarze Trachtenjacke abgelegt, man kann das kleine, in die Hemdbrust gestickte Motto entziffern, den alten Spruch: »Life is too short to drink bad wine«. Hinter dem freundlichen Plauderton sind Spannung und Wachsamkeit zu spüren, er weiß seine Geschichte detailreich zu erzählen und beantwortet Sach­ fragen gern ausschweifend mit Anekdoten.

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as sind die Fakten dieser Geschichte, die viele Weinfreunde seit mehr als einem Vierteljahrhundert beschäftigt? Am 7. Dezember 1941 geboren, promotet er unter dem Künstler­namen Hardy Rodenstock Hitparaden-­Schlagerstars wie Jürgen Markus und verdient damit genug Geld für sein Hobby als Wein­liebhaber und -sammler. 1980 organisiert er erstmals für Freunde exquisite Verkostungen. Zur ­ersten Probe kommen Ex-Bundes­präsident ­Walter Scheel und FußballLegende Fritz ­Walter in die »Ente«, das Sterne­ restaurant von Hans-Peter Wodarz in Wiesbaden. Es gibt einen Tokayer aus dem auch für Wein­ sammler mythischen Kometenjahr 1811. Topweine aus Frankreich waren in den siebziger Jahren noch erschwinglich, man konnte die berühmten Chateaux aus dem Bordelais im Handel für dreißig bis vierzig Mark kaufen, kaum jemand schätzte den Wert alter, verstaubter Flaschen aus

privaten ­Kellern besonders hoch ein. Im Londoner Auktions­haus Christie’s hatte Michael Broadbent 1967 mit Auktionen von »rarest wines« begonnen und damit, wie Wallace schreibt, den Markt für alte Weine neu erfunden. Fünf Jahre nach der ersten Raritätenprobe beginnt die geheimnisvolle Geschichte der Jefferson-­Flaschen. In einem alten Abbruchhaus im Pariser Marais-Viertel haben ­Arbeiter, so erzählt Rodenstock, im März 1985 hinter einer zugemauerten Kellerwand alte Weinflaschen gefunden, mit den eingravierten Namen ­großer Lagen. Er habe einen Anruf aus Paris bekommen, sei dorthin geflogen und habe »etwas mehr als ein Dutzend« Flaschen gekauft: Die G ­ ravuren besagen, dass es sich um »Lafitte«, »Yquem«, »­Margaux« und »Brane-Mouton« aus den J­ ahren 1784 und 1787 handelt, daneben stehen die schwungvollen Initialen »Th. J.«. Château Lafite wurde damals noch mit zwei »t« geschrieben, Brane-Mouton wurde später zu Château Mouton Rothschild. Gut erhaltene Weine aus der Zeit vor der französischen Revolution, seit zweihundert Jahren eingemauert und unberührt! Rodenstock zahlt rund 5000 Mark, damals etwa 15 000 Francs, und fliegt mit dem Schnäppchen nach Hause. »Th. J.« gibt auch ihm zunächst Rätsel auf, dann w ­ erden die Initialen mit Broadbents Hilfe Thomas ­Jefferson zugeordnet: »Th. J.«, der spätere dritte Präsident der Vereinigten Staaten, der Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Von 1784 bis zum Revolutionsjahr 1789 hatte er in Paris als Botschafter gelebt – und viel Wein gekauft. Die Auslieferung der nun Rodenstock gehörenden Flaschen soll durch die Revolution verhindert worden sein. »Michael Broadbent hat mich bekniet, eine ­Flasche versteigern zu lassen«, sagt Rodenstock. F I N E

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A N N E ZIE LK E: RE INER WEIN

Schraubisten und

Korkisten Die Weinwelt leidet unter Verschluss, genauer: unter dem Drehverschluss. Oder ist etwa der Kork das Problem? Weder noch, sagt unsere Kolumnistin Anne Zielke und erklärt, warum die Diskussionen immer verbissener werden.

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ürzlich habe ich das Manifest eines Korkhassers ­gelesen. Er hat sich unter anderem vorgestellt, wie in ferner Zukunft Außerirdische auf die Reste unserer Zivilisation stoßen. »Es muss sich um eine eher rückständige Kultur gehandelt haben«, ­mutmaßt ein außer­irdischer Archäologe. – »Warum?«, fragt der Kommandant des Raumschiffs. – »­Stellen Sie sich vor: die haben ihre Weinflaschen mit stinkender Baumrinde verschlossen.« – »Pfui Teufel«, sagt da der Kommandant, »das ist ja schlimmer als seinerzeit auf Kepler-22b! Dort nahmen die Einge­borenen wenigstens getrockneten Einhornkot.« Das ist ja nun ­wirklich gemein. Und auch sonst haben die Anhänger des Schraubens neue Wege ­gefunden, den Kork zu diffamieren. Allein die häufig verwendete ­Formulierung »Naturkork« ist süffisant. Man denkt dabei an – nun ja, an Kork denkt man jedenfalls nicht. Die Umkehrung ist neu. Bisher waren es vor allem die Anhänger des Korks, die den Drehverschluss attackierten. Weil der Geschmack der mit K ­ orken verschlossenen Flaschen besser sei (es gibt ­übrigens eine seriöse aus­tralische Studie, die belegt, dass achtunddreißig ­Prozent der Wein­käufer im unteren Preissegment einen leichten Korkschmecker als n ­ ormalen Bestandteil des Weingeschmacks ansehen und ihren Wein genau so w ­ ollen). Weil der Drehverschluss eine ganze Kulturtechnik abschaffe, und: Weil man über andere ­Themen anscheinend schon ausreichend gestritten hat (was die Elektroglühbirne so alles anrichten könnte oder ­schlimmer noch: das Dosenpfand). Man kann sich nun darüber wundern, dass das Diskutieren über den richtigen Verschluss so viele Anhänger findet in der heutigen Zeit. Wahrscheinlich ist es eher so, dass die

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Diskussion einen Nerv trifft – weil jede Epoche eben die Debatte hat, die sie verdient. Und was haben wir uns verdient? Das Fehlen von Ideologie. Der Stali­ nismus ist tot, der Kommunismus auch, der Kapitalismus röchelt, was man schon daran merkt, dass man ihn wieder beim Namen n ­ ennen kann, ohne gleich als Marxist zu gelten. Einst war das anders. Einst gab es große Ideologien. Da gehörte es zum guten Ton, in seiner Jugend wenigstens einen eigenen Ismus aus der Taufe zu heben. Man schrieb Weltgeschichte, so wie heute Businesspläne. Eine herrliche Zeit. Als man sich noch traute, herumzubrüllen und völlig radikal und intolerant zu sein. Bis die böse Postmoderne kam. Sie verkündete das Ende aller sogenannten großen Erzählungen und setzte sich somit selbst auf höchst hinterhältige Weise an das Ende der Geschichte – und der großen Ismen. Seitdem gibt es eine Lücke. Und den Traum, mal kurz unter die Radikalen zu gehen. Aber zum Glück gibt es ja auch noch die kleinen Ismen. Zu klein vielleicht für die Philosophen, die sie deshalb bisher übersehen haben. Sonst w ­ ürden sie bemerken, dass es in Wirklichkeit so viele kleine Ideologien gibt wie nie zuvor. Trauen Sie sich, geben Sie mal ­wieder richtig den Hardliner unter all den Weicheiern! Schmeißen Sie mit Einhornkot! Endlich können Kinder­krippisten gegen Herd­prämisten kämpfen, Badeanzugisten ­bremsen zusammen mit Glühbirnisten die Bikinisten aus. Die Korkisten kämpfen sowieso gegen alle. Und es würde mich nicht wundern, wenn die Elektrosparlampisten mit den Schraubisten sympathisierten. Vielleicht kommen die dann mal auf etwas wirklich Radikales: zum Beispiel, eine Weinflasche mit einer Energiesparlampe zu verschließen. >


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Niemals zuvor hatte irgendjemand so viel Geld für Wein ausgegeben! Und das nur, weil er dem Besitz Thomas Jeffersons zugeschrieben wurde. Aber stammte der Wein tatsächlich aus dem Jahr 1787? War er wirklich 200 Jahre lang in Paris eingemauert? Gehörte er nachweislich einst dem dritten Präsidenten der USA? Oder stammte er doch aus der Werkstatt eines gerissenen Fälschers? Während der Autor versucht, Antworten auf zahlreiche Fragen zu finden, entdeckt er eine kuriose Geschichte – angefangen bei dem britischen Auktionator über passionierte Weinkenner bis hin zu besessenen Sammlern von Raritäten.  € 29,90 (D)


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Frei das Denken, gross die Neugier, sprudelnd die Ideen und eindeutig die Handschrift

Der Moselwinzer Ernst Loosen und seine grenzenlose Weinwelt Text: Till Ehrlich Fotos: Alex Habermehl und Johannes Grau

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Frankfurt Airport. Soeben ist Lufthansa Flug 405 aus New York gelandet. Der

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ch möchte über Ernst Loosen nicht als Legende oder Enfant terrible der deutschen Winzerszene schreiben. Sondern Winzer Ernst Loosen kommt rasch zum Ausgang, voller Energie und ohne über die Gegenwärtigkeit seines Schaffens als Winzer und ­Anzeichen von Jetlag. Wir fahren sofort los, über die Autobahn an die Mosel. Weinunternehmer: Loosen, Jahrgang 1957, erzeugt seit drei Jahrzehnten differenzierte Weine in unterschiedlichen Lagen Loosen spricht über den amerikanischen Weinmarkt, dann über seine Anfänge und Weingebieten der Welt. Wenn man heute auf sein Werk im elterlichen Weingut, den ersten selbst verantworteten Jahrgang, die jahr­ schaut, ergibt sich aus der Fülle seiner Weinkollektionen und weltweiten Engagements ein Bild: Er hat ein Lebenswerk hin­ hundertlange Geschichte seiner weitverzweigten Familie, eine der großen gelegt. Als Erzeuger von stilistisch vielfältigen Weinen im ­deutschen Weindynastien. Doch eigentlich sind die Gedanken bei der bevorste­ gesamten Weinspektrum ist er zu einer bedeutenden Gestalt seiner Generation geworden, nicht nur in Deutschland. henden Probe. Fünfundzwanzig Jahrgänge aus sechs Jahrzehnten will er Fine In der globalisierten Welt zeichnet sich im Rückblick die zeigen, von 1953 bis 2009. Ein Blick auf das Schaffen dreier Generationen im Bedeutung dieses Winzers und Unternehmers darin aus, dass er international sehr früh (und mit relativ bescheidenen finan­ Weingut Dr. ­Loosen. Darunter auch Weine seines Großvaters Friedrich, die er ziellen Mitteln) in ungewöhnlichen Weinregionen aus der selbst noch nie getrunken hat. moselanischen und deutschen Rieslingtradition heraus Weine wie den amerikanischen Riesling Eroica entwickelt und dort heimisch gemacht hat. Man könnte auch sagen, er hat den Riesling in Amerika auf den Punkt gebracht. Die Kollektion der Riesling-Auslesen aus dem Erdener Prälat umfasste die Jahrgänge 1988 bis 2009, ein Einblick in ein knappes Vierteljahrhundert der Ära Ernst Loosen/­ Bernhard Schug. Im Jahr 1987 hat Loosen während der Lese die Regie im elterlichen Familienbetrieb übernommen und Bernhard Schug zum Kellermeister gemacht. Umfang­reiche personelle und strukturelle Änderungen waren zunächst 132

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»Nicht alles Vergangene will ich übernehmen, aber das Positive«: In seinem Gutshaus an der Moseluferstraße in Bernkastel denkt Ernst Loosen über den besonderen Charakter seiner Weine nach. Aus den Erdener Lagen Treppchen und Prälat kommen die ungewöhnlichsten Rieslinge der Mosel. Sie zeigen markant die Handschrift des Winzers. Trauben zu ernten. Die allgemeine Klimaerwärmung sieht er daher nicht als Problem: Im heißen Jahr 2003 habe er zuerst einen Schreck bekommen und dann reagiert. Er hat Höhen­ lagen im Graacher Himmelreich erworben, die ihm auch in heißen Jahren filigrane, lebendige Kabinette erlauben. Hinzu kommt, dass Ernst Loosen bereit ist, seine Konzep­ tion elastisch zu überdenken, wenn er mit dem Resultat nicht mehr zufrieden ist. So hat er seit 1988 einige Male auch bei der Auslese aus dem Erdener Prälat einiges verändert. Erstaun­ lich ist, dass sich gerade deswegen eine vitale Kontinuität im Geschmacksbild dieser Rieslinge zeigt. Das verdeutlichte auch die Fine-Verkostung im April 2012 (siehe Seite 138). Was sagt das über Loosens Weine aus?

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pitzenweine leben nicht zuletzt von ihrer Intensität in Duft und Geschmack. Oft aber wird Intensität mit Konzen­tration und Körper gleichgesetzt. Dieses Missver­ ständnis führt zu überkonzentrierten Weinen, denen in der Regel Balance, Finesse und Delikatesse fehlen. Echte Intensi­ tät aber – die jeder Weinverrückte sucht, weil sie ihm unver­ gessliche Glücksmomente schenkt, in denen sich ihm das ­Mysterium des Weins offenbart – kann auf ­verschiedenen Wegen entstehen: Es gibt große Weine, die beindrucken, weil notwendig, sodass 1988 als der erste Jahrgang gelten kann, sie aus der Überfülle heraus reduzieren, also eine geschmack­ bei dem sich die neue Loosen-Stilistik ungehindert ent­ liche Fokussierung besitzen. Ein Winzer erreicht das, indem wickeln und entfalten konnte. Erstaunlich, dass sich seine er die Vinifikation so einrichtet, dass sich im Wein die ver­ Handschrift deutlich in der Textur eines jeden einzelnen schiedenen Geschmackskomponenten, wie etwa Säuren, aber Weins zeigt, obwohl Loosen sowohl bei der Weinbergsarbeit auch flüchtige Aromen, als Überhang bilden. als auch bei der Vinifikation im Keller keine ein für allemal ­fixierten Methoden anwendet, sondern die entscheidenden Herstellungs-­Prozesse jedes Jahr neu mit den Eigenheiten eines Jahrgangs abstimmt und in ein Zusammenspiel bringt. Dies ist heute sogar im Spitzenweinbau keine Selbstverständ­ lichkeit mehr, da viele Erzeuger einmal gefundene erfolg­reiche Methoden gern als Rezept für alles nehmen.

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ei Loosens Moselrieslingen gibt es neben der individuel­ len Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Jahrgang eine klare Idee und Konzeption, die jedem seiner Weine zugrunde liegt. »Die meisten Winzer entscheiden heute im Keller, am Fass, was für ein Wein das wird – das ist nicht mein Ansatz«, sagt Ernst Loosen. »Wenn wir einen Kabinett haben ­wollen, arbeiten wir darauf hin«. Dabei kann er mit den Höhen­ unter­schieden von etwa zweihundert Metern s­ einer Steil­lagen ­spielen, um die stilistische Typik und Identität des Mosel­ rieslings erhalten zu können. In heißen Jahren kann er in die kühleren Höhenlagen gehen, um etwa einen t­ ypischen, ­knackigen Kabinett zu ernten. In kühlen bieten ihm die wär­ meren Rebflächen unten am Fluss die Möglichkeit, reife

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Abgang

Ein Amerikaner in Paris ücher, so sagt ein lateinisches Sprichwort, haben ihre eigenen Schicksale. Um wieviel mehr, darf ich hinzufügen, ein Verleger! Nie hätte ich geglaubt, dass es gerade mir zufallen würde, in meinem Verlag das Buch über eine Wein­ affäre zu publizieren, in der ich selber in meinen jungen Jahren eine Rolle spielte. Es geht darin um einzigartig kostbare alte Weine, um historische Flaschen – und um die Frage, ob es mit ihnen seine Richtigkeit hat. Denn bis heute gibt die fast unglaubliche Geschichte um die angeblichen Jefferson-Flaschen Rätsel auf, die im Jahr 1985 in einem Kellergewölbe in Paris gefunden und von dem Raritäten­ sammler Hardy Rodenstock gekauft worden waren. Im Londoner Auktions­ haus Christie’s wurde eine dieser Flaschen, ein »Lafitte 1787«, zu dem damals unfassbaren Rekordpreis von rund 400 000 Mark versteigert. Weltsensation – oder Fälschung? Das war damals, das ist heute noch die Frage. Jeder mag sich, wenn er kann, sein eigenes Urteil bilden. Um noch einmal die alten Römer zu zitieren: Selten war deren Weisheit »Im Wein liegt die Wahrheit« bezweifelbarer als in diesem Fall. So lag es für uns auch nahe, die deutsche Ausgabe des Bestsellers »The Billionaire’s Vinegar« von Benjamin Wallace mit diesem Sprichwort doppeldeutig zu betiteln. Mir als Zeitzeugen jener abenteuerlichen Geschichte – ich habe damals für Hardy Rodenstock einige jener Flaschen geöffnet – fällt es schwer, mich ein­ deutig zu entscheiden, mich gar für die historische Echtheit der Flaschen zu verbürgen. Aber ich habe diese Weine auch getrunken. Und hier bin ich ganz sicher, das ist meine eigene unumstößliche Wahrheit in diesem Fall: Ob nun aus dem Besitz von Jefferson oder nicht – geschmacklich war jeder Schluck eine Sensation für sich. Alte Weine sind ein großes Thema, sie werden es gewiss auch bleiben. Sie sind Vorbilder für Qualität und Denkmäler des Geschmacks, sie haben hohen kulturhistorischen Wert – und immer auch ihre Geheimnisse. Seien wir darum für einen Augenblick einmal ehrlich zu uns selbst: Sind es nicht diese manchmal etwas unheimlichen, etwas zwielichtigen Geschichten, die uns Wein­liebhabern das Blut schneller durch die Adern fließen lässt? Die Welt des Weins wäre doch ärmer ohne solche Mythen, Märchen und Legenden. Das Buch von Benjamin Wallace ist voll solcher Begebenheiten, bei deren Lektüre wir Betrüger und ­Fälscher nachsichtig, ja amüsiert Schlitzohren oder Hasardeure nennen würden. Hollywood hat das Potential der Affäre schon erkannt, die Traumfabrik nimmt sich des Falles an. Thomas Jefferson – ein Amerikaner in Paris.

Ralf Frenzel Herausgeber

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Foto: Johannes Grau

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ENJOY RESPONSIBLY

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