Fine Ein Magazin für Wein und Genuss 4|2012

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Auf den Punkt gegen Kopfschmerzen

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E I N M AGA Z I N F Ü R W E I N U N D G E N U S S

Verleger und Herausgeber Ralf Frenzel ralf.frenzel@fine-magazines.de Chefredakteur Thomas Schröder thomas.schroeder@fine-magazines.de Redaktion Carola Hauck Art Direction Guido Bittner Mitarbeiter dieser Ausgabe Bernd Fritz, Carola Hauck, Susanne Kaloff, Angelika Ricard-Wolf, Alena Schröder, Thomas Vilgis, Christian Volbracht Fotografen Guido Bittner, Johannes Grau, Marco Grundt, Christof Herdt, Marc Volk Titel-Foto: Guido Bittner Editorial-Fotos: Johannes Grau und Pekka Nuikki Verlag Tre Torri Verlag GmbH Sonnenberger Straße 43 65191 Wiesbaden www.tretorri.de Geschäftsführer: Ralf Frenzel Anzeigen Ann-Kathrin Grauel Tre Torri Verlag GmbH +49 (o) 611-57 990 info@fine-magazines.de Druck Prinovis Ltd. & Co. KG  ·  Nürnberg Fine Ein Magazin für Wein und Genuss ist eine Sonder­beilage des Tre Torri Verlags und erscheint im Verbund mit Fine Das Wein­magazin viermal Jährlich im ausgesuchten Zeitschriftenhandel.

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Der Verlag h ­ aftet nicht für unverlangt eingereichte Manus­kripte, Dateien, Datenträger und Bilder. Alle in diesem Magazin veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt.

Verehrte Leserin, lieber Leser, Advent, Advent ... Jetzt ist wieder die Zeit der Heimlichund Heimeligkeiten, die Zeit der Engelsmusiken aus nie ermüdenden Leierkästen, von frommen Posaunen- und braven Kinderchören. Düfte wehen von einem Christ­ kindels­markt zum andern, Apfel, Nuss und Mandelkern, vor allem, wenn sie zuckrig gebrannt die Luft verheißungsvoll-klebrig schwängern und sich mit den würzigen Nelken­ aromen des heißen Glühweins mischen. So sind sie, die schönen Vorweihnachtswochen, wenigstens den K ­ indern zur Freude, die nur ein ganz klein bisschen bang, im wesentlichen aber zuversichtlich und in festem Vertrauen auf die Großzügigkeit höherer Mächte dem lieben Fest ent­ gegen­fiebern. Und wenn dann der Adventskranz, dieses sinnige Symbol der hoffnungsvollen Erwartung, langsam dahinwelkt und die Zweiglein mit den trocknen Nadeln in die stille Kerze gehalten werden, leicht sprühend und leise zischend aufflammen und diesen unbeschreiblichen Tannenduft freisetzen, der in die aus der Küche dringenden Schwaden der im Backofen sachte braun werdenden Makronenplätzchen einschwingt – ja, dann wollen Herz und Gemüt sich nur zu gern dem sanften Weihnachts­ delir ergeben. Der Weihnachtsfriede zieht eben vor allem durch die Nase in unsere Seelen ein. Weshalb wir uns in dieser Fine-Beilage mit lauter schönen und kostbaren Dingen

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befassen, denen ein besonderes Flair, ein spezieller Duft zu eigen ist, Produkte, mit denen man sich selbst und andere beschenken kann. Sinnlicher Stoff: Parfüms, die Trägerin und T ­ räger begehrenswert machen, Champagner, der prickelnd frisch in die Nüstern steigt, Rotwein, der sein ­Bouquet üppig verströmt, oder Trüffel, nach deren Duft man süchtig werden kann. Besonderes Vergnügen hat uns ein bisher ein­maliges, wenn auch spielerisches Experiment gemacht, das die Nasen der Fine-Redakteure, einiger kundiger Weinfreunde und Parfümeure nicht wenig irritiert hat und zu durchaus stupenden Erkenntnissen führte: eine Vergleichsverkostung von Champagnern, Rotweinen – und Parfüms. Wie bitte? Lesen Sie das verblüffende Versuchsprotokoll unseres Autors Professor Thomas Vilgis, dem MolekularPapst und Leiter des Mainzer Max-Planck-Instituts für Polymerforschung, und wundern Sie sich nicht, wenn Sie das Experiment für sich nachstellen: Den Champagner und den Rotwein dürfen Sie nach dem Riechen getrost trinken. Die Gläser mit den Parfüm-Lösungen sollten Sie besser ausschließlich ihrer Nase vorbehalten!

Ralf Frenzel Thomas Schröder Herausgeber Chefredakteur

Giorgio Armani Louis Vuitton Luxusparfümerien Trüffel und Wein Geschenke Weihnachtsbier Champagner in Lech Olymp-Hemden YSL Manifesto Ein Verkostungsversuch

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» Eleganz: nicht ins Auge fallen, sondern im Gedächtnis bleiben.«

Foto: Getty Images

Wie der italienische Designer Giorgio Armani seine Modemarke zu einem Lifestyle-Imperium aufgebaut hat

Von Angelika Ricard-Wolf

Flashback. Im Museum Trocadéro in Paris gehen bei einer Riesenfete plötzlich die Lichter aus. Das geladene Partyvolk verstummt. Da ertönt ein Knall, und draußen vor den wandhohen Fenstern wird rund um den Eiffelturm ein gigantisches Feuerwerk abgebrannt. Damit es auch alle die Dekoration vor den Glasscheiben zur Seite gerückt. Das war der Gastgeber: Giorgio Armani. An d ­ iesem Herbstabend im Jahr 1982 stellte er sein erstes Parfüm vor. Und überließ schon damals nichts dem Zufall.

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er italienische Modemacher ist ein bekennender Überwachungsfreak. Noch heute, mit achtundsiebzig Jahren überprüft der Herr über ein ganzes Luxus-Imperium akribisch jedes Detail. »Ich kann nicht delegieren«, sagt er, »ich muss alles kontrollieren.« Da hat er viel zu tun. Seit er 1975 sein Modehaus in Mailand gründete, hat er die Marke kontinuierlich zu einem international bekannten Lifestyle-Label ausgebaut. Der Mann mit den berühmten blauen Augen begnügt sich schon lange nicht mehr damit, Frauen und ­Männer jeden Alters fashionable einzukleiden. Zielstrebig hat er seinen Ideen­reich­tum auf andere Bereiche übertragen. Er entwirft Accessoires, ­Brillen, ­Parfüms, Schmuck, Uhren, Möbel, Naschwerk, Restaurants, ganze Hotels und Ferien­resorts, Blumenarrangements und sogar Yachten. Letztere sind von der Schnittigkeit und dem Interieur seines neuesten eigenen Traumschiffs inspiriert, der »Main«. Das feine Boot entlockte selbst ­seinem Kollegen Valentino, gleichfalls Eigner eines schnieken Schiffes, bei einem Drink an Bord den bewundernden Ausruf: »Welche Eleganz!«

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sehen können, hatte vorher ein Mann im dunklen T-Shirt noch schnell

Doch Giorgio Armani schippert viel zu selten um den Stiefel nach Pantelleria vor Sizilien oder nach Saint-Tropez in Frankreich, wo zwei seiner diversen Domizile liegen. Muße zur Muße gönnt er sich so gut wie nie. Sein ausgeprägter Sinn für Disziplin hält ihn ständig auf Trab. »Ich habe immer gearbeitet. Ich bin zu verantwortungsbewusst. Aber ich kann mir nicht vorstellen, anders zu leben«, gestand er dem einst von Andy Warhol gegründeten Magazin »Interview«. Und fügte hinzu: »Ich habe nie Spaß im Leben gehabt. Man kann das sicher lernen, aber ich denke, für mich ist es zu spät.« Also ist der Workaholic meist in seinem Unternehmen in Mailand anzutreffen, wo er nach ein paar Runden im häuslichen Pool und einem spartanischen Frühstück (eiserne Disziplin auch in punkto Fitness und Figur!) spätestens um neun Uhr morgens auftaucht. Dort tourt er durch die Ateliers und Büros, als steter Ansprechpartner für seine Angestellten, aber auch als kritischer Kontrolleur. Seinen Alltag, geprägt von der Vorbereitung der jeweils nächsten Schauen für die fashion week in


Der Maestro und sein erster Duft: Vierzig Jahre nach der Premiere seines allerersten Parfüms Armani Femme (ganz oben rechts) präsentiert Giorgio Armani den Klassiker in neuer Gestalt - als limitierte Crystal Edition in einem kostbaren Kristallflakon.

Milano, unterbricht er für Inspektionsreisen in alle Welt, um in seinen mehr als hundert Läden nach dem Rechten zu sehen. In Metropolen wie New York oder Hongkong unterhält er imposante Flagshipstores, die, stets auf dem neuesten Designstand, sein Imperium repräsentieren, das mehr als fünftausend Angestellte beschäftigt und einen Jahresumsatz von rund 1,6 Milliarden Euro macht. Kein Zweifel, der kleine Italiener aus Piacenza ist einer der Größten im internationalen Fashionbusiness. Wenn nicht der Größte überhaupt. Sein Privatvermögen wird auf 7,2 Milliarden Euro geschätzt. Seit dem Tod seines Lebensgefährten und Partners, des Architekten Sergio ­Galeotti, im Jahr 1985 führt Giorgio Armani das Unternehmen allein. Er ist die persona assoluta in allen Fragen, stilistisch und finanziell. Dabei hat er ursprünglich Medizin studiert, die Ausbildung aber nach ein paar Semestern mangels Interesse abgebrochen. Und nicht etwa, wie gern kolportiert wird, weil er kein Blut sehen konnte. Wahr ist allerdings, dass er sich als ausgewiesener Ästhet lieber mit den s­ chönen Dingen des Lebens beschäftigt. Der Berufswechsel zum Schau­fenster­ dekorateur war entsprechend kontrovers. Er arbeitete im Mailänder Kaufhaus La Rinascente, avancierte dort zum Modeeinkäufer und l­ eitete schließlich die Herrenmodenabteilung. Durch den Job lernte er den Stofffabrikanten und Modemacher Nino Cerruti kennen, der ihn als Stilist engagierte. Nach neun Jahren machte sich Armani mit einem Design-Studio selbständig und entwarf unter anderem Linien für die Marken Ungaro und Zegna.

Relativ spät, mit einundvierzig Jahren, gründete er seine eigene Modefirma. Und präsentierte der erstaunten, aus bunten Hippie-­Zeiten noch reizüberfluteten Fashionwelt einen zeitlos-eleganten Look rund um den Blazer: Anzüge und Kostüme ohne Schulterpolster, lässig im Schnitt, fließend in der Form und dezent in der Farbe. Im ersten Jahr entwarf er eine Kollektion nur für Herren, ein Jahr später eine für Damen. Jedes einzelne Teil folgte seiner Maxime von Feinheit und Kultur: »Eleganz heißt, nicht ins Auge zu fallen, sondern im Gedächtnis zu bleiben.« Die Unfarbe Beige, von den meisten Modemachern wegen mangelnder Sexiness und dem Ruch des Altbackenen wie die Pest gemieden, avancierte bei Armani zum Statussymbol der Karriere-Ladys. Sie lernten seine Kleider und Kostüme in »Neutrals«, wie er die von ihm bevorzugten zarten Farbtöne nennt, zu schätzen. Als perfektes O ­ utfit, das durch seine ebenso dezente wie figurfreundliche Linienführung bestach und ihnen im Business eine respektvolle Aura und sicheres Auftreten verschaffte. Mit diesem Stil eroberte der bekennende Kinofreak, der vor allem in Filmen, aber auch in Theater und Oper eine ständige Inspirationsquelle sieht, auch Hollywood. Kaum hatte er Richard Gere für dessen L ifest y le

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Fotos: Getty Images

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Der König und sein Hofstaat: Auf der Mailänder Womenswear Fashion Week nimmt Giorgio Armani für seine Frühlings- und Sommerkollektion 2013 vor den Models die Huldigung des hingerissenen Publikums entgegen.

Durchbruch-Streifen »American Gigolo« ausgestattet, standen die Stars, Männer wie Frauen, bei ihm Schlange. Und das ist noch heute so. Wenn sie sein Label tragen, wissen sie, dass ihr Outfit wie ein guter ­Statist ihnen die strahlende Hauptrolle überlässt. »Was zählt«, sagt Giorgio Armani, »ist der Kopf.« Natürlich ist der Designer bei seinen Entwürfen stets mit der Zeit gegangen. Vor allem mit seinen jüngeren Linien »Exchange«, »­Emporio«, »Jeans« oder der Sportserie »EA7« beweist er sein Talent, up to date zu sein. Dennoch gibt es kaum einen Kollegen, der seinem Stil über Jahrzehnte so konsequent treu geblieben ist wie er. Allenfalls der amerikanische Modemacher Ralph Lauren hält so wie er an einer Grundlinie, in dessen Fall dem eleganten Country-Look, fest. Das Gros der Designer schert sich jedoch nicht vorrangig um eine durchgängig persönliche Handschrift, geschweige denn um den Look der vergangenen Saison, sondern legt »Altes« für effekthaschende Trends rigoros nach einem halben Jahr ad acta. »Das Tempo ist mörderisch. Wer heute der Mode folgen will, versteht gar nichts mehr. Alles ist gerade erst dagewesen. Es werden alle sechs Monate zu viele Neuheiten auf einmal propagiert. Aber das entspricht wohl unserer schnelllebigen Zeit, die uns mit Bildern und Informationen überfüttert.« Ein Zitat von Giorgio Armani immerhin aus dem Jahr 1988! Schon damals kam er zu dem Schluss: »Wichtig ist, dass man unbeirrt seinen Weg geht.« Das tut er. Ästhetik beherrscht sein Leben und seine Arbeit. Dieser ausgeprägte Sinn ist es, der ihn neben der Mode auch andere Bereiche

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erobern lässt. Sein exquisiter Geschmack hat seinen Blick geschult. Er sieht alles, erst recht, wenn etwas nicht stimmig ist. Und weil ihn das stört, fängt er an, die Dinge nach seinen Maßstäben besser zu machen. Egal, ob es ein Brillengestell, ein Parfümflakon, ein Praliné, ein Spa oder gleich ein ganzes Hotel ist. Jedes Projekt konzipiert und perfektioniert er penibel bis zur letzten Minute. Ein Albtraum für jeden Mitarbeiter, den Ansprüchen des Meisters nicht zu genügen. Selbst bei den Rezepturen für seine zahlreichen Düfte mischt sich Armani kräftig ein. Dabei ist er hier, im Gegensatz zum Flaschen­design, kein ausgewiesener Fachmann. Was ihn nicht daran hindert, eine Komposition tausendfach modifizieren zu lassen. Das hat schon manchen Parfümeur zur Verzweiflung gebracht. Doch letztendlich hat sich die kleine feine Nase des Maestro (und auf die ist er nicht nur ihrer Form wegen stolz) immer bewährt. »Armani privé«, die er­lesene Duft-Bibliothek, ist ebenso ein Erfolg wie die eher kommerziellen Parfüms »Armani Code« oder »Acqua di Giò«. Und sein ­erstes Herrenparfüm »Eau pour Homme« ist längst ein Klassiker. Gemeinsamer N ­ enner der Parfüms ist – wie im Fashionbereich – ihre zeitlose Modernität. Die beherrscht der stets gut gebräunte Designer perfekt. Sogar in punkto Selbstdarstellung. Ähnlich sorgsam wie Karl Lagerfeld achtet er auf sein makelloses Äußeres. Nur die Fältchen, die sich erst in den vergangenen Jahren eingeschlichen haben, lassen sich nicht verleugnen. Aber mit achtundsiebzig Jahren darf man schließlich ein paar haben. Auch als Ästhet.  >



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Das Geheimnis von Asnières

Der Tee in den hauchdünnen Tassen passt farblich exakt zur maigrünen Wand. Im türkis gekachelten Jugendstilkamin knistert es gemütlich, auf antiken ­Truhen stehen Bourbon-Rosen und silberne Bilderrahmen mit Familien­ fotos, wir nehmen auf samtbezogenen Sesseln Platz, dampfende Croissants ­werden gereicht, Duftkerzen brennen. Alles flüstert: Leute, lasst uns hier Weih­ nachten feiern! Das wird leider nicht möglich sein, wir sind nämlich nicht in einem Luxushotel, sondern im ehemaligen Wohnzimmer der Familie Louis ­Vuitton gelandet. Als Monsieur Vuitton ­dieses bezaubernde Jugendstilhaus bauen ließ und mit seiner Frau und den Kindern einzog, war hier noch ­flaches Land. Heute steht es in Asnières, nicht weit von Paris, und die Adresse l­ autet Rue Louis Vuitton.

Von Susanne Kaloff Fotos Marc Volk 10

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ierher eingeladen zu werden, ist ein exklusives Vergnügen; der Familiensitz war und wird nie für die Öffentlichkeit geöffnet. Dass er vor neugierigen Blicken geschützt wird, wundert wenig: Das wäre sonst fast so, als würde das Geheimrezept für Coca-Cola ausgeplaudert. Handverlesene Kunden und Journalisten bekommen aber doch von Zeit zu Zeit die Möglichkeit, einen Blick auf die Anfänge des Luxus-Reisegepäckherstellers und in die Manufaktur im Nachbargebäude zu werfen. Im Erdgeschoss gibt es ein Ess- und Wohnzimmer, im oberen Stockwerk ist heute ein privates Museum untergebracht: Große Schrankkoffer, ein aufklappbares Feldbett, Hutschachteln vermitteln einen Eindruck davon, wie stilvoll, aber auch wie schwerfällig das Reisen noch vor hundert Jahren war. Louis Vuitton wurde 1821 in Anchay, einem kleinen Ort in der Nähe der Schweizer Grenze geboren, aber schon mit dreizehn J­ ahren zog es ihn in die Welt. Sein Ziel war Paris, das er nach zweieinhalb ­Jahren erreichte – er war die ganze Strecke zu Fuß gegangen. Als er ankam, war er sechzehn. Er begann eine Lehre als Kistenmacher in der Werkstatt von Monsieur Maréchal in der Rue Saint-Honoré im besten ­Quartier von Paris. Reiche Familien gingen damals zum Kistenmacher, um sich ihr Reisegepäck anfertigen zu lassen. Das waren mehr Kisten als ­Koffer, man machte keine Kurztrips wie heute, sondern reiste stets für eine lange Zeit und mit fast allem Hab und Gut. Es war eine Zeit, in

Mit großen Lettern: Louis Vuittons Initialen, die am Flagshipstore auf den Champs Elysées prangen, haben schon früh die Welt des eleganten Reisens erobert. In Asnières bei Paris hatte der Täschner für sich und seine Familie eine Jugendstil-Villa gebaut – direkt neben der Manufaktur für Koffer und Taschen. Heute ist LV ein bedeutendes Lifestyle-Unternehmen.

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der sich die Damen bis zu fünfmal am Tag umzogen. Sie trugen üppige Empire-Kleider, Hüte und Korsetts: In jedem Schrank­koffer war eine Garderobe eingebaut, damit man nach einer langen Reise wieder alles hübsch sortiert an seinem Platz vorfand. Der junge Louis Vuitton war sehr geschickt im Umgang mit Holz, und Kaiserin Eugénie ernannte ihn nach seiner Ausbildung zum persönlichen Hoflieferanten. 1854 eröffnete er seinen ersten eigenen Laden in der Nähe der Oper. Sein Erfolg war so groß, dass er bald eine größere Werkstatt brauchte: A ­ snières, das logistisch perfekt lag und wo bis heute jedes Gepäckstück von Hand gefertigt wird.

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rüher waren die Deckel der Koffer gewölbt, damit der Regen ablaufen konnte. Mit einem neuen Beschichtungsverfahren revolutionierte Louis Vuitton das Reisen: Die flachen Koffer, die über­ einander gestapelt werden konnten, kamen auf den Markt. Mit d ­ ieser Inno­vation wurde der Erfolg noch größer: Sohn Georges eröffnete 1888 das erste Ladengeschäft außerhalb Frankreichs: in London. Das Schach­brett­muster »Damier« wurde zum Markenzeichen des Hauses. ­Zusammen mit seinem Vater entwickelte Georges außerdem ein nicht zu ­knackendes Gepäckschloss mit einem nummerierten Schlüssel, das Louis ­Vuitton patentieren ließ. Als begleitende Werbemaßnahme forderte Georges den amerikanischen Zauberer und Entfesselungs­künstler Harry Houdini heraus, der sich aus einem Vuitton-Koffer befreien sollte. Der lehnte ab. Heute wird das Familienunternehmen in fünfter Generation von Patrick Vuitton geführt. Aber schon die nächste und übernächste Generation steht bereit: Der dreizehnjährige Enkelsohn zeigt großes Interesse an der Lederherstellung. Auch wenn die Mittel, die man zur Verfügung hat, heute besser sind als damals: Der Geist der Firma ist immer noch derselbe. Nur der Kleber riecht nicht mehr, was für die hier beschäftigten einhundertsiebzig Arbeiter eine Erleichterung ist. Durchschnittlich gehört ein Mitarbeiter dreiundzwanzig Jahre der Firma an, irgendwas muss hier richtig laufen. Beim Betreten der Manufaktur riecht es nach Wald, das kommt vom Pappelholz, das für den Korpus der Hartschalenkoffer verwendet wird, ein robustes Holz, das feuchtigkeitsabweisend und zugleich leicht ist. Die Mitarbeiter tragen beigefarbene Kittel, die in Braun mit

Mit Nadel und Faden: Edelste Werkstoffe werden von geschickten Spezialisten in reiner Handarbeit Stück für Stück zugeschnitten und genäht. Das Unternehmen wahrt seine Tradition und setzt auf die Erfahrung langjähriger Mitarbeiter.

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Karoline Herfurth

DIE FRAU, IHR DUFT

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in der Kategorie PUBLIKUMSPREIS PRESTIGE DAMEN


dem Namen und dem Jahr ihres Firmeneintritts bestickt sind. Carlos ist »depuis 1985« dabei. Er ist der Lederspezialist und dafür zuständig, dass jedes Leder genau unter die Lupe genommen wird. Im Lagerraum nebenan liegen unzählige Häute, in allen möglichen Farben und ­Strukturen. Einen Raum weiter werden mit weißem Stift die Mängel eingekringelt, die mit einem sehr scharfen Stanzgerät ausgeschnitten ­werden, was ein bisschen an Plätzchenausstechen erinnert. Ein Stockwerk w ­ eiter oben sitzt Justine, die seit 1989 dabei ist, und Hut-Boxen herstellt. Aber was macht sie bloß mit dem Haarfön, der auf ihrem Tisch liegt? Der chemiefreie Klebstoff trocknet sehr schnell, weswegen er mit Warmluft reaktiviert werden muss. Zwei Plätze hinter ­Justine arbeitet Alain (einer der treuesten Mitarbeiter des Hauses) an einem ­Steamer Bag. Früher stand das Wort für Wäschesäcke, die auf den ­großen ­Schiffen außen an die Kabinentür gehängt wurden. Heute ist das eine schicke Tasche, die wohl keiner mehr für schmutzige Socken verwenden würde. Der Griff wird von Alain aufwändig von Hand mit Näh­nadel und Faden bearbeitet. Handmade ist hier ausnahmslos alles, man sieht nur ­Menschen, die mit ihren Händen arbeiten, sehr präzise auch ohne Messinstrumente, die mit riesigen Scheren so kerzengrade ins Leder ­schneiden, wie man es selbst nicht einmal bei einem Bogen Geschenkpapier hinbe­ kommen würde. Jeder Nagel wird Stück für Stück von Hand ins ­Material geklopft – es heißt, jeder Arbeiter habe seine eigene Melodie, seinen eigenen Rhythmus beim Hämmern. Manche tragen Ohrstöpsel. Es herrscht eine freundliche Stimmung, man möchte fast sagen friedlich. Was hier entsteht, hat etwas Altmodisches und zugleich Perfektionistisches. Und zum ersten Mal begreift man, warum ein Stück aus dem Hause Louis Vuitton schon mal so viel kosten kann wie eine Weltreise. In der »Special Order«-Abteilung geht es geheimnisvoll zu, hier ­werden nur Sonderanfertigungen hergestellt, und es bleibt der P ­ hantasie überlassen, was für Unikate das sein könnten. Jeder Kundenwunsch wird erfüllt: vom Koffer für die Playstation bis zu einem Behältnis für die Milchzähne der Kinder. Das ikonische Monogramm auf den S ­ tücken, das heute weltweit jedes Kind erkennt, ist übrigens eine Hommage von Georges an seinen Vater Louis ­Vuitton, der 1892 starb. Was genau ihn dabei inspirierte, ist nicht überliefert. Man vermutet aber, dass die Jugendstil-Fliesen in der Küche der Vuitton-­Villa Einfluss auf das Blüten­motiv gehabt haben.  >

Mit Ecken und Kanten: Stilvoll in der Optik, solide in der Ausführung, robust in der Handhabung – und die Beschläge geben dem Klassiker von Louis Vuitton zusätzlichen Schutz. Soviel Sorgfalt und handwerkliches Können haben natürlich ihren Preis.

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Die Nase ganz weit vorn Eine Welt für sich: Luxusparfümerien

Von Susanne Kaloff Fotos Johannes Grau

Ein Wort des Meisters: »Es gibt keinen Luxus ohne P ­ arfüm.« Wer an Karl Lagerfeld denkt, dem kommt Cola Light und C ­ hanel in den Sinn, vielleicht aber auch jene schlanke Flasche mit dem silbernen Schlüsselring am Verschluss. Das war 1978, und jeder Mann, der männlich sein wollte, duftete nach »Lagerfeld«, dieser wuchtigen Essenz, die die Farbe von Altbier hat. Auch wenn es mittlerweile unzählige neue Kreationen gibt, halten sich manche Klassiker scheinbar für immer auf dem Markt. Auch Jil Sanders Düfte begleiten viele von uns durchs Leben. Die weiße Verpackung mit dem orangefarbenen Schriftzug SUN und die Musik von Depeche Mode sind untrennbar miteinander verwoben: Das waren die späten Achtziger. The Essentials heißt ihr aktueller Duft, und er steht neben Aramis Calligraphy, Elie Saab, Florabotanica von Balenciaga oder dem neuesten Baby, Dot von Marc Jacobs, in den Regalen der großen Parfümerien – wie hier der Meister-Parfumerie in Hamburg.

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ie hatten wir mehr Möglichkeiten, unsere Individualität mit einem Duft zu unterstreichen, als heute. Unsere Großmütter kauften ihr Kölnisch Wasser noch in der Drogerie, heute ist der Kauf eines ­Parfüms zur Ideologie geworden, und immer öfter geht es nicht einfach nur darum, gut zu duften, sondern vor allem darum, nicht so zu d ­ uften wie der Rest

J. F. Schwarzlose Berlin Rauschendes Comeback der Berliner Parfüm-Legende J. F. Schwarzlose: Klavier­bauer Joachim Friedrich Schwarzlose eröffnete 1856 am Gendarmenmarkt eine Drogerie und stellte exquisite Parfüms her. Die Neuinterpretationen können sich riechen lassen!

der Welt. Auch wenn sich für Evergreens wie Chanel Nummer 5 oder Diorissimo aus dem Jahr 1956 jederzeit Abnehmer finden, suchen immer mehr Kunden das vierblättrige Kleebatt für die Nase: das schlechthin Exquisite. Und das findet man nicht im Drogeriemarkt oder in einer Parfümkette. Luxusparfümerien sind Orte, an denen man das Gefühl bekommt, die Tür zu einem geheimnisvollen Zimmer öffne sich einen schmalen Spalt. Es ist nicht die Tür zum Orient, auch wenn Oud-Düfte, also orientalisch schwere süße Odeurs, gerade wieder sehr en vogue sind. Oud bezeichnet das Holz des Adlerholzbaums, ein Räucherholz, das durch die Reaktion des Baums auf einen speziellen Pilzbefall entsteht. 16

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Das duftet betörender als es klingt. Es ist selten und, wie alles Rare, sehr teuer: Ein Kilo des daraus gewonnenen ätherischen Öls kostet anderthalb Millionen Euro.

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er durch die Tür der Hamburger Meister-Parfumerie geht, erlebt, was mit Worten nur schwer zu beschreiben ist. Dennoch der Versuch: Ein sattes Gefühl von Fülle, Wohlstand und Üppigkeit, ohne auch nur eine Sekunde lang schwülstig zu sein. Hohe Regale aus amerikanischem Walnussholz, mit Bibliotheksleitern davor, um an die o ­ beren Borde zu gelangen, auf denen Flakons stehen, die man noch nie zuvor im

Elie Saab Le Parfum Ein eleganter, sinnlicher Duft, so feminin wie eine Chiffon-Robe des Designers: Ein blumig-warmes, holziges, verführerisches Eau de Parfum aus Orangenblüte und Jasmin in Harmonie mit außergewöhnlich reinem Patchouli.

Badezimmer der Freundin gesehen hat. Auch nicht im eigenen, und schon gar nicht im Duty-Free-Shop. Bordeauxfarbene Wände, kein Geprotze, nur Klasse. Frau Schumacher, die seit dreißig Jahren hier arbeitet und eine feine Nase hat, ist eine der wenigen Maîtres de P ­ arfum. Deutschlandweit gibt es nur sechzig, die sich so nennen dürfen. Zwei davon



W Auf der Leiter des Erfolgs: ­Exklusivität und Distinktion – darauf legt eine Luxus­parfümerie höchsten Wert. Parfüm­berater wie Norman Paulsen wissen, wonach ihre internationale Kund­ schaft verlangt. Das Haus an Hamburgs Eppendorfer Baum ist eine der ersten Adressen in Deutschland.

beraten bei der Parfumerie Meister, die vor einigen Jahren noch MeisterDrogerie hieß. Schon 1888 kaufte hier die feine hanseatische Gesellschaft von exklusiver Kindermode und Spielzeug über hoch­wertige K ­ osmetik und Kameras bis zu Still-Bhs. Heute hat man diese Sortimente räumlich voneinander getrennt. Unter den üppigen Stuckdecken des liebevoll restaurierten Stadthauses am Eppendorfer Baum wird die Rechts­ anwältin, die schon seit zwanzig Jahren Kundin ist, mit Namen begrüßt. Aber auch von weit her reisen Kunden an. Frau Dimetros, die seit zweiundzwanzig Jahren hier mit großer Leidenschaft berät, sprüht einen neuen Duft von J.F. Schwarzlose Berlin auf, der lapidar Rausch heißt, was viel­versprechend klingt und interessant riecht. Wenn beim Essen

Creed Das Luxus-Label Creed vereint ­Tradition, Qualität und Glamour. 1760 gegründet von James-Henry Creed in London und sofort Hoflieferant. Seit 1854 hat Creed seinen Sitz in Paris.

einer »Oh, interessant!« sagt, kann man das meist so interpretieren, dass es dem Gast nicht schmeckt. Bei einem Parfüm ist das anders: Interessant, das w ­ ollen wir alle sein. Nicht gewöhnlich, nicht verwechselbar, einzigartig, eine interessante Persönlichkeit. Ein Parfüm ist immer auch Ausdruck des Innenlebens. Es hat sich herumgesprochen, dass man bei ­Meister genau das bekommt. Von den erstklassigen Creed-Düften über die wunder­schönen Flakons von Clive Christian, der auch Düfte für Stars wie Elton John komponiert, bis hin zu modernen Neuerscheinungen wie Nasomatto, was soviel heißt wie verrückte Nase, von Alessandro ­Gualtieri. Seine außergewöhnlichen Parfüms basieren auf hochwertigsten Rohstoffen und einer guten Prise Verrücktheit. Seine Kompositionen

Escentric 01, Escentric molecules, Limited Edition Pheromonisch wirkender Duft! ­Escentric 01, der erste Duft von E ­ scentric Molecules, besticht mit fünfund­ sechzig Prozent des speziellen Moleküls Iso E ­Super, das durch seinen extra­ vaganten Geruch betört.

­ eißen Black Afgano oder Hindu Grass, das ist schon eine andere Ansage h als schlicht Boss. Und dann gibt es ja noch Escentric Molecules, der auch »Anziehungsduft« genannt wird. »Die sind Kult!«, sagt Frau ­Schumacher und sprüht einen Duft auf, den die Trägerin unter Umständen selbst gar nicht wahrnimmt, er soll sich wellenförmig ausbreiten. Angeblich sind darin Pheromone enthalten, weshalb manchmal auch Männer in den Laden kommen, die sich davon regen Damenzulauf erhoffen. Wer es weniger erregend mag, liegt vielleicht besser mit den gerade neu eingetroffenen Düften von Acqua Reale aus Turin, die Meister exklusiv in Deutschland führt: die Nase immer weit vorn. Auch besonders: Die ­ältesten Duftkerzen von Cire Trudon, gegründet 1643, bekommt man hier genauso wie jene von Bond No.9 aus New York. 18

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er nach Luxusparfümerien sucht, kommt auch an einem anderen Namen nicht vorbei: Mußler in Stuttgart. Ein Familienbetrieb, der 1935 gegründet wurde und heute in dritter Generation von Matthias Mußler und seiner Frau Susanne geführt wird. In den insgesamt sechs Filialen herrscht eine noch größere Maître-de-Parfum-Dichte: Sechs

Balenciaga Florabotanica Der bezaubernde Neuzugang aus dem Hause Balenciaga duftet nach Vetiver, Amber, Rose, Nelke und Minze. Inspiriert von einem botanischen Garten aus dem 18. Jahrhundert mit raren, exotischen, aber auch giftigen Pflanzen: romantisch und geheimnisvoll.

Mitarbeiter dürfen sich mit Stolz so nennen. Höher kann man im Universum der Düfte nicht aufsteigen. Nur die absoluten Virtuosen unter den Duftberatern sind berechtigt, diesen Spitzentitel zu tragen. Sie ­kennen und erkennen die Inhaltsstoffe vielfältiger Düfte, können aber auch über Herstellung, Aufbau und Charakteristika der unterschiedlichen Duft­konzepte Auskunft geben. »Früher genügte es, wenn man die KeyMarken führte, um eine Luxusparfümerie zu sein«, so Mußler, »heute reicht das nicht mehr aus«. Es sei eher die Zusammenstellung, die gute Mischung aus interessanten Marken, die sich nicht nur über den Preis definieren. Und man brauche vor allem motivierte Mitarbeiter, die sich auf die Kunden einlassen, zuhören und deren individuelle Vorlieben

Aramis Calligraphy Parfüm und Kalligraphie – beide haben eine lange Tradition. Ein orientalischer Unisex-Duft aus Kardamomnuancen, Zitrone, Zimt, Myrrhe und Safranblüten. Der Flakon wurde von Designer Tarek Atrissi entworfen.

verstehen. »Früher hat man Marmor in den Laden geknallt und Cremes für 700 Euro hingestellt, aber für mich kann auch ein Korres-Duschgel für 10 Euro Luxus sein.« Es geht um die Aufenthaltsqualität, wie ­Matthias Mußler das nennt. »Als ich vor sechs Jahren den Betrieb übernahm, haben wir erst mal den Ladenbauer gewechselt. Wir orientieren uns eher an Caféhäusern oder Modeläden, die uns gefallen, und gucken,

Cire Trudon Die Duftkerzen aus der ältesten WachsManufaktur der Welt kommen aus Paris. Schon Ludwig XIV. war ein großer Fan. Die Herstellung erfolgt ohne Paraffin und ohne sonstige petrochemische Stoffe.

wie man das auf ein Parfümerie-Erlebnis runterbrechen kann.« Und wer kauft hier so ein? »Es wäre vermessen, zu sagen, dass die Menschen aus der g­ anzen Welt zu uns strömen, aber unsere Kundschaft kommt aus ­Politik und Wirtschaft ebenso wie aus dem gut situiertem Mittelstand. Wir widmen uns jedem Kunden mit derselben Hingabe.«  >


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Die Qual der Wahl:

Trüffel zu Wein oder Von Christian Volbracht Fotos Guido Bittner

Da liegen sie in der Frischhaltebox auf Stroh, zweihundert Gramm schwarze Périgord-­Trüffeln aus Frankreich. Sechs Stück, die schwarzen pyramidenförmigen Warzen glänzen sauber ge­bürstet. Der Duft zieht aus dem Kühlschrank durch die Küche, ein würzig-inten­sives Aroma, das die Qual der Wahl noch vergrößert: Wie zubereiten, welchen Wein dazu trinken? Zwei der Diamanten der Küche liegen schon mit sechs frischen Eiern in einem Schraubglas. Nach einem Tag haben die Eier das Aroma angenommen. Alle paar Stunden schaue ich nach, öffne das Glas, um die Kondenswassertröpfchen abzureiben und Frischluft hineinzulassen. Bildet sich etwa ein zarter weißer Schleier auf der Schale? Schimmel an einer ­Trüffel, wie vor einem Jahr? Die Nase tief ins Glas – alles ist in Ordnung. Der Duft wird immer intensiver, bald schnuppert man Trüffeln im Hausflur.

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ochbücher werden gewälzt: Diesmal mit Blumenkohl, mit Kohlrabi oder mit Jakobsmuscheln wie bei Alain Ducasse? Wein­flaschen scheinen sich wie von selbst anzumelden: Soll ein alter Burgunder dazu oder die letzte ­Flasche 1969er Château Pétrus aus dem Keller? Man könnte eine halbe Trüffel scheibchenweise in ein aufgeschnittenes Schweinefilet schieben und die andere Hälfte für die Sauce benutzen: In kleine Julienne-Stäbchen schneiden, dann mit Madeira, Hühner­brühe und dem Fond vom Anbraten des Filets kochen. Oder wie im Vorjahr die ­Poularde in Halbtrauer? Da ist schon die Zubereitung sinnlich: Man schiebt dem Huhn mit fett eingebutterten Fingern Trüffel­scheiben unter die Haut an Brust und Schenkeln und lässt sie dann einen Tag im Kühlschrank liegen. Was ist wichtiger, der Wein oder die Trüffel? Vor zwei Jahren begeisterten wir uns an »Trüffeln in der Asche«: Sie werden geschält, mit Speck umwickelt und in Alufolie zwanzig Minuten im Backofen gegart, dann mit eiskalter Butter und einer Sauce aus Sherry, Brühe und den Resten

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der Schale serviert, wie von Küchenchef Walterspiel empfohlen. Andächtig entfaltet jeder sein Päckchen, wie schöne Geschenke zu Weihnachten, und atmet tief den Duft ein. Wir tranken Dom ­Pérignon 1990 aus der Magnum, dessen volle Reife das Trüffelaroma wunderbar ergänzte. Jedes Jahr ist das Trüffelhochamt ein besonderes Ereignis, ein genießerischer Freundestreff, ein Schwelgen für die ganze Familie. Diesmal soll der Genuss elementar sein. Zum Sonntagsfrühstück das Omelett, genauer gesagt: die ­Brouillade. Die Eier werden mit Sahne aufgeschlagen, ruhen dann einige Stunden mit klein geschnittenen Trüffel­stückchen, werden anschließend mit Salz und Pfeffer gewürzt und stocken dann langsam im Wasser­bad. Abends gibt es Trüffelluxus auf Brot à la Babeth Pébeyre, der Frau von Trüffelhändler Pierre-Jean Pébeyre aus Cahors: Trüffel­scheiben auf gebutterte Schnitten Bauernbrot legen und dann zehn Minuten im heißen Backofen rösten. Etwas Salz drüber, ein purer ländlicher Genuss. Die ganze Wohnung ist auch bei geschlossener Backofentür von würzigem Aroma erfüllt. Und danach gibt es Trüffel­kartoffel­ brei, die Kartoffeln werden mit Trüffelstückchen in Milch gekocht, dazu aus Frankreich mitgebrachte Trüffel­würste. Die Wurst-Rosette füllt die ganze Pfanne, die Esser strahlen. Ein k­ räftiger, schon etwas älteter Cahors-Wein macht den Genuss vollkommen. Wein und Trüffeln lieben einander, gar keine Frage. Aber das Rendez-­vous der aromatischen Supermacht ­Trüffel mit der duftenden Vielfalt der Weine geht nicht immer harmonisch aus. Man muss sich ergänzen, manchmal unterordnen. Zu unterschiedlich ist der Wein nach Typ und Alter, zu dominant sind Duft und Geschmack der ­weißen und schwarzen Edeltrüffeln, zu zart das Aroma von Sommer- und Burgundertrüffeln. Trüffel ist nicht gleich Trüffel. Markt und Mythos ­werden zwar von den teuren Piemont- und den Périgord-­ Edeltrüffeln mit Kilopreisen von ein- bis dreitausend Euro dominiert, aber auch andere Trüffelarten sind ­wieder im Kommen. Die Spanne ist weit, von den Edel­trüffeln über Sommer- und Burgundertrüffeln bis zur aromatisch armen Chinatrüffel und zum künstlichen Trüffelöl, das die Geschmackspapillen verkleben kann wie Ketchup. Wein wird zur Konservierung und Zubereitung von Trüffeln seit der Antike benutzt. Lange Zeit aber haben sich Küchenchefs und Sommeliers wenig Gedanken darüber gemacht, ob es besonders geeignete Begleitweine zu


Wein zu Trüffel?

Trüffeln gibt. Man suchte die Weine nach den Hauptzu­ taten aus, große Rote und Weiße und einfache Tischweine, bevorzugte bekannte Namen oder Weine aus der jeweiligen Trüffelregion. Nur der Champagner ist schon seit dem 18. Jahrhundert ein steter Begleiter der Trüffeln – zum Kochen und als Getränk.

Périgordtrüffel (Tuber melanosporum), den »Diamanten der Küche«, der in Frankreich, Italien, Spanien und jetzt auch in Australien wächst. Geschmacklich halten diese beiden Sorten unangefochten die Spitzenposition. Danach folgen als nächste Kategorie die schwarze Winter­­trüffel (Tuber brumale) und die in ganz Europa und auch in Deutschland vorkommende Sommer- oder evor wir in die Harmonielehre von Wein und ­Trüffeln Burgundertrüffel (Tuber aestivum oder Tuber uncinatum). einsteigen, gilt es, die Trüffelarten zu sortieren, die Weiter unten auf der Skala stehen weiße Frühlingstrüffeln unsere Esskultur seit jeher begleiten. Aufzeichnungen (Tuber borchii, auch Tuber albidum genannt), schwarze über Trüffeln finden sich schon vor mehr als viertausend Teertrüffeln (Tuber mesentericum) und schließlich die ­Jahren bei den Sumerern in Mesopotamien, dann bei den geschmacksarme schwarze Chinatrüffel (Tuber indicum), ­Griechen, die den falschen Mythos der Trüffel als ein die die äußerlich leider kaum von der Périgordtrüffel zu unterPotenz und die Lust steigerndes Aphrodisiakum ersonnen scheiden ist. Da die Welt der Trüffeln voller Lug und Trug haben. Die ersten Trüffelrezepte für die Küche schrieb ist, sollte sich jeder Trüffelbegeisterte diese wichtigsten Marcus Gavius Apicius in der römischen Kaiserzeit auf, im lateinischen Namen merken und seinen Lieferanten danach ersten überlieferten Kochbuch der Geschichte. Bis dahin fragen. war es immer nur um unechte Wüstentrüffeln (lateinisch: Erst nach der französischen Revolution kamen auch Terfezia) aus dem mittleren Osten und Nordafrika gegan- begüterte bürgerliche Schichten in den Genuss der Edelgen. Das sind etwas fade schmeckende Knollen, denen man trüffeln. Voraussetzung für den damaligen Trüffelboom war in einigen Gegenden sogar die Kartoffel vorzog, als diese eine Weinkrise, denn nach der Reblausplage riss man in gegen Ende des 16. Jahrhunderts aus Peru nach Europa Frankreich die Reben aus den Böden und säte und pflanzte kam. Die Römer garten die Wüstentrüffeln in der Asche auf Zehntausenden von Hektar stattdessen Eichen, an und würzten sie heftig – immer war der kräftige, oft süße, deren Wurzeln sich die Trüffeln in einer Symbiose ent­ manchmal herbe Wein der Antike in den Saucen dabei. wickeln. Das 19. Jahrhundert wurde mit Rekordernten von Die echten Trüffeln aus Europas Wäldern wurden bis zu zweitausend Tonnen pro Jahr zum französischen zunächst in den Klöstern des Mittelalters von B ­ ischöfen Trüffeljahrhundert. Heute werden weltweit gerade noch gegessen, die das gemeine Volk ansonsten vor der hundert Tonnen geerntet, denn seit Beginn des 20. JahrGenusssucht warnten. Erst nach dem Ende des Mittel- hunderts ging es mit den Trüffelvorkommen rapide bergab, alters entdeckte man sie für die Tafeln der Fürsten. Als weil sich die Wald- und Agrarwirtschaft radikal wandelte. Edeltrüffeln bezeichnen wir die weiße Piemont- oder Alba-­ Daran haben auch die seit vierzig Jahren entwickelten Trüffel (Tuber magnatum) aus Italien und die schwarze neuen Kulturmethoden nichts geändert, bei denen man

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Im Rausch der Aromen: Weiße Alba-Trüffel, eine Duftexplosion mit anhaltender Wirkung; dezent dagegen die schwarze, hell gemusterte Sommertrüffel; erfüllend würzig und tief beglückend in allen Zubereitungen die schwarze Périgord-Trüffel – Gourmets geraten ins Träumen.

die für das Wachsen der Trüffeln erforderliche Symbiose mit den Eichenwurzeln in Baumschulen erzeugt. Die neuen Trüffelkulturen sind insgesamt viel weniger erfolgreich als immer behauptet wird, eine wirklich verlässliche Zucht im Labor ist noch nicht gelungen.

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ie Trüffel-Grundregel lautet, dass weiße Piemonttrüffeln roh und schwarze Périgordtrüffeln gekocht besser sind. Die weißen werden mit dem Trüffelhobel in dünne Scheiben über Pasta oder andere Zubereitungen gerieben. Denn beim Kochen verlieren sie viel von ihrem Aroma. Auch die schwarze Périgordtrüffel eignet sich gut als duftender roher Belag für Pasta, doch sie entfaltet ihren vollen Geschmack erst richtig beim Erhitzen, vor allem mit Fleisch und in Saucen. Weißweine und auch Champagner gelten als ideal zu Speisen, bei denen die Trüffel dominiert, Rotweine bei Zubereitungen, wo Aroma und Geschmack der Trüffel in Saucen enthalten ist. Die Rotweine sollen nicht zu starke Tannine enthalten, man nimmt also ent­ weder einfachere Weine oder ältere, schon gut gereifte Jahrgänge mit Volumen und langem Nachhall. Der Mineralität der Trüffel darf die Mineralität des Weins entsprechen. Im ersten modernen französischen Kochbuch »Le ­Cuisinier françois« von La Varenne aus dem Jahr 1651 ­werden Trüffeln in einfachem Tafelwein mit Pfeffer, Lorbeer, Essig und Nelken konserviert und auch in Wein gegart. Fast hundert Jahre später empfiehlt der Koch ­François ­Martin, ein Dutzend »Truffes à la Périgord« mit einer ganzen Flasche Champagner und etwas Salz zu kochen (»Les dons de Comus«, 1739). In Champagner gekochte schwarze Trüffeln blieben die klassische Zubereitung ­dieser Zeit, weil der schäumende Wein auch bevorzugtes Getränk am Hof von Versailles war. Ein Kochbuch von Menon beschreibt 1755 sogar ein in Champagner gekochtes Ragoût aus ­Trüffeln und Austern!

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hampagner war auch das Trüffel-Modegetränk im 19. Jahrhundert mit seinen Rekordernten. Damals verwendete man schwarze Trüffeln in Frankreich noch kiloweise. Mit den berühmten Truthennen, den »Dindes ­truffées« aus dem Périgord, wurden Beziehungen gepflegt und Politiker bestochen. Drei Pfund Trüffeln rechnet ­Antoine Beauvilliers in seinem Buch »L’art du cuisinier« von 1814 für eine Truthenne. Trüffeln wurden auch mit G o u r m andise

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Im Reich der Sinne: Trüffeln, ob weiß oder schwarz, sind die Könige aller Pilze, kostbar und begehrenswert – das Ver­ führerischste im Paradies der Gour­mets, ein Schrecken für den Geldbeutel.

Madeira oder mit Sauternes bereitet. Dazu erfand man einen mit den P ­ ilzen aromatisierten Trüffelwein und einen Trüffel-Maraschino-Likör. Der verbinde die Aromen der Sauerkirschen und der Trüffeln perfekt, schwärmt ­Grimod de la Reynière, der Erfinder der Gastronomiekritik, im Jahr 1808. In den Kochbüchern der Vergangenheit finden wir außer Champagner und Sauternes keine Weinempfehlungen für Trüffeln. Ausnahme ist die erfolgreiche Diät, über die der Pilzforscher und Gourmet Joseph Roques 1841 berichtete: Ein Arzt verschrieb einem völlig ermatteten Patienten für mehrere Tage getrüffelte Drossel­pastete, zu der stets ein Glas Léoville oder Château Margaux zu trinken war. Es half! Ansonsten galt früher, was auch heute noch richtig ist. Man serviert zu feierlichen Trüffel-Essen die Weine, die zum Gesamtgeschmack der einzelnen Gerichte ­passen: Champagner, Burgunder und große Crus des Bordelais. Auf dem Land bevorzugte man die Weine der Region und aus der Umgebung der Trüffellagen. Man mag das auch theo­retisch nachvollziehen: In der freien Natur vorhandene Hefen sind für die Geschmacksentwicklung der Weine mitverantwortlich und wohl auch für aromatische ­Nuancen von Trüffeln.

Jancis Robinson lobte auch den Neuenahrer Kirchtürmchen Spätburgunder Großes Gewächs 2004 vom Deutzerhof für sein Aroma von schwarzen Trüffeln. »Schaufelweise Pilze und Trüffeln« schmeckte die Testerin in Bollingers Champagner La Grande Année 1990. Auch in Hunderten der Degustationsnotizen von Robert Parker kommt der Geruch nach Trüffeln vor – auffällig, wie viele Weine aus Trüffelgebieten dabei sind, große Barolos aus Italien und viele Weine aus dem Rhônetal. Angelo Gajas Barolo Sperss von 1997 bietet dem Weinpapst einen opulenten, körperreichen und vielschichtigen Geschmack mit der »Essenz von Trüffeln, Erde und schwarzen Kirschen«. Parkers Website zählt vierundzwanzig Weine mit 100 Punkten und Trüffelaroma auf. Die Hälfte davon stammt von der Rhône, darunter fünf Weine aus dem Gebiet Châteauneuf-­duPape und fünf Côte-Rôties von Guigal. Daneben sind vier 100-Punkte-Weine von der Verité Winery in Healdsburg im kalifornischen Sonoma Valley dabei. Ist es Zufall, dass die Wein-Familie Jackson dort vor zwei Jahren eine Plantage mit Bäumchen für Périgord-­ Trüffeln angelegt hat? Das Sonomagebiet mit der kom­ plexen Vielfalt der Böden an den Chalk Hills sei ein »­Paradies auf Erden des Weinbaus auf hohem Niveau«, sagt Pierre Seillan, der französische Weinmacher des Gutes. »Überall, wo man hier vulkanischen Kalkstein findet, haben wir Anklänge von Trüffeln im Wein. Wenn die Weine reif sind, finden wir Cassis und Trüffeln.« Man dürfe die Weine nicht zu holzbetont ausbauen, dann blieben die Aromen der schwarzen oder weißen Trüffeln besonders deutlich. »Wenn ein Wein einen solchen Trüffelton hat, dann ist das ein Segen, denn es handelt sich um einen Geruch, der ­selten ist, um einen Geruch von großer Qualität und Klasse.«

Aber ein Wein mit einem Trüffel-Bukett muss nicht immer der beste Wein zu gekochten Trüffeln sein. Soll die Trüffel einen großen Wein unterstützen, oder soll der Wein nur mit dem beherrschenden Trüffelduft harmonieren? »Man wählt zuerst den Wein und bereitet die ­Trüffeln in Bezug auf die gewählte Lage«, sagte der fünfundachtzig Jahre alte Oenologe und Geschmacksforscher Jacques ­Puisais dem französischen Gastronomieautor Denis ­Hervier. »Die Trüffel tritt stets in den Hintergrund, sie hebt die Zubereitung und den Wein hervor«, meint Puisais. »Mich beeindruckt immer, dass die Trüffel kein dominierendes, sondern ein unterstützendes Element ist.« Hervier hat in ganz Frankreich die Ansichten und Empfehlungen von Köchen und Sommeliers über T ­ rüffeln und Wein gesammelt (»Le Vin & la Truffe«, Editions Féret, ­Bordeaux 2005). Kaum jemand dürfte eine der­artige Vielfalt von Trüffelgerichten und Weinen gekostet haben wie er. Aber auch Hervier findet keinen Idealwein für schwarze oder weiße Trüffeln, sondern zahllose, ­regional geprägte Varianten und Vorlieben, von großen Lagen bis zum einfachen Landwein. Wo keine Trüffeln wachsen und die ­Restaurants mehr zu Steinpilz neigen wie im Bordelais, haben die Besitzer und Weinmacher der großen Wein­ güter ihre Lieblingsjahrgänge für Gerichte mit Trüffeln, von Lafite über Margaux bis zum Château d’Yquem. Ältere weiche Saint-Emilions sind wunderbar, ebenso Pomerols, denen die Merlot-Traube die nötige runde Tiefe gibt – es geht auch ohne Pétrus. Jede Trüffelregion hat ihre Spezialitäten. Da ­werden die Trüffeln der Touraine im Loiregebiet mit alten Vouvray-­ Jahrgängen aus der Chenin-Traube kombiniert, etwa Gänseleber mit Trüffelscheiben zu einem nach Quitten duftenden Vouvray 1947. Zum Lammbries gibt es einen roten Bourgueil 1964. Sommellier Philippe Jamesse aus der Champagne empfahl Champagner mit ausgewogener Säure oder ältere und reifere Jahrgänge mit Noten von Champignons und Lakritz. Zu fruchtige Champagner solle man vermeiden. Auch bei Krug, Bollinger oder Gosset hat man detaillierte Vorstellungen über einzelne ChampagnerCuvées und -Jahrgänge zu Trüffelgerichten.

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n Burgund werden große Rotweine von der Côte d’Or empfohlen, aber auch weiße Montrachets zu ­sahnigen Fisch- und Geflügelgerichten. Das passt auch zu den Burgunder­trüffeln aus der Region, die ihr zartes Aroma am besten sanft in Sahne erhitzt ausdrücken. Weiter südlich erinnert sich die Drei-Sterne-Köchin Anne-Sophie Pic in Valence an den Hermitage La Chapelle 1961, den ihr Vater mit im Blätterteig gebackenen »Chaussons aux ­truffes« servierte. Sie selbst bevorzugt rohe Trüffeln zu weißen Rhônehnlich werden in Italien viele regionale Weine zu Weinen wie Condrieu und Château Grillet. Trüffeln empfohlen – der Nebbiolo d’Alba schmeckt Auch Rhône-Weinmacher Michel Chapoutier gesteht wunder­bar zu weißen Piemont-Trüffeln. In Frankreich im Gespräch mit Hervier, dass er Weißweine zu Trüffeln schwören Küchenchefs und Sommeliers auf regionale bevorzugt. Er schwärmt wie wir für die einfachen Trüffelund vielfach ganz einfache Weine als Begleitgetränk. Zum genüsse, etwa rohe schwarze Trüffeln mit Rindermark auf Trüffelomelett vom größten französischen Trüffelmarkt Toast. »Servieren Sie dazu einen alten Hermitage blanc, in Richerenches kann es ein Coteaux du Tricastin aus dem und das Leben wird leichter.« Von nach Trüffeln duftenRhônetal sein. Der 1995er Syrah-Cuvée de la truffière eim Essen greifen der Franzose und seine Frau den Weinen rät er ab: »Wenn man heiratet, sucht man der Domaine de Grangeneuve attestierte Robert Parker Monique auf die Klassiker der Trüffelküche zurück: ­keinen Mann oder keine Frau, die sich ähneln, sondern die eine beeindruckende Nase »wie aus dem Lehrbuch« nach schwarzen Trüffeln, Cassis und Lakritz. Zur Trüffel in der »Wir sind Leute aus dem Südwesten, wir lieben T ­ ournedos sich ergänzen.« Man sollte aber doch Wein und ­Trüffeln gleicher­maßen schätzen. Wie sagte es die Schriftstellerin Asche habe ich im Trüffelort Sorges bei meinen Trüffel­ Rossini mit Gänseleber, Trüffeln und Périgueux-Sauce oder recherchen einen Bergerac getrunken. Im stilvollen Trüffel-­ ein­fache Gerichte wie Pappardelle mit etwas T ­ rüffeln.« und Trüffelliebhaberin Colette? »Wenn ich einen Sohn zu Restaurant Le Balandre in Cahors empfahl der Sommelier ­Seillan besitzt in Frankreich das Château Lassègue in Saint-­ verheiraten hätte, würde ich ihm sagen: Hüte dich vor dem Cahors-Weine, aber auch Jurançon oder Gaillac. Emilion, wo die Reben auf Tonkalk-Böden stehen – und wo jungen Mädchen, das weder den Wein noch die ­Trüffel, Oft sind es Weine von kalkhaltigen und mineralischen er natürlich ebenfalls Trüffeltöne im Aroma findet. weder Käse noch Musik mag!«  > Terroirs, auf denen auch die Trüffeln mit Vorliebe wachsen. Das gilt selbst in Deutschland, wo vor zehn Jahren in Sinzig an der Ahr der Franzose Jean-Marie Dumaine, Chef des Restaurants Vieux Sinzig, wieder Trüffeln gefunden hat. Er legte in der Nähe eine Truffière, eine Kultur mit Trüffelbäumchen für Sommer- und Burgundertrüffeln an, wartet nun aber schon seit sechs Jahren auf den Erfolg. Das Trüffeln ist immerhin noch innerhalb der Spanne von vier bis zehn Mythos und Jahren, die man überall nach dem Pflanzen von TrüffelWirklichkeit bäumchen auf die ersten Erträge warten muss – wenn sie Christian Volbracht denn überhaupt kommen. Dumaine bezieht seine Trüffeln aus Frankreich und Italien, da wildwachsende Trüffeln in Tre Torri Verlag Deutschland unter Naturschutz stehen. Er empfiehlt in 184 Seiten ­seinem Restaurant zu Sommer- und Burgundertrüffeln 14 ›‹ 21 cm, Hardcover weiße Ahrweine wie die vom Gut Deutzerhof, die auf locke€ 24,90 (D) ren Lössböden und kalkigem Terrain gewachsen sind. Das passt hervorragend zu »Ofengemüse mit Gewürzaromen, Wildkräutern, Salbei-Vinaigrette und Sommer-Trüffel.«

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Die große Frage – und vierundzwanzig Antworten Von CAROLA HAUCK Foto GUIDO BITTNER Weihnachten ist auch eine schöne Gelegenheit, Familien- und andere Bande zu ­pflegen. Durch das Verschicken von Weihnachtskarten zum Beispiel, obwohl man da auch nie so recht weiß, was man schreiben soll. Und durch kleine Gaben, mit denen man das übers Jahr angewachsene Dankesschuldkonto ausgleichen kann. Die freundliche Nachbarin von oben zum Beispiel, die immer so nett die Blumen versorgt, wenn man verreist ist.

Der junge Kollege, der schon manche Kohle aus dem Feuer geholt hat. Das ältere Ehe­ paar, das uns im Sommer so überaus üppig bewirtete, und dann fehlte doch wieder die Zeit für eine Gegeneinladung. Der Ex-Mann der Cousine, der mit schöner Regelmäßig­ keit ein Päckchen zum Geburtstag schickt. Die Liste ist lang. Und die Frage ist: Was? Kein Grund zur Panik. Die Antwort kommt hier.

FÜR LEBENSLUSTIGE

FÜR FRISCHVERLIEBTE Krug Sharing Set. Die Grande Cuvée, das Aus­ hängeschild von Krug, die einhundertzwanzig Weine aus zehn verschiedenen Jahrgängen assembliert, ist wie geschaffen für glückhafte Stunden zu zweit. Weshalb die neue Geschenk­ box zwei Riedel-Gläser enthält, Le Josephe, die mit ihrem Namen Joseph Krug, dem Gründer des Champagner-Hauses, die Ehre erweisen.

FÜR SANFTMÜTIGE Narciso Rodriguez for her Eau de Parfum. Ein Traum in Rosa: Vom klassizistischen Glasflakon über rosa Blüten und Patchouli bis rosa Chypre, der Seele dieses sanften und doch intensiven Dufts. Wer ihn trägt, sieht die Welt nur noch durch die rosarote Brille.

FÜR PIEMONT-FANS Angelo Gaja 2005 Sorì San Lorenzo Langhe. Konzentrierte Frucht, Kräuteraromen und mine­ ralische Noten prägen den kraftvollsten Wein aus Angelo Gajas fünf Einzellagen. Er braucht seine Zeit auf der Flasche und hat hohes Reifepoten­ tial. Zehn Jahre hat er bestimmt noch vor sich.

Moët & Chancon Golden-Dia­ mond-Edition. Im eng anliegen­ den güldenen Kleid mit schwar­ zem Kragen hält der Brut Impérial zwei bis drei Stunden die Tem­ peratur. Natürlich ist der Dia­ mond Suit wiederverwendbar und kann unzähligen festlichen Anlässen seinen Glanz verleihen.

FÜR CINEASTEN FÜR REISENDE FÜR SCHWARZTRINKER Köstritzer Schwarzbier. Die thüringische Kleinstadt ist durch ihre Brauerei zu Ruhm gelangt. Die Kunst des Schwarzbierbrauens wird hier seit 1543 gepflegt. Das K ­ östritzer ist Deutschlands beliebtestes Schwarzbier.

Hennessy X. O & Flask. Die festlich in Schwarz und Gold gehaltene Geschenkbox hat am Boden eine kleine Schublade: Darin versteckt sich ein kupfergoldenes Fläschchen nebst einem ­winzigen Trichter – äußerst praktische Uten­ silien für den Genießer, der sich an dem würzi­ gen Bouquet dieses eleganten Cognacs nicht nur daheim im stillen Kämmerlein erfreuen will.

Dom Pérignon by David Lynch. Nachdem der kali­ fornische Regisseur die Champagner-­Flaschen für die große Werbekampagne fotografiert hatte, interpretierte er sie neu. Die Geschenk­ packung wie aus einem Science-Fiction-­Film trägt die Signatur von David Lynch. Mit zwei Seidenbändern wird ein Vorhang aufgezogen und gibt den Blick frei auf den Dom Pérignon 2003 oder den Rosé 2000: ganz großes Kino.

FÜR HEIRATSWILLIGE FÜR WAHRHEITSSUCHER

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Im Wein liegt die Wahrheit. Das Mysterium um die teuerste Flasche der Welt. Benjamin ­Wallace erzählt die aufregende Geschichte um eine Flasche Lafite von 1787, die Thomas Jefferson gehört haben soll, und die spektakulärste Ver­ steigerung im Auktionshaus Christie’s. (Tre Torri) F I N E

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FÜR HELDINNEN Florabotanica, Balenciaga. Vetiver, Amber, Rose, Nelke und Minze und Experimental Rose, eine geheime Ingredienz, ergeben einen bezaubern­ den, provozierenden Duft. Wie ein verwunsche­ ner Garten, in dem prickelnde Abenteuer und erregende Gefahren lauern.

Kochbuch für meine Töchter. Um ihren Koch­ schülerinnen die wichtigsten Grundrezepte für den eigenen Hausstand zu vermitteln, verfasste Maria Baronin von Meyern-Hohenberg in den sechziger Jahren diesen Kochbuch-Klassiker. Jetzt legt ihr Enkel Stephan Graf von BentzelSturmfeder die Rezeptsammlung in bearbeite­ ter Neuauflage vor. (Tre Torri)

FÜR SONNENKÖNIGINNEN Elie Saab Eau de Toilette Spray. Das Licht mediterraner Land­schaften scheint der Modedesigner in die­ sem Duft einzufangen. Dass er die Frauen verehrt und ihre Schön­ heit anbetet, zeigt er auch mit die­ sem sehr sinnlichen Eau de Toilette.


FÜR UNERSCHROCKENE FÜR MAREMMA-FREAKS

Viktor & Rolf Spicebomb. Der Flakon - Flakon? – sieht aus wie eine Granate, sein Inhalt, ein Kon­ zentrat männlicher Sinnlichkeit, ist hoch­explosiv. Zumindest olfaktorisch. Zimt, Safran und Chili geben ihm Schärfe und Würze.

Monteverro 2009er Tinata 2009. Das noch junge Weingut in der Maremma hat in kürzester Zeit den Weg in die Weltspitze geschafft. Die Cuvée aus achtzig Prozent Syrah und zwanzig Prozent Grenache wurde achtzehn Monate in französi­ schem Eichenholz ausgebaut. Sie beeindruckt mit dem frischen Säurespiel von Küstenweinen.

FÜR MOSELKENNER Dr. Loosen 2011er Ürziger Würzgarten Riesling trocken Großes Gewächs. Die Lage mit verwit­ tertem roten Vulkan- und Schieferboden ist einzigartig an der Mosel. Die Trauben wachsen an einhundertzwanzig Jahre alten Reben. Der Wein besticht durch exotisch-würzige Aromen, große Tiefe und beachtliches Alterungspotential.

FÜR VEGETARIER

FÜR TRADITIONALISTEN Robert Weil 2011er Kiedricher Turmberg Riesling Spätlese Erstes Gewächs. Ein Altweiber­sommer wie aus dem Bilderbuch nach viel Regen in der Reifephase ließ die Rheingauer Winzer auf­atmen, auch Wilhelm Weil, den Winzer des Traditions­ gutes. Enormes Potential und hohe Mineralität zeichnen diese Spätlese aus.

FÜR KONTAKTFREUDIGE Glenmorangie The Original. Zehn Jahre ist dieser schottische Single Malt in ehemaligen Bourbon­ fässern gereift. Um ihn allein zu genießen, ist er fast zu schade. Deshalb liefert Glenmorangie in der schönen Geschenkbox gleich zwei Tumbler mit, in denen seine blumige Süße und seine zarte Würze so recht zur Geltung kommen.

Gemüse. Andree Köthe und Yves Ollech ­stellen ihre besten Gemüserezepte aus dem Nürnberger Essigbrätlein vor. Rund fünfzig alltägliche und außergewöhnliche Gemüsesorten, von Avocado bis Zuckerwurzel, werden ausführlich beschrie­ ben. (Tre Torri)

FÜR STERNGUCKER Ardberg Galileo. Aus Anlass eines einzigartigen Experi­ ments im Weltall, bei dem der­ zeit Reifeprozesse von Whisky unter außerirdischen Bedin­ gungen untersucht werden, und als Verbeugung vor Gali­ leo Galilei hat Ardberg seiner Sonderedition den Namen des großen Astronomen gegeben. Das Herzstück dieser besonde­ ren Komposition, die verschie­ dene Qualitäten aus dem Jahr 1999 vereint, ist in alten sizilia­ nischen Marsala-Fässern gereift.

FÜR PILSFREUNDE

FÜR ROMANTIKERINNEN

Bitburger Premium Pils. Ein Klassiker unter den deutschen Bieren. Und das seit fast zwei­ hundert Jahren. Das untergärige Vollbier mit einer Stammwürze von 11,3 P ­ rozent enthält 4,8 Volumen­prozent Alkohol.

FÜR FORSCHERNATUREN Ruinart Rosé Interpretation. In limitierter Auflage präsentiert das älteste Champagnerhaus in einem wahren Schatzkästlein seinen Rosé nebst acht Flacons mit den fruchtigen Aromen, die diesen Champagner so unvergleichlich machen: Litschi, Minze und rosa Pampelmuse, Guave und Granat­ apfel, Damaszenerrose, Himbeere und Kirsche.

FÜR SPEZIALISTEN Veuve Clicquot Suit me. Dieser fruchtige Cham­ pagner-Klassiker hat nicht nur Stil, sondern auch einen Griff. Im typischen Label-Yellow präsen­ tiert sich der an einen Regenschirm erinnernde Bügel, der dem Gentleman die Hände frei lässt und zudem ein neuartiger Flaschenverschluss ist. Gelb ist auch das stilvolle Gewand, eine elegante Iso-Tragehülle, das den kostbaren Inhalt kühl hält.

Jil Sander Everose. Der neue Duft, eine Facette des Klassikers Eve, ist der pure Ausdruck roman­ tischer Weiblichkeit. Grapefruit-Blüten und zarte Rosenknospen, Rosenblätter, Jasmin und Him­ beere, aber auch weißer Pfeffer, Kaschmir-Holz, Patchouli und Vanille machen diesen Duft so unwiderstehlich wie die Frau, die ihn trägt.

FÜR VERWEGENE FÜR NOSTALGIKER Das Schlachtfest. Rezepte rund ums Schwein. Burkhard Schork, gelernter Metzger, Küchen­ meister und Restaurantbesitzer, präsentiert acht­ zig traditionelle Rezepte, die er im Lauf s­ eines Lebens gesammelt hat. Der Publizist Anton ­Hunger liefert in kurzweiligen G ­ eschichten die Hintergrundinformationen zum Thema. (Tre Torri)

Joop! Homme Wild. Fougère ist eine Duftnote, die nur selten eingesetzt wird. Hier unterstreicht sie im Zusammenspiel mit Rum absolu den rebel­ lischen Charakter. Aber weil auch die wildesten Kerle einen weichen Kern haben, sorgen holzig anmutende Tabaknoten für samtige Sinnlichkeit. L ifest y le

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Schwarzbier zum

Fest

Ein Lob des flüssigen Lebkuchens

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ber Weihnachten, das Fest der Liebe und Familie, ist, wenn nicht alles, so doch fast alles gesagt w ­ orden. Von prosaischen Frechheiten à la »Süßer die Kassen nie klingeln« über arbeitsträchtige Rezepte für Gänse­braten bis hin zu dem rührenden Märchen, dass uns das Christkind persönlich beschere, also wundersamerweise in allen Haushalten gleichzeitig die gewünschten Geschenke abzuliefern imstande sei. Wenden wir uns daher einem bislang wenig beackerten Feld zu, indem wir zur Abwechslung den Weihnachtsgetränken die nötige konstruktive Kritik angedeihen l­assen. Insbesondere den Klassikern Glühwein und Punsch, bedenkliche Mixturen, die keinem Reinheits­gebot gehorchen und denen wir, neben dicken Köpfen und anderen körperlichen Misshelligkeiten, manchen umgestürzten Christbaum zu danken haben. Denn als sei der Wirkungsgrad des Alkohols durch Erhitzen nicht schon hinreichend gesteigert, gibt man in die Töpfe noch Rübenzucker sowie beim Weinpunsch (Feuerzangenbowle) gar obendrein Schnaps. Wie anders das Bier: Nicht einmal Sulfite, wie bei Wein und Champagner, trüben die Reinheit des Brauprodukts! Aber zu Weihnachten? Soll man das Fest etwa mit einem kleinen Hellen begehen oder gleich am Tresen? Gemach. Nehmen wir an, unser Bier hätte die Farbe der Kruste gut ausgebackenen Lebkuchens, der Schaum das schwach gebräunte Weiß von Anisplätzchen oder Vanillekipferln, und das Etikett der Flasche zeigte neben den F ­ arben von

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Rauschgoldengeln und Nikolausbärten noch eine rote Banderole nach Art der Bänder, mit denen wir unsere Geschenke umschnüren – es wäre ganz fraglos christbaumkompatibel. Zumal, da unser Bier schon hundert Jahre alt war, ehe der Brauch mit den Nadelbäumchen ward. Die Rede ist vom schwarzen Bier aus Köstritz, dem thüringischen Kurflecken, der sich spätestens seit dem Jahr 1543 seiner dunklen Braukunst rühmen darf. Was, Adam mal Riese, bald fünfhundert Weihnachtsfeste ergibt, an denen man sich mit einem großen Schwarzen zu­prosten konnte. Einem Stoff, der in wechselvollen ­Zeiten und unter wechselnden Eigentumsverhältnissen – klerikale Zins­ herren, die Grafen und Fürsten von Reuß, das Volk der DDR und zuletzt die Bitburger Holding – steten Zuspruch erfuhr und Bierfreunde wie Goethe und Bismarck als Testi­ monials gewann. Und wie trinkt sich nun so ein Köstritzer Schwarzbier? In kleinen Schlucken und mit Andacht, wie es sich an einem Abend festlicher Besinnung ziemt. Und nach Möglichkeit aus den von der Großtante geerbten Gläsern mit Schmuckschliff und Goldrand, der Familie zur Ehre. Nein, dieses Bier »zischt« man nicht, es dient auch nicht dem Löschen brennenden Dursts oder dem Abkühlen der Eingeweide. Eher scheint es uns mit dem lieblichen Malzton der k­ räftig gerösteten Braugerste das Herz zu wärmen, und auch der Hopfen schließt sich dem Fest der Liebe an, indem er bei der Bittere Milde walten lässt.

Von Bernd Fritz Foto Guido Bittner

Der ebenfalls nur in Maßen enthaltene Alkohol – ein Drittel von dem, womit etwa die schwarzroten Festtagsweine des Südens aufwarten – steigt nicht zu Kopf, sondern steigert nur das Wohlbefinden. Peu à peu wird man, die Füße in Richtung Kaminfeuer gestreckt, eins mit der Welt, lässt in Betrachtung des Lebens als solchem die ­Blicke auf den Seinen ruhen und pflichtet spätestens nach dem fünften Glas dem lieben Gott bei, der seinerzeit sein Schöpfungs­werk besah und fand, dass es gut war. Gut fürs Fest ist auch der Umstand, dass unser Bier keinen zusätzlichen Einkaufsstress zeitigt. Es ist überall dort feil, wo wir uns sonst mit Lebensmitteln eindecken, und sein Preis, christliche 89 Cent pro Halblitergebinde, lässt genügend Geld für Geschenke übrig und keine Fragen offen. Außer der abschließenden, was man nun zu diesem Bier der Freude speisen soll? Die Antwort kann nur lauten: Rentierrücken mit Lebkuchensoße. Denn auch das sündteure Fleisch der Nikolausschen Schlittentiere sprengt dank Köstritz den weihnachtlichen Kostenrahmen so wenig wie der vorzügliche Soßenlebkuchen aus Pulsnitz, der Pfefferküchlerstadt im benachbarten Sachsen. Von diesem Gebäck ordere man übrigens etwas mehr, als für den Braten erforderlich, da es auch an Weih­nachten ein Genussleben zwischen den Mahlzeiten gibt. In mundgerechte Stücke geschnitten, erweist es sich als tadel­ loser Biersnack, der schon deswegen perfekt mit unserem Köstritzer harmoniert, weil es sich beim Schwarzbier nicht, wie bei den anderen Bieren, um »flüssiges Brot« handelt, sondern um flüssigen Lebkuchen. Prost Weihnacht!  >


Die Harmonie der Gegensätze

Zwischen alpin und mediterran. Deutsch und italienisch. Verwurzelt und weltoffen. Landschaft und Leidenschaft. Der Reiz Südtirols liegt in der Harmonie der Gegensätze. In der Vielfalt der Landschaft und ihrer Menschen, die Weine von ausgeprägter Persönlichkeit gedeihen lässt. Weine gepflegt von Winzern, die sich dem Terroir-Gedanken verpflichtet fühlen und die bewährte Handarbeit mit innovativer Technik verbinden. Keine Modeweine, sondern authentische Weine mit eigenständigem Charakter und deutlicher Handschrift. www.suedtirolwein.com

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HOCH DIE BERGE! Unsere Autorin Susanne Kaloff ist kein Fan von Schnee, es sei denn, er sieht so hübsch aus wie in Lech am Arlberg: Ein Wochenende in einem Skiort, der auch ohne Wedeln besticht. Fotos MARCO GRUNDT

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uh, ein echter Knochenjob, dieser Journalismus! Am frühen Morgen mit der Gondel auf den Berg gegondelt, dann drei Stunden auf einem gestreif­ ten Liegestuhl vor einer Hütte gelegen, den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und Menschen in bunten Anoraks dabei beobachtet, wie sie mit Grandezza auf die Nase fielen. Dem Gondelmann hatte ich kurz zuvor unaufgefordert erzählt: »Ich komme aus Hamburg.« Er guckte etwas verstört, was vielleicht auch an meinem Outfit lag: Ich trug eine schwarze Céline-Handtasche am Arm, anstelle eines Lawinenrucksacks. Dann brummte er: »Aus Hamburg. So.« Als würde das alles erklären. Außer einem Kind im Buggy war ich an diesem Wochenende die einzige Person, die nicht Ski fuhr. Ich habe die ganze alpine Begeisterung noch nie verstanden, diese Outfits

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stressen mich schon, die schwitzige Anzieherei, bevor es überhaupt losgeht. Und dann diese schmalen Neun­ ziger-Jahre-Oakley-Sonnenbrillen, entsetzlich! Das alles sagte ich zu mir selbst, als ich über die Tannenwipfel schwebte und mich dabei ertappte, wie sehr mich die­ ser friedvolle Anblick der unberührten Natur berührte. Ein einziges Mal hatte ich vor vielen Jahren das Skifahren ausprobiert, unter dem massiven Druck meiner ­Familie. Ich war schon am Idiotenhügel gescheitert, obwohl ich mich wirklich für sportlich halte. Nur meiner jahrelangen Yogapraxis hatte ich es zu verdanken, dass ich den Sturz überlebte: Mein Fuß war schon im Tal, während mein Ober­ körper noch oben am Hügel klebte. Die Skibindung, oder wie das Ding heißt, ging nicht auf. Fest stand: I bin raus.

Der Grund, dem Schnee noch einmal eine Chance zu geben, ist, dass man mich eingeladen hatte, ein Wochen­ ende am Arlberg zu verbringen. Auf dem beigelegten Menü entdeckte ich die Worte »Krug Champagner«. Ich nahm die Einladung an. Vor meiner Reise hätte ich nicht mal sagen können, wo genau Lech liegt. Tirol, Kärnten, oder doch schon in Italien? Ich recherchierte: »Erreich­ bar ist Lech vom Klostertal aus über eine nicht winter­ sichere ehemalige Bundesstraße, so dass es in den Win­ termonaten immer wieder passiert, dass der Ort einige Zeit von der Außenwelt abgeschnitten ist.« Einige Zeit von der Außenwelt abgeschlossen? In diesem Augen­ blick machte plötzlich auch ein weiterer Programmpunkt auf der Einladung Sinn: »Anhalten im Wald – den Gäs­ ten werden so genannte Überlebungstechniken beige­


HOCH DIE TASSEN!

bracht.« Schluck. Danach braucht man dann wohl tat­ sächlich einen kräftigen Schluck Champagner.

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ech liegt auf eintausendvierhundertvierundvierzig Meter Höhe im westlichsten Bundesland Öster­ reichs, in Vor­arlberg. Als ich im Hotel Edelweiß ankomme, hege ich allerdings kurz die Vermutung, in einem Heimatfilm gelandet zu sein. Auf meinem Zimmer öffne ich das Fenster, nehme eine Handvoll Schnee und werfe ihn in die kalte Luft. Kein Geräusch ist zu hören. Am Abend in der Lobby treffe ich wider Erwarten nicht Hansi Hinterseer, der mir mit rollen­dem R ein Heimat­ lied singt, sondern ein paar freundliche Herren aus der Wirtschaft. Wir fahren gemeinsam ins Restaurant Gast­ hof Post, wo es in der guten Stube am Ofen nicht nur

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Talwärts ins Vergnügen: Wedeln, dass Lechs Pulver­schnee stiebt und die müßigen Kiebitze auf dem Balkon der Balm­alp staunen, oder bei einer gemütlichen Kutschfahrt Champagner genießen und das lokale Kunsthandwerk bewundern – für sportive Einzelkämpfer wie für Freunde der Geselligkeit hat ein Traumziel wie Lech das Feinste zu bieten.

muckelig warm ist, sondern auch erstklassig schmeckt. Ich sage nur: Forelle aus dem Spullersee. Schon nach dem zweiten Gang gähne ich wie ein Lama. Es muss die gute Bergluft sein.

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m nächsten Morgen kommt dann der Teil der Reise, den ich fürchte: »Skifahren mit Andy Vondrak.« Schon im Frühstücksraum herrscht Unruhe, vielleicht auch Vorfreude. Die Herren tragen Rollis und darüber bereits ihre Skihosen mit Trägern, wie Kinder, die Buddelhosen anhaben, wenn sie auf den Spielplatz gehen. Ich sitze in meiner Skinny Jeans vor meinem Rührei und fühle mich ausgeschlossen. Warum bin ich nicht Rosi Mittermaier? Vor dem Hotel herrscht reges Treiben, gleich geht es auf die Piste. Ich sitze auf

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einem Holzbänkchen in der Sonne und tue so, als würde es mir gar nichts ausmachen, ein Feigling zu sein. Immer­ hin muss ich nicht so einen unattraktiven Helm tragen, der natürlich Pflicht ist. Keiner versteht, warum ich nicht einfach mitkomme. Auch ich nicht. Aber ich erinnere mich an einen Winter vor hundert Jahren, in dem ich in St. Moritz als Animateurin in einem Club arbeitete und mich dummerweise gleich am ersten Tag in den fran­ zösischen Skilehrer Francis verknallte. Vielleicht ist er daran schuld, dass mir bei Minustemperaturen immer die Courage einfriert. Während ich also mutterseelenallein aufbreche, um den herrlichen Tag im Liegestuhl vor dem Gasthaus Alter G ­ oldener Berg, das weit oben direkt neben der



Gipfel des Genusses: ChampagnerMenü in der Hospiz-Alm St. Christoph am Arlberg mit ihrem weltberühmten Großflaschen-Keller, präsentiert von Olivier Krug, dem Chef des noblen Champagner-Hauses.

Piste liegt, zu verbringen, wedeln die anderen Gäste an mir vorbei. Ich winke ihnen zu. Als sie zum Mittagessen auf der Hütte eintreffen, haben sie rote Wangen, ent­ spannte Gesichter und O-Beine und erzählen begeistert, wie sie unterwegs mit steinzeitlichen Mitteln ein Feuer­ chen gemacht haben. Ich habe eingeschlafene Füße in meinen Moonboots, war aber lange nicht so glücklich wie an diesem Vormittag, als ich in eine Decke gehüllt mit Blick ins Tal jeden ­kühlen Atemzug zählte. Zeit für Käsespätzle, Backhendl und knackigen Weißwein unter freiem Himmel. Sollte man sich in Höhenluft nicht immer mit einem Lichtschutz­ faktor eincremen? Ach, i wo, sagen die M ­ änner, die gerade erlernt haben, wie man größere Katastrophen

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als einen Sonnenbrand überlebt. Am Mittag wird uns die Handwerkskunst des Arlbergs nähergebracht: Wir bekommen Messerrohlinge und Hirschhorn oder ver­ schiedene Hölzer für den Griff und bauen uns mit Hilfe von zwei Naturbuschen ein wunderschönes eigenes Messer zusammen. Manche gravieren noch ihren Namen oder den ihrer Kinder ein. Ein Nachmittag, der wieder mal eins zeigt: Es sind die kleinen, mit eigenen H ­ änden geschaffenen Dinge, die glücklich machen. Auch dann, wenn man im echten Leben als Vorstandsvorsitzen­ der für solche Spiele keine Zeit hat. Oder gerade dann. Später bei der Pferdekutschfahrt durch den entzücken­ den Ort (hier sind selbst die Buswartehäuschen reet­ gedeckt!), liegt es nicht nur am Champagner, dass wir alle viel zu lachen haben.

Den Aperitif, eine Krug Grande Cuvée, nehmen wir im Großflaschenkeller der Hospizalm in St. C ­ hristoph ein, was nicht nur beeindruckend ist (wer soll die alle trinken?), sondern auch durch einen Vortrag über das Familien­unter­nehmen Krug von dem sym­ pathischen Monsieur Krug begleitet wird, mit dem wir auch das Fünf-Gänge-Menü und reichlich aller­ feinste Champagner – Clos du Mesnil 2000, ­Vintage 2000, Vintage 1998, Rosé – zu uns nehmen. Was ich an d ­ iesem Wochenende gelernt habe? Dass eine Flasche Krug Champagner schon mal so viel kosten kann wie eine Designer-Handtasche und dass man Sonnen­creme auch dann verwenden soll, wenn man nicht am Strand liegt: ­Glühend ist gar kein Ausdruck. >


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M E H R I N F O R M AT I O N E N Ü B E R F I N E D A S W E I N M A G A Z I N : W W W. F I N E - M A G A Z I N E S . D E


Eigentlich müsste man mit dieser Geschichte ganz woanders anfangen: in der Waschküche im Keller eines Einfamilienhauses auf dem Land. Dort ­waren 1951 die Ursprünge der Hemdenfirma Olymp, die heute in Deutschland Marktführer mit Millionen­umsatz ist. An diesem Morgen beginnt die Geschichte jedoch am Stuttgarter Flughafen, der alles ausstrahlt außer Großkotzigkeit. Die Taxifahrt in den beschaulichen Firmenstandort Bietigheim-Bissingen kostet achtzig Euro, das ist mehr als der Preis für ein Ober­ hemd von Olymp. Spätestens wenn man vor dem Gebäude mit dem großen O steht, ahnt man sympathische Boden­ständigkeit, die mit Milano oder Paris nichts am Hut hat. Im Foyer eine Bronzebüste des Firmengründers Eugen Bezner, des Großvaters von Mark Bezner, der heute die Geschäfte führt und später erzählen wird, dass in seinem Kleiderschrank nur eine Sorte Hemden hängt: schlichte weiße. Aber zuerst geht er mit mir in den Keller, nicht zum Lachen, sondern um das Labor zu zeigen, in dem drei Wasch­maschinen behagliche Geräusche machen. Es riecht nach Bergfrühling, schwer zu sagen, ob das vom W ­ eichspüler oder der Natur ringsum herrührt. Der Marketing­leiter Marc Fritz trägt einen Bart, wie ihn Männer in Berlin-Mitte auch ­tragen, und erklärt freundlich, dass hier unten getestet wird, wie die Stoffe sich nach dem Schleudern und Trocknen verhalten. Während er das in einer hübschen schwäbischen Melodie sagt, wirft sein blaugestreiftes Body-fit-Hemd aus der Level-FiveSerie nicht eine einzige Falte. Es sieht aus wie gemalt. Nein, gebügelt habe er es nicht. Genau dafür ist Olymp bekannt: für das knitter­freie Hemd und die Abwesenheit von Allüren.

» Wir sind keine  Trendsetter!« Ein Besuch im schwäbischen Hemden-Olymp

Von SUSANNE KALOFF Fotos CHRISTOF HERDT

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Unweit des heutigen Firmengeländes hat Eugen Bezner, nachdem er aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war, mit dem ­Schneidern von Hemdkragen begonnen. Damals wurden die Kragen und die ­Körper der Hemden noch separat produziert, und die Männer h ­ atten noch nicht das Bedürfnis, ihren Embonpoint in ein eng anliegendes SlimFit-Hemd zu zwängen. Als Eugen Bezner plötzlich verstarb, übernahm sein Sohn Eberhard die Firma. Er war gerade mal vierund­zwanzig Jahre alt, aber regional sehr aktiv, sodass bald nicht nur das ganze Dorf bei ihm kaufte; auch Behörden wie Feuerwehr und Polizei ließen ihre Uniformhemden bei ihm schneidern. Rasch wurde auch das Kauf­ haus Breuninger in Stuttgart zu einem großen ­Abnehmer. Als 1963 Sohn Mark auf die Welt kam, hatte sich aus der Wasch­küche bereits ein kleines Imperium entwickelt. Bei einem Familien­unter­nehmen spricht man beim Frühstück, Mittag- und Abendessen vom Betrieb, das wird nie ausgeblendet, geht über in Fleisch und Blut. »Ich erinnere


Der Stoff, aus dem die Hemden sind: Mark Bezner, Chef bei Olymp, hat das Erbe seines Großvaters Eugen gemehrt und seine Marke fest etabliert.

mich daran, wie ich als kleiner Bub mit meinem Vater ins Lager ging oder im Büro die Rechenmaschine der Sekretärin auseinandergenom­ men habe«, erzählt der heute Neunundvierzigjährige. Dass er einmal die Firma übernehmen würde, war für den Teenager allerdings nicht absehbar: Damals war der Hochleistungssport mehr seine Kragen­ weite. Der Firmenchef und Vater von vier Kindern schwimmt noch heute jeden Tag. Auf eine unverkrampfte Art strahlt er aus, dass er alles im Griff hat. Ein Griff, der sich genauso anfühlt wie sein Hände­ druck: zupackend, ohne wehzutun. Nach dem Abitur studierte er Betriebswirtschaftslehre und in Los Angeles Marketing, und nach mehr als drei Jahren im freigeistigen Kalifornien zog ihn wenig ins Schwabenland zurück. Bis ein A ­ ngebot von Procter & Gamble Deutschland kam, wo er zwei Jahre lang als Produkt­manager arbeitete, bevor er 1995 als Geschäftsführer bei

Olymp e ­ instieg. Und wie es seine Art ist, analysierte er erst einmal messerscharf und mit der genau richtigen Dosis Selbstbewusstsein die Lage des Hauses: Wo sind unsere Stärken, wo die S ­ chwächen, und wo liegen die Optimierungsmöglichkeiten? Ein Masterplan, um das Unternehmen nach vorn zu bringen, der Eins A aufging. Mitte der neunziger Jahre kam Luxor, das bügelfreie Hemd, auf den Markt und ist bis heute die stärkste Produktgruppe. Es gibt mittlerweile aber auch Polo-Hemden und T-Shirts, Leinenhemden, Freizeit­hemden, SoireeHemden, Volksfesthemden, Krawatten und seit 2011 auch Strick. Die Preise für ein Olymp-Hemd liegen bei etwa 50 Euro; manche auch bei 60, wenige darüber. Man nennt das in der Fachsprache »gehobene Mitte«. »Ab sechzig Euro wird die Luft sehr dünn«, sagt Mark Bezner ohne eine einzige Sorgenfalte auf der Stirn. Der Mann wurde schon mehrfach zum Entrepreneur und zum Manager des Jahres gekürt. Seine Firma hat mehr als fünfhundert Mitarbeiter, so leicht bringt ihn

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Design, das der gehobenen Mitte gefällt: Georg H. Füth ist zuständig für den Look der Marke, bodenständig, aber schick.

nichts aus der Ruhe. Die gehobene Mitte kauft offensichtlich gern, viel und regelmäßig bei Olymp, das mittlerweile siebenunddreißig Stores in ganz Deutschland hat und auch einige in China. Obwohl der Markt für Herrenhemden hierzulande seit langem regressiv ist, hat Olymp seinen Umsatz in den letzten zehn Jahren fast vervierfacht. Wie macht man das, Herr Bezner? Eine Frage, die er offensichtlich nicht zum ersten Mal hört, seine Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: Es seien genau fünf Punkte. Punkt eins: Qualität. Klar, aber mit Qualität allein erreicht man in der Modebranche nie­manden.

»Man muss satten Leuten Appetit machen. Keiner kauft heutzutage ein Hemd, weil er friert.« Die Schränke seien voll. »Es ist ein schmaler Grat zwischen dem, was läuft, und dem, was man uns noch abnimmt. Wir sind keine Trendsetter.« Auch wenn sie das nicht sind: Die Kollektionen sind heute deutlich ­jünger als noch vor zehn Jahren. Für das Design ist Georg H. Füth zuständig, der ursprünglich nur für zwei Jahre in der Firma bleiben wollte. Mittlerweile ist er seit fast zwanzig Jahren im Team und somit auch Teil der Erfolgsgeschichte. Er ist ein sympathischer schlanker Mann mit einer schwarzen Brille, der auch heute noch mit großer Begeisterung über It-Farben wie Kiwi und Safran spricht, oder über alte Tapeten­muster, die er in Florenz auf der Textilmesse Pitti ­Immagine Filati entdeckt hat und die nun neu interpretiert für den Ausputz der Hemden verwendet werden. Bei Olymp werden fünfundneunzig Pro­ zent der Gewebe selbst entwickelt, was harte Detailarbeit ist. Mark Bezner lässt noch weitere Punkte und Sätze folgen, um die Basis des Erfolgs zu erklären: »Wir sind logistisch gut aufgestellt« oder »Konsequente Markenführung«. Bestimmt sind das wichtige ­Argumente, um eine Firma da hinzubringen, wo Olymp heute steht: nach ganz oben. Am Ende des Tages hat man aber das Gefühl, dass es um etwas ganz anderes geht. Und vielleicht ist es genau das, was schon vor mehr als sechzig Jahren in der Waschküche des Einfamilien­ hauses brannte: die Leidenschaft, ein ehrliches Produkt zu machen. >

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Manifest in

Violett Die Schauspielerin Jessica Chastain ist das neue Testimonial für den YSL-Duft Manifesto – und macht sich mit Leidenschaft die Hände schmutzig Von Alena Schröder

Eine wunderbare Sauerei – das ist der Beginn des neuen Werbe­spots für das Parfüm Manifesto, den neuen Damenduft von Yves Saint Laurent. Wir sehen eine Künstlerin im Schaffens­prozess, violette Farbe tropft ihr von den zarten ­Fingern, sie bearbeitet die Leinwand mit ganzem Körper­ einsatz, wälzt und räkelt sich auf ihrem Werk, verteilt die Farbe leidenschaftlich mit den Händen. Ihr vormals blütenweißes Kleid ist nun violett besprenkelt, was sie nicht weiter zu k­ ümmern scheint, so vollkommen selbstvergessen und konzentriert ist sie bei ihrer Arbeit. ach einem Schnitt sehen wir das Bild erneut – diesmal auf einer Auktion. Die Hände der Bieter schnellen in die Höhe, doch letztlich bekommt eine Frau den Zuschlag, die im letzten Moment durch die Tür getreten ist: die Künstlerin selbst. Sie erwirbt das Bild, um es jenem Mann zu schenken, der zuvor am höchsten geboten hatte. Sie überreicht im ihr »Manifesto« – und damit ihr Herz. »Daring is an art« – so der Slogan der YSL-Kampagne, »Die Kunst alles zu wagen«, lautet der Satz in der deutschsprachigen Werbung. Da lag es nah, als Testimonial für diesen neuen Duft die Schau­spielerin ­Jessica Chastain zu gewinnen, die fraglos als das tapfere Schneiderlein Hollywoods gelten kann: Sieben Filme auf einen Streich im Jahr 2011, darunter Meisterwerke wie »The Tree of Life« und »The Help«, was der charismatischen Schauspielerin im darauffolgenden Jahr eine Oscar-Nominierung einbrachte. Zugleich scheut sie nicht vor der leichten Muse zurück und hat ihre Stimme auch schon einer italienischen Jaguardame im Animationsfilm »Madagascar« geliehen. Wie eine Mischung aus Marlene Dietrich und Julia Roberts wirkt Jessica Chastain: Ihr Blick hat eine mystische Kühle, während ihr Lächeln die Strahlkraft einer Hundert-Watt-Birne entfaltet. Es war Groß­meister Al Pacino, der die Amerikanerin für die große Leinwand entdeckte, als er 2005 gemeinsam mit ihr in Oscar Wildes »Salome« auf der Theater­ bühne stand. Ihre Präsenz, die Tiefe ihrer Charakterstudien und ihre zeitlos glamouröse Aura haben die Fünfunddreißigjährige seitdem auf die Besetzungslisten aller wichtigen Regisseure Hollywoods gebracht. Und damit auch die Phantasie der Mode- und Beautywelt beflügelt, von der die Schauspielerin seither umworben wird. »Ich beginne die Arbeit an einer Rolle immer mit dem Parfüm der Frau, die ich spiele. Ihr Duft hilft mir, ihr Herz und ihre Seele zu fi ­ nden«, sagt Jessica Chastain. Parfüm spielt für sie also sowohl p ­ rivat als auch beruflich eine große Rolle. Und die Marke YSL habe ihr schon immer sehr am Herzen gelegen, sagt sie. Ihr gefällt die Leidenschaft, mit der Yves Saint Laurent weibliche Verwegenheit feiert: Er zeigt Frauen als ebenso mutige wie elegante Wesen, die nach eigenen Regeln leben, nicht viel auf Konventionen geben und dabei immer ihre Weiblichkeit behalten. Diesem Frauenbild will Manifesto nun ein olfaktorisches Denkmal setzen – mit einer dominanten Jasmin-Note, fruchtiger Johannisbeere und sinnlichen Sandelholz-, Vanille- und Zederkern-Tönen. Auch das markante Violett, das seinen prominenten Auftritt in der YSL-­Kampagne hat, taucht auf dem Flakon auf: Eine klassische YvesSaint-Laurent-Farbe – mit dem geheimnisvollen Schimmer des Amethyst, des Edelsteins, der für Mut und Metamorphose steht. Mut haben in jedem Fall auch die Macher dieser Kampagne bewiesen – und dieser Mut wurde belohnt: Selten hat eine Hollywood-Schauspielerin sich so hingebungsvoll und verführerisch die Hände schmutzig gemacht wie Jessica Chastain für Yves Saint Laurent.  >

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UND

PA R F Ü M ODER

Kann man Äpfel mit Birnen vergleichen?

C H A M P A G N E R

WEIN P

arfüms, Weine und Champagner kommen nur scheinbar aus verschiedenen Welten. Ein genauerer Blick zeigt: Es gibt einen gemeinsamen Nenner – den Duft.

»Das Leben ist viel zu kurz, um einen schlechten Wein zu trinken«. Kaum ein anderer Satz drückt die Grundhaltung des Weinliebhabers besser aus. In dem Goethe-Zitat schwingen neben dem genuss­vollen Trinken noch weitere Aspekte mit: Wein ist Kultur, Wein ist Kommu­ nikation, und ein idealer Essensbegleiter, sofern Wein und Speise ­harmonieren. Und Parfüms? Auch sie haben mit Lebensart zu tun, mit Interaktion und mit Harmonie, mit Sinnlichkeit und Wohlbehagen. Doch während das edle Getränk dazu da ist, den Körper zu erquicken, hat das Parfüm die Aufgabe, ihn zu schmücken. Bei beiden erschließt sich ihr Charakter über den Duft, eine subjektive Wahrnehmung, die sich in Gefallen und Nichtgefallen äußert. Prallen da nicht zwei grundverschiedene Welten aufeinander? Bei Weinverkostungen oder beim Genuss nuancen­ reicher Spitzen­ gastronomie wirkt ein zu starkes Parfümieren schließlich ausge­ sprochen kontraproduktiv. Oder gibt es doch Gemeinsamkeiten? So eigentümlich ist die Frage nicht. Ganz intuitiv neigt man dazu, ­Champagner mit Damendüften und Rotwein mit Herrendüften zu asso­ ziieren. Der erste Schritt ist damit geschafft, zumindest gedanklich. Weine duften zwar im Allgemeinen nicht so intensiv wie Parfüms, haben ihnen allerdings eine Eigenschaft voraus: Sie leben vom Duft und auch vom Geschmack. Die tief ins Glas gesteckte Nase erschnuppert ausgiebig und bis ins Detail das komplexe Aroma des Weins. Erst dann erfolgt ein vorsichtiger Schluck, die Zunge registriert sofort das Spiel aus sauer, süß und bitter sowie aus den ent­sprechenden ­tri­geminalen Reizen der Tannine oder anderer adstringierender Moleküle, falls vorhanden. Beim »­Beißen« und Luft­ einsaugen ­werden ­während der Verkostung w ­ eitere Duftstoffe frei­ gesetzt, die allerdings jetzt retro­nasal, also über den Nasen-Rachen­ raum wahr­genommen ­werden. Erst diese Abfolge von orto- und retronasaler Wahr­nehmung, unterstützt durch die Geschmacksreize auf der Zunge, offenbart die Qualität des Weins. Beim Champagner kommt noch der Reiz des Prickelns hinzu. All diese Reize, die zu einem maßgeblichen Teil im Mund ausgelöst werden, fehlen natür­ lich bei der Wahr­nehmung von Parfüms. Hier steht ausschließlich der direkte ortonasale Duftreiz im Vordergrund. Kein Mensch käme auf die Idee, Parfüms in den Mund zu ­nehmen, um sie wie profes­ sionelle Weinverkoster anschließend in den Crachoir zu spucken,

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geschweige denn, sie zu trinken. Daraus ergibt sich die nicht ganz einfache Frage, wie die Düfte von Wein und Champagner über­ haupt einigermaßen objektiv und stimmig mit denen von Parfüms verglichen werden können.

Die Versuchsanordnung Also müssen zunächst Bedingungen geschaffen werden, die es erlau­ ben, über längere Zeit Weine und Düfte zu vergleichen. Die Papier­ streifen aus der Parfümerie versagen hier. Die auf die Streifen aufge­ sprühten Düfte schwängern die Raumluft schnell und akkumulieren sich nach und nach. Die Nase auch noch so geübter Parfümeure wäre rasch überfordert. Zugleich sind Champagner- und Rotweindüfte weit weniger intensiv als die von Parfüms; ein direkter Vergleich ist daher kaum möglich. Die Duftintensität der Parfüms muss daher für das Vergleichsexperiment heruntergefahren werden. Eine weitere Schwierigkeit sind die Wein- und Champagnergläser. Passio­nierte Weintrinker wissen, wie sehr die Duftwahrnehmung eines Weins von der Glasform abhängt. Also muss auch dieser F ­ aktor in Rechnung gestellt w ­ erden, ebenso wie die Füllhöhe der Gläser. Daher kommt nur eine Lösung in Frage. Einen winzigen Tropfen des Parfüms in ein Wein- oder Champagnerglas zu geben und mit W ­ asser aufzugießen. Eine für Parfümeure zugegebenermaßen abstruse Methode. Aber für diesen Zweck die einzige Möglichkeit, adäquate Versuchsbedingungen zu schaffen. Dabei werden die stark flüchtigen Kopfnoten nicht allzu sehr betont, dafür eher die Herz- und Basis­ noten, die den typischen Aromen der Weine entsprechen. Und die Duftintensität wird der von Weinen und Champagnern angepasst, die Nase also nicht überfordert. Um diesem neuen, noch nie zuvor realisierten Verkostungsverfah­ ren eine wenig Struktur zu geben, wurde intuitiv festgelegt, Damen­ düfte eher dem Champagner zuzuordnen, Herrendüfte den Rot­ weinen. Diese Wahl ist jedoch nicht ganz so willkürlich, wie sie auf den ­ersten Blick erscheint. Die Gründe hierfür liegen wieder etwas tiefer in der Aromachemie der Düfte und Weine ver­borgen. Ganz erstaun­ lich war dennoch, wie deutliche Ähnlich­keiten mancher Damendüfte mit den Champagner­noten erkennbar wurden, wie sich Herrendüfte bestens zu den Rotweinen gesellten. Natürlich ist dies keine strikte Regel, aber für das erste Einordnen hilfreich. Schon ergaben sich ­folgende Zuordnungen.

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Von THOMAS VILGIS Fotos GUIDO BITTNER

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EIN SPIELERISCHES EXPERIMENT

PARFÜM

Marc Jacobs Dot CHAMPAGNER

Pol Roger Blanc de Blancs Besonders die blumigen Duft­ noten von Dot, dessen Cha­ rakteristik mit saftig, ­floral, fröhlich, überschäumend beschrieben wird, lassen an Champagner denken. Es zei­ gen sich deutliche Anklänge an rote Beeren, exotische Früch­ te, das hell florale Geißblatt sowie intensive Jasmin- und Orangenblüten. Zusammen mit den Kokos- und Vanille­ noten ist bisher kaum erkenn­ bar, ob es sich um einen Wein oder e ­ in Parfüm handelt. Erst bei den Aromen Treibholz und Moschus wird dies deutlich. Überschneidungen zwischen


PARFÜM

Narciso Rodriguez for her Eau de Toilette CHAMPAGNER

Perrier Jouët Belle Epoque 2004 Das Parfüm zeigt eine sehr florale Rosennote zusammen mit der Fruchtigkeit und der Cremigkeit von reifem Pfirsich, die durch einen Hauch Ambra und rauchig-holziges Patchouli ergänzt ­werden. Letztere sind jedoch dezent eingesetzt und verleihen ihm Leichtig­keit. Die ebenfalls florale Cuvée aus 50 Prozent Char­ donnay, 45 Prozent Pinot Noir und 5 Prozent Pinot Meunier findet sich hier mit ihren Blütennoten wieder. Die würzigen Anklänge aus dem Pinot Noir fügen sich ebenfalls zu den leicht holzigen Patchoulinoten.

2002 Duft und Wein sind also durch­ aus zu erwarten. Die »Wassermethode« ­brachte dies deutlich zum Ausdruck. Mehrheitlich wurde der Blanc de Blancs als passend empfunden, seine A ­ romen als buttrig, Toast mit tropischen N ­ oten von Bana­ nen, Apfel­sinen, ­Mango, Pfirsichen und Guave bis hin zu Anklängen von gemahlenen Muschel­schalen, cremigen ­Äpfeln und Marzipan beschrieben. Keine Frage, eine ganze Menge an Harmonie, ausgedrückt durch die bildhafte Sprache und die Gemein­ samkeiten in der Beschreibung der fruchtig exotischen Noten.

PARFÜM

Prada Candy CHAMPAGNER

Dom Ruinart 2002 Der fast karamellartige Duft des Parfüms mit seinen balsa­mischen Untertönen und süßlich honigartigen Komponenten zeigt eine helle und schwere Note zugleich. Die zarte Abrundung durch den Hauch Moschus fügt sich sehr deutlich zu dem Cham­pagner, einem sortenreinen Chardonnay. Dessen fruchtig-­zitrusartige Noten paaren sich bestens mit den floralen Komponenten des Parfüms und seine Nussigkeit wiederum mit den Karamell­düften. Der Dom Ruinart 2002 weist kaum Säurespitzen auf, perfekt zum Honigduft von Candy.

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Valentino Assoluto CHAMPAGNER

Krug Grande Cuvée Jasmin und Rose, aromatisiert mit Vanille, die Tiefe der Bergamotte sowie die Erdigkeit des Alba-Trüffels, fruchtig-dichte Pfirsich­ noten, abgerundet mit holziger Zeder, den grünen Düften von Eichenmoos und einem Hauch Patchouli. Natürlich fordert die­ ses P ­ arfüm den Champagner heraus. Die Wahl fällt auf den Krug Grande Cuvée, dessen würzige Noten dem Kontrast aus grünen Moosnoten, Holz und Patchouli sehr entgegenkommen.

PARFÜM

Versace Yellow Diamond CHAMPAGNER

PARFÜM

Elie Saab Le Parfum Eau de Parfum CHAMPAGNER

Moët & Chandon 2004 Das Parfüm erinnert an Orangenblüte und Jasmin und fängt mit Patchouli und Zedernholz den honigartig süßlichen Duft der Rose ein. Passend zu dem Champagner-Klassiker, dessen festes Gerüst aus Chardonnay und Pinot Noir die tiefen und intensiven Blüten­ noten bestens trägt.

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Dom Pérignon 2003 Das sehr florale Yellow Diamond lässt Birnen, Bergamotte, Rosen und die exquisite Eleganz von Orangenblüten erkennen, die von Ambra und Holznoten getragen werden. Passend zu den Apfel­ noten und der Säure des Cham­ pagners, die dem schweren Blü­ tenaroma des Parfüms bestens begegnen.


Veuve Clicquot La Grande Dame 2004 Die erfrischenden rote Früchte, die Tiefe der Bergamotte, die aromatische Vanille und die deutlichen Holznoten und Mochus­ anklänge erfordern einen großen Champagner. Ein klares Plus für die Grande Dame 2004, deren süße Würze nach getrockne­ tem Obst und deren Reife dem Aromenmix des Parfüms mehr als entgegenkommen.

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CHAMPAGNER

PARFÜM

Creed Aventus ROTWEIN

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Davidoff Cool Water Women Sensual Essence

2009 Tinata, Weingut Monteverro, Toskana Creed erweist sich als typischer Rotweinduft: Schwarze Johannis­ beeren, würzig-harzige Wacholderbeeren, Bergamotte, ­fruchtige Äpfel, Ananas liegen in diesem Fruchtkorb. Holzige Noten ­werden durch Birke, Patchouli und Vanille manifestiert, erdige und tierische Noten durch Moschus, Eichenmoos und Ambra. Allein die schwar­ zen Johannisbeeren fordern einen duftstarken Wein. Die toskani­ sche Cuvée aus Grenache und Syrah liefert ein bestechendes Duft­ spektrum, das dieses Parfüm in vielen Aspekten wiederspiegelt.

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Calvin Klein Encounter ROTWEIN

2009 Morgon Vieilles Vignes, Weingut Aurélien Grillet, Beaujoulais Ein Parfüm, dessen fein abgestimmte Gegensätze aus Pfeffer, Karda­mom und Mandarine, Rum und Cognac, Patchouli, Moschus und Zeder geradezu nach einem jugendlichen Beaujolais ruft. Die frischen, zugleich würzigen roten Früchte des Gamay aus alten Reben fügen sich allerfeinst in den auf Gewürzen beruhenden Duft des Parfüms ein, und seine Holznote scheint dem Wein eine weitere Duftkomponente zu verleihen.

PARFÜM

Armani Code Ultimate ROTWEIN

2009 Spätburgunder Großes Gewächs Centgrafenberg, Weingut Rudolf Fürst, Franken Der Armani-Duft spiegelt reine Grapefuit- und Mandarinentöne wieder. Seine Würzigkeit erhält er durch die Phenylpropanoide im Sternanis. Aromatische Holznoten nach Zypresse und Zeder. Ein bestechendes Wechselspiel zwischen Ambra, dem nach Wald­ meister duftenden Cumarin und Vanille definieren eine herbe aromatische und dennoch süßliche Würze. Also ein komplexer, rauchiger Pinot Noir des Weinguts Fürst aus Franken, der mit Gewürznelke, Kaffeeanklängen und leichten Ledernoten den Code Ultimate perfekt einfängt.

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Yves Saint Laurent La Nuit de l’Homme ROTWEIN

2010 Montes Alpha Carmenère, Weingut Montes, Valle de Colchagua, Chile Dieses würzige Parfüm, geprägt von Kardamom, Bergamotte und pfeffrigem Harz, mit Anklängen an Tonkabohne, feines Holz und Lavendel benötigt einen großen, duftstarken und reichen Wein aus der Neuen Welt. Der Carmenère zeigt sein Potential von reifen roten Beeren, schwarzem Pfeffer und schokoladigen und kakao­ artigen Röstnoten spürbar. Im Hintergrund runden Vanille und Trockenpflaumen die Nase ab.


PARFÜM

Hermès Terre d’Hermès PARFÜM

Jil Sander Sun Men ROTWEIN

2007 Newton Unfiltered Merlot, Weingut Newton, Napa Valley Sun zeichnet sich durch seinen blumig grünen Duft aus, der an Rose, Maiglöckchen, Jasmin und Orangenblüte erinnert, unter­ stützt durch Bergamotte. Die aromatischen Holznoten lassen Rosenholz, Vanille und Patchouli anklingen, ebenso Ambra und Moschus. Der Newton Merlot ist zu diesen Düften eine will­ kommene Ergänzung. Seine Pflaumennote, gepaart mit schwar­ zer Johannis­beere, und seine Blütenaromen fügen sich zu einem duftvollen Gesamtbild zusammen.

ROTWEIN

2007 Granato, Weingut Elisabetta ­Foradori, Trentino Bei diesem Herrenduft kommen Zitrusaromen wie Orange, gepaart mit der Bitterkeit der Grapefruit und mit der Schärfe und Harzig­ keit verschiedener Pfefferarten, mit einem mineralischen Feuer­ steingeruch und dem erdig-frischen Vetiver zusammen. Ein sehr mineralisch-balsamisch warmes Parfüm, das zu dem ebenfalls mineralischen Granato mit seinem fruchtig würzigen Aromen­ spektrum wundervoll passt.

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WEIN UND

PARFÜM PARFÜM

Porsche Design Fragrances Titan ROTWEIN

2009 Nero d’Avola Don Antonio, Weingut Morgante, Sizilien Der Herrenduft besticht durch bittere Grapefruit, frisch kühlende Minze und wärmend balsamischen schwarzen Pfeffer. Anschlie­ ßend entfalten sich grüne Kräuternoten wie Basilikum oder ­würzig duftendes Lavandin, schließlich ein beruhigender und sinnlicher Akkord aus Zeder, Ambra und Moschus. Der ideale Partner für diesen Cassis-geprägten alkoholstarken Wein, dessen Tannine unaufdringlich sind.

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usammenhänge sind also deutlich erkenn­ bar. Immer wieder sind es die Duftnoten, die an Blüten, Zitrusfrüchte, Gewürze oder Holz anklingen, die für die Gemeinsamkeiten verantwort­ lich sind. Auch verschiedene Holz- oder Balsam­ noten sind sowohl in Parfüms als auch in Weinen vor­ handen. Deutliche Kontraste hingegen ­werden stets durch animalische Duftkomponenten wie Ambra oder Moschus, aber auch durch typische Düfte wie das häufig gegenwärtige Patchouli ausgedrückt. Die Symbiose von Düften und Weinen lebt daher von Harmonie und Kontrast. Wie immer im Leben.

Sind diese Paarungen von Düften und Weinen nur geträumt, oder lassen sie sich auf ein besseres Funda­ment stellen? So eigenartig und ungewohnt diese Beispiele klingen mögen, dahinter stecken weit g ­ rößere Zusammenhänge, als es auf den ersten Blick erscheint. Wie immer verbirgt sich hinter Gerü­ chen und Düften ein großes Spektrum an Aromen­ ver­bindungen, die in der Nase ganz bestimmte Reize auslösen und dabei ganz bestimmte Assoziationen wecken. Der Duft steckt also im Molekül. Wie der Teufel im Detail. Duftreize werden durch flüchtige Moleküle, also Aromenverbindungen, ausgelöst, die in die Nase gelangen. Dort landen sie auf den Riech­ zellen und lösen einen für jedes Molekül ganz cha­ rakteristischen Duftreiz aus. Tatsächlich enthalten manche Früchte, etwa Bananen, ein ganz bestimm­ tes Molekül, das allein schon einen Großteil des Bananenaromas auslöst. Bei anderen Früchten wird der Duft durch ein Sammelsurium von vielen Mole­ külen zusammengesetzt. Gerade leichte, florale und zitrusartige Komponenten sind eine Basis für femi­ nine Parfüms, die häufig mit dezenten Holz­noten ergänzt werden. Viele Parfüms sind daher kompli­ zierte Mischungen aus einer Vielzahl verschiedens­ ter Komponenten, deren Molekülspektrum weit mehr als hundert Komponenten enthält. Allerdings sind nicht alle davon vorder­gründig wahrnehm­ bar, einige runden den Duft lediglich ab, sodass keine unangenehmen Duftspitzen bemerkbar sind, die eine gezielte Wahrnehmung der erwünschten ­Richtung stören könnten und für eine ausgewogene Balance zum Beispiel von Frucht- und Meeres­noten mit Holztönen sorgen. Was aber hat dies mit Wein zu tun? Eine ganze Menge. Natürlich findet sich auch eine ganze Reihe fruch­ tiger, obstiger Aromen in Weintrauben, die sich teilweise in die Weine übertragen und durch das Keltern noch weiter herausgearbeitet werden. Der Anteil der Fruchtnoten ist natürlich in den verschie­ denen Traubensorten unterschiedlich – Gott sei

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Dank –, denn erst dadurch lassen sich raffinierte Cuvées zusammenstellen, die eben die beliebten Pracht­exemplare an Weinen und Champagnern her­ vorbringen. Oder auch stark duftende sortenreine Weine, die das Aroma der Traube in den Wein über­ tragen, etwa beim Pinot Noir. G ­ roßen Einfluss hat auch das Anbaugebiet, wie alle Weinkenner wis­ sen und Klima, Mikroklima, Bodenbeschaffenheit unter dem Begriff Terroir zusammenfassen. Der Rest ist Kellertechnik. Liegen die Weine in Holz, etwa in kleinen Barriquefässern, so gelangen wäh­ rend des ­Reifens Holztöne in den Wein, darunter auch die willkommene Vanillenote oder aroma­ tisch rauchartige Duftkomponenten. Diese werden aus den Bestandteilen des Holzes, unter anderen Lignan, freigesetzt, im Alkohol des Weins gelöst und w ­ ährend Reifung und Lagerung dezent che­ misch umgebaut. Das Holz parfümiert den Wein. Schon ist die Sache klar. Weine und Parfüms sind, zumindest aus banaler chemischer Sicht, nicht so weit von ein­ander entfernt, was sich auch in dem Experiment eindrucksvoll zeigt. Außerdem ­spielen Lactone sowohl bei Wein (»Weinlacton«) als auch bei Parfüms eine große Rolle. Diese heterozyk­ lischen Moleküle verleihen Weinen wie ­Parfüms ihre kokosnussartigen, pfirsichähnlichen Duftno­ ten. Jede Menge Hinweise also aus dem Bereich der Chemie und P ­ hysik kleiner Moleküle. Überra­ schend ist das eher nicht. Sicher, Verkostungen dieser Art sind zuallererst eine kleine intellektuelle Spielerei und eine Heraus­ forderung. Dennoch darf nicht vergessen werden: Alle Parfüms nutzen, zumindest in großen Teilen des Duftspektrums, die Duftstoffe und Aromen von Speis und Trank, insbesondere jene der K ­ räuter und Gewürze. Einige dieser Duftstoffe finden sich auch in den Weinen. Teilweise kommen sie aus den Trauben, teilweise entstehen sie beim Vergären und während des Ausbaus. Komplizierte chemische Vor­ gänge führen daher bei Weinen zu einem jeweils charakteristischen Duftspektrum. Somit können Parfüms und Weine in der Nase Synergien bilden, die zu neuen Ideen führen. Natürlich ist die Frage berechtigt, ob jetzt auch noch der passende Duft zum Aperitif aufgelegt werden muss. Aber wer weiß schon, welcher Champagner gereicht werden wird. Oder es gibt dann doch einen Campari. Das wäre nicht so schlimm, sofern man sich für Dot oder auch Yellow Diamond entschie­ den hätte. Die fügen sich zur Bitterorange ganz her­ vorragend. Man muss also nur zuvor den richtigen ­Riecher haben. Ist aber nicht immer ganz einfach. >


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Verbrauchs- und Emissionswerte: Kraftstoffverbrauch in l/100 km: außerorts 9,9–7,0, innerorts 20,6–8,5, kombiniert 13,8–7,5; CO2 -Emission in g/km: 322–196; CO2 -Effizienzklassen: G, C, B. Alle Angaben wurden nach dem Messverfahren RL 80/1268/EWG ermittelt.


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