VORARLBERG NEUE – SAMSTAG, 30. MAI 2015, SEITE 14
VORARLBERGERIN DER WOCHE
Die Kunst des schönen Schreibens
‚‚ Die Grafikerin Karin Berger hat sich der Kalligrafie verschrieben.
PRIVAT
Die Feldkircherin Karin Berger (27) ist gelernte Grafikerin. Aus einem Kindheitstraum heraus hat sie sich auf Kalligrafie spezialisiert und ihr Unternehmen Fingertips – Calligraphy Art&Design gegründet. REGINA TSCHANN
F
edern, Pinsel, Tintenfässer und Wasserfarben stapeln sich auf dem Tisch im kleinen Home-Office von Karin Berger. Gerätschaften, die an längst vergangene Zeiten erin-
nern. So stellt man sich eher die Ausstattung eines Geistlichen in einem alten Kloster vor – aber weit gefehlt. Was hier gezaubert wird, sind moderne und inspirierende Design-Produkte, die bei Vorarlberger Kunden gut ankommen. Kalligrafie – das bedeutet die „Kunst des Schönschreibens“. Diese besondere Form der Schriftkunst wurde in vielen Hochkulturen praktiziert und bedeutet die handschriftliche Verwandlung von simplen Buchstaben zu individuellen und gestaltungsfreien Formen. Karin Berger betreibt ihr Fingertips – Calligraphy Art&Design vorerst als Nebenberuf. Hauptberuflich arbeitet die Absolventin der Fachhochschule Dornbirn als Grafikerin
bei der Bachmann electronic GmbH in Feldkirch. Es können also ganz schön lange Arbeitstage für die 27-Jährige werden, wenn mehrere KalligrafieAufträge gleichzeitig bearbeitet werden wollen. „Da bleibt dann kaum Zeit zum Verschnaufen, wenn man daneben noch einen Vollzeit-Job hat“, erzählt Berger von der mitunter anstrengenden Verwirklichung ihres Kindheitstraumes. Von den Anfängen… Die sympathische Feldkircherin begeisterte sich schon in jungen Jahren für den Umgang mit der Feder. „Beim Kartenspielen mit den Großeltern war kein Blatt Papier sicher – ich habe einfach nebenher alles vollgekritzelt“, erzählt
die junge Künstlerin und lacht. Vor rund zwei Jahren wurde Berger dann über das Internet auf die Kunstform der „Modernen Kalligrafie“ aufmerksam, die sich in den vergangenen Jahren insbesondere in Nord amerika stark weiterentwickelt hat. „Das hat mich schon immer fasziniert: dieses spontan und individuell Sein. Der einzige Anspruch, den man an sich selber stellt, ist jener, dass das Produkt am Ende schön ist – wobei das nicht immer heißt, dass es perfekt sein muss“, schwärmt Berger von den zahlreichen kreativen Entfaltungsmöglichkeiten, die diese Tätigkeit mit sich bringt. Richtig erlernt werden kann bei dieser Kunstform aber eigentlich nur der Umgang mit den Materialien – so müssen zum
Beispiel die richtigen Federn und Tinten zum passenden Untergrund (Papier, Ton, Holz etc.) ausgewählt werden. Alles andere ist dann Übungssache: „Am Anfang sind überall Tintenkleckse und alles schaut ganz furchtbar aus“, meint die Jungunternehmerin und grinst. „Aber wie heißt es so schön: Übung macht den Meister.“ Und mit dieser Überzeugung hat sich Berger mit Feuereifer daran gemacht, ihren eigenen Stil zu entwickeln. Eine viel größere Herausforderung als das Erlernen der verschiedenen Techniken und des richtigen Umgangs mit den empfindlichen Materialien war jedoch der mutige Sprung ins kalte Wasser der Selbstständigkeit. „Ich war am Anfang ganz schön eingeschüchtert.
Manchmal halte ich vor Spannung die Luft an.
‚‚
Karin Berger, Grafikerin in Feldkirch
‚Kann ich das‘ und ‚soll ich’s tatsächlich wagen‘ – das waren so Fragen, die ich mir vor der Gewerbeanmeldung oft gestellt habe“, erzählt Berger von den anfänglichen Bedenken. Diese Bedenken haben sich allerdings inzwischen zerstreut – die Nachfrage nach den kreativen Produkten steigt ständig. Mehr als Geschenkideen „Grundsätzlich ist alles möglich.“ Damit meint die gelernte Grafikerin Karin Berger nicht nur den mutigen Schritt einer Firmengründung im Alter von 27 Jahren, sondern vielmehr die zahlreichen Möglichkeiten der Arbeit mit Kalligrafie. Man kann Geschenkideen in allen möglichen Varianten verwirklichen – vor allem durch die Variation
mit den unterschiedlichsten Tintenfarben oder Schriftarten. Besonders vielseitig ist man aber auch in der Wahl des zu beschreibenden Untergrundes: Flaschen, Steine, Kartons und sogar Weihnachtskugeln – alles denkbar Mögliche kann mit den kunstvollen Schnörkeln verziert werden. Diese individuellen Gestaltungsmöglichkeiten schätzen vor allem Kunden, die sich auf ganz besondere Feierlichkeiten, wie zum Beispiel ein Hochzeitsfest, vorbereiten. „Bei Trauungen wird oft nach individuellen Einladungen, Menü-, Tisch oder Dankeskarten gefragt“, erzählt Berger von ihrem Hauptgeschäftsfeld. Aber auch die Gestaltung von Firmenlogos steht für die junge Grafikerin an der Tagesordnung. Individualität und Experimentierfreudigkeit sind dabei für die Künstlerin am wichtigsten. „Keine Karte, kein Logo und kein Geschenk sieht gleich aus – das schätzen die Kunden an meinen Produkten am meisten.“ Herausforderungen Die außergewöhnlichen Materialien wie Federn, Kreide und spezielle Farben muss sich die Unternehmerin in mühsamer Kleinarbeit zusammensuchen. „Es gibt einige wenige Geschäfte in Vorarlberg, bei denen man die speziellen Kalligrafie-Utensilien bekommt, aber ich muss auch sehr viel über das Internet bestellen oder selber basteln, um eine vollständige Ausstattung zu haben“, berichtet die gelernte Grafikerin von den alltäglichen Herausforderungen. Bevor jedoch mit Tinte und Feder losgelegt werden kann, stehen noch einige Vorbereitungen an. Zu Beginn jeder Auftrags-Übernahme erfolgt ein ausführliches Kundengespräch. Dabei äußert der Interessent seine Wünsche und Berger entwirft eine Bleistiftzeichnung, die vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn vom Kunden abgesegnet wird. Erst dann wird die Feder gespitzt und die 27-jährige Künstlerin
legt los. „Man muss sehr geduldig sein und eine ruhige Hand haben. Manchmal erwische ich mich, wie ich vor Spannung die Luft anhalte – wenn beim letzten Buchstaben die Tinte auf das Blatt tropft, muss man nochmals von ganz vorne anfangen“, berichtet die sympathische Feldkircherin augenzwinkernd. Trotzdem will sich Berger selber keinen Stress machen. An erster Stelle steht für sie der Spaß an der Arbeit. „Viele Kleinigkeiten mach’ ich einfach nur für mich selber. Wenn ich zum Beispiel keine Zeit habe, ein Geburtstagsgeschenk zu besorgen, dann gestalte ich schnell ein kleines Kärtchen, das an einer Flasche Wein befestigt wird und fertig ist ein tolles und zudem individuelles Präsent.“ Die Tätigkeit von Karin Berger erfordert aber nicht nur viel Planung und Feingefühl, die Fertigstellung jedes Projektes erfolgt zu guter Letzt am Computer. Jeder Auftrag wird mit hohem Zeitaufwand und viel technischem Geschick digitalisiert und damit für den Verwendungszweck optimal vorbereitet. Zukunftsvisionen Auch für die Zukunft hat Berger schon konkrete Vorstellungen. „Ich hoffe zunächst, dass sich mein kleines Unternehmen weiterentwickelt wie bisher und dass ich noch ganz viele Menschen mit meiner Arbeit begeistern kann.“ Konkrete Pläne gibt es auch schon für Workshops, die die zielstrebige 27-Jährige in naher Zukunft für Interessierte anbieten will. Daneben steht für die gelernte Grafikerin die Teilnahme an zahlreichen Ausstellungen, Messen und verschiedensten Märkten auf der Tagesordnung. Hier können interessierte Kunden ihre Kunstwerke aus der Nähe bewundern. Karin Berger blickt also optimistisch in die Zukunft und resümiert zufrieden: „Es ist toll, dass ich meinen Kindheitstraum auf diese Art verwirklichen kann.“