VECTURA 02/2012

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WWW.VECTURAMAG.CH

[ lat.: das Fahren]

#3 | Sommer 2012

Sportwagen 2020

NISSAN DELTAWING

LAUTLOS AM START // ELEKTROAUTOS DOWNSIZING // VOLUMENMOTOREN MARITIME TRÄUME // SEGELYACHTEN MOTORMENSCHEN // QUEEN ELIZABETH II

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DAS MOTION-MAGAZIN AUS DER SCHWEIZ



EDITORIAL

Matthias Pfannmüller, Chefredaktor

VECTURA #3

EDITION

ZUKUNFT

BEWEGUNG IST DAS LEITMOTIV VON VECTURA, UND DA GIBT ES VIELE FACETTEN: WIR FAHREN DIESEN SOMMER ZUR SEE, MIT DEM FAHRRAD UND SOGAR RICHTUNG MOND

D

er Schwerpunkt liegt bei uns aber auf dem Automobil, und das macht einmal mehr Negativ-Schlagzeilen. Global Warming, zu wenige Parkplätze, steigende Spritpreise, neue Abgas-Normen, Tempolimits und viele immer strenger werdende Reglementarien drangsalieren den zum Outlaw stilisierten Pw-Fahrer. Der soll offenbar ein chronisch schlechtes Gewissen haben: Spass scheint streng verboten im auch politisch motivierten Verkehrsinfarkt. Knapp drei Stunden von Zürich nach Bern sind heute kein Skandal mehr, während neben der Autobahn ein IC vorbeirauscht. Mancher stellt da gar schon die bange Frage, ob wir in Zukunft überhaupt noch individuell unterwegs sind. Werden wir, allen Schwarzmalern zum Trotz – aber anders als heute. Viel zielorientierter nämlich, dazu sparsamer, leiser und insgesamt sozialer. Teilautonome Fahrzeuge, «Pool Lane» und Mitfahrbörsen sind dann selbstverständlich. Dank vernetzter Mobilität finden sich Reisende binnen Minuten. Autokennzeichen sind überflüssig, weil eine flächendeckende Verkehrsüberwachung weiss, wer wann wo unterwegs ist. Klar ist auch: Autofahren wird teurer und die Pw-Steuer mit der jährlich gefahrenen Kilometerzahl multipliziert. Ein Horror-Szenario? Nein, eine andere Epoche. Als Statussymbol Nummer 1 taugt das Automobil bei der jungen Generation bereits heute nicht mehr. In der Schweiz ist der Anteil der Führerausweisbesitzer bei den 18- bis 24-Jährigen von 71 Prozent im Jahr 1994 auf 59% in 2010 gesunken. In anderen Ländern sieht es ähnlich aus. In einer zunehmend komplexen Welt braucht das Auto frische Impulse, und die gilt es zu finden – mit sachlich-konstruktiven Lösungsvorschlägen statt ablehnender Verweigerung. Klar ist: Technik wird weiter standardisiert und zur Nebensache; vierrädrige Vielfalt reduziert sich auf unterschiedliche Karosserieformen. Unterdessen werden Oldtimer im Wert steigen: Ein 1999er-Smart hat in 15 Jahren Exoten-Status und wird dann ebenso bestaunt wie der auf E-Antrieb umgerüstete 1969er-Mustang. Diese Ausgabe beleuchtet einige wichtige Trends, die das Auto von morgen beeinflussen werden. In ihm spiegelt sich unser Bedürfnis zur individuellen Fortbewegung und Freiheit. Die Zukunft bringt sicher keinen Stillstand und schon gar keinen Rückschritt, sondern viele, auch spannende Veränderungen. Wir werden aber weiterhin mobil bleiben und viel Spass dabei haben, versprochen.

SOMMER 2012 003


INHALT #3

EDITORIAL

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AUSSERIRDISCH Verdammt lang her: 1971 kam das Lunar Roving Vehicle mit Radnabenelektromotoren erstmals zum Einsatz

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ABGAS ADE Alle Elektroautos, die man bei uns bis Ende Jahr tatsächlich kaufen kann

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OFFEN FÜR NEUES Wie innovationsfreudig Schweizer Autokäufer wirklich sind, erklärt Max Nötzli

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SERIENERPROBUNG Einmal Hölle und zurück: Autos müssen vor ihrem Verkaufsstart viel erdulden – so auch der Smart ED

024

TANKSTOPP Welche Auflademöglichkeiten für E-Autos es inzwischen gibt und worauf man achten sollte

030

CALIFORNIA TODAY Objektivität oder Schwarzmalerei? Matt DeLorenzo über die Verkehrspolitik im Golden State

UNTERWEGS ZUM HORIZONT Luxuriöse Segelyachten sind das vielleicht letzte Refugium freiheitsliebender Männer

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PLAGIATS-AFFÄRE Was den Aston Martin Cygnet so einzigartig macht – und was das neue Sondermodell bringt

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TITELSTORY Welche Technologien künftige Sportwagen auf die Überholspur bringen sollen

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HAFTUNG ÜBERNEHMEN 048090 Reifenhersteller überbieten sich mit Superlativen. Aber welcher moderne Pneu taugt wirklich etwas? PORTRAIT Der Basler Mark Stehrenberger gehört zu den wichtigsten Auto-Illustratoren der Welt

096

106

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UNTER BEOBACHTUNG Teure Fahrzeuge werden heute dreister geklaut denn je. Entsprechend raffinierter wird der Diebstahlschutz

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ABGEZÄHLT Vier und weniger Zylinder: Sparmotoren erleben eine Renaissance, denn sie können inzwischen mehr denn je

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VENGA GUAPA! Mit dem frisch überarbeiteten Seat Ibiza Ecomotive durch die quirlige Designer-Metropole Barcelona KÖNIGLICH Der völlig abgefahrene Fuhrpark der Queen

118

SACKGASSEN DES FORTSCHRITTS Technische Irrtümer in der Motorenentwicklung gibt es immer wieder

042

STRAMME WADEN Ein Fahrrad-Profi steigt extra für uns auf das Porsche-Bike RS um

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BROT UND BUTTER Historische Kleinwagen folgten einst materiellen Zwängen. Schick-komfortabel wurden sie erst später

044

BESSER SEHEN Neue Sonnenbrillen für den Sommer

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150

INTELLIGENTE STADTAUTOS Lust auf weniger: Eine Hand voll neuer Citycars stellt Interessenten vor die Qual der Wahl

052

SELTENE EINSICHTEN Diese überraschende Bilderserie zeigt reales Industrie-Design aus ungewohnter Perspektive IMPRESSUM

160

E DI T ION

ZUKUNFT

004 VECTURA #3


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SOMMER 2012 005


Die Airline, die sich über Verspätungen mehr ärgert als Sie. Wir Schweizer sind gerne etwas genauer. Deshalb können Sie sich bei uns nicht nur auf die Pünktlichkeit verlassen, sondern auch auf einen schweizerischen Service oder auf feines Essen. Erfahren Sie mehr über unser Flugangebot mit 72 Zielen weltweit im Reisebüro oder besuchen Sie uns auf swiss.com



AUSSERIRDISCH

KEIN GEGENVERKEHR E

WER DAS ELEKTROAUTO AUF DEN MOND WÜNSCHT, KOMMT ZU SPÄT: ES LANDETE DORT BEREITS VOR MEHR ALS VIER JAHRZEHNTEN

s zählt wohl zu den dringendsten Bedürfnissen der Menschheit, neue Territorien zu erobern. Der Weltraum und fremde Planeten gehören seit jeher dazu. Als zivilisiert im modernen Sinne gilt das Terrain aber erst, wenn Touristen mit Autos in ihm herumfahren.

Text Matthias Pfannmüller · Fotos NASA

Der Erdtrabant ist so gesehen längst erschlossen: Am 26. Juli 1971 hob Apollo 15 in Cape Canaveral ab. An Bord der Mondlandefähre «Falcon» befand sich – platzsparend an der Bordwand zusammengeklappt – das Lunar Roving Vehicle, ein offenes, vierrädriges Fahrzeug mit zwei Sitzen und Allradantrieb. Doch weder Chrysler noch Ford, sondern Boeing Aerospace und GM-Zulieferer Delco Electronics hatten das LRV in mehrjähriger Arbeit entwickelt. Was logisch war, wenn man sich die technischen Vorgaben ansieht: Leichtbau und geringer Energieverbrauch zählten schon damals nicht zu den Paradedisziplinen amerikanischer Automobilproduzenten.

008 VECTURA #3


SOMMER 2012 009


AUSSERIRDISCH

Die Entwickler hatten vielmehr die Bedingungen auf der Mondoberfläche im Sinn. Heraus kam ein 40 Millionen Dollar teures, 3,10 Meter langes und 1,83 Meter breites Fahrzeug, das ungewöhnliche Detaillösungen aufwies. So war der Lunar Rover mit nur 210 Kilo sehr leicht, was dem Transport und einem möglichst einfachen Zusammenbau vor Ort entgegenkam. Auf dem Mond selbst spielt Gewicht kaum eine Rolle; die Gravitation entspricht einem Sechstel der Erdanziehung und es gibt keine Atmosphäre. Hammer und Feder fallen deshalb gleich schnell zu Boden, wie Astronaut Dave Scott vor laufender Kamera anschaulich bewiesen hat. Auf der Erde wäre das fragile Fahrgestell des LRV wohl auseinandergebrochen. Auch bestanden seine Reifen nicht aus Gummi, sondern aus robust gewickeltem Draht. So rustikal der Lunar Rover auch aussah – er war eine ingeniöse Meisterleistung. Sein Zweck lag auf der Hand: Er sollte den Astronauten bei ihren zeitlich begrenzten Mondaufenthalten einen grösseren Aktionsradius und damit exaktere Untersuchungen ermöglichen. 010 VECTURA #3

Gesteuert, beschleunigt und gebremst wurde mittels Joystick, der von beiden Insassen bedient werden konnte. Dazu kam eine Allradlenkung, die einen Wendekreis von nur drei Metern erlaubte. Zwei 36-Volt-Batterien speisten vier je 0,25 PS starke Elektromotoren, die in den Radnaben sassen – und ausreichend Kraft boten für maximal 12 km/h Geschwindigkeit sowie eine Reichweite von über 90 Kilometer. Aus Sicherheitsgründen wurde die maximale Distanz vom Landemodul auf knapp zehn Kilometer begrenzt; im Notfall hätten die Mondfahrer den Rückweg also zu Fuss antreten können. Am 30. Juli setzte die Falcon in der Nähe des Hadley-Gebirges auf, wenig später stand das LRV startklar auf dem Mond. Die erstaunte Weltbevölkerung war live dabei, als Scott und sein Beifahrer James B. Irwin – mit Gurten gesichert – ihre ersten Fahrversuche unternahmen. Die Dynamik des Lunar Rover verblüfft noch heute; seine Steigfähigkeit betrug offroad-taugliche 25 Grad, die Bodenfreiheit 35 cm. In voller Fahrt hoppelte der Wagen ein wenig, hob mit einem oder zwei Rädern vom Boden ab, bewegte sich dabei wie in Zeitlupe und setzte sanft wieder auf.


Die erstaunte Weltbevรถlkerung war live dabei, als Scott und sein Beifahrer James B. Irwin ihre ersten Fahrversuche unternahmen


Scott und Irwin verbrachten fast drei Tage auf dem Mond. Eigentlich waren es nur wenige Stunden, denn ein Mond-Tag zählt knapp 28 Erd-Tage

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AUSSERIRDISCH

Zur Orientierung bediente sich die LRV-Besatzung eines elektromechanischen Navigationssystems, das Radeinschlag und Umdrehungen messen und so Entfernungen und die grobe Position ermitteln konnte. Per Sonnenwinkel und Funkkontakt mit Houston über die regenschirmartige Antenne liess sich die Stellung kalibrieren und ein exakter Kurs berechnen. Aus heutiger Sicht eine primitive Technik, die vom Chip jedes SpielzeugTaschenrechners übertroffen wird. Aber es hat funktioniert. Scott und Irwin verbrachten fast drei Tage auf dem Mond. Eigentlich waren es nur wenige Stunden, denn ein Mond-Tag zählt knapp 28 Erd-Tage. Weshalb am LRV eine Beleuchtung ebenso wenig erforderlich war wie Blinker. Man stelle sich das vor: allein. Kein Gegenverkehr, weder Ampeln, Parkuhren noch Strafzettel – nichts. Nur grauer, staubfeiner Sand, weite Täler, hohe Berge und dieses Wahnsinns-Panorama mit dem Blauen Planeten am Horizont. Ein gespenstisches Szenario. Selbst die Astronauten philosophierten, wenn sie den strengen Zeitplan in wenigen Momenten ausser Acht und ihren Gedanken freien Lauf liessen. Bei Charlie M. Duke Jr., dem Lunar-Module-Piloten auf Apollo 16, der folgenden Mondmission im April 1972, schlich sich in einer Schlafpause sogar ein irrealer Traum ein: Sie seien losgefahren, erinnerte er später, und kurz darauf auf eine zweite Reifenspur gestossen. Dieser unerschrocken gefolgt, bald eine dritte entdeckt. Und in der Ferne auch den Verursacher: ein anderes LRV! Es habe einfach so in der Gegend gestanden, an Bord zwei Astronauten, bewegungslos. Sie reagierten weder auf Funkrufe noch auf Winken, also hin zu ihnen. Duke parkte daneben, stieg aus, ging hinüber. Und als er die goldbeschichteten Sonnenvisiere zurückschob, erblickte er – sich selbst und seinen Kollegen John Young! Der irritierte Raumfahrer demontierte ein Teil des fremden Rover und brachte es mit zur Erde, wo sein Alter auf mehrere Millionen Jahre taxiert wurde. Duke hat uns allerdings verschwiegen, ob er schweissgebadet aufgewacht ist. Trotzdem eine gänsehautmässig gute Geschichte, fast so gut wie das hartnäckige Gerücht, die Mondmissionen hätten nie stattgefunden, sondern wären nur eine von vielen Medien-Inszenierungen der US-Regierung gewesen: Capricorn lässt grüssen. SOMMER 2012 013


Wer eines der Mondautos sehen will, braucht ein verdammt gutes Fernglas


AUSSERIRDISCH

Letzter Verdacht wird von dem Faktum genährt, dass die Mondexpeditionen für manche Kritiker zu problemlos verliefen. Tatsächlich sind von den drei LRV-Einsätzen nur wenige Pannen überliefert: So ging beim Ausladen des dritten Rover der Apollo17-Mission im Dezember ’72 ein Kotflügel zu Bruch, was im Fahrbetrieb viel Staub aufwirbelte. Commander Gene Cernan und Harrison H. Schmitt reparierten das Teil auf pragmatische Weise – mit Klebeband und einigen Blättern der über 200 Seiten starken LRV-Betriebsanleitung.

Mit Apollo 17 und nach nur zwölf Jahren wurde das Mondfahrprogramm der NASA frühzeitig beendet – man hatte alles erreicht. Seitdem hat kein Mensch mehr den Mond betreten. Trotzdem sind auch die Russen auf ihm herumgefahren; 1970 und ’73 schossen sie zwei ferngesteuerte Mobile namens Lunakhod rauf. Die sahen aus wie achträdrige Badewannen, wurden nachts radioaktiv beheizt und konnten so mehrere Monate eingesetzt werden. Sie und die drei LRV sind natürlich noch oben. Wer eines der Mondautos sehen will, braucht aber ein verdammt gutes Fernglas.

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ELEKTROANTRIEB RUBRIKEN

UNTER STROM Text map · Fotos Werk

HYBRIDAUTOS, VOR ZEHN JAHREN NOCH EINE SENSATION, SIND INZWISCHEN ALLTÄGLICH. HEUTE SIND E-MOBILE DER LETZTE SCHREI: ES GIBT UNZÄHLIGE KONZEPTE, DIE MEISTEN VON IHNEN BLEIBEN ILLUSION. DOCH WAS KOMMT WIRKLICH AUF DIE STRASSE? VECTURA NENNT ALLE ELEKTRO-SERIENAUTOS, DIE BIS ENDE 2012 IN DER SCHWEIZ VERFÜGBAR SEIN WERDEN 016 VECTURA #3



ELEKTROANTRIEB

Smart Fortwo Electric Drive

Chevrolet Volt

Tesla Roadster

Fisker Karma

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er sich heute ernsthaft für ein bestimmtes E-Auto interessiert, muss allzu oft lesen: «Voraussichtlich lieferbar ab …» Das Label «emissionsfrei» sorgt momentan für die gewünschte Aufmerksamkeit, kommt aber ohne Anspruch auf Erfüllung. Entsprechend schwierig ist es für potentielle Käufer, die sich einen Überblick verschaffen wollen. Am besten, so sollte man meinen, geht das im Internet. Doch viele Webseiten sind hoffnungslos veraltet, andere lassen relevante Vergleichsdaten vermissen. Wir haben deshalb eine übersichtliche Tabelle mit allen kaufbaren E-Autos erstellt, die garantiert aktuell ist und sogar ohne Steckdose funktioniert. Auf Parameter wie Kraftübertragung oder Radstand wird hier bewusst verzichtet, weil sie in diesem Zusammen018 VECTURA #3

hang völlig unerheblich sind. Viel wichtiger erscheint die Anzahl der Sitzplätze oder das Gewicht, weil es vorrangig um Alltagsnutzen und Reichweite geht. Und natürlich um den Nutzungsausfall, also die Ladezeiten. Die Ausschluss-Kriterien bei dieser Auflistung lauten dagegen: keine Angebote wie den viertürigen Coda, weil es ihn nicht bei uns, sondern nur in den Vereinigten Staaten zu kaufen gibt. Dazu verzichten wir auf Dreiräder wie das Twike, weil das eben kein Auto ist. Der Toyota Prius Plug-in muss auch draussen bleiben: Er kann zwar über 20 Kilometer weit rein elektrisch fahren; trotzdem rangiert er unter Hybridfahrzeug. «Gehhilfen» wie der Meco EH Line EMH01 bleiben ebenfalls aussen vor – obwohl manche meinen, der hier aufgeführte Renault Twizy gehöre in diese Kategorie. Er ist als Tandem-Zweisitzer zwar grenzwertig, trägt aber ein richtiges Kennzeichen, kann also auch auf Autobah-


Viermal Renault (von links nach rechts): Twizy, Fluence, Kangoo, Zoe

nen bewegt werden. Und vielleicht bevölkern raumsparende Fahrzeugkonzepte wie er die Städte von morgen, sind bald modische Verbrauchsartikel wie das neueste Smartphone.

Volvo C30 Electric

Käufer haben also die Qual der Wahl, staunen über die wachsende Vielfalt des Angebots und die breite Preisspanne. 15 teils baugleiche Modelle (drei sind mit Range-Extender unterwegs) von einem Dutzend Anbietern sind aktuell in der Schweiz verfügbar. Von Anfang mit Elektro-Antrieb konzipierte Fahrzeuge wie der Nissan Leaf oder Think City bilden inzwischen die Mehrheit, doch auch umgerüstete Benziner wie Smart Fortwo oder Volvo C30 Electric sind unter ihnen. Dabei wird es nicht bleiben: Ford bringt Ende Jahr einen Focus Electric, Chevrolet lanciert 2013 den relativ günstigen E-Spark und VW unter anderem den Golf Blue-E-Motion. SOMMER 2012 019


ELEKTROANTRIEB

Nissan Leaf

Die Spannung steigt also. Doch ob die E-Flotte Fahrt aufnimmt, hängt nicht nur von lokalen geografischen Gegebenheiten, sondern besonders von der Batterie-Entwicklung und der Preisgestaltung ab. Noch handelt es sich um Imageträger für Leute, die sich ein grünes Umweltbewusstsein leisten wollen und in der Regel weitere Autos besitzen – mit Verbrennungsmotor. Auch die narrensichere Handhabung beim Wiederaufladen, nennenswerte Ladestation- und Servicenetze und nicht zuletzt die Tatsache, wie sauber der benötigte Strom erzeugt wird, spielen für die breite Akzeptanz der Elektromobilität eine Rolle. Dazu kommt eine zu hohe Erwartungshaltung, die nur enttäuscht werden kann: Die Leistung und Reichweite konventioneller Autos, welche über 125 Jahre Evolution hinter sich haben, kann ein E-Modell kaum bieten. Erst wenn das den Exoten-Status abgelegt hat, wird es sich auch behaupten können. Ob und wie es E-Mobile schaffen, entscheiden keine politischen Programme, sondern ausschliesslich die Anzahl der Käufer. Und die sind kraft der ihnen zur Verfügung stehenden automobilen Alternativen so mündig wie noch nie.

Think City

Mitsubishi i-MiEV. Die Modelle Citroën C-Zero und Peugeot iOn sind baugleich mit dem Japaner

ÜBERSICHT 2012 ALLE E-SERIENAUTOS IN DER SCHWEIZ Marke Typ Sitz- Motor plätze Chevrolet Volt Citroën C-Zero Fisker Karma Mitsubishi i-MiEV Nissan Leaf Opel Ampera Peugeot iOn Renault Twizy Z.E. Renault Zoe Z.E.2 Renault Kangoo Z.E.3 Renault Fluence Z.E. Smart Fortwo Electric Drive2 Tesla Roadster Think City Volvo C30 Electric 1

4 4 4 4 5 4 4 2 5 2/5 5 2 2 2/2+2 4

Leistung in kW

Länge in cm

Gewicht Reichweite in kg km

E + 1,4L 110 450,0 1660 E 49 347,5 1120 E + 2,0L 300 499,5 2400 E 49 347,5 1110 E 80 445,0 1525 E + 1,4L 110 450,0 1660 E 49 347,5 1120 E 13 234,0 470 E 65 409,0 1400 E 44 421/460 1510/1580 E 70 475,0 1530 E 30 od. 55 269,5 800 E 215 394,5 1240 E 25 312,0 1130 E 82 426,5 1660

ohne / mit Range Extender; 2 Auslieferung ab Herbst; 3 in zwei Längen verfügbar

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80/5001 150 80/4851 150 175 80/5001 150 100 200 170 185 140 400 160 150

0–100 km/h in Sek.

Vmax km/h

9 15,9 6,3 15,9 11,9 9 15,9 6,1 (0–45 km/h) k.A. 20,3 13,7 13 4 6,5 (0–50 km/h) 10,9

160 130 200 130 145 160 130 80 135 130 135 120 200 110 130

Preis CHF

Extrakosten

50 490 31 300 129 900 33 000 49 950 52 900 33 600 9 600 + 60/Monat 22 800 + 95/Monat 26 300 + 95/Monat 30 600 + 95/Monat 25 000 + 90/Monat 118 300 34 900 nur Leasing ab 1290/Monat


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FAHRTENBUCH

DIE SCHWEIZ IST KEIN TESTMARKT

W

er als Erster gesagt hat, die Schweiz sei für die Automobilindustrie ein Testmarkt, lässt sich nicht mehr eruieren. Fest steht nur, dass diese Behauptung auch durch ständiges Wiederholen nicht wahrer wird. Wären wir tatsächlich ein Testmarkt, müssten weltweit pro Jahr circa 10 000 Bugatti Veyron verkauft werden. Und bereits stünden viele Millionen Elektroautos in Betrieb, dafür aber nur wenige mickrig motorisierte und dürftig ausgestattete Kleinautos für automobile Einsteiger. Blicken wir einige Jahrzehnte zurück. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs befand sich die Schweiz in einer beneidenswerten Situation: im Vergleich zum europäischen Ausland weit überdurchschnittlicher Wohlstand, prosperierende Wirtschaft, Vollbeschäftigung, intakte Infrastrukturen. So wurden Autos früher als anderswo auch für einfache Arbeiter erschwinglich, wobei die Präferenzen bezüglich Fahrzeugherkunft und -marken schon aus den Vorkriegs-Gepflogenheiten heraus sehr breit gestreut waren. Dies nicht zuletzt deshalb, weil es keine eigene Automobilindustrie (mehr) gab, die man glaubte, schützen zu müssen. Diese Markenvielfalt macht die Schweiz einzigartig und damit den Markt untypisch. Traditionell ein hohes Ansehen genossen vor allem in den 50erund 60er-Jahren US-Automobile; lange Zeit hatte hierzulande ein Cadillac ein weit höheres Renommee als etwa ein MercedesBenz. Deutsche, französische, italienische und englische Autos waren jahrzehntelang ziemlich gleichmässig verteilt, bis dann ab den 90er-Jahren die deutschen Hersteller eine zunehmend dominantere Position einzunehmen begannen. Ein Zeichen für die Neutralität und die Unvoreingenommenheit der Schweizer Käufer ist die Erfolgsstory der japanischen Marken. Fanden die fernöstlichen Neuzuzüger auf den europäischen Märkten mit eigener Automobilproduktion ein sehr steiniges Terrain vor, gab es in der Schweiz keine Berührungsängste. Zwar legten Toyota, Honda, Datsun & Co. auch bei uns keinen Senkrechtstart hin, aber ab Mitte der 70er-Jahre ging es doch so steil aufwärts, dass man beinahe von einem Boom sprechen konnte. Und mit den Koreanern wiederholte sich die Geschichte rund 15 Jahre später.

wagen, aber auch für alle Arten von GTi-, OPC- und RS-Versionen. Unvergessen ist der Fall eines hochsportlichen Audi-Modells, von dem die Schweiz über einen Fünftel der Gesamtproduktion absorbierte. Das hängt einzig und allein mit unserem Wohlstand zusammen; was gibt es da für einen Hersteller zu «testen»? Und auch bei den «grünen» Fahrzeugen zieht die Mär vom Testmarkt nicht wirklich. Autos mit alternativen oder Hybrid-Antrieben finden in der Schweiz einen vergleichsweise sehr guten Absatz, und positiv entwickelt sich der Trend auch bei den Elektroautos. Aber daraus auf andere Märkte schliessen zu wollen, wäre kreuzfalsch. Bewiesen ist damit lediglich, dass sich die Schweizer die durchwegs teureren Zukunftstechnologien auch zu leisten vermögen – ganz im Gegensatz zu der Bevölkerung in Entwicklungsländern, die froh ist, sich mit irgendetwas Vierrädrigem motorisieren zu können. Der Schweizer ist nicht «grüner» als andere, doch er kann es sich ganz einfach problemloser leisten, dies durch den Kauf eines grünen Autos auch gegen aussen kundzutun. Das alles wissen die Fahrzeughersteller natürlich seit jeher sehr genau. Und der Slogan vom «Testmarkt Schweiz» (der wahrscheinlich von einem schlauen Verkäufer geprägt wurde, welcher den potentiellen Kunden weismachen wollte, sie seien etwas ganz Besonderes) entpuppt sich als das, was er schon immer war: warme Marketing-Luft. Um zum eingangs erwähnten Beispiel mit dem über 1,5 Millionen Euro teuren Bugatti Veyron zurückzukommen: Dieses Rechenbeispiel ist natürlich rein theoretisch und schon deshalb nicht zulässig, weil die Einwohnerzahl der Schweiz gegen die – um den Faktor 1000 höhere – Gesamt-Weltbevölkerung aufgerechnet wird. Aber auch der Vergleich mit dem ebenfalls als wohlhabend geltenden Deutschland (Faktor 12) zeigt das unterschiedliche Käuferverhalten: Würden unsere nördlichen Nachbarn im Verhältnis gleich viele Bugattis kaufen wie die Schweizer, nämlich rund zehn pro Jahr, entspräche das einem Auftragsvolumen von gut 120 Stück. Und damit hätte Bugatti die Veyron-Produktion in Molsheim allein mit deutschen Bestellungen in weniger als drei Jahren verkaufen können …

Mittlerweile haben zwar der Markt und die beinharte Konkurrenz dafür gesorgt, dass die Bäume der asiatischen Autobauer auch hierzulande nicht in den Himmel wachsen. Aktuell weist aber die Schweiz den – nach Hersteller-Region – wohl ausgewogensten Automobilmarkt weltweit auf. Noch eine Tatsache widerlegt die Floskel vom Testmarkt: In der Schweiz ist der Anteil an stark motorisierten und üppig ausgestatteten Autos grösser als sonst wo (von Dubai und anderen exotischen Märkten einmal abgesehen). Bei den Herstellern gilt die Schweiz als der Markt für Luxuslimousinen und Supersport022 VECTURA #3

Max Nötzli, Jahrgang 1944, ist Präsident von Auto Schweiz, der Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure. Zuvor war Nötzli 39 Jahre lang Automobiljournalist, zehn davon als Chefredaktor.


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PROTOTYP

024 VECTURA #3


AUF DIE HARTE TOUR E-MESSIAS ZUM KAMPFPREIS: DIE DRITTE GENERATION DES ELEKTRO-SMART SOLL DIE MOBILE WELT ELEKTRISIEREN. DAMIT BLOSS NICHTS SCHIEF GEHT, HAT DAIMLER DEN FORTWO FÜR DIE STECKDOSE IN GNADENLOSEN TESTS AUF DIESE MISSION VORBEREITET Text Ralf Bielefeldt · Fotos Dirk Weyhenmeyer

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ie schwarz-rote Motorenabdeckung mit Mercedes-Stern und V6-Kürzel prangt an der weiss lackierten Wand wie eine Jagdtrophäe. «Hybrid» und «221» steht gross darauf. Dazu, kleiner, mit dem gleichen weissen Filzer geschrieben: «Serien-Freigabe 02/2009». Auf Naht über dem Souvenir aus dem S 400 Hybrid (intern: W 221) hängt ein blau gerahmtes Foto mit dem Vermerk «19.02.– 10.03.2007». Mindestens 40 Leute grinsen auf dem Farbabzug um die Wette. Fast alle tragen schwarze Polohemden und Shorts. Ein paar von ihnen sind auch auf dem Bild mit dem Eintrag «Sommererprobung, 26.2.–12.3.2010, 169er + 451er». Die Baureihen-Kürzel für A-Klasse und Smart II.

Die Wand mit den Erinnerungsfotos gehört zu einem umfunktionierten Hangar am Rande des Flughafens von Upington in Südafrika. Drei Hebebühnen verraten, dass hier nicht nur Propellermaschinen gewartet werden. 25 mal 57 Meter misst die luftige Halle. Fünf grosse Türen und ein riesiges Rolltor dienen als Ein- und Ausfahrten – und als Schlupflöcher für die wabernde Hitze, die vor den Pforten des gelben Baus die Luft flirren lässt. 38 Grad zeigt das Aussenthermometer, mittags, kurz vor zwölf. «Warme Klimazone» nennt sich das im Entwickler-Jargon. Eine sehr nüchterne Betrachtung der Backofen-ähnlichen Wetterbedingungen am Rande der Kalahari-Wüste. Nachts im Durchschnitt 18 bis 20 Grad Celsius, tagsüber gern das Doppelte, macht im Mittel um und bei 25 bis 28 Grad – und in Autos bis zu 60 Grad und mehr, je nach Sonnenstand. Ideale Bedingungen für einen elementaren Praxistest im Leben eines nahezu serienreifen Autos: die «Sommererprobung». Weitab von allzu neugierigen Blicken, aber mit intakter Infrastruktur. Sogar eine HighspeedStrecke gibt es: 55 Kilometer Landstrasse, gesäumt von Telefonund Strommasten, tempolimitiert auf 250 km/h. «Nur autorisierte Fahrzeuge», warnt dann und wann ein gelbes Schild am Rand der Tiefflugpiste. Absperrungen gibt es nicht. An Bord des Frachtfliegers, der am 16. Januar 2012 in Upington auf der mit knapp fünf Kilo-meter längsten zivil genutzten Landebahn der Südhalbkugel aufsetzt, sind vier rein elektrisch fahrende Smart Fortwo Coupés, zwei ebenso motorisierte Cabrios sowie ein Fortwo Cabrio mit Verbrennungsmotor als Referenzfahrzeug. Finale Testreihen und Bestätigungen vorausgegangener Er-probungen stehen an, 14 Tage lang, mit 15 Mann. Dann folgt der Pflicht die Kür, nach fast drei Jahren intensiver Arbeit wird es ernst: Entwicklungsfreigabe, dann Qualitätsfreigabe und schliesslich Verkaufsfreigabe. Der Startschuss für die automobile Elektrifizierung von über 30 Ländern weltweit. Den Anfang machte Deutschland im Juni 2012; die Schweiz ist ab Oktober dabei.

SOMMER 2012 025


PROTOTYP

Zweimal durchläuft jedes komplett neue Modell von MercedesBenz oder Smart die Sommererprobung. «Elektroautos machen da keine Ausnahme», erklärt Jürgen Schenk (56), Daimlers Entwicklungsleiter für Elektrofahrzeuge. Digitale Entwicklung (zwölf Monate), Erprobung von Entwicklungs- und Bestätigungsfahrzeugen (zusammen 18 Monate), Produktionsvorbereitungen (sechs Monate) – das sind die Stationen im Leben seiner E-Schützlinge. Zur Wintererprobung geht es in die «kalte Klimazone» – polarnahe Regionen wie Arjeplog in Lappland stehen dafür hoch im Kurs. Einzig für die Standarderprobungen in gemässigtem Klima muss keiner weit fahren: Das herrscht in Deutschland fast das ganze Jahr über, in Sindelfingen wie auf der Mercedes-Teststrecke im Emsland. Das Kühlen und Heizen muss der E-Smart mindestens so gut beherrschen wie seine konventionellen Brüder, sonst wird sich kein Käufer für den E-Messias erwärmen. Smarte Lösung: Der 026 VECTURA #3

«Electric Drive» genannte Antrieb regelt das bereits, wenn er am Ladestecker hängt. Programmiert wird die Vorklimatisierung wie bei Generation II via Bordcomputer oder – neu – übers Internet beziehungsweise eine spezielle «App». Smartphone-Nutzer können ihren E-Smart also von überall aus vorheizen oder runterkühlen. Beim Start hat er also immer die gewünschte Kabinentemperatur. Bei den Handling-Tests von Elektroautos kommt es wie bei konventionell angetriebenen Fahrzeugen auf das Zusammenspiel von Antriebskräften und Regelsystem an. Hier die Grenzen auszuloten, macht auf zugefrorenen Seen im Zweifel mehr Spass als auf staubigen Buckelpisten. Aber das Entwicklerleben ist kein Wunschkonzert. «Alles, was die Natur zu bieten hat, muss in den Testprogrammen abgebildet werden», erläutert Schenk: «Staub und Salz, Tag und Nacht, Winter und Sommer, nass und trocken».


Sommererprobung in Südafrika: Das Grenzgebiet zu Namibia bietet ideale Testbedingungen. Einsame Asphaltpisten, knochentrockene Schotterstrecken und mittlere Temperaturen um 26 Grad gibt es von Januar bis März. Bergfahrten simuliert das Team mit einem Bremsanhänger. Grünes Licht signalisiert: Ladevorgang erfolgreich. Der Mann hinter dem Messaufbau: Entwicklungsleiter Jürgen Schenk (56)

Bis zu 220 Messfühler haben seine Mitarbeiter an, unter und in den Autos installiert, an jedem hängen gut fünf Meter Kabel. 1,7 Millionen Daten laufen im Messaufbau im Kofferraum zusammen – pro Stunde Fahrzeit, wohlgemerkt. Rechner, Kommunikationseinheit, Messstellenaufnehmer und Kühlwassermessung sind auf einem Brett zusammenmontiert. So lässt sich der Aufbau problemlos von Auto zu Auto transportieren. Heizen und Kühlen, Agilität, Antriebsgeräusche und Lade-Infrastruktur – das sind die zentralen Merkmale, um die es bei der Entwicklungsfreigabe geht. Wie schlägt sich der E-Smart unter extremen Bedingungen? Laptop-Besitzer wissen ein Lied zu singen über die Temperaturfühligkeit von Akkus: Bei Kälte brauchen sie ewig, um in Wallung zu kommen; bei Hitze schmilzt die Leistung wie Eis in der Sonne. Beides darf bei einem Auto, das Marktführer im Segment der Elektrofahrzeuge werden will, auf gar

keinen Fall nie und nimmer nicht passieren. Erst recht nicht, wenn es sich bereits um die dritte Auflage handelt, die jetzt erstmals in nennenswerter Stückzahl produziert werden soll. Reichweiten-Einbussen um 50 Prozent und mehr, bei diversen E-Autos mehrfach von Prüforganisationen und Fachblättern nachgewiesen, kann sich der Electric Drive III als jüngstes Modell im Wettbewerb nicht erlauben. Der ausgeklügelte, doppelte Wasserkreislauf, die aufwändige Isolierung der Fahrgastzelle und konsequentes Energiemanagement für alle elektrischen Verbraucher sollen den thermisch bedingten Leistungsabfall auf maximal 30 Prozent reduzieren. Im Normalfall beträgt die Reichweite rund 140 Kilometer. Mehr als genug im urbanen Umfeld, dem natürlichen Lebensraum eines Elektroautos. 30 bis 40 Kilometer legen Autofahrer in Ballungsgebieten pro Tag zurück, haben Smarts Elektro-Feldversuche ergeben. SOMMER 2012 027


PROTOTYP

E-Autos werden für die Stadt gebaut – der Smart Fortwo sowieso

Von Geländetauglichkeit ist keine Rede im Lastenheft, von einwandfreien Leistungen selbst bei 60 Grad Hitze schon. Die offizielle Highspeedstrecke bei Upington erlaubt Tempo 250. Der E-Smart schafft gut die Hälfte

Mit Schnell-Lader ist das 17,6-Kilowattstunden-Kraftwerk im Fahrzeugboden in weniger als 60 Minuten wieder aufgeladen; normales «Stromtanken» dauert circa sieben bis acht Stunden. Entwickelt wurde die neue Lithium-Ionen-Batterie von der «Deutschen ACCUmotive», einem Joint-Venture von Daimler mit Evonik Industries. Die in der Schweiz obligatorische Wallbox zur gefahrlosen Entnahme von Strom aus dem Haushaltsnetz entfällt beim E-Smart. Der Stromer aus dem französischen Hambach stellt sich automatisch auf die Elektroinfrastruktur des jeweiligen Landes ein.

höhere Geschwindigkeiten interessieren nicht so», meint Schenk. «E-Autos werden für die Stadt gebaut», der Smart Fortwo sowieso. Mehr Dampf an der Ampel, mehr Reichweite für die Zauderer – darum ging es. Gleichwohl, für Statistiker: 13 Sekunden gibt Smart für den Spurt auf Tempo 100 an. Der Permanentmagnetmotor mit maximal 55 kW ermöglicht eine offizielle Höchstgeschwindigkeit von «über 120 km/h», je nach Ladezustand und Gegenwind. Viel schneller ist der Smart cdi (135 km/h) auch kaum – und auf Schweizer Autobahnen ist ohnehin nicht mehr erlaubt.

Wichtige Erkenntnisse hierfür lieferten die Feldversuche mit den Vorgängern. Generation I, ab 2007 exakt 100 Mal gebaut, und Generation II (ab 2009, 2000 Exemplare) standen jeweils nur einem übersichtlichen Kreis von Testpersonen zur Verfügung – die fünf Jahre lang fleissig Daten und Erfahrungswerte lieferten für die grosse Smart-Strom-Offensive anno 2012. Generation Nummer 3 ist für alle da und soll die Welt elektrisieren – als bezahlbarer Spassmacher mit schneeweisser Umweltweste und Karacho-Antrieb.

«Wir haben uns mit diesem Auto wirklich sehr, sehr viel Mühe gegeben», versichert Vollblutschwabe Schenk. Er gehört zu den Menschen, denen man so etwas glaubt. Ein Tüftler, Frickler, Entwickler durch und durch. Kurz: jemand, der frei nach der Landeswerbung «alles kann ausser Hochdeutsch». Fünfstellige Produktionszahlen peilt Daimler an – pro Jahr. Der Schweizer Startpreis stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest; in Deutschland kostet der E-Smart rund 16 000 Euro plus Mehrwertsteuer und Batteriemiete (knapp 60 Euro netto/Monat). Ab 2013 wollen VW mit dem e-up! und BMW mit dem i3 dagegenhalten. «Das elektrische Zeitalter ist endgültig angebrochen», frohlockte Smart-Chefin Annette Winkler bereits bei der Präsentation auf der IAA 2011. Kein schlechter Spruch fürs nächste Erinnerungsfoto.

Fahraktiv wie ein Kart, spielt das neue Modell die Stärke des Elektromotors – volles Drehmoment ab null Umdrehungen – ungeniert aus. Nach fünf Sekunden erreicht der Zweisitzer Tempo 60, die magische Marke für E-Autos. «Die Beschleunigungszeiten auf 028 VECTURA #3



DIE KRAFT AUS DEM KABEL REICHWEITE UND EINSATZBEREITSCHAFT BESTIMMEN HEUTE ÜBER ERFOLG UND MISSERFOLG DES ELEKTROAUTOS. WIR ERKLÄREN DIE UNTERSCHIEDLICHEN LADEMETHODEN Text Marc Kudling · Fotos Werk

E

lektroautos sind derzeit auf dem Vormarsch. Denn trotz vieler offener Fragen und Probleme, die sie noch mit sich bringen, scheinen die Vorteile zu überwiegen. Schliesslich herrscht Konsens darüber, dass wir uns von tradierten Energiesystemen verabschieden wollen. Und bei aller Skepsis darf nicht vergessen werden, dass das Elektroauto mit jeder Kilowattstunde Strom, die mit Hilfe eines neuen Wasser-, Wind- oder Solarkraftwerkes gewonnen wird, sauberer wird. Zudem ist der E-Antrieb mit einem Wirkungsgrad von 90 Prozent etwa dreimal so effizient wie ein moderner Verbrennungsmotor, bei dem mehr als die Hälfte jeder Tankfüllung als Verlustwärme in die Umwelt geblasen wird. Der hohen Effizienz des Elektroantriebes verdanken wir es aber überhaupt erst, dass die durchschnittliche Reichweite inzwischen bei praktikablen 150 Kilometer liegt – denn die Energiedichte von Batterien ist im Vergleich mit Benzin oder Diesel sehr gering. Da auch in naher Zukunft keine relevante Steigerung der Energiedichte zu erwarten ist, spielt die Ladezeit (und mit ihr die Standzeit) bei vollelektrischen Fahrzeugen je nach Nutzungsprofil eine entscheidende Rolle. Wir haben uns die einzelnen Ladetypen angeschaut und erklären die Unterschiede. 030 VECTURA #3

Standard-Steckdose Diese ist die einfachste aller Lademethoden, aber auch die langsamste. Jedes Elektroauto kann auf diesem Wege per handelsübliches Kabel bequem zuhause aufgeladen werden. Die Zeit, um leere Autobatterien über einen solchen Wandanschluss wieder aufzufüllen, beträgt zwischen fünf und 15 Stunden – abhängig davon, wie leer die Batterien sind und über welche Leistungsfähigkeit die Steckdose verfügt. In Europa liegt diese maximal bei 3,7 Kilowatt (230 Volt und 16 Ampere). Sind es bei der deutschen Steckdose meist noch Stromstärken von 16 Ampere, findet man in der Schweiz üblicherweise nur 13 oder sogar zehn Ampere vor – je nach Alter des Hauses und der Installation. Zudem ruft ein Elektroauto die volle Leistung über einen längeren Zeitraum ab, was zu einer Belastungsprobe für die örtliche Verkabelung werden kann. Da wundert es nicht, dass Nissan beim Leaf für diese Art von Ladevorgängen nur von einem «Notladekabel» spricht und den Ladestrom aus Sicherheitsgründen auf acht Ampere begrenzt. Generell empfiehlt es sich also, vor der Anschaffung eines Elektroautos die lokalen Gegebenheiten zu überprüfen und die maximale Ladeleistung bestimmen zu lassen. Alternativ kann auch eine sogenannte Wallbox installiert werden, die wie ein


LADETECHNIK

Neuer Schnelllade-Standard: Das Combined Charging System geht Ende 2012 in Europa und den USA an den Start

Da auch in naher Zukunft keine relevante Steigerung der Energiedichte zu erwarten ist, spielt die Ladezeit (und mit ihr die Standzeit) bei vollelektrischen Fahrzeugen eine entscheidende Rolle

Adapter funktioniert und für das sichere Laden sowie die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Steckdose sorgt. Die «Wandbox» zur gefahrlosen Entnahme von Strom aus dem Haushaltsnetz stellt also eine sinnvolle Ergänzung dar. Viele Hersteller von Elektroautos bieten eine solche Lösung meist gegen Aufpreis in Zusammenarbeit mit Ökostromanbietern an – beim neuen Toyota Prius Plug-in Hybrid, der ab Herbst diesen Jahres auf dem Schweizer Markt erhältlich sein wird, gehört die Wallbox sogar zur Standardausrüstung. Schnellladung Praktisch für gewerbliche Szenarien wie etwa Kurierdienste und Car-Sharing (aber auch für die monatliche Fahrt zur Oma aufs Land, die sich vielleicht finanziell am Autokauf beteiligt hat) sind Schnellladesysteme, mit deren Hilfe ein Elektroauto meist in unter einer Stunde wieder vollständig aufgeladen werden kann. Grundsätzlich gilt es zwischen AC- und DC-Schnellladungssystemen zu unterscheiden: Der Unterschied besteht darin, an welcher Stelle der Strom von Wechselstrom (engl. alternating current, AC) aus dem Netz auf den Gleichstrom (engl. direct current, DC) für die Batterie umgewandelt wird. Wo also sitzt das Ladegerät, das nichts anderes macht, als diese Ströme zu transformieren – inner- oder ausserhalb des Autos? Bei der Lademethode via Standard-Steckdose ist das Ladegerät immer im Fahrzeug eingebaut, da es aufgrund der geringen Ladeleistung von 3,7 kW relativ kompakte Dimensionen einnimmt und nur wenig Abwärme produziert, also keine aufwendigen Kühlsysteme benötigt. Beim Schnellladen werden jedoch Leistungen von bis zu 50 kW erreicht, weshalb auch die Ladegeräte deutlich grösser ausfallen. Befindet sich das Ladegerät ausserhalb des Autos, spricht man üblicherweise von einer DC-Ladesäule. Diese stationäre Anlage wandelt den Wechselstrom zu Gleichstrom, bevor

er in das Auto gelangt. Hier hat sich bisher der De-facto-Standard «CHAdeMO» etabliert. Das Akronym steht einerseits für die englischen Wörter «Charge» und «Move» und ist gleichzeitig eine Abkürzung des japanischen Satzes «O cha demo ikaga desuka». Übersetzt bedeutet das so viel wie: «Lasst uns beim Aufladen einen Tee trinken.» Fahrzeuge wie der Mitsubishi i-MiEV oder Nissan Leaf unterstützen diesen Standard, aber auch die neue TeslaLimousine Model S wird sich auf diese Weise schnellladen lassen. Der generelle Vorteil der DC-Ladestrategie ist, dass sich mehrere Fahrzeuge die relativ kostenintensive Stromzapfsäule teilen können. Umso wichtiger ist es deshalb, dass solche Anlagen in regelmässigen Abständen und an strategisch sinnvollen Standorten platziert werden, damit sich der Aktionsradius von E-Automobilen sinnvoll erweitern kann. Deutlich flexibler ist derzeit die Lösung des AC-Schnellladens, bei der jedes Auto sein eigenes Gerät an Bord hat. Da der Strom nicht extern in Gleichstrom gewandelt werden muss, gibt es theoretisch die Möglichkeit, das E-Auto an jedem Drehstromanschluss in kürzester Zeit wieder aufzuladen. Zwar sind auch hier (wie beim Standard-Laden) aus Sicherheitsaspekten Wallboxen notwendig; diese intelligenten Steckdosen kosten mit bis zu 3000 Franken jedoch deutlich weniger als DC-Schnellladestationen. Zudem verfügen viele der heute vorhandenen öffentlichen Ladesäulen (Liste unter www.lemnet.org) bereits über Drehstromanschlüsse mit 22 kW. Diese Leistung reicht aus, um die Batterien der meisten Elektroautos in etwa einer Stunde wieder aufzutanken. Erste Fahrzeuge mit Onboard-Schnellladesystemen werden der Renault ZOE und die neue Generation des Smart ED sein, die beide in der zweiten Jahreshälfte 2012 auf den Markt kommen (siehe S. 16ff.). Audi, BMW, Chrysler, Daimler, Ford, General Motors, Porsche SOMMER 2012 031


LADETECHNIK

Schöner Strom tanken dank Wallbox, hier mit dem Schweizer E-Roadster Lampo

und Volkswagen haben sich Anfang Mai auf eine einheitliche Fahrzeugschnittstelle geeinigt, um den Aufbau einer standardisierten Infrastruktur zu beschleunigen. Das DC-Schnellladen mit dem Combined Charging System soll in Europa und den USA zum Einsatz kommen. Es vereint einphasiges Laden mit Wechselstrom, schnelles Wechselstromladen mit Drehstromanschluss, Gleichstromladen für Haushalte oder ultraschnelles Gleichstromladen an Stromtankstellen mit nur einer Schnittstelle im Fahrzeug. Das kann an den meisten Ladestationen unabhängig von Stromquelle und angebotener Ladegeschwindigkeit geladen werden. Kommerziell erhältliche CCS-Ladestationen stehen voraussichtlich Ende Jahr bereit; erste Serienfahrzeuge mit dieser Technologie werden 2013 folgen. Batteriewechselstation Völlig anderer Ansatz. Hier werden die leergefahrenen Fahrzeugbatterien vollautomatisch gegen frisch aufgeladene ausgetauscht. Vorteil: Der Wechsel dauert nicht länger als ein regulärer Benzin-Tankstopp – zumindest in der Theorie, denn noch sind solche Austauschstationen Zukunftsmusik. Immerhin funktioniert dieses Prinzip bereits im kleinen Versuchsrahmen, wie man es beispielsweise am kalifornischen Unternehmen Better Place beobachten kann. Obwohl von vielen Seiten bezweifelt, scheint das Verfahren zuverlässig zu funktionieren. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass ein solches System jemals

flächendeckend für elektrische Langstreckenreisen zur Verfügung stehen wird. Dafür wird in Zukunft die Vielzahl der unterschiedlichen Elektroautomodelle einfach zu gross sein, denn die Hersteller werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der Batterie, dem Herzstück und Alleinstellungsmerkmal ihres Elektroautos, nicht auf ein Standarddesign einigen. Umgekehrt wird eine Wechselstation aus logistischen und finanziellen Gründen nicht beliebig viele unterschiedliche Akkutypen bereithalten können, um möglichst jeden Kunden zu bedienen. Wahrscheinlicher ist dagegen, dass Wechselstationen künftig in geschlossenen Systemen wie Taxi- oder Busgewerbe Erfolg haben werden, wo identische Fahrzeugtypen in kürzester Zeit wieder einsatzbereit sein müssen. Induktion Bei dieser Ladetechnik wird der Strom ohne physischen Kontakt in die Autobatterie übertragen – ähnlich dem Ladeprinzip einer elektrischen Zahnbürste. Der Vorteil des drahtlosen Ladens liegt in dem grossen Komfortgewinn für den Nutzer, da das Einstecken des Ladekabels entfällt, was Zeit spart und auch das Hantieren mit einem dreckigen oder vereisten Ladekabel vermeidet. Es laufen bereits diverse Testprojekte, die vielversprechende Ergebnisse liefern. Bevor diese Systeme aber in einer oder zwei Fahrzeuggenerationen zur Standardausrüstung gehören können, müssen unter anderem noch Herausforderungen der Standardisierung und Sicherheitsfragen gelöst werden.

Marc Kudling arbeitet für die BRUSA Elektronik AG. Das Technologieunternehmen aus dem St. Galler Rheintal entwickelt und produziert seit 27 Jahren Leistungselektronik und Motoren für Elektrofahrzeuge. Als weltweit erster Anbieter wird man noch in diesem Jahr ein 22-kW-Onboard-Schnellladegerät für die Serienanwendung produzieren.

032 VECTURA #3


PUSCHL AV ( SCHWE IZ ), 2005

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BRIEF AUS LOS ANGELES

Juni 2012

Schöne neue Auto-Welt?

S

üdkalifornien ist die Geburtsstätte der modernen automobilabhängigen Gesellschaft. Das Nichtvorhandensein öffentlicher Transportmittel, eine breitflächig zersiedelte Stadtlandschaft, der ausgebaute Zugang mit vielen Freeways und nicht zuletzt niedrige Treibstoffkosten haben eine Megalopolis geschaffen, die fast nur noch mit dem Auto zu bewältigen ist. Insbesondere Los Angeles könnte nun auch der Ort sein, in dem sich die Zukunft individueller Mobilität ankündigt: Sie wird viel teurer sein und seltener vorkommen als heute. Früher konzentrierten sich Regularien noch auf die Durchsetzung bestimmter Abgas-Grenzwerte für Autos, um Smog zu reduzieren. Heute wird das behördliche Bestreben von dem Gedanken bestimmt, Kohlendioxid einzugrenzen, welches bei der Verbrennung Kohlenstoff-basierter Kraftstoffe entsteht. Ermächtigt durch die «Assembly Bill 32» (so nennt sich ein Gesetz gegen die Erderwärmung, die 2006 unter dem damaligen Gouverneur Arnold Schwarzenegger mit dem Ziel in Kraft trat, den CO2-Ausstoss auf das Volumen der 90er-Jahre zurückzufahren), hat das CARB (California Air Resources Board) entschieden, dass 15 Prozent aller ab 2025 verkauften Modelle grosser Produzenten sogenannte ZEVs (Zero Emission Vehicles) sein müssen. Bei diesen Fahrzeugen wird es sich im Wesentlichen um reine Elektro- oder Wasserstoff-Autos handeln. Das ultimative – manche sagen unrealistische – Ziel ist es, ab 2050 nur noch ZEVs zuzulassen, um die CO2-Absenkung zu erreichen. Hier wiederholt sich die Geschichte: Anfang der 90er-Jahre wurde ein Gesetz eingeführt, welches vorsah, dass ab 1998 zwei Prozent und später fünf Prozent aller Neuwagen elektrisch betrieben werden sollten. 2003 wurde die Regelung schliesslich wegen Unerfüllbarkeit abgeschafft. Man kann die ab 2025 geltende 15-Prozent-Vorschrift auf zwei unterschiedliche Weisen betrachten. Wird davon ausgegangen, dass ein Hersteller jährlich 100 000 Autos baut, sollen künftig 15 000 davon ZEVs sein. Aus marktgerechter Perspektive muss dazu gesagt werden, dass ZEVs teuer sind und eine beschränktere Reichweite als konventionelle Automobile aufweisen. Wenn nun ein Hersteller lediglich 7500 ZEVs verkauft, wird sein Gesamtkontingent auf 50 000 Einheiten gekappt. Das Ergebnis könnte ein sinkender Absatz sein, der wiederum zu höheren Fahrzeugpreisen führen würde. Es geht aber noch weiter. Die gleiche CO2-Gesetzgebung beinhaltet unter anderem die Forderung, dass elektrische Verbraucher letztlich ein Drittel ihrer Leistung aus sauberen Energiequellen wie Wind oder Solarkraft beziehen müssen. Wie bei der ZEV-Vorschrift kann diese Vorgabe faktisch als Limitierung elektrisch generierter Kapazitäten betrachtet werden, sollten anstelle heutiger Ressourcen nur ungenügend alternative Energiequellen gefunden werden, um das besagte Drittel zu liefern. Das wird auch zu höheren Strompreisen und dazu führen, dass die Käufer von Elektroautos mit Betriebskosten rechnen müssen, die über konventionellen Spritpreisen liegen werden. Im ungünstigsten Fall bleiben ihre E-Fahrzeuge bei Spannungsab- oder gar Stromausfällen liegen, wenn die Versorger die Nachfrage nicht mehr decken können. 034 VECTURA #3

Dieser perfekte Sturm in Bezug auf Neuwagen und die Fähigkeit zur E-Auto-Aufladung ist zwar noch über ein Jahrzehnt entfernt. Doch in der Zwischenzeit werden mehrere politische Hebel in Bewegung gesetzt, um Autofahrer aus herkömmlichen Fahrzeugen und Hybriden in Plug-in-Hybride, Erdgas- oder WasserstoffModelle zu locken. Zu den grössten Schubkraftverstärkern der Toyota-Prius-Verkäufe zählten staatliche Aufkleber, die es Hybriden und anderen alternativ betriebenen Fahrzeugen erlaubten, mit nur einer Person an Bord auf der relativ leeren Pool Lane zu fahren. Allerdings wurden nur 85 000 Sticker an die damals drei oder vier Hybrid-Hersteller verteilt. Diese zuerst gelben Siegel sind inzwischen abgelaufen und werden von grünen ersetzt, die aber nur noch für Plug-inHybride wie einen Chevy Volt gelten. Nur 40 000 Stück werden ausgestellt. Diejenigen mit einem gelben Sticker, die auf der linken Spur nicht nur schneller vorankamen, sondern beim Wiederverkauf ihres Autos auch höhere Preise erzielten, hat das Glück jetzt verlassen. Kürzlich hat der Staat weisse Aufkleber herausgebracht, für die es keine Stückzahlgrenze geben soll. Diese gibt man nun den Käufern reiner Elektro-, Brennstoffzellen- oder Gas-Autos. Seltsamerweise lässt die CO2-Verminderungs-Strategie jegliches Vertrauen in die Diesel-Technologie vermissen, obwohl mit ihr viel Kraftstoff eingespart werden könnte, wie man vor allem in Europa argumentiert. In Kalifornien dagegen sorgen NOX-Standards (Russ zählt zu den Haupt-Smogverursachern) und strengere Partikel-Regulierungen dafür, dass Hersteller von Diesel-Autos technisch anspruchsvollere und damit teurere Lösungen finden müssen, was einer grösseren Verbreitung im Wege steht. Diesel- und Benzin-Automobile werden wir in Zukunft also seltener sehen – dafür mehr Elektro-, Gas- und Hydrogenzellen-Fahrzeuge. Was auch immer geschieht: Der kalifornische Traum wird ein kostspieliger sein.

Bis bald, Matt

Matt DeLorenzo, Jahrgang

1953, ist Chefredaktor der traditionsreichen US-Automobilfachzeitschrift «Road & Track».


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K

ompakte, beinahe schon filigrane Triebwerke mit weniger als vier Zylindern kommen nach Jahrzehnten der Geringschätzung wieder gross in Mode im Automobilbau. Das geschieht jedoch nicht ganz freiwillig, sondern weil der Gesetzgeber diese Entwicklung per Ultimatum erzwingt: Künftige Verbrauchsnormen beziehungsweise die mit ihnen verknüpfte europäische C02-Gesetzgebung sind ohne ultimativ sparsame und saubere Triebwerke ganz einfach nicht erreichbar. 036 VECTURA #3

Während in Europa der je nach Wagengrösse mit genügend Hubraum dotierte Vierzylinder für kleine und mittlere Fahrzeuge während Jahrzehnten das Mass aller Dinge war, strebte beispielsweise der amerikanische Automobilbau lange zu Höherem. Nach dem vierzylindrigen Ford Model T machte zuerst der Reihensechszylinder Furore, bevor ab den fünfziger Jahren ein Achtender den US-motorischen Status quo markierte. Erst die Energiekrisen von 1973 und '79 führten in den Staaten zum so


2 DOWNSIZING

MINIMAL-MOTORISIERUNG

Zweizylindermotoren fanden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in das Automobil, zum Beispiel bei Opel oder Skoda. Als 1948 schliesslich der Citroën 2CV vorgestellt wurde, reichten noch 9 PS aus 375 cm3 Hubraum, um die Fuhre auf 65 km/h zu beschleunigen. Im Laufe seines langen Lebens wuchs der Hubraum dieses hier abgebildeten luftgekühlten Zweizylinder-Boxer bis 1990 in mehreren Schritten auf zuletzt 652 cm3 und 34 PS. Ein ähnlicher Motor mit 610 cm3 und zunächst 24 und dann 40 PS war bereits zwischen 1945 und '54 von Panhard verwendet worden. Auch der 1957 präsentierte Fiat Cinquecento wurde anfänglich von einem luftgekühlten Zweizylinder-Reihenmotor mit nicht mal einem halben Liter Hubraum befeuert. Trotzdem leistete er 13 PS, wenngleich ein findiger Carlo Abarth mehr als das Doppelte herauszukitzeln verstand. Im zweitürigen BMW 700 (1959–1965) tat ein bis 40 PS starker Motorrad-Boxer Dienst. Nicht zuletzt bei japanischen Kleinwagen der 60er-Jahre (Daihatsu, Honda, Mitsubishi, Subaru, Suzuki oder Toyota) kamen einige Reihen-Twins mit ähnlichen Leistungsdaten zum Einsatz, bevor man dort einen Topf hinzufügte: Ohne weitere Zylinder gab es damals einfach keine technischen Möglichkeiten, um mehr Power zu generieren. Mit dem 35 cm kurzen, 875 cm3 grossen und 85 PS starken TwinAir-Triebwerk, das der Fiat-Konzern sowohl im Fiat 500 als auch im Alfa Romeo Mito und Lancia Ypsilon verwendet, erlebt der Zweizylinder in Europa ein Comeback. Eine Stopp-Start-Automatik ist Serie. Das «Air» in der Namensbezeichnung bezieht sich auf eine elektrohydraulisch-variable Ventilsteuerung, die ohne Einlass-Nockenwelle auskommt: Das verbessert den Wirkungsgrad, und der betriebene Aufwand macht sich an der Zapfsäule bezahlt. Durchschnittsverbrauch im Fiat 500: 4,1 Liter – für Benziner ist das eine kleine Revolution. Weitere Twin-Air-Versionen sollen schon in Kürze folgen.

genannten «down-sizing» – Fahrzeuge schrumpften zum Teil erheblich und in der Folge gab es wieder vermehrt Sechs- oder Vierzylinderaggregate. Ähnliches geschieht jetzt in kleinerem Ausmass in «Old Europe» und es darf davon ausgegangen werden, dass diese Entwicklung bald auch andere Länder und Erdteile erreichen wird. Das Umdenken in den Führungsetagen der internationalen Automobilindustrie hat schon längst eingesetzt. Erste Ergebnisse des neuen Motor-Mainstream liegen vor und können nicht mehr nur auf Ausstellungen, sondern inzwischen auch beim Autohändler besichtigt werden. Drei Töpfe genügen Neben hubraumschwachen, aber aufgeladenen Vierzylindern, die im Extremfall sogar mit einer Kombination aus Kompressor und Turbolader aufgerüstet werden, feiert

neuerdings der Dreizylinder eine ungeahnte Renaissance. Zuletzt fristete diese Spezies ein liebloses Schattendasein, drückte sie doch meist kleinseriellen Öko-Mobilen mit unverkennbarem Stakkato den akustischen «Armut»-Stempel auf. Zu lange war es her, dass DKW ab den Fünfzigern mit seinem intelligenten 3=6 auch die Herzen von Sportfahrern erobert hatte! 3=6 hiess das Modell übrigens, weil sein Dreizylinder-Zweitakter mit exakt derselben Zündkadenz arbeitete wie ein feudaler Sechszylinder-Viertaktmotor. Dem Viertakt-Dreizylinder verhalfen bei uns ab Ende 70er-Jahre japanische Häuser wie Daihatsu und Suzuki zum Durchbruch, während europäische Hersteller den damit einhergehenden «Billig»-Status noch längere Zeit meiden sollten. In unseren Breitengraden wurde nun mal der Vierzylinder favorisiert, wenn auch mit geringeren Hubräumen als beispielsweise in den Drehmoment-verwöhnten USA. SOMMER 2012 037


DOWNSIZING

3

ALLER GUTEN DINGE SIND DREI

Das hier freiliegende Herz des DKW 3=6 schlug von 1955 bis '59 im Zweitakt – und lieferte dabei 40 PS sowie knapp 75 Nm aus nur 900 Kubikzentimeter Hubraum. Mit 7,5:1 moderat verdichtet, benötigte der Motor in dem nicht mal eine Tonne schweren Auto über zehn Liter Sprit.

Weniger Gewicht und Reibung: Zu DKW-Zeiten war das kaum interessant. Heute sind das besonders attraktive Eigenschaften, denn sie stehen für geringeren Verbrauch – und nebenbei auch für eine günstigere Produktion. Den vergleichsweise lauteren Lauf kriegen die Hersteller mit Ausgleichswellen in den Griff. Suzuki ist dem Dreisatz schon seit Jahrzehnten treu und stellt ihn seit dem Jahr 2000 auch Opel zur Verfügung. Smart ist mit Benzin und Diesel seit 1998 dabei, während Volkswagen seit 1999 und die Konzernschwestern Seat und Skoda seit 2002 mit Dreizylindern unterwegs sind (Diesel gibt es seit 2009). Nissan hat für den Micra kürzlich einen weiteren Dreitopf-Benziner mit 1,2 L Hubraum (mit Auslassventilsteuerung nach MillerPrinzip) ins Programm aufgenommen. Daihatsu ist schon lange mit drei Kolben unterwegs, Mitsubishi und Subaru sind es inzwischen auch. Toyota verbaut in den Kleinwagen Aygo, iQ und Yaris längst den modifizierten Daihatsu-EinliterDreizylinder, der auch bei den Kooperations-Partnern Citroën (C1) Peugeot (107) zu haben ist. Dass der Kleinwagenmarkt aktuell boomt, verleiht dem Trend zusätzlichen Schwung. Mit dem Ford Focus stösst der hier zu sehende, hochmoderne Ecoboost-Dreizylinder mit Stopp-Start-System jetzt in die Kompaktklasse vor. Sein weiterer Aufstieg ist beschlossene Sache, dann vielleicht als Hybrid in Kombination mit einem Elektromotor.

Selbst zwei sind genug In Italien, Frankreich, England, Deutschland und anderen europäischen Staaten hat es neben den «ungeraden» und sehr exotischen Dreizylindern bereits mehrere mit viel Akribie entwickelte Zweizylinder gegeben. Diese Motoren entstanden nicht zuletzt aus Kostengründen; wir erinnern uns an den Fiat Nuova 500, den Citroën 2CV oder einen Gutbrod Superior (als 700E sogar mit direkter Benzineinspritzung), um nur einige zu nennen. Jetzt feiert das Doppelpack in Form einer Twin-Air genannten 875-Kubikzentimeter-Maschine bei Fiat sein Comeback. Wenn schon, denn schon, müssen sich die Verantwortlichen beim Ab-segnen dieser Radikallösung gesagt haben, doch der sparsame Zwilling ist keine Spassbremse, sondern überrascht nicht zuletzt mit Temperament. Auch der indische Hersteller Tata setzt bei seinem 2008 vorgestellten Discount-Modell Nano auf zwei Zylinder. 038 VECTURA #3

Ob mit zwei, drei oder auch vier Zylindern – die brandneu konstruierten Motoren von Fiat bzw. Ford, Hyundai und Kia, Mitsubishi, Nissan, Opel, PSA (Peugeot-Citroën), Smart, Suzuki, Toyota und VW-Konzern markieren in puncto Effizienz den aktuellen Stand der Technik. An feinen Zutaten wird dabei nicht gespart: Die kurzen, schmalen und hoch bauenden Maschinen kommen teilweise sogar mit Doppelaufladung und Intercooler daher. Vier Ventile pro Zylinder sind natürlich die Regel, also auch zwei oben liegende Nockenwellen inklusive verstellbarer Ventil-Steuerzeiten auf der Ein- und Auslassseite. Was den Antrieb der Nockenwellen betrifft, wird bei den jüngsten Aggregaten kaum noch der dauerhaften Kette, sondern dem Zahnriemen vertraut, obwohl er in regelmässigen Abständen zu erneuern ist. Lange Wartungsintervalle sollen diesen Nachteil wieder wettmachen. Für die Zylinderköpfe gilt inzwischen durchgängig Alu-Bauweise, während der Motorblock


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4 DER MILLIARDÄR

Vierzylinder sind bis heute die weltweit am häufigsten verbauten Automobilmotoren. Im Bild der zierliche FW-Aluminium-Benziner (Feather Weight) von Coventry Climax, der seine Karriere 1950 als mobiles Einliter-Feuerspritzentriebwerk mit 38 PS begann, bevor er mit Hubräumen von 1,2 oder 1,5 Liter und bis zu ca. 150 PS stark in siegreichen Rennsportwagen von Kieft, Lotus, Cooper und TVR Karriere machte. Unvergessen auch die herrlichen Doppelnockenwellen-Aggregate von Alfa Romeo, die mit Hubräumen von 1300 bis 2000 cm3 ab den 50er-Jahren die Konkurrenz mit sechs und mehr Zylindern aufmischten. Bis zu etwa drei Liter Hubraum haben Serien-Vierzylinder in der Vergangenheit aufgewiesen. Der Trend geht nun wieder zu kleineren Kapazitäten, weil nur mit ihnen die gesetzlich geforderten niedrigeren Emissionen möglich sind. Die technologische Spitze unter den kleinen Vierzylinder-Benzinern markiert derzeit ein neuer 1,4-L-TSI von VW, der EA211 (Foto): Die Maschine, die dank Kurbelgehäuse aus Aluminium-Druckguss nur 112 kg wiegt (Vorgänger EA111: 134 kg), leistet 140 PS sowie 250 Nm und bietet dabei einen Durchschnittsverbrauch von ca. 4,7 L (mit DSG: 4,5 L). Der besondere Clou ist eine Zylinderabschaltung, welche die kommende EU6-Abgasnorm spielend erfüllen kann und von VW als erstem Hersteller bei einem aufgeladenen Vierzylinder aus der Grossserie eingesetzt wird. Dank ausgeglichener Balance läuft der reibungsarme Motor auch mit nur zwei Zylindern sehr leise und vibrationsarm. Das TSI-Brennverfahren (die Benzin-Direkteinspritzung agiert durch 5-Loch-Düsen mit bis zu 200 bar, dazu kommt Single-Scroll-Turboaufladung) macht die Technologie der Zylinderabschaltung in der heutigen Form erst möglich, weil es Komplikationen beim Gaswechsel ausräumt, die bei Saugrohreinspritzern auftreten würden. Der innovative EA211 wird ab August dieses Jahres im Polo, ab November im Golf der siebten Generation und später auch in anderen Baureihen verwendet.

mal in Leichtmetall (Gewicht) oder Grauguss (Kosten) gefertigt wird. Benzineinspritzung ist natürlich auch ein Muss, teilweise ist sie direkt. Für die gewünschte Laufruhe – besonders beim Zweizylinder – sorgt entweder eine Schwingungsausgleichswelle oder etwa das Schwungrad mit entsprechender Unwucht. Kurz: Der simpel aufgebaute, millionenfach produzierte Viertopf-Volumenmotor mit Einfachvergaser und Choke ist längst Geschichte. Die kommenden Normen sind nur mit komplexer Technik und noch mehr Elektronik zu schaffen. Bis in die Mittelklasse Kleine Motoren wie die neuen Dreizylinder sind vorwiegend für Autos bis circa vier Meter Länge vorgesehen. Der Anwendungsbereich dürfte aber schon bald höhere Fahrzeugklassen erreichen, wie der neue Einliter-Turbo-Ecoboost von Ford demonstriert: Mit 100 oder 125 PS wird er zwar zuerst im 040 VECTURA #3

kompakten Focus verbaut. Das Drehmomentangebot von 170 bis 200 Nm entspricht allerdings auch bisherigen 1,8- oder ZweiliterMotoren, die unter anderem im Mondeo zum Einsatz kommen.

Alternativ kombiniert Aufgrund ihrer kompakten Bauweise eignen sich moderne Zwei- und Dreizylinder auch exzellent für eine Hybridisierung des Antriebs. In Kombination mit einem drehmomentstarken E-Motor ergibt sich eine ideale Kraftquelle, die die Vorteile von Verbrennungsmaschine und Elektropower optimal nutzt – besonders dann, wenn eines der sich weiter verbreitenden Plug-in-Systeme mit per Steckdose aufladbaren Batterien installiert ist. Und als Range Extender für Elektroautos eignen sich natürlich auch Einzylindermotoren. Die neuen Sparwunder haben also eine grosse Zukunft vor sich. Jetzt muss sie der Autokäufer nur noch goutieren. Die Politik dürfte dafür Sorge tragen, dass er es tut.


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MASCHINENBAU

UNERMÜDLICHE MOTORENTÜFTLER GIBT ES HEUTE NOCH REVOLUTIONÄRE ERFINDUNGEN? DIE THEMATIK IST KOMPLEX. WIR WAGEN DEN DETAILLIERTEN EINBLICK Text Christian Bartsch · Grafik Werk

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u allen Zeiten haben sich unzählige Erfinder bemüht, neue und grundsätzlich andere Motoren zu entwickeln, mit denen sie die etablierte Motorenwelt aus den Angeln heben wollten. Bisher ist es ihnen nicht gelungen. Selbst der Wankel, der es bei NSU und Mazda bis in die Serienfertigung schaffte, vermochte den konventionellen Verbrennungsmotor nicht zu verdrängen. Dennoch ist die Szene auch heute noch äusserst bunt. Lassen Sie uns zusammen einen Blick in die Welt der Erfindungen werfen. Durch die Auflösung der DDR im Jahr 1989 verschwanden die letzten beiden Zweitaktmotoren in Trabant und Wartburg aus dem Automobilbau. Sie wären auch verschwunden, wenn die DDR noch einige Jahre dahinvegetiert hätte, denn anstelle der Zweitakter sollten Vierzylinder-Viertaktmotoren von VW in beide Wagen eingebaut werden. Sie hätten die Ostzonenautos jedoch nicht retten können, denen die Zeit längst davongelaufen war. Planwirtschaft war schon immer Mangelwirtschaft, die noch nie auf Realität und Fortschrittswillen Rücksicht nahm. Mit Trabant und Wartburg verschwand die bläuliche Ölfahne aus dem Strassenbild, die ein Wahrzeichen jahrzehntelang versäumter Weiterentwicklung war. Im Westen war der Zweitakter bereits fast 30 Jahre früher mit dem DKW F 102 zu Grabe getragen worden. Man hatte ihn nach der Übernahme der Auto Union von VW durch einen sogenannten Viertakt-«Mitteldruck»-Motor ersetzt, der sich aber als nicht praxistauglich erwies und seinerseits einem konventionellen Motor Platz machen musste. Das Grundübel des Zweitaktmotors war nicht etwa die Zündung bei jeder Kurbelwellenumdrehung, sondern die fehlende Erforschung der in ihm ablaufenden Vorgänge. Einen einigermassen ordentlichen Viertaktmotor mit seinen sauber voneinander getrennten vier Takten zu bauen, war trotz der höheren Teilezahl viel einfacher. Der Reiz des Zweitakters war seine extreme Einfachheit aus «nur drei bewegten Teilen», nämlich Kolben, Pleuel und Kurbelwelle. Er lebte von den Gasschwingungen im Auspuff. Als sich diese Erkenntnis durchsetzte, enteilte er zu ungeheuren Leistungen bei Motorrad-Rennmotoren, bis die Maschinen nicht mehr fahrbar waren. Dennoch ist die Zweitaktidee nicht gestorben. Normalerweise ist der Kolben eines Verbrennungsmotors durch ein Pleuel mit der Kurbelwelle verbunden, um die senkrechte Bewegung des Kolbens in eine Drehbewegung zu verwandeln. Der Konstrukteur Reinhold Ficht führt aktuell zwei gegenüberliegende Kolben durch runde Kolbenstangen, die in der Mitte durch einen rechteckigen Rahmen verbunden werden, die 042 VECTURA #3

«Kurbelschlaufe». Das ist ein «unechter» Boxer mit einer Zündfolge von 180 Grad. Zündet ein Kolben, befindet sich der andere im unteren Totpunkt. Im rechteckigen Rahmen aber läuft ein Gleitstein auf und ab, der in der Mitte eine Bohrung für den Hubzapfen der Kurbelwelle hat. Die Räume unter den Kolben werden durch Abdichtungen der runden Kolbenstangen gegen Öl aus dem Kurbelgehäuse abgeschirmt, so dass der Schmierstoff nicht in den Brennraum gelangen und dort verbrennen kann. Da keine verbrannten Gase ins Kurbelgehäuse eindringen können, verlängert sich die Standzeit des Motorenöls gegenüber konventionellen Motoren um ein Vielfaches. Wie bei Zweitaktern üblich, sind die Auslassschlitze höher als die Spülschlitze. Derzeit geht noch ein Teil der Frischluft in den Auspuff verloren, doch das will Ficht künftig durch Auslassdrehschieber verhindern. Ein solcher konstant drehender Motor würde sich ganz besonders für stationären Betrieb mit Gas zum Antrieb eines Generators eignen. Ficht arbeitet aber daran, seinen Motor universell einsetzbar zu machen, zum Beispiel als RangeExtender in einem Elektroauto. Mit dem Prinzip des Zweitakt-Gegenkolbenmotors ist der Name Hugo Junkers untrennbar verbunden. Als Diesel-Flugmotor erwarb er sich durch seine extreme Sparsamkeit und hohe Zuverlässigkeit einen legendären Ruf. Darum gab es eine Reihe von Firmen im In- und Ausland, die ebenfalls Gegenkolbenmotoren entwickelten. Bis in unsere Zeit hat sich jedoch lediglich ein russischer Panzermotor gehalten. Wir wissen nicht, ob er noch gebaut wird. Seit einigen Jahren beschäftigt sich der in den USA lebende Motorenspezialist Peter Hofbauer mit dem Gegenkolben-Zweitakter und entwickelte daraus einen Nutzfahrzeugantrieb. Die in den letzten Monaten durchgeführten Messungen brachten gute Werte und der Motor hat tatsächlich realistische Aussichten, serienmässig gebaut zu werden.


Das Prinzip: In einem relativ langen Zylinder arbeiten zwei Kolben, die aufeinander zulaufen und nach der Zündung in ihre äusseren Totpunkte zurückkehren. Einer der Kolben eilt dem anderen Kolben etwas voraus. Er öffnet die Auslassschlitze, bevor der andere Kolben die Spülschlitze freigibt, und schliesst sie wieder, wenn der andere Kolben die Spülschlitze noch geöffnet hat. Das ist der wesentliche Grund, warum der Gegenkolben-Zweitakter einen guten Wirkungsgrad hat. Auch der Hofbauer-Motor ist ein Diesel, der allerdings gegenüber dem Junkers nur eine zentrale Kurbelwelle besitzt, die durch die Boxerbauweise gleich zwei Zylinderreihen bedient.

Der Scuderi-Motor ist so aufwendig geworden, dass er kaum einen Fahrzeughersteller begeistern wird Auch der neuartige Scuderi-Motor ist ein Zweitakter, der eine besonders hohe Leistung abgeben soll. Allerdings ist er so aufwendig geworden, dass er kaum einen Motorenhersteller begeistern wird. Er besitzt neben dem Arbeitszylinder einen zweiten Ladepumpenzylinder, der die Luft ansaugt und dann in den Arbeitszylinder presst. Zusätzlich hat er einen Abgasturbolader, der die dem Arbeitszylinder zugeführte Luftmenge vergrössern soll. Die verschiedenen Luftströme werden beim Scuderi nicht durch Schlitze, sondern durch Ventile gesteuert. Wenn wir richtig gezählt haben, verfügt jeder Arbeitszylinder über sieben Ventile, die nach einem vorbestimmten System geöffnet und geschlossen werden. Das ist ganz sicher ein interessanter Motor – aber wie man bei konventionellen Motoren zusätzliche Leistung generiert, weiss man längst. Audi und Peugeot haben bewiesen, dass man selbst mit dem Diesel sehr erfolgreich Rennen gegen die OttomotorKonkurrenz fahren und gewinnen kann. Einen ganz anderen Weg beschritt der Erfinder und Fabrikant Herbert Hüttlin. Sein Ziel war es, einen extrem kompakten Motor zu entwickeln, der zusammen mit einem Generator aus einem Stück besteht. Bei ihm laufen die Kolben auf Kreisbahnen in einem kugelförmigen «Zylinderraum». Der Hüttlin-Kugelmotor arbeitet nach dem Viertaktprinzip, hat aber keine Ventile, sondern Schlitze für den Gaswechsel. Durch die Einheit von Triebwerk und Generator eignet sich der Kugelmotor in vereinfachter Form auch als Kompressor zur Erzeugung von Druckluft für industrielle Anwendungen: Nach unseren Informationen besteht an einem solchen Kompressor lebhaftes Interesse. Es kann also durchaus sein, dass die als Motor gedachte Konstruktion die Einführung in die Serienproduktion zunächst als Kompressor erlebt. Neben den genannten Beispielen gibt es noch zahllose andere Wege. Aus Frankreich kommt die Kunde von einem Motor, bei dem sich während des Betriebes die Verdichtung verändern lässt. Dazu ist zwischen Kurbelwelle und Kolben ein zusätzliches Hebelwerk mit zahlreichen Lagerstellen notwendig. Saab hat sich vor Jahren ebenfalls daran versucht, ebenso viele weitere Erfinder. Oh ja, sowas lässt sich machen. Aber von den vielen ähnlichen Vorschlägen der Vergangenheit hat es nicht einer bis zur Serienferti-

gung geschafft. Selbst Ford versuchte sich an einem Motor mit verstellbarer Verdichtung, der genau wie alle anderen Entwürfe für die Serienfertigung ungeeignet war, weil einfach viel zu teuer und kompliziert. Das trifft auch auf den französischen VSR-Motor zu, mit dem immerhin bewiesen wurde, was man mit einem solchen System erreichen kann. Ähnliche Versuche fanden aber auch an anderen Stellen statt. Es ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass einer davon je serienmässig gebaut wird. Moderne aufgeladene Motoren erreichen eine Änderung der Verdichtung auf viel einfachere Weise, nämlich über den Ladedruck. Zudem gibt es weitere, relativ einfache Möglichkeiten zur Änderung der Verdichtung, von denen wir künftig mehr hören werden. Heute existiert im Automobilbereich kein Diesel mehr ohne Abgasturbolader und Ladeluftkühler. Der Ottomotor geht den gleichen Weg. Auch hier verschwindet der Sauger und wird durch aufgeladene Aggregate ersetzt. Eines Tages werden Otto- und Dieselmotor miteinander verschmelzen und eine neue Triebwerkgeneration bilden, die noch sparsamer und schadstoffärmer ist als heutige Aggregate. Rotationskolbenmotoren hatten zur Blütezeit des Wankel Hochkonjunktur. Sogar ein «Eintaktmotor» wurde vorgeschlagen, bei dem zwei Walzen ineinander griffen. Selbst Einventilmotoren kamen auf und solche, bei denen der Kolben über zwei Pleuel auf zwei Kurbelwellen wirkt. Nicht zuletzt wurde versucht, mit der Gasturbine den Kolbenmotor zu ersetzen; in solche Experimente investierte man viel Geld. Versuchsmotoren wurden gebaut und auch zum Laufen gebracht. Doch das allein sagt noch nichts über die Qualität des Motors aus. Die serielle Anwendung kam nie. Jede neue Motorenidee muss sich gegenüber konventionellen Triebwerken durchsetzen. Das ist extrem schwierig, denn jeder neue Motor muss sparsamer sein, weniger Schadstoffe im Abgas enthalten, leichter und leistungsfähiger werden – und er muss sich zu geringeren Kosten herstellen lassen. Nicht zuletzt soll er im Auto eine Lebensdauer von mindestens 250 000 Kilometer erreichen. Für jeden Neuling sind das nahezu unübersteigbare Hürden. Dazu kommen die im Autoalltag unabdingbaren Fähigkeiten wie sicherer Kaltstart im Winter oder ein unproblematischer Umgang zum Beispiel bei weniger versierten Fahrern. Zehntausende kompetenter Motoreningenieure arbeiten weltweit Tag für Tag daran, die Motoren stetig zu verbessern. Neue Fertigungseinrichtungen werden entwickelt, um noch höhere Qualität zu erreichen und trotzdem Kosten zu sparen. Den einfachen Motor, den man am Wochenende eben mal im Hinterhof ausbauen konnte, um defekte Teile zu ersetzen, gibt es längst nicht mehr. Einen Versuchsmotor zum Laufen zu bringen, ist wie schon erwähnt etwas völlig anderes, als für die Zuverlässigkeit einer grossen Stückzahl zu garantieren. Wer eine Million Motoren oder mehr baut, hütet sich vor Experimenten, deren Ergebnisse nicht vorhersehbar sind. Schon wenig erprobte Detaillösungen können verheerenden Schaden anrichten, wenn sie versagen. Beispiele dafür gibt es genug. Dennoch steckt in den meisten neuen Ideen das eine oder andere Fünkchen Hoffnung, dem nachzugehen sich lohnt. Und darum wird es auch weiterhin konstruktive Versuche geben, Motoren sparsamer zu machen. Leider enden diese Anstrengungen selten im Motorraum, sondern überwiegend im Kuriositätenkabinett. SOMMER 2012 043


RÜCKSPIEGEL

KURZ & GUT NICHT GLÄNZENDE PRUNK-KAROSSEN, SONDERN PRAGMATISCHE KLEINWAGEN HABEN EINST DIE MASSENMOBILISIERUNG ERMÖGLICHT. VECTURA BLÄTTERT DURCH DIE VIELFÄLTIGE MODELLGESCHICHTE DIESER FAHRZEUGGATTUNG Text Roger Gloor · Fotos Archiv Gloor, Archiv Görg, Werk

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Der aufblühende Automobilhandel verlangte zusehends auch nach Motorwagen für Selbstfahrer

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leine Autos, einst als Fortbewegungsmittel des kleinen Mannes belächelt, sind heute beliebter denn je. Zu den Anfängen des Automobils war es genau umgekehrt: Weil sich ohnehin nur Gutbetuchte eine «motorisierte Kutsche» leisten konnten, spielten kompakte Modelle bloss eine Aussenseiterrolle. Zugegeben, die allerersten für den Privatgebrauch gedachten Automobile waren noch recht klein, sowohl die ab 1883 kommerzialisierten Dampfmobile von De Dion-Bouton wie die ab 1886 konstruierten Fuhrwerke mit Verbrennungsmotor von Karl Benz. Sie galten zunächst bloss als Spielzeuge der Hautevolee, und selbst reiche Adepten moderner Technik setzten sie denn noch kaum als Alternative zu Pferdewagen ein, mit denen man zuverlässig von A nach B reisen konnte. Erst um die Jahrhundertwende erwies sich eine Fahrt per Automobil auch für das Anpeilen ferner Ziele als zweckmässig. Damit ein «pferdeloser Wagen» hinsichtlich Komfort mit traditionellen, geschlossenen Kutschen mithalten konnte, mussten die Automobilhersteller zusehends grössere und stärkere Fahrgestelle und Motoren bereitstellen. Gleichzeitig transferierten Karosseriefirmen ihr Können und Wissen vom Kutschenbau auf das neue Verkehrsmittel, welches statt von einem Kutscher nun per «Chauffeur» gesteuert wurde. Immer mehr Selbstfahrer Parallel zu motorisierten Luxusgefährten verlangte der aufblühende Automobilhandel zusehends auch nach Motorwagen für Selbstfahrer. Diesen genügten mitunter bloss zwei Sitze und ein Notverdeck. Das niedrigere Gewicht solcher Modelle verhalf zu verbesserter Handlichkeit und höheren Fahrgeschwindigkeiten. Klar, dass damit auch mehr Fahrspass aufkam. Gleichzeitig erkannten die Automobilhersteller in solchen Leichtbauwagen das Potential rennsportlicher Einsätze und damit ultimativer Werbemöglichkeit. Unter dem Druck der rasch wachsenden Konkurrenz entstanden dem Prestige dienende Rennzweisitzer mit bis zu 20 Liter Hubraum. Solche weitgehend karosseriefreien Boliden kamen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in spektakulären, von den Publikumsmassen applaudierten Monsterrennen von Stadt zu Stadt zum Einsatz …

Zweimal Peugeot: links der von Ettore Bugatti konstruierte Bébé Typ BP1 (4 Zyl., 855 cm3, 10 PS, Bj. 1912); oben ein 1921er Typ 161 «Quadrilette» mit gleich starkem Antrieb und Tandem-Bestuhlung

Perfektes Kleinauto – und zudem Symbol für die Motorisierung der Frau: Citroën 5 CV (4 Zylinder, 856 cm3, Jahrgang 1921)

Zunehmend erschwinglich Auch nach der Jahrhundertwende blieb das Automobil ein Privileg der Oberschicht, sprich Adel und Industrielle. Und es war gerade die industrielle «Serienherstellung» – wenn auch noch längst ohne Fliessband –, die das Motorfahrzeug allmählich auch für kleinere Unternehmer und vermögende Private erschwinglich machte. Die zunehmend breiter werdende Modellpalette der grossen Hersteller wuchs am unteren Ende entsprechend stark. SOMMER 2012 045


Ein Zylinder und 502 cm3, etwas Blech und zwei Sitze – fertig war 1925 der Hanomag 2/10 PS. Im Volksmund hiess er schnell «Kommissbrot». Das offene Minimal-Mobil war immerhin für 60 Stundenkilometer gut und wurde bis 1928 knapp 16 000 Mal hergestellt

Findige Konstrukteure entwickelten zudem Ideen, um das Auto durch technische Vereinfachung oder neue Konzepte einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Preisgünstige automobile Winzlinge kamen aber nur zu dauerhaftem Erfolg, wenn sie dem inzwischen in der Volksseele verankerten Bild eines «richtigen Autos» entsprachen. Diese Regel sollte sich im weiteren Verlauf der Automobilgeschichte als eine Richtschnur für Klein- und Kleinstfahrzeuge erweisen. Geniale Konstruktionen wie der Volkswagen «Käfer» oder der Citroën «Döschwo» waren dagegen bereits ausgewachsene Autos und auch in einem «normalen» Preisbereich angesiedelt. Minimalismus Der in Frankreich ab 1895 für Kleinwagen eingeführte Begriff Voiturette (Wägelchen) fand als Modell- und Kategorienbezeichnung internationale Verbreitung. Manche dieser besonders preisgünstigen Automobile waren bloss dreirädrig, aber erst mit vier Rädern fanden sie grösseren Absatz. Es gab, später auf bis zu 1500 cm3 erweitert, auch Rennen für diese Fahrzeugkategorie. Noch kleiner waren die 1912 eingeführten Cyclecars («Fahrradautos»), die den Übergang vom Motorrad zum Automobil markierten. Mit Sonderbestimmungen für diese Kategorie löste Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg die eigentliche Motorisierungswelle aus: Bei höchstens 350 kg Leergewicht und unter 1100 cm3 Hubraum waren bloss noch 100 Francs Jahressteuer zu entrichten. Dies rief eine Reihe neuer Hersteller auf den Plan – es waren Kleinunternehmen, die sogar ihre Motoren zukauften. Wichtigster 046 VECTURA #3

Lieferant dieser meist auf einen Zylinder beschränkten Antriebsaggregate war De Dion-Bouton. Natürlich sorgten auch in jener kleinsten Wagenklasse entsprechende Renneinsätze für Prestige und Marktkonkurrenz. Weil aber die Grossserienhersteller weit konkurrenzfähiger waren, vermochten sie Anfang der Zwanzigerjahre die teils skurril anmutenden Cyclecars mit neuen, noch preiswerteren Kleinautos aus dem Markt zu drängen. Dazu zählten der Citroën 5 CV, der Peugeot Quadrilette, ebenso der Opel Laubfrosch, ein Austin Seven oder auch die europäischen Verkleinerungen des bereits legendären Ford-T-Modells. Sach- und Staatszwänge Nebst staatlich gesetzten Limiten ebneten zwischenzeitlich auch finanzielle Gegebenheiten den Weg zu Klein- und Kleinstautos. Zwar hatte die Wirtschaftskrise von Anfang der Dreissigerjahre die Automobilindustrie stark eingebremst. Manche Marken stellten auf die Herstellung von preisgünstigeren Modellen um und etliche gingen unter. Aber es wurde keine eigentliche Kleinauto-Welle ausgelöst. Erst die Mangelwirtschaft der Nachkriegszeit löste eine neue Kleinstauto-Welle aus. So bot in Frankreich die mit einem staatlichen Fünfjahresplan regulierte Rohmaterialzuteilung Chancen für eine neue Kategorie schwach motorisierter «Motocars». Analog dazu sorgten beispielsweise in Spanien Importbeschränkungen und Produktionsvorschriften für einen Höhenflug von Kleinstautomobilen.


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Bonsai-Roadster: BMW 3/15 PS DA 3 Wartburg (1929–`32) – ein Erbe des Dixie, welcher ein Lizenznachbau des Austin Seven gewesen ist

Der ab 1936 gebaute Fiat Topolino (Mäuschen) war schon ein vollwertiges Automobil: hier der 500B von 1948 (4 Zyl., 570 cm3, 16,5 PS)

Einfache, stabile Technik sollte sich durchsetzen. Ausgefallene Konzepte hatten dagegen nur beschränkt Erfolg

Drei Meter Länge und 16 Zweitakt-PS: der 1958 lancierte, bis 1970 gebaute Subaru 360 gilt als früher Vertreter japanischer Kei-Cars

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Damals Volksmodell, heute ein Klassiker: Der ab 1958 gebaute, keine drei Meter kurze Fiat Nuova 500 mit 13,5 PS aus luftgekühlten 479 cm3 und zwei Zylindern bewies Dolomiten-Tauglichkeit. Bis 1977 entstanden über 3,7 Millionen Exemplare

Das BMW 700 Coupé mit Michelotti-Karosserie war rassige 354 cm lang und kam 1959 zunächst mit einem 30-PS-Zweizylinder-Motorrad-Boxermotor daher. Ein Mini darf in diesem Beitrag nicht fehlen: Der 305-cm-Brite (1959–2000) gilt als genialster Kleinwagen und fuhr ursprünglich mit 33,5 PS; später gewann er sogar Rallyes. Im Bild die frühe Morris-XXL-Version namens Traveller

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Deutschland aber erlebte seine erstaunliche Kabinenrollerzeit. Diese innovativen drei- oder vierrädrigen Konstruktionen zwischen Motorrad und Auto erfüllten den Traum von der Fahrt unter Dach zu zweit oder gar mit den Kindern. Weil es aber keine gesetzlichen Grössenlimiten gab, entwickelten andere, teils ebenfalls neue Hersteller vollwertige Kleinautomobile, die es zu beachtlicher Blüte brachten, bevor sich der VW Käfer endgültig durchzusetzen begann. Quadricycles und Microcars Was früher die erwähnten Cycleund Motocars waren, das sind heute für Frankreich die Quadricycles: Kleinstautomobile, die seit vielen Jahrzehnten einen eigenen Industriezweig ernähren und auch für einigen Exporterfolg sorgen. Sie unterliegen Vorschriften hinsichtlich Gewicht und Motorisierung, dürfen in der Regel maximal 45 km/h schnell fahren und richten sich vorwiegend an eine ganz bestimmte Kundschaft: Personen nämlich, die sich keiner vollumfänglichen Fahrprüfung unterziehen lassen wollen oder können. Preislich sind diese niedlichen Wägelchen gegenüber den Kleinmodellen der etablierten Automobilindustrie natürlich nicht konkurrenzfähig.

Karrieretyp: Der erste Honda Civic mass 1972 noch 340 cm und holte 54 PS aus 1200 Kubik. Frontantrieb, über eine Million Exemplare

Fiat 127, Baujahr 1971–87: Der schlichte Italiener (0,9 L Hubraum, ab 45 PS) wird heute wieder neu entdeckt; frühe Versionen sind selten

Ebenfalls einen Sonderfall verkörpern Japans Micro- oder KeiCars, die inzwischen auch schon auf einer jahrzehntelangen Tradition beruhen. Ihre Existenz verdanken sie staatlich verfügten Beschränkungen bezüglich Abmessungen und Motorgrösse und den damit bewirkten Steuer- und Parkierprivilegien. Immerhin hat Japans Autobranche aus diesen Winzlingen auch exportfähige Kleinstautos abgeleitet, die sich durch Wendigkeit und Leistungsfähigkeit auszeichnen. Marktsegment A Wo liegt die Grenze zwischen Klein- und Kleinstauto? Hier existiert keine genaue Definition. Doch es gibt die nach den Buchstaben des Alphabets aufgebaute Einteilung des Automobilmarkts. Danach zählen Kompaktmodelle wie VW Golf, Opel Astra, Ford Focus, Renault Mégane oder Toyota Auris zum Segment C, während Polo, Corsa, Fiesta, Clio und Yaris das B-Segment verkörpern. Alles, was grössenmässig darunterliegt, gehört zum Segment A, also Alto, Agila, Aygo, Ka, Twingo oder Up. Paradoxerweise werden noch einige Modelle zum A-Segment gerechnet, die inzwischen stark gewachsen sind – etwa der nebst dem Typ 500 ebenfalls bei den Kleinsten eingeordnete, aber über 365 cm lange Fiat Nuova Panda. Nun, auch der aktuelle 370-cmMini ist nicht mehr ganz, was er mit 306 cm ursprünglich war!

Ehemalige Kleinwagen wie Civic, Corsa, Panda oder Polo sind heute zwar grössenmässig in der Kompaktklasse angekommen, doch keine Sorge: Es gibt Nachwuchs

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Jaguar XK 120 OTS 1953 Versicherungswert Fr. 100‘000.00 Jahresprämie Fr. 912.50

Ford A Sedan 1930, Versicherungswert Fr. 40‘000.00 Jahresprämie Fr. 238.35 Jaguar SS I Saloon 1935, Versicherungswert Fr. 85‘000.00 Jahresprämie Fr. 506.50 Mercedes 190 SL 1960, Versicherungswert Fr. 120‘000.00 Jahresprämie Fr. 1‘149.75 Jaguar E-Type S1 1963, Versicherungswert Fr. 75‘000.00 Jahresprämie Fr. 718.60 Peugeot 404 Cabrio 1965, Versicherungswert Fr. 45‘000.00 Jahresprämie Fr. 431.20

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7 SHOWROOM

3,71 Meter lang und 750 Kilo schwer – das war 1974 der erste VW Golf. Die inzwischen sechste Modellgeneration wiegt heute zwischen 1,1 und 1,6 Tonnen, misst in der Länge knapp 4,6 Meter. Da drängt sich die Frage auf: Warum sind Kompaktautos in den letzten Jahrzehnten immer grösser und schwerer geworden? Die Antwort ist vielschichtig. Zum einen sind die gesetzlichen Vorgaben zu den Themen Sicherheit und Emissionen im Lauf der Zeit immer strenger geworden, mussten die Autos immer mehr können – ein frugaler Tata Nano ist darum in unseren Breitengraden gar nicht zulassungsfähig. Das mit dem Wachstum einhergehende Mehrgewicht musste mit stärkeren Motoren kompensiert werden, denn natürlich sollte kein neues Modell langsamer sein als sein Vorgänger. Hinter dieser Strategie standen wachsende Ansprüche der Verbraucher, die sich zudem mehr Platz und Komfort wünschten. Ergo wurden beliebte Baureihen immer voluminöser, um ihre Stammklientel auch beim nächsten Autokauf zu binden – und um Fahrer anderer Marken anzulocken. Solche Beispiele machten Schule, sie funktionieren bis heute und so weiter.

ZWERGE WO HÖREN KLEINWAGEN AUF, WO FANGEN KOMPAKTE AN? ANGESICHTS VERWIRRLICHER KLASSENBEZEICHNUNGEN SPRECHEN WIR HIER ÜBER AUTOS DER VIER-METER-KATEGORIE VON 350 BIS 420 CM – UND BESTAUNEN DIE VIELFALT. BESONDERS EN VOGUE: PRAKTISCH-SCHICKE SPARWUNDER WIE DIESE HIER Text Hubertus Hoslin · Fotos Ian G.C. White, Werk

In der Konsequenz wuchsen neue Baureihen von unten nach, um die entstandenen Lücken zu schliessen. Denn nach wie vor sind erschwingliche Fahrzeuge unter (oder knapp über) vier Meter sehr beliebt. Das liegt zum einen an der Infrastruktur bestimmter Städte – in den Gassen von Rom beispielsweise würde ein SUV schlicht stecken bleiben. Zum anderen handelt es sich um besonders wendige und übersichtliche, also auch leicht beherrschbare Fahrzeuge. Und es soll ja Leute geben, die einfach kein grösseres Auto haben möchten. Nicht zuletzt sind es diese kleinen Autos, denen heute wieder eine starke Bedeutung zukommt. Denn nur mit ihnen gelingt es den Herstellern, kommende Abgasnormen und Flottenverbräuche zu erfüllen. Wer sich für einen Kleinwagen entscheidet, muss dabei keine Abstriche machen. Sicherheitsfeatures wie ABS, Airbags, aktive Kopfstützen oder automatische Notbremssysteme sind inzwischen kein Privileg der «Grossen» mehr. Mittlerweile haben diese Zutaten auch das A- und B-Segment erreicht; ESP ab Werk wird bald sogar gesetzlich vorgeschrieben sein. Selbst Optionen wie Abstands-Tempomat oder Kurvenlicht werden optional angeboten. Sparen und Spass haben ist also kein Widerspruch, wie unsere Auswahl beweist. Manche Modelle haben sogar Kult-Potential.

1 L FOR LARGE: FIAT 500L

Wenn Fiat eine 500er-Variante lanciert, geht es natürlich um Design. So war es beim Halb-Cabrio 500C oder den Abarth-Abarten und so wird es auch beim kommenden 500L sein. Dessen L in der Typenbezeichnung steht für «Large», also gross oder gedehnt, und das ist bei 410 cm Länge gerechtfertigt (500 Limousine: 354,5 cm). Der 500L ist also der Minivan in der Cinquecento-Familie und besonders schick, um gegen Trendsetter wie Mini Countryman oder Opel Meriva punkten zu können. Das sollte dem Italiener problemlos gelingen, denn er hat nicht nur Stil, sondern bietet auch viel Inhalt. Der beginnt mit einem luftigen Innenraum, der auch grosse Menschen problemlos aufnimmt. Hinter der verschiebbaren Rückbank schliesst sich ein 450 Liter grosser Kofferraum an (umgeklappt bis ca. 1500 L). Zunächst stehen vier Benziner mit zwei, drei und vier Zylindern sowie 85 bis 105 PS zur Verfügung. Nähere Details gibt es noch nicht, denn der 500L kommt erst im Herbst und dürfte dann ab geschätzten 23 500 Franken zu haben sein.

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FUTURE NOW: FORD FIESTA ECONETIC Der aktuelle, 2008 eingeführte Fiesta sieht nach wie vor sehr frisch aus. Und mit seiner jüngsten Motorisierung, einem 1,6-L-Duratorq-Turbodiesel, nimmt der 395 cm lange Kleinwagen gar für sich in Anspruch, der Sauberste aller je gebauten SerienFord zu sein. Dank Stopp-Start-System knausert der Selbstzünder mit dem Sprit; das Werk gibt nur 3,3 Liter Durchschnittsverbrauch und 87 Gramm CO2 pro Kilometer an. Die Passagiere der wahlweise mit zwei oder vier seitlichen Türen lieferbaren, Econetic II Diesel ge-nannten Sparversion müssen derweil nicht darben: 95 PS und das maximale Drehmoment von 205 Nm versprechen ordentliche Fahrleistungen und 175 km/h Spitze. Dazu kommen die saubere Verarbeitung und eine attraktive TrendAusstattung mit Fahrerknie-Airbag, ZV, Lederlenkrad oder CDRadio, kaufbar ab 24 980 Franken.

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VERLOCKUNG AUS FERNOST: KIA PICANTO

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GEHEIMTIPP? HONDA JAZZ HYBRID Vor über 15 Jahren wurde der Hybrid-Antrieb in Japan zur Serienreife gebracht. Honda gehörte damals zu den Pionieren. Seither hat die Marke viele weitere IMA-Hybriden (Integrated Motor Assist) auf den Markt gebracht; mit steigendem Volumen wird nun die Kleinwagenklasse teil-elektrifiziert. So ist der patente Jazz seit 2011 mit einem aus 1,3-L-Benzin- und Elektromotor kombinierten Antrieb zu haben. Der leistet insgesamt 102 PS (88 PS und 10 kW), und die sorgen via stufenloses CVT-Getriebe für erstaunlich flotte Fahrleistungen. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 175 km/h, der Durchschnittsverbrauch bei 4,5 Liter und die Emissionen bei 104 g/km. Das Auto überzeugt ausserdem mit viel Raum und Rundumsicht. Dazu verfügt es über Rücksitze, die sich auch hochklappen lassen und so Platz für Sperriges schaffen. Seit Markteinführung wurden weltweit schon über 140 000 Exemplare verkauft, allein in der Schweiz waren es über 1800. So geheim ist der Jazz Hybrid also gar nicht mehr; die Preise starten bei fairen 25 000 Franken.

Mit immer besseren Autos und vergleichsweise niedrigen Komplettpreisen lernen die koreanischen Hersteller Hyundai und Kia ihre europäischen Wettbewerber das Fürchten. Längst ist das Asia-Styling einer auch für unsere Sehgewohnheiten attraktiven Optik gewichen. Bei Kia verantwortet gar Ex-Audi-Designer Peter Schreyer die Linienführung. Entsprechend gut sieht auch der neue Picanto aus: Der 359,5 cm lange Fünfplätzer ist für Stadt- und Nahverkehr konzipiert, erträgt mit seinem guten Fahrwerk aber auch längere Strecken. Empfehlung: der 1.2 CVVTBenziner mit ausreichenden 85 PS und 121 Nm. Damit läuft der circa 900 Kilo leichte Koreaner 171 km/h Spitze; sein Drittelverbrauch beträgt in der Version mit manuellem Schaltgetriebe nur 4,3 Liter, die CO2-Emissionen liegen bei 100 g/km. Während die Preise für die 69 PS starke Picanto-Basis bei 14 650 Franken beginnen, ist man mit dem 1.2 ab 16 950 Franken dabei.

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SEX AND THE CITY: LANCIA YPSILON

Armani. Gucci. Prada. Oder Ypsilon. Der italienische Kleinwagen will mindestens so schick sein wie die genannten Mode-Label. Seit 1985 auf dem Markt (damals noch unter der Bezeichnung Y10 und kecke 339 cm kurz), hört er immer noch auf den vorletzten Buchstaben des Alphabets, und der ist griechischer Herkunft. 2011 wurde nun die vierte Generation unter der Bezeichnung «Nuova Ypsilon» eingeführt; der ist elegante 384 cm lang und kommt erstmals mit fünf Türen.

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Für Vortrieb sorgen effiziente Benzin- und Dieselmotoren mit 69 bis 95 PS; die Verbräuche reichen von 3,8 bis maximal 4,9 Liter (CO2: 97 bis 115 g/km). In der Topversion schwingt sich der Ypsilon zu 183 km/h auf; geschaltet wird manuell oder automatisiert. Wie gewohnt offeriert der Stadtfloh eine besonders individuelle Ausstattung und verfeinerte Materialien. Bei der Anschaffung dürfen es also ein paar Rappen mehr sein; die Preise beginnen bei 17 990 Franken.

6 JUNG-LÖWE: PEUGEOT 208

Kleinwagen sind die angestammte Domäne von Peugeot: Kein anderer Hersteller hat in den letzten drei Jahrzehnten so viele von ihnen produziert wie der französische Hersteller – 15 Millionen Einheiten. Der Bestseller 205 (1983– 98) sicherte der Marke gar das Überleben. Entsprechend hoch sind jetzt die Erwartungen beim 396 cm langen 208, der verlorenes Terrain wieder gutmachen muss, auf einer nagelneuen Plattform steht und seit kurzem auch beim Händler. Nicht weniger als die Marktführerschaft im B-Segment hat Peugeot mit dem Modell im Sinn, und das mit ungewöhnlichen Methoden. Denn der Wagen ist trotz grösserem Innen- und Kofferraum ganze sieben Zentimeter kürzer und bis zu 170 kg (!) leichter als sein Vorgänger 207. Weil der relativ mässig erfolgreich war, schlägt der 208 auch optisch neue Töne an – mit knuffigen Karosserieformen zum Beispiel oder seinem speziellen CockpitLayout. Für flotten Vortrieb sorgen saubere Motoren mit 68 bis 156 PS; die Preise starten bei 16 500 Franken. Spritsparvorschlag: der 1,2-Liter-Dreizylinder-Benziner VTi mit 82 PS und 4,5 Liter Durchschnittsverbrauch (CO2 104 g/km), den es ab 19 950 Franken gibt.


SHOWROOM

MULTITALENT: VOLKSWAGEN UP

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Der dreitürige Up ist noch kein halbes Jahr auf dem Markt, da schiebt Volkswagen mit dem ebenfalls 354 Zentimeter kurzen Fünftürer schon die zweite Version des im slowakischen Bratislava gebauten Kleinwagens hinterher. Dabei soll es nicht bleiben. Der Eco-Up oder ein sportlicher GT werden sicher folgen, denn schon jetzt steht fest: Der Kleine hat das Zeug, ein ganz Grosser zu werden. Die Technik mit aktuell 60 und 75 PS aus je drei Zylindern

Skoda Citigo (oben) und Seat Mii (re.) unterscheiden sich vom Up in Ausstattung, Bug- und Heckpartie sowie der Seitenfensterlinie

ist attraktiv, die Preise ab 15 750 Franken sind es auch und die Auftragsbücher entsprechend voll. Das sommerliche Konzept Azzurra Up (Fotos oben) bleibt wohl leider Träumerei, doch die Strand-Studie Buggy Up mit Allradantrieb wird ernsthaft diskutiert. Bleibt nur noch zu sagen: Daumen up! Wer es besonders günstig liebt, dem bieten sich im Skoda Citigo (ab Fr. 12 110.–) oder dem Seat Mii (ab Fr. 14 750.–) zwei baugleiche Alternativen.



LEINEN LOS

DIE MAGIE DES

SEGELNS HIGH FIDELITY ZUR SEE: GROSSE FLUCHTEN AUS DEM ALLTÄGLICHEN Text Erdmann Braschos · Fotos Carlo Borlenghi, Ernst Klaus, Toni Meneguzzo, Franco Page, Cory Silken, Hans Westerink, Werk

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Oben: Die 45 Meter lange Wally «Saudade» erhielt ein grosses permanentes Sonnendach (Bimini) in formschöner Ausführung. Unten: Nach achtern gepfeilte Salinge vereinfachen das Handling des langen Karbonmastes. Bei Yachten dieser Kategorie werden heute Haltedrähte aus ultraleichten Faserkabeln verwendet – statt der bisher üblichen Edelstahlstränge


LEINEN LOS

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inem archaischen, bereits in der Bibel erwähnten Brauch zufolge soll man ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und eine Familie gründen. Sind diese Ziele erreicht, schweift der Blick zu weiten Horizonten hinaus aufs Meer. Es ist ein tief sitzendes, ein archetypisches Bedürfnis abzulegen, um auf eigenem Kiel entlegene Küsten anzusteuern. Dazu, für komfortable, sichere und schnelle Meeresreisen, braucht man eine gescheite Yacht. Und wenn sich der stolze Eigner am Strand der fernen Ankerbucht oder im Hafen mal umdreht und er zurückschaut zur eigenen Arche, soll der Anblick ringsum erfreulich sein. Mehr noch als das Auto drückt die Yacht Erfolg, Individualität und Geschmack aus. Ablegen, mit der Familie oder Freunden die Leinen zu einer langen Reise, vielleicht sogar zu einer Weltumseglung loswerfen, das ist ein gern gehegter Traum. Wer denkt nicht über eine berufliche Auszeit, das Sabbatical nach, das durchaus länger als das berühmte eine Jahr geraten kann? Jost Stollmann hat diesen Traum nicht bloss geträumt und ihn irgendwann wie einen farbenfrohen Segelkalender daheim an den Nagel gehängt. Der Vorzeigeunternehmer, der nach dem Verkauf seiner Firma CompuNet Hart am Wind: Die Crew hat auf der Regattabahn alle Hände voll zu tun


LEINEN LOS

«Sobald Sie ein Boot betreten, befinden Sie sich in einer anderen Welt», sagt der in Monaco lebende Schweizer Ernst Klaus

anstelle eines vorübergehend erwogenen Gastspiels in der Politik bei der angesehenen bremischen Werft «Abeking & Rasmussen» die 40 Meter lange «Alithia» (Baujahr 2001) aus Aluminium für eine Weltreise schweissen liess, segelte mit seiner sechsköpfigen Familie und begleitet von Privatlehrern für die Kinder und einer Mannschaft fürs Boot zwei Jahre um die Welt. Angetrieben vom stetigen Passatwind querte der bis zu 17 Knoten (31,5 km/h) schnelle «ocean greyhound» den Atlantik in gerade mal zehn Tagen. «Ich finde es reizvoller, Träume zu leben, als sie zu träumen», sagt Stollmann, der unterwegs eine neue berufliche Herausforderung und im australischen Sydney auch eine neue Heimat fand. Dass es eine moderne und schnelle, für sämtliche Eventualitäten ausgerüstete grosse Sonderanfertigung mit einigen Finessen sein kann, aber nicht unbedingt muss, zeigt der vergleichsweise filigrane klassische Zweimaster «Kentra», Baujahr 1923. Die an Deck etwa 26 Meter lange Holzyacht kaufte der in Monaco lebende Schweizer Ernst Klaus als morsches Gebälk. Er liess sie in 45 000 (!) Handwerkerstunden vom Southamptoner Klassiker-Spezialisten Fairlie Restorations in eine weithin bewunderte Yacht-Antiquität verwandeln. Nach Erkundung der schottischen und irischen

Gewässer, Ansteuerung reizvoller Küsten wie der Bretagne, Spaniens oder Südfrankreichs wurden Inseln wie Sardinien, Elba oder der Ägäis angesteuert. Dann war das Ehepaar bereit zu seiner Odyssee auf dem «erlösend tiefen Blau», wie der deutsche Schriftsteller Gottfried Benn einmal das Meer genannt hat. «Sobald Sie ein Boot betreten, befinden Sie sich in einer anderen Welt», sagt Klaus. «Meist reicht für diese Verwandlung ein verblüffend kleiner Abstand zum Land. Sie funktioniert also überall. Segeln ist magisch, und nirgendwo ist die Magie grösser als auf einer klassischen Yacht», schwärmt der auf den stilvollen Segeltörn abonnierte Hochseesegler. «Viele Leute können sich vermutlich gar nicht vorstellen, wie komfortabel man auf einer klassischen Yacht lebt. Die Bewegungen solch eines traditionell gebauten, V-förmigen Rumpfes auf See sind angenehm. Sie sind weich und berechenbar. Wenn man wochenlang unterwegs ist, wird das zum entscheidenden Gesichtspunkt.» Der Hamburger Admiral’s-Cup-Veteran Hans-Otto Schümann nahm 13 Mal an dieser inoffiziellen Weltmeisterschaft im Hochseesegeln teil und gewann sie mit seinen Hightech-Rennyachten

Ocean Greyhound: Die «Alithia» von Jost Stollmann ist eine Sonderanfertigung in Aluminium für den grossen Törn


namens «Rubin» dreimal. Der Vaseline-Fabrikant und Nestor des deutschen Grand-Prix-Segelns verblüffte vor einigen Jahren, als er in seiner zurückhaltenden Art das eigentliche Privileg des Seglers schilderte, nämlich den Anblick des nächtlichen Sternenhimmels in unglaublicher Prägnanz. Dieses von Lichtquellen der Zivilisation ungestörte Erlebnis werde nur vom Sonnenaufgang auf See getoppt. Nun ist es nicht jedermanns Sache, Ozeane zu überqueren. Sei es, weil die berufliche Beanspruchung und das Familienleben für solche Ausstiege keine Gelegenheit lassen. Sei es, weil die Ehefrau nicht so viel Begeisterung für das Metier entwickelt oder jemandem auf See schlecht wird. Das hinderte beispielsweise Herbert von Karajan nicht daran, mit seiner Maxi-Rennyacht «Helisara IV» in der Nähe seines Ferienhauses durch den Golf von Saint-Tropez zu pflügen, soweit ihm seine Dirigentenkarriere dazu Zeit liess. Es bedeutete dem Maestro viel, der Konkurrenz den Notenschlüssel auf dem Heck seiner Yacht zu zeigen. Die Adrenalin-intensive Teilnahme an einer Regatta ist die gründlichste Art, einmal komplett abzuschalten und die Agenda des Alltags zu vergessen. Sie ist die Dur-Tonart der Magie des Segelns.

Die «Kentra» – mit Charme und Stil zu fernen Küsten

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LEINEN LOS

Die «Uca» von Klaus Murmann – aufgeräumte Alta Moda aus Mailand zum relaxten Daysailing wie hier auf der Kieler Förde. Ein Tastenfeld in der Steuerradnabe und wenige Strippen machen die Bedienung so einfach wie bei einem Segelschulboot

Wer für den intensiven Segelgenuss nicht so viel Mannschaft an Deck herumscheuchen mag, wie ansonsten im Orchestergraben sitzt, entscheidet sich für eine moderne Yacht der Marke Wally oder vielleicht die Brenta 60: Diese segelnde «Alda Moda» ist so konzipiert, dass sie sich allein oder zu zweit beherrschen lässt. Dienstbare Geister und helfende Hände werden eigentlich nur beim Manövrieren und Vertäuen solcher mittelgrossen bis grossen Yachten der 18- bis 30-Meter-Kategorie gebraucht. Leise surrende hydraulische Zylinder oder unter Deck versteckte WinschAutomaten zum Dichtholen und Verstauen des Tauwerks erledigen das Segelsetzen und Trimmen auf Knopfdruck. Der schleswig-holsteinische Fabrikant Dr. Klaus Murmann bedient seine über 18 Meter lange «Uca» grossenteils über etwa bierdeckelgrosse Tastenfelder, die diskret auf den Naben der beiden Steuerräder angebracht sind. Der verblüffend schlichte Silberpfeil hat so wenige Strippen wie ein Segelschulboot. Selbst die Beschläge zum Vertäuen des Bootes am Bug sind unter Deck versteckt. Der versierte Regatta- und Genusssegler Murmann, der auf eine Armada verschiedener Rennyachten zurückblickt, freut sich wie ein Kind an seiner Sonderanfertigung der Kieler KnierimWerft. «Herrlich, wie sie durch die Wellen geht. Ich habe schon einige Boote gesegelt, aber so eins noch nicht», fasst er begeistert zusammen. Die richtigen Knöpfe drücken und gucken, was passiert, macht auch an Bord Spass. Unter Deck wirkt dieses segelnde iPhone wie eine moderne Arztpraxis oder Jil-Sander-Boutique. Der Entwurf des mailändischen 062 VECTURA #3

«Ethereal»: Hightech im traditionellen Gewand. Dieser Royal-HuismanZweimaster punktet mit intelligenter Energienutzung und -gewinnung


Yacht-Architekten Luca Brenta ist ziemlich netto. Es gibt weisse Hängeschränke und helle Alcantara-Paneele der Kajütdachverkleidung über weissem Corian der Pantry-Arbeitsplatten. Einzig der Fussboden ist in dunkelbraunem Wengé-Holz gehalten. Noch weiter wurde der Purismus bei der Vorgängerin der «Uca» getrieben. Diese Brenta 60 heisst «Almost Nothing», gehört ebenfalls einem deutschen Eigner und liegt in Sardinien. Sie wurde schlicht weiss gemäss der Farbnorm RAL 9010 eingerichtet – und zwar abwechselnd mit glänzenden oder matten Oberflächen. Es versteht sich von selbst, dass es mit solch einem konzeptionell leichten und yachtbaulich anspruchsvollen Hightech-Boot mit grossem Ballastanteil am Ende der tiefen Kielflosse zur Sache geht wie mit einem generös motorisierten Sportwagen.

Die «Hyperion» war vorübergehend die grösste einmastige Segelyacht der Welt und soll damals 19 Millionen Euro gekostet haben

Angesichts der über 2,6 Millionen Franken für diese High Fidelity zur See ist es tröstlich, dass es den coolen Brenta Daysailor auch als kleineres Modell von knapp neun bis 16 Meter Länge gibt. Übrigens ist die Faszination des so genannten «no-nonsense»Daysailors, mit dem man einige köstliche Stunden verbringt, keineswegs neu. Der «Trend» ist ungefähr hundert Jahre alt. Früher wurden solche Segelspassmaschinen ihrer Nutzung entsprechend schlicht und ergreifend Nachmittagsboot genannt. Die klassische und schweizerische Variante dieses Vergnügens entwarf Ende der dreissiger Jahre der Genfer Ingenieur Henri Copponex als «Lacustre». Das hübsche Boot mit dem Kleeblatt im Grosssegel ist ein Evergreen eidgenössischer Seen. SOMMER 2012 063


Beinahe so schön, wie zur grossen Seereise das Weite zu suchen oder ab und zu mal für eine kleine Spritztour die Segel zu setzen, ist es, über das nächste Boot nachzudenken und es zu bauen. Der kalifornische Software-Kaufmann Jim Clark hat es dabei 1998 zur 47 Meter langen «Hyperion», 2004 zum 90-Meter-Dreimaster «Athena» und 2009 zum 40-Meter-Renner «Hanuman» gebracht. «Hyperion» war vorübergehend die grösste einmastige Segelyacht der Welt und soll damals 19 Millionen Euro gekostet haben. Clarks vorerst letzte Yacht ist eine Replik des America’s-Cup-Herausforderers «Endeavour II». Damit unterlag der englische Flugzeugfabrikant Sopwith 1937 vor Newport der «Ranger» von Harold Vanderbilt. In dieser exklusiven Bootsklasse, der sogenannten J-Class, wo nur restaurierte Exemplare oder Repliken akzeptiert sind, werden gerade die letzten Slots vergeben. Der Claim der holländischen Traumschiff-Manufaktur «Royal Huisman» ist dabei so einfach wie bestechend: «If you can dream it, we can build it.» Das Budget einer J-Class aus dieser Werft liegt bei 20 Millionen Euro. 064 VECTURA #3


LEINEN LOS

«Endeavour II»-Replik: Die «Hanuman» ist stilecht bis ins Detail, wie man zum Beispiel am exponierten Deck-Steuerstand sehen kann. Jom Clarks vorerst letzter Yachtbau ist zugleich Rennyacht und Vintage America’s Cupper für die schönsten Segelreviere der Welt

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LEINEN LOS

Die «Athena» ist ein Dreimaster mit der Anmutung eines historischen Dampfers. So sahen Yachten des späten 19. Jahrhunderts aus – mit Klüverbaum, überdachten Seitendecks und vertäfelter Brücke

066 VECTURA #3


Der Claim der holländischen Traumschiff-Manufaktur Royal Huisman ist so einfach wie bestechend: «If you can dream it, we can build it»

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LEINEN LOS

Innovativer Leichtbau mit klassischen Linien: Die im Sommer 2011 aufgetakelte «Hetairos» der finnischen Baltic Werft ist ein yachtbaulicher Meilenstein, ganze 67 Meter lang und dabei nur 230 Tonnen schwer

Die Werft schob 2009 auch den 58 Meter langen Blauwassersegler «Ethereal» aus der Halle, der mit verblüffend leisem und vibrationsarmem Betrieb der Generatoren, einem dieselelektrischen Hybridantrieb mit zwei jeweils 715 PS starken CaterpillarMaschinen punktet. Verbrauchsreduktion und clevere Energieausbeute reduzieren die bordeigene Energiebilanz. Die beiden vierblättrigen Wärtsilä-Wasserschaufeln der Verstellpropeller dienen bei gutem Wind als Stromerzeuger. Der Fahrtverlust von 1,5 Knoten wird angesichts 17 Knoten Reisetempo in Kauf genommen. Solche Kompromisse ging der Wahlschweizer Peter Happel mit seinem wegweisenden, etwa halb so schweren 67-Meter-Renner «Hetairos» nicht ein. Bei diesem yachtbaulichen Meilenstein verschwinden die Propeller beim Segeln hinter bündig mit dem Rumpf abschliessenden Klappen wie ein Flugzeugfahrwerk. Vier VW-Marine-TDI-Schiffsdiesel vom Typ 350-8 liefern die Power –

Geschäftsmodell für Gleichgesinnte: Die Swan 66 «Lionessa» gehört einer Eignergemeinschaft

unter anderem zum hydraulischen Anheben des 86 Tonnen schweren Hubkiels. Mit ihm lässt sich der Tiefgang von neun auf 3,5 Meter reduzieren. Da ist dann das bärenstarke Drehmoment der marinisierten 350-PS-Achtzylinder gefragt, wie sie ansonsten als ganze 370 Kilo schwere 4,2-L-Maschine in Audi-Modellen zum Einsatz kommt. So weit wurde dieses Thema bislang nicht getrieben. Vorsprung durch Technik zählt eben auch auf dem Wasser. So cool und rasant, so antiquiert und elegant, so anspruchsvoll und schnell, aber leider auch so unerreichbar solche Traumschiffe nach dem heutigen Stand der Technik erscheinen mögen: Tröstlich ist, dass man zwar so gross und kostspielig auftakeln kann, aber nicht muss. Mit einem der Überholung gewidmeten Budget einer gebraucht gekauften Yacht kann man auch ablegen. Oder man teilt Freud und Leid, Kosten und Nutzung des Schiffes mit einem Partner. Letzteres hat der finnische Geschäftsmann Berndt


NICHT NUR ZUM MANÖVRIEREN: KRAFT AUS VIER UND MEHR ZYLINDERN

Die Vision 46 der süddeutschen Bavaria-Werft punktet mit einem interessanten Preis und cleverer Raumnutzung

Brunow gemacht, als er mit einem langjährigen Freund eine werftneue Swan 66 übernahm. Die ausgereiften, gediegenen und entsprechend wertbeständigen Erzeugnisse der Nautor-Werft in Finnland gelten als Mercedes zur See. Ein fest angestellter Bootsmann betreut und pflegt die zu schönen Revieren der Welt überführte «Lionessa». Wenn die Eignerfamilien das Boot selbst nicht nutzen, ist es mit zahlenden Gästen unterwegs. Wozu hundert Prozent zahlen und obendrauf die erheblichen Betriebskosten (etwa zehn Prozent des Neupreises jährlich) bestreiten, wenn man das Boot allenfalls gelegentlich nutzt? Übrigens bauen Grossserienhersteller wie Bavaria, Beneteau oder Hanse auch komfortable und zeitgemässe Yachten für Realisten, die bereits ein Haus gebaut, den Baum gepflanzt und eine Familie gegründet haben und nun den archaischen Traum von der eigenen Segelyacht leben möchten.

Flotte Fortbewegung mit Windkraft ist ein erhabenes Gefühl. Doch bei Flaute sind Motoren gefragt. Herkömmliche Einbaumaschinen (aus Sicherheitsgründen durchweg Diesel) punkten als marinisierte Industrietriebwerke mit robuster Bauweise und grosser Zuverlässigkeit, sind aber leider schwer. Zum Glück hat sich da in den vergangenen Jahren einiges getan. Die Einbaudiesel sind kompakter, leichter und wartungsfreundlicher geworden. Der beispielsweise seit 2008 gebaute Volvo Penta D2-40F mit 1,5 L Hubraum bietet bei 3200/min annähernd 40 PS und läuft als Vierzylinder sehr ruhig. Die für ein immerhin gut acht Tonnen schweres Tourenboot geeignete Maschine wiegt mit 200 kg etwa zwei Drittel vergleichbarer Vorgängermodelle (merke: schwerere Boote sind mit stärkeren Motoren unterwegs, Faustformel 3 bis 5 PS pro Tonne Verdrängung). Interessant und sehr beliebt an Bord sind auch die leichten Yanmar-Motoren. Leider hat VW Marine seinen vielbeachteten Einstieg in die Bootsbranche Anfang 2011 wieder aufgegeben. Die seit 2003 gebauten Aggregate sind übrigens weiterhin als Cummins MerCruiser Diesel (CMD) erhältlich. Laufruhe und Wartungsfreundlichkeit machen die nach wie vor im deutschen Salzgitter gefertigten Antriebsquellen interessant. Für die hochmoderne, aus dem Auto adaptierte BootsmotorenTechnologie spricht ihre clevere Steuerung und zeitgemässe Common-Rail-Hochdruckeinspritzung. Dagegen sprechen die üblicherweise langen Standzeiten in der Segelyacht und ein unregelmässiger sowie kurzer Betrieb – aus dem Hafen raus und abends wieder rein. Da wird die Maschine kaum warm. Die meisten Bootsdiesel stehen sich kaputt. Daher haben für Gelegenheitssegler und Freizeitskipper in schönen Revieren wie Mittelmeer oder Karibik robuste und gängige, dem ortsansässigen Mechaniker verständliche Motoren und ein grosses Händlernetz mit internationaler Ersatzeilversorgung Vorrang. Für Technikliebhaber sei noch ein interessanter Exot unter den Automotoren zur See erwähnt: der Dreizylinder-Diesel CDI OM 660 aus dem Smart liefert 40 PS bei ganzen 125 kg Gewicht. Dank seiner interessanten Drehmomentkurve ist bei zahm gegebenem Gas (1700/min) weniger die Maschine selbst als das durch die Bordwand plätschernde Kühlwasser zu hören.

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FAHRTERMIN

DAS HÄSSLICHE ENTLEIN EIN JUNGER SCHWAN WIRD IM ENGLISCHEN «CYGNET» GENANNT. AUSGERECHNET SO HAT ASTON MARTIN SEIN STADTMOBIL GETAUFT UND WIR UNTERSTELLEN, DASS ES MIT BRITISCHEM HUMOR GESCHAH. DENN ANDERS IST DIESER AUF DEM TOYOTA IQ BASIERTE KLEINSTWAGEN KAUM ZU ERKLÄREN – NICHT MAL IN DER EXKLUSIVEN «Q»-AUSFÜHRUNG Text Matthias Pfannmüller · Fotos Ian G.C. White

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einahe grimmig steht er da mit seinem breiten Kühlergrill, ist aber keine drei Meter lang: Einem Aston Martin Cygnet sehen viele nach. Doch ist es Bewunderung oder Sprachlosigkeit? Gelegentlich sind Lacher zu vernehmen. Tatsache ist: Hinter der in reiner Handarbeit aufwändig adaptierten Aston-Optik und dem stolzen Markenlogo mit dem klassischen Flügelmotiv verbirgt sich 1:1 ein Toyota iQ in der 98-PS-Serienversion, die bei technisch unangetasteter Ausstattung und identischen Fahrleistungen ganze 27 610 Franken weniger kostet. Der Cygnet richtet sich ganz offenbar an Leute, für die Geld keine Rolex spielt, und dagegen ist nichts einzuwenden. Der Clou liegt laut Hersteller in den Individualisierungsmöglichkeiten. Kunden können sich jede nur erdenkliche Lackfarbe anmischen lassen oder zwischen 25 Ledertönen auswählen – gegen Aufpreis, versteht sich. Damit hat es sich aber auch schon, und weil das so ist, versuchte Aston Martin schon zum Verkaufsstart im Frühling 2011, die Exklusivität mit einer speziell ausstaffierten «Launch Edition» zu steigern.

Firmenchef Ulrich Bez entzieht die ihm vor zwölf Jahren anvertraute Traditionsmarke gerne jeder Kritik, indem er sinngemäss sagt, Aston Martin sei eigentlich kein reiner Autohersteller mehr, sondern ein Luxusanbieter. Wir unterstellen Aston-Käufern derweil, dass sie die Markengeschichte kennen und auch etwas von Fahrdynamik verstehen. Der Cygnet ist da eine Enttäuschung, er ist sogar eine besonders dreiste Form von Badge Engineering – und dabei im Grunde genommen eine Verzweiflungstat. Hintergrund sind die sich immer weiter verschärfenden Abgasnormen in Europa und den Vereinigten Staaten. Solche Vorgaben sind von einem Hersteller, der ausschliesslich hubraumstarke Supersportler produziert, nicht erfüllbar: Ein V8 Vantage, mit seinen 426 PS und 470 Nm aus einem 4,7-L-V8 das schwächste Modell im Portfolio, emittiert 295 Gramm CO2 pro Kilometer. Das Topmodell One-77 (siehe Fahrbericht in VECTURA #1), dessen 7,3-L-V12 sagenhafte 760 PS und 750 Nm stark ist, gibt auf der gleichen Distanz über ein halbes Kilo von sich. Verbrauchs- und abgasmindernde Lösungen wie Hybridantrieb, ein StoppSOMMER 2012 073


FAHRTERMIN

Rapide-Beiboot: Der Cygnet ist in erster Linie ein Abgas-Argument für den Gesetzgeber

Start-System oder Zylinderabschaltung sucht man bei Aston Martin vergeblich – für solche teuren Technik-Delikatessen ist die Marke schlichtweg zu klein. Man darf davon ausgehen, dass Bez, der das Haus aus einer Sackgasse zu neuer Blüte brachte, in den letzten Jahren unter seiner Führung noch einen Motorenlieferanten finden wird – mit moderneren Aggregaten, die dazu in der Lage sind. Sicher ist das aber nicht. Ad interim muss ergo der aufgepeppte Toyota – ab 2013 soll es ihn auch mit 47-kW-Elektroantrieb geben – das ehrenwerte Brit-Label durch die kommenden Emissionsgrenzen tragen, indem er dessen Flottenverbrauch auf ein vertretbares Mass reduziert – dank Cygnet kann Aston Martin 074 VECTURA #3

einen erstaunlichen Durchschnitt von 159 Gramm pro Kilometer aufrufen. Das lässt weniger Zweifel an der Marke als an der Gesetzgebung aufkommen: Wer kommende CO2-Vorgaben erreichen will, muss einfach noch mehr Autos bauen. Ohne jene absurde Regelung würde es den Cygnet niemals geben. Vor diesem Hintergrund fällt es schwer, dem offiziell als Viersitzer deklarierten Winzling etwas Ernsthaftes abzugewinnen. Wir haben es trotzdem versucht und uns den «Q» ausgeliehen – so nennt sich die vorerst jüngste, auf dem letzten Genfer Salon vorgestellte Spielart, deren Name sich aus den Begriffen «quality» und


«unique» ableitet. «Q by Aston Martin» ist auf sämtliche Baureihen anwendbar und ein neues Individualisierungsprogramm für alle, denen die bisherigen Individualisierungsmöglichkeiten nicht individuell genug waren. Und wem das immer noch nicht genügt, dem bieten die Aston-Kreativen auch bei der Ausgestaltung von Haus oder Boot ihre Hilfe an. Der in «Cherry Tree Raspberry» (Kirschbaum-Himbeer) lackierte Muster-Cygnet ist mit entsprechenden Plaketten und «deep soft finish»-Lederpolstern in «Kestrel Tan» (Turmfalken-Braun) dekoriert. Die Nähte an Sitzen und Kopfstützen weisen besondere Verzierungen aus dem Schuhhandwerk auf und werden nur im «Q»-Programm angeboten. Der Gipfel sind

jedoch die mit Lammwolle gefüllten Sattelleder-Fussmatten, auf denen man so weich abrollt wie sonst nur im Rolls-Royce. On top gibt es ein extra angefertigtes Brompton-Klapprad, welches man uns beim Fahrtest allerdings vorenthielt. Der «Q» ist ebenso spleenig wie hübsch gemacht, kann aber nicht über seinen japanischen Ursprung hinwegtäuschen. Als besondere Dreingabe finden sich drei knallpinke Ledertaschen, die Augenschmerzen verursachen und an die vorletzte H&M-Kollektion erinnern. Einen verbindlichen Richtpreis für das gepimpte Abgas-Feigenblatt nennt Aston nicht – das käme natürlich ganz auf den SOMMER 2012 075


Foto-Leder mit frei wählbaren Motiven an Türen und Dachhimmel: Selig ist, wer solche Sorgen hat. Dennoch, der «Q» wirkt slightly over-done


FAHRTERMIN

SOMMER 2012 077


TECHNISCHE DATEN ASTON MARTIN CYGNET Konzept Veredelter Kleinstwagen mit vier Sitzen (3+1) auf Basis des technisch unveränderten Toyota iQ. Nur als Benziner mit Frontantrieb zu haben; wahlweise Handschaltung oder CVT Motor Code 1NR-FE. V. quer eingeb. Alu-Vierzylinder, 16 Ventile, zwei oben lieg. Nockenwellen (VVT), Saugrohreinspritzung, Stopp-Start-System (nur in Verbindung mit Schaltgetriebe) Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

1329 72,5 x 80,5 11,5:1 98 (72) @ 6000 125 @ 4400 M6 (Option: CVT)

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder

299/168/150 200 148/146 175/60 R 16 auf 5,5 J

Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS

32 30–240 988 k.A. 9,5

0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

11,8 (11,6) 170

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

5,0 (5,2) 116 (120) B (C) 49 440.–

*

gemessen nach NEFZ, Neuer Europäischer Fahrzyklus

«Wo ist dein schicker Citroën geblieben?», fragt Tammy ihre Freundin. «Den habe ich wieder verkauft», antwortet Andrea, «und du?» «Ich fahre immer noch Polo.»


FAHRTERMIN

Noblesse N'oblige: Trotz (oder gerade wegen) seiner zweifelhaften DNA haben wir den Aston-Zwerg vor einer lupenreinen Kulisse abgelichtet, die zu besichtigen sich lohnt (www.schloss-oberdiessbach.ch)

vom Kunden gewünschten Individualisierungsumfang an, heisst es. Das Vorführmodell kommt brutto auf 45 000 Pfund, also knapp 70 000 Franken. Interessenten werden wahrscheinlich persönlich kontaktiert und per Seelenmassage schonend auf die finanzielle Forderung vorbereitet. Möglicherweise wäre ein solcher Anruf der emotionale Höhepunkt der ganzen Transaktion. In Bewegung ist der Cygnet jedenfalls weniger bewegend. Das beginnt mit seinem Aston-unwürdigen Sound und endet mit der für Aston-Verhältnisse endlos langen Beschleunigungsphase auf Schweizer Autobahn-Tempo. Die Schaltvorgänge in der optionalen Automatikversion sind angenehmerweise kaum zu spüren. Schnell aufgezählt haben wir auch die restlichen smarten Vorteile – kleiner Wendekreis, keine Probleme bei der Parkplatzsuche. Aber braucht es dafür einen als Aston verkleideten Japaner? Ursprünglich hiess es, der Cygnet könne nur von Leuten gekauft werden, die schon einen anderen Aston in der Garage haben. Als Beiboot für die Stadt, sozusagen. Das Interesse war aber offenbar zu schwach, und so kamen auch Eigner gemeiner Fremdmarken in den zweifelhaften Genuss, einen Cygnet ordern zu dürfen. Ob sich dessen Absatz damit multipliziert, bleibt Astons Geheimnis: Verkaufszahlen will man nicht nennen, weist aber darauf hin, dass der Cygnet nur auf Bestellung gebaut wird. Für ganz Eilige findet sich im Internet ein reichhaltiges Occasionsangebot mit vielen Händlerfahrzeugen. VECTURA-Verdikt: Wenn es unbedingt dieses Vehikel sein soll, empfehlen wir das Original – den Toyota iQ. Er fährt sich genau gleich, ist dabei wesentlich günstiger und gibt vor allen Dingen nicht vor, kein Toyota zu sein. So sorry, dear little friend.

Wenn es dagegen ein echter Aston Martin werden darf, also ein Auto von Rasse und Klasse, möchten wir höflich auf einen gebrauchten V8 Vantage hinweisen, der aus erster Hand mittlerweile für das gleiche Geld angeboten wird. Eine dankbare Alternative ist natürlich auch ein fabrikneuer Rapide: Er ist zwar um ein Vielfaches teurer und zwei Meter länger als das hässliche Entlein, dafür aber richtig stark und auch viel schöner. Ausserdem hat er Platz für vier plus Gepäck, womit sich der Pro-Kopf-Durchschnittsverbrauch von insgesamt 14,9 Liter auf schlanke 3,7 L vierteln lässt. Mehr ist in diesem Fall also eindeutig mehr und hinterlässt – auch das könnte ein Argument sein – bei Damen einen ernsthaften, positiveren Eindruck. Als belohnende Investition sei kurz vor Schluss der auf 150 Exemplare limitierte V12 Zagato zu nennen, der Mitte Jahr auf betuchte Sammler losgelassen und dort seinen Weg machen wird. Abschliessend bleibt zu hoffen, dass dessen anglo-japanischer Stiefbruder der eleganten, von uns nach wie vor heiss geliebten Marke Aston Martin keinen bleibenden Imageschaden zufügt. Mit dem Hinweis auf wichtig wachsende Absatzmärkte in Arabien, Asien oder Russland sollte man heute schliesslich nicht alles rechtfertigen dürfen.

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SOMMER 2012 079


PERSPEKTIVE

SPORTWAGEN

2020

WENN SPASSAUTOS GESELLSCHAFTSFÄHIG BLEIBEN MÖCHTEN, SIND LEICHTBAU UND ALTERNATIVE ANTRIEBE UNERLÄSSLICH. DIE HERSTELLER EXPERIMENTIEREN ZURZEIT MIT VIELEN VERSCHIEDENEN KONZEPTEN – WIR STELLEN SIE VOR Text Roland Löwisch · Fotos Werk

D

a staunt die Welt: 1200 PS aus einem Achtliter-Sechzehnzylindermotor, 1,9 Tonnen Gewicht und als Laborwert die Werksangabe eines durchschnittlichen Spritverbrauchs von fast 26 Liter Super auf 100 Kilometer – das sind die Eckdaten des stärksten und teuersten Seriensportwagens, der im Jahr 2012 zu haben ist. Beim Bugatti Veyron 16.4 Super Sport kann einem immer noch die Kinnlade herunterklappen. Dies nicht nur wegen der Daten, sondern auch wegen der Erkenntnis, dass verschwenderische Verbrenner bald nicht mehr zeitgemäss sind. Denn eines steht fest: So kann es nicht weitergehen. Sollen Sportwagen in Zukunft noch eine Chance und Berechtigung haben, werden sie nicht vorbeikommen an Elektroantrieb oder der Kombination von Strom- und Verbrennungsmotoren. Viele Hersteller arbeiten bereits an Konzepten – allerdings sind diese alles andere als einheitlich. Das beginnt bei der Anzahl der E-Herzen pro Auto und macht auch vor der Art des Verbrennungsmotors nicht Halt. Einfach elektrisch Mit einem einzigen Elektromotor fing 2008 die Revolution im Seriensportwagenbau an: Als Pionier gilt der Tesla Roadster. Der pure Elektrosportler – das Chassis basiert auf dem Lotus Elise – ist mit einem 215 kW* und 370 Nm starken E-Motor ausgerüstet, der von 6381 Lithium-Ionen-Akkus (ursprünglich Laptop-Batterien) gefüttert wird. Das Gesamtpaket wiegt satte 450 Kilo. Muss es ausgetauscht werden, sind rund 12 000 Franken fällig. Nur dreieinhalb Stunden dauert der Aufladeprozess, gemeinsam mit der Rekuperation (Energierückgewinnung zum Beispiel beim Bremsen) sollen theoretisch 400 Kilometer Reichweite möglich sein. Allerdings werden nur noch etwa 200 Stück des je rund 120 000 Franken teuren und 1240 Kilo leichten E-Sportlers gebaut, dann ist das angekündigte Limit von 2500 Stück erreicht. Schade eigentlich: Denn ist die Akku-Lösung auch nicht optimal, fährt sich der Tesla dank sofort anstehendem Drehmoment und fehlendem Getriebe agiler als die meisten rein benzingespeisten Gegenwartsportler. 080 VECTURA #3

Dennoch setzt sich momentan immer mehr eine Kombination von Elektro- und Verbrennungsmotor durch – im umwelttechnisch optimalsten Fall fungiert bei solchen Hybridfahrzeugen der Verbrenner als Reichweitenverlängerer (Range Extender), der ausschliesslich dazu dient, frischen Strom für den E-Motor zu produzieren. Idealerweise lässt sich der Akku auch per Stecker extern aufladen (Plug-in). BMW zum Beispiel geht 2013 mit dem Plug-inHybridsportler BMW i8 ins Rennen. Dessen neueste Version ist eine offene Variante, der Concept Spyder. Der Zweisitzer leistet insgesamt 260 kW (354 PS), wobei an der Vorderachse ein 96 kW starker Elektromotor zum Einsatz kommt, während an der Hinterachse ein turbogeladener 1,5-Liter-Dreizylinder-Benziner mit 233 PS und 300 Nm sitzt. Beide zusammen entwickeln ein Drehmoment von 550 Newtonmeter. Vorteil: Werden Kraft und Grip gebraucht, ist der i8 ein Allradler. Rein elektrisch kommt der bayerische Sportwagen immerhin rund 35 Kilometer weit. Die Coupé-Version des i8 soll als 2+2-Sitzer in Serie gehen. Experten rechnen mit einem Preis von rund 240 000 Franken. Auch Ferrari bereitet derzeit den Einsatz eines seriellen Hybridsystems vor. Das aus der Formel 1 abgeleitete Projekt nennt sich «Hy-Kers» (Hybrid Kinetic Energy Recovery System) und besteht aus einem Elektromotor, der am Doppelkupplungsgetriebe eines V12-Benziners sitzt und diesen beim Beschleunigen unterstützt. Auf kurzen Strecken fährt der Ferrari sogar nur mit E-Power, während ein zweiter Elektromotor Nebenaggregate versorgt. Effekt laut Hersteller: zehn Prozent mehr Leistung bei bis zu 40 Prozent weniger Verbrauch. Das erste auch mit E-Antrieb bestellbare Automobil aus Maranello dürfte in zwei bis drei Jahren der F12 Berlinetta sein. Bei Jaguar wird ebenfalls elektrisch nachgeholfen – mit einem Kers-System im kompakten CX-16, den es ab 2012 zunächst als Roadster geben wird. Hier unterstützt der E-Motor auf Knopf*Elektromotoren werden grundsätzlich in Kilowatt angegeben. Umrechnung: 1 kW = 1,36 PS / 1 PS = 0,73 kW


Konkurrenzloses Konzept: Der Nissan Deltawing gehรถrt zu den Le-Mans-Teilnehmern 2012

SOMMER 2012 081


PERSPEKTIVE

Der Jaguar C-X75 wird ab 2013 genau 250-mal gebaut. Stückpreis: umgerechnet gegen eine Million Franken

druck einen Dreiliter-V6-Kompressor-Benziner (360 PS), und das mit etwa 70 kW für maximal zehn Sekunden. Effekt: atemberaubende Zwischenspurts, etwa zum Überholen, aber keine wesentliche Kraftstoff-Ersparnis. Aber müssen künftige Sportwagen immer gleich so stark sein? Nein, sagt Volkswagen, und will den Gegenbeweis mit dem Zweisitzer VW XL1 antreten. Zugegeben, der Plug-in-Hybride ist kein reinrassiger Sportwagen. Aber die Zutaten wie breite Schweller, Flügeltüren, Kohlefaser-Karosserie und ein Gesamtgewicht von 795 Kilo sind es. Für den Start reicht ein 20 kW starker Elektromotor, der für 35 km Reichweite gut sein soll. Wird mehr Kraft benötigt oder müssen die Akkumulatoren aufgefüllt werden, schaltet sich ein 48-PS-Zweizylinder-Diesel hinzu. Die Fahrleistungen reichen zwar nicht zum Prahlen, dennoch weist der leichte Flitzer konsequent in die Zukunft. Bereits Ende 2012 wird der XL1 im ehemaligen Karmann-Werk Osnabrück als Kleinstserie aufgelegt und wahrscheinlich nur zu leasen sein. Mit zwei E-Herzen Die junge Firma Fisker Automotive in Kalifornien hat sich seit der Gründung dem Nischenmarkt von grossen Luxussportwagen verschrieben: Die ersten im Jahr 2005 vorgestellten Autos waren spritfressende Sportwagen mit dicken Benzinmotoren und hiessen Latigo (auf BMW-6er-Basis) und Tramonto (auf Mercedes-SL-55-AMG-Basis). Zwar ist auch der Plug-in-Hybrid Fisker Karma ein viersitziger Edelsportwagen, fast fünf Meter lang, 2,4 Tonnen schwer und seit Ende 2011 auf dem Markt. Angetrieben wird er aber von zwei je 150 kW starken Elektromotoren, die zusammen nicht weniger als 1300 Newtonmeter an die Hinterräder abgeben. Als Range Extender beherbergt der Karma einen 260 PS starken Zweiliter-Vierzylinder-Turbomotor von GM. Rein elektrisch reicht die Energie für 80 Kilometer, mit zugeschaltetem Verbrenner werden 400 daraus. Und Fisker treibt den Öko-Gedanken noch weiter: Zusätzliche Energie sammelt der Karma durch Solarmodule auf dem Dach, um Nebenaggregate oder das Fahrlicht zu speisen. Der E-Spass beginnt ab rund 120 000 Franken. 082 VECTURA #3


SOMMER 2012 083


Jaguar C-X75

Infiniti Emerg-E

Honda New NSX

BMW i8

084 VECTURA #3


PERSPEKTIVE

Pininfarina Cambiano

Die edle Nissan-Tochter Infiniti arbeitet ihrerseits am Emerg-E. In dem flachen Zweisitzer powern zwei Elektromotoren ihre insgesamt 300 kW und 1000 Newtonmeter an die Hinterräder. Der Saft kommt direkt aus zwei mittig platzierten Lithium-Ionen-Akkus, die insgesamt eine Kapazität von 14,8 Kilowattstunden bieten. Damit die nicht zu schnell schlapp machen, ist ein von Lotus entwickelter 1,2-Liter-Dreizylinder-Benzinmotor als Range Extender vorgesehen. Der leistet bei 3500 Touren bis zu 38 PS – und springt spätestens dann ein, einen Generator mit Energie zu füttern, wenn sich die Reichweite von möglichen 50 Kilometer zum Ende neigt. Mit dem Range Extender soll der Aktionsradius auf komfortable 480 Kilometer steigen. Eine baldige Serienfertigung ist nicht in Sicht – die Entwicklung steckt noch in den Anfängen. Kaum weiter ist Lexus mit dem LF-LC. Der 2+2-Sitzer ist bislang eine reine Designstudie, die mit dem «Advanced Lexus Hybrid Drive» ausgestattet ist. Das heisst: Ein Benzin-Triebwerk wird mit zwei Elektromotoren und einem kompakten, leistungsstarken Akku kombiniert. Lexus knausert noch mit technischen Details – ausserdem ist noch nicht entschieden, ob der LF-LC so auf die Strasse kommen wird. Die Chancen sollen fifty-fifty stehen … Ebenfalls erst im Anfangsstadium der Entwicklung ist Honda mit dem New NSX. Den Hauptantrieb des Sportwagens, der bislang nur als Showcar existiert, übernimmt ein klassischer 3,5-LiterV6-Benziner mit Direkteinspritzung, der seine 400 PS an die Hinterräder abgibt. Zusätzlich sitzt an jedem Vorderrad ein

Elektromotor, so dass bei Bedarf Allradantrieb zur Verfügung steht. Der Name des Systems lautet «Sport-Hybrid SH-AWD» – die Abkürzung steht für «Super Handling All Wheel Drive» und verweist darauf, dass die Strom-Power eher die Agilität des Sportlers unterstützen soll als den Umweltgedanken. Die Chancen für ein Serienmodell stehen gut – das kommt allerdings frühestens 2015. Da ist Porsche mit dem 918 Spyder weiter – der Plug-in-HybridSportwagen wird Ende 2013 in Kleinserie gehen. Herzstück des Supersportlers ist ein 500 PS starker V8-Verbrennungsmotor. Der wird unterstützt von zwei Elektromotoren, die je 81 kW abgeben, was sich zu einer Systemleistung von insgesamt 528 kW (718 PS) addiert. Die E-Werke sind an Vorder- und Hinterachse montiert. Ein Lithium-Ionen-Akkumulator speichert Strom für 25 rein elektrisch gefahrene Kilometer mit maximal 150 km/h. Dank Hybridantrieb soll ein Kraftstoffverbrauch von drei Liter pro 100 Kilometer möglich sein, und das bei Supercar-Fahrleistungen: 320 km/h Spitze und 3,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Der 1490 Kilo schwere 918 Spyder ist momentan das teuerste Hybrid-Auto, das bestellbar ist: Exakt 724 900 Euro berechnen die Zuffenhausener in der Schweiz; 918 Stück sollen gebaut werden. Grösster und aktuellster Porsche-Konkurrent ist der Jaguar C-X75, auch wenn der Hybride nicht so kommt wie 2010 vorgestellt: Der supercoole Sportwagen sollte zunächst mit je einem 145 kW starken und nur 50 Kilo schweren Elektromotor pro

Lexus LF-LC

SOMMER 2012 085


PERSPEKTIVE

Mercedes SLS AMG E-Cell

Rad ausgestattet sein, während zwei je 94 PS starke Mikro-Turbinen als Range Extender die leeren Akkus während der Fahrt aufladen und für eine Reichweite von 900 Kilometer sorgen würden. Doch Jaguar bekam die Kühlung der Turbinen nicht in den Griff, und deshalb kommt das Auto «klassisch» daher – zwei je 110 kW starke Elektromotoren geben ihre Kraft an alle vier Räder ab und werden dabei von einem auf 500 PS aufgeladenen 1,6-Liter-Cosworth-Vierzylinder-Turbo unterstützt. Der nur 1350 kg schwere Supercar wird ab 2013 genau 250-mal gebaut. Stückpreis: umgerechnet gegen eine Million Franken. Drei Elektromotoren Auch die Schweiz beteiligt sich aktiv an der Suche nach Lösungen für künftige Sportwagen – und kommt auf ein ungewöhnliches Konzept. Das Unternehmen Protoscar zeigt mit dem rollenden Labor Lampo3 GT, dass auch drei Elektromotoren für den Antrieb sinnvoll sein können. Auf der Vorderachse des 1700 Kilo schweren Wagens sitzen ein 120 kW starkes E-Triebwerk, Reduktionsgetriebe, Stromumwandler und Teile der Steuerelektronik. Die Hinterachse ist mit zwei weiteren je 150 kW leistenden E-Maschinen sowie der Schnellladetechnik bestückt Lamborghini Sesto Elemento

086 VECTURA #3

– macht insgesamt 900 Newtonmeter Kraft. Der Energiegehalt der vier wassergekühlten Lithium-Polymer-Akkus beträgt 32 kWh. Der Verbrauch soll bei 16 Kilowattstunden für 100 Kilometer liegen; die Kosten für diese Strecke liegen bei unter fünf Franken. Allein das sollte genug Interesse generieren, und tatsächlich denkt man bei Protoscar über eine Kleinserie nach. Vier Elektromotoren Zwei plus zwei E-Aggregate nutzt der von Italdesign eingekleidete Frazer-Nash Namir. Die Firma Frazer-Nash Research Ltd. ersann einen Hybridantrieb mit vier Elektromotoren (zwei pro Achse) und einem 814 Kubikzentimeter kleinen Wankelmotor – macht zusammen 296 kW (397 PS) und Allradantrieb. Die Lithium-Polymer-Akkus wiegen 150 Kilo und liegen samt Wankelmotor und Generator nahe am Fahrzeugboden. Vielleicht können solvente Geduldige das System tatsächlich irgendwann ausprobieren: Nachdem Frazer-Nash 2011 den traditionsreichen britischen Autohersteller Bristol übernommen hat, könnte der Namir oder eine weiterentwickelte Evolutionsstufe mit Bristol-Logo auf den Markt kommen. Wer aber die Engländer kennt, weiss, dass Geduld nötig ist …


Porsche 918 Spyder

Als «umweltfreundlichster Supersportwagen der Welt» fährt der Mercedes SLS AMG E-Cell mit je einem Elektromotor pro Rad

Audi R8 e-tron Spider

Ebenso wie Italdesign Giugiaro befasst sich auch Pininfarina mit Sportwagen der Zukunft. Auf dem diesjährigen Genfer Salon präsentierten die Designer deshalb den Plug-in-Hybriden Pininfarina Cambiano – einen 2+2-Sitzer, der ebenfalls von vier Elektromotoren angetrieben wird. An jedem Rad sitzt einer, zusammen leisten sie 600 kW. Die Energie kommt aus einem Lithium-IonenAkku. Als reine E-Fahrzeit werden 200 Kilometer angegeben, danach muss ein Range Extender an die Arbeit. Das ist bei Pininfarina eine 40 Kilogramm leichte Jetturbine, die mit Diesel gefüttert wird. Sie leistet nur 68 PS, soll aber aus 50 Liter Diesel genug Strom für weitere 600 Kilometer produzieren können. Ob das Konzept tatsächlich serientauglich ist, muss allerdings noch bewiesen werden. Ebenfalls auf vier E-Motoren stützt sich der schon 2009 vorgestellte Audi R8 e-tron, der dabei komplett auf einen Verbrenner verzichtet. Je zwei Asynchron-E-Motoren gibt es pro Achse; zusammen leisten sie 230 kW und schier unglaubliche 4500 Newtonmeter. Jedes Rad verfügt also über seine eigene Antriebsquelle, die ihm bedarfsweise mehr oder weniger Drehmoment

zuführt. Fahrdynamik erreicht damit eine neue, rein elektronisch kontrollierte Dimension (Torque Vectoring). Im normalen Betrieb fliessen 70 Prozent der Antriebskräfte nach hinten und 30 Prozent nach vorne. Ein tolles Plug-in-Konzept, das auch 1,6 Tonnen Leergewicht relativiert: Allein die Lithium-Ionen-Akkus wiegen 550 Kilo, sollen aber auch eine Reichweite von knapp 250 Kilometer garantieren. Ende Jahr geht der Audi R8 e-tron in Kleinserie – zu einem Preis von rund 200 000 Franken. Stärkster Audi-Rivale ist der Mercedes SLS AMG E-Cell. Als «umweltfreundlichster Supersportwagen der Welt» tituliert, fährt auch dieser Renner mit je einem Elektromotor pro Rad. Insgesamt stehen so 392 kW und 880 Nm zur Verfügung. Damit schafft der Mercedes den Sprint in vier Sekunden, das Top-Tempo ist auf 250 km/h begrenzt. Die Module des Lithium-Ionen-Akkus (Energiegehalt: 48 kWh) sind im gesamten Wagen verteilt. Der Prototyp kam bisher 150 Kilometer weit, das Serienauto soll 50 mehr schaffen. Ab 2013 wird der Elektro-Flügeltürer entstehen. Für 420 000 Franken hat man dann einen ebenso rasanten wie attraktiven E-Sportler mit Öko-Appeal. Der allerdings mehr als zwei Tonnen wiegt.

Venturi Volage

SOMMER 2012 087


PERSPEKTIVE

Evolution: Lampo3 GT aus der Schweiz

Auf die Elektro-Spitze treibt es derzeit der monegassische Kleinstserienproduzent Venturi: Dessen bereits 2008 vorgestellter, auch optisch eigenständiger Karbon-Flitzer Venturi Volage wird von vier Radnabenmotoren mit insgesamt 220 kW mobilisiert. Vier weitere in die Räder integrierte E-Motoren übernehmen die aktive Federung. Das auch elektronisch innovative System wurde vom Reifenhersteller Michelin entwickelt, ist sündhaft teuer und vielleicht der Grund, weshalb es bisher erst einen einzigen (unverkäuflichen) Volage gibt. Der Zweisitzer wiegt nur 1075 Kilo (sein flüssig gekühlter Polymer-Lithium-Speicher mit 45 kWh trägt zu einem Drittel dazu bei), die Reichweite soll bei 300 Kilometer liegen.

Kein Elektromotor Wer seinen Antrieb nicht revolutionieren, aber weiter im Sportwagengeschäft mitmischen will, dem bleibt letztlich nichts anderes übrig als extremer Leichtbau. Was momentan geht, zeigt Lamborghini mit dem Sesto Elemento. Und wenn die italienische Audi-Tochter knapp 2,3 Millionen Franken für so ein Auto verlangt, muss es schon etwas bieten: Tatsächlich sind 999 Kilo für diesen zweisitzigen Supersportler, der von einem 570 PS starken V10 angetrieben wird, ein Superwert. Das Geheimnis heisst Kohlefaser. Unter anderem bestehen Teile des Monocoque, des Antriebsstranges und ein Grossteil der Karosserie aus karbonverstärktem Kunststoff. Nur 20 Exemplare des extremen Sesto Elemento sollen an treueste Kunden verkauft werden; die Auslieferung beginnt 2013. Auch Nissan experimentiert zurzeit mit dem leichten Werkstoff: Die Karbon-Rakete Deltawing hat sich die 24 Stunden von Le Mans als Feuertaufe ausgesucht – ausser Konkurrenz, versteht sich. Je nach Konfiguration wiegt der 4,65 Meter lange Wagen zwischen 475 und 575 Kilo. Deshalb reicht ihm auch ein rund 300 PS starker 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner, um die Rundenzeiten der LM-Topklassen LMP1 und LMP2 zu erreichen.

Kein echter Sportwagen, aber voller sportlicher Details: VW XL1

Die Sportwagen-Zukunft kommt also leicht, gerne auch mit kleineren Motoren und nicht selten elektrisch daher. Vor diesem Hintergrund fällt es Enthusiasten schwer zu akzeptieren, dass ausgerechnet Kunststoff-Pionier Lotus, einst als kompromisslose Leichtbau-Marke geboren und berühmt geworden, den umgekehrten Weg geht. Ab 2013 ist ein neues Portfolio aus sechs Modellen geplant, die teilweise mit Stahlkarosserie kommen, bis zwei Tonnen schwer sein und von einem 4,8-L-V8-Motor angetrieben werden sollen. Wie man superleichte, filigrane und schnelle Sportwagen baut, zeigte ein genialer Tüftler übrigens schon in den 1930er-Jahren: Ettore Bugatti.

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088 VECTURA #3



TECHNIK

NUR NICHT DIE HAFTUNG VERLIEREN DER LUFTGEFÜLLTE GUMMIREIFEN, NOCH VOR DEM AUTOMOBIL ERFUNDEN, GILT BIS HEUTE ALS DIE BESTE VERBINDUNG ZWISCHEN FAHRZEUG UND STRASSE – UND IST DOCH NUR EIN KOMPROMISS. GROSSE ENTWICKLUNGSSPRÜNGE GAB ES SCHON LANGE NICHT MEHR. DOCH DAS KÖNNTE SICH KÜNFTIG WIEDER ÄNDERN

Text Jörg Rothweiler · Fotos Werk

090 VECTURA #3


DUNLOP HATS RECHTZEITIG GEMACHT!

E

s ist ein Kampf, der im klassischen Sinne nicht zu gewinnen ist. Denn es geht um den idealen Autoreifen, der spritsparend und leise abrollen soll, bei Trockenheit wie Nässe perfekt haftet, allzeit gut bremst und erst noch langlebig und preiswert sein darf. Alles zusammen geht eigentlich nicht und alle Pneuhersteller wissen das – doch keiner gibt auf, nach der Zauberformel zu suchen. Ist es also gewissenhafte Ausdauer, die Reifenentwickler antreibt? Reines Marketing vielleicht? Oder grenzt ihr Streben, die Gesetze der Physik auf der Suche nach dem perfekten Reifen zu überlisten, an Ignoranz? VECTURA wollte es herausfinden – und begab sich zur Spurensuche im Rahmen einer Dunlop-Präsentation zu den neuen Sportreifen Sport Maxx RT und Sport Maxx Race auf die Rennstrecke. Vollgas für den Fortschritt Nur im Grenzbereich sind Reifenvorteile tatsächlich spürbar. Der Veranstalter hat dafür über 18 500 PS versammelt, darunter ein Rudel Audi-R8-Sportwagen. Die sind für den Race-Reifen vorgesehen, also sehr engagiert unterwegs – und bemüht, die feinen Unterschiede des Dunlop-Gummi herauszukitzeln. Auch wir entern den Fahrersitz des Boliden – und fliegen wenig später durch eine Linkskurve, die pikanterweise in einer haftungsmindernden Senke verläuft. Also nur minimal Gas gelupft, gefühlvoll eingelenkt – und tatsächlich eilt der Wagen unbeeindruckt durch die Kehre. An deren Ausgang folgt ein fast schon fahrlässig harter Tritt aufs Gaspedal. Der Motor brüllt, unser Copilot ächzt – doch nichts wackelt, nichts rutscht und schon gar nichts dreht durch. Gleich einem von kundiger Chirurgenhand geführten Skalpell flitzt der Zweisitzer an der Ideallinie entlang, überträgt jeden Lenkimpuls präzise auf die Strasse, katapultiert sich und seine Insassen durch eine lange, sanft überhöhte Kurve hinauf auf eine unüberblickbare Kuppe. Dahinter eine Schikane. Hartes Anbremsen! Der Beschleunigungsmesser auf unserem iPad zeigt 1,5g in Längs-, dann 1,3g in Querrichtung an. Angesichts tiefer Asphalttemperaturen sind das Spitzenwerte, macht der Race-Reifen eine sehr gute Figur. Wenig später tritt der etwas mehr auf Komfort getrimmte, aber immer noch sehr sportliche Sport Maxx RT zur Erprobung an. Als Testautos dienen diesmal gehobene Mittelklassemodelle wie Audi S4, Audi TT RS oder der heckgetriebene BMW Z4 2.8i. Auf allen dreien bietet der Dunlop eine gute Eigendämpfung, eine feinfühlige Lenkkraftübertragung sowie klare Rückmeldung und – ganz wichtig! – reichlich Grip. Natürlich klebt er nicht derart heftig an der Piste wie der Sport Maxx Race. Dafür soll er – was wir nicht selbst ausprobieren können und deshalb glauben müssen – sehr gute Nasseigenschaften besitzen. Auch wenn der direkte Vergleich zu Konkurrenzprodukten fehlt und eine unerwartet kalte Witterung unsere Testfahrten behindert, ist festzuhalten: Die neuen DunlopSportreifen haben beim ersten Kontakt einen positiven Eindruck hinterlassen. So fühlt sich ein guter Kompromiss aus Performance und Alltagstauglichkeit an.

1845 lässt der Engländer William R. Thomson den luftgefüllten Gummipneu patentieren. Doch er ist seiner Zeit zu weit voraus – und scheitert. Kutschen und Karren rollen auf stahlbeschlagenen Holzrädern einfach zuverlässiger als auf pannenanfälligen Gummischläuchen. Erst rund vier Jahrzehnte später, anno 1888, «erfindet» der schottische Tierarzt John Boyd Dunlop den Luftpneu erneut. Sein Glück: Weil es inzwischen das Fahrrad gibt (Dunlop entwickelte den Luftreifen ursprünglich als Luxusausstattung für das holprige Dreirad seines Sohnes), ist nun ein Markt vorhanden. Und Dunlops radelnde Zeitgenossen erkennen rasch, dass dessen «Pneumatics» das Bremsen effizienter, das Lenken präziser und die Fahrt insgesamt bequemer machen. Es ist die Geburtsstunde einer bis heute anhaltenden Entwicklung, welche die rollende Fortbewegung – egal ob motorisiert oder nicht – revolutionieren wird. Und die dafür sorgt, dass wir heute bei quasi jeder Witterung und selbst mit extrem übermotorisierten Fahrzeugen ebenso sicher wie komfortabel unterwegs sein können.

Neue Markenreifen, ein Kompromiss? Die Antwort lautet ja. Selbst der beste Formel-1-Slick ist nicht mehr als die Kombination sich teilweise widersprechender Eigenschaften. Aber warum ist das so? Reifenentwicklung ist immer ein Ringen mit physikalischen Gesetzen. Und die Verbesserung einer Fähigkeit zieht fast zwangsläufig die Verschlechterung einer anderen nach sich. SOMMER 2012 091


Das kommende Reifen-Label informiert unter anderem über Nasshaftung und Geräuschemission

Dieses Dilemma hält die Ingenieure in einem «magischen Dreieck» gefangen: Der Pneu mit viel Grip braucht eine relativ weiche Gummimischung, die sich optimal mit dem Asphalt verzahnen kann, doch dadurch erhöhen sich Rollwiderstand und Verschleiss. Soll der Reifen indes möglichst energiesparend sein, also leicht abrollen, muss die Konstruktion sehr stabil ausgeführt werden, damit sich die Aufstandsfläche möglichst wenig verformt. Darunter leiden wiederum Nasshaftung, Langlebigkeit und Komfort. Wird ein Reifen dagegen auf Laufruhe getrimmt, braucht es eine eher flexible denn stark dämpfende Gummimischung, ein feinklotziges Profil und eine runde Reifenkontur. Knackig-sportliches Handling oder hohe Seitenführungskräfte werden damit jedoch vereitelt. Auch ein Drainage-fähiges Profil mit tiefen Ablaufrillen und offener Reifenschulter ist zwar wirkungsvoll gegen Aquaplaning, erzeugt aber ein gefühllos-schwammiges Fahrverhalten. Dazu kommt Lärm, weil komprimierte Luft in die Ablaufrillen gepresst wird, aus denen sie zischend wieder entweicht – Fachleute sprechen hier vom «Airpumping». Und wie hat Dunlop bei der Entwicklung der neuen Sport-MaxxPneus diese klassischen Zielkonflikte gelöst? Noch während Motor und Bremsen des Testwagens leise tickernd abkühlen, folgt der Gang zu jenem Mann, der es wissen muss: Dr. Bernd Löwenhaupt, Direktor Entwicklung bei Dunlop, ein Konstrukteur, gesegnet mit einem gesunden Humor und der Erfahrung aus 22 Jahren Entwicklungsarbeit. «Es ist die Summe aller Kompromisse, die wir bei der Entwicklung eingehen mussten, die diese Reifen so leistungsfähig macht», sagt er – und lächelt verschmitzt. Später dann plaudern er und seine Entwicklungskollegen aus dem Nähkästchen der Reifenforschung. Sie dozieren über Profilgeometrien, Mischungen und Karkassenkonstruktionen.Und erzählen von 24 Monaten Entwicklungsarbeit, in deren Verlauf nicht weniger als 2600 Testreifen in 197 Spezifikationen hergestellt und auf 220 000 absolvierten Test- und 450 000 Dauerlaufkilometern geprüft, analysiert und optimiert wurden.

Als drittes Element kommt ein asymmetrisches Profil hinzu. Mittig sorgen drei breite Entwässerungsrinnen für so gute Ableitung, dass die Zahl und Tiefe der Quernuten verringert werden konnte. So läuft der Reifen leiser, sein Handling wird präziser. An der Aussenkante garantiert eine breite, stabile Schulter mit grossen, verschränkten Profilblöcken die gute Seitenführung. Zudem sind dort die Ablaufrinnen neu V- statt U-förmig ausgebildet. Dadurch werden die Profilblöcke trapezförmig, also an der Basis besser gestützt, weshalb sie sich beim Bremsen weniger verformen. Das mindert das Abrollgeräusch, steigert die Bremswirkung und minimiert die Bildung von Sägezähnen im Profil. Überdies geht die Schulter mit grossem Radius in die Seitenflanke über, was Vorteile beim Quer-Aquaplaning bringt. Hier zeigt sich übrigens, abgesehen von der dort noch klebrigeren, mit mehr Haftharzen angereicherten Mischung, auch der grösste äusserliche Unterschied zum Sport Maxx Race. Bei dem ist die Reifenschulter noch breiter ausgeführt, während die Flanke mit geringerem Radius in die Lauffläche übergeht. Letztere wird dadurch noch breiter, kann also noch höhere Querkräfte auffangen. Diese Auslegung auf Gripund Brems-Performance wird mit leichten Abstrichen bei der Nasshaftung und dem Quer-Aquaplaning erkauft. Doch für schnelle Runden bei Nässe gibt es ja schliesslich auch Regenrennreifen. So ausgeklügelt und ausgereizt das alles klingt: Dr. Löwenhaupt ortet dennoch Potential für künftige Entwicklungen: Zwar erachtet er die Reifenkonstruktion als solche für ausgereizt – zumindest, bis neue Materialien, wie vor einigen Jahren die Kevlarfaser, eingeführt werden können. Dafür sieht er noch Reserven bei Profil, Kontur und vor allem bei den Mischungen. «Insbesondere die neuartigen funktionellen Polymere, die eine chemische

Die Quintessenz bezogen auf den Sport Maxx RT im Vergleich mit seinem Vorgänger: Die Basis legt eine – dank in Hybridlagen angeordneten Kevlar/Nylon-Gewebeschichten – sehr stabile Karkasse. Sie wirkt der durch die Zentrifugalkraft provozierten Umfangsvergrösserung des Reifens bei schneller Fahrt entgegen. Hinzu kommen eine Kontur mit sehr flacher Lauffläche sowie leichte, aber hochfeste Stahlkorde im Reifengürtel. Resultat: mehr Aufstandsfläche, homogenere Druckverteilung über die ganze Reifenbreite, weniger Abrieb, höhere Kurvenstabilität und Lenkpräzision, weniger Gewicht – und ein um stolze elf Prozent geringerer Rollwiderstand. Damit die Nasshaftung trotz des gesenkten Rollwiderstands nicht leidet, wird eine deutlich weichere Silika-Mischung verwendet. Da die stabilere Karkasse die Walkarbeit verringert, wird der Pneu punkto Verschleiss dennoch nicht schlechter. Erstmals werden der Mischung zudem Haftharze beigemengt. Diese schmelzen bei unterschiedlichen Temperaturen, wodurch der Reifen über einen sehr breiten Temperaturbereich konstant hohen Grip bietet. 092 VECTURA #3

Neue Vorschriften: Mit dem EU-Label müssen die Reifeneigenschaften für den Verbraucher sichtbar sein


TECHNIK

Verknüpfung der Molekülketten im Gummi erlauben, bergen noch Raum für Verbesserungen. Gleiches gilt für Haftharze und andere Füllstoffe», ist er überzeugt. Greifbareres ist ihm nicht zu entlocken. Klar. Eher würde ein Appenzeller die Zutatenliste des berühmten Alpenbitters offenbaren, als dass ein Pneuhersteller verriete, in welchem Verhältnis die knapp 20 Inhaltsstoffe seiner Gummimischungen vermengt und wie genau sie dann gebacken werden. Immerhin aber lassen sich die Dunlop-Techniker punkto Zukunft ein wenig in die Karten schauen. So wird beispielsweise versucht, die Reifen leiser zu machen. Ein wichtiger Ansatz, wenn man weiss, dass bei gleichmässiger Fahrweise das Reifengeräusch bereits ab 35 km/h den Antriebslärm übersteigt. Da hierfür nicht nur das Profil verantwortlich ist, sondern auch jene im Reifeninneren entstehenden Geräusche, welche über die Seitenwand nach aussen abgestrahlt werden, versucht man, die Reifen quasi intern zu dämmen – etwa mit Dämmschwämmen. Zudem könnte schon bald jeder Pneu mit einem Datenchip ausgerüstet sein. Bei Lw-Reifen ist dies bereits Realität. So bietet Goodyear seit Februar mit RFID-Mikrochips (Radio Frequency Identification) bestückte Anhängerpneus für den gewerblichen Einsatz an. Der Mikrochip arbeitet mit Goodyears internetbasiertem Reifenmanagementprogramm Fleet Online Solutions zusammen und erlaubt die Überwachung des Reifens über die gesamte Nutzungsdauer, inklusive Runderneuerung. Auch im Fall eines Diebstahls – bei Lw-Anhängerreifen ein echtes Problem – können die Reifen dank des Chips zweifelsfrei identifiziert werden. In Zukunft könnten solche Chips auch in Pw- und Motorradreifen eingebaut werden. Dort sollen sie auch eine Echtzeitüberwachung von Luftdruck und Temperatur ermöglichen. Diese Daten könnten dann, kombiniert mit Informationen über Typ und Dimension des montierten Pneus, in Echtzeit den Antriebs- und Fahras-

sistenzsystemen zur Verfügung stehen, um ihnen eine noch exaktere Regulierung zu ermöglichen. Bei Tests liess sich ein Bremsweg aus Tempo 100 auf diese Weise bereits um drei Meter reduzieren. Auch wäre es machbar, ein Überreizen der möglichen Haftungsgrenzen bei kalten Reifen zu vermeiden, indem bis zum Erreichen der idealen Betriebstemperatur der Pneus dem Fahrer nur eine reduzierte Motorleistung zur Verfügung stünde. Übrigens: BMW misst beim neuen M5 bereits jetzt (wenn auch auf andere Weise) die Reifentemperatur und zeigt diese im Infodisplay an. Für die Regelsysteme wird sie dort allerdings noch nicht herangezogen. Die weitaus grösste Herausforderung für die Reifenentwickler stellt aber die Diskussion um effizientere Fahrzeuge mit verringertem CO2-Ausstoss dar. So arbeitet etwa BMW für sein künftiges Elektromobil i3 und das Hybridfahrzeug i8 an der Integration schmaler, grosser Reifen, den Slim-Wheels. Diese haben beim i3 wegen des grossen Durchmessers rund 10% weniger Rollwiderstand als ein vergleichbarer Reifen für einen Mini, bieten aber dennoch Vorteile bei Aquaplaning und Verschleiss. Wegen seiner geringeren Grundsteifigkeit muss das Slim-Wheel aber mit mehr Luftdruck gefahren werden, um die gleiche Querkraft wie der Mini-Reifen übertragen zu können. Zudem wird auch an der Aerodynamik des Reifens gefeilt. So prägt Dunlop bei den neuen Sport-Maxx-Reifen die Beschriftungen an der Reifenflanke (mit Ausnahme der gesetzlich vorgeschriebenen Markierungen) nach innen, statt sie wie bisher erhaben nach aussen darzustellen. Ein anderes, drängendes Problem ist eine neue EU-Verordnung, die zum 1. November 2012 in Kraft tritt. Ähnlich wie Elektrogeräte müssen dann alle nach dem 1. Juli 2012 produzierten Pneu ein Label tragen, das über Rollwiderstand, Nasshaftung und Geräuschemission informiert. Beim Lärm ist ein Reifen der Klasse G etwa viermal lauter als ein Reifen der Klasse A. Bei der Nasshaftung


TECHNIK

VOM GUMMISCHLAUCH ZUM HIGH-TECH-PRODUKT bremst ein Reifen der Klasse A aus Tempo 80 km/h um 18 Meter besser als ein Reifen der Klasse G. Und beim Rollwiderstand spart ein A-Reifen während seiner Lebensdauer (35 000 km) bis zu 200 Liter Treibstoff. Mit diesen Angaben soll der Kunde seine Bereifung gezielter einkaufen können. Eine prinzipiell begrüssenswerte Idee – welche die Hersteller vor gigantische Aufgaben stellt. Allein Dunlop muss für das EU-Label mehr als 10 000 Reifentypen (in diversen Dimensionen) zertifizieren. Es war eine Arbeit, die knapp 1200 Ingenieure und Techniker monatelang gebunden hat und mehrere Millionen Euro verschlang. Dennoch sind die Hersteller dem EU-Label gegenüber positiv eingestellt, denn ihnen ist klar: Die physikalischen Grenzen auch des innovativsten Fahrassistenz- oder Regelsystems werden letztlich immer von den Reifen gesetzt. Eine optimale Funktionsweise setzt also leistungsfähige, zum Fahrzeug passende Reifen voraus. Was bringt es, wenn das ESP eines Fahrzeuges noch gar nicht reagiert, wenn der Pneu schon längst jede Haftung verloren hat? Die Autohersteller wissen das und rüsten ihre Autos ab Werk mit guten Reifen aus. Es sind Produkte, die für bis zu 50 Leistungskriterien knallharten Tests unterzogen werden müssen, wenn ihre Hersteller einen der begehrten Erstausrüsterverträge haben wollen. Veränderungen sind auch beim Reifenmaterial selbst zu erwarten. Der Wert des aus nach wie vor aus Gummibäumen gewonnenen Naturkautschuk steigt, weil der weltweite Bedarf wächst. Gleichzeitig verringert sich der Bestand, etwa durch Pflanzenkrankheiten. Neue Spender wie der russische Löwenzahn oder südamerikanische Korbblütler bieten in synthetisierter Form ähnliche Fähigkeiten; sie sollen beim Menschen sogar das Allergie-Risiko reduzieren und werden aktuell auf ihre Eignung und Verfügbarkeit hin untersucht. Die meisten Reifenkäufer wissen nichts von alldem. Zwar schätzen sie bei der Probefahrt und auch beim Neuwagen eine hochwertige Originalbereifung. Ist diese aber zu ersetzen, gilt bei den meisten Verbrauchern: Ein Reifen soll schwarz, rund und möglichst billig sein. Welche Risiken mit dieser Einstellung verbunden sind, ist den wenigsten bewusst. Dabei zeigen unabhängige Reifentests deutlich, wo die Unterschiede liegen. Etwa darin, dass jüngst ein Sommerreifentest der deutschen Fachorganisationen GTÜ und ACE demonstrierte, wie ein mit chinesischen Billigreifen ausgerüsteter Wagen mit 50 km/h (!) Restgeschwindigkeit dort einschlug, wo er mit dem besten Markenreifen bei einer Vollbremsung aus 100 km/h bereits stand! Immerhin rollte der billige Bremsversager im Test sehr leise, was einmal mehr beweist: Der perfekte Pneu ist noch nicht erfunden worden. Allerdings sind die grossen Marken der Auflösung der zahlreichen Zielkonflikte deutlich näher als die Nachahmer aus Fernost. Letztere können zwar die Profildesigns abkupfern. Doch wenn Mischung, Kontur, Karkasse und Geometrie nicht stimmen, bringt auch das modernste Profil nichts. Dann mutiert ein sehr guter zu einem faulen Kompromiss. Und den braucht nun wirklich niemand.

Ein niedriger Rollwiderstand erfordert konstruktives Umdenken 094 VECTURA #3

Vor allem in den ersten Jahrzehnten nach John Boyd Dunlops wegweisender Erfindung verlief die Reifenentwicklung rasant. Waren die ersten Pneus noch glatt wie ein Baby-Popo, berichtet die Fachzeitschrift «Der Radmarkt» 1894 erstmals über einen «anti-slipping-Pneu», den ersten Profilreifen der Geschichte, ausgedacht vom Hannoveraner Gummiwarenfabrikanten Continental. 1908 wurden dann die ersten mit Metallnieten bewehrten Spikes vorgestellt, 1922 machte Cordgewebe in der Reifendecke die Pneus dreimal haltbarer. 1948 stellen DunlopEntwickler den schlauchlosen Pneu vor und 1962 entdeckten sie das bis dahin unerklärte Phänomen des Aquaplaning: Es war eine Erkenntnis, die in der Entwicklung des modernen Profilreifens mündete – mit Mikrorillen und zur Reifenflanke hin offenen Entwässerungsrinnen. Anfang der 1970er-Jahre kam, wiederum von Dunlop initiiert, der Stahlgürtel-Radialreifen in den Handel. Bei diesem verlaufen die Cordlagen in der Karkasse, dem Stützkorsett im Reifeninneren, quer zur Laufrichtung des Pneus. Das verbessert die Laufleistungen und verringert den Rollwiderstand. Weil Radialreifen aber bei schnellen Kurvenfahrten die Querkräfte nicht so gut abfedern können, wird ihnen zur Stabilisierung ein Stahlcordgürtel verpasst. Die bislang letzten grossen Entwicklungssprünge bei Autoreifen waren jene Ende des 20. Jahrhunderts vorgestellten selbsttragenden Runflat-Reifen, mit denen man auch ohne Luft noch eine bestimmte Strecke weit fahren kann. Oder das Notrad als leichte und platzsparende Alternative zum vollwertigen Ersatzreifen. Auch die seit rund einem Jahrzehnt verfügbaren Winterreifen mit laufrichtungsgebundenem, dreidimensionalem Lamellenprofil gehören dazu wie auch Silika-haltige Gummimischungen und asymmetrische Profile für sportliche Sommerreifen.

NEUE ANFORDERUNGEN Bei der Entwicklung von E-Autos und Hybridfahrzeugen steht eine hohe Reichweite ganz oben auf der Agenda. Um ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen, braucht es unter anderem Reifen mit sehr niedrigem Rollwiderstand. Der Continental eContact ist ein solch spezielles Produkt und mit 20 Zoll Durchmesser sehr gross, aber auch schmal geraten. Vorteil: Die Verformung des Pneus beim Einlauf in die Bodenaufstandsfläche reduziert sich. Da der Reifen überdies sehr leicht ist, das Profil keine Querrillen aufweist und die Profilrippen sehr steif ausgelegt sind, hat dieser Pneu einen um 30% geringeren Rollwiderstand als ein konventioneller Reifen. Die kleinen Einbuchtungen in der Seitenwand verbessern die Aerodynamik. Der eContact kommt serienmässig beim Renault Twizy zum Einsatz.


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Wertschätzung: Stehrenberger schaffte es über 250-mal auf diverse Titelseiten

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«MODERNE FERRARI SIND HÄSSLICH»

SEIN VERDIKT IST DIREKT, SEIN UNVERWECHSELBARER STIL WELTBEKANNT: BEGEGNUNG MIT DEM SCHWEIZER MULTITALENT MARK STEHRENBERGER Text Matthias Pfannmüller · Fotos Stehrenberger, Isaac Hernandez

D

ie Augen hinter den Gläsern strahlen wie die eines Lausbuben. Die Brille selbst, ein randloses Modell mit knallblauen Bügeln, signalisiert: Ihr Träger ist ein Kreativer. Diese Eigenschaft ist die vielleicht treffendste für Mark Stehrenberger, der von sich selbst sagt, dass er sich standhaft weigert, erwachsen zu werden. Doch das hat ihn nicht daran gehindert, ernsthafte Jobs auszuüben: Er war Zeichner, Buchautor, Automobil-, Uhren-, Schmuck-, Möbel- und Mode-Designer, hat aber auch Videospiele oder medizintechnische Geräte gestaltet. Von 1987 bis 2002 ist er Teilzeitlehrer am renommierten Art Center College of Design in Pasadena gewesen – eine Tätigkeit, die er auch am mittlerweile geschlossenen Art Center Europe in Vevey ausgeübt hat. Damals drückten Michael Fink (Mercedes CLK/ W208 und CLS/W219) oder Benoit Jacob (Fiftie Concept und Zoe, beide Renault) bei ihm die Schulbank; heute sind sie Kollegen und eng befreundet.

Stehrenberger gehört längst zum inneren Zirkel der weltweiten Autodesigner-Gilde. Schon im zarten Kindesalter war klar, welche Laufbahn der dritte und jüngste Sohn eines Dachdeckermeisters einschlagen würde: «Von den bis zum Himmel ragenden Heckflossen der damaligen US-Strassenkreuzer konnte ich nicht genug kriegen», bekennt er: «Selbst Autos entwerfen zu können, war von da an mein Traumberuf und ist es bis heute.» 1943 in Muttenz bei Basel geboren, was seinerzeit nicht gerade ein automobiler Höhepunkt war, würde Stehrenberger seinen eigenen Zugang in die Auto-Welt suchen und auch finden. Wir treffen uns in Muttenz und er begrüsst mich gewohnt kumpelhaft: «Na Junge, wie gehts dir? Lange nicht gesehen!» Hier, einen Steinwurf vom Oldtimer-Tempel Pantheon entfernt, wohnt seine Schwester. Bei ihr ist er gelegentlich zu Gast, wenn er sich in der Deutschschweiz aufhält und nicht in Montreux, seinem selbst SOMMER 2012 097


Genie und Wahnsinn: In den späten 60er-Jahren entstanden diese nicht ganz ernst gemeinten Skizzen. Luigi Colani liess grüssen

gewählten Zweitwohnsitz. Den Lebensmittelpunkt allerdings hat der 69-Jährige nach wie vor in Los Angeles – in Ventura, um genau zu sein. Er lebt dort mit seiner dritten Ehefrau Pamela, sechs Kindern (zwei Töchter sind ebenfalls als Illustratoren tätig, ein Sohn entwirft Mountainbikes) und sechs Enkeln. Stehrenberger, der seit einigen Jahren ein fein getrimmtes Grunge-Bärtchen trägt, ist Kosmopolit. In der Umgebung seiner Kindheit wirkt er ebenso souverän wie in New York oder Tokio, aber auch erdverbundener, wenn er von seiner Ausbildung erzählt. Auf die Real- folgte 1959 die kantonale Kunstgewerbeschule in Basel, die er 1963 mit Schneider- und Modedesign-Diplomen 098 VECTURA #3

abschloss, während in Italien ein gewisser Ferruccio Lamborghini seine eigene Sportwagenmarke gründete. Kein Jahr später emigrierte Stehrenberger nach Kalifornien – nicht wegen Lamborghini, sondern weil er die seinerzeit beste Automobildesign-Schule der Welt besuchen wollte: das besagte Art Center. Dort, im Einzugsgebiet von Los Angeles, befand er sich im Auto-Paradies: «Es gab damals schon ein Dutzend Studios in der Gegend, mehr als sonst wo. Das waren natürlich die Amerikaner und Japaner; europäische Marken kamen erst später.» Vor der begehrten Ausbildung musste der Exil-Schweizer allerdings kleine Brötchen backen und entwarf zunächst Lampen und Deckenleuchten für einen lokalen Hersteller.


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Eine Frage des Talents: Mit Reklamebildchen für US-Hersteller begann Stehrenbergers Illustratoren-Karriere

1969, mit dem Pasadena-Abschluss in der Tasche, verlor der damals 26-Jährige keine Zeit und gründete selbstbewusst seine erste Firma MSD – ein Kürzel, das natürlich für Mark Stehrenberger Design stand (www.stehrenbergerdesign.com). Mit diesem professionellen Auftritt warb er mit Erfolg um Industrieaufträge. Unter den Interessenten war auch Volkswagen of America; der Beetle sollte gar ein Schicksals-Modell für Stehrenberger werden. 1971 entwarf er mit ganz geringem Aufwand, aber viel Kreativität den «Sports Bug», um die inzwischen eingebrochene Nachfrage neu zu beleben – der «Rabbit» (US-Golf) stand bereits in den Startlöchern. Der auf einige tausend Exemplare limitierte Stehrenberger-Käfer wies neben breiteren Felgen, schwarzen Stossstan-

gen, Rallyestreifen und Sportsitzen wahlweise eine silberne oder knallgelbe Lackierung auf, war entsprechend grell und verkaufte sich auch recht ordentlich. «Ich hätte damals einen erwerben sollen», sinniert er reumütig. Tatsächlich hat ihn das Thema Käfer seither nicht mehr losgelassen. Immer wieder dachte er sich neue Varianten aus, zuletzt 2011: «Der Wagen ist eine Stil-Ikone, die mich stets aufs Neue fasziniert, aber auch ständig inspiriert.» Parallel hatten andere Automarken seine Eingebungen in Anspruch genommen: BMW, Chrysler, Ford, Jeep, Kia, Mindset, Nissan, Peugeot, Porsche, Renault, Rolls-Royce, Saab, Subaru oder Toyota zählen bis heute zu seiner Kundschaft. Um für diese realistische Modelle im Massstab 1:1 bauen zu können, SOMMER 2012 099


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100 VECTURA #3


unterhielt Stehrenberger zusammen mit seinem Geschäftspartner Alain Clenet zwischen 1983 und '88 gar eine Firma in Santa Barbara, die über 20 Mitarbeiter beschäftigte – unter ihnen auch der spätere Hot-Rod-Guru Chip Foose. «Für mich ist der Job ein Hobby», betont Stehrenberger: «Arbeit heisst dagegen, dass man lieber etwas anderes tun würde.» Für Fachpublikationen zeichnet er bereits seit den frühen 70er-Jahren und machte sich mit realitätsnahen Zukunftsentwürfen schnell einen Namen. Die seinerzeit wichtigsten Titel gehörten zu seinen Abnehmern, darunter «Motor Trend», «auto motor und sport», «Quattroroute» oder die «Automobil Revue». Für viele hat er auch die Titelseite gestaltet, zum Beispiel für «Road & Track». Die dort veröffentlichten Arbeiten machten Stehrenberger, seinen unverwechselbaren Stil und die markante Unterschrift international bekannt. Er war der Erste, der Magic Marker für fliessende Farbübergänge verwendete, und wird oft gefragt, woher die einschlägigen Informationen stammen, auf denen seine Zeichnungen basieren. «Aus dem, was auf Pressekonferenzen NICHT gesagt wird», pflegt er dann zu antworten. Konkurrenten hatte Stehrenberger damals keine und kann noch heute ohne Übertreibung zu den besten Auto-Illustratoren der Welt gezählt werden – ein Beruf, der vom Aussterben bedroht ist. «Weisst du, inzwischen übernehmen das Computer», sagt Stehrenberger mit abgeklärtem Verständnis und ohne Groll: «Jede Zeit hat ihre Werkzeuge. Weil sich

die Autoindustrie heute schneller verändert denn je, sind digitale Retuschen ein probates Stilmittel.» Wer die teils seelenlosen Bildchen junger Grafik-Programmierer kennt, von denen einige noch nie einen Zeichenstift in der Hand hatten, weiss, was er meint. Kaum vorstellbar, dass diese elektronisch generierten Motive einmal zu Sammlerobjekten avancieren, wie es die limitierten Poster und Lithos von Stehrenberger längst sind. Bedauerlicher als die heutige Arbeitsweise findet es der WahlKalifornier, dass einst klar positionierte Marken wie BMW oder Mercedes inzwischen versuchen, es jedem Geschmack und auch allen Kontinenten recht zu machen. «Das Ergebnis ist ein DesignBrei, der überall gleich pampig schmeckt», kritisiert er und nennt auch gleich die Ursache: «Britische Designer arbeiten heute in Frankreich, japanische in Italien, amerikanische in Korea und so weiter. Dagegen ist nichts zu sagen, aber es verwässert nun mal die prägnante Linienführung eines Portfolios. Das erschreckt und erstaunt mich zugleich, denn heute, wo sich Autos technisch immer ähnlicher werden, ist eine Differenzierung nur noch über das Design zu erreichen. Das Markenimage lebt allein davon.» Stehrenberger sieht aber auch Gutes und spart nicht mit Lob, wenn er über die Arbeit aktueller Designchefs spricht: «Peter Schreyer macht bei Kia einen Super-Job und führt die Marke aus der Gesichtslosigkeit. Gerry McGovern formt Land und Range Rover mit neuer Coolness und Ed Welburn von GM hat Cadillac frisches Leben

Mit dem VW Sports Bug wurden Stehrenbergers Ideen erstmals auch real umgesetzt. Die 1974er-Zeichnung des Fiat 131 war eine der ersten für «Road & Track»

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Variation des in den USA so beliebten Buggy-Themas: LSV-Studie (Life Style Vehicle) aus dem Jahr 1988. Den schrillen Ford-Van schuf Stehrenberger schon zehn Jahre frĂźher

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Stehrenberger bei der Arbeit: Von 1987 bis 2002 unterrichtete er am Art Center College of Design in Pasadena

eingehaucht – sein CTS Coupé gefällt mir besonders gut. Nicht unterschätzen sollte man auch den Einfluss des ehemaligen BMW-Designers Chris Bangle: Er war zwar stark umstritten, hat aber massgeblichen Einfluss genommen auf die heutige Fahrzeuggestaltung.» Aus Stehrenberger, der sein Gespür für Formen und Proportionen noch handwerklich-praktisch geschärft hat, spricht der geschulte Blick für Design-Strömungen, aber auch das instinktive Erkennen von Irrwegen und sich wiederholenden Trends: «Du weisst ja selbst», sagt er lächelnd: «Ist alles schon mal da gewesen, oder?» Entsprechend früh sah er kommende Serienmodelle voraus – zum Beispiel einen neuen Mercedes-Flügeltürer, der dann 2009 als

SLS in verblüffend ähnlicher Form tatsächlich in Serie ging. Ja, gibt es denn überhaupt nichts Neues mehr, Mark? Welches aktuelle Auto findest du wegweisend? Er überlegt und blickt dabei ein Loch in die Wolken, bevor er antwortet: «Bei Hyundai gefällt mir die neue i40-Limousine und bei Lexus die Verarbeitung; das schafft in dieser Qualität meiner Meinung nach kein deutscher Hersteller mehr. Aktuelle Ferrari liessen zuletzt die sauberen, typischen Pininfarina-Linien vermissen und waren einfach nur noch hässlich. Dagegen macht mir der neue F12 wieder Hoffnung.» Okay, und dein absoluter Favorit? «Das Bertone B99 Concept, kein Zweifel. Eleganz und Schönheit in Reinkultur, trotzdem modern – einfach fabelhaft! Wenn man sich dagegen den aktuellen Jaguar XJ ansieht …»


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Wunschdenken: Neuauflage des Citroën SM

Drängt sich abschliessend noch die Frage auf, welche Autos in des Meisters Privatgarage parken. Daheim in Kalifornien ist Stehrenberger mit einem Chrysler PT Cruiser Baujahr 2008 unterwegs. In der Schweiz bewegt er sich dagegen mit einem völlig konträren Auto, das er ebenso leidenschaftlich liebt – dem gebraucht gekauften, silber lackierten 2002er Fiat Multipla im Racing-Trim. Hier zeigt sich einmal mehr, dass Brancheninsider einen mitunter ambivalenten Automobil-Geschmack haben, der bisweilen pragmatisch sein kann: «Mein Multipla ist wie ein hässliches Kind, mit dem du Erbarmen hast und es vor der schlimmen Welt beschützen willst. Nebenbei ist er eines der besten Autos, die ich je hatte.» Nuovo Fiat Multipla, der sich mehr am Original-600er Multipla orientiert als der Ende Jahr in Serie gehende 500L

New PT Cruiser von Chrysler – so könnte er aussehen. «Ein in den USA immens populäres Auto, das von Daimler vernachlässigt und von Fiat totgeschlagen wurde», sagt Stehrenberger

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Schräge Blickwinkel gehören in unserer modernen, zunehmend windkanal- bis massentauglichen Autowelt unter Artenschutz gestellt. Und deshalb wird Mark Stehrenberger ab der kommenden VECTURA-Ausgabe exklusiv die neuesten Serienautomobile kommentieren und natürlich auch eigene Entwürfe präsentieren – abgemacht, Mark! «Ich kanns kaum erwarten!», grinst er. Und da ist es wieder, das verschmitzte Augenzwinkern eines Lausbuben.


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GPS-ORTUNG

DEM AUTO

ONLINE FOLGEN

DIE ZEITEN, IN DENEN VORRANGIG ERSETZBARE GOLF UND S-KLASSEN GEKLAUT WURDEN, SIND VORBEI. INZWISCHEN HABEN ES DIEBE AUCH AUF UNERSETZLICHE OLDTIMER ABGESEHEN, DIE OFTMALS IN DEN TIEFEN DUBIOSER PRIVATSAMMLUNGEN VERSCHWINDEN. DOCH ES GIBT VORBEUGENDEN SCHUTZ

Text Hubertus Hoslin · Fotos Werk, map

Lenkrad abschraubt und mitnimmt. Prinzipiell keine schlechte Idee. Gelegenheitstätern macht das einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Damit hat es sich aber schon. Doch so rustikal und praxisfremd die Lenkrad-Methode auch sein mag – sie führt uns an den Kern der Sache heran: Um das Entwenden eines Autos zu verhindern, legt man Langfingern so viele Steine in den Weg wie irgend möglich: Alarmanlage, Wegfahrsperre, atombombensichere Garage, stählerne Lenkrad-Krallen, individuelle Unterbrechung des Bordstroms und so weiter. Leider zeigt die Realität aber, dass sich professionelle Autoknacker von solchen Hindernissen selten aufhalten lassen. Wenn ein bestimmtes Auto «bestellt» ist, wird es über kurz oder lang irgendwo geknackt, unbemerkt abtransportiert und «geliefert».

anche Autos sind unbezahlbar. Entweder sind es Unikate oder sie nehmen aus Sicht des Besitzers einen hohen emotionalen Stellenwert ein. Doch wie soll man so ein Schmuckstück besitzen, geschweige denn damit herumfahren, ohne aus lauter Sorge vor Diebstahlverlust Magenschmerzen oder Schlimmeres zu kriegen? Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder lässt man das Auto keine Sekunde aus den Augen. Oder es werden technische Vorkehrungen getroffen, um Langfingern das Leben so schwer wie möglich zu machen.

M

Sitzt ein Autoknacker erst einmal im Wagen, ist es aber noch nicht zu spät: Auch zwischen Einbruch und Auslieferung lässt sich die Entwendung noch verhindern. Das ist sogar ein günstiger Zeitraum, denn die Kriminellen haben die vermeintlich grösste Hürde in Form des eigentlichen Einbruchs scheinbar unbeobachtet hinter sich gebracht. Sie sind jetzt entspannter und weitgehend arglos. Und in genau diesem Zustand werden sie wie aus heiterem Himmel von der Polizei gestellt. Pech? Zufall? Oder gar hellseherische Fähigkeiten der Gesetzeshüter? Weder noch. Das Zauberwort heisst Online-Fahrzeugortung.

Ersteres kann kaum die Lösung sein, wenn der Besitz eines wertvollen Autos nicht zum «goldenen Käfig» werden soll. Ausserdem wurden solche Fahrzeuge ihren Besitzern auch schon buchstäblich unter dem Hintern weggeklaut. Und wenn die Argumente des Gangsters gar gesundheitsschädigend sind, gibt der Klügere besser nach. Also zu Punkt 2, der technischen Prävention: Der britische Komiker «Mr. Bean» sichert seinen Classic Mini gegen Diebstahl, indem er beim Verlassen des Wagens schon mal das

GPS-Ortungssysteme gibt es nun schon seit gut 20 Jahren; anfänglich konnten sie nur die aktuelle Position übermitteln; sie waren langsam, unpräzise und sündhaft teuer. Mittlerweile sind sie sehr exakt, dabei bezahlbar geworden und können auch viel mehr. Eine solche High-Tech-Nuss ist selbst für routinierte Autoschieber nur schwer zu knacken. Die gut versteckt montierte GPS-Ortungsbox an Bord eines Fahrzeuges verhindert zwar nicht den Akt des Diebstahls, hängt aber dafür den Abtransport an die

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Klassische Lenkrad-Krallen waren gestern: Über solche Methoden können professionelle Ganoven nur lachen. Über Online-Verfolgung nicht

grosse Glocke. Die Position des betreffenden Fahrzeuges ist auf einem entsprechenden Online-Portal jederzeit in Echtzeit abrufbar; auch der Routenverlauf kann dargestellt werden. Die einzigen Personen, die davon etwas mitkriegen, sind der Fahrzeugbesitzer mit passwortgeschütztem Zugang zum Ortungsportal – und alle, denen er die entsprechenden Ortungsdaten auch zugänglich macht. Zum Beispiel die Polizei.

das Auto auch nur seinen Standort verändert. Einfach aufladen auf den Hänger und unbemerkt abtransportieren, ist damit passé. Klar ist auch: Im zweiten Untergeschoss einer Tiefgarage werden GPS-Signale zu schwach, ebenso im bleiummantelten Klau-Transporter – aber wer hat den schon? Fakt ist aber auch, dass sich die Zahl aufgeklärter Autodiebstähle mit Ortungssystemen signifikant erhöht.

Online-Ortung ist inzwischen nur eine von vielen Funktionen sogenannter Fahrzeug-Telematiksysteme. Genutzt werden können die Daten zu verschiedenen Zwecken, aber eben auch zum Schutz vor Diebstahlverlust. Anbieter wie Yellow Fox (www.yellowfox.ch) gehen dabei in Sachen Anwendungsmöglichkeiten sehr weit: So lassen sich beispielsweise Alarmrufe für «kritische Ereignisse» einrichten. Im Sinne des Diebstahlschutzes ist ein solches eingetreten, wenn das Fahrzeug zum Beispiel ein bestimmtes Gebiet verlässt oder sich auch nur bewegt. In beiden Fällen erhält der Fahrzeugbesitzer oder autorisierte Betreuer sofort eine Meldung per SMS und/oder E-Mail. Für das Einrichten solcher Alarme muss man kein Programmierer sein, denn das Definieren von «kritischen Ereignissen» geschieht nicht etwa an der im Fahrzeug verbauten Anlage, sondern online mittels weniger Klicks auf dem passwortgeschützten Kundenzugang des Systemlieferanten.

Allein das Wissen um derartige Schutzfunktionen ist Balsam für die Seele vieler besorgter Autobesitzer. Sie werden umgehend informiert und können rechtzeitig eingreifen (lassen), bevor der vierrädrige Liebling auf Nimmerwiedersehen über alle Berge ist. Doch die GPS-basierten Ortungssysteme neuester Bauart können viel mehr als das. Nachfolgend drei Anwendungsbeispiele aus der Praxis:

Sicher: Autodiebe leben auch nicht hinter dem Mond und kennen solche Systeme. Deshalb verfahren sie gerne radikal und kappen kurzerhand die Stromzufuhr zum Bordnetz, um ungestört «arbeiten» zu können. Solchen Gegenmassnahmen begegnen manche Ortungsanbieter mit Akkus für den Notbetrieb, mit denen ihre GPS-Boxen nachgerüstet werden können. Damit kann ein Auto noch während Wochen und länger online verfolgt werden, obwohl das Bordnetz lahmgelegt wurde. Ausserdem wird dank zusätzlichem Bewegungsmelder eine Alarmnachricht abgesetzt, sobald

Der Vermieter von Sport- und Luxuswagen will sofort wissen, wenn seine mit Ortungsboxen ausgestatteten Fahrzeuge ein definiertes Gebiet verlassen (oder befahren). Solche Gebiete kann er individuell in jeder beliebigen Grösse und Form definieren – in Form von Rechtecken, Polygonen (z.B. Landesgrenzen) oder Korridoren beliebiger Länge bei einer Mindestbreite von 200 Metern. Verlässt oder befährt nun ein Fahrzeug sein entsprechend programmiertes Gebiet und durchbricht somit den elektronisch gelegten Zaun, geht eine entsprechende Handy- oder MailboxMeldung an den Halter. Im Fachjargon nennt sich diese Funktion «Geofencing». Nun kann er die Position des aus der Reihe tanzenden Fahrzeuges online orten und die gefahrene Strecke live verfolgen. Besteht der Verdacht, dass sich da jemand mit dem Fahrzeug unerlaubterweise aus dem Staub machen will, kann umgehend die Polizei ins Spiel gebracht werden. Ein Autodieb liesse sich aber auch ohne Blaulicht im Nacken zum Stehen bringen: Ein Klick auf dem Webportal – schon beginnt die Autohupe zu röhren und SOMMER 2012 107


Massgeschneiderte Überwachung: Alarmgebiete können online und mit wenigen Klicks definiert werden – entweder als Polygone beliebiger Form und Grösse (oben) oder als Rechteck (rechts). Diese programmierten Zonen lassen sich dann einer oder mehreren GPS-Boxen zuordnen. Jedes Gerät setzt via SMS oder E-Mail eine Alarmmeldung ab, sobald es eine solche Zone verlässt oder befährt

FUNKTION UND KOSTEN Fahrzeug-Telematiksysteme nutzen die öffentliche GPSOrtung und Datenübermittlung über das Mobilfunknetz. Im Falle der Pw-Lokalisierung funktioniert das so: Ein integrierter GPS-Empfänger errechnet aus Positionsdaten von mindestens vier Satelliten und der genauen Uhrzeit seine Position auf der Erde mit einer Genauigkeit von circa +/- 15 Meter. Diese Positionsdaten werden von einem mit SIM-Karte bestückten GSM-Modul über das Mobilfunknetz an ein Rechenzentrum gesendet und anwendergerecht aufbereitet. Das Abrufen dieser Daten geschieht über einen passwortgeschützten Zugang auf einem Online-Portal. Damit Online-Fahrzeugortung funktioniert, müssen also ein GSM-Netz und GPS-Empfang vorhanden sein. Prinzipiell funktioniert ein solches Fahrzeug-Telematiksystem weltweit, doch es gibt Unterschiede zwischen den Anbietern. Bei der Fahrzeugortung unterscheidet man zwischen Pull (die Fahrzeugposition wird einmalig über das Online-Portal angefordert) und Push: Man definiert hier über das Portal, dass die GPS-Box alle x-Meter oder alle x-Sekunden selbstständig eine Ortungsmeldung sendet. Kosten für den Endkunden entstehen bei der Anschaffung der Hardware (GPS-Box plus allfälliges Zubehör), bei der Datenübermittlung von der GPS-Box ans Rechenzentrum und für die Nutzung des Online-Portals. Beispiel Yellow Fox: Dort betragen die Basiskosten der Hardware je nach Bedürfnissen des Kunden zwischen 440 und 1000 Franken pro Fahrzeug exklusiv Montage. Ausserdem entstehen monatliche Kosten des Mobilfunkproviders für die Datenübermittlung und monatliche Nutzungsgebühren des Online-Portals. Diese Kosten beginnen bei gut 30 Franken pro Monat, sofern bei der Datenübermittlung keine Roamingkosten anfallen.

108 VECTURA #3

hört nicht mehr auf. Dasselbe geht mit dem Warnblinker; zudem lässt sich online die Stromzufuhr zum Anlasser kappen. Das wirft auch den abgebrühtesten Schurken zu viele Knüppel zwischen die Beine. Selbst wenn jetzt noch einer die Nerven haben sollte, den Wagen anzuhalten, die Motorhaube zu öffnen und der Hupe den Garaus zu machen, könnte er das Auto anschliessend nicht mehr starten. Der Besitzer eines Supersportwagens will auch unterwegs stets einen elektronischen Zaun um seinen Wagen ziehen können, ohne dass er jedes Mal online gehen muss, um ein entsprechendes Überwachungsgebiet zu definieren. Dafür eignet sich die Funktion «Self-Geofencing». Dabei legt die GPS-Box automatisch ein Überwachungsgebiet um ihre aktuelle Position an, sobald beim Fahrzeug die Zündung abgeschaltet wird. Mit Einschalten der Zündung wird die Überwachung wieder deaktiviert. Die Alarme, Funktionen und Möglichkeiten sind damit dieselben wie in Beispiel 1 beschrieben. Self-Geofencing kann wahlweise über einen versteckten Schalter aktiviert werden, damit die Funktion auch bei eingeschalteter Zündung aktiv bleibt. Auch an Oldtimer-Rallyes teilnehmende Autos werden gelegentlich mit mobilen GPS-Ortungsboxen ausgestattet, um den Event aufzuwerten. So können Fans die Routen aller Teilnehmer über eine elektronische Karte in Echtzeit im Internet verfolgen oder im Nachhinein als statische Darstellung abrufen. Jeder Ortungspunkt ist dabei mit Datum und Zeitangabe versehen, im Live-Modus wird stets auch die gerade gefahrene Geschwindigkeit angezeigt. Eine Empfehlung zum Schluss: locker bleiben! Ein mit GPSOrtungsboxen ausgerüsteter Wagen ist keine Lizenz für wilde Verfolgungsfahrten in Eigenregie, auch nicht im Falle eines Diebstahles. Die Satellitensignale sind aber eine wertvolle Hilfe für die Polizei, ein gestohlenes Fahrzeug ausfindig zu machen. In so einem Fall beschleunigt es die Sache sicher zusätzlich, wenn der Besitzer der Polizei einwandfrei beweisen kann, dass ihm das fragliche Auto auch wirklich gehört. Dies geht am besten mit dem Fahrzeugausweis oder zumindest mit einer Kopie davon. Letztere sollte man also besser bei sich haben.


GPS-ORTUNG

WAS FAHRZEUG-TELEMATIK SONST NOCH KANN

YELLOWTRACKER Der Yellowtracker ist die mobil einsetzbare Box von YellowFox mit eigener Stromquelle (Akku). Sie muss daher nicht mit dem Bordnetz des Fahrzeuges verbunden werden, kann also z.B. auch einfach versteckt im Kofferraum liegen. Das Gerät eignet sich deshalb auch gut zum Überwachen von Gegenständen ohne Stromversorgung, zum Beispiel Container, Lastwagenanhänger usw. Funktionen des Yellowtracker: • Ortungsmeldungen absetzen • Routenrapporte erstellen (Ortungspunkte, Geschwindigkeit, Zeit, Datum) • Gebiete überwachen und Alarme absetzen, wenn dieser Bereich befahren oder verlassen wird • eingebauter Bewegungssensor «erwacht», sobald er bewegt wird

P-BOX Die P-Box hat in der Basisversion keine eigene Stromversorgung (Akku nachrüstbar) und muss deshalb mit dem Bordnetz des Fahrzeuges verbunden werden. Funktionen der P-Box: wie Yellowtracker, aber ohne Bewegungsmelder (nachrüstbar). Dafür wird erkannt, wenn die Zündung ein- oder ausgeschaltet wird.

A-BOX Wie P-Box, ausser: Die A-Box kann mit einem Display nachgerüstet werden und ist kompatibel mit Carmin-Navigationsgeräten. Zusätzliche Funktionen der A-Box gegenüber Yellowtracker/P-Box: • Mit einem Display ist neben Navigation auch Truck-Navigation (Hinweise zu Unterführungen mit beschränkten Lichtmassen, Brücken mit beschränkter Tragkraft, Strassen mit Lastwagenfahr verboten etc.) möglich, ebenso die Kommunikation zwischen Disposition und Chauffeuren. • vorhandene Schnittstelle zum Auslesen von FMS-Daten des Fahrzeuges (Treibstoffverbrauch, Fahrverhalten usw.) • Registrieren und Auslesen von Telemetriedaten wie Betriebsstunden, Aktivität Nebenantriebe usw. • Ein Auslesen des Digitaltachos in Echtzeit ermöglicht Überwachung der Fahr- und Ruhezeiten von Chauffeuren.

Fahrzeug-Telematiksysteme machen komplettes Flottenmanagement online möglich. Die Ortung selbst ist dabei nur einer von vielen Aspekten. Längst hat sich der Anwendungsbereich vervielfacht. Im Vordergrund stehen heute Einsatzzwecke wie beispielsweise Arbeitszeitkontrolle, Fuhrparkmanagement (Überwachung von Wartungsintervallen, Vermeidung von Übernutzung usw.), Disposition, Navigation, Trucknavigation, Routenoptimierung, Alarmfunktion bei kritischen Ereignissen, Gebietsüberwachung, Fahreridentifikation, genormte Kommunikation zwischen Disposition und Chauffeur, Erstellen von Routen-, Geschwindigkeits- und Stillstandsrapporten (kann unter Umständen auch relevant sein als Beweisführung bei Streitigkeiten), Überwachung von Lenkund Ruhezeiten in Echtzeit, Übertragung von Fahrzeugsignalen wie etwa das Betätigen von Zündung, Nebenantrieben oder Türen. Im Einsatz stehen Telematikanwendungen vornehmlich dort, wo gewerblich Fahrzeugflotten betrieben werden. Sie ermöglichen es den Betreibern, Abläufe effizienter und kostensparender zu gestalten. Ausserdem können gerade Funktionen im Rahmen des Diebstahlschutzes relevant sein bei der Gestaltung der Versicherungsprämien. Will heissen: Wer seine Fahrzeuge vor Diebstahlverlust schützt, zahlt womöglich weniger Versicherungsprämie. Dazu Thomas Hauser, Geschäftsleiter Yellow Fox Schweiz: «Uns erscheint wichtig, dass ein Flottenbesitzer bezüglich Telematiklösungen nicht so viele Anwendungen wie möglich anstrebt, sondern sich auf so wenige wie nötig beschränkt. Die Erkenntnis, dass sich auch nur einzelne Aspekte des Flottenmanagements optimieren lassen, wird die Nachfrage nach solchen Systemen erhöhen.» Gut zu wissen für Kunden sei zudem auch, dass renommierte Anbieter solcher Telematiksysteme eigene Tests fahren lassen und auch Aftersales-Support anbieten, betont Hauser. Sinnvoll eingesetzt, machen sich die Kosten von Fahrzeug-Telematiksystemen also durchaus bezahlt. Ein Wort zum Datenschutz: Ohne ihr Wissen dürfen Personen nicht elektronisch überwacht werden. Dem Ehepartner beispielsweise aus Eifersucht heimlich eine GPS-Ortungsbox in den Wagen legen oder einbauen lassen, um zu überprüfen, wohin er oder sie fährt, ist strafbar. So müssen auch Arbeitgeber ihre Angestellten darüber in Kenntnis setzen, wenn das Geschäftsfahrzeug mit Telematik ausgerüstet ist, welche die Ortung des Fahrzeuges möglich macht.

KLEINE MARKTÜBERSICHT Zu den wichtigsten Anbietern von Fahrzeug-Telematiksystemen auf unserem Markt zählen (in alphabethischer Reihenfolge): AidComm AG, Allianz Suisse, Meridian Data Systems GmbH, Mobatime Swiss AG, NeToWin, Schaefer AG, Swiss Telematik, Traceon AG, Tracker.ch AG und eben Yellow Fox Schweiz. Vergleichen lassen sich die Systeme und Kosten der verschiedenen Anbieter aber nur sehr bedingt, da allein die Funktionen und Komponenten zur Nachrüstung der Hardware sehr unterschiedlich ausfallen. Ergo muss sich jeder individuell und nach seinen Bedürfnissen informieren.

SOMMER 2012 109


FAHRTERMIN

SALZ DES SÜDENS SEAT KOMBINIERT GESTANDENE VW-TECHNIK MIT WÜRZIGEM DESIGN. MIT DEM 180 PS STARKEN IBIZA R-EVOLUTION HABEN DIE SPANIER EINE ECHTE RENNSEMMEL IM PROGRAMM, ABER WIR MÖCHTEN DIESMAL GNADENLOS SPRIT SPAREN. DIE WAHL FÄLLT DESHALB AUF DEN NEUEN 1.2 TDI E-ECOMOTIVE – UND DER IST VERBRAUCHSTECHNISCH EINE OFFENBARUNG

Text Matthias Pfannmüller · Fotos Ian G.C. White

F

ünf Liter. Mehr Sprit werde in 24 Stunden kaum nötig sein, heisst es am Telefon. Also auf zum Ortstermin in Barcelona, der Hauptstadt Kataloniens und zweitgrössten Metropole Spaniens, um den frisch überarbeiteten Ibiza in der Extremsparversion E-Ecomotive kennen zu lernen! Die 1,6-Millionen-Stadt am Mittelmeer ist die Heimat von Seat (Sociedad Española de Automóviles de Turismo, S.A., übersetzt: «Spanische Gesellschaft für Pw»): Der Automobilhersteller wurde hier 1950 gegründet und baute zunächst Fiat-Modelle in Lizenz. Später folgten dann selbst entwickelte Fahrzeuge; seit 1986 gehört die Marke zum Volkswagen-Konzern, bildet dessen iberische Speerspitze und residiert im nahe gelegenen Martorell. Die noch von Luc Donckerwolke (Designer u.a. von Lamborghini Murciélago und Gallardo) rassig gezeichnete vierte Ibiza-Generation basiert auf der Plattform des aktuellen VW Polo, sieht aber frecher aus und wurde Mitte 2008 eingeführt. Seit 1984 gibt es die Baureihe; über 4,6 Millionen Einheiten sind seither produziert worden. In Barcelona ist das Auto allgegenwärtig, und damit es auch so bleibt, hat man den patenten Südländer kürzlich überarbeitet. Die optischen Unterschiede sind derweil dezent: Äusserlich ist der Ibiza 2012 an seinem Trapez-Grill und einer vertikalen Lichtkante auf der Motorhaube zu erkennen. Dazu kommen Retuschen an Bug- und Heckpartie sowie den Hauptscheinwerfern; Letztere sind jetzt kantiger und kommen optional (wie die Heckleuchten) mit LED-Tagfahrlicht. Darüber hinaus ist das Ausstattungspaket FR ab sofort auch für die Kombi-Variante ST zu haben. 110 VECTURA #3

Innen finden sich besser ablesbare Instrumente, das leicht modifizierte Lenkrad, die optimierte Klimaregulierung sowie ein grösseres Handschuhfach. Ab November wird es wahlweise – in Verbindung mit einer Steckverbindung der optionalen Tomtom-Navigation – ein PID genanntes tragbares Infotainmentsystem («Portable Infotainment Device») samt Bluetooth-Verbindung und iPad-artiger Bedienoberfläche geben. Davon abgesehen ist der Ibiza so geblieben, wie man ihn kennt und schätzt – er ist ein praktischer Kleinwagen mit temperamentvoller Erscheinung. In der Schweiz war er 2011 mit 3373 Einheiten der beliebteste Seat und dürfte es auch in diesem Jahr bleiben. Das Angebot umfasst weiterhin drei Karosserievarianten mit drei oder fünf Türen sowie Benzin- und Dieselmotoren mit 60 bis 180 PS. Meistverkaufte Version ist neben dem Cupra der 1.2 TSI mit 105 PS, was sich aber langsam ändern dürfte. Seat erwartet, dass der neue 1.2 TDI mit seinen 75 Pferdestärken angesichts der verschärften CO2-Gesetzgebung an Bedeutung gewinnen wird. Und mit genau dem – Erkennungszeichen: sein riesiger Windspoiler – sind wir jetzt unterwegs. Um es hier gleich klar zu sagen: Wer vorrangig Fahrspass sucht, sollte sich für eine andere Motorisierung entscheiden. Durchdrehende Räder? Vergiss es; kleine Quietscherchen sind hier das höchste der Gefühle! Der E-Ecomotive – das zusätzliche E soll bei Seat den Öko-Gedanken noch ausdrücklicher betonen – ist konsequent auf Spritsparen getrimmt. Das geht so weit, dass die Motorelektronik im Stand verhindert, den 1200er-Dreizylinder über 3000 Touren zu drehen. So viel Rotation muss allerdings



«Do the Ecomotion», rufen wir uns da aufmunternd zu, lassen den Dingen ihren Lauf und siehe da – sind ganz uneilig unterwegs dabei

112 VECTURA #3


FAHRTERMIN

Spartanisch: Der E-Ecomotive verzichtet in der Basisversion auf LED-Licht, Lederpolster, elektrische Fensterheber hinten, die getrennt umklappbare Rückbank und sonstige Extras

sein, denn unter 2000/min passiert so gut wie gar nichts, setzt sich der E-Ecomotive nicht mal in Bewegung. Erst darüber schiebt er unwillig knurrig, aber auch nachdrücklich an, während eine Schalt-anzeige möglichst frühe Gangwechsel anmahnt. «Do the Ecomotion», rufen wir uns da aufmunternd zu, lassen den Dingen ihren Lauf und siehe da – sind ganz uneilig unterwegs dabei. Während die Stopp-Start-Automatik des Öko-Ibiza an jeder Ampel brav abschaltet, wenn der Fahrer bewusst auskuppelt, lassen wir die quirlige Stadt bei offenen Seitenfenstern immer relaxter auf uns einwirken. Unser Fünftürer im schicken, aber auch 560 Franken teuren «Apolo Blue» gefällt mit leichter Zugänglichkeit und ausreichend grosszügigen Platzverhältnissen auf allen Sitzen. Dazu gibt es einen üppigen Kofferraum, der unser gesamtes Gepäck plus Fotoausrüstung schluckt. Im Nah- oder Stadtverkehr ist das mehr als ausreichend und Supermarkt-tauglich sowieso. Wer besonders praktisch denkt, kann diese Motorisierung aber auch mit der Kombi-Karosserie kombinieren. Als angenehm empfinden wir die komfortbetonte, dabei nicht zu weiche Federung. Der E-Ecomotive ist in der Basisversion Reference als möglichst leichtes Sparbrötchen natürlich sehr frugal ausgestattet, aber das macht schon wieder seinen Charme aus. Hier ist nichts an Bord, was nicht unbedingt sein müsste. Das bedeutet gleichzeitig, dass seine Besatzung mit viel grau-schwarzem Kunststoff zu tun hat. Etwas ärgerlich und antiquiert ist, dass es zwar einen USB-Port gibt, für das Musikhören vom iPhone ohne das erwähnte PID aber ein zusätzlicher Adapter benötigt wird. SOMMER 2012 113


FAHRTERMIN

Ein auffällig grosser Dachspoiler hilft den Luftwiderstand zu reduzieren. Das Teil ist die mit Abstand sportlichste Eigenschaft des E-Ecomotive

TECHNISCHE DATEN SEAT IBIZA 1.2 TDI E-ECOMOTIVE Konzept Antrieb

Auf geringen Verbrauch getrimmter Kleinwagen mit optimierter Aerodynamik, Brems-Rekuperation und Stopp-StartSystem. Wahlweise mit 3 oder 5 Türen (Limousine/Kombi) Dreizylinder-Diesel (Common-Rail-Einspritzung) mit AluZylinderkopf und 12 Ventilen, Turbolader (VNG) und Ladeluftkühler. Manuelles Fünfgang-Schaltgetriebe, FWD

Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

1199 79,5 x 80,5 16,5:1 75 (55) @ 4200 180 @ 2000 M5

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder

405/169,5/144,5 247 146,5/145,5 185/60 R 15 auf 6 J

Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS

45 290–940 1075 1600 14,3

0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

13,9 173

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

3,4 89 A 21 600.– (Dreitürer)

*

gemessen nach NEFZ, Neuer Europäischer Fahrzyklus

114 VECTURA #3

Tankstelle ade: Der 1.2 TDI muss nur selten rüsseln. Das grüne «E» am Heck weist auf den Sparmeister hin


Anschliessend stĂźrzen wir uns ins urbane GetĂźmmel. Der wendige Ibiza zeigt sich dort einmal mehr als idealer Begleiter SOMMER 2012 115


FAHRTERMIN

Den Sparsamkeitsanspruch erfüllt dieser Seat mit Bravour. Der Preis ist das verhaltene Temperament

Nicht gespart hat Seat an einer insgesamt guten Verarbeitung sowie der Technik mit akkurater Lenkung, knackiger Schaltung und fein dosierbaren Bremsen. Letztere haben ein vergleichbar lockeres Leben, denn wo es nicht viel zu beschleunigen gibt, muss auch viel weniger Tempo abgebaut werden. Damit sie sich nicht langweilen, führen sie der Batterie beim Bremsen Energie zu. Wir cruisen quer durch Barcelona, kreuzen die Plaça de Catalunya und biegen Richtung Hafen in die Ramblas ab. Kurz vor Barceloneta halten wir uns rechts, wedeln trotz hoher Zuladung mit Schwung bei gut 2000 Touren im dritten Gang und mit bald 60 Sachen den steilen Hausberg Montjuïc hinauf, wo vor 20 Jahren die Olympischen Sommerspiele stattfanden. Möglich machen es die passend abgestufte Untersetzung und das gute Drehmoment des sich bei solchen Übungen erneut brummig äussernden Dieselmotors. Oben angekommen, darf er verschnaufen, haben wir einen herrlichen Blick auf die Stadt, deren Kulisse unter anderem von der Gaudi-Kirche und gleichzeitigen Dauer-Baustelle Sagrada Família geprägt wird. Anschliessend stürzen wir uns wieder ins urbane Getümmel. Der wendige Ibiza zeigt sich dort einmal mehr als idealer Begleiter, 116 VECTURA #3

dem keine Gasse zu eng ist und nur wenige Parkplätze zu kurz. Dank einer guten Rundumsicht sind auch verwinkelte Parkhäuser kein Problem. Auf der Autobahn Richtung Flughafen dreht unser Testwagen am nächsten Mittag noch einmal richtig auf, beschleunigt aus Tempo 100 bei unter 2000/min im Fünften willig auf 120 Stundenkilometer bei 2300/min. Jetzt wäre locker mehr drin; Seat gibt die Höchstgeschwindigkeit mit über 170 km/h an. Als wir unseren Barcelona-Trip nach über 140 gefahrenen Kilometer am Terminal beenden, meldet der Bordcomputer 4,7 Liter, hat sich die digitale Tankanzeige noch keinen Jota bewegt. Das ist unter überwiegend städtischen Fahrverhältnissen wirklich sehr, sehr gut für ein vollwertiges, immer noch 1180 Kilo schweres Auto. Den Sparsamkeitsanspruch erfüllt der Ibiza E-Ecomotive also mit Bravour – und das zu einem angemessenen Preis. Wer also auf Statussymbole wenig Wert legt, sich ohne grosse Betriebskosten flüssig von A nach B bewegen und dabei in einem lässig gestylten Auto sitzen will, sollte den Spanier ernsthaft in Erwägung ziehen. Es wäre nur scheinbar eine pragmatische Kaufentscheidung. In nicht wenigen Fällen könnte sich daraus eine stabile Langzeitbeziehung entwickeln.


SOMMER 2012 117


BRITANNIENS MOBILE

THRONSESSEL

DEN THRON BESTIEG SIE BEREITS AM 6. FEBRUAR 1952 – DOCH MIT GEBÜHRENDEM GLANZ UND GLORIA GEFEIERT WURDE DIE 60-JÄHRIGE THRONBESTEIGUNG VON QUEEN ELIZABETH II ERST ANFANG JUNI. SECHS DEKADEN SPÄTER LIESSEN DIE BRITEN IHRE INZWISCHEN 86-JÄHRIGE MONARCHIN ERNEUT HOCHLEBEN – VIER TAGE LANG HULDIGTEN IHR LONDON UND DAS GANZE LAND. GRUND GENUG FÜR EINEN BLICK ZURÜCK AUF DIE EDELSTEN HOFLIMOUSINEN DER QUEEN Text Thomas Imhof · Fotos Getty Images, JDHT, Werk

118 VECTURA #3


BLAUBLÜTER

A

uch wenn das Königshaus der Windsors bekanntlich deutsche Wurzeln hat – einen Maybach oder Mercedes als Staatslimousine zu ordern, wäre den Royals nie in den Sinn gekommen. Zwar sah man die Queen auf einem Deutschland-Besuch in den 60er-Jahren schon mal in einem Mercedes 600 Landaulet und bei US-Visits in einem Cadillac, doch wenn es um das Thema der hauseigenen Staatslimousine ging, hiess ihr Motto stets «Buy British».

Tour durch Australien und Neuseeland neben Prinz Philip in einem jener schweren Daimler Straight Eight, an denen die Zeit scheinbar spurlos hinweggegangen war. Als Daimler 1960 von Jaguar übernommen wurde, waren die festen Stellplätze in den «Royal Mews», dem königlichen Marstall, schon längst von einer anderen Marke belegt: Rolls-Royce hatte die Rolle des Hoflieferanten – «By appointment to Her Majesty Queen Elizabeth II motor car manufacturers» – erobert.

Erste Kontakte zum Königshaus hatte 1900 die Marke Daimler geknüpft. Daimler aus Coventry, wohlgemerkt. Über 50 Jahre lang war danach «The Car for Kings», wie «der Daimler» respektvoll genannt wurde, rollender Thronsaal der Könige von Edward VII. bis George VI. Bis Anfang der 50er-Jahre sicherte sich das renommierte Unternehmen aus den Midlands bei der Belieferung des königlichen Fuhrparks eine Monopolstellung. Sie reichte noch bis in die Amtszeit der heutigen Königin. 1953/54 sass sie auf einer

Die Idee zum Umsatteln soll von Prinz Philip ausgegangen sein, der 1949 einen Auftrag für eine grosse Limousine nach Crewe gesandt hatte. Vorausgegangen war eine Probefahrt in einem Achtzylinder-Experimental-Bentley, die ihn wohl nachhaltig beeindruckte. Unter dem Codenamen «Nahba» entstand jedenfalls auf Basis eines verlängerten Silver-Wraith-Chassis der Rolls-Royce Phantom IV, welcher in den Folgejahren nicht nur Englands künftige Staatslimousine werden sollte.

Die aktuelle Bentley-Staatskarosse ist seit zehn Jahren im Dienst – hier 2011 auf dem Weg zur Hochzeit von William und Kate in der Westminster Abbey. Das Auto ist nicht schön, aber praktisch. «Selbstmörder-Türen» erleichtern der 86-jährigen Queen – mit Prinz Philip im Schlepptau – das Ein- und Aussteigen

SOMMER 2012 119



BLAUBLÜTER

Werksbesuch bei Jaguar in Coventry 1956 – ausgerechnet mit einem Rolls-Royce Phantom IV Landaulette von Hooper. Das Prunkstück fuhr noch bis in die späten 80er-Jahre in königlichen Diensten


BLAUBLÜTER

122 VECTURA #3


An den schweren wie konservativen Royal Daimler ging die Zeit scheinbar spurlos vorüber

Schon 1952 hatte Elizabeth auf dem Weg zur Trauerfeier für ihren verstorbenen Vater erstmals öffentlich in einem Fahrzeug mit der Spirit of Ecstasy auf dem Kühler gesessen, 1954 fuhr sie mit dem nagelneuen Phantom IV erstmals in offizieller Mission zur Eröffnungssitzung des Parlaments. Nur 18 Exemplare dieses wahrhaft königlichen Fahrzeugs wurden zwischen 1950 und 1956 gebaut, 16 existieren noch heute. Ausschliesslich gekrönte Häupter, Potentaten und Präsidenten zählten zur Kundschaft, wie der Schah von Persien, der Aga Khan oder Spaniens Diktator Franco, der gleich drei Exemplare orderte. Die königliche Familie war bescheidener und bestellte deren zwei: zunächst 1950 die noch heute in Dienst stehende Limousine mit Karosserie von H.J. Mulliner, geliefert an die damalige Thronfolgerin HRH Princess Elizabeth und ihren Gatten in spe, HRH The Prince of Edinburgh. Zuerst in der Farbe Valentine-Grün, dann nach der Thronbesteigung standesgemäss umlackiert in den königlichen Dresscode

aus Schwarz und Royal Claret (Bordeauxrot). 1954 kam noch eine Landaulette-Version hinzu, mit Hooper-Karosserie und einem zum Frischluftabteil umwandelbaren Fond. Der 5,7-Liter-Reihenachtzylinder der Rollies war gut für 160 km/h; vertrug aber klaglos auch langes Zuckeln mit der schon damals auf 14 bis 15 Stundenkilometer fixierten Prozessionsgeschwindigkeit. Und bei 577 cm Länge sowie 195 cm Breite war Platzmangel kein Thema. Nach einem Zwischenspiel mit zwei Exemplaren des Nachfolgers Phantom V – die erst 2002 ausrangiert wurden – markierte 1978 die nächste grosse Zäsur im Fuhrpark des Buckingham Palace. Da überreichte die Society of Motor Manufacturers and Traders (SMMT) einen Phantom VI als Präsent zum silbernen Jubiläum. Damit Elizabeth beim Einsteigen kein Zacken aus der Krone fiel, erhielt er ein höheres Dach und zusätzlich ein grösseres Glashaus. Das machte das Modell zwar nicht schöner, aber viel repräsentativer.

Ob zur Eröffnung des britischen Parlaments (links) oder 1954 in Melbourne: Die Daimler «All Weather» Straight Eight wirkten stattlich, waren aber technisch veraltete Saurier

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BLAUBLÜTER

Phantom IV, der Erste: Die geschlossene Version dieses in nur 18 Exemplaren gebauten Rolls-Royce (Karosserie von H.J. Mulliner) wurde zu Auslandsreisen auch mal als Luftfracht aufgegeben. Selbst auf der königlichen Yacht «Britannia» war ein fester Stellplatz im Unterdeck reserviert

Rule Britannia, Britannia rule the waves: Die junge Queen verlässt im offenen Land Rover das Deck «ihres» Flugzeugträgers «HMS Albion»

War mehr «privacy» gewünscht, konnten die Glaseinsätze im Dach durch Abdeckungen aus Aluminium zugedeckt werden – ja, es gab für sie sogar eigene Staufächer im Kofferraum. In der hinteren Mittelarmlehne fanden sich ein Radio, die Klimaregler und ein Diktiergerät samt Reserve-Kassetten und -Batterien – Multimedia anno 1978. Verzögert wurde das neue Staatsschiff von Trommelbremsen, immerhin aktiviert von einem Hydraulik-Hochdrucksystem. Dass sich das Vereinigte Königreich damals in Turbulenzen befand, beweist das Auslieferungsdatum: Weil Streiks nicht nur das RR-Werk Crewe, sondern auch die Studios des Karosseriebauers Mulliner Park Ward zeitweilig lahm legten, wurde der Rolls erst 1978 und damit im Jahr nach dem Kronjubiläum zugestellt. 1987 folgte – diesmal fristgerecht – ein zweiter Phantom VI mit konventionellem Dachaufbau, der wie die Hochdachvariante bis heute zum Einsatz kommt. 124 VECTURA #3

Der bis 1991 gebaute Phantom VI war der Schwanengesang der Marke Rolls-Royce alter Prägung. Das Selbstlob vom «Best Car of the World» klang zunehmend hohl. Es waren aristokratische, gleichwohl technisch veraltete Kolosse, in Würde gealtert und mit bei 4000 Umdrehungen pro Minute freigemachten 200 PS eher schwach motorisiert. 373 Phantom VI wurden insgesamt gebaut – das Ende einer Ära, an die sich ausgerechnet die Übernahme durch deutsche Retter (erst Volkswagen, dann BMW) anschloss. Es war Zeit auszumisten, dachten sich auch die Royals – schliesslich geht auch das Königshaus so gut es geht mit der Zeit. Und musste einst Daimler gegen Rolls-Royce den Kürzeren ziehen, erhielt diesmal RR beim Zuschlag um die neue Staatslimousine die kalte Schulter gezeigt. Man schrieb den 29. Mai 2002, als der damalige Bentley- und Ex-Audi-Chef Franz-Josef Paefgen auf Windsor Castle der Queen aus Anlass ihres goldenen Dienst-



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Koloniale Attitüde: Elizabeth und Philip 1956 auf Besuch in Nigeria. Als Sänfte diente ein Rolls-Royce Silver Wraith mit Hooper-Aufbau. Das Auto gehörte Nubar Gulbenkain, einem US-Öl-Tycoon armenischer Abstammung, und war auch für ihn gebaut worden

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BLAUBLÜTER

Die Kühlerfigur zeigt den heiligen Georg, wie er gerade einen Drachen ersticht. Auf dem Dach stehen die Wappen des Vereinigten Königreichs (England, Schottland, Wales und Nordirland). Ein blaues Konvoi-Licht zeigt an, wo sich die Queen befindet

jubiläums die neue Bentley State Limousine präsentierte. Die neue «Queenousine», mit Technik aus dem (deutschen) VolkswagenKonzern, war frisch eingetroffen – und wie schon 1978 bei RollsRoyce nahm die Queen das Geschenk huldvoll lächelnd an. Der allererste Bentley in königlichen Diensten war der erste mit Turboaufladung und der erste, bei dessen Konstruktion CAD (Computer Aided Design) zur Anwendung kam. Im Gegensatz zum Phantom VI besass er auch eine selbsttragende Karosserie. Designchef Dirk van Braeckel und sein Kollege Crispin Marshfield spendeten dem unter dem Codenamen «Project Diamond» laufenden Auto ein Vieraugen-Gesicht, einen filigranen Dachaufbau und gegenläufig öffnende «Selbstmörder»-Türen. Die Glasdächer können im hinteren Bereich mit blickdichten schwarzen Abdeckungen verdeckt werden und lassen dann nur noch ein kleines Heckfenster mit runden Ecken frei. Die Einsätze sind auch abnehm- und im Kofferraum verstaubar. Neben vier festen Sitzplätzen gibt es zwei klappbare Schemel entgegen der Fahrtrichtung an der Trennwand zum Fahrerraum. Die hinteren Sessel sind mit kuscheliger Lammfellwolle bezogen, der Rest ist mit hellgrauem Connolly-Leder ausgeschlagen. Damit sich die Staatskutschen – ein zweites Modell dient als Reserve – nicht zu sehr aufheizen, kommt Zweischichtenglas zum 128 VECTURA #3

Einsatz. Im Dach ist es zu 40 Prozent getönt, an den Seiten nur zu 15%, weil die volkstümliche Queen sehen und gesehen werden will. Der Bentley ist nicht weniger als 622 Zentimeter lang – 80 cm länger als sein Genspender Bentley Arnage und 177 statt 151,5 cm hoch. So kann die Königin auch gefahrlos mit ihrer unabdingbaren Kopfbedeckung einsteigen. 19-Zoll-Felgen wirken gerade noch angemessen für den leer 3,4 Tonnen schweren Auto-Brocken. Der dank des 6,75 Liter grossen V8 mit Bi-Turboaufladung 400 PS und 835 Nm an Drehmoment entwickelt und elektronisch bei 120 mph (193 km/h) den Vortrieb einstellt. Wie alle State Limousines vor ihnen benötigen auch die Royal Bentleys kein Nummernschild. Dafür tragen sie das beleuchtete Wappen des Königreichs auf dem Dach, einen Knauf zum Hissen der Standarte und ein blaues Konvoi-Licht, das den Sicherheitskräften in einer Prozession hilft, das Auto leichter auszumachen. Die königliche Kühlerfigur zeigt den heiligen Georg, wie er gerade einen Drachen ersticht. Die silberne Skulptur nach einem Entwurf von Edward Seago wird aber nur dann aufgesteckt, wenn Elizabeth II. tatsächlich an Bord ist. Für Fahrten in Schottland gilt ein anderes Protokoll – dort ersetzt eine Löwen-Figur die Drachenszene. Bei der Hochzeit von Kate Middleton und Prinz William im April 2011 gaben sich Royal Cars aus 60 Jahren auf den von fähnchen-


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Rolls-Royce-Dienstwagenflotte in den Royal Mews – hinten mittig der Phantom VI mit erhöhtem Dach It could have been worse: Beim Besuch der Bahamas im März 1966 war dieser offene RR Silver Cloud mehr als angemessen

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Bei Touren in sonnenverwöhnte Länder des British Commonwealth kamen bevorzugt Cabriolets zum Einsatz. Fürs regnerische England standen dagegen hochgeschlossene Rolls-Royce im Marstall des Buckingham Palace bereit

Auch auf Mauritius war 1972 weltoffenes Fahren angesagt – in einem seltenen, weil extra aufgeschnittenen Jaguar XJ6 Series 1


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schwenkenden Massen flankierten Strassen Londons nochmals ein treffliches Stelldichein. Im Methusalem-Phantom IV von 1950 glitten Prinz Charles und Camilla Parker-Bowles zur Westminster Abbey. Es war der gleiche Oldie, der im Dezember 2010 von protestierenden Studenten ohne Respekt auf Insassen (Charles und Camilla) und Herkunft des Autos mit weisser Farbe besudelt wurde. Sogar Scheiben gingen zu Bruch, man war darüber nicht «amused» in königlichen Kreisen. Kate Middleton und ihr Vater nahmen derweil im Phantom VI mit Panorama-Dach Platz, während ein Bentley die Queen samt Prinz Philip und der zweite den Bräutigam plus Bruder Harry an Bord nahmen. Pippa, Kates von 132 VECTURA #3

der Boulevardpresse gefeierte jüngere Schwester, sah man derweil zusammen mit den Brautjungfern in einer der ehrwürdigen Daimler-Limousinen, von denen noch immer zwei im königlichen Fuhrpark ihr Gnadenbrot fristen. Die 2002 im biblischen Alter von 101 verstorbene Queen Mum besass insgesamt fünf der majestätischen Aristo-Cats. Auf dem Kofferraumdeckel eingeprägt: das Monogramm ER (Elisabeth Regina), umrankt vom – ausgerechnet französischen – Motto «Honi soit qui mal y pense» («Beschämt sei, wer schlecht darüber denkt») des britischen Hosenbandordens. Unter den speziellen Wünschen der im Volk höchst beliebten alten Dame war ein Sitzkissen, das «weicher als üblich» sein sollte.


Mit dem DS420 war Daimler 1968 noch einmal ein (letztes) Comeback am Hofe gelungen. Als erstes Modell des unseligen BritishLeyland-Konzerns (deutscher Spottname «British Elend») nutzte es die um 53 Zentimeter gestreckte Bodengruppe des Jaguar 420G, was die 5,7 Meter lange Pullman-Limousine zum grössten jemals gebauten englischen Auto mit selbsttragender Karosserie machte. Als Motor kam der verdienstvolle Jaguar-XK-4,2-L-Reihensechszylinder zum Einbau. Das fliessende Design der Heckpartie sowie die längste Coachline der Welt – freihändig und ohne Schablone aufgetragen – orientierten sich an klassischen Hooper-Karosserien und sind bis heute eine Klasse für sich.

Die Daimler-Limousine Typ DS420 war ein rollendes Clubzimmer, das seinen Insassen eine «splendid isolation» verschaffte

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Traditionell «well known» ist die Vorliebe der Queen und ihres Gemahls für Land und Range Rover. Geht es auf die königlichen Residenzen, setzt Elizabeth II auf Allradantrieb

Mit 164 PS bei über zwei Tonnen Lebendgewicht war gleiten statt heizen das Motto. Die Daimler-Limousinen waren und sind rollende Clubzimmer, die ihren Insassen eine «splendid isolation» verschafften, das Wohlgefühl der Abgeschiedenheit. Eine Trennscheibe separierte die herrschende Klasse vom Chauffeur, auf Wunsch gab es Minibar, Kühlschrank mit Eiswürfelbereiter und TV. Dicke Holzfurniere, Seidenvorhänge und Teppiche aus schwerem West-of-England-Stoff sorgten für ein hochadeliges Ambiente. Erst 1992 lief die Produktion der «grand old lady» aus. Nur Daimler, Rolls-Royce und Bentley schafften es in über 110 Jahren bis in die Hofgaragen. Was nicht ausschloss, dass die Royals zum Privatvergnügen auch mal fremdgingen. Prinz Charles' Schwäche für Aston Martins ist hinlänglich bekannt, genauso wie Prinzessin Dianas Flirts mit Jaguar – sie fuhr lange einen offenen XJ-S mit zwei eigens angefertigten Zusatzsitzen für die Prinzen William und Harry. Auch Audi gab bei der «Prinzessin der Herzen» mit einem 80er-Cabrio ein kurzes Gastspiel. Der VW-Tochter gelang es in jüngster Zeit sogar – dank angeblicher Nachlässe in Höhe von royalen 60 Prozent – einen Fuss in die Tür des Könighauses zu stellen. Das schrullige Pärchen Prinz Charles und

Camilla (Duchess of Cornwall) wurden von Paparazzis schon in einem A6 Allroad abgelichtet, aber auch einen A8 nennt der Prince of Wales sein Eigen. Prinz William scheucht gern eine S4 Limousine, während Herzdame Kate und Brüderchen Harry sich privat mit dem A3 begnügen: In der Boulevardpresse werden solche Begegnungen zur Freude des Herstellers prominent dokumentiert. Traditionell «well known» ist die Vorliebe der Queen und ihres Gemahls für Land und Range Rover. Geht es auf die königlichen Residenzen von Balmoral (Schottland) oder Sandringham (Norfolk), setzt Elizabeth II bevorzugt auf Allradantrieb. Wie im Film «The Queen» (2006) mit Helen Mirren in der Hauptrolle zu sehen, ist sie besonders gern in einem grünen Defender 110 unterwegs. Mit der Feststellung: «Ich war im Krieg als Mechanikerin tätig», prüft sie in einer Szene sogar fachmännisch den Unterboden, nachdem sie einen Wildbach etwas zu forsch durchquert hatte. Bis 2004 steuerte sie zudem noch selbst einen auf dem Jaguar XJ basierenden Daimler Super V8 mit 4,0-Liter-V8-Kompressor und 400 PS. Um ihre drei Welsh Corgis komfortabler unterbringen zu können, wurde auf ihr Geheiss eigens die zweiteilige Rückbank gegen eine einteilige Couch gewechselt. SOMMER 2012 135


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Remembering the early days: Elizabeth II mit Lord Montagu of Beaulieu und einem ihrer Welsh Corgis im ersten Royal Daimler von 1900. König Edward VII. (unten) verlieh der Marke 1902 den Status eines königlichen Hoflieferanten, den sie 50 Jahre exklusiv innehalten sollte

Wie schön, dass bei aller steifen Etikette mitunter noch Raum für spontane Einfälle ist. Nach Abschluss der Hochzeitszeremonie fuhr Prinz William seine Frischangetraute mit einem völlig aus der Reihe tanzenden Auto nach Hause: einem 1969er Aston Martin DB6 Volante Mk II, den die Queen ihrem Sohn Prinz Charles zum 21. Geburtstag vermacht hatte. Der in Seychelles Blue lackierte Roadster ist einer aus einer Serie von 38 und hat einen 4,0-LiterReihensechszylinder mit 325 PS unter der Haube. Der selbsterklärte Öko-Jünger Charles hat den Motor auf den Betrieb mit aus britischem Wein gewonnenen Ethanol ausgelegt – nur böse Zungen behaupten, dass dies die eindeutig beste Verwendung für den Rebensaft sei. Das Auto, mit dem dereinst alles begann, hat derweil längst seinen Ruhesitz in der Royal Car Collection von Sandringham House gefunden. 1977 war der erste von insgesamt gut 100 Royal Daimler in den Werkstätten des National Motor Museums in Beaulieu in 15-monatiger Arbeit liebevoll restauriert und wieder in den Originalzustand von 1900 gebracht worden. Heute erinnert die pferdelose Kutsche – ein «Mail Phaeton» mit dem Kennzeichen A7 – die Besucher an den Beginn der Motorisierung des britischen Königshauses und ganz Grossbritanniens.

Wer mehr über die britische Rekord-Monarchin erfahren möchte, dem sei der Buchtitel «Elizabeth II. – Das Leben der Queen» empfohlen. Autor Thomas Kieliniger huldigt «der lebenden Antithese zur modernen Celebrity-Kultur»: Der langjährige England-Korrespondent schreibt kenntnisreich und kurzweilig, womit sich auch erklärt, warum anlässlich des diamantenen Thronjubiläums – das hat es bisher nur einmal 1897 bei Königin Victoria gegeben – jetzt die zweite, natürlich aktualisierte Auflage (inklusive Stammbaum) vorliegt. Der 288-seitige Titel ist im Münchener Verlag H-C. Beck erschienen und kostet CHF 28,70.

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«EIN CAYENNE MIT ZWEI RÄDERN» IN SCHWEIZER RENNVELO-KREISEN IST ALDO SCHALLER EINE FESTE GRÖSSE: DER EHEMALIGE ELITE-AMATEUR WAR SCHON MIT LANCE ARMSTRONG UNTERWEGS; WELTMEISTER FABIAN CANCELLARA GEHÖRT SEIT JAHRZEHNTEN ZU SEINEN FREUNDEN. FÜR VECTURA STIEG ALDO ERSTMALS AUF PORSCHE UM – UM DARÜBER ZU BERICHTEN, OB DIE ÜBER 8000 FRANKEN TEURE MASCHINE ETWAS TAUGT Text Aldo Schaller · Fotos Ian G.C. White

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F

ahrräder und Autos haben einen gemeinsamen Ursprung. Beide sind dazu gedacht, uns Menschen schneller zu machen. Das Velo ist klar die ältere Erfindung; seine Existenz geht auf das frühe 19. Jahrhundert zurück, damals noch als hölzernes Laufrad. Viele wissen heute gar nicht mehr, dass auch Automobilhersteller wie Opel oder Peugeot aus Fahrrad-Manufakturen hervorgegangen sind. Ich persönlich bevorzuge klar das Rad, weil es mich näher an die Natur bringt und dabei auch fit hält. Obwohl sich mein Alter inzwischen klar bemerkbar macht, trainiere ich viermal die Woche und kann immer noch sehr gut mithalten. Im Laufe meiner Karriere bin ich schon alle möglichen Zweiräder gefahren, darunter auch ein paar Bikes, die von Automarken angeboten worden sind. Viel Schrott war früher dabei – billige Asien-Ware, die mit ein paar Aufklebern teurer gemacht wurde. Ich bin also vorbelastet und mag es gar nicht, wenn das, was draufsteht, nichts mit dem Produkt zu tun hat und man lange daran herumschrauben muss, bis es funktioniert. Doch das ist Schnee von gestern: Heute will sich niemand mehr mit minderwertigem Material eine Blösse geben. Unterschiede in der Verarbeitung oder Ausstattung gibt es trotzdem, riesige sogar. Und darum war ich sehr gespannt auf die exakt 8075 Franken teure Maschine hier.

Das Bike RS ist der erste Porsche, der sich ausschliesslich mit Muskelkraft bewegen lässt

Das Porsche RS hat mir schon auf den ersten Blick gefallen. Es macht einen sehr eigenständigen Eindruck, obwohl das obere geschwungene Rahmenrohr optisch zunächst an Beachcruiser erinnert. Der Rahmen selbst entstand in Zusammenarbeit mit der deutschen Zweirad-Manufaktur Rotwild, und ich höre, dass man bei Porsche nicht so gerne darüber spricht. Das ist ganz typisch: In der Fahrradbranche wird um den Rahmen immer ein RiesenGeheimnis gemacht, weil sehr oft Zulieferer im Spiel sind. Beim RS handelt sich um ein so genanntes Fitnessrad, das auf extrem trendigen 29-Zoll-Rädern steht: Ihr Vorteil gegenüber den üblichen 26-Zöllern ist der spürbar höhere Abrollkomfort. Wir hier in der Schweiz tun uns noch ein wenig schwer mit 29ern, doch in den USA wird heute gar nichts anderes mehr verkauft. Beim Porsche serienmässig aufgezogen sind breite, gute Reifen mit Strassenprofil, was auf die Verwendung hinweist: Das RS ist kein Mountainbike; es hat weder grobstollige Gelände-Pneu noch eine Federgabel. Für eine Rennmaschine wiederum ist es zu

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Feine Zutaten fĂźr Kenner: viele Crankbrother-Teile, darunter feine Cobalt-29-Zoll-Felgen. Die 20-Gang-Kettenschaltung kommt von Shimano, eine hydraulische Scheibenbremsanlage von Magura. Der im Rahmenwinkel platzierte QR-Code soll vor Diebstahl schĂźtzen

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hochbeinig. Es ist also als Sportrad für zwischendurch gedacht – eine Mischung aus Stadt- und Trekkingfahrrad, das für Strasse und Schotterwege gleich gut geeignet ist. Man könnte es also gewissermassen auch einen Cayenne mit zwei Rädern nennen. Der Preis ist hoch, aber okay – das RS ist ja kein Massenprodukt. Ich selbst habe ein Colnago-Rennrad von Ferrari, das natürlich viel teurer ist als ein reines Colnago. Dafür hat es dann auch nicht jeder, obwohl Porsche keine Angaben macht, wie viele RS man bauen will. Das Volumen orientiert sich offensichtlich an der Nachfrage. Egal, allein die Kombination Lenker-Vorbau, Radsatz und Pedale von Crankbrothers in diesem schönen dezenten Blau findet man sonst in keinem Laden. Auch die anderen Komponenten sind hervorragend. Etwas schwierig ist es für mich, ein so tolles Bike in der Stadt abzustellen, auch abgeschlossen. Fahrraddiebstahl ist nach wie vor sehr verbreitet, vor allem bei exklusivem Gerät wie diesem hier. Deshalb ist es cool, dass es am RS die Rahmennummer in Form eines einlaminierten QR-Codes gibt: Den kann man mit dem Handy abscannen und erkennt sofort, wem das Rad tatsächlich gehört. Porsche spricht von einer «Modul-Monocoque-Bauweise für hohe Stabilität und aussergewöhnliche Dämpfungseigenschaften». Das klingt zwar ein wenig geschwollen, meint aber das Richtige: Kohlefaserrahmen fühlen sich ja beim Fahren wie eine gespannte Feder 144 VECTURA #3

an und gehen unheimlich gut nach vorne, so auch dieser. Wenn man aus dem Sattel geht und beschleunigt, ist der Vortrieb sehr direkt spürbar. Auch bergauf geht es leichtfüssig voran. Das liegt natürlich auch daran, dass Kohlefaser-Bikes und auch die modernen Räder so wenig wiegen. Stahl- oder Alurahmen fühlen sich einfach nur steif an, während Karbon dämpft, wenn man offroad unterwegs ist. Das Porsche-Teil ist über Stock und Stein also sehr bequem zu fahren, während dich ein Metallrad fast totschlägt. Reifenwahl und -druck sind natürlich extrem wichtig, das wird oft unterschätzt. Porsche ist hier eine sehr gute Kombination gelungen, Hut ab. Fürs Gelände würde ich allerdings Semi-Slick-Mäntel mit etwas mehr Profil aufziehen. Ein Wort noch zu den Bremsen: Die verzögern fein dosiert und wenn es sein muss brutal, das ist eine unglaubliche Steigerung gegenüber früheren Systemen. Auch hier bleibt mir nur zu sagen: echt Porsche eben. Erwähnen möchte ich auch das Handbuch – es ist das vielleicht beste, welches ich seit langer Zeit gesehen habe. Nicht nur, weil es speziell für dieses Modell gemacht worden ist. Auch die Fotos und Anleitungen sind einfach vorbildlich; da steht auf über 80 Seiten einfach alles drin und man hat schon vor der ersten Fahrt ein gutes Gefühl. Insgesamt bin ich also sehr positiv überrascht von der Maschine. Ich habe mich sogar richtig in sie verliebt und hoffe jetzt natürlich, dass Porsche bald ein geiles Rennvelo namens Carrera herausbringt.


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«Der Preis ist hoch, aber okay – so ein spezielles Fahrrad ist schliesslich auch kein Massenprodukt»

Der erste Porsche mit null Emissionen: das RS (www.porsche-bike.com). Es gibt auch eine zahmere Aluminium-Variante namens S, die mit Karbon-Gabel sowie lautlosem, wartungsfreiem Zahnriemenantrieb daherkommt und dabei «nur» 4500 Franken kostet

Aldo Schaller, Jahrgang 1965, wurde im Walliser Visp geboren, worauf er grossen Wert legt. Bereits als kleiner Bub schraubte er an Velos herum. Nach einer Lehre als Velomech in Bern war er bald Mitglied der Juniorennationalmannschaft und gewann mit 19 Jahren als Amateur die national bedeutsame Berner Rundfahrt. Wenig später qualifizierte er sich als Elite-Amateur. Ein schwerer Unfall warf ihn 1989 zurück und nach einem Comeback – unter anderem triumphierte er 1992 beim Olympia-Kriterium im deutschen Saulgau – hängte Schaller die Rennschuhe 1995 an den Nagel. Von Rädern kann er trotzdem nicht lassen: 2006 eröffnete er in Bern-Weissenbühl ein Paradies für Rennrad-Freunde (www.schaller-radrennsport.ch).

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DURCHBLICK

INTELLIGENTE HELFER NICHT OHNE MEINE SONNENBRILLE Text Helena Sukova · Fotos Werk

E

ine Küstenstrasse irgendwo im Süden. Die Sonne kommt tief von vorne, der Fahrer trägt keine Brille und kann nur noch blinzeln. Eine nicht ungefährliche Situation, die vermeidbar ist. Denn ob im Cabrio oder geschlossenen Pw, bei hellem Licht oder Regen: Sonnenbrillen mit polarisierenden Schutzgläsern erhöhen nicht nur den Spass am Fahren, sondern sorgen vor allen Dingen für mehr Sicherheit am Steuer. Schlechte Sehverhältnisse können die Konzentration beim Autofahren stark mindern. «Reflektiertes Licht ist um ein Vielfaches intensiver als unreflektiertes. Es lässt die Augen schneller ermüden, nimmt die klare Sicht und verlangt daher einen stärkeren Sonnenschutz für die Augen», erläutert Rupert Spindelbalker, Leiter für Forschung und Entwicklung beim österreichischen Brillenhersteller Silhouette. Sein Expertenteam hat mit IQ-Pol eine zukunftsweisende Polarisationstechnik entwickelt, die nicht nur die für das Auge gefährlichen Strahlungen mindert, sondern Kontraste unterstützt und die Farbwahrnehmung intensiviert. So lässt sich angenehm klar und scharf in die Sonne blicken – ohne jegliche Einschränkungen. Denn die Sonnenstrahlen sollten von keiner Seite eine Chance haben, das Auge zu erreichen. Eine überdurch«Adventurer»

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«Centre Court»

schnittliche Wölbung der Gläser, das sogenannte «Wrap Around Design», bietet neben zusätzlichem Schutz auch ein besonders weites Sichtfeld. Das ist vor allem bei Cabrio-Fahrten von Vorteil: Eine solche Brille passt sich der Gesichtsform an und verhindert nebenbei lästigen Fahrtwind am Auge. Silhouette ist Marktführer bei den randlosen Brillen. Es gibt zahlreiche Modelle in unterschiedlichsten Formen und Farben, die eines gemeinsam haben – den hohen Tragekomfort. Die neue Silhouette-Kollektion SUN 2012 macht da keine Ausnahme. High-Tech-Materialien wie Titan oder der spezielle Kunststoff SPX sorgen zudem für Wertigkeit und einen coolen Look. Typisch Silhouette: Die Brillen sind so leicht, dass man sie beim Tragen fast vergisst. Für den hohen Designanspruch und die erstklassige Verarbeitung der Brillen wurde das innovative Unternehmen (www.silhouette.com) bereits mehrfach ausgezeichnet. «Trophy»

«Pro»


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NACH HAUSE

DAS MOTION-MAGAZIN AUS DER SCHWEIZ SOMMER 2012 149


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RÄUME

IN BEWEGUNG UNGEWÖHNLICHE EINBLICKE VON UNTERWEGS Text Bill Kona/marum · Fotos Markus Maria Thormann

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der sich ein paar Dutzend Werften befinden, und dem südkoreanischen Pohang an Bord – «eine Zeit, die ich natürlich auch zum Fotografieren nutzte», erinnert er sich. «Vor allem die fünf riesigen leeren Laderäume hatten es mir angetan.»

Der Fotograf Markus Maria Thormann hat den 2002 im russischen St. Petersburg gebauten, über 190 Meter langen Ozeanriesen im Auftrag des vorletzten Eigners für Werbezwecke in Aktion gefilmt. Das dauerte ein paar Tage und geschah deshalb unter anderem auf See, denn Zeit ist Geld, auch im Frachtgeschäft. Thormann war 48 Stunden zwischen der chinesischen Insel Zhoushan, auf

Dabei machte er eine Erfahrung der unvergesslichen Art: «Die Kolben des grossvolumigen Fünfzylinder-Zweitakt-Schiffsdiesel – die Bohrung beträgt über 60 Zentimeter – haben einen Hub von mehr als zwei Meter und schaffen ungefähr 80 Umdrehungen pro Minute. Während ich da unten im Bauch des Wales stand, überwältigt von der Stahlkonstruktion der bis zu knapp 32 Meter breiten und über zwölf Meter hohen Laderäume, pulsierte die Maschine wie mit Herzfrequenz, gleich einem lebendigen

ie Szenerie hat etwas Gespenstisches. Man mag sie im ersten Moment für eine Science-Fiction-Kulisse halten. Oder das Bühnenbild der nächsten Wagner-Inszenierung. Tatsächlich handelt es sich um die Laderäume eines Schüttgutfrachters, der heute einer griechischen Reederei gehört, unter liberischer Flagge fährt und «Valiant Star» heisst.

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Organismus. Das starke Pochen war überall präsent und versetzte das gesamte Schiff in eine mir bald vertraute Schwingung.» Natürlich bietet die intime Nähe zu so einem «Bulk Carrier» auch tiefe Einblicke in dessen Technik. Die Maschine des Frachters stammt von Cegielski-Sulzer und der gesamte Antriebsstrang hat ein Schmierölvolumen von 100 000 Liter», führt der vielseitig interessierte Thormann aus. «Hubraum wird in dieser Grössenordnung schon nicht mehr angegeben. Alles dreht sich um die Leistung in Kilowatt, und bei der ‹Valiant Star›, die damals noch ‹Alona› hiess, beträgt sie 10 400 kW, das ist schon was.» Übertragen wird die Kraft auf einen 17 Tonnen schweren, vierflügeligen Festpropeller mit annähernd sechs Meter Durchmesser.

Die Tragfähigkeit von Seeschiffen sorgt bei Laien zuverlässig für Erstaunen und wurde lange Zeit unterschiedlich gemessen. Erst 1982 trat ein einheitliches Regelwerk, kurz: die «Tonnage-Konvention», in Kraft. Ein bekanntes Mass ist die Bruttoregistertonne; eine BRT entspricht 2,83 Kubikmeter. Mit der BRT wird die Grösse eines Schiffes ausschliesslich der Schiffswände, aber inklusive der von Crew oder Passagieren genutzten Aufbauten bezeichnet. Eine Nettoregistertonne (NRT) umfasst den für die Beladung nutzbaren Raum. Mit der neuen Konvention wurde die Bruttoregistertonne jedoch von der so genannten Raumzahl abgelöst. Als Bruttoraumzahl (BRZ) ist die Grösse eines Schiffs in Kubikmeter einschliesslich der Schiffswände definiert. Containerschiffe werden nach BRZ oder TEU charakterisiert. Die «Twenty Feet Equivalent Unit» SOMMER 2012 155


LEERFAHRT

bezeichnet die Anzahl der gut sechs Meter (20 Fuss) langen Standard-Container, die ein Schiff aufnehmen kann. Auf die «Valiant Star» trifft Letzteres nicht zu, weil sie für die Aufnahme loser Güter konzipiert wurde. Ihre BRZ beträgt über 29 000 Tonnen. Die höchstzulässige Tragfähigkeit liegt sogar bei 48 460 Tonnen (eingetaucht bis zur Lademarke) und wird in der englischen Einheit DWT (Deadweight tons) gemessen. Die Geschwindigkeit der «Valiant Star» ist mit 13,75 Knoten angegeben, was etwa 25 km/h entspricht. Der Verbrauch beträgt 30 Tonnen Schweröl pro Tag; der Tank fasst 1000 Tonnen für eine Reichweite von über 9700 Seemeilen (18 000 km) plus Reserve. Das Massengutschiff kann also ohne einmal zu tanken den Atlantik plus Pazifik überqueren. 156 VECTURA #3

Die Idee, aus seinen Aufnahmen Kunst zu machen, kam Thormann schon damals auf dem Frachter: «Die Laderäume selbst, aber auch ihre Oberflächenstruktur oder der Farbmix, alles das zusammen hat mich sehr beeindruckt. Wände in einer solchen Dimension, dazu Schattierungen, die oft auf die letzte Fracht hinweisen. Von Kohle zum Beispiel stammt die dunkle Zeichnung auf blauem oder rotem Untergrund», erklärt der Fotokünstler (mmth@gmx.de). Seine Bilder leuchten intensiv und sind käuflich zu erwerben: Interessenten können aus mehreren Motiven und Grössen wählen, die Abzüge kosten 750 Euro pro Quadratmeter, wenn sie auf eine 3 mm dicke Aluplatte aufgezogen sind. So richtig zur Geltung kommen die Laderäume freilich erst im grösseren Querformat.


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Der Verbrauch beträgt 30 Tonnen Schweröl pro Tag; der Tank fasst 1000 Tonnen für eine Reichweite von über 9700 Seemeilen (18 000 km) plus Reserve. Das Massengutschiff kann also ohne einmal zu tanken den Atlantik plus Pazifik überqueren

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Kürzlich hat der Wahl-Berliner auch sein E-Patent gemacht: «Mit dem bin ich als Charter-Kapitän auf historischen Schiffen unterwegs – und verdiene sogar Geld dabei! Das Ziel heisst A-Schein, um irgendwann einmal aufs offene Meer hinauszufahren.»

Markus Maria Thormann ist 50 Jahre jung, dazu Wahl-Berliner, Fotograf und Charter-Kapitän.

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Ein Schiff wird kommen: Die ehemalige «Alona» heisst heute «Valiant Star» und ist ein Bulker der Supramax-Klasse, die bis 2005 offiziell Handymax genannt wurde. Der Begriff steht für die Grösse von Massengutfrachtern zwischen Handysize und Panamax. Wie auch das kleinere Handysize-Format haben sie meist eigene Kranaufbauten an Bord, um selbst in Häfen mit geringer Infrastruktur laden und löschen zu können

Grafik: Rémi Kaupp

Der 50-Jährige stammt ursprünglich aus dem Ruhrgebiet und hat Eisenbildhauerei gelernt. Schiffe lassen ihn schon lange nicht mehr los: «Motoren faszinieren mich – je grösser, umso besser. Während der 90er-Jahre lebte ich in Hamburg St. Pauli und bekam als Landratte ersten Zugang zur Seefahrt. In dieser Zeit habe ich einen alten Fischkutter zum schwimmenden Loft umgebaut.» Thormann steuert gelegentlich eine elf Meter lange, 104 Jahre alte Stahl-Barkasse namens «Oskar», die früher von einer Dampfmaschine und heute von einem 220er-Diesel aus dem Mercedes /8 angetrieben wird.


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Herausgeberin Prestige Media AG, Bösch 73, CH-6331 Hünenberg (ZG) Verleger Francesco J. Ciringione Chefredaktor Matthias Pfannmüller (map) m.pfannmueller@prestigemedia.ch Gestaltung Felix Bittmann | layoutdeluxe Mitarbeiter dieser Ausgabe Christian Bartsch, Ralf Bielefeldt, Erdmann Braschos, Adriano Cimarosti, Matt DeLorenzo, Roger Gloor, Eric Halbach, Hubertus Hoslin, Thomas Imhof, Bill Kona, Marc Kudling, Roland Löwisch, Max Nötzli, Jörg Rothweiler, Aldo Schaller, Helena Sukova Fotografen dieser Ausgabe Carlo Borlenghi, Isaac Hernandez, Ernst Klaus, Toni Meneguzzo, Franco Page, Wale Pfäffli, Cory Silken, Markus Maria Thormann, Hans Westerink, Dirk Weyhenmeyer, Ian G.C. White, map Lektorat Andreas Probst Produktionsleitung Julia Moos j.moos@prestigemedia.ch Verlag / Produktion Prestige Media AG, Leimgrubenweg 4, CH-4053 Basel Telefon +41 (0) 61 335 60 80 Telefax +41 (0) 61 335 60 88 info@prestigemedia.ch www.prestigemedia.ch www.prestigenews.ch

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