Fotografie und Konflikt - Interviews und Gespräche

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Felix Koltermann FELIX KOLTERMANN Fotografie und Konflikt Interviews und Gespräche Fotografie und Konflikt Interviews und Gespräche


Inhalt

Einleitung

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Hinter den Kulissen (Michael Kamber )

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Bilder als Rohstoff (Tom Holert)

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Ironien des Bildkorpus (W.J.T. Mitchell)

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Zensur und Selbstzensur (Christoph Bangert)

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Zwischen Krieg und Frieden (Meinrad Schade)

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Visuelle Präsenz des Krieges (Kai WiedenhÜfer)

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Konflikte im Raum (Gregor Sailer)

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Publikationen der Interviewpartner

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einleitung

Wer an den Themenkomplex Fotografie und Konflikt und das Verhältnis der beiden Phänomene denkt, der landet meist allzu schnell beim Begriff der Kriegsfotografie. Dabei gibt es eine Vielfalt gesellschaftlicher, sozialer, wirtschaftlicher und politischer Konflikte, die sowohl verschiedene visuelle Zeugnisse hinterlassen als auch ganz unterschiedlich von Fotografen bildnerisch bearbeitet werden und weit über das hinausgehen, was die klassische Kriegsfotografie umfasst. Nur ein kleiner Teil von Fotografen begibt sich aufs Schlachtfeld. Aber dennoch sind es diese Bilder, mit denen wir am meisten konfrontiert sind, weil sie fast täglich in unseren Medien zu sehen sind. Oft steht dabei der Blick auf Gewalt und Opfer von Gewalt zusammen mit einer starken Ereignisfokussierung im Vordergrund. Die Fotografie ist abgesehen von ihren technischen Voraussetzungen vor allem ein sozialer Prozess. Fotografie ist menschengemacht und für das Entstehen eines fotografischen Bildes sind eine soziale Begegnung und bis zu einem gewissen Grad auch eine Interaktion konstitutiv. Das bedeutet, dass sowohl auf Seiten des Fotografierenden wie auch des Fotografierten soziale Prozesse ablaufen. In diesem Buch soll es vor allem um die Person des Fotografen gehen, der mit seinen Entscheidungen einen zentralen Einfluss auf die Art und Weise der Interaktion mit den Fotografierten hat. Gleichzeitig beeinflussen die Erfahrungen während der fotografischen Tä7


tigkeit den Fotografen, lösen Reflektionen und Lernprozesse aus. Viel hängt dabei vor allem von der spezifischen fotografischen Schwerpunktsetzung ab. Darüber hinaus haben Kameratechnik und Bildproduktion vor allem aufgrund der Digitalisierung neue Realitäten geschaffen. So können Kameras heute auch autonom agieren, wie es z.B. bei Überwachungskameras oder Bordkameras von Drohnen der Fall ist. Aber nicht nur das, auch die Interpretation von Bilddaten kann heute bis zu einem gewissen Grad von einer Software und einem Computer übernommen werden. Dennoch gibt es selbst in diesen Fällen immer wieder Schnittstellen zum menschlichen Handeln, sind doch auch bei teilautonomen bildgebenden Verfahren menschliche Entscheidungen und Bewertungen an vielen Stellen entscheidend. Die größte Schnittstelle zwischen der Fotografie und Konflikten besteht im Denken und Erfassen beider Phänomene als soziale Prozesse. Ebenso wie für die Fotografie sind für soziale Konflikte menschliche Handlungs- und Entscheidungsprozesse konstitutiv. Soziale und politische Konflikte, vor allem in ihrer extremen Ausprägungsform als Krieg, sind keine Phänomene, die vom Himmel fallen und als Geißel über die Menschheit kommen. Sie haben Ursachen, Eskalationsphasen und vor allem ganz unterschiedliche Verläufe und meist einen ganz individuellen Charakter. Selbst wenn Konflikte ähnliche Ursachen und Eskalationspotentiale haben, können sie sich völlig unterschiedlich entwickeln. Für die hier interviewten Fotografen sind soziale und politische Konflikte ein wichtiger Gegenstand ihrer fotografischen und journalistischen Tätigkeit. Aufgrund der Komplexität der Konfliktphänomene sowie der unterschiedlichen persönlichen Schwerpunktsetzungen der Fotografen unterscheiden 8


sich auch die Ansätze ihrer fotografischen Dokumentation. Während einige Fotografen eher eskalierte Phasen und tagesaktuelle Ereignisse in den Fokus ihrer Arbeit stellen, widmen sich andere dem Davor und Danach oder auch den latenten, nicht immer sichtbaren Konfliktformen. Die Darstellung von Konflikten kann darüber hinaus über das Porträtieren von in Konflikten involvierten Personen oder aber über das Aufzeigen der Konfliktfolgen auf Landschaft und Infrastruktur geschehen. Entstanden sind die hier publizierten Interviews in den Jahren 2014 und 2015 zu einer Zeit, als mein Dissertationsprojekt über die fotojournalistische Produktion in Israel/Palästina langsam in die Abschlussphase überging und ich anfing, mehr und mehr journalistisch zum Thema Fotografie und Konflikt zu arbeiten. Von den Interviews und Gesprächen, die im Rahmen meiner journalistischen Tätigkeit entstanden sind, habe ich diejenigen zusammengestellt, die zum Themenkomplex „Fotografie und Konflikt“ passen. Dieses Buch ist das zweite unter dem Stichwort „Fotografie und Konflikt“. Nach einem ersten Band mit „Texten und Essays“ kommen nun in „Interviews und Gespräche“ die Akteure selbst zu Wort. Im Buch sind die Interviews chronologisch nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung geordnet. Dass in diesem Band letztlich nur Interviews mit männlichen Fotografen versammelt sind, ist keine Absicht, sondern eher dem Zustandekommen der Interviews geschuldet. Darüber hinaus sagt es jedoch auch etwas über das Gewerbe aus, das bis heute von männlichen Fotografen dominiert ist. Umgekehrt bedeutet dies natürlich nicht, dass mit diesem Fakt eine Beliebigkeit in der Auswahl verbunden wäre. Bezogen auf die Arbeit von Fotojournalistinnen und Fotografinnen in Kriegen sei auf den aufschlussreichen Dokumentarfilm „Kriegsfotogra9


finnen“ (D 2016, Sigrid Faltin, SWR) verwiesen, der im März 2016 Premiere hatte. Zeitgleich ist die Autobiographie der amerikanischen Fotojournalisten Lynnsey Addario (Jeder Moment ist Ewigkeit – Econ Verlag) erschienen, die in Deutschland ein breites Medienecho fand. Ganz herzlich möchte ich mich an dieser Stelle nochmal bei meinen Interviewpartnern dafür bedanken, dass Sie sich Zeit für ein Gespräch genommen haben und mir das Vertrauen ausgesprochen haben, die daraus resultierenden Texte zu veröffentlichen und hier in einem Buch gemeinsam zu präsentieren. Das gleiche gilt für Medien wie das Neue Deutschland, Qantara oder die Zeitschrift Wissenschaft&Frieden, in denen bereits Ausschnitte der hier abgedruckten Texte erschienen sind. Ich wünsche ihnen eine aufschlussreiche Lektüre. Felix Koltermann – Mai 2016

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