Deutschland 5,40 €
GREEN
Das Fachmagazin für
die Grüne Branche
Ausgetickt?
Versteigerungsuhren in den Niederlanden
Puristisch und formvollendet
Meisterfloristik aus Norwegen von Stein Are Hansen
Blumen und Eis
Strategien zur Verkaufsförderung
Nr. 1/13
Editorial 3
Liebe Leser, herzlich willkommen bei GREEN!
In dieser Ausgabe erwartet Sie eine Werkschau mitreißender Floristik vom amtierenden Weltmeister der Floristen, Stein Are Hansen. Auf den Step-by-Step-Seiten zeigt Ihnen die Floristmeisterin Katharina Götz, wie Sie drei ihrer wunderschönen Werkstücke unkompliziert nacharbeiten können. In der Rubrik Markt & Wissen suchen wir Antworten auf die Frage: Ist das System Versteigerungsuhr überhaupt noch zeitgemäß? Etwas praktischer geht es in der Rubrik Unternehmensführung zu, wo wir gezielt Experten sprechen lassen, die Ihnen wertvolle Tipps und Hinweise für den Geschäftsalltag geben. Etwas persönlicher wird es auf den letzten Seiten mit dem Kolumnenbeitrag des GrünKönners und unseren 5 Fragen an Klaus Wagener. Wir wünschen Ihnen einen erfolgreichen und angenehmen Sommer!
Ihre GREEN-Redaktion
Green-Cover GREEN Deutschland 5,40 €
Mit diesem neuen Fachmagazin möchten wir die gesamte Grüne Branche ansprechen und begeistern. Wir recherchieren für Sie zu aktuellen Themen und hinterfragen traditionelle Strukturen des floristischen und gärtnerischen Alltags. Wir freuen uns, Sie von nun an vierteljährlich zu informieren, zu inspirieren und auch ein wenig herauszufordern.
Das Fachmagazin für
die Grüne Branche
Ausgetickt?
Versteigerungsuhren in den Niederlanden
Puristisch und formvollendet
Meisterfloristik aus Norwegen von Stein Are Hansen
Blumen und Eis
Strategien zur Verkaufsförderung
Nr. 1/13
Titelbild: Inspiriert von einem Werkstück des Weltmeisters Stein Are Hansen. Die visuelle Interpretation spielt mit den Formen und Symmetrien, die die Floristik Hansens charakterisieren.
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Inhalt 5
Inhalt 03
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Editorial / 04 Inhalt / 06 Produktneuheiten
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Markt und Wissen
Portrait und Werkschau Stein Are Hansen 8
Beitrag Bankrott durch Tulpenzwiebeln 32
Step-by-Step Drei Werkstücke von Katharina Götz 24
Reportage Auf der Spur der Uhr 36 Interview / Importeur Loe Rutten und Danny Voets (GreenZone GmbH), Berthold Kott (Branchenexperte) 40 Interview / Florist Matthias Tröltzsch 50 Interview / Produzent Johan Vos 52
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Unternehmensführung Fotos: Espen Grønli; Johann Peter Kierzkowski; Shutterstock; WorldSkills
Floristik
Interview / Mitarbeiterführung Christian Schönfelder (Dipl.-Psychologe und Business-Coach) 56
Kolumne / Der GrünKönner Die entbehrliche Masse 64
Ratgeber / Verkaufsförderung Blumen und Eis 60
Events Nationale und internationale Branchentermine im Juli, August und September 65 5 Fragen an ... Klaus Wagener 66 Impressum 67
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6 Produktneuheiten
floristik 7 FloristiK
Neu
Echte Bergaurikel Produkt: Primula auricula Sortenname: Heidi Züchter: Bock Bio Science Besonderheit: winterhart bis –30 °C, lange Blütezeit, mehrjährige Staude Lieferbar: März bis Mai 2014 Bezugsquellen: GASA Germany, Landgard
freshvase® Produktgruppe: Blumenvase Beschaffenheit: Kunststoff Einsatzmöglichkeiten: Frischhaltung und Transport von Schnittblumen Größe: 15 cm hoch, 6,2 cm Ø oben, 15 cm Ø unten Lieferbar: zurzeit Bezugsquelle: Floristikbedarf Alexander Ulrich (Hamburg) u. a.
Götterblume Produkt: Dodecatheon meadia Züchter: Kees van Aaardweg Besonderheit: mehrjährige Staude, winterhart bis –20 °C Lieferbar: März bis Mai 2014 Bezugsquellen: GASA Germany, Landgard, BB NL
Floristik Portrait und Werkschau Stein Are Hansen 8 Step-by-Step Drei Werkstücke von Katharina Götz 26
BUCO Alu-Flachdraht Produktgruppe: Blumendraht Beschaffenheit: eloxierter Aluminiumdraht, erhältlich in 12 verschiedenen Farben Einsatzmöglichkeiten: in Blumengestecken und Dekorationen Größe 1: 15 mm breit (5-m-Ring) Größe 2: 30 mm breit (3-m-Ring) Lieferbar: zurzeit Bezugsquelle: VOM BRAUCKE GmbH & Co KG
Der Eisheilige
Portrait und Werkschau
10 Floristik
Portrait
Stein Are Hansen
S
tein Are Hansen ist der amtierende Weltmeister der Floristen. Im März 2010 gewann er den Titel im Shanghai International Convention Center vor der Schweizerin Yvonne Roth. Dieser Erfolg ist umso erstaunlicher vor dem Hintergrund, dass Blumen und Pflanzen in der Heimatregion von Hansen nahezu nicht vorkommen. Denn er wurde am 7. April 1974 in Longyearbyen auf der norwegischen Insel Spitzbergen geboren und wuchs bei arktischer Kälte und monatelangen Nordpolarnächten auf. Nur für sechs bis acht Wochen im Jahr sind die Küstengebiete seiner Heimat schneefrei und die Flora erschöpft sich in Wiesenpflanzen und verschiedenen Weidenarten. Stein Are Hansen erinnert sich: »Wer in einer solch kalten, dunklen und verschneiten Umgebung aufwächst, für den besitzen Pflanzen und vor allem Blumen den Wert von Edelsteinen. Sie sind etwas Exklusives und alles andere als selbstverständlich zu haben.« Im Alter von 14 Jahren zog er mit seinen Eltern auf das norwegische Festland und aus seiner Faszination für die blühende Natur wurde schnell eine Lebensaufgabe. Noch als Teenager trat er eine Stelle als Teilzeitkraft bei einem lokalen Floristen an, bevor er von 1991 bis 1994 an der Staatlichen Hochschule für Gärtner und Floristen in Moelv den Beruf von der Pike auf lernte. Als Floristmeister besitzt er seit 2006 sein eigenes Fachgeschäft »Blomst af Hansen« in der norwegischen Hauptstadt Oslo. Doch vor allem reist er in der Welt herum und engagiert sich für seinen Traumberuf in den verschiedensten Bereichen, zum Beispiel als Dozent, Wettbewerbsteilnehmer, Jurymitglied, Ehrengast oder Showflorist. Viele Arbeitsjahre in China veränderten zudem seinen Blick auf die floristische Handwerkskunst. Einige Kostproben seines weltmeisterlichen Talents können Sie auf den nächsten Magazinseiten bewundern. Stein Are Hansen selbst kommentiert jedes seiner Werkstücke. (sts) GREEN 1/13
»Der Umgang mit Kaltkleber verlangt wirklich Fingerspitzengefühl und Respekt für die Materialien. Aber wenn er gekonnt verwendet wird, kann ein Stück floristischer Magie entstehen. Hier eindrucksvoll zu sehen anhand einer modernen Glamelie aus Gladiolen.«
»Pfingstrosen in einem herabfließenden Brautstrauß? Warum nicht?!« »Ich persönlich habe eine starke Vorliebe für blaue Blumen. Ich weiß wirklich nicht warum. Rittersporn gehört zu meinen absoluten Favoriten. Für diesen wasserfallartigen Brautstrauß werden alle Blüten einzeln abgelöst und dann neu arrangiert, was definitiv einer behutsamen Hand bedarf. Man muss dabei sehr respektvoll mit den Blüten umgehen – nur ein wirklich einzigartiges Endergebnis rechtfertigt dieses Vorgehen.« »Ein Klassiker aus alten Zeiten mit Orchideen ganz in Weiß, aber modern umgesetzt. Steife, traditionell gebundene Brautsträuße sind ein Produkt der Vergangenheit. Dies hier ist das Jetzt!«
»Maiglöckchen! … muss ich mehr sagen? Es gibt keinen Floristen auf diesem Planeten, der nicht eine Schwäche für diese Blume hat, denke ich. Sie sind sehr fragil und gehen schnell unter in Kombination mit anderen, auffälligeren Materialien. Deshalb habe ich mich hier dazu entschieden, sie allein sprechen zu lassen. Diese Illusion eines Straußes ist tatsächlich ein Steckschaum-Arrangement. Um den kompakten Look zu vervollkommnen, wird ausdrucksstarkes Blattwerk unter die Maiglöckchenblätter gemischt.«
»Gerbera und Bärengras – ganz gewöhnlich, aber es funktioniert!«
»Die Dahlie, eine Favoritin im Sommer. Als Grundlage dieses Kissens dient eine Steckschaumplatte von Oasis. Rundherum werden verschiedenartige Blätter mit gewöhnlichen Stecknadeln befestigt.«
»Meine Philosophie ist, dass man nicht unbedingt seltenes oder besonders exklusives Material braucht, um etwas Schönes zu erschaffen. Handwerkliche Fertigkeiten und eine kunstvolle Ausführung sind viel wichtiger. 5 Kalanchoe-Topfpflanzen und ein paar Aspidistra-Blätter – voilà!«
»Ein typisches kleines Arrangement in meinem Geschäft: Zylindrische Gläser, Anthurium-clarinervium-Blätter und eine schöne Blüte – das ist alles!«
»Manchmal darf es tatsächlich ein bisschen schwarz sein. Hier sehen wir Beeren der Zimmeraralie auf einem Agavenblatt. Diese Arbeit habe ich für keinen bestimmten Anlass gemacht. Ich hatte einfach Spaß daran, es auszuprobieren, und fand, dass die beiden Materialien schön zusammen aussehen.«
Fotos: Espen Grønli
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StrauSS
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verwendete Materialien: – Rosen ‚Leonardo da Vinci‘ – Wicken (pink) – Akelei (violett) – Bouvardien (rot) – Paeonie (dunkelrot) – Hortensien (pink) – Geranien (pink / dunkelrot) – Geranium
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– Elfensporn (dunkelrot) – Cotinus
Katharina Götz Die junge Floristmeisterin aus Bamberg machte sich schon früh einen Namen in der Branche: Im Jahr 2002 wurde sie bayerische Landesmeisterin und nahm an der Deutschen Meisterschaft teil. Als international freischaffende Floristin gehören heute Produktentwicklung und Beratung sowie Showroom- und Messestandgestaltung zu ihren Aufgabenfeldern. Sie ist Prüfmeisterin der IHK Oberfranken und Referentin im Süddeutschen Bildungszentrum des FDF. Im April dieses Jahres veröffentlichte sie zusammen mit zwei weiteren Floristmeistern den umfangreichen Bildband „Brautstrauß“, der sich hervorragend für die Brautberatung eignet. (yei)
– Gräser – Hirtentäschel – Heucherablüten – Pulsantilla – Knöterichranken – Band
Blüten nacheinander in die Hand legen, mittig anfangen und zuerst kleine Blüten verwenden. Leichtere Blüten nach oben länger lassen, größere Blüten (z. B. Paeonien) tiefer einziehen. Beim Binden den Strauß gleichmäßig drehen.
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Fotos: Andrea Dilzer
Portrait
Werkstoffe zurechtlegen, sämtliche Blüten und Gräser entblättern, schräg anschneiden und ins Wasser stellen. Tipp: Die für den Strauß benötigten Blüten von Topfpflanzen an unauffälligen Stellen aus großen Pflanzen herausschneiden.
Blüten und Gräser nach außen anlegen, sodass der Werkstoff über die Hand geht. Stiele mit der Schere auf eine Länge kürzen, mit einer Kordel binden und mit dem Messer anschneiden. Strauß abschließend mit dem entblätterten Knöterich dekorieren.
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Florales Brett
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verwendete Materialien:
– Gloriosa – Paeonien ,Corall‘ – Geranie (pink) – Verbene (pink) – Fuchsie – Heuchera – Geranium – Pulsantilla – Begonie – Anthurium (mini) – getrocknete Gräser – Flaschen – Brett – Draht (8er)
Blumen komplett entblättern (damit das Werkstück später leicht und luftig wirkt), anschneiden und ins Wasser stellen, bis man sie verwendet. Fläschchen auf dem Brett gruppieren und an geeigneten Stellen mit einem Nagel vorsichtig Löcher ins Holz drücken.
Bei weichem Holz können die Drähte auch ohne Vorstanzen ins Brett gesteckt werden. Unbedingt darauf achten, dass sie sich dabei nicht verbiegen. Dazu am besten eine Flachzange verwenden. Bei besonders hartem Holz die Drähte gegebenenfalls kürzen.
Die Fläschchen mit Wasser befüllen und die Blüten und Blätter einstellen. Als Letztes die Löwenzahnblüten vorsichtig dazugeben. Um die charakteristische Transparenz bei diesem Werkstück zu erzielen, hier unbedingt blattfreie Blüten verwenden.
Abschließend die getrockneten Gräser waagerecht auf die Drähte spießen. Tipp: Besonders wirkungsvoll und kontrastreich kommen die filigranen Blüten auf einem Brett im Vintage-Look oder in StrandgutOptik zur Geltung.
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Gefässfüllung
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verwendete Materialien:
– Rosen ‚Crème de la crème‘ – Paeonie ‚Corall‘ – Ornithogallum dubium – Alstroemeria – Achillea – Daucus carota – Helleborus – Citrus madurensis – Zitronen
Steckmasse so zurechtschneiden, dass die Form gut ausgefüllt ist, wässern und ins Gefäß setzen. Dann die Steckmasse mit trockenen Gräsern abdecken. Alternativ können auch dünne, trockene Zweige dafür verwendet werden.
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– Grüne Tomaten – Akelei (zartrosa) – verschiedene Gräser – Johannisbeeren – Taubnessel (weiß) – Steckschwamm – getrocknete Gräser Blumen arrangieren: Zuerst die großen, gewichtigeren Blüten (z. B. Christrosen und Rosen) einstecken. Diese bilden die Basis und werden eher tiefer platziert. So entsteht optisch der Eindruck von Fülle und Tiefe.
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Danach die kleineren, leichteren Blüten einsetzen und die Ranken einarbeiten. Zur Vollendung die Gräser auf dem Gesteck anordnen und abschließend mit Tomaten und Zitrusfrüchten dekorieren. Angießen nicht vergessen. GREEN 1/13
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Markt und Wissen Beitrag Bankrott durch Tulpenzwiebeln 32 Reportage Auf der Spur der Uhr 36 Interview / Importeur Loe Rutten und Danny Voets (GreenZone GmbH), Berthold Kott (Branchenexperte) 40 Interview / Florist Matthias Trรถltzsch 50 Interview / Produzent Johan Vos 52
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Beitrag
Bankrott durch Tulpenzwiebeln Spekulationsgeschäfte beflügeln Fantasien. Anleger schließen eine Wette auf die Zukunft ab und hoffen auf satte Gewinne. Eine riskante Angelegenheit. Und ein Treiben, das nicht ohne Auswirkung bleibt auf die Preise für tatsächlich gehandelte Waren. Text: Martin Bell
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ehr als eine Million Euro für eine einzige Blumenzwiebel? Kein Jux. Anno 1637 ist das, umgerechnet, der Preis für eine Tulpe namens »Ewig E rhabene«: 10.000 Gulden pro Zwiebel – ein Vermögen. Doch wohlhabende Niederländer sind damals vernarrt in das exotische Liliengewächs aus dem Osmanischen Reich. Händler und Spekulanten wittern fette Beute. Man kauft und verkauft weiter, schließt im Winter Verträge über Tulpen, die man erst im Sommer erhält, und überlässt die teuren Kontrakte noch teurer dem Nächsten. Bis zum 5. Februar 1637. Der Tag schreibt Geschichte als Höhepunkt der Tulpenmanie – und als erster Börsencrash der Welt. Die Zeiten haben sich geändert seitdem. Die Finanzmärkte sind angewachsen zu international verflochtenen Umschlagplätzen milliardenschwerer Transaktionen und Spielfeldern hoch spezialisierter Gesellschaften. Informationen machen in Sekunden die Runde, Computeralgorithmen berechnen denkbare Entwicklungen und beeinflussen
Entscheidungen, von denen Wohl und Wehe betroffener Wirtschaftszweige, mitunter ganzer Volkswirtschaften abhängen. Aber manches, das vor 376 Jahren in den Niederlanden das Tulpenfieber anheizte und dann jäh den Zusammenbruch herbeiführte, erinnert frappant an Spekulationsblasen neueren Datums. Annahmen und Prognosen sind es, die im frühen 17. Jahrhundert die Fantasien beflügeln. Man kauft und verkauft nicht mehr Tulpen, die tatsächlich vorrätig sind. Man verhandelt, was in ein paar Monaten zur Verfügung steht. Den Preis bestimmen Hoffnungen und Erwartungen. Käufer garantieren heute einen Betrag für morgen, weil sie überzeugt sind: Dieses Geld und mehr wird die Ware dann wert sein. So wie am 5. Februar 1637 im holländischen Alkmaar. In einem Wirtshaus treffen sich Anbieter und Spekulanten und zeichnen Verträge im Wert von rund zehn Millionen Euro (damals 90.000 Gulden). Einzelne Sorten wie die »Admirael van Enchhysen« bringen nach heutigem Maßstab eine halbe Million Euro pro Zwiebel. Nicht zum Ver-
kauf steht in Alkmaar die »Ewig Erhabene« (lat. »Semper Augustus«). Zum Glück. Denn auch ohne die teuerste Tulpe aller Zeiten gerät der Tag zum Fiasko, das manchen in den Ruin treibt. Die Spekulanten haben zu hoch gepokert. Bereits zwei Tage zuvor erleben Tulpenhändler in der Nachbarstadt Haarlem ein böses Erwachen: Interessenten gehen die Mondpreise nicht mehr mit, steigen aus der Preisspirale aus. Als die Nachricht Alkmaar erreicht, stürzt das Kartenhaus in sich zusammen. Auf einen Schlag ist die Aussicht dahin, Käufer zu finden, die jede Summe zahlen. Dem Geschäft mit der Nachfrage von morgen ist der Boden entzogen. Binnen weniger Tage verlieren »Admirael«, »Viceroy« und andere 95 Prozent ihres Wertes. Zurück bleiben Händler, die auf Reibach hofften und nun vor der Pleite stehen. Bankrott durch Tulpenzwiebeln. Grotesk? Keine Frage. Aber wer sich jüngere Rauschzustände wie die im Jahr 2000 zerplatzte Dotcom-Blase ins Gedächtnis ruft, wird feststellen: Die Dynamik der Ab-
Der 5. Februar 1637 schreibt Geschichte als Höhepunkt der Tulpenmanie und erster Börsencrash der Welt.
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mit Nahrungsmitteln spekuliert, so Oxfam, spiele »Hungerroulette«. Ein Vorwurf, den auch Foodwatch erhebt: Es gebe »erdrückende Belege dafür, dass die Nahrungsmittelspekulationen an den Rohstoffbörsen die Preise in die Höhe treiben und Hunger verursachen«, heißt es im Foodwatch-Report »Die Hungermacher«. Unsinn, widersprechen andere, wissenschaftlich sei das nicht haltbar. Für die Thesen von Oxfam und Foodwatch gebe es »nur wenige und zudem schwache Befunde«, betont ein »Policy-Brief« des Leibniz-Instituts an der Universität Halle-Wittenberg. Finanzspekulation trage vielmehr dazu bei, »Agrarmärkte nicht schlechter, sondern besser funktionieren zu lassen«, weil sie Geld in die Märkte pumpt und damit – »auch in schwierigen Zeiten« – für Liquidität sorgt. Fluch oder Segen? Man ist sich uneins. In ihrem Ursprung jedoch, darin herrscht Einigkeit, hatten Spekulationen ihren Sinn und Zweck. »Historisch gesehen sind Termingeschäfte mit Nahrungsmitteln ein alter Hut«, erklärt der Ökonom
einer großen Versicherung. »Seit jeher versuchen Bauern, ihre Ernte möglichst frühzeitig an den Mann zu bringen. Das verschafft ihnen Planungssicherheit.« Händler kaufen ihnen das Getreide ab, bevor es auf den Feldern blüht, (Festgeschäft, sogenannte Futures) oder sie sichern sich das Vorrecht, die Ernte zu einem heute vereinbarten Preis zu erwerben (Optionsgeschäft). Sie spekulieren darauf, dass sie vom ausgehandelten Preis in ein paar Monaten profitieren. Landwirte wiederum verringern ihr Risiko, auf gefüllten Getreidespeichern sitzenzubleiben oder sich Dumpingpreisen beugen zu müssen. »Preisabsicherung«, unterstreicht Oxfam-Referent David Hachfeld, Autor der »Hungerroulette«-Studie, »ist eine der wichtigsten Funktionen von Termingeschäften.« Doch das Spiel mit Futures und Optionen hat sich verselbstständigt. Längst tummeln sich an den Terminbörsen Akteure, die sich für Weizen oder Mais nicht die Bohne interessieren. Ihr Augenmerk gilt der Frage, welche Gewinne Kauf und Wei-
terverkauf der Kontrakte verheißen. »Solche Trader sehen Möglichkeiten, Spielräume, aber nicht das physische Produkt, das dahintersteht«, sagt ein Insider, der ungenannt bleiben möchte. An dem Monopoly beteiligen sich in großem Maßstab Investmentfonds. Sie stecken zum Teil Milliardensummen in Verträge, von denen sie sich auf mittlere oder lange Sicht Rendite versprechen. Das Anlagevolumen, das etwa der Allianz-Konzern in Rohstofffonds verwaltet, beläuft sich Schätzungen zufolge auf 6,7 Milliarden Euro, das der Deutschen Bank immerhin noch auf rund 3,8 Milliarden. Das bewirkt ein Ungleichgewicht, sagen NGOs wie Foodwatch und Oxfam. »Die Nachfrage nach Kaufpositionen steigt und treibt Preise künstlich in
Längst tummeln sich an den Terminbörsen Akteure, die sich für Weizen oder Mais nicht die Bohne interessieren.
Fotos: Shutterstock
stürze weist gewisse Parallelen auf. Und nicht nur sie. Bereits anno dazumal in Nordholland zeigten sich Wesenszüge des Spekulierens (und seines Scheiterns), die sich auch an den Finanzmärkten des 21. Jahrhunderts beobachten lassen. Damals wie heute geht es um eine Wette auf die Zukunft. Man wettet auf die Entwicklung von Aktien und Währungen, den Wert von Immobilien, auf Rohstoffpreise. Dieser Handel mit Gegenständen von morgen, mit sogenannten Derivaten, bleibt nicht ohne Auswirkungen auf den Markt von heute. Das spekulative Treiben, wettern manche, führt zu steigenden Preisen und einem instabilen Preisgefüge, das starken Schwankungen unterliegt. Gemüter erhitzen sich derzeit vor allem an der Spekulation mit Reis, Mais, Weizen, kurz: mit Agrarrohstoffen. »Fundierte Untersuchungen deuten darauf hin, dass diese Geschäfte die Preisschwankungen bei Agrarrohstoffen anheizen und damit das Armuts- und Hungerrisiko weltweit verschärfen«, kritisiert die Hilfsorganisation Oxfam in einer Studie. Wer
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die Höhe«, erklärt David Hachfeld. »Eine gravierende Marktstörung.« Mit gravierenden Folgen: Nahrungsmittel verteuern sich so stark, dass sie in armen Ländern für viele unerschwinglich werden. »Fehlalarm«, halten Wirtschaftswissenschaftler wie Ingo Pies von der Uni Halle-Wittenberg dagegen. Dass Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse steigen, habe andere Gründe: erhöhte Nachfrage, weil die Bevölkerung weltweit wachse, auch weil man Getreide nicht mehr allein als Nahrung, sondern etwa für
Biosprit einsetze. Die Preisentwicklung an den Finanzmärkten spiegele nur die Preisentwicklung an den realen Märkten wider. Insider wie der Frankfurter Investmentbanker Serge Ragotzky beurteilen das anders. »Nicht der physische Markt bestimmt den Preis der meisten Finanzprodukte, sondern das Geschehen am Finanzmarkt«, so Ragotzky. »Am dort entstehenden Preis orientieren sich dann die Preise des physischen Marktes.« Blasen wie das TulpenzwiebelDesaster anno 1637 scheinen für
diese Behauptung zu sprechen: Der Blumenhandel machte die Preistreiberei durch Spekulationsgeschäfte zunächst mit und fand selbst mit Wucherpreisen Abnehmer für die begehrten Liliengewächse. Bis Spekulanten die Schraube überdrehten und der gesamte Markt kollabierte. »Die Dosis macht das Gift«, erklärt ein Kenner der Finanzszene. Damals wie heute. Hält man sich die Verheerungen vor Augen, die das Tulpenfieber ehedem anrichtete, erscheint der Humor mancher Anlageprofis waghalsig. Ausgerechnet eine Investmentgesellschaft nämlich firmiert in St. Louis unter jenem Namen, der für den Irrsinn des Spekulierens steht: »Semper Augustus“ – die »Ewig Erhabene«.
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Auf der Spur der Uhr Reportage einer Reise durch die Niederlande. Text: Yvonne Eissler, Sten Seliger Fotos: Peter Johann Kierzkowski
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üsste man einen Ort nennen, der wie kein anderer als internationaler Umschlagplatz für Blumen und Ziergehölze bekannt ist – man würde wohl Aalsmeer sagen. In der niederländischen Gemeinde, die trotz ihrer mehr als 30.000 Einwohner noch immer ein Dorf ist, befindet sich das weltweit größte Handelszentrum für Schnittblumen und Topfpflanzen. Die Koninklijke Coöperatieve Bloemenveiling FloraHolland U.A., besser bekannt unter dem Kürzel FloraHolland, betreibt in Aalsmeer ihr wichtigstes Uhrenverkaufssystem. Der riesige Gebäudekomplex umfasst unter anderem drei Versteigerungshallen mit 14 Uhren und ist mit einer Grundfläche von 1.287.813 Quadratmetern das größte Handelsgebäude der Welt. Im vergangenen Jahr wurden dort durchschnittlich 43.584 Transaktionen am Tag durchgeführt. Doch welche Bedeutung haben diese Zahlen im Zeitalter der Digitalisierung noch? Welche Rolle spielt die Versteigerung von Blumen, Pflanzen und Beiwerk in Auktionssälen vor Ort, wenn man doch inzwischen dank des Internets weltweit auf Produkte seiner Wahl bieten kann? Und ist die Versteigerung an der Uhr überhaupt noch zeitgemäß beziehungsweise welche alternativen Beschaffungswege werden bereits genutzt? Um einen aktuellen Eindruck zu bekommen, haben sich die GREEN-Redakteure Yvonne Eißler und Sten Seliger zusammen mit dem Fotografen Peter Johann Kierzkowski auf eine zweitägige Reise durch die Niederlande und vor allem nach Aalsmeer begeben und unterschiedliche Akteure der Grünen Branche getroffen, die von und mit der Uhr leben.
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Düsseldorf Es ist ein unfreundlicher Tag im Mai und noch sehr früh, als wir unsere Reise zu dritt im Auto ab Düsseldorf starten. Ursprünglich hatten wir den Plan, einen deutschen Floristen aus Nordrhein-Westfalen nach A alsmeer zu begleiten und dort bei der Versteigerung zu beobachten. Wir waren vollkommen überzeugt, dass das kein Problem sein dürfte, kontaktierten mehrere Inhaber von Blumenfachgeschäften und … wurden eines Besseren belehrt! Offensichtlich lohnt sich der Weg nach A alsmeer für deutsche Floristen selbst aus dem deutsch-niederländischen Grenzgebiet kaum noch. Am häufigsten wurde bei unseren Anfragen argumentiert, dass die von FloraHolland verlangten Versteigerungsgebühren und die Mindestabnahmemengen von einzelnen Sorten für Einzelhändler zu hoch seien. Zudem wurden die langen Transportwege in Verbindung mit den steigenden Spritkosten vermehrt als unwirtschaftlich empfunden. Nur die einzige Blumenversteigerung auf deutschem Boden, die Veiling Rhein-Maas in Herongen, käme heutzutage noch für heimische Floristen infrage. Sie ist unser erstes Reiseziel.
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Außenansicht des Versteigerungsgebäudes der Veiling Rhein-Maas in Herongen.
Herongen Die kleine Ortschaft Herongen, unmittelbar an der deutsch-niederländischen Grenze gelegen, fungiert als Firmensitz der Landgard eG, der führenden deutschen Produzenten- und Absatzorganisation für Gartenbauprodukte. Die Veiling Rhein-Maas entstand im Jahr 2010 als Joint Venture der Versteigerungen Landgard Herongen, FloraHolland Venlo und Landgard Lüllingen. Während unseres Aufenthalts in Herongen haben wir nur kurz Gelegenheit, die dortige Versteigerung zu besichtigen, treffen uns aber mit Loe Rutten, Geschäfts-
ist: »Die Beschaffungswege sind oft nicht transparent, obwohl der Kunde im Fachgeschäft vermehrt wissen möchte, wo und unter welchen Bedingungen die Blumen angebaut werden.« Versteigerungsuhren sind in der Grünen Branche jedoch seit Jahrzehnten etablierte Handelsplätze, die in den Köpfen aller Beteiligten fest verwurzelt sind. Das Paradebeispiel dafür ist der Standort Aalsmeer, er gilt als Inbegriff des Blumenhandels schlechthin. Egal ob für Schnittblumen oder Topfpflanzen – dort ist der zentrale Umschlagplatz, an dem Produzenten und Einkäufer aus aller Welt aufeinandertreffen und die Ware ihren Besitzer wechselt. Eine traditionelle Vertriebsstruktur, die allerdings an manchen Stellen aufzubrechen beginnt. Bei unserer Recherche stellen wir fest, dass Beiwerk kaum an der Uhr gehandelt wird. Die Importeure liefern es zwar noch oft nach Aalsmeer, kennen dort aber bereits ihre Käufer, da diese verbindliche Mengen online vorbestellt haben. Die Preise sind fix vereinbart und schwanken nicht mehr, allenfalls gibt es Rabatte für Stammkunden mit Jahresabnahme. Die Kosten für den Endkunden – meist Floristen – erhöhen sich jedoch insofern, als das Grün in der Regel umso teurer wird, je mehr Zwischenhändler die Ware weiter vertreiben.
Versteigerungsuhren sind in der Grünen Branche seit Jahrzehnten etablierte Handelsplätze, die in den Köpfen aller Beteiligten fest verwurzelt sind. führer der GreenZone GmbH, einer der größten Importeure von qualitativ hochwertigem Beiwerk in Europa. Als Vorteile der Uhr nennt Rutten die realistische Abbildung der Angebots- und Nachfragesituation, die hohe Preis- und Liefersicherheit für Einkäufer und die Gewährleistung einer großen Sortimentsbreite. Trotzdem glaubt er nicht, dass die Versteigerung auch zukünftig das Modell für den Handel mit Blumen und Pflanzen
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Interview Danny Voets, Leiter Kundenbetreuung (links), Loe Rutten, Geschäftsführer (Mitte), und Berthold Kott, Berater (rechts)
Direktvertrieb von Beiwerk etabliert sich Um ihren Partnerfloristen hochwertige Ware zu günstigen Preisen anzubieten, kooperiert die Fleurop AG seit Anfang Mai mit der GreenZone GmbH. Am Firmensitz in Herongen sprachen wir neben Geschäftsführer Loe Rutten mit Danny Voets, Leiter Kundenbetreuung, sowie Berthold Kott, der mit seiner Expertise in der Grünen Branche als Berater tätig ist. Unsere Leitfragen waren: Wie sieht die Zukunftsvision im Direktvertrieb von Beiwerk aus? Welche Rolle spielen neben dem Preis Kriterien wie Qualität und Transparenz in der Handelskette?
Welchen Stellenwert hat Beiwerk im Vergleich zu Schnittblumen bei der Versteigerung? Rutten: An der Uhr bei uns hier in Herongen wird noch Beiwerk versteigert, in Aalsmeer und an allen anderen holländischen Standorten aber so gut wie gar nicht mehr. Wie erklären Sie es sich, dass der Handel mit Beiwerk an der Uhr stark zurückgegangen ist? Rutten: Zum einen ist die Logistik aufwendig und zum anderen variieren die Preise bei der Versteigerung je nach Angebot und Nachfrage nach oben und unten. Bei Direktgeschäften ist der Vorteil für die Produzenten oder Importeure, dass sie den Preis selbst konkret festlegen können. Seit Anfang Mai dieses Jahres bietet Fleurop seinen Partnerfloristen an, Salal direkt über Greenzone zu beziehen. Inwiefern spiegelt sich dies im Preis wider? Rutten: Wenn die Floristen Salal GREEN 1/13
über Großhändler oder Großmärkte kaufen, ist das Bund etwa 10 bis 25 Prozent teurer, weil jeder Zwischenhändler Prozente für sich einrechnet. Meistens kommen dann auch noch Kosten für Transport und Beschaffung hinzu. Mit der OnlineBestellung über unseren Webshop erhalten die Fleurop-Floristen dagegen einen Festpreis, der die Lieferung per Paketversand ins Geschäft bereits beinhaltet. Kott: Das Revolutionäre an diesem Modell ist, dass damit eine direkte Geschäftsbeziehung vom Floristen zum Importeur ermöglicht wird. Dadurch wird die oft undurchsichtige Handelskette mit mehreren Zwischenhändlern umgangen. Voets: Viele Floristen sehen nur die im Vergleich zu Schnittblumen relativ günstigen Preise für Beiwerk, rechnen aber nicht, was sie nur bei einem Produkt – wie zum Beispiel Salal – im Direktbezug aufs Jahr gesehen an Kosten sparen können.
Erhalten die Floristen durch die verkürzte Handelskette auch bessere Informationen über die Ware? Rutten: Bei der Beschaffung von Salal auf herkömmlichen Wegen haben die Floristen bisher überhaupt keine Informationen erhalten – weder, woher das Blattwerk kam, noch wann es geerntet wurde. Voets: Beim Importeur hört in der Regel das Wissen auf, alle weiteren Zwischenhändler haben keine Informationen mehr. Viele Importeure interessieren sich auch gar nicht dafür. Im Zweifel sagen sie dem Kunden, die Ware sei frisch angeliefert worden. Gerade bei Salal können die Blätter aufgrund der speziellen Erntesituation zu diesem Zeitpunkt aber schon mehrere Wochen alt sein. Kott: Der Anspruch von Fleurop war, durch den Direktvertrieb nicht nur die Preisgestaltung transparent zu machen, sondern auch Informationen zur Ware bereitzustellen.
Denn nur durch hochwertige Produkte und Hintergrundwissen können sich Floristen auf Dauer auf dem Markt behaupten. Dieser Wunsch nach Transparenz war in der Branche völlig neu und musste erst in einem langwierigen Vorbereitungsprozess durchgesetzt werden. Rutten: Wenn die Floristen Salal in unserem Online-Shop bestellen, erhalten sie Informationen zum Herkunftsland und zur Sorte sowie zum Verpackungs-, Versand- und Ankunftsdatum bei uns. Das Erntedatum liegt erfahrungsgemäß zwei bis drei Tage vor dem Verpackungsdatum. Haben Floristen bei einem eher nebensächlichen Produkt wie Beiwerk überhaupt ein Bewusstsein für Qualität? Voets: Viele deutsche Floristen hatten bisher kaum eine Chance, unterschiedliche Qualitäten von Salal zu vergleichen, weil sie über herkömmliche Vertriebswege oft
gar keine Wahlmöglichkeit haben. Mit unserem Angebot für den Direktvertrieb wollen wir dieses Bewusstsein wecken: Im Online-Shop können die Fleurop-Floristen drei verschiedene, MPS-A-zertifizierte Sorten testen. Da die Qualitätskriterien zum Teil subjektiv sind und je nach Verwendungszweck variieren, liefern wir Beschreibungen mit, die neben der Stiellänge zum Beispiel auch Größe und Beschaffenheit der Blätter sowie die Anzahl der Blätter pro Stiel enthalten. Wie sieht die Zukunftsvision hinsichtlich der Qualität aus? Welche Möglichkeiten eröffnen sich durch den Direktvertrieb? Rutten: Eine höhere Qualität bei Salal zu erzeugen, ist durchaus möglich, wäre aber mit größerem Aufwand und einem höheren Verkaufspreis verbunden. Kott: Dazu muss man wissen, dass Salal an sich ein billiges Waldprodukt ist, das in großen Mengen
wild wuchert und von ungelernten Arbeitern, sogenannten Pickern, geerntet wird. Um eine 1A-Qualität bei den exportierten Bunden zu erreichen, müsste man den Pickern floristisches Fachwissen vermitteln. Also beispielsweise, welche Blätter aus welchen Gründen besser geeignet sind und wie man sie am besten bündelt. Durch den Direktvertrieb hätte man aber die Möglichkeit, ein neues Qualitätsbewusstsein bei den Floristen zu wecken und entsprechende Standards bei der Ernte in Kanada zu etablieren. Voets: Unsere oberste Handelsmaxime bei GreenZone ist »Qualität vor Masse«. Auch wenn wir noch ganz am Anfang dieses neuen Vertriebsweges stehen, sind wir bemüht, den Qualitätsanspruch hochzuhalten und in Zukunft weiterzusteigern. Vielen Dank für das Gespräch!
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Das 90 Jahre alte Blumenfachgeschäft »Bloemisterij Labberton« in Apeldoorn.
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FloraHolland In immer schnellerem Tempo werden Produktion und Handel von Zierpflanzenprodukten zu einer weltumspannenden Angelegenheit. Als weltweit größtes Versteigerungsunternehmen führt FloraHolland schon seit über hundert Jahren Angebot und Nachfrage auf internationaler Ebene zusammen.
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loraHolland betreibt die größte Blumenversteigerungsbörse der Welt und beschäftigt momentan rund 4.000 Mitarbeiter. Sie ist genossenschaftlich organisiert, als gemeinschaftlich betriebener Markt der niederländischen Blumenproduzenten und -händler. Entsprechend muss die Organisation selbst keinen Gewinn abwerfen, sondern soll eine zuverlässige Abwicklung der Geschäfte rund um Blumen und Pflanzen ermöglichen. Der Gesamtumsatz der Genossenschaft belief sich im Jahr 2012 auf fast 4,3 Milliarden Euro, davon entfielen
Apeldoorn Nach unserem Termin in Herongen fahren wir weiter in das niederländische Städtchen Apeldoorn, wo wir uns mit einem ortsansässigen Floristen verabredet haben. Rund zwei Stunden benötigen wir, um die 140 Kilometer lange Strecke im prasselnden Dauerregen zurückzulegen. Wohnwagen sind entgegen des weitverbreiteten Klischees über die Niederländer nur wenige auf den Straßen unterwegs. Unser zweites Tagesziel, die zentral im Landesinneren gelegene Stadt Apeldoorn, erlangte im Jahr 2009 traurige Berühmtheit, als bei einer Parade zu Ehren der damaligen Königin Beatrix ein Verwirrter seinen Kleinwagen mit hoher Geschwindigkeit in die Zuschauermenge lenkte und dabei sieben Menschen tötete. Heute erinnert ein Mahnmal an die Tragödie. Wir besuchen in dem bei Touristen sehr beliebten Ort das 90 Jahre alte Blumenfachgeschäft »Bloemisterij Labberton« und wollen herausfinden, wie wichtig die Versteigerung an der Uhr für einen niederländischen Floristen ist. Es empfängt uns der Mitinhaber Gerd van Raalte, ein kleiner Mann mit runder Brille und verschmitztem Blick. Sofort lädt er uns zu einer Besichtigung seines Firmenareals ein – und was wir sehen, ist absolut beeindruckend: Auf einer Verkaufsfläche von 1.500 Quadratmetern, verteilt über mehrere Etagen und einen großzügigen Außenbereich, finden Kunden unzählige Schnittblumen, Zierpflanzen, Gestecke, Bastel- und Dekorationsartikel. Ein besonderes Highlight ist ein Kursraum mit 40 Arbeitsplätzen, in dem an fünf Tagen pro Woche Floristik-Seminare für Hobbybastler durchgeführt werden. Ein Angebot, das dem Vernehmen nach auf sehr großes Interesse stößt. Doch woher bezieht van Raalte seine riesigen Warenmengen? Der Geschäftsführer antwortet: »Wir sind täglich auf ein bis zwei Versteigerungen in den Niederlanden und auch in Herongen als Verkäufer oder Einkäufer aktiv. Die GREEN 1/13
Transportwege sind aufgrund unserer zentralen Lage relativ kurz, weshalb sich der Aufwand rentiert. Alle bei uns erhältlichen Blumen und Pflanzen ersteigern wir zunächst in großen Mengen über die internationalen Uhren, verkaufen so viel wie möglich in unserem Geschäft und bieten die überschüssige Ware wieder auf meist kleineren Versteigerungen, beispielsweise in Ede, zum Verkauf an.« 25 fest angestellte Mitarbeiter und bis zu 20 Hilfskräfte sorgen für einen reibungslosen Geschäftsablauf. Van Raalte gibt offen zu, dass er von der Uhr profitiert, und lobt die stabilen Preise, die verfügbare Auswahl sowie die gut organisierte Logistik an den Versteigerungsplätzen. Bei regionalen Produzenten auf direktem Weg einzukaufen ist für ihn nach eigener Aussage keine Alternative. Und der Geschäftserfolg scheint ihm Recht zu geben – zumindest in unserer Besuchszeit an einem regnerischen Dienstag werden van Raaltes Verkaufsräume durchgehend von vielen Kunden frequentiert, trotz des schlechten Wetters und mehrerer Wettbewerber in unmittelbarer Nähe. Nachdem wir uns für die freundliche Führung und das Gespräch bedankt haben und sogar noch einen Bildband mit floristischen Werkstücken geschenkt bekommen, verlassen wir Apeldoorn und steuern unsere wichtigste Reisestation an – in westlicher Richtung geht es in die Provinz Nordholland nach Aalsmeer.
Anlagen und Einrichtungen
rund 2,4 Milliarden Euro auf Schnittblumen, fast 1,5 Milliarden Euro auf Zimmerpflanzen und 365 Millionen Euro auf Gartenpflanzen. Die mit großem Abstand am häufigsten verkauften Schnittblumen waren Rosen mit 3,7 Milliarden Stielen. An den Standorten Aalsmeer, Naaldwijk und R ijnsburg liegt der Schwerpunkt vor allem auf dem internationalen Handel. In Bleiswijk und Eelde sind dagegen eher Umschlagplätze für den niederländischen Markt. Der Versteigerungsbetrieb im deutschen Herongen existiert als Joint Venture zwischen FloraHolland und Landgard.
Aalsmeer
Naaldwijk
Rijnsburg
Bleiswijk
Eelde
Versteigerungsuhren
14
11
7
3
3
Versteigerungshallen
3
4
1
1
1
Fläche der Versteigerungsgebäude
1.287.813 m
736.000 m
400.000 m
123.000 m
46.975 m2
Kunden mit Betriebseinrichtungen auf dem Versteigerungsareal
450
450
180
85
26
41.561 m2
43.000 m2
37.500 m2
3.800 m2
3.440 m2
530
520
296
115
22
Durchschnittliche Anzahl an Versteigerungen pro Tag
43.584
35.559
20.089
7.024
5.039
Anzahl aktiver Lieferanten
2012
Anzahl aktiver Händler
2012
Aalsmeer
4.775
Aalsmeer
715
Naaldwijk
4.123
Naaldwijk
602
Rijnsburg
3.172
Rijnsburg
396
Bleiswijk
2.341
Bleiswijk
543
Eelde
1.227
Eelde
273
Fläche der Kühlhallen Anzahl der Docks
2
2
2
2
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Markt und Wissen 45
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Aalsmeer Am frühen Abend erreichen wir Aalsmeer – den Ort, der der Nabel des weltweiten Blumen- und Pflanzenhandels sein soll. Es regnet noch immer, trotzdem können wir uns dem Charme der kleinen Einfamilienhäuser mit den großen, floristisch dekorierten Panoramafenstern und den liebevoll gestalteten Vorgärten nicht entziehen. Man bemerkt schnell, und nicht erst hier, dass der Stellenwert von Blüten und Ziergewächsen, aber auch von aufwendigem Fensterschmuck, in den Niederlanden wesentlich höher als etwa in Deutschland ist. Auffällig ist zudem, dass das Dorf von unzähligen kleinen Kanälen und Wasserstraßen durchzogen wird und die vorhandenen Fahrradwege äußerst großzügig angelegt wurden. Nachdem wir unsere Unterkunft bezogen haben und durchaus eine Weile brauchen, um eine preiswerte Gaststätte mit angenehmer Atmosphäre zu finden, lassen wir den Tag bei einem leckeren Abendessen ausklingen und versäumen es anschließend nicht, früh ins Bett zu gehen. Nach einem schnellen Frühstück im Hotel geht es auch am zweiten Tag unserer Recherche-Reise wieder zeitig los – schließlich wollen wir möglichst viele Eindrücke vom Ablauf der Versteigerung vor Ort sammeln. Wir sind gespannt darauf, mit der Niederlassung von FloraHolland in Aalsmeer das größte Handelsgebäude der Welt mit eigenen Augen zu sehen. Dabei interessiert uns, wie es um diesen zentralen Umschlagplatz von Blumen und Pflanzen bestellt ist: Welche Käufergruppen beteiligen sich tatsächlich noch an den Ver-
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ander. Für internationales Flair sorgen ständig startende und landende Flugzeuge des nahe gelegenen Airports Schiphol. Durch die unmittelbare Nähe Aalsmeers zu Amsterdam bieten sich für die weltweiten Transporte der Versteigerungsware sowohl der Wasser- als auch der Luftweg an. Als wir die Lagerhallen betreten, bekommen wir einen ersten Eindruck, welche Mengen hier gehandelt werden: Auf dem Weg zu den Auktionssälen fahren zahlreiche Blumenwagen an uns vorbei. Teilweise sind bis zu 20 Karren – wie sie dort meist genannt werden – aneinandergereiht. Einige gleiten automatisiert auf Schienen, andere werden mit kleinen Zugmaschinen entlang der abgestellten Pflanzendepots weiterbefördert. Schließlich angekommen in einem der beiden Versteigerungsräume für Schnittblumen, beobachten wir den Ablauf der Versteigerung. Auffällig im Vergleich zu Herongen ist, dass hier die reale Pflanze eine viel geringere Bedeutung hat. Während bei der Veiling Rhein-Maas die Blumenwagen parallel von beiden Seiten auf jeweils drei Ebenen zur Ansicht in den Saal gefahren werden, ist dies in Aalsmeer auf eine Ebene reduziert. Möglicherweise ist diese konventionelle Form der Warenpräsentation auch ein Grund, warum deutsche Floristen lieber nach Herongen fahren. Allerdings relativiert sich das Argument des Sichtkaufs wieder, wenn man beobachtet, wie sich die Käufer dort mit Ferngläsern behelfen, um einen besseren Blick auf die Ware zu bekommen. In Aalsmeer ist die Technisierung bereits weiter vorangeschritten: Anstelle der ursprünglichen Uhr werden hier lediglich digitalisierte Abbilder an zwei Leinwände projiziert. Statt auf die eigentliche Ware konzentrieren
sich die Anwesenden auf die angezeigten detaillierten Informationen, die durch ein aktuelles Foto der angebotenen Pflanzen ergänzt werden. Wer die Blumen wirklich begutachten will, muss dies vor der Versteigerung frühmorgens in den Kühlhallen tun – sofern er sich diese Mühe machen will. Ein Sichtkauf im wörtlichen Sinn ist zum Zeitpunkt des Gebots also weder in Herongen noch in Aalsmeer möglich. Tatsächlich zeichnet sich im Kaufverhalten ein deutlicher Trend zur Akzeptanz der zunehmenden Virtualisierung ab: Angaben von FloraHolland zufolge finden inzwischen bei 70 Prozent der Auktionen die Blumenverkäufe ohne die physische Anwesenheit des Produkts statt. Solche sogenannten Bildversteigerungen gibt es neben Aalsmeer an den Standorten Naaldwijk und Rijnsburg. 60 Prozent des Blumenverkaufs an den Versteigerungsuhren erfolgen sogar als reiner Fernkauf – hier sitzt der Bietende irgendwo auf der Welt und macht sein Gebot online oder per Telefon. Diese Zahlen liefern ein deutliches Indiz dafür, dass die Blumenversteigerung immer mehr zu einem virtuellen Marktplatz wird. Dennoch ist der Auktionssaal an
diesem Mittwochmorgen voll. Wir fragen uns, welche Beweggründe die Käufer haben, trotz der Möglichkeit des bequemen Fernkaufs überhaupt noch vor Ort zu kommen? Also setzen wir uns an einen Versteigerungsplatz und beobachten das Treiben um uns herum. Entgegen unseren Erwartungen ist die Stimmung ruhig und entspannt – von typischer Börsen-Atmosphäre mit Hektik, Stress und Wutausbrüchen ist nichts zu spüren. Hauptsächlich sitzen Männer mittleren Alters an den PC-Arbeitsplätzen, zum Teil ausgestattet mit einem zusätzlichen eigenen Laptop und Handy oder Smartphone. Schnell wird uns klar, warum einfache deutsche Floristen nicht mehr herkommen: Hier sitzen Profis. Die meisten sind niederländische Einkäufer, die sich auf wenige Sorten spezialisiert haben und diese für ihre Auftraggeber zum bestmöglichen Preis ersteigern. Wie ein Relikt aus früheren Zeiten liegen bei vielen handgeschriebene Zettel auf den Tischen, auf denen bestimmte Produkte mit Mengenangaben und Preisvorstellungen notiert sind. Das Ersteigern selbst geht blitzschnell: Ein Vorgang dauert pro Runde nur etwa vier Sekunden, dann startet
Einer der beiden Versteigerungssäle für Schnittblumen in Aalsmeer.
Statt auf die eigentliche Ware konzentrieren sich die Anwesenden auf die angezeigten digitalen Informationen. steigerungen vor Ort? Wie weit ist die Technisierung bereits vorangeschritten? Ist überhaupt noch ein Sichtkauf im eigentlichen Sinn möglich? Und kochen die Emotionen hoch wie an den großen Finanzbörsen? Während der kurzen Autofahrt vom Hotel zu unserem Ziel ist die Umgebung eher kleinstädtisch und beschaulich – kaum vorstellbar, dass wir in Kürze bei der weltgrößten Blumenbörse eintreffen. Lediglich einfache Hinweisschilder mit der Aufschrift »Bloemenveiling« bestätigen uns, dass wir richtig sind. Als sich der riesige Gebäudekomplex vor uns erhebt, wird aber sehr schnell klar, mit welchen Dimensionen wir es zu tun haben werden. Bereits das Parkdeck bietet einen Vorgeschmack: Schier endlos reihen sich hier die Autos aneinGREEN 1/13
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die Uhr schon für das nächste Produkt. Was für die Beteiligten ein alltägliches Zusammenspiel darstellt, können die interessierten Touristen auf der anderen Seite der Glasscheibe kaum nachvollziehen. Für die professionellen Einkäufer ist eine umfassende Informiertheit im Vorfeld alles entscheidend für den schnellen Kauf an der Uhr. Da die Anlieferungen einen Tag im Voraus bekannt sind, können sie sich über die verfügbaren Mengen und Sorten einen genauen Überblick verschaffen. Die Preisentwicklung bestimmter Produkte im Vergleich zum Vortag, zur Vorwoche und zur gleichen Saison im letzten Jahr müssen sie in- und auswendig kennen – selbst dann bleibt noch ein gewisses Restrisiko, wie sich der aktuelle Tagespreis für eine Charge entwickeln wird. Und genau um diese Schwankungen nachvollziehen und schnell mit angepassten Geboten darauf reagieren zu können, zieht es viele Einkäufer nach Aalsmeer. Aber ist die persönliche Anwesenheit im Auktionssaal überhaupt noch nötig? Natürlich kann es interessant sein, im direkten Austausch mit den Kollegen eine Erklärung dafür zu erhalten, warum eine gesteigerte Nachfrage für ausgesuchte Sorten besteht, die den aktuellen Tagespreis bestimmt. Aber ist das ein tatsächlicher Mehrwert für Gärtner und Floristen? Ist es beispielweise nicht viel interessanter, zu erfahren, wie frisch die Ware ist, die am Ende des Tages die Kunden begeistern soll? Um einmal live mitzuerleben, wie die bereits ersteigerte Ware den entsprechenden Händlern zugeteilt wird, gehen wir wieder zurück in die Lagerhallen. Hier herrscht ebenso wie in den Auktionssälen eine entspannte Atmosphäre und ein lockerer Umgang zwischen allen Beteiligten. Wir können uns frei bewegen und uns in Ruhe umschauen. Obwohl die zwischengelagerten Blumen und Pflanzen schon bezahlt sind, gibt es keine Security, die darauf achtet, dass nichts unrechtmäßig entwendet wird. Lediglich installierte Kameras dienen zur Überwachung. Der Ehrenkodex, sich untereinander nicht zu beklauen, scheint hochgehalten und weitere Maßnahmen zu erübrigen. Von einer Fußgängerbrücke, die hunderte von Metern durch die ganze Halle führt, beobachten wir die beeindruckende Logistik der Warenzuteilung: Neben den bereits eingangs gesehenen langen Zügen aus mehreren Blumenwagen dominieren jetzt die wendigen Einzelgefährte. Die Fahrer – darunter auffällig viele Einwanderer aus aller Herren Länder – sind mit Lieferpapieren ausgestattet, anhand derer sie die ersteigerten Pflanzen zu den Empfängern transportieren. Obwohl immer mehrere Fahrzeuge parallel durch die Gänge
Ausgeklügelte Logistik der Warenzuteilung in Aalsmeer.
fahren und sich ihre Wege ständig kreuzen, hört man kein Fluchen oder Schimpfen wie im normalen Straßenverkehr. Jeder weiß genau, was er zu tun hat. Fasziniert halten wir auf unserem Weg zum anderen Ende des Gebäudes immer wieder inne und verfolgen das Geschehen. Je nach Größe des Blumenhändlers wird die Ware zu den bereitgestellten Lkws, in gemietete Boxen innerhalb der Lagerhalle oder bei den ganz großen Abneh-
Die komplexe Logistik funktioniert – aber ist sie noch zeitgemäß?
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mern in deren eigene Halle geliefert. Der logistische Aufwand ist immens. Um die weiten Transportwege so effizient wie möglich zu gestalten, wurde mit großem Investitionsaufwand ein neues System eingerichtet, über das die Blumenwagen nun zusätzlich an der Decke hängend befördert werden können. Diese Variante ist insbesondere dafür gedacht, dass die Ware aus der Halle heraus auf die andere Straßenseite gebracht werden kann, wo die Lkws zum Beladen bereitstehen. Hat man diese komplexe Logistik-Maschinerie mit eigenen Augen gesehen, drängt sich unweigerlich die Frage auf, ob man vieles nicht einfacher abwickeln könnte. Gerade die Uhr in Aalsmeer ist zwar ein etablierter Umschlagplatz, der als das Zentrum für den Blumenhandel
schlechthin gilt. Für die Verkäufer und Einkäufer fallen dadurch aber horrende Zusatzkosten an, die mit dem Wert der Pflanze an sich nichts zu tun haben: FloraHolland erhebt Gebühren für die Teilnahme an der Versteigerung in Höhe von mehreren Tausend Euro jährlich, behält Verkaufsprovisionen ein und berechnet Aufschläge für den Transport sowie diverse Verwaltungskosten. Dabei bietet die globale Vernetzung über das Internet die beste Grundlage dafür, dass sich Produzenten und Floristen beziehungsweise Gärtner direkt miteinander vernetzen und die Ware ohne weitere Zwischenstationen beziehen. So können zeitlicher Aufwand, Transportwege und letztlich Kosten reduziert werden – und die Ware ist aufgrund der kürzeren Wege frischer. Im Produktsegment Beiwerk entwickeln sich die Verkaufswege zunehmend in diese Richtung: Der Handel mit Grün geht zum allergrößten Teil an der Uhr vorbei. Stattdessen bestellen die Interessenten die gewünschten Mengen direkt beim Importeur online vor. Die Ware kommt zwar noch nach Aalsmeer, wird aber im Direktvertrieb ohne die Zwischenstation über die Versteigerung verkauft. Lediglich die Anzahl der Zwischenhändler bis zum Endkunden bedingt preisliche Unterschiede. Nachhaltig beeindruckt von blitzschnellen, komplexen Vorgängen in den Versteigerungssälen und vom flinken Gewimmel sowie der ausgeklügelten Logistik bei der Warenzuteilung, beschließen wir, auch noch den Großmarkt vor Ort zu besuchen. Dieser ist GREEN 1/13
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ebenfalls auf dem riesigen Versteigerungsgelände in Aalsmeer untergebracht. Bei den dort ansässigen Blumengroßhändlern »Weerman« und »Waterdrinker« haben Floristen die Gelegenheit, Ware zu beziehen, die unmittelbar von der Versteigerung eintrifft. Zusätzlich erweitern importierte Pflanzen aus aller Welt das breit gefächerte Angebot. Auch hier finden wir wieder alles überdimensional groß vor: Scheinbar endlose Hallen, so weit das Auge reicht, angefüllt mit Rollwagen voller Blumen und Pflanzen. Es ist jedoch nicht viel los und wir können uns bei dezenter Hintergrundmusik in Ruhe umschauen. Plötzlich schnappen wir aus einem der Gänge deutsche Satzfetzen auf – genauer gesagt eine
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Unterhaltung auf Sächsisch. Zu unserer Überraschung treffen wir hier doch noch auf einen deutschen Floristen. Es ist Matthias Tröltzsch, Inhaber eines Gartenbaubetriebes in Oelsnitz im Vogtland, der zusammen mit seinem Sohn extra nach Aalsmeer gefahren ist, um sich für seine Gärtnerei und sein Floristik-Fachgeschäft mit neuer Ware einzudecken. Für einen großen Auftrag zur floristischen Ausstattung einer Hochzeit hat er zahlreiche Margeriten vorbestellt, die nun aber verschollen scheinen. Während Tröltzsch darauf wartet, dass ein Mitarbeiter des Großmarktes herausfindet, wo die Bestellung liegengeblieben ist, haben wir Gelegenheit, ihn anzusprechen und uns mit ihm zu unterhalten.
Bis zu 20 Blumenkarren werden an die elektrischen Zugmaschinen angehängt.
Aalsmeer in Zahlen und Fakten – Heimat der weltgrößten Blumenbörse mit drei Auktionssälen und 14 Versteigerungsuhren – rund zehn Kilometer von Amsterdam entfernt – 60 Prozent der weltweiten Blumen werden hier gehandelt: 21 Millionen Schnittblumen und drei Millionen Topfpflanzen täglich – 400 Blumenhändler sitzen in den riesigen Auktionssälen – im Gegensatz zu normalen Versteigerungen läuft die Uhr bei der Blumenauktion rückwärts, der Preis startet bei 100 Cent und sinkt, bis das erste Gebot die Uhr stoppt und den Zuschlag erhält – die Fläche des Hallenkomplexes ist größer als die der Stadt Monaco – Betreiber der Börse ist die Genossenschaft FloraHolland, sie unterhält zusätzlich fünf weitere Versteigerungsstandorte, einen davon in Deutschland
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Pflanzen her. Nach Schnittblumen schaue ich nur am Rande und nehme manchmal als Ergänzung welche mit. Meine Floristin beobachtet von Deutschland aus, welche Schnittblumen frisch hereinkommen. Manchmal machen wir dann online eine kleine Vorbestellung.
Interview
Von Sachsen nach Aalsmeer und zurück Matthias Tröltzsch, Inhaber des Gartenbaubetriebs Tröltzsch in Oelsnitz/Vogtland (Sachsen). Das traditionsreiche Familienunternehmen umfasst heute eine Gärtnerei mit eigener Baumschule sowie ein Floristik-Fachgeschäft. Hallo, dürfen wir Sie kurz stören? Wir haben gerade Sächsisch gehört – sind Sie ein deutscher Florist? Ja. Waren Sie heute auf der Versteigerung in Aalsmeer? Nein, aber ich bin nach Aalsmeer gekommen, um hier im Großmarkt bei Weerman und Waterdrinker einzukaufen. Sind Sie zum ersten Mal hier hergekommen? Nein, ich fahre schon seit 1993 für den Einkauf nach Aalsmeer. Jede Woche? Nein, nur alle sechs bis acht Wochen. Das reicht, um mich mit ausreichend Ware einzudecken. GREEN 1/13
Von Sachsen aus haben Sie ja nicht gerade den nächsten Weg. Wann sind Sie denn aufgestanden? Wir sind schon gestern Abend so gegen halb sieben losgefahren, waren dann um halb zwölf hier, haben im Auto übernachtet und sind dann gleich heute früh auf den Großmarkt. Das hört sich ziemlich anstrengend an, dafür dass Sie ja gar nicht zur Versteigerung selbst gehen. Warum kaufen Sie Ihre Ware nicht bei sich zu Hause ein? Weil mir so ein Sortiment keiner in der Region bieten kann und mir der Großmarkt in Sachsen zu teuer ist. Hier hat man eine riesige Auswahl und die Preise sind oft günstiger. Aber man muss trotzdem aufpassen und immer vergleichen.
Wieso ist das Sortiment so wichtig für Sie? Die meisten Floristen in Sachsen kaufen nur bei Landgard ein und haben alle ein ähnliches Angebot. Hier finde ich dagegen ein ganz anderes Sortiment vor. Ich muss dafür zwar extra nach Aalsmeer fahren, kann mich dadurch aber gegenüber meinen Mitbewerbern absetzen, das ist mir wichtig. Bemerken Ihre Kunden diesen Unterschied? Ja, das schlägt sich sofort im Umsatz nieder, vor allem bei Festtagen. Da haben wir mit unserem Sortiment ein großes Plus. Kaufen Sie Schnittblumen und Topfpflanzen ein? Ich komme vor allem wegen der
Funktioniert der Einkauf bei den beiden von Ihnen bevorzugten Anbietern gleich? Hier bei Waterdrinker im Cash & Carry muss ich mir alle Pflanzen selber herausnehmen und verladen, drüben bei Weerman bekomme ich meine vorbestellte Ware direkt ans Auto geliefert. Da läuft alles vollautomatisch über Scanner. Allerdings muss ich dort auch größere Mengen abnehmen. Also hält auch zunehmend die Technisierung und Automatisierung Einzug? Ja. Das ist aber angenehm und entspannt den Einkauf. Früher herrschte hier das Wühltischprinzip: Morgens sind alle hereingestürmt, haben sich auf die Pflanzen gestürzt, alles aus den Regalen gezerrt, begutachtet und später wieder zurückgestellt. Dadurch hat die Ware sehr gelitten. Das ist inzwischen kein Vergleich mehr. Was schätzen Sie denn besonders am Angebot von Weerman und Waterdrinker? Ich finde die Qualität und Frische der Grünpflanzen hier sehr gut, vor allem den kompakten Wuchs. Das ist mir lieber als eine besonders hochgewachsene Pflanze. Außerdem gibt es eine größere Auswahl und andere Sorten als in Deutschland. Besonders für Grün- und Hydropflanzen lohnt es sich, herzu-
kommen. Zusätzlich fahre ich noch in den Ort nach Aalsmeer und kaufe dort in einem Geschäft – unabhängig von der Versteigerung – mediterrane Pflanzen ein. Würden Sie generell Ware aus Aalsmeer gegenüber Ware aus Ihrer Region vorziehen? Nein. Koniferen zum Beispiel kaufe ich hier nicht. Ziergehölze generell besorge ich mir regional in der Baumschule. Und für Orchideen habe ich einen Produzenten in Dresden. Dadurch, dass wir in unserem Betrieb ein sehr großes Sortiment haben, muss ich an verschiedenen Stellen einkaufen, um alles in guter Qualität bedienen zu können. Ich beziehe deshalb auch sehr viel direkt aus der Region. Schaffen Sie es denn, Ihren Großeinkauf selbst nach Hause zu bringen? Ja. Heute sind wir sogar nur mit dem Transporter hier. Vor Feiertagen, wenn ich noch mehr einkaufe, fahre ich zusätzlich mit einem Anhänger. Ursprünglich waren wir ja auf der Suche nach einem deutschen Floristen, der noch selbst in Aalsmeer mitsteigert. Kennen Sie einen Kollegen, auf den das zutrifft? Nein, ich glaube, das macht keiner mehr. Und für Sie selbst hat der direkte Einkauf an der Uhr auch keinen Reiz? Nein, überhaupt nicht! Warum nicht? Das traue ich mir gar nicht zu. Ich hätte Angst, Fehler zu machen. Wenn man nur alle paar Wochen hinfährt, hat man keinen Überblick
über die Preise, das ist dann zu unsicher. Außerdem muss man bei der Versteigerung in Aalsmeer sehr große Mengen abnehmen, so viel von einer Sorte kann ich in meinem Betrieb gar nicht verkaufen. Und selbst wenn ich nichts ersteigere, muss ich bezahlen. Gebühren kostet die Teilnahme an der Versteigerung immer – egal, ob man etwas kauft oder nicht. Für den Einkauf im Großmarkt musste ich mich dagegen nur einmal registrieren und das war nicht teuer. Seither habe ich eine Berechtigungskarte, mit der ich hier jederzeit einkaufen kann. Trotzdem ist es erstaunlich, dass Sie extra den weiten Weg nach Aalsmeer fahren, um dann letztlich nur im Großmarkt einzukaufen, wo auf den Versteigerungspreis ja bereits ein Zuschlag des Zwischenhändlers hinzukommt. Macht Ihnen das nichts aus? Nein, ganz und gar nicht. Mir kommt es vor allem auf den Sichtkauf an. Ich lasse lieber einen ProfiEinkäufer steigern und bezahle die paar Prozente mehr. Anschließend kann ich mir die Ware dann in Ruhe anschauen und die Qualität beurteilen. Deshalb fahre ich auch selbst hin. Beim konkreten Kauf möchte ich mich nicht auf das Urteil anderer verlassen. Die größte Sicherheit, wirklich gute Ware zu erhalten, habe ich nur, wenn ich die Pflanzen selbst begutachtet und angefasst habe. Vielen Dank, dass Sie sich kurz Zeit für uns genommen haben. Dann wünschen wir Ihnen noch viel Erfolg mit den Margeriten und später eine gute und sichere Heimfahrt!
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Markt und Wissen 53
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Winterswijk
Johan Vos auf dem Markt in Winterswijk.
Interview 2
Die letzte Etappe unserer kleinen Rundreise durch die Niederlande führt uns auf den Wochenmarkt der Gemeinde Winterswijk, einem beschaulichen Fleckchen Erde im Grenzgebiet zu Deutschland. Hier wollen wir den 60-jährigen Johan Vos treffen, der uns als gärtnerisches Urgestein und Brancheninsider empfohlen wurde. Als wir kurz vor 14 Uhr auf dem Marktplatz eintreffen, ist Vos bereits mit dem Abbau seines Verkaufsstands beschäftigt, wir entdecken ihn beim Beladen seines Lkw. Kurze Zeit später sitzt er uns als Interviewpartner im wunderschönen Café »de Zwaan« gegenüber. Bei einer Tasse Kaffee haben wir Gelegenheit, etwas aus seinem Erfahrungsschatz zu hören.
Branchenkenner mit reichem Erfahrungsschatz
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Im Gespräch mit Johan Vos, seit 42 Jahren Inhaber einer Baumschule im niederländischen Wijk en Aalburg.
Herr Vos, schön, dass es mit unserem Termin geklappt hat! Sie führen seit 1971 eine Baumschule in Wijk en Aalburg, einer zentral in den Niederlanden gelegenen Ortschaft. Was verschlägt sie in das über 150 Kilometer entfernte Winterswijk? Früher war ich als Händler auf bis zu 18 Wochenmärkten vertreten! Doch das lohnt sich heute nicht mehr, viele Kunden wandern ab und kaufen Pflanzen lieber billig im Discounter. Winterswijk ist für mich noch interessant, weil hier neben den niederländischen Stammkunden auch viele deutsche Touristen einkaufen. Was bieten Sie denn an? Vor allem Koniferen, Buchsbäume und Laubgehölze sowie eine Auswahl an Topfpflanzen. Wie beurteilen Sie mit Ihrer jahrzehntelangen Erfahrung den Zustand der Grünen Branche in den Niederlanden, die ja als die Blumennation schlechthin gilt? Andere Länder, zum Beispiel Israel oder Italien, bauen Schnittblumen wesentlich günstiger an als wir und überschwemmen den Markt. Allein der Baugrund für Gewächshäuser in den Niederlanden kostet durchschnittlich bereits 50 Euro pro Quadratmeter. Gleichzeitig müsGREEN 1/13
sen unsere Gärtner immer mehr Ware produzieren, um die niedrigeren Verkaufspreise pro Charge an den Versteigerungsuhren zu kompensieren. Darunter leidet natürlich die Qualität. Als Besitzer einer Baumschule bin ich von dieser Entwicklung glücklicherweise noch nicht betroffen, dennoch habe ich meinen neun Kindern abgeraten, die Nachfolge meines Betriebes zu übernehmen. Welche Rolle spielt die Versteigerung an der Uhr für Sie persönlich? Nach wie vor verkaufe ich an der Uhr in Aalsmeer. Allerdings ersteigere ich dort seit drei Jahren keine Pflanzen mehr, da die hohen Transaktionsgebühren und sonstigen Kosten für einen Einzelhändler kaum mehr zu bezahlen sind. Allein für die Steckkarte, die man als Einkäufer an den PC-Arbeitsplätzen in den Versteigerungshallen benötigt, berechnet FloraHolland im Jahr 6.300 Euro. Welche Vorteile haben Sie denn als Verkäufer? Es gibt in Aalsmeer, anders als beispielsweise in Herongen, keine Begrenzung der maximalen Liefermenge. Man kann also immer so viel versteigern, wie man möchte, wenn die Pflanzen den geforderten
Marktqualitäten entsprechen und die Mindestliefermenge eingehalten wird. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Ware bei der Versteigerung garantiert verkauft wird, sodass feste Absätze und ein hoher Lagerumschlag gewährleistet sind. Zudem sind die Preise für Gehölze in Aalsmeer seit Jahren stabil und die Zahlungssicherheit ist sehr hoch. Glauben Sie, dass es die Versteigerung in der jetzigen Form in fünf Jahren noch geben wird? Nein! Schon jetzt ersteigert ein großer Teil der Einkäufer seine Waren über das Internet und beauftragt Transporteure mit der Anlieferung. So sparen sie sich den weiten Weg, haben mehr Zeit und benötigen in ihrem Geschäft oder Großhandel keine Vertretung mehr. Zukünftig werden neue Absatzkanäle entstehen und der Direktverkauf wird weiter zunehmen. Schon deshalb, weil man dann die hohen Kosten und Gebühren an den Versteigerungsplätzen einspart, die etwa 20 Prozent der jeweiligen Verkaufspreise entsprechen.
So lange ich körperlich fit bin und es sich finanziell einigermaßen für mich lohnt, mache ich weiter. Dafür wünschen wir Ihnen alles Gute! Ohne viel Umschweife schnappt sich Vos als ein Mann der Tat seine Mütze, verabschiedet sich mit kurzem, aber freundlichem Gruß und wendet sich Richtung Ausgang, als ihm eine fröhliche Kaffeerunde am Nebentisch hinterherruft. Er ist wirklich bekannt wie ein bunter Hund. Nach einem kurzen Plausch verlässt er dann aber tatsächlich das Café. Auch wir packen unsere Notizbücher und die Fotoausrüstung zusammen und begeben uns nach zwei anstrengenden, aber spannenden Recherchetagen wieder auf die Heimreise.
Lieber Herr Vos, vielen Dank für das interessante Gespräch mit Ihnen! Wie lange bleiben Sie denn den Besuchern auf dem Markt in Winterswijk noch erhalten? GREEN 1/13
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unternehmensführung 55
Qualität statt Masse Welche Eindrücke und Erkenntnisse haben uns nun am meisten beeindruckt bei unserer kleinen Rundreise durch die Niederlande? Wir haben viele interessante Menschen mit einem engen Bezug zu Blumen und Pflanzen kennengelernt. Von der freundlichen und aufgeschlossenen Art der Niederländer waren wir überaus positiv überrascht – es gab keine Tür, die uns nicht geöffnet wurde. Wir stellten fest, dass der Handel an der Versteigerungsuhr inzwischen ein relativ unspektakulärer Prozess ist, bei dem es meistens ruhig und entspannt zugeht. Die großen internationalen Versteigerungen lohnen sich aufgrund der hohen Gebühren des (Fast-)Monopolisten FloraHolland nur noch für Großhändler, Exporteure und in einigen Fällen auch für niederländische Floristen, die nur kurze Anfahrtswege haben. Deutsche und andere europäische Floristen beziehen ihre Ware immer häufiger über Internetversteigerungen oder den Direkteinkauf bei regionalen Produzenten, ansonsten über Großhändler wie Landgard. Nach Einschätzung der Branchenkenner
wird dieser Trend weiter zunehmen und dauerhaft zu einer echten Bedrohung für die traditionellen Versteigerungsplätze, wie zum Beispiel in Aalsmeer, werden. Das Argument des Sichtkaufs zählt sowieso schon lange nicht mehr: Dies ist tatsächlich nur möglich, wenn man sich am frühen Morgen in den Kühlhallen die Ware anschaut. Bei den Versteigerungen selbst kann davon keine Rede sein. Der Großteil der Ware wird nur noch auf Bildern präsentiert. Ebenfalls auffällig ist, dass die Auswahl an Blumen und Pflanzen in den letzten Jahren immer größer wurde, dementsprechend auch deren absolute Menge. Nicht zuletzt durch die Beteiligung des Systemhandels am Blumenmarkt werden viele Sorten überproduziert, was die Preise drückt und damit die Qualitäten verschlechtert. Die gesamte Grüne Branche ist daher gefordert, mit geeigneten Maßnahmen auf die Qualität der Produzenten und Facheinzelhändler hinzuweisen und das Bewusstsein der Verbraucher dafür zu stärken – das Motto muss lauten: Qualität statt Masse!
ZIEL
Unternehmensführung Interview / Mitarbeiterführung Christian Schönfelder (Dipl.-Psychologe und Business Coach) 56 Ratgeber / Verkaufsförderung Blumen und Eis 60
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56 Unternehmensführung
unternehmensführung 57
Interview
Kompetenzen jedes Einzelnen fördern Führungskräfte haben die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Mitarbeitern ermöglichen, für die Kunden das Beste zu geben und dies auch gerne zu tun. Strittig ist also nicht, ob Mitarbeiterführung notwendig ist, sondern allenfalls, wie sie umgesetzt wird. Der Berliner Diplom-Psychologe Christian Schönfelder arbeitet seit 1992 als Business-Coach und berät Unternehmen aller Branchen bei Fragen zu Personalentwicklung und Mitarbeiterführung. Im Interview mit GREEN äußert er sich zu positivem Druck, nennt Anregungen zur sinnvollen Strukturierung eines Mitarbeitergesprächs und sagt, was er von Klettergärten als teambildende Maßnahme hält.
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Welche Grundregeln im Umgang zwischen Führungskräften und Mitarbeitern müssen in jedem Unternehmen beachtet werden? Schablonenhaft Grundregeln aufzustellen ist meines Erachtens nur bedingt zielführend. In meinen Seminaren und Workshops erarbeite ich mit den Führungskräften solche Regeln gemeinsam, damit das Führungshandeln auf innerer Überzeugung basiert. Dennoch gibt es für mich eine wesentliche Maxime für die Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und Mitarbeitern: nämlich respektvoll miteinander umzugehen. Das Wort ‚Respekt‘ stammt von dem lateinischen ‚respectare‘: ‚re‘ bedeutet ‚Wiederholung‘ und ‚spectare‘ steht für ‚hinschauen‘. Das heißt, eine Führungskraft sollte bei ihren Mitarbeitern immer wieder neu hinschauen – egal was vorher war – und bereit sein, eigene Urteile zu überdenken und anzupassen, wenn das erforderlich ist.
Rechtfertigungen, weil sie das Gefühl hatten, mit der gestellten Frage werde nach einem Sündenbock gesucht. Im Training wurden Kritikgespräche geübt und Fragestellungen formuliert, die den Blick in die Zukunft lenken und nach einer Lösung suchen: »Was können wir gemeinsam tun, damit dieser Fehler nicht noch mal passiert?« Künftige Kritikgespräche dieser Führungskraft führten durch das lösungsorientierte Vorgehen schneller zu Ergebnissen und verringerten die Demotivation bei den betroffenen
Eine wesentliche Eigenschaft ist die Fähigkeit, sich in die Lage anderer Menschen hineinzuversetzen. immer wieder auf den Prüfstand zu stellen und bei Bedarf das Verhalten zu verändern und anzupassen dient hier vor allem auch als Vorbildfunktion nach dem Prinzip: Was ich von meinen Mitarbeitern erwarte, tue ich auch selbst.
Foto: Christian Schönfelder
Christian Schönfelder
Herr Schönfelder, was zeichnet gute Mitarbeiterführung aus? Eine gute Mitarbeiterführung zeigt sich vor allem dann, wenn Mitarbeiter ihrer Führungskraft gerne folgen. Voraussetzung dafür ist Vertrauen, denn Menschen suchen in Beziehungen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Nehmen und Geben. Vertraut die Führungskraft dem Mitarbeiter, empfindet dieser häufig einen positiven Druck, etwas zurückzugeben. Vertrauen fördert eine Führungskraft unter anderem dadurch, dass sie stets ein offenes Ohr für ihre Mitarbeiter hat und dass sie die Kompetenzen eines jeden Einzelnen fördert und unterstützt. Mitarbeiter bringen in der Regel unterschiedliche Voraussetzungen mit. Einen langjährigen, fachlich versierten Mitarbeiter müssen Sie zum Beispiel anders führen als einen Auszubildenden. Daher zeichnet sich gute Mitarbeiterführung auch durch situativ angepasstes Verhalten der Führungskraft aus.
Welche Charaktereigenschaften sollte ein Vorgesetzter unbedingt haben, um ein Team von Mitarbeitern erfolgreich zu führen? Eine wesentliche Eigenschaft besteht in der Fähigkeit und Bereitschaft, sich in die Lage anderer Menschen hineinzuversetzen. Mitarbeiter, denen wirklich zugehört wird, entwickeln eigene Ideen und verändern ihre Einstellungen und Erwartungshaltungen. Ebenfalls wichtig bei Vorgesetzten ist für mich die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion. Eigenes Handeln und Tun
Demonstrieren Sie bitte an einem Beispiel aus Ihrer praktischen Arbeit, wie sich ein verbesserter Umgang zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern direkt auf den Erfolg eines Unternehmens auswirken kann. Auf Fehler seiner Mitarbeiter hat eine Führungskraft häufig mit der Frage »Warum ist der Fehler passiert?« reagiert. Der Vorgesetzte wollte bewusst den Blick in die Vergangenheit lenken, um aus gemachten Fehlern zu lernen. Die Mitarbeiter verfielen aber immer in
Mitarbeitern. Geändertes Verhalten führt im Unternehmen in der Regel zu einer verbesserten Zusammenarbeit und verringert unnötige Reibungs- und damit verbundene Zeitverluste. In Gärtnereien oder Blumenfachgeschäften gibt es oft nur zwei oder drei Hierarchieebenen: einen Geschäftsinhaber, mehrere angestellte Mitarbeiter und eventuell einen Auszubildenden. Welchen Führungsstil empfehlen Sie bei dieser Ausgangssituation? Ich empfehle einen teamorientierten Führungsstil. Gerade in kleineren mittelständischen Unternehmen ist es wichtig, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und sich als Team zu begreifen. Hierzu gehört, die Kompetenz des Einzelnen, also des langjährigen Mitarbeiters oder
der jungen, aber hoffentlich auch wachen und neugierigen Auszubildenden, zu nutzen und sich im Team gegenseitig zu unterstützen und voneinander zu lernen. Die Führungskraft sollte den Mitarbeitern Handlungs- und Entscheidungsspielräume zugestehen und dadurch Verantwortung ins Team geben. Hierzu passt ein Leitgedanke aus der japanischen Managementlehre: »Das Gold eines Unternehmens liegt in den Köpfen seiner Mitarbeiter.« Prinzipiell gilt, wie schon bei Ihrer ersten Frage erläutert, dass der Vorgesetzte situativ angemessen führen muss. Während er sich an einem Tag schützend vor einen Mitarbeiter stellt und seiner Fürsorgepflicht nachkommt, kann er an einem anderen Tag genau das Gegenteil tun, nämlich das Fehlverhalten des Mitarbeiters deutlich ansprechen und mögliche Konsequenzen aufzeigen, für den Fall, dass sich das Verhalten nicht verbessern sollte. Eine Auszubildende möchte ihre Lehre vorzeitig beenden, da ihr die Arbeit als Floristin beziehungsweise Gärtnerin körperlich zu anstrengend und zu schlecht bezahlt ist. Wie motivieren Sie die junge Kollegin zum Weitermachen? Im Sinne einer aufmerksamen Begleitung der eigenen Mitarbeiter ist es wesentlich, schon frühzeitig Motivationsmängel oder sonstige Defizite in der Arbeit der Auszubildenden zu erkennen und anzusprechen, bevor das Kind zu tief in den Brunnen gefallen ist. Im Gespräch gilt es zu konkretisieren, was genau die körperliche Belastung für die Auszubildende ausmacht, und GREEN 1/13
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können Mitarbeiter psychisch stark belasten und wirken sich oft auch negativ auf die Arbeitsleistung aus. Wie sollte eine Führungskraft darauf reagieren? Die Führungskraft hat die Aufgabe, ihre Mitarbeiter aufmerksam zu begleiten und daher bei Veränderungen in der Arbeitsleistung diese Wahrnehmung in einem Vier-Augen-Gespräch zeitnah rückzumelden. Im Gespräch sollte die Führungskraft Verständnis für die außergewöhnliche Situation zeigen und mit dem Mitarbeiter Möglichkeiten erörtern, wie ihm mit temporären Lösungen im betrieblichen Ablauf geholfen werden kann und welche Unterstützung seitens des Unternehmens möglich ist. Alleine die Gelegenheit für den Mitarbeiter, über die ihn belastende Situation zu sprechen, hat vielfach entlastenden Charakter.
zu erörtern, wie man gemeinsam die Belastungsfaktoren zumindest verringern kann. Des Weiteren ist es wichtig, der Auszubildenden ein kontinuierliches Feedback zu geben, Erfolge lobend und anerkennend hervorzuheben und bei bestehenden Problemen in der Bewältigung der beruflichen Anforderungen immer wieder Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Der Auszubildenden muss vermittelt werden, welche Potenziale in ihr stecken. Die »schlechte« Bezahlung ist doch nur eine Lehrlingsvergütung. Wenn die Auszubildende ihr Handwerk erlernt hat und auch kreativ das vielfältige Spektrum der Floristik beherrscht, stellt sich die Honorierung schon anders dar. Wenn jemand allerdings eindeutig entschieden hat, die Lehre nicht fortzuführen, sollten Sie dies auch akzeptieren.
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Vor allem Auszubildende benötigen ein kontinuierliches Feedback von ihren Vorgesetzten.
eigenen Stellungnahme gibt. Durch den Einsatz gezielter Fragetechniken sorgt die Führungskraft dafür, dass jedes Mitarbeitergespräch als Dialog und nicht als Monolog geführt wird. Besonders wichtig ist, dass kein Mitarbeitergespräch ohne protokolliertes Ergebnis endet.
lich einen verbindenden Charakter haben – sofern es wirklich allen Teammitgliedern Spaß und Freude macht, im Klettergarten ihre Geschicklichkeit unter Beweis zu stellen. Ich erachte teambildende Trainings dann als sinnvoll, wenn sie dazu dienen, das gegenseitige Ver-
Je besser die Kommunikation im Allgemeinen gelingt, desto leichter fällt es, auch einmal schwierige Themen anzusprechen. Was halten Sie von außerbetrieblichen teambildenden Maßnahmen, zum Beispiel dem Besuch eines Klettergartens? Eine interessante Frage. Wenn sich diese Kletterpartie als privates Freizeitvergnügen unter den Mitarbeitern darstellt, kann es sicher-
trauen zu stärken und gemeinsame Handlungsoptionen für eine verbesserte Zusammenarbeit im Team zu erarbeiten. Schicksalsschläge wie der Tod einer nahestehenden Person oder die Diagnose einer schweren Krankheit
Fotos: Shutterstock; Dtv
Wie sollten Mitarbeitergespräche inhaltlich strukturiert sein und in welchen zeitlichen Abständen sind sie sinnvoll? Bei Mitarbeitergesprächen unterscheide ich zwischen anlassbezogenen Gesprächen (zum Beispiel Kritik, Arbeitsauftrag, Ergebniskontrolle), wie sie tagtäglich stattfinden, und perspektivischen Gesprächen, die über die alltagsbezogenen Themen hinausgehen. Letztere Gespräche dienen der Weiterentwicklung der Mitarbeiter und sollten mindestens einmal jährlich stattfinden. Verpassen Sie als Führungskraft generell keine Gelegenheit, lobende und anerkennende Gespräche mit ihren Mitarbeitern zu führen. Je besser die Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter im Allgemeinen gelingt, desto leichter fällt es beiden, auch einmal schwierige Themen anzusprechen. Allen Mitarbeitergesprächen ist aber gemein, dass die Führungskraft ihre Rückmeldungen an die Mitarbeiter konstruktiv und mit nachvollziehbaren Beispielen formuliert und den Mitarbeitern genügend Raum zur
Welche Möglichkeiten haben Menschen, die erstmals mit Führungsaufgaben betraut wurden, aber nicht wissen, was sie beachten müssen? Wir werden nicht als Führungskraft geboren, aber wir können uns dahin entwickeln. Wichtig ist es, sich hierzu mit den verschiedenen Anforderungen und Rollen, die eine Führungskraft zu erfüllen hat, auseinanderzusetzen. Die angehende Führungskraft kann sich entweder durch ein begleitendes individuelles Coaching oder durch spezielle Trainings für Nachwuchsführungskräfte Unterstützung holen, um in die neue anspruchsvolle Rolle hineinzuwachsen. Hilfreich ist es auch, sich einen erfahrenen Mentor im Unternehmen zu suchen, mit dem man schwierige Führungssituationen reflektiert und angemessene Handlungsoptionen erarbeitet. Vielen Dank für das Gespräch! (sts)
Buchtipp »Neu in der Führungsrolle« von Gunnar C. Kunz, 192 Seiten, Taschenbuch, Verlag: dtv, 1. Auflage (2012), Sprache: Deutsch, Preis: 12,90 Euro [D], ISBN: 978-3423509305. Als Führungskraft gilt es, Chancen und Herausforderungen bei der Verfolgung von Zielen zu nutzen und Autorität und Akzeptanz im eigenen Team aufzubauen. Gunnar C. Kunz beschreibt, wie Sie die neue Rolle als Vorgesetzter gut ausfüllen können – ab dem Zeitpunkt der Übernahme einer Führungsaufgabe und den ersten Monaten in der Führungsverantwortung bis zur erfolgreichen Bewährung als Vorgesetzter. Er gibt Hinweise, Tipps und praktische Hilfen, um insbesondere die ersten 100 Tage in der Leitungsposition erfolgreich zu bewältigen. Inhalte: – Verantwortung einer Führungskraft: Rolle und Selbstverständnis – Aufgaben einer Führungskraft und Führungsinstrumente – Wie erarbeiten Sie sich die nötige Autorität und Akzeptanz? – Wie formen Sie ein engagiertes und erfolgreiches Team? – Wie entschärfen Sie aufkeimende Konflikte? – Wie führen Sie schwierige Mitarbeitergespräche?
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Blumen und Eis Eine universell gültige Strategie zur Verkaufsförderung gibt es nicht. Doch mit Kreativität, Einfallsreichtum und guten Partnern können Floristen und Gärtner auch in den tendenziell umsatzärmeren Sommermonaten gute Geschäfte machen.
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iele Jahrzehnte konnten sich Einzelhändler der Grünen Branche darauf verlassen, dass sich Blumen und Pflanzen wie von selbst verkaufen und Kunden nicht mit zusätzlichen Kaufanreizen in die Geschäfte gelockt werden müssen. Die Konkurrenz war überschaubar, wer Ware in guter Qualität anbot, bekam auch den entsprechenden Preis dafür bezahlt. Doch diese Zeiten sind vorbei. Systemhändler haben die Sortimente entdeckt, agieren häufig sehr professionell am Markt und kaufen große Mengen ein. Wer sich als Florist oder Gärtner nicht von der Masse abhebt, wird nur am Preis gemessen und ist damit im Verdrängungswettbewerb mit Discountern oder Baumärkten auf Dauer chancenlos. Maßnahmen zur Verkaufsförderung können zusätzlich zu den bestehenden Produkteigenschaften einen Mehrwert für den Kunden schaffen und sind deshalb in der heutigen Zeit für jeden erfolgreichen Geschäftsinhaber unverzichtbar. »Verkaufsförderung soll die Kaufentscheidung direkt am Point of Sale positiv beeinflussen«, sagt Unternehmensberater Rupert Fey und ergänzt: »Meist sind es Angebotsschilder und ansprechende Warenpräsentationen, die aufmerksam
machen und zum Kauf verführen. Der Erfolg ist oft direkt sichtbar. Daher macht Verkaufsförderung durchaus Sinn und häufig auch Spaß.« Fey muss es wissen, ist er doch bereits seit über zwanzig Jahren in der Branche aktiv. Unter anderem agierte er als Vertriebsleiter bei der dänischen Gasa-Group auf internationalen Märkten und arbeitete als Category-Manager bei Blume2000. Für ihn ist klar: »Der Fachhandel muss vor allem durch kompetente Beratung und eine klare Verkaufsstrategie überzeugen. Das bloße Hinstellen der Ware reicht heute nicht mehr aus.« Wichtiger als je zuvor sind die gezielte Ansprache der Kundengruppen und die individu-
Rupert Fey ist Inhaber von beyond-flora, einer unabhängigen Unternehmensberatung für die Grüne Branche.
Foto: Rupert Fey
Der Fachhandel muss vor allem durch kompetente Beratung und eine klare Verkaufsstrategie überzeugen.
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elle Ausrichtung des Geschäfts auf den Standort und dessen Besonderheiten. Vor allem in ländlichen Regionen sollten sich Unternehmen mit den Aktivitäten in der direkten Umgebung identifizieren und Großereignisse wie etwa Schützen- oder Stadtfeste mit eigenen Aktionen im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen. Die Nähe zu den Bürgern schafft Vertrauen und verstärkt die Kundenbindung. GREEN 1/13
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3 Mit Kompetenz überzeugen Gerade weil sich der Facheinzelhandel in der Regel nicht mit den Preisen von Billig-Discountern vergleichen kann, gilt es für ausgebildete Gärtner und Floristen umso mehr, auf allen Ebenen das Leistungsvermögen ihres Unternehmens und dessen Kernkompetenz gut darzustellen. Ein umfangreiches Sortiment, freundliche Mitarbeiter und ein sauberer Verkaufsraum sind das Mindeste, was die Kunden erwarten dürfen. Ehrgeizige Händler überzeugen zudem mit Topqualitäten, individueller Beratung, Fachwissen und Servicedenken und lassen ihr Geschäft zu einer Marke werden, über die man redet. Denn heute reicht es nicht mehr aus, lediglich zu wissen, wie eine Blume heißt. Immer häufiger wollen Kunden nachhaltig einkaufen und interessieren sich für die Herkunft, das Schnittdatum und den Beschaffungsweg der gewünschten Pflanze. Nur wer sich mit seinen Produkten identifiziert und Geschichten über sie erzählen kann, tritt dauerhaft als überzeugender Verkäufer auf. Momentan herrscht zum Beispiel eine vermehrte Nachfrage für Blumen und Pflanzen aus regionalem Anbau – jeder, der ein entsprechendes Angebot in seinem Fachgeschäft vorrätig hat, sollte seine Kundenansprache darauf ausrichten. Dem Einfallsreichtum sind keine Grenzen gesetzt, auch nicht bei der Auswahl von Promotion-Artikeln, die Floristen und Gärtner als Kundenbindungs-
instrument kostenlos zu jeder v erkauften Pflanze dazugeben können. Für Unternehmen der Grünen Branche bieten sich nicht nur Klassiker wie Kugelschreiber, Jutebeutel oder Taschenkalender als Give-aways zum Verschenken an, sondern alternativ auch einzelne Blüten, Broschüren mit Pflegehinweisen, Flower bags, Frischhaltemittel oder Samentütchen.
Angebote präsentieren – aber richtig Um vor oder im Geschäft verstärkt auf ein Angebot hinzuweisen, können Floristen und Gärtner eine Vielzahl von Präsentationsmöglichkeiten nutzen. Kostengünstig und bewährt sind vor allem Plakate, Aufkleber, Fahnen, Schilder, Tafeln und Kundenstopper. Grundsätzlich sollte beachtet werden, dass die Präsentationsmittel über wiedererkennbare Motive und Farbelemente verfügen. Die verwendeten Texte sollten übersichtlich sowie sprachlich verständlich und höflich geschrieben sein. Bei der Analyse von Handelsbetrieben der Grünen Branche hat Rupert Fey noch drei weitere, sehr häufige Fehler bei der Präsentati-
Nur wer sich mit seinen Produkten identifiziert und Geschichten über sie erzählen kann, tritt dauerhaft als überzeugender Verkäufer auf.
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on von Angeboten festgestellt, die aus seiner Sicht leicht zu vermeiden wären (siehe Grafik):
1 Schlechte Qualität der Ware: »Häufig wird ältere Ware für ein großzügiges Angebot genutzt. Das rechnet sich für Sie aber nur, wenn die Qualität dieser Ware für die Kunden tatsächlich noch attraktiv ist. Denn Ware von schlechter Qualität ist immer geschäftsschädigend, egal wie billig man sie verkauft. Die Frische muss immer stimmen, da gibt es keine Kompromisse.«
Das Angebot ist gar kein Angebot: »Wenn Sie aus dem Bauch heraus beispielsweise Stauden für 4,99 Euro als Angebot bewerben, in Ihrer Umgebung die gleichwertige Ware aber für 2,99 Euro verkauft wird, verärgern Sie Ihre Kundschaft und verlieren Käufer.« Maßnahme: »Beobachten Sie die Angebote der umliegenden Konkurrenz und wählen Sie für Ihre verkaufsfördernde Maßnahme eher eine hochwertigere Ware aus. Ein Rosenbusch im Angebot für 15,00 Euro bleibt in der Regel besser im Gedächtnis als eine Aktion mit Heidekraut für 99 Cent.«
Maßnahme: »Täglicher Qualitätscheck von Angebotsware.«
2 Mangelhafte Preisauszeichnung: »Oft sind Preise nicht oder nur schlecht lesbar angebracht. Dabei ist die gut sichtbare und durchgängige Auspreisung ein absolutes Muss im Handel! Der Kunde fragt nicht gerne und schätzt im Zweifel meist zu teuer.« Maßnahme: »Alle Waren eindeutig und gut lesbar auspreisen.«
Frische Ideen und Kreativität sind gefragt Vor allem in den warmen Sommermonaten von Juni bis September leiden Handelsbetriebe der Grünen Branche unter Umsatzeinbrüchen. Natürlich dürfen Schnittblumen und andere Pflanzen trotzdem keine Mangelware sein. Stammkunden erwarten auch in dieser Jahreszeit ein ansprechendes Sortiment und neue Anregungen. Rupert Fey empfiehlt: »Ignorieren Sie den Sommer nicht, sondern stellen Sie ihn in den Mittelpunkt, am besten mit einer eigenen Themenecke in Ihrem Geschäft. Setzen Sie, insbesondere als Florist, auf hitzetolerante Blüten wie Gladiolen oder Chrysanthemen und bieten Sie die Pflanzen in Kombination mit passenden Gefäßen an.« Um auf das saisonale Angebot aufmerksam zu machen, können leuchtend blühende Sonnenblumen und Rosen vor dem Eingang des Geschäfts arrangiert werden. An sehr heißen Tagen sorgen zudem Pflanzungen mit Sedum und anderen Dickblattgewächsen im Außenbereich für einen attraktiven Blickfang. Um die Verkäufe speziell in den Sommermonaten zu fördern, nennt Fey noch eine weitere Möglichkeit für Floristen und Gärtner: »Kooperieren Sie doch mit Unternehmen aus anderen Branchen, zum Beispiel mit einem nahe gelegenen Eiscafé. So könnte jeder Käufer eines Eisbechers zusätzlich einen Rabattgutschein in Höhe von 5 oder 10 Prozent zur sofortigen Einlösung in Ihrem Geschäft erhalten. Im Gegenzug verteilen Sie ab einer bestimmten Einkaufssumme Wertcoupons für eine Kugel Eis gratis an Ihre Kundschaft. Ohne große Kosten sorgen Sie so auch in der Sommerzeit für eine positive Resonanz in Ihrem Unternehmen.« Kooperationen sind übrigens generell ein gutes Mittel, um mehr Kundschaft anzulocken und die Umsätze zu erhöhen. Der Erfolg hängt letztlich aber auch von der Wettbewerbssituation vor Ort, der Lage des Geschäfts und einer exakten Zielgruppenanalyse ab. (sts)
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Events
Wir haben das passende Format für Ihre Anzeigenschaltung! Nähere Infos erhalten Sie unter:
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08.–10.09.
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Leipzig Alle zwei Jahre wetteifern Auszubildende und junge Floristen unter 23 Jahren bei der WM der Berufe um den Titel.
Die entbehrliche Masse
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www.worldskillsleipzig2013.com
04.–08.09.
28.–31.08. Fotos: WorldSkills; Koelnmesse; Messe Tulln; IGS hamburg, Ipm Moskau
dass die im Anbauland geltenden Label-Bestimmungen ausreichen. Während FAIRtrade-Kaffee und -Schokolade im Supermarkt mehr dem Image als dem Umsatz zugutekommen, scheint die Blume in Massen die Masse zu erreichen. FAIRtrade-Rosen im Discountbereich sind im Kopf und Einkaufswagen des Verbrauchers angekommen und verkommen zum neuen BIO zu Dumpingpreisen. Rückstandskontrollen am Point of Sale würden dem BIOgewissen in uns einen Kollateralschaden zufügen, ähnlich wie die entbehrliche Masse von gelabelten Produkten zu Dumpingpreisen uns allen schadet. Zu einer guten Lüge gehören immer zwei – einer, der lügt, und einer, der es glaubt und kauft. Wahre Worte sind meist nicht schön, schöne Worte aber auch nicht immer wahr.
aboservice@fleurop.de
Samstagmorgens, fünf nach halb zehn in Deutschland: Die Garten-Ghostbusters mit Gasbrenner und die Roundup-Versprüher rüsten sich zum Kampf gegen das Unkraut auf dem Standplatz der auf Hochglanz polierten und ins rechte Licht gesetzten Statussymbole. Die Eitelkeit des Löwenzahns, sich ein wenig im polierten Lack der Karosse zu bewundern, wird ebenso rücksichtslos mit Fegefeuer bestraft, wie auch der Giersch im Garten vergeblich auf einen wohlgesonnenen Artikel in der Landlust warten muss. Wahrscheinlich ist dies auch die auserkorene Zielgruppe der Rewes und Lidls, die dann um 12:30 Uhr zum NETTO-Preis fairgehandelte Rosen kaufen soll. ALDIjenigen, bei denen dann das BIOlogische Gewissen meldet: »Das hast du gut gemacht!«, sind genauso verblendet wie diejenigen, die glauben,
29.08.–02.09.
Köln Rund 2.000 Anbieter werden auf der weltweit führenden Garten- und Freizeitmesse erwartet, mehr als 50 Prozent stammen aus dem Ausland. www.spogagafa.de
Eurofleurs Junior Championship
Internationale Gartenbaumesse
Tulln an der Donau (Österreich) Ein Höhepunkt des 60. Jubiläums ist die Leistungsschau der österreichischen Gärtner und Floristen, eine der größten Blumenschauen Europas. www.messe-tulln.at
Split (Kroatien) Bei der Europameisterschaft für Floristen starten Teilnehmer aus zwölf verschiedenen Nationen. Sie dürfen höchstens 25 Jahre alt sein und haben sechs Wettbewerbsaufgaben zu meistern. eurofleurs2013.hok.hr
26.04.–13.10. Internationale Gartenschau (igs)
Moskau (Russland) Die Flowers IPM gehört zu den bekanntesten Gartenbaumessen in Russland und feiert in diesem Jahr ihr 20. Jubiläum.
Hamburg Unter dem Motto „In 80 Gärten um die Welt“ zeigt die Internationale Gartenschau den Ideenreichtum von Gärtnern, Züchtern und Landschaftsarchitekten.
www.ipm-moscow.com
www.igs-hamburg.de
Flowers IPM
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Impressum 67
Impressum Herausgeber Fleurop AG
Klaus Wagener
Anschrift Fleurop AG Lindenstraße 3–4 12207 Berlin Tel.: 030 / 713 71-0
Klaus Wagener wurde 1984 Deutscher Meister und 1985 Weltmeister der Floristen. Viele Jahre war er international als freiberuflicher Florist und Designer tätig. Heute ist er geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens BLOOM’s.
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In welcher Stadt möchten Sie gerne mal leben? Eigentlich bin ich ein Land-Mensch und das werde ich auch wohl immer bleiben. Aber mich würde es schon reizen – für eine bestimmte Zeit – in einer urbanen Umgebung zu wohnen. Faszinierend finde ich Hongkong. Hier ist alles perfekt: Eine Stadt direkt an der Küste mit schönen Buchten und vorgelagerten Inseln, dazu noch bergig und eine grandiose Skyline. Alternativ würde mich auch Stockholm reizen. Eine ganz andere Art von Stadt. Ich mag die Lebensart der Skandinavier und die sagenhafte Landschaft so nah an der Stadt.
Welchen Kindheitstraum hatten Sie? Ich meine, es waren viele. Auf jeden Fall träumte ich immer wieder von den Bergen und der großartigen Natur, die sie umgibt. Ich bedauerte immer, dass im Weserbergland – wo ich aufgewachsen bin – die Berge nur maximal 350 Meter hoch sind. Oft dachte ich, dass ich lieber in Süddeutschland wohnen möchte, von wo man viel schneller in den richtigen Bergen sein kann. Diese Leidenschaft von damals habe ich noch heute. Ich wandere und klettere sehr gerne. Es ist für mich die ideale Entspannung.
Was schätzen Sie besonders an der floristischen Handwerkskunst? Es ist die Vielseitigkeit der kreativen Gestaltung, die mich immer wieder begeistert. Das gestalterische Spektrum verbunden mit der nahezu unerschöpflichen Palette an Werkstoffen und Materialien ist immens. Es tut sich immer wieder eine ganze Welt an Möglichkeiten auf – egal ob in der zweckgebundenen Gestal-
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3 Was muss Ihrer Meinung nach für den Berufsstand der Floristen getan werden? In erster Linie muss sich der Berufsstand von innen heraus selbst den Herausforderungen der Zeit stellen. Ich will damit sagen, jeder ist für sich selbst verantwortlich und ist seines eigen Glückes Schmied. Vielen Floristen mangelt es z. B. an einem klaren Profil für ihr Unternehmen. Jeder, der in diesem Beruf arbeitet, sollte sich fragen, welche Alleinstellungsmerkmale kann ich für mich herausarbeiten. Was sind meine Stärken und Schwächen in Bezug auf Fähigkeiten, Lage, Umfeld, Klientel, Warenbeschaffung, Mobilität, Finanzen etc. Hat man das für sich analysiert, sollte man von seinen Stärken ausgehen und ein sauberes Geschäftsmodell schmieden. Dies kann stationär, aber auch ambulant ausgerichtet sein. Alles was nicht passt, wird ausgeklammert. Je sauberer man bleibt, umso besser wird es gelingen.
Illustrationen Anna Sichelska Laura Ritschel Druck Mundschenk Druck+Medien Mundschenkstraße 5 06889 Lutherstadt Wittenberg
Redaktion Yvonne Eißler (yei) Sten Seliger (sts) Mitarbeit an dieser Ausgabe: Martin Bell Grafik Antje Zickuhr Laura Ritschel Anna Sichelska
5 Würden Sie lieber das Matterhorn besteigen oder durch den Ärmelkanal schwimmen? Ganz klar schlägt das Pendel zugunsten des Matterhorns. Wie oben schon gesagt – ich liebe die Berge – die plastische Dreidimensionalität einer Landschaft. Allerdings muss es jetzt nicht wirklich das überlaufende Matterhorn sein. Da hätte ich andere »stillere« Favoriten, und außerdem ist der Weg das Ziel.
Aboservice aboservice@fleurop.de Tel.: 030 / 713 71-213 Jahresabonnement: 19,00 Euro Für Azubis, Schüler und Studenten: 15,00 Euro Nachbestellung Einzelheft: 5,40 Euro zzgl. Versandkosten Erscheinungsweise 4 x im Jahr
Foto: Bloom‘s
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tung oder in der freien. Es wird nie langweilig. Dafür sorgt auch schon der jahreszeitliche Wandel, der die Natur gravierend verändert und unser Empfinden beeinflusst.
Magazin- und Anzeigenleitung Winnie Maria Lechtape winnie.lechtape@fleurop.de Tel.: 030 / 713 71-213
Fotografen Andrea Dilzer Espen Grønli Peter Johann Kierzkowski
Auflagenhöhe 8.000 Exemplare (3. Quartal 2013) ISSN 2196-6710 Papier Circle matt, 100 % recycled GREEN 13.01