Kupido Verlag, Herbst 2020

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Blai Bonet Manuel Chaves Nogales Sofia Jablonska Mรกrio de Sรก-Carneiro ร ngel Crespo Shahla Ujayli Geo Milev Jaime Begazo

Programm2020/Vorschau

Mit Ifni, Spaniens letztes koloniale Abenteuer beginnt der KUPIDO Verlag die Herausgabe der Werke von Manuel Chaves Nogales


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Blai Bonet

Das Meer B

Blai Bonet

Das Meer

Roman Aus dem Katalanischen von Frank Henseleit

KUPIDO Blai Bonet Das Meer Roman Aus dem Katalanischen von Frank Henseleit OT: El mar, Club Editor, 2017 Erscheint am 2. Oktober 2020 ca. 260 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag und Lesebändchen € 27,80 (D) | 28,60 (A) ISBN: 978-3-96675-020-2

Ramallo, Manuel und Pau werden als Kinder Zeugen der Ermordung einiger Männer ihres Dorfes durch faschistische Rebellen (1936). Unter den Mördern erkennen sie den Vater des gleichaltrigen Julià. Pau rächt seinen Vater, indem er Julià in einer Höhle im Beisein von Ramallo und Manuel übertötet. Er flieht und verunglückt, als er in einen Brunnen stürzt. Jahre später (1942) begegnen sich Ramallo und Manuel als todgeweihte Patienten in einem mallorquinischen Sanatorium für Tuberkulosekranke wieder und treffen auf die Nonne Francisca Luna und den von Zweifeln geplagten Priester Gabriel Caldentey. Brutalität, sexuelle Obsession und der bevorstehende Tod ohne die Erlösung eines gelebten Lebens erschaffen eine Atmosphäre innerster Widersprüche einer tief psychotischen Realität in Francos Spanien. Überspannt von malerischen Beschreibungen der Landschaft Mallorcas und eingebettet in die wenig bekannte Episode italienischer Faschisten auf Mallorca, aber ohne Ausweg zwischen bigotter Moral und sexueller Verklärung, steuert ihr kurzes Leben auf die Katastrophe zu. Zwischen Szenen von Auflehnung, aufkeimender Sexualität und abrupter sexualisierter Gewalt bleibt für ein klischeehaftes Mallorca kein Platz. Und dennoch ist Das Meer ein Roman wie ein Brandzeichen Mallorcas. Blai Bonet i Rigo (1926-1997) schrieb Das Meer als junger Mann. 1957 erhielt Bonet dafür den Premi Joanot Matorell, den seinerzeit wichtigsten Preis für unveröffentlichte Prosa. 1958 wurde der Roman nach langem Ringen zwischen Verlag und Zensur veröffentlicht. Erst 2017 konnte eine vollständige Ausgabe, ausgerechnet unter Verwendung der Archive der Zensurbehörde, ediert werden. In seinem Erstlingswerk Das Meer mit seinen klug in die Irre führenden Anlehnungen an Camilo José Cela, Thomas Mann und Franz Kafka gelang Bonet eine unerreichte Zersprengung des Erzählens, die selbst bei Camus noch die Hälfte der Emotionen gestrichen hätte. Bonet wurde neben Mercé Rodoreda und Josep Pla zu einer der bedeutendsten Figuren der katalanischen Literatur. Im Jahr 2000 zeigte die 50. Berlinale Agustí Villarongas Verfilmung des Romans. DER SPIEGEL titelte: „Das Meer – heiliges Gemetzel“.

Auch als Kupido-e-Book erhältlich

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2015 wurde Das Meer vom World Literature Today Magazine in die Reihe der lesenswertesten Bücher unserer Zeit aufgenommen.


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„In seiner Homosexualität, seinen Äußerungen zum Christentum, zu den Sakramenten und der Beichte stellt sich Bonet neben Pasolini.“ Xavier Pla

„Was ist nötig, damit ich in einem enthusiastischen Kampf sterben darf? Ich bin nie durch echte Türen gegangen. Als ich ein Junge war, verließ ich unser Haus nicht durch die Tür zur Straße. Nein, wenn ich zur Schule ging, zum Meer, um mich mit den Jungs aus dem Dorf zu raufen, war die Tür das Törchen zum Hof, das direkt auf ein kleines Feld führte. Dahinter überall Glassplitter, von Ameisen übersäte Disteln, der aufgedunsene Köter mit den unzähligen grünlichen Schmeißfliegen auf den Augen. Welchen Kampf soll ich bestehen, um einen enthusiastischen Tod zu sterben?“ Blai Bonet, Das Meer

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Sofia Jablonska Der Charme von Marokko

KUPIDOTRAVELOGUE

SOFIA JABLONSKA

DER CHARME VON MAROKKO

AUS DEM UKRAINISCHEN VON CLAUDIA DATHE

: Travelogue 1 Sofia Jablonska Der Charme von Marokko Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe, mit einem Nachwort von Olena Haleta Hrsg. von Roksolana Sviato OT: Чар Марока, Родовід, 2018 Erscheint am 2. Oktober 2020 120 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag, Abbildungen € 18,00 (D) | 18,60 (A) ISBN 978-3-96675-010-3

Auch als Kupido-e-Book erhältlich

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Sofia Jablonska (1907-1971) wurde bei Lviv geboren. Als 18-Jährige besuchte sie dort die Schauspielschule und leitete zwei Kinos. 1927 ging sie nach Paris, wo zehntausende Russen und Ukrainer im Exil lebten, und besuchte die cineastische École Louis Paglieri. Bald rief sie Hollywood. Aber sie traf auch auf den ukrainischen Dichter Volodymyr Vynnytchenko, der sein Tagebuch mit Abrissen über „Jade“ füllte, und folgte einer tieferen Inspiration: dem Bereisen der Welt und dem Schreiben. 1928 undenkbar für eine Frau, fuhr sie allein nach Marokko und begann mit ihrer Reportage Der Charme von Marokko ein Leben als Schriftstellerin. 1971 starb sie bei Paris nach einem Autounfall. Erst in den letzten Jahren wiederentdeckt, gehören ihre Travelogues bereits zum Kanon der ukrainischen Literatur. Bei KUPIDO erscheint Sofia Jablonska das erste Mal auf Deutsch.


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Sofia Jablonska, Marokko, 1929 5


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Manuel Chaves Nogales Ifni, Spaniens letztes koloniale Abenteuer I

Aus dem Spanischen von Frank Henseleit

Manuel Chaves Nogales

IFNI

Spaniens letztes koloniale Abenteuer

KUPIDOTravelogue

: Travelogue 2 Manuel Chaves Nogales Ifni, Spaniens letztes koloniale Abenteuer Aus dem Spanischen und eingeführt von Frank Henseleit OT: Ifni, la última aventura colonial española, Almuzara, 2012 Erscheint am 2. Oktober 2020 160 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag, Abbildungen und Karten € 22,00 (D) | 22,70 (A) ISBN 978-3-96675-035-6

Auch als Kupido-e-Book erhältlich

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1934 reist der Journalist Manuel Chaves Nogales nach Marokko und geht einem Gerücht nach, das Spanien seit dem militärischen Desaster von Annual (1921) zunehmend bewegt. 1923 muss König Alfonso XIII die Geschäfte an Primo de Rivera abtreten, der eine Militärdiktatur errichtet. 1931 siegen aber die Republikaner bei Wahlen, die Republik wird ausgerufen. Doch längst sind die Akteure, die Spanien in eine faschistische Diktatur führen werden, zugange. Das Gerücht, in Marokko würden seit Annual Spanier festgehalten, wird zum Politikum. Aber ein weiteres Ereignis gerät in den Focus der Recherche, für die er immer tiefer in das Marokko dieser Jahre vordringt: Spaniens letztes Abenteuer als Kolonialmacht. Mit den neuen Siebenmeilenstiefeln seiner Tage, kühnen Flugzeugen, eilt er der Anlandung spanischer Truppen bei Sidi Ifni voraus. Nach einer Bruchlandung fernab der Zivilisation entschleunigen sich die Ereignisse. Mit einem Reportagestil, der Chaves Nogales zum bedeutendsten Journalisten Spaniens werden ließ, ordnen sich unter dem Himmel der Wüste überraschend die Zusammenhänge, die Spanien und Europa in die Katastrophe des 20. Jahrhunderts führen werden. Er interviewt den legendären Blauen Sultan, der über den Kemalismus in der arabischen Welt offener spricht, als die meisten überhaupt denken. Manuel Chaves Nogales, der das Fliegen mit seiner Vision des modernen Journalismus vereint und mit seinem Buch über die Wirren der Russischen Revolution noch vor Truman Capote zum wahren Begründer des Tatsachenromans wird, erforscht die Weltanschauung des Menschen in der Wüste und kommt, nur wenige Meilen vor Cab Juby, zu Beobachtungen, die man von Saint Exupéry erwartet hätte.

Werke – in Vorbereitung Abt. 1 Reportagen & Journale Bd. 1 Flugreise nach Europa 300 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag, Abbildungen und Karten Erscheint Juli 2021 Subskriptionspreis € 24,80 (D) | 25,60 (A) ISBN 978-3-96675-043-1

Bd. 2 Ifni, Spaniens letztes koloniale Abenteuer Bd. 3 Die Verteidigung Madrids Bd. 4 Die Agonie Frankreichs Bd. 5 Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes


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„Chaves passt sich keiner politischen Orthodoxie an. Natürlich passt er nicht in die Strategie, die Francos Andenken aufrechterhalten will; aber genauso wenig passt er in die Strategie antifranquistischer Gedenkkultur. Ich vermag das einzuschätzen, denn ich gehöre der Generation an, deren politisches Bewusstsein mit dem Ende der Diktatur erwachte. Als ich etwa 17 Jahre alt war und meiner literarischen Berufung und meines politischen Antifranquismus’ bewusst wurde, waren die Diskurse, die mich und die meisten anderen nährten, meilenweit von Chaves Nogales entfernt. Aus einem Grund – und dies ist in Spanien immer noch schwierig auszusprechen und zu akzeptieren –, weil wir Antifranquisten waren, aber keine Demokraten. (…) Chaves’ Entdeckung vergleiche ich mit der Joseph Roths oder Stefan Zweigs: Sie stehen außerhalb ideologischer Kategorien. Ein weiterer Autor, den Nogales’ Schicksal auch traf, ist Camus. Auch er war zu Lebzeiten von denjenigen, die eigentlich seine Freunde waren, wie eine Pestbeule angefeindet worden, weil er sich zwischen Kommunismus und Progressismus nicht identifizierbar machte. Von sehr wenigen Menschen kann man sagen, sie hätten die literarische Landkarte ihres Landes vergrößert. Als sei da plötzlich in den Anden ein Berg mehr: Don Quijote, Madame Bovary, die Recherche und einer, den wir noch nicht gesehen haben, direkt neben dem Aconcagua noch ein Aconcagua.“ Mario Muñoz Molina

© Courtesy Pilar Chaves

Manuel Chaves Nogales (Sevilla, 1897-London, 1944). Kaum einer steht in Spanien aufrechter für das Schicksal der verfolgten spanischen Intelligenz und der Republik. Dank seiner nicht zu brechenden Liberalität führt Spanien heute einen aufgeklärten Diskurs über seine Geschichte. In Deutschland nahezu unbekannt, zählt Chaves Nogales inzwischen zu den integersten Stimmen Europas. Zwischen 1928 und 1944 verfasste er zahlreiche Werke über Frankreich, Russland und Deutschland. Franco degradierte ihn zur namenlosen Person. Er stirbt im englischen Exil und gerät in „perfekte Vergessenheit”. Sechzig Jahre nach seinem Tod wird sein Werk entdeckt.

Abt. 2 Das erzählerische Werk Bd. 1 Blut und Feuer! Bd. 2 Flamencotänzer Juan Martínez, der dabei war Bd. 3 Die verliebte Bolschewikin Bd. 4 Leben und Heldentaten des Toreros Juan Belmonte – eine fiktive Autobiografie

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Shahla Ujayli Unser Haus dem Himmel so nah U

SHAHLA UJAYLI Unser Haus dem Himmel so nah

AUS DEM ARABISCHEN VON CHRISTINE BATTERMANN

KUPIDO

Shahla Ujayli Unser Haus dem Himmel so nah Roman Aus dem Arabischen von Christine Battermann OT: Samaun qaribatun min baytina, Beirut, Ammann, Algier, 2015

Nach ihrem ersten Roman The Cat’s Eye (2006), der in der arabischsprachigen Welt mehrfach erschien, und für den sie 2010 den Jordanischen Staatspreis erhielt, schrieb Shahla Ujayli Persian Carpet und kam damit (2013) auf die Shortlist des Global Award for the Arab Novel [Booker Prize]. Ihre sprachlich elegant geführten Romane zeichnen sich durch starke Protagonistinnen aus, die ihre eigenen Entscheidungen treffen und Konflikte mit der patriarchalischen Gesellschaft in Kauf nehmen. Mit ihrem dritten Roman, Unser Haus dem Himmel so nah, der es 2016 auf die Shortlist des Booker Prize schaffte, gelingt es Shahla Ujayli, nach 1001 Nacht das Sujet des Frauenromans in einer Welt zu etablieren, wo ansonsten nur Männer und Söhne heldenhaft sind. Shahla Ujayli, 1976 in Raqqa geboren, in Aleppo aufgewachsen, ist heute Professorin für Literatur in Ammann. Als Wissenschaftlerin machte sie sich einen Namen mit den Monografien The Syrian Novel: Experimentalism and Theoretical Categories (2009) und Cultural Particularity in the Arabic Novel (2011). Immer wieder kehrt Shahla Ujayli in ihren Romanen, wie in einer Recherche nach Raqqa und Aleppo zurück, die vor den Augen des Lesers als lebendige, sprudelnde Metropolen erstehen und einen Alltag skizzieren, den die westliche Welt seit dem Exodus der syrischen Bevölkerung völlig aus dem Blick verloren hat. Den Krieg und das dadurch entstehende Chaos als primäre Lebensbedingungen zu stigmatisieren – als lebten Syrer in Friedenszeiten vorzugsweise in Zeltstädten –, diesen Blick der westlichen Welt entlarvt Shahla Ujayli durch die Auferstehung Aleppos als Sehnsuchtsort seiner Bewohner, die die Sorgen und Hoffnungen aller Menschen teilen.

Erscheint am 2. Oktober 2020 320 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag € 28,00 (D) | 28,90 (A) ISBN 978-3-96675-024-0

Auch als Kupido-e-Book erhältlich

Shahla Ujayli

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eder die Restaurants im Ritz noch die Cafés an den Champs-Elysées oder die Prager Straßencafés waren mit der Terrasse des Baron Hotel vergleichbar. Damals war das Hotel ein kleines Gebäude im Herzen Aleppos, in einer Straße, die seit 1946 nach ihm „Baron-Straße“ heißt, und zwar in Anerkennung der patriotischen Rolle, die das Hotel während der französischen Mandatszeit gespielt hatte. Da war die Straße allerdings noch nach Henri Gouraud benannt, jenem französischen General, der bei seinem Einzug in Damaskus nach der Schlacht von Maysalun mit dem Fuß gegen Saladins Grabmal getreten hatte und dabei die berühmt gewordenen Worte sprach: „Wach auf, Saladin! Wir sind wieder da!“ Das Gebäude des Baron Hotel stammte aus dem Jahr 1906. Ursprünglich besaß es einunddreißig Zimmer und zwei Bäder. Später setzten die Brüder Mazloumian noch ein drittes Stockwerk auf. Östlich davon lag das Viertel Azizieh, der Zufluchtsort des Großbürgertums, wo sich auf den Gehsteigen die Caféterrassen eleganter Restaurants breitmachten: das Wanis, das Schallal, das Cordoba. […] Dort trafen sich Künstler, Schriftsteller, Geschäftsleute und hohe Beamte. Sie verbrachten ihre Abende bei der Musik armenischer Bands, die die Gabe besaßen, nostalgische Erinnerungen an die Vierziger- und Fünfzigerjahre heraufzubeschwören, als man in Aleppo noch zu bekannten Tango- und Walzermelodien tanzte … Südlich des Baron Hotel, direkt am Stadttor Bab al-Faradsch, stand der Uhrturm, eines der Wahrzeichen Aleppos. Es heißt, Aleppo ließe sich nur durch das Bab al-Faradsch entdecken, und dies, obwohl es noch sechs weitere Stadttore gab. Gleich bei dem Uhrturm befand sich die Nationalbibliothek, Ziel aller Freunde des Lesens und Forschens, des Theaters und der Künste. Zwischen dem Hotel und dem Platz vor dem Bab al-Faradsch verliefen enge parallele Sträßchen. Dort fand man Ersatzteilläden für Autos und landwirtschaftliche Maschinen in direkter Nachbarschaft zu den billigen Hotels – wo sich mehrere Zimmer immer ein Bad teilten. Sie trugen Namen wie Suez Canal, Unity, Syrien und das Libanon. […] Vor den zahlreichen Restaurants und Nachtclubs wie dem Moulin Rouge und dem Crazy Horse flanierten sowohl Frauen mit Kopftuch als auch die Stewardessen aller Fluggesellschaften, im Inneren jedoch wimmelte es vor ausländischen Prostituierten, darunter auch manche aus Aleppo. Wenn man auf der Hotelterrasse des Baron saß, hatte man vor sich auf der anderen Straßenseite die Zweigstelle der Arab Writers Union, ein Altbau, in dem Lesungen veranstaltet wurden. In der benachbarten Straße lag das Al-Kindi-Cinema, an dessen Türen aufreizende Plakate von alten Schundfilmen klebten. Wie angewurzelt standen die Jugendlichen davor, kauten ihre Falafelsandwiches und starrten auf die verlockenden Bilder nackter Frauen. Meistens zogen sie bald weiter, an den alten dicht gedrängten Häusern vorbei zu den Kleidergeschäften, die sich in der Quwwatlistraße aneinanderreihten. Dem Kino fehlte es allerdings nie an Besuchern, egal, welcher Film gerade gezeigt wurde. Oft sah man dort Teenager, vielleicht auch Studenten, die keine andere Möglichkeit fanden, sich alleine zu treffen, und nur in den Saal gingen, um sich in die hinteren Reihen zu setzen, zu knutschen oder in aller Eile Sex zu haben. […] An den Sommerabenden saßen wir oft auf der großen Terrasse vor dem Baron Hotel. Von der Straße trat man ein paar Stufen hinauf, die aus dem gleichen Stein gehauen waren, den man für die niedrige Brüstung verwendet hatte. […] Nie war ich zu den Hotelzimmern hinaufgegangen, in denen oft Prominente genächtigt hatten – heute sind die Zimmer nach ihnen benannt. Ich hatte stets das Gefühl, Agatha Christie könne herunterkommen und mir gegenüber Platz nehmen, Gamal Abd al-Nasser könne sich im nächsten Moment auf den breiten Balkon stellen, um den Massen zuzuwinken, oder aber türkische, englische und französische Militärführer könnten am langen Tisch hinter uns ihre Verschwörungen aushecken, die man bis heute in den Archiven der beiden Weltkriege verwahrt. Meine Freunde und ich strickten derweil an unseren eigenen Verschwörungen und persönlichen Mythen, inspiriert von der Energie dieses Ortes, der wie eine tiefe Höhle wirkte und so zahlreiche Gesichter zusammengeführt hatte. Die Wände hatten das Echo ihrer Geheimnisse aufgesogen, genau wie den Glanz in den Augen der Paare aus früheren Zeiten, ihr Lachen, ihre unvollendet gebliebenen Liebespläne und ihre aufrichtig vergossenen Tränen, die zu jener lebhaften Vergangenheit Aleppos gehörten. Aus dem Arabischen von Christine Battermann

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Mário de Sá-Carneiro Geliebter Fernando Pessoa Der Briefwechsel

Mário de Sá-Carneiro Geliebter Fernando Pessoa Der Briefwechsel

Aus dem Portugiesischen von Frank Henseleit

Wären die Briefe Pessoas an Mário de Sá-Carneiro erhalten und zusammen mit denen von Sá-Carneiro an Pessoa herausgegeben worden, wäre die Agenda der Entdeckung Pessoas als großer Dichter Portugals eine andere gewesen. Denn auch wenn sie heute mit einigen Ausnahmen im Briefwechsel fehlen, der Korrespondenz-Stil Sá-Carneiros, die darin zutage tretende Durchdringung und das ungeheure gegenseitige Vertrauen hätten der literarischen Welt viel früher das Zeugnis gebracht, wer diese beiden bedeutenden Vertreter des Modernismus waren und wer Pessoas Heteronyme de Campos, Reis, Caeiro. Aber so wurden die Briefe Sá-Carneiros an Pessoa als „Werk“ des Ausnahme-Dichters, des Sonderlings Sá-Carneiro herausgegeben, das international noch nicht ausreichend Licht besaß, um dieses im Nachlass schlummernde Werk eines europäischen, eines Weltdichters, der Pessoa wurde, so zu beleuchten, dass man auch ihn dadurch hätte erkennen müssen, denn er gab sich in den Briefen zu erkennen.

KUPIDO

Mário de Sá-Carneiro Geliebter Fernando Pessoa Der Briefwechsel Organisiert von Ricardo Vasconcelos und Jerónimo Pizarro Aus dem Portugiesischen von Frank Henseleit OT: Em ouro e alma – Correspondência com Fernando Pessoa, Lissabon, 2015

Mit dem Briefwechsel beginnt der Verlag die Herausgabe der Werke von Mário de Sá-Carneiro. Bd. 1.1 Bd. 1.2 Bd. 2 Bd. 3 Bd. 4.1/2 Bd. 5.1 Bd. 5.2

Erscheint Januar 2021 – Gastland Portugal der Leipziger Buchmesse

Bd. 5.3 Bd. 6

700 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag, Faksimiles und Abbildungen € 68,00 (D) | 69,90 (A) Subskriptionspreis € 60,00 (D) | 62,00 (A) ISBN 978-3-96675-070-7

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Auftakt Verstreutes Die Enthüllung Lúcios Himmel in Flammen Dichtungen Briefwechsel mit Fernando Pessoa Briefwechsel mit der Generation Orpheu Briefwechsel mit der Familie Dokumente

In der Reihe Kupido | zweisprachig in Vorbereitung: Mário de Sá-Carneiro Der große Schatten | A grande sombra


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Gastland Portugal

Leipziger Buchmesse 2021

Mário de Sá-Carneiro (1890-1916) war Dramatiker und Prosaautor und begann erst unter dem Einfluss Pessoas in Paris zu dichten. Ein in der Literaturgeschichte unerreichter Narziss, der im Fin-de-Siècle schwelgte und die portugiesische Moderne erschuf. Sá-Carneiro erkannte Pessoas ästhetisches Experiment der Heteronymie als Erster und bedrängte ihn, als Dichter, als „ein Balzac des 20. Jh.”, in die Öffentlichkeit zu treten. Er war der wohl sensibelste Vertreter seiner von Kriegen verstümmelten Generation. Sá-Carneiros Obsession war der Tod – die wirkliche Welt war ihm eine stümperhafte Erschaffung. In einem glorifizierten Selbstmord – an dem er seinen Freund in aller Brutalität teilnehmen ließ – erhöhte er den Tod zu seinem kompromisslosesten Kunstwerk. „Sie haben ja so recht; die sensationelle literarische Neuigkeit im Jahr 1970, das Erscheinen des unveröffentlichten Briefwechsels zwischen Fernando Pessoa und Mário de Sá-Carneiro – herausgegeben und kommentiert von ... (Rauschen im Mysterium!)“ Mário de Sá-Carneiro am 20. Juli 1914 an Fernando Pessoa

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Jaime Begazo Die Zeugen Jaime Begazo begegnet in seinem prämierten Kurzroman Die Zeugen dem Autor, den man seit Jahrzehnten für den Inbegriff der Literatur hält: Jorge Luis Borges? Eigentlich ein Sakrileg, macht er sich auf, die Erzählung Emma Zunz aus Borges’ Das Aleph neu zu schreiben.

Jaime Begazo Die Zeugen

Jaime Begazo Die Zeugen Roman Aus dem peruanischen Spanisch von Frank Henseleit OT: Los testigos, Editorial Corts, 2005 Erscheint am 1. Juli 2020 120 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag € 18,80 (D) | 19,80 (A) ISBN 978-3-96675-086-8

Auch als Kupido-e-Book erhältlich

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Begazo erzählt uns eine Begegnung mit dem gealterten Borges in Genf, wie Borges die üblichen Fragen an ihn pariert, bis Begazo sein Alter Ego ein Detail aus Emma Zunz ansprechen lässt, einer der kunstvollsten Parabeln der Literatur. Begazo und sein Alter Ego erweisen sich als aufmerksame Leser par excellence und wir hören aus dem Munde des Meisters selbst, wie er seine Parabel aufschnürt und dafür noch einmal in seine Labyrinthe zurückkehren muss. Borges entfacht vor dem staunenden Zuhörer die Glut der wahren Erzählung, die unerhörte Geschichte dahinter, die nur einem Zweck dient: der Rehabilitation Emma Zunz’ – und seiner eigenen. Ob Erzählung, Novelle, Kurzroman, Krimi, Jaime Begazo erteilt seinem Leser eine Lektion in Literatur, die des Meisters würdig ist. Jaime Begazo, 1957 in Lima, Peru, geboren und in Mamaroneck, NY, zuhause, erhielt für sein Debüt 2005 den Juan-March-Cencillo-Preis für Kurzromane. „Als die Sixtinische Kapelle nach ihrer Restaurierung erstmals seit Jahrhunderten der Welt die originalen Farben zeigte, die Michelangelo benutzt hatte, geriet die Welt der Kunst in Turbulenzen. Viele Kritiker und Professoren renommiertester Universitäten der Welt hatten mit ihren Theorien über den Schmelz der Farben und die Maltechnik des 16. Jahrhunderts ihre Karrieren begründet. Als die Restaurierung schließlich die originalen Farben erkennen ließ, die heller, leuchtender, lebhafter waren, als man je annahm, änderte sich in der akademischen Welt der Kunstgeschichte alles von Grund auf. Würde dasselbe mit Borges’ Werk Die Zeugen passieren?“ Jaime Begazo, Die Zeugen


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Gastland Portugal

Leipziger Buchmesse 2021

Ángel Crespo Die magische Pluralität des Fernando Pessoa Die bisher detailreichste Biografie über einen der widersprüchlichsten Autoren der Weltliteratur. Fernando Pessoa schuf ein magisches Geflecht aus Dichtern und Theoretikern und verlor sich darin. Wie aus einem zu Lebzeiten unveröffentlichten, gescheiterten Werk ein Siegeszug wurde, dazu reicht Ángel Crespo dem Leser die Schlüssel: Zu einem der aufregendsten Phänomene seit der Erfindung der Poesie. Ángel Crepso (1926-1995), Poet, Kritiker, Homme de lettres, war einer der besten Kenner des Werkes von Pessoa, das er seit 1957 auch mit großer Durchdringung übersetzte. Kanon sind insbesondere seine Übersetzungen Dantes und Petrarcas. Seine zahlreichen Essays über Fernando Pessoa, den bedeutendsten portugiesischen Dichter seit Camões, verband er 1988 zu einer bis heute gültigen Biografie.

Ángel Crespo Die magische Pluralität des Fernando Pessoa

Biografie Aus dem Spanischen und Portugiesischen von Frank Henseleit

Kupido

Ángel Crespo Die magische Pluralität des Fernando Pessoa Aus dem Spanischen und Portugiesischen von Frank Henseleit OT: La vida plural de Fernando Pessoa, Seix Barral, 1988 Erscheint Januar 2021 600 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag, Abbildungen, Zeittafel € 42,00 (D) | 43,20 (A) Subskriptionspreis € 38,00 (D) | 39,20 (A) ISBN 978-3-96675-029-5

Auch als Kupido-e-Book erhältlich

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KUPIDO zweisprachig |

KUPIDO bringt im Jahr vier bis sechs Titel in einer zweisprachigen Ausgabe heraus, schön ausgestattete Bücher in einer einmaligen Ausgabe von 250 bis 750 Exemplaren, jeweils 128 Seiten mit einem Nachwort der ÜbersetzerInnen. In Vorbereitung sind:

Geo Milev (1895-1925) gehörte um 1920 zu den sichtbarsten bulgarischen Intellektuellen. Er schrieb Texte in deutscher Sprache und befasste sich eingehend mit Richard Dehmel. Seine Lyrik auf Bulgarisch wurde zumeist tendenziös übersetzt. Ich wird Kunst ist ein unverschnittenes Statement, das Geo Milev in die Mitte der europäischen Avantgarde versetzen wird. Maria Slavtscheva übersetzt aus dem Bulgarischen und umgekehrt u.a. Nikola Vapcarov, Max Frisch und Paul Celan. Sie promovierte zur Moderne der bulgarischen Dichtung.

© alamy

Geo Milev Ich wird Kunst | Аз става Изкуство Aus dem Bulgarischen von Maria Slavtscheva Februar 2021 ca. 128 Seiten, geb. Ausgabe € 17,80 (D) | € 18,30 (A) ISBN 987-3-96675-046-2

Fernando Pessoa (1888-1935) erschuf eine Handvoll Heteronyme und diese eine in sich kohärente wie kontroverse Utopie. Pessoa hinterließ auch orthonyme Prosa, Texte, die seinen Namen tragen, die aber nicht weniger Scharade sind als das Gros seines unauslesbaren Werkes.

© Casa Fernando Pessoa

Fernando Pessoa

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In Evaristos Apotheke | Na farmácia do Evaristo Die Stunde des Teufels | A hora do diabo Aus dem Portugiesischen von Frank Henseleit Februar 2021 ca. 128 Seiten, geb. Ausgabe € 16,80 (D) | € 17,20 (A) ISBN 987-3-96675-053-0


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Gabriel García Márquez (1927-2014), Kolumbianer und Nobelpreisträger, ist einer der meistgelesenen Romanautoren der Welt. Márquez schrieb nur 12 Short Stories, die er „seltsame, umherwandernde“ Geschichten nannte. Mit Die Spur deines Blutes im Schnee gelang ihm eine Parabel aus Liebe und tragischer Missdeutung. Nach 27 Jahren legt Christiane Quandt eine Neu-Übersetzung vor. Christiane Quandt übersetzt aus dem Portugiesischen und Spanischen u.a. Roberto Bolaño, César Vallejo, Guadalupe Nettel und Carmen Ollé. Sie ist Redaktionsmitglied der Zeitschrift alba.lateinamerika lesen.

Die Spur deines Blutes im Schnee | El rastro de tu sangre en la nieve Aus dem Spanischen von Christiane Quandt

© elsiglo

Gabriel García Márquez

Februar 2021 ca. 128 Seiten, geb. Ausgabe € 17,80 (D) | € 18,30 (A) ISBN 987-3-96675-040-0

Henriette Terpe ist Physikerin und Romanistin. Sie übersetzte als Debut von Julio Cortázar „Die Katzen“. Gegenwärtig promoviert sie zu südamerikanischer und spanischer Lyrik. Benjamin Loy lehrt und forscht am Romanischen Seminar der Universität zu Köln. Er promovierte zum Werk Roberto Bolaños und übersetzte Juan Villoro und Eduardo Mendoza. Enrique Lihn

© Luis Poirot

Enrique Lihn (1929-1988), im deutschsprachigen Raum bisher unentdeckt, zählte in Chile in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den bedeutendsten Dichtern des Landes. Er gehört jener Generation an, die nach den chilenischen Nobelpreisträgern Gabriela Mistral und Pablo Neruda die Lyrik für sich neu erfinden musste. Neben Gedichten verfasste Lihn Prosa. Er erschuf „Gerardo de Pompier“, eine soziale und poetische Maske, die er öffentlich in Happenings auftreten ließ.

Weil ich schrieb | Porque escribí Aus dem chilenischen Spanisch von Henriette Terpe und Benjamin Loy September 2021 ca. 128 Seiten, geb. Ausgabe € 18,80 (D) | € 19,30 (A) ISBN 978-3-96675-057-8

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Backlist

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Bücher aus dem Alawi Verlag Rosa Yassin Hassan Ebenholz

Samiha Khrais Deine Augen - Mein Duft

Amir Al-Qahtani Fitna

Badreya El-Beshr Der Duft von Kaffee und Kardamon

Aus dem Arabischen v. Riem Tisini TB, 300 S. € 12,00 (D/A) ISBN 978-3-941822-31-3

Ln., gebunden, 170 S. € 19,90 (D/A) ISBN 978-3-941822-09-2

Ln., gebunden, 200 S. € 19,90 (D/A) ISBN 978-3-941822-08-5

Aus dem Arabischen v. Nuha Sarraf-Forst Ln., gebunden, 272 S. € 19,90 (D/A) ISBN 978-3-941822-07-8

Mai Khaled Zauber des Türkis

Samiha Khrais Bücher der Flut

Abeer Esber Lulu

Nemat Khaled Hennanacht

Ln., gebunden, 168 S. € 19,90 (D/A) ISBN 978-3-941822-06-1

Ln., gebunden, 360 S. € 19,90 (D/A) ISBN 978-3-941822-03-0

Ln., gebunden, 108 S. € 16,90 (D/A) ISBN 978-3-941822-01-6

Ln., gebunden, 160 S. € 19,90 (D/A) ISBN 978-3-941822-00-9

Joan Brossa Visuelle Poesie Dortmund, 1998 Auflage 500 (v) VZA (30) (v) Fernando Pessoa Der Seemann Dortmund, 1997 Auflage 500 (v) Silvia Lorenz Typografie trifft auf Raum Dortmund, 2001 Auflage 30 + 6 (l) Meike Pontof “g” Dortmund, 2002 Auflage 10 + 2 (l) Vicente Huidobro À partir de la Tour Eiffel… Dortmund, 2001 Auflage 100 (v) Mário de Sá-Carneiro Manucure Köln, 2016 Auflage 80 (l)

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