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WIR - Die Macht der Solidarität

möchten. Aber wer dazukommt und seinen Beitrag zum Ganzen einbringt, wird mitgezählt und gehört dazu. - Eine spannende Lektüre ist immer noch: Karl von Frisch, Aus dem Leben der Bienen, Erstausgabe 1927!1 Sr. Brigitte Werr osu

1 10. Auflage, Berlin, 1993 (= Verständliche Wissenschaft. Band 1), ergänzt und bearbeitet von Martin Lindauer, ISBN 3-540-56763-1.

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WIR

Die Macht der Solidarität

Ein inzwischen alt gewordener Herr besucht das neu errichtete Kloster auf dem KZ-Gelände in Esterwegen. Es ist ihm ein Anliegen, dort etwas Kostbares aus seinem Besitz abzugeben. Noch hütet er aus der NS-Zeit einen Aluminiumnapf für die Essensausgabe, und diesen wollte er nun den Schwestern anvertrauen. Der Napf war ihm Sinnbild geworden für seine tiefe Beziehung zum zerbrechlichen und gefährdeten Leben sowie für seine Dankbarkeit für das Überleben und den ehrfürchtigen Respekt für jegliches Leben. All das, Napf und Gehalt, sollten nicht verloren gehen. In diesem Bild gesellt sich Brot zum Napf. Zusammen wollen sie an ein anderes Ereignis erinnern, erzählt von einem anderen ehemaligen Häftling. Es ereignete sich im KZ-Esterwegen selbst.

Ein SS-Wachmann wollte die Gefangenen besonders peinigen. Er trat in eine der Baracken ein, bäumte sich vor den dort Entkräfteten auf und hielt ihnen eine Kante Brot vor. Höhnisch erkundigte er sich: „Wer von Euch hat Hunger?“ Ein verwirrter und dissonanter Chor rief reflexartig durcheinander: ich ich i c h ich ich. Grinsend, mit der Macht der Brotkante in seiner Hand, stand der Offizier da. Als die Rufe der Gefangenen verstummten und er spöttisch auf sie herabsah, wurde ihnen schnell klar, dass mit ihnen nur übel gespielt wurde. Doch die eingetretene Stille währte nicht lange, eine weitere Antwort durchdrang den Raum. Couragiert und mit fester Stimme sagte einer: WIR! Völlig überrascht und auf das nicht gefasst, erstarrte der SS-Mann. Es gab jemanden im Block, der offensichtlich nicht auf die Besessenheit nach dem eigenen blanken Überleben reduziert war, das verwirrte ihn. Von Anfang an hatte er nicht im Geringsten vorgehabt, die „Extra-Ration“ zu erteilen - allein das Quälen war seine Absicht. Die beherzte Antwort irritierte ihn so sehr, dass er dennoch das Stückchen Brot zu dem hinwarf, der so geantwortet hatte; er drehte sich um und ging schnell weg. Einem war es gelungen, mit WIR! zu antworten. Er war Kommunist, dieser inzwischen alte Erzähler, kein Christ. Der einstige Kommentar des Lukas (17,16b) steigt auf, „dieser Mann war aus Samarien“, heißt: Er gehörte also nicht zu uns, und doch begriff er Wesentliches vom Reich Gottes. Der Häftling nahm diese trockene Kante Brot und verteilte sie unter seine Kamera- den. Satt ist wohl keiner geworden, nicht vom Brot. Aber durch dieses Wort und die Geste wurde ihnen bewusst, dass sie zueinander gehörten und sich gegenseitig stützen konnten. Das lässt einen anderen, noch grauenhafteren, gefährlicheren Hunger in der Tat stillen und innerlich kräftigen. Es ist ja gerade dieses WIR, das die Heilige Elisabeth schon früh begriff: dieses WIR und seine Verantwortung. Das tat sie bereits als gut situierte Landgräfin

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