Die Alpen als Leitregion für erneuerbare Energien Hohe Berge, tiefe Täler. Der Alpenraum bietet ideale topografische Voraussetzungen für die Nutzung sauberer Energie und Erreichung der europäischen Energie- und Klimaziele. Für eine Energiewende brauche es eine gemeinsame Strategie aller Alpenländer. Darüber waren sich die ExpertInnen des „Energieforums Alpenraum 2016“ einig. Über den Weg dorthin wurde rege diskutiert. Lesen Sie in diesem Bericht die zentralen Aussagen nach.
Rund 120 EnergieexpertInnen ebneten beim Energieforum Alpenraum am 17. Mai 2016 in Bozen den Weg für eine gemeinsame Alpen-Energiestrategie. Am Bild von links nach rechts: Ulrich Santa (Direktor Agentur Energie Südtirol), Flavio Ruffini (Direktor Landesagentur für Umwelt, Bozen), Ulrike Wolf-Prexler (Leiterin der Abteilung Energiepolitik und Energieinfrastruktur im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie), Lukas Wernert (Teamleiter DG Energy EU Kommission), Richard Theiner (Energielandesrat Südtirol).
„Energieversorgung hat immer auch mit Demokratie zu tun“, unterstreicht Richard Theiner, Energielandesrat von Südtirol, einen grundlegenden Aspekt im Zusammenhang mit dem Ausbau erneuerbarer Energien. Denn, ob Wasserkraftwerk, Windpark oder Photovoltaik-Anlage: stets hat die Errichtung auch Einfluss auf den unmittelbaren Lebensraum von Mensch und Umwelt. Die zentrale Frage, die sich Energielandesrat Theiner daher stellt, lautet: Wie kann es gelingen, die Bevölkerung bei der Energiewende miteinzubeziehen, sprich „mitzunehmen“?
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„Wir brauchen ein neues, systemisches Denken - und Handeln“ Für Franz Fischler, Initiator des „Energieforums Alpenraum 2016“ und Präsident des Europäischen Forums Alpbach, sollte die zukünftige Ausrichtung der Energiemärkte vom intensiven Dialog geprägt sein: „Was wir brauchen ist ein neues systemisches Denken - und Handeln. Es gilt einen Schulterschluss zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft herzustellen.“ Die Zukunft liegt bei den erneuerbaren Energien, darüber sind sich alle Experten einig. Bei den entsprechenden Maßnahmen und ersten Schritten zur Umsetzung gehen die Meinungen jedoch auseinander. Klar ist: bei der Umsetzung der Klimaziele bis 2030 wird der Alpenraum „als Energiespeicher“ eine maßgebliche Rolle spielen. Den Alpenraum als Leitregion für Energieeffizienz und erneuerbare Energie zu etablieren, sei in jedem Fall ein lohnenswertes Ziel, unterstreicht Ulrich Santa, Managing Direktor von der Agentur Energie Südtirol „Casa Clima“. Südtirol produziert bereits heute doppelt soviel Strom wie es selbst verbraucht. Es gibt eine Vielzahl an Energiebetrieben und auch die Ziele Südtirols sind ambitioniert: bis 2050 sollen mindestens 90 % der Energieversorgung durch „Erneuerbare“ gewonnen werden. „Dank des großes Know-Hows wurde die Energiewende im Alpenraum schon lange vollzogen“, weist Wolfgang Pospischil, Managing Director bei Pöyry Management Consulting Austria, bereits auf die heutige Vorreiterrolle des Alpenraums hin.
Das diesjährige Energieforum – ausgerichtet vom Südtiroler Landesressort für Raumentwicklung, Umwelt und Energie gemeinsam mit dem Europäischen Forum Alpbach - knüpft an das "Energieforum Alpenraum 2014" in München an, bei dem erste Bausteine für eine "Energievision Alpenraum 2030" entwickelt wurden.
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Neuer Energiemarkt als „Job-Motor“ Nun gehe es darum gemeinsame Lösungen mit den Institutionen und der Bevölkerung in den einzelnen Regionen zu schaffen, betont auch Flavio Ruffini von der Umweltagentur Bozen. EU, Nationalstaaten und Regionen sollten dabei gleichberechtigt am Verhandlungstisch sitzen. Der Dialog mit den Stakeholdern, das Miteinander und die Politik der kleinen Schritte seien dabei die nachhaltigste Methode, um den Paradigmenwechsel in der Energiepolitik umzusetzen und das Pariser Abkommen Gestalt annehmen zu lassen. Den einzelnen Herausforderungen sollte man mit einem „Multi-Levelansatz“ begegnen, wird unisono gefordert: Wirtschaftswachstum, thermische Sanierung von Gebäuden („Ausgangspunkt sind immer Gebäude, weil hier die meisten Dienstleistungen zusammenkommen“, so Klima- und Energiewissenschaftler Stefan P. Schleicher), Innovation und Forschung, eine kohlenstoffarme Industrie, die Dekarbonisierung sowie der Fokus auf die umweltfreundliche (E-)Mobilität und das Potenzial der Digitalisierung sind tragende Säulen bei der Neuausrichtung des Energiemarktes. Als Herausforderungen gelten vor allem die sinkenden Energiepreise, unterstreicht Wolfram Sparber, Vorstandsvorsitzender der Alperia AG. Dafür gelte es in Zukunft Lösungen zu finden. Nicht zuletzt gilt der erneuerbare Energiesektor als „Job-Motor“: geschätzte 800.000 neue Arbeitsplätze soll der Umstieg auf erneuerbare Energien in der EU schaffen, prognostiziert Lukas Wernert von der Generaldirektion Energie der Europäischen Kommission.
Diskutierten grenzübergreifend über neue Geschäftsmodelle für Energiedienstleister: Christian Purrer (Vorstandssprecher Energie Steiermark AG) und Wolfram Sparber (Vorstandsvorsitzender Alperia AG).
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Kernziel: Energieeffizienz und Dekarbonisierung Aus Sicht des Energieversorgers lautet das Gebot der Stunde: weg vom Energieversorger - hin zum Energiedienstleister, so Christian Purrer, Vorstandssprecher der Energie Steiermark AG. Dabei gelte es näher beim Kunden und seinen Bedürfnissen und Ansprüchen zu sein. „Wir betreiben Insourcing statt Outsourcing“, weist Purrer auf den hauseigenen Kundendienst und das Callcenter hin. Auch der Blick über den Tellerrand sei essentiell: so wurden flexible Arbeits- und Wohnräume konzipiert, um auf diesem Weg neue Kundengruppen zu erschließen. „Wir probieren 10 Dinge aus, und wenn sechs funktionieren, sind wir happy“, zeigt sich Purrer offen für eine neue Form der Innovations- und Fehlerkultur.
Markus Reiterer (Generalsekretär Alpenkonvention) und Wolfgang Anzengruber (Vorstandsvorsitzender VERBUND AG) loteten das Zukunftspotential erneuerbarer Energien aus.
Für den langjährigen Energieexperten Peter Püspök, Präsident des Dachverbands Erneuerbare Energien Österreich, sei das Geheimnis des Erfolgs, in junge Ideen zu investieren. Vor allem Start-ups seien enorm wichtig für den „Gamechange“. Das Kernziel müsse lauten: Energieeffizienz und Dekarbonisierung. Erneuerbare Energieerzeugung passiere in Zukunft zunehmend gemeinsam mit privaten Haushalten („Bürgerenergie“) sowie mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Wolfgang Anzengruber, Vorstandsvorsitzender der Verbund AG, appelliert deshalb: „Wir brauchen Flexibilität in der Energieerzeugung, Flexiblität im Verbrauch und: wir brauchen Speicherträger - dezentrale Speicher, kleine Speicher, um die Versorgungssicherheit aufrecht zu halten.“ Für den Alpenraum, einem zentral in Europa gelegenen Wirtschaftsstandort, sei eine nachhaltige Energieversorgung von großer Bedeutung.
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Transformation erfordert eine Marathon-Strategie Der Alpenraum ist für Markus Reiterer, Generalsekretär der Alpenkonvention, nicht nur die „Batterie Europas“, sondern vor allem Lebens-, Kultur- und Wirtschaftsraum: „Wir müssen die richtige Balance finden, um die Energiewende auf eine Art und Weise einzuleiten, die kompatibel ist mit Umwelt und Gesellschaft“. Dazu sollte gelte es Beteiligungsprozesse zu forcieren und gemeinsam mit der Bevölkerung zu planen. Für die Transformation des Energiesektors sei ein fundiertes Verständnis notwendig, ist sich auch Klima- und Energiewissenschaftler Stefan P. Schleicher sicher. „Politik, Unternehmen und Haushalte sind noch nicht ausreichend auf den Wandel vorbereitet“. Und es erfordert eine MarathonStrategie. „Das lange Ziel bestimmt die Qualität des nächsten Schrittes“. Das Energiesystem werde sich aber auch ohne Pariser Abkommen radikal verändern, zeigt sich Schleicher überzeugt. Sogenannte „I-Strategien“ - Innovation, Inversion und Inklusion - werden dabei als Treiber fungieren. Ebenso ein neues Denken: „Mobilität beginnt dort, wo wir keine Mobilität brauchen“. Die allentscheidende Frage wird dann am Ende sein: Wofür brauchen wir eigentlich Energie?
Der Initiator des Energieforums Alpenraum, Franz Fischler, appellierte an die handelnden Akteure der Alpenländer, in der Energiepolitik stärker an einem Strang zu ziehen.
Ein ausführliches Protokoll des Energieforums Alpenraum steht unter www.alpbach.org/energieforum-alpenraum als PDF zur Verfügung.
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Energieforum Alpenraum 2016 | Perspektiven für eine gemeinsame Energiestrategie 17. 05. 2016 | EURAC Research Bozen | www.alpbach.org Organisation Europäisches Forum Alpbach & Südtiroler Landesressort für Raumentwicklung, Umwelt und Energie Scientific Partner European Academy of Bozen (EURAC) Main Partners Alperia AG, VERBUND AG Supporting Partners TIWAG, Energie Oberösterreich AG, Pyöry Board of Advisers Franz Fischler (Europäisches Forum Alpbach), Wolfgang Pospischil (Pöyry Management Austria GmbH), Flavio Ruffini (Autonome Provinz Bozen – Südtirol, Landesressort für Raumentwicklung, Umwelt und Energie), Hermann Steinmaßl (Altlandrat Bayern, MdL a.D.), Peter Traupmann (Österreichische Energieagentur), Florian Zerzer (Autonome Provinz Bozen – Südtirol, Landesressort für Raumentwicklung, Umwelt und Energie), Franz Zöchbauer (VERBUND AG) HERZLICHEN DANK AN UNSERE PARTNER UND SPONSOREN:
Pressekontakt: Stefan Kranewitter (Europäisches Forum Alpbach, +43 (1) 718 17 11 25, stefan.kranewitter@alpbach.org); Pressebilder in Druckqualität unter www.alpbach.org/presse Fotos: Luiza Puiu Text: Helmut Wolf (Stand: 17. Mai 2016)
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