Handeln?! Das Kaufhaus nach dem Konsum

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HANDELN?!

DAS KAUFHAUS NACH DEM KONSUM masterthesis | franziska mühlbauer



HANDELN?!

DAS KAUFHAUS NACH DEM KONSUM masterthesis bearbeiterin : franziska mühlbauer lehrstuhl urban design | prof. benedikt boucsein betreuer : daniel zwangsleitner fakultät architektur | tu münchen | ws 2020/21


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ABSTRACT Städte waren immer schon Orte des Handels; einerseits braucht der Markt die Stadt, um ökonomisch rentabel zu sein, andererseits wird die Stadt erst durch den Austausch von Waren und Gedanken zu einem lebendigen, öffentlichen Raum.1 Die Zusammenhänge in westlichen Gesellschaften zwischen sozialen Strukturen, der Stadt und dem Markt werden in der Masterthesis anhand des Konzepts des Shoppens untersucht. Der Aufbau der Thesis arbeitet sich dabei chronologisch von der Vergangenheit über die Gegenwart zur Zukunft vor und wird, beginnend mit generellen, abstrakten Beobachtungen, immer spezifischer. So wird die geschichtliche Entwicklung der Architekturen des Konsums als Ausgangspunkt der Thesis genutzt. Der erste Teil gibt eine Übersicht über die wichtigsten architektonischen Typen und setzt den physischen Raum in Bezug zu seinem sozialen Kontext. Außerdem wird in diesem Teil erläutert, wie der Raum des Marktes das Verständnis von Öffentlichkeit und Stadt änderte, bzw. mit der Zeit eine eigene Illusion der Stadt erschuf. Im zweiten Teil wird anschließend die aktuelle Situation analysiert, die als Wendepunkt in der Entwicklung der Architekturen des Konsums zu sehen ist: Dabei stehen die Krise und die damit verbundene Schließung der Warenhäuser im Vordergrund. Zudem werden in diesem Teil die wichtigsten Entwicklungen des Konzepts Shoppen zusammengefasst und ein Überblick über das heutige Konsumverhalten gegeben. Vergangenheit und Gegenwart zeigen insgesamt die Potenziale, aber auch die zahlreichen ökologischen und sozialen Herausforderungen des Handels und des Konsums. Diese Beobachtungen sind die Grundlage für den darauf folgenden Teil, in dem neue Konzepte und Strategien für die Zukunft skizziert werden. 1

Wehrheim, Jan (2007). Shopping Malls, eine Hinführung. in: Wehrheim, Jan (Hg.): Shopping Malls. Interdisziplinäre Betrachtungen eines neuen Raumtyps. Stadt, Raum Und Gesellschaft, Band 24. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschafte, S.7.


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Dazu wird zunächst eine abstrakte Utopie formuliert, die ein allgemeines Bild einer zukünftigen (Konsum-)Gesellschaft entwirft. Im nächsten Schritt der konkreten Utopie wird dann erläutert, wie eine mögliche Umsetzung aussehen könnte. Dafür wird ein neues Konzept des Kaufhauses und damit auch dem Verständnis der Ware erarbeitet. Außerdem wird auf Besitzverhältnisse eingegangen und eine Übersetzung für den physischen Raum abgeleitet. Das Konzept wird in dem letzten Teil anhand der Fallstudie Karstadt am Nordbad in München auf einen realen Ort übertragen. Da die Schließung des Gebäudes kein Einzelfall ist, wurden zunächst allgemeine Merkmale des Typus Warenhaus der 60er Jahre herausgearbeitet. Darauf folgt eine Analyse der städtebaulichen Situation und des Gebäudes. Das gesamte Hintergrundwissen wird dann mit dem Entwurf in eine konkrete, bauliche Utopie übertragen. Die Masterarbeit zeigt insgesamt Lösungsansätze auf, wie das Handeln in der Zukunft und damit verbundene soziale Strukturen aussehen könnten. Die Krise der Shopping-Bauten soll als Chance gesehen werden, ein Stück Stadt zu einem egalitären Raum zu wandeln.


INHALT THEORIE. GLIEDERUNG

1.

2.

3.

4.

5.

Warum Handeln? Warum wir handeln müssen Forschungsgegenstand und Quellenlage

10 - 13

Architekturen des Konsums. Geschichtlicher Überblick als Spiegel gesellschaftlicher Strukturen Passage Warenhaus Shopping Mall

20 - 25

Und heute? Zusammenfassung der Entwicklungen Aktuelles Konsumverhalten Die Krise der Warenhäuser Abstrakte Utopie. Homo oeconomicus Ein neuer Weg Konkrete Utopie. Wie geht es weiter? Kaufhaus der Zukunft Warensystem Besitzverhältnisse Übertragung ins Räumliche

14 - 17

26 - 35 36 - 41

44 - 48 49 - 52 53 - 55

58 - 60 61 - 67

70 - 75 76 - 83 84 - 89 90 - 95


ANALYSE Der Karstadt am Nordbad. Kein Einzelfall Akteure + Besitzverhältnisse Das Gebäude im Stadtgefüge Der Kontext der Nachbarschaft Fotografien + Pläne

98 - 103 104 - 105 106 - 107 108 - 111 112 - 121

ENTWURF Konzept Allgemein Innenraum Außenraum

124 - 127 128 - 139 140 - 142

FAZIT Utopie wird Realität

143 - 145

ANHANG Abbildungsnachweis Quellenverzeichnis

148 - 149 150 - 156



THEORIE



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WARUM HANDELN?

WARUM WIR HANDELN MÜSSEN FORSCHUNGSGEGENSTAND + QUELLENLAGE

Der erste Teil gibt einen allgemeinen Überblick über den Aufbau der Thesis und die Methodik. Außerdem wird die Relevanz und Dringlichkeit des Themas erläutert.



WARUM HANDELN? Abb.01 Collage Shopping = Everything

Die United Nations formulierten mit den Sustainable Goals akut notwendige Ziele, um unsere Zukunft sozialer und ökologischer zu gestalten. Dazu gehören: Geschlechtergleichstellung, weniger soziale Ungleichheiten, nachhaltige Städte und Gemeinden, verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster und Maßnahmen zum Klimaschutz.2 Anhand der geschichtlichen Entwicklung und den heutigen Strukturen des Shoppens - manifestiert im physischen Raum – wird jedoch deutlich, wie weit wir von den Sustainable Goals entfernt liegen. Durch die immer weiter voranschreitende Kommerzialisierung von öffentlichem Raum, werden soziale Spannungen verstärkt. In diesem Zusammenhang werden bestimmte Gruppen, wie finanziell benachteiligte Personen, von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Auch ökologisch betrachtet, verursacht das aktuelle Konsumkonzept zahlreiche Probleme. Ein breites Umdenken des Marktes ist daher dringend notwendig, um unsere Zukunft tatsächlich sozial und ökologisch nachhaltig zu formen. Die Bedeutung und Relevanz des Marktes für die Öffentlichkeit sind so alt, wie die Städte selbst. Der Markt ist wichtig für die sozialen Strukturen einer Stadt, da er verschiedene Funktionen erfüllt, die über das reine Einkaufen hinausgehen. Oft diente er beispielsweise als urbaner Treffpunkt und bot so den Rahmen für die Entstehung einer politischen Öffentlichkeit.3 Im Laufe der Zeit wandelte sich immer wieder die gesellschaftliche Bedeutung des Handels. In diesem Zusammenhang entstanden eigene architektonische und städtische Räume, die 2 Deutsche

Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.. Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) [Webpage] In: https://nachhaltigentwickeln.dgvn.de/agenda-2030/ziele-fuer-nachhaltige-entwicklung/ letzter Abruf: 10.12.2020. 3 Wehrheim, Jan (2007). Shopping Malls, eine Hinführung. in: Wehrheim, Jan: Shopping Malls. Interdisziplinäre Betrachtungen eines neuen Raumtyps. Stadt, Raum Und Gesellschaft, Band 24. Wiesbaden: VS Verlag, S.7.


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die physische Stadt bis heute stark prägen. Diese spiegeln einerseits die gesellschaftlichen Strukturen und Werte ihrer Zeit wider. Anderseits wurden durch sie erst bestimmte Verhaltensmuster oder soziale Strukturen erschaffen und verbreitet. In der geschichtlichen Entwicklung ist zu beobachten, dass der Handel zunehmend in privatisierte, geschlossene Räume verlagert wurde. Diese bildeten eigenständige Strukturen, die immer weniger in Kontakt mit der Stadt standen. So entstand eine Disneyfizierung der Stadt, eine künstliche Idealform, in der Abwechslung geboten und zugleich die Zugänglichkeit beschränkt werden konnte.5 Dieses Konzept ist inzwischen weit verbreitet. Dadurch können unerwünschte Gruppen, die nicht konsumieren oder sich nicht an Verhaltensregeln halten, ausgegrenzt werden. Auch die Unterscheidung zwischen öffentlichem und kommerziellem Raum ist immer schwerer, da die Konsumorte öffentliche Funktionen übernehmen. Folge daraus sind exklusive Orte, die das Entstehen einer politischen Öffentlichkeit und damit die Funktion der Stadt als Aushandlungsraum verhindern.6 „Shopping malls replaced the parks and squares theat were ´traditionally the home of free speech`“7 Diese Marginalisierungsprozesse sind nur eine einzelne Folge der sozialen Probleme der Strukturen des Konsums. Hinzu kommen außerdem die zahlreichen ökologischen Herausforderungen, vor denen wir bereits stehen und die in sehr naher Zeit noch an Bedeutung zunehmen werden: Seit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert und dem folgenden Wirtschaftswachstums gibt 4 Junker, Rolf

et al. (2015). Neueröffnung nach Umbau. Konzepte zum Umbau von Warenhäusern und Einkaufscentern. Gelsenkirchen: Stadtbaukultur NRW, S.4. 5 Huning, Sandra (2006). Politisches Handeln in öffentlichen Räumen. Die Bedeutung öffentlicher Räume für das Politische. Stadt und Region. Bd.14, Berlin: Leue, S.200. 6 Polinna, Cordelia (2020). Ist die Stadt von heute eine Inklusionsmaschine? In: Benze, Andrea; Rummel, Dorothee (2020). Inklusionsmaschine Stadt. Berlin: Jovis, S.47. 7 Leong, Sze Tsung (2001) …And then there was shopping. In: Chung, Chuihua Judy; Cha, Tae-Wook; Inaba, Jeffrey; Koolhaas, Rem (2001). Harvard Design School guide to shopping, Köln, S.152.


1. Warum Handeln?

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es einen immer schnelleren Warenumlauf. Die Tempel des Konsums werden dabei ähnlich wie die Ware selbst von immer neueren, spektakuläreren Innovationen abgelöst. Dies fordert einen hohen Verbrauch an Ressourcen. Allerdings scheint es nun, dass die stetige Neufindung baulicher Strukturen zu einem Wendepunkt gekommen ist: Die Konsumbauten befinden sich in einer Krise, die durch verschiedene Faktoren wie ein verändertes Kundenverhalten oder das exponentiell steigende Wachstum des Onlineshoppings herbeigerufen wurde.8 Die Abwärtsentwicklung wurde nun durch die Covid-19 Pandemie noch beschleunigt; Damit ist es zum aktuellen und dringenden Thema geworden, wie wir mit den Architekturen des Konsums umgehen wollen. Eng damit verknüpft ist die Frage, wie unsere (Konsum-)Gesellschaft der Zukunft aussehen soll. Die Krise gibt uns die Chance, unser Konsumverhalten zu überdenken und Stadt, Öffentlichkeit und Markt wieder in Beziehung zueinander zu setzen. Uns muss bewusst werden welche Folgen unser Konsumverhalten auf die Umwelt und benachteiligte Mitmenschen hat, danach sollten sich unsere Werte richten. Bereits in der bayrischen Verfassung ist festgeschrieben „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl“.9 Nehmen wir dies ernst, müssen an die Stelle von Räumen, die sich nur an Profit orientieren, gemeinnützige treten. Markt, Stadt und Öffentlichkeit müssen wieder enger miteinander verknüpft werden, um dieses Ziel zu erreichen. Es ist Zeit den Ausverkauf Stadt zu stoppen. Der Markt darf nicht als in sich geschlossene heile Welt verstanden werden, die immer mehr Stadt konsumiert. Er muss stattdessen aktiv zur Stadtgestaltung und Entstehung einer Öffentlichkeit beitragen. Neue Konzepte müssen gefunden werden, wie rein auf wirtschaftlichen Gewinn ausgerichtete, monofunktionalen Konsumarchitekturen zu egalitären Räumen werden können. Handeln wir? 8 Bayerisches

Staatsministerium für Energie und Technologie, Wirtschaft und Medien (2018). Studie zur Nachnutzung von Warenhäusern und großflächigen Einzelhandelsimmobilien. München, S.5. 9 Art.151 Abs.1 BayVerf.


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1. WARUM HANDELN ?

FORSCHUNGSGEGENSTAND QUELLENLAGE Forschungsgegenstand Kernthema der Masterthesis ist das Shoppen, beginnend in der Vergangenheit über die Gegenwart bis hin zu einem Konzept für die Zukunft. Die Thematik des Shoppens im Allgemeinen ist sehr weitläufig. Unterschiedliche Disziplinen wie die Soziologie, Psychologie, Wirtschaft und Architektur haben sich bereits mit ihrer Erforschung befasst. Die Thesis nimmt das Thema ebenfalls aus verschiedenen Perspektiven in den Blick, ihr Fokus liegt jedoch auf einer städtebaulichen, bzw. architektonischen Betrachtung. Diese wird in Bezug zu dem gesellschaftlichen Kontext gesetzt. Zum weiteren Verständnis ist zunächst eine Definition des Begriffs Shoppen erforderlich. Sowohl in der Architekturliteratur wie in der Soziologie wird er oft als Gegensatz, beziehungsweise Erweiterung des Einkaufens beschrieben. Während es beim Einkaufen um die Notwendigkeit des Erwerbs lebenswichtiger Waren geht, ist das Shoppen viel mehr ein Erlebnis und Vergnügen: Das Treibenlassen, Verweilen und der Erwerb von nicht benötigten Gütern. Das Einkaufen hat damit den Zweck, primäre Bedürfnisse zu befriedigen, beim Shoppen ist der Erwerb von allem möglich, was die Phantasie anregt.10 Kai-Uwe Hellmann fasst dies kurz zusammen: „Einkaufen ist Arbeit, Shoppen macht Spaß“. 11 Die Thesis beginnt die Auseinandersetzung mit dem Thema mit einem geschichtlichen Rückblick. Sie fokussiert sich dabei auf die Entwicklung von physisch geschlossenen Typen, die spezifisch für das Shoppen entstanden sind. Da diese ihren Ursprung Anfang des 19. Jahrhunderts haben, wurde ein zeitlicher 10 Hellmann, Kai-Uwe (2005). Soziologie des Shopping: Zur Einführung. In: Hellmann, Kai-Uwe u. Schrage, Dominik (Hg.): Das Management der Kunden. Studien zur Soziologie des Shopping. Konsumsoziologie und Massenkultur. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S.11-14. 11 ebd., S.7.


1. Warum Handeln?

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Rahmen der Thesis von dieser Zeit an bis heute gesetzt. Frühere räumlich offene Strukturen oder Mischformen wie der Markt, der Bazar, das römische Forum oder die griechische Agora werden an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber erwähnt und nicht weiter ausgeführt. Geografisch gesehen, liegt der Hauptfokus der Arbeit auf Architekturen innerhalb von Deutschland. Um die Entwicklungen der Typen zu verstehen, wird allerdings auch auf ihre Ursprungsländer Frankreich (im Falle der Passage und des Warenhauses) und die USA (im Falle der Shopping Mall) eingegangen. Quellenlage Insgesamt ist der Forschungsstand über die Architekturen des Konsums sehr breit gefächert und umfassend dokumentiert. Allerdings ist zu beachten, dass die verschiedenen Fachdisziplinen oft eine sehr einseitige Betrachtung vermitteln. Um dies zu vermeiden, wurden sowohl Quellen aus der Soziologie und Belletristik, sowie architektonische Fachliteratur für die Arbeit ausgewählt. Eine Grundlage für die Thesis war der Harvard Guide to Shopping, herausgegeben von Rem Koolhaas. Durch eine collagenartige Darstellung veranschaulicht dieser die Komplexität und Weitläufigkeit des Themas und vereint verschiedene Perspektiven. Für den Typus der Passage ist das Passagenwerk des Philosophen Walter Benjamin ein Schlüsselwerk, das diesen als erste Publikation behandelt und als Spiegel seiner Zeit einordnet. Spätere Autor*innen beziehen sich häufig auf dieses - wie Annette Baldauf, die Benjamins „Geschichte der Passage” als „Geschichte des 19. Jahrhunderts” beschreibt.12 Eine ausführliche architektonisch-städtebauliche Betrachtung bietet Johann Friedrich Geists Monographie Passagen - Ein Bautyp des 19. Jahrhunderts. Die gesellschaftlichen 12 Baldauf, Anette

(2014). Victor Gruen. Shopping Town. Memoiren eines Stadtplaners (1903-1980). Wien; Köln; Weimar: Böhlau , S.17.


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Strukturen des Warenhauses wurden anhand der Romane Paradies der Damen von Emile Zola und Kleiner Mann, was nun? von Hans Fallada nachvollzogen. Beide Romane sind Standartwerke ihrer Zeit und geben einen realistischen Einblick in das alltägliche Leben. Eine architektonische Perspektive auf das Warenhaus konnte in Form von aktuellen Überblicken, sowie Publikationen einzelner Architekten der Zeit gewonnen werden. Das Konzept der Mall wurde ebenfalls zunächst durch soziologische Beobachtungen der Autorin Annie Ernaux betrachtet. Zur Untersuchung des Ursprungs der Mall und des Typus aus konzeptueller und baulicher Sicht, wurde Literatur über und von dem Erfinder Victor Gruen herangezogen. Der gegenwärtige Stand der Konsumorte und zukünftige Entwicklungen lassen sich über Statistiken, wie den EHI-Shopping Report wissenschaftlich gut nachvollziehen. Ergänzend wurden die aktuellen Diskurse durch Zeitungsartikel nachverfolgt. Auch über Nachnutzungskonzepte von Warenhäusern wurden schon Studien verfasst, da in mittelgroßen Städten die Schließung von Warenhäusern bereits einsetzte. Informationen über den Karstadt am Nordbad und seinen Kontext wurden durch Analysen historischer Pläne, den Schwarzplan, Luftbilder, Publikationen über den Bezirk Schwabing-West und Beobachtungen vor Ort erarbeitet. Für das Gebäude an sich konnten Pläne der Lokalbaukommision München herangezogen werden. Weitere Informationen über die aktuelle Situation gaben Protokolle des Bezirkausschuss-Treffens Schwabing-West. Außerdem wurde die Eigentümerin Ariston Grundbesitz GmbH kontaktiert, so konnte eine Besichtigung des derzeit leerstehenden Gebäudes ermöglicht werden. Im Gegensatz zu den umfassenden Publikationen über die historische Entwicklung und Gegenwart der Architekturen des Konsums, steht die aktuelle Quellenlage zu Konzepten einer Konsumalternative: Es ließen sich zwar zahlreiche Beispiele finden, wie Konsum ökologisch und sozial nachhaltig werden kann, jedoch haben die Ansätze meist einen informellen


1. Warum Handeln?

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Charakter oder werden lediglich auf rein theoretischer Ebene behandelt. Aus diesem Grund ließen sich nur wenige architektonische Referenzprojekte finden. Diese Lücke zeigt den Handlungsbedarf, nachhaltigen Konsum nicht nur gedanklich zu formulieren oder in Nischenbereiche zu verdrängen, sondern fest in unsere Gesellschaftsstrukturen aufzunehmen.



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ARCHITEKTUREN DES KONSUMS. GESCHICHTLICHER ÜBERBLICK ALS SPIEGEL DER GESELLSCHAFT

Passage | Warenhaus | Shopping Mall Die Stadt ist nicht ohne den Markt oder die Öffentlichkeit denkbar. Bis weit zurück in die Geschichte gab es immer eine enge Verknüpfung zwischen Stadt, Markt und Öffentlichkeit, die jeweils abhängig voneinander waren. Die Beziehungen zwischen den drei Konzepten waren dabei im ständigen Wandel. Daher sind die Orte des Marktes als ein Spiegel der Stadt und der Öffentlichkeit zu verstehen. Ihre Typen wurden mit der Zeit jedoch immer unabhängiger von der Stadt. Sie reflektierten zunehmend weniger ihre umgebenden Strukturen der Stadt. Stattdessen begannen sie, in ihren Innenräumen die Stadt und die Öffentlichkeit neu zu definieren. Eine eigene Idealstadt wurde erschaffen. Die folgende Erläuterung der wichtigsten Typen soll diese Zusammenhänge verdeutlichen.



2. ARCHITEKTUREN DES KONSUMS

PASSAGE Abb.02 Collage Passage

Definition Das Wort Passage leitet sich aus dem Französischen ab. Dort wurde der Begriff bereits vor der Entstehung des Shopping-Typus für private Wege zum Innenraum von Baublöcken verwendet.13 Im Deutschen bedeutet das Verb passieren das Durchgehen oder Durchfahren einer (schmalen) Stelle.14 Die Passage lässt sich somit als schmaler, überdachter Transitraum innerhalb einer baulichen Struktur beschreiben. Eine genauere Definition lässt sich in Johann Friedrich Geists Buch über den Bautypus finden. Er beschreibt die Passage als „einen zwischen belebten Straßen hindurchgeführten, glasüberdachten Verbindungsgang, der auf beiden Seiten gesäumt ist von Reihen einzelner Läden. In den oberen Geschossen können Läden, Büros, Werkstätten, Wohnungen untergebracht sein. (...) Sie ist das Angebot öffentlichen Raumes auf privatem Gelände und bietet Verkehrserleichterung, Abkürzung, Schutz vor Witterung und nur dem Fußgänger zugängliche Flächen. Dieses Angebot soll sich umsetzen in den geschäftlichen Erfolg der Mieter der Räume der Passage und damit ihres Eigentümers. Die Passage ist ein Objekt der Bauspekulation. Ihr Florieren ist im hohen Maße abhängig von dem städtebaulichen Zusammenhang, in den sie eingebettet ist. Sie kann nur existieren, wenn sie im Hauptgeschäftsgebiet der Stadt liegt und zwei möglichst gleich stark frequentierte Straßen miteinander verbindet. “ 15

13 Geist, Johann Friedrich (1969). Passagen - Ein Bautyp des 19. Jahrhunderts. München: Prestel-Verlag , S.11. 14 Bibliographisches Institut GmbH: Passage [Electronic dictionary] In: https://www.duden.de/suchen/dudenonline/passage letzter Abruf: 21.12.2020. 15 Geist 1969, S.12.


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Abb.03 Crystal Way project, Lageplan, London 1855

Abb.04 Crystal way project, Royal Arcade, London 1855

Entstehung im gesellschaftlichen Kontext + architektonische Typologie Die Passage entstand Mitte des 19. Jahrhunderts als erster geschlossener Einkaufs- und Erlebnisraum. Erstmalig tauchte der neuartige Typus in Paris auf und verbreitete sich von dort in vielen weiteren europäischen Großstädten.16 Stadträumlich betrachtet, waren die Passagen Zwischenräume zwischen den großen Hauptstraßen und den Innenräumen der Läden. Sie boten Schutz und Erholung von dem Dreck und Lärm der Straßen, da sie nur für Fußgänger zugänglich waren. Damit boten sie einen öffentlichen Raum, der so außerhalb nicht möglich war.17 Die Passagen dienten als Verbindungswege, die sich innerhalb der Stadtstruktur befanden und abhängig von dieser waren. Durch die Eigenschaft eines neuen Verbindungsraums innerhalb des vorhandenen und als eigener baulicher Typus, bildeten sie ein Parallelsystem und können daher auch als Straßen in der Straße beschrieben werden.18 Die Läden in ihren Innenräumen waren möglichst schmal und tief. Auf diese Weise veränderten sich die Fassaden und Schaufenster schnell aufeinanderfolgend und erzeugten so eine Abwechslung für die Besuchenden. Außerdem gab es auch eine Varianz der Nutzungen der Geschosse; im Erdgeschoss Gewerbe, in den Obergeschossen Wohnen oder vereinzelt Büros. Dadurch entstand eine tageszeitlich unabhängige Belebung der Räume.19 Architektonisch besonders war, dass der Innenraum der Passage ohne Schwelle betreten werden konnte. Auf diese Weise wurde der Bewegungsfluss der Besucher nicht unterbrochen. Die Passagen wurden als Eisen-Glas-Konstruktion errichtet.

Abb.05 Lower Arcade, Bristol 1824-1825 16 Bader, Simone; Lepik, Andreas

(2016). World of malls. Architekturen des Konsum, München: Hatje Cantz Verlag, S.26. 17 Geist 1969, S.110. 18 Strohmeyer, Klaus (1980). Warenhäuser. Geschichte, Blüte und Untergang im Warenmeer. Berlin: Wagenbach , S.124. 19 Geist 1969, S.32.


2. Architekturen des Konsums

Abb.06 Passage Galerie de la Reine, Brüssel ,1847

Abb.07 Galerie Véro-Dodat, Paris 1826

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Durch diese Art der Dachkonstruktion konnte zum einen ein Witterungsschutz erzeugt werden, zum anderen entstand durch das durchgängige Glasband eine Beleuchtung des Innenraums.20 Ergänzt wurde die gefilterte Beleuchtung des Oberlichts durch künstliches Licht. Dies führte insgesamt zu einer besonderen Atmosphäre, die im Kontrast zu den wetter- und tageslichtabhängigen Straßen draußen stand. Durch sie wurde der Innenraum der Passage zu einer eigenen Erlebniswelt. An den Passagen ist eine enge Verknüpfung zwischen gesellschaftlichen Strukturen und physischem Raum gut nachzuvollziehen. Sie spiegeln die sozialen Schichten und die stark unterschiedlichen Geschlechterrollen ihrer Zeit wider: Als die Passagen entstanden, konnte die Produktion von Waren aufgrund der fehlenden Technisierung nur in geringer Stückzahl erfolgen. Dies machte Ware teuer und damit ihren Erwerb als nicht essentielle Güter zu einem unerreichbaren Luxus für die breite Bürgerklasse. Aus diesem Grund waren die Räume der Passagen an die gehobenen Schichten adressiert. Ihre gesamte Gestaltung sollte dem gerecht werden und daher Eleganz und Luxus ausstrahlen.21 Die Zugänglichkeit der Passagen wurde somit durch soziale Zugehörigkeit bestimmt. Eine weitere Selektion der Besucher*innen erfolgte aufgrund des Geschlechts. Diese Auswahl entstand ebenfalls im Zusammenhang mit der Ausformulierung des physischen Raums: Das Zusammenspiel aus der städtebaulichen Anordnung und Architektur bestimmte die Form, wie sich Nutzer*innen durch diese Welt bewegen sollten. Die lineare Aufreihung von Läden und ihre Funktion als Transiträume ergaben einen gerichteten Bewegungsfluss der Besucher*innen, nämlich ein langsames lineares Hindurchgehen, da die Atmosphäre und die Präsentation der Waren zu einem Verweilen führten.

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Geist 1969, S.32. Strohmeyer 1980, S.60.


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Abb.08 Le Flâneur, Paul Gavarni, 1842

Diese Art des Bewegens und Erlebens der Räume spiegelte sich in dem Besucher wider: die Passage war der Raum des Flaneurs, eines männlichen Spaziergängers, der zum Zeitvertreib herumschlenderte und sich von den Waren berauschen ließ. Er genoss dabei die Anonymität der Großstadt. Im Gegensatz zu dem ungezwungenen Müßiggang des Mannes war ein Flanieren für Frauen nicht erlaubt. Die verbreitete Meinung war, dass der halboffene Raum keinen sicheren Ort für Frauen darstellte. Für sie war daher der Zugang nur als Begleitung des Mannes oder als Prostituierte möglich.22 Als Prostituierte sahen die Männer die Frauen als Teil der Konsumobjekte; damit spielten Frauen zugleich die Rolle der Verkaufenden und des Verkauften. Um nicht mit den Prostituierten verwechselt zu werden, konnten Frauen aus der bürgerlichen Schicht nur in Begleitung ihrer Ehemänner die Passagenräume betreten.23 Zusammenfassend wurden die Passagen also errichtet, um den (männlichen) Bedürfnissen der gehobenen Gesellschaft zu entsprechen. Mit dem Wandel dieser Bedürfnisse verloren sie allerdings ihre Bedeutung und wurden auf Zweckbauten des Transits reduziert.24 Beschleunigt wurde dies durch die Entstehung eines neuen spektakulären Bautypus, dem der Warenhäuser. Die Passagen blieben jedoch in vielen Städten wie Paris oder Leipzig fester Bestandteil der Stadtstruktur und prägen ihr Bild noch heute.

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Baldauf 2014, S.25. Dörhöfer, Kerstin (2007). Passagen und Passanten, Shopping Malls und Konsumentinnen in: Wehrheim, Jan (Hg.): Shopping Malls. Interdisziplinäre Betrachtungen eines neuen Raumtyps. Stadt, Raum und Gesellschaft, Band 24. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S.59. 24 Strohmeyer 1980, S.60. 23


2. Architekturen des Konsums

STADT MARKT ÖFFENTLICHKEIT Abb.09 Prinzip der Passage

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Markt – Stadt – Öffentlichkeit Mit der Passage entstanden erstmals halbgeschlossene Einkaufsräume, die das Verständnis von Markt, Öffentlichkeit und Stadt änderten. Der Markt fand nun nicht mehr auf offenen Plätzen statt; durch die lineare Anordnung der Läden, bekam er die Doppelfunktion als Durchgangs- und Handelsraum. Die bereits vorhandene Stadtstruktur gab dabei das Aussehen des Marktes vor. Dies führte in einer Wechselbeziehung wiederum auch zur Veränderung der Stadt; die, mit den Passagen neu entstehenden Straßen, hatten ihre eigene Atmosphäre und die Handelsfunktion bestimmte den Bewegungsfluss. Damit wurde der Stadt ein andersartiger, so nicht vorhandener, Baustein hinzugefügt. Durch die Passagen wurden auch die Bedeutung und Verbindung zur Öffentlichkeit stark beeinflusst. Sie erschufen ein Leben im „Inneren“ der Stadt, welches sich zwischen den öffentlichen Straßen und den privaten Geschäften befand. So entstand ein halböffentlicher Charakter, der seine eigenen gesellschaftlichen Normen und Regeln entwickelte. Damit war der Raum des Marktes nicht länger für jeden zugänglich. Zudem bot die Passage durch ihre Eigenschaft als schmaler Transitraum keine Möglichkeit der Versammlung. Dies verhinderte zusammen mit der Auswahl der Kundschaft die Entstehung einer politischen Öffentlichkeit.



2. ÜBERBLICK DER ARCHITEKTUREN DES KONSUMS

WARENHAUS Abb.10 Collage Warenhaus

Definition Die Grundidee des Warenhauses beruht auf dem Prinzip „Alles unter einem Dach“- was davor auf einzelne Läden verteilt war, ließ sich erstmalig in einem Gebäude finden.25 Wirtschaftlich gesehen, zeichnet sich das Warenhaus durch feste Preise aus und erzielt seinen Gewinn mit dem Prinzip „großer Umsatz zu kleinen Preisen.“ Charakteristisch für das Warenhaus ist außerdem, dass kein Kaufzwang und die Möglichkeit der Rückgabe bestehen. Da das Warenhaus von einer Laufkundschaft abhängig ist, befindet es sich in einer innerstädtischen Lage.26 Aus diesem Grund war der Bauplatz meist beschränkt, ein architektonischer Typus als vertikale Schichtung war die Folge. Zusammenfassend definiert das Wirtschaftslexion das Warenhaus als „Betriebsform des Handels (Einzelhandel) in zentraler Lage mit branchenübergreifendem, breitem Sortiment einschließlich Lebensmitteln“.27

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Junker, Rolf 2015, S.7. Frei, Helmut (1997). Tempel der Kauflust. Eine Geschichte der Warenhauskultur, Leipzig: Ed. Leipzig, S.23. 27 Henning, Alexander. Warenhaus [Online dictionary] In: https:// wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/warenhaus-47164 letzter Abruf: 12.01.2021. 26


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Entwicklung im gesellschaftlichen Kontext + architektonische Typologie Von dem ersten Kaufhaus, dem Bon Marché, Mitte des 19. Jahrhunderts in Paris erbaut, bis zu den letzten Bauten, fand eine ständige Weiterentwicklung des Typus´ statt. Die charakteristischen Merkmale des Bautypus´ wurden jedoch über die gesamte Zeit hinweg beibehalten. Insgesamt lässt sich die Geschichte des Warenhauses von seinem Ursprung bis in die Gegenwart in vier Stufen unterteilen: Abb.11 1.Generation, Innenraum, Kaufhaus Tietz, Berlin

1. Generation | bis 1914 Der Ursprung der Warenhäuser liegt- ebenso wie der der Passage- in Frankreich. Dort entwickelten sich Mitte des 19. Jahrhunderts mit der einsetzenden industriellen Revolution aus Boutiquen zunächst die magasins de nouveautés. Diese können als Vorläufer der Warenhäuser gesehen werden. Mit dem „ Au bon Marché, das von Gustav Eiffel erbaut wurde, eröffnete dann das erste große Warenkaufhaus in Paris.28 Damit entstand ein ganz neuer Bautypus, der Ende des 19. Jahrhunderts auch nach Deutschland kam.29 Gründer der ersten Warenhäuser in Deutschland waren Wertheim, Tietz, Karstadt und Althoff.30 Ihre Unternehmen entwickelten sich zu den bedeutendsten Warenhausketten in Deutschland: Aus dem Wollwarengeschäft von Leonard Tietz entwickelte sich die Kaufhof AG, aus Hermann Tietz` Geschäft Hertie. Das Manufaktur-, Confektions- und Tuchgeschäft von Rudolf Karstadt behielt in der weiteren Entwicklung den Namen Karstadt.31 Architektonisch betrachtet, waren die Warenhäuser der ersten Generation auf Repräsentation ausgerichtet. Sie 28

Strohmeyer 1980, S.69. Langenberg; Katharina (2016). “In Jeder Stadt (K)Ein Warenhaus.” In: Arbeitskreis für Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V. (Hg.). Umbau - Umnutzung - Umdeutung. Städtische und ländliche Räume unter Umnutzungsdruck. Jahrestagung 2015 in Dortmund, Dortmund, S.73. 30 Bader 2016, S.29-32. 31 Strohmeyer 1980, S.159. 29Ilmberger, Silke


2. Architekturen des Konsums

Abb.12 1.Generation Kaufhaus Tietz, Berlin

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Ihre aufstrebenden Fassaden, waren in Glas-Pfeiler aufgelöst und boten so über ihre gesamte Fläche Platz für Schaufenster. In diesen wurden Waren aufwändig ausgestellt und lockten so vorbeikommende Passanten nach innen. Der Innenraum setzte sich dann aus einem weiten, offenen, perforierten Raum zusammen, der möglichst stützenfrei konstruiert war. Den Mittelpunkt bildeten Innenhöfe, die durch ein Glasdach von oben beleuchtet wurden. Dieser Lichthof als Eingangs- und Orientierungsraum, war ein Überrest der Passage.32 In ihm befand sich die symmetrisch im Raum angeordnete Hauptreppe, die in die oberen Etagen führte.33 Sie war ein Symbol des feudalen Luxus´, der nun für das Bürgertum zugänglich wurde. Die Entwicklung der Warenhäuser war eng verknüpft mit ihrem gesellschaftlichen Kontext und technischen Fortschritt. Ihr Erfolg lässt sich auf Veränderungen gesellschaftlicher Strukturen, wie eine steigende Verstädterung, neue Verkehrsformen und ein verändertes Konsumverhalten, zurückführen.34 Den größten Wandel brachte die Mechanisierung der Textilbranche, die zu einer Überproduktion an Produkten führte. Zusammen mit der Rationalisierung der Prozesse, konnte nun die Geschwindigkeit des Warenumlaufs enorm gesteigert werden. Es entstand das Prinzip des großen Umsatzes zu kleinen Preisen.35 Dies führte zu einer neuen Kundschaft: Das Shoppen war nicht mehr auf Luxusartikel für die gehobene Bürgerschicht beschränkt – nun hatte eine breite Masse Zugang zu den Waren. Die Massenware für die Masse durch Massenproduktion wurde als Demokratisierung des Konsums gefeiert. Um den Warenumlauf weiter zu steigern, startete man neuartige Werbekampagnen, Außerdem entstand das wie Sonderaktionswochen.36 Prinzip der Selbstbedienung, um die Kundschaft zu ungeplanten, nicht benötigten Spontankäufen anzuregen. 32

Geist 1969, S.112. 1997, S.26. 34 Strohmeyer 1980, S.71. 35 Frei 1997, S.23. 36 Strohmeyer 1980, S.73-74. 33 Frei


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Der Grundstein zu einer Konsum- und Wegwerfgesellschaft war gelegt. Shoppen wurde zum gesellschaftlichen Event und damit entstand ein sozialer Druck daran teilzunehmen. Die spielerische Beobachtung des Flaneurs in der Passage wurde im Kaufhaus zur Manie: Teil des Shoppens war das Sehen und Gesehen werden.37 Die Faszination und Anziehung der Warenhäuser gingen soweit, dass Emile Zola sie als sakrale Räume, als die neuen Kathedralen beschrieb. Die Idee einer Demokratisierung und ein damit verbundenes Zusammenkommen aller Schichten in den Warenhäusern, traf allerdings nur bedingt zu: Personen, die sich den Konsum nicht leisten konnten, wie Obdachlose, waren von den Warenwelten ausgeschlossen. Zudem teilten sich die großen Ketten nach Preisniveau auf und zogen dementsprechend Kundschaft mit entsprechender finanzieller Kaufkraft an.38 Viele ließen sich dennoch von den zu teuren Waren verführen; Kleptomanie wurde zum gesellschaftlichen Phänomen des 19. Jahrhunderts.39 Zusammen mit der Veränderung der gesellschaftlichen Schicht wandelte sich auch die Geschlechterverteilung der Konsumierenden. Mit dem Typus eines räumlich stark abgeschlossenen Ortes waren Kontrolle und Sauberkeit gegeben. Dies wurde als Grundlage eines sicheren Raums für die bürgerliche Frau angesehen.40 Während der halboffene Raum der Passage das Flanieren und Shoppen für Männer versprach, war das Warenhaus nun ausdrücklich an Frauen gerichtet; die Flaneuse oder Shopperin war geboren. Das Warenhaus trug mit der starken Thematisierung der Weiblichkeit zur Verstärkung der Geschlechterrollen bei. Beispielsweise spiegelte bereits das Spielzeugangebot für Kinder das deutliche Geschlechterbild wider.

37

Strohmeyer 1980, S.64. ebd., S.124-126. 39 ebd., S.166. 40 Baldauf 2014, S.25. 38


2. Architekturen des Konsums

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Durch die speziell an Frauen gerichtete Konsummanipulation wurde ein Bild erschaffen, das die Frau als nicht verantwortungsvoll und verführbar darstellte. Dieses wurde genutzt als Argument gegen die einsetzende feministische Bewegung und für die Forderung nach politischer Anteilnahme. 41 Organisatorisch war das Warenhaus ein Trugbild aus Hygiene und Glanz, hinter dem sich eine Maschinerie verbarg, die für die Kundschaft nicht ersichtlich war. Alles zielte auf eine größtmögliche Gewinnsteigerung ab. Aus diesem Grund wurden die Mitarbeiterbereiche auf das Nötigste reduziert, sie waren eng und dunkel. Somit standen sie im starken Kontrast zu den luxuriösen Verkaufsflächen. Auch die Rechte der Mitarbeiter*innen hatten nichts mit der fröhlichen Welt für die Kundschaft zu tun. Um möglichst hohes Engagement zu erreichen, wurden die Verkäufer*innen nach ihrem Umsatz bezahlt. Dadurch standen sie unter großem Druck und konnten jederzeit entlassen werden, wenn ihre Verkaufszahlen nicht stimmten. Außerdem war eine strenge Überwachung -auch ihres privaten Lebens-Teil des Konzeptes. Besonders weibliche Mitarbeiterinnen waren davon betroffen; Sie mussten trotz harter Arbeit eine durchgängig freundliche Rolle spielen.42 Von ihnen wurde eine komplette Unterwerfung gegenüber der Kundschaft und ein stets zuvorkommendes Verhalten gefordert. Zudem wurde ihre Weiblichkeit als verführender Werbeträger ausgenutzt. Außerdem warf man den Kaufhäusern vor, ihre Mitarbeiterinnen in die Prostitution zu treiben. Trotz einer schlechten Bezahlung, die unter der Bezahlung der männlichen Angestellten lag, wurde eine kostspielige Kleidung erwartet. Außerdem standen sie unter der ständigen Angst, ihre Arbeit zu verlieren. Dadurch sahen sie oft den einzigen Ausweg darin, sich einen Liebhaber zu suchen, der sie finanziell unterstützte.43 41 Baldauf

2014, S.25-26. Strohmeyer 1980, S.138. 43 ebd., S.41. 42


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Abb.13 2.Generation Kaufhaus Schocken, Erich Mendelson, Stuttgart 1924-26

2.Generation | Zwischen den Kriegen | 1914-1933 Zwischen den Kriegen entstanden nur vereinzelt Warenhäuser, die sich als zweite Generation zusammenfassen lassen. Die Warenhäuser dieser Zeit griffen die Ideen des Neuen Bauens auf und zeichneten sich durch eine deutlich reduzierte Formensprache und Sachlichkeit aus.44 Eine tatsächliche Demokratisierung des Konsums sollte an den Gebäuden ablesbar werden. Aus diesem Grund wurde auf Repräsentation zugunsten von Klarheit und Funktionalität verzichtet.45 Der technische Fortschritt führte zudem zu einer starken Veränderung des Typus´ Warenhaus: 1898 wurde die erste Rolltreppe in das Warenhaus Harrods in London eingebaut. In den 20er Jahren entwickelte sich das neuartige Transportmittel dann zu einem festen Bestandteil der Warenhäuser. Dies führte zusammen mit der fortschreitenden Klima-Heiztechnik und künstlichen Beleuchtung dazu, dass die Innenhöfe mit Oberlicht immer mehr verschwanden.46 Die Charakteristik der zweiten Generation lässt sich an den Schocken Kaufhäusern nachvollziehen. Sie waren benannt nach ihrem Unternehmer und Bauherrn Salman Schocken.47 Die Kaufhaus-Kette stand in Kontakt mit dem Bauhaus und beauftragte einen seiner Absolventen mit dem Entwurf von Verkaufstischen und einer Typographie. Der Entwurf dieser Elemente, die in allen Filialen zu festen Bestandteilen wurden, entsprach der Idee des Werkbundes eines ganzheitlichen Kunstwerkes. Auf diese Weise entstand ein Vorläufer der Coporate Identity. Der wohl wichtigste Vertreterbau der zweiten Generation war das Schocken Kaufhaus in Stuttgart. Dieses wurde 1926-1928 nach dem Entwurf Erich Mendelsons erbaut.48 44

Ilmberger 2016, S.73. Delitz, Heike (2005). Gebaute Begehrlichkeit. Zur Architektursoziologie der Konsumgesellschaft in Deutschland. In: Hellmann, Kai-Uwe u. Schrage, Dominik (2005): Das Management der Kunden. Studien zur Soziologie des Shopping. Konsumsoziologie und Massenkultur. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S.46. 46 Frei 1997, S.118. 47 ebd., S.143. 48 Frei 1997, S.136. 45


2. Architekturen des Konsums

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Ziel war es, dass der Bau so für sich stand, dass er selbst zum Werbeträger wurde und somit keine weiteren Elemente für diese Funktion benötigte. Das Gebäude war durch seine horizontale Gliederung, Asymmetrie und Klarheit charakteristisch für das Neue Bauen. Damit war das Warenhaus nicht länger Tempel, sondern Teil einer modernen Stadt.49 Der architektonische und auch gesellschaftliche Wandel brachte allerdings keine großen Verbesserungen für die Mitarbeiter*innen. Ihre unsichere Lage spitzte sich im Gegenteil mit dem Einbruch der Wirtschaft und der hohen Arbeitslosigkeit der 20er Jahre weiter zu.50 Die Blütezeit der Warenhäuser selbst hörte außerdem mit dem Nationalsozialismus abrupt auf. Gezielt wurde Propaganda verbreitet, um die Bürger*innen gegen die meist jüdisch geführten Warenhäuser aufzubringen. Viele der Warenhäuser standen damit kurz vor dem Bankrott. Um zu überleben, mussten sie nach Regeln der Nationalsozialisten umfassend saniert und ihre Mitarbeiter*innen arisiert werden.51 Beipspielsweise wurden Hermann Tietz´ Warenhäuser zu Hertie umbenannt, um den jüdischen Namen zu verbergen.52 Außerdem wurden weitere Neubauten verhindert.

Abb.14 3.Generation, Warenhaus Horten (zuvor Merkur), Neuss 1962

3.Generation | bis 1960 Die dritte Generation der Warenhäuser begann mit dem Ende des 2.Weltkrieges, als sich die Wirtschaft wieder erholte. Mit dem beginnenden Wirtschaftswunder setzte auch der Massenkonsum ein und die Warenhäuser erhielten einen erneuten Aufschwung in Deutschland. Zunächst lag der Hauptfokus auf dem Wiederaufbau der zerstörten Gebäude. 1950 wurde dann der erste Neubau in der BRD errichtet, 49ebd., S.143. 50 Hans

Fallada beschreibt in seinem Roman anschaulich „Kleiner Mann was nun?“ die Situation des Warenhaus - Verkäufers Johannes Pinneberger. Dieser lebt mit der ständigen Angst seinen Arbeitsplatz zu verlieren-was schließlich auch passiert. 51 Frei 1997, S.13. 52 Schmitz, Thorsten (17.01.2021). Hertie und die Hitlerdiktatur. Schatten über dem glitzernden Kaufhaus [Electronic article] In: https://www.sueddeutsche.de/politik/hertie-stiftung-nationalsozialismus-arisierung-aufarbeitung-1.5172322?reduced=true letzter Abruf: 24.01.2021.


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in der DDR erfolgte dies erst später.Zusammen mit dem raschen Wachstum der Wirtschaft begann auch der Individualverkehr stark zu steigen. Der Umstieg auf das Auto wurde in den Anlagekonzepten für Warenhäuser widergespiegelt. Fester Bestandteil waren nun Parkhäuser, die durch ihre Rampen die Fassadengestaltung prägten. Der architektonische Anspruch ging mit dieser Generation insgesamt zurück.53

Abb.15 4.Generation Karstadt am Nordbad, München 1968

4. Generation ab 1960 Mit der immer weiter aufstrebenden Wirtschaft in den 1960er und 70er Jahren entstanden nun Warenhäuser in großer Anzahl. Auch in der DDR wurde 1968 der erste Neubau errichtet.54 Der repräsentative Charakter und die Transparenz der ersten Generation war bei der vierten Generation nicht mehr von Bedeutung. Stattdessen entstanden neutrale Gebäude in kubischer Form.55 Damit passten sie sich an den Massencharakter ihrer Verkaufsprodukte an und waren die Folge einer Zweckrationalität. Ihre Fassade war fast vollständig verschlossen und wurde häufig durch Autorampen, die zu Parkflächen auf dem Dach führten, bestimmt. Häufig entwickelten die Warenhäuser standardisierte Corporate Identity Fassaden. Durch ihre hohe Anzahl und das große Volumen besitzen sie auch heute oft noch eine prägende Dominanz in vielen Stadtbildern. Ab Anfang der 80er Jahre ließ sich der Glanz der früheren Zeiten nur noch erahnen; genormte Ware und eilige Kunden bestimmten das Bild der Warenhäuser. Zudem war der Markt nun weitestgehend gesättigt, mehrere Filialen mussten schließen.56 Nach der deutschen Wiedervereinigung erlangten die Kaufhäuser allerdings noch einmal einen Entwicklungsschub.57 Die Kaufhäuser der vierten Generation machen etwa die Hälfte der Karstadt Kaufhof Konzerne aus und besitzen damit den größten Anteil.58 53

Delitz 2005, S.53. ebd., S.53. 55 Ilmberger 2016, S.73. 56 ebd., S.74. 57 Frei 1997, S.18-19. 58 Ilmberger 2016, S.77. 54


2. Architekturen des Konsums

ÖFFENTLICHKEIT? STADT MARKT

Abb.16 Prinzip Warenhaus

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Verhältnis Stadt-Markt-Öffentlichkeit Mit der Entstehung der Warenhäuser wurde der Markt in ein ganz neues Verhältnis zu Stadt und Öffentlichkeit gesetzt. Nun war er in einen komplett geschlossenen Raum verlagert, der nur wenig in Verbindung mit der Stadt stand. Durch die Privatisierung dieses Raumes und die damit verbundenen Regeln und Kontrolle war nun der Markt nur noch für eine ausgewählte Öffentlichkeit zugänglich. Zwar wurde stets betont, dass der Besuch eines Warenhauses frei von Kaufzwang war – jedoch fühlten sich die Leute dennoch gedrängt einzukaufen. In den Warenhäusern gab es zwar auch kulturelle Einrichtungen wie Lesezimmer oder Bibliotheken,59 aller- dings war dieses Programm von den Privatbesitzern vorgegeben und verschwand mit den verschiedenen Generationen immer mehr. Politische Veranstaltungen gab es zu keinem Zeitpunkt in den Kaufhäusern. Stadt und Öffentlichkeit fanden somit nur als eine von den Eigentümern erfundene idealisierte Illusion in dem Marktgebäude statt. 59

Frei 1997, S.96.

Abb.17 Au Printemps, Paul Sédille, Paris 1865



2. ÜBERBLICK DER ARCHITEKTUREN DES KONSUMS

SHOPPING MALL Abb.18 Collage Shopping Mall

Definition Der deutsche Begriff Einkaufszentrum wird im Sprachgebrauch gleichgesetzt mit der Shopping Mall. Da so jedoch die Unterscheidung Shoppen versus Einkaufen verloren geht, wird in dieser Arbeit der ursprüngliche englische Begriff Shopping Mall oder Shopping Center verwendet. Grundgedanke der Shopping Mall war das Prinzip der Stadt in der Stadt. Der Architekt und Stadtplaner Victor Gruen entwarf dazu ein Konzept, das bis heute in den meisten Centern wiederzufinden ist: Zwischen zwei sogenannten Ankerkaufhäusern an beiden Enden der Mall, reihen sich kleinere Einzelhandelsläden auf. Sie gruppieren sich dabei um überdachte Innenhöfe oder breite Korridore und werden von diesen aus erschlossen.60 Der EHI Shopping Center Report definiert die Shopping Mall wie folgt: „Shopping-Center sind aufgrund zentraler Planung errichtete großflächige Versorgungseinrichtungen, die den kurz-, mittel- und langfristigen Bedarf decken und eine Mietfläche inkl. Nebenflächen von mindestens 10.000 qm aufweisen. Charakterisiert sind sie durch: - die räumliche Konzentration von Einzelhandels-, Gastronomie- und Dienstleistungsbetrieben unterschiedlicher Größe - eine Vielzahl von Fachgeschäften unterschiedlicher Branchen, in der Regel in der Kombination mit einem oder mehreren dominanten Anbietern - eine (sic!) großzügig bemessenes Angebot an PKWStellplätzen - zentrales Management bzw. Verwaltung“ 61 60

Baldauf 2014, S.18. EHI Retail Institute GmbH (2018). Definitionen. Shopping Center [Webpage] In: https://www.shopping-center-report.de/definitionen/ letzter Abruf: 11.01.2021. 61


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Abb.19 Innenraum Southdale Center, Victor Gruen, USA, Edina 1956

Abb.20 Grundriss Southdale Center, Victor Gruen, USA, Edina 1956

Geschichte Das erste komplett überdachte, klimatisierte Einkaufszentrum wurde mit Victor Gruens Southdale Center 1956 in den USA eröffnet.62 Victor Gruens Center war der Beginn eines raschen Wachstums an Shopping Malls, die sich über das gesamte Land verteilten. Sie entstanden außerhalb der Stadt an Verkehrsknotenpunkten der Highways auf „der grünen Wiese“ und waren somit nur für mit dem Auto anreisende Besucher erreichbar. Dementsprechend war die Planung immer mit der Anlage weitläufiger Parkflächen um das Gebäude verbunden. Die Verlegung des Shoppens aus den Centern in die suburbanen Gebiete hatte den Vorteil, dass Baugebiet dort ausreichend und preiswert vorhanden war. Als Folge entstanden flache Volumen, die sich weit in der Horizontalen ausbreiteten. Die Entwicklung der überdachten Innenhöfe konnte durch den Fortschritt der Klimatechnik realisiert werden.63 Auf diese Weise war der Innenraum komplett unabhängig von äußeren Einflüssen, wie Temperaturschwankungen oder Witterungsbedingungen. Die Innenhöfe sollten mit Sitzgelegenheiten, Kunstobjekten oder Wasserspielen eine Art öffentlichen Raum anbieten. Gruen sah die Bauaufgabe der Mall also als ein Gesamtkunstwerk von Ingenieur*innen, Architekt*innen und Künstler*innen.64 Dadurch wurde eine steuerbare Atmosphäre erzeugt, in der die Kundschaft sich wohlfühlen sollte. Damit sollte der sogenannten „Gruen-Effekt“ unterstützt werden - ein Flanieren der Besucher*innen, das zu ziellosem Shoppen führen sollte.65 Auch in Deutschland waren die Shopping-Center nach Victor Gruens Grundaufbau zunächst ein großer Erfolg

62

Wall, Alex (2005). Victor Gruen. From Urban Shop to New City. Barcelona: Actar, S.4-9. 63 Leong, Sze Tsung; Weiss, Srdjan Jovanovich (2001).Air Conditioning. In: Chung, Chuihua Judy; Cha, Tae-Wook; Inaba, Jeffrey; Koolhaas, Rem (Hg). Harvard Design School guide to shopping, Köln, S.93-127. 64 Baldauf 2014, S.203. 65 ebd., S.18.


2. Architekturen des Konsums

Abb.21 Luftaufnahme, Main-Taunus Zentrum, bei Frankfurt 1964

Abb.22 Werbeplakat, Main-Taunus Zentrum, bei Frankfurt 1964

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Das erste Center eröffnete 1964 mit dem Main-TaunusZentrum bei Frankfurt. In Etwa zur gleichen Zeit entstand auch das Ruhrpark-Zentrum bei Bochum.66 In der folgenden Periode erlebten die Center ein schnelles Wachstum. Vor allem nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland entstanden zahlreiche, neue Gebäudekomplexe.67 In den 90er Jahren wurden die Shopping-Center immer mehr von der grünen Wiese in innerstädtische Bereiche verlagert.68 Damit standen sie in direkter räumlicher Konkurrenz zu den Warenhäusern und dem umliegenden Einzelhandel. Bis zu dieser Entwicklung wurde der Entwurf von Shopping-Centern oft nicht als „würdige“ Aufgabe für Architekt*innen angesehen. Mit dem vermehrten Aufkommen in den Innenstädten wandelte sich dies – nun rückten die Malls in den Fokus bekannter Architekt*innen.69 Der große Erfolg des Typus´ ist wie der der Passage und der des Warenhauses nur in seinem gesellschaftlichen Kontext zu verstehen. Nach dem Krieg wurde in den USA mit der ansteigenden Kaufkraft des Bürgertums der Traum vom eigenen Haus im suburbanen Gebiet erfüllt. Auch Konsum war nun Teil des alltäglichen Lebens einer breiten Öffentlichkeit. Der Kapitalismus versprach egalitären Anteil an Waren.70 Mit dem neuen Prinzip des Outsourcing in Billiglohnländer, wurden Waren immer erschwinglicher für einen Großteil der Bürgerschicht. Der Konsum gewann damit große Bedeutung: Er wurde zur treibenden Kraft im Nachkriegsamerika und zur ordnenden Struktur sozialer und ökonomischer Prozesse.71 Zur Verbreitung der Malls trug außerdem bei, dass in den 50er Jahren die Soldaten aus dem Krieg zurückgekehrt waren. Sie schrieben den 66

Hahn, Babara (2007). “Shopping Center als internationales Phänomen.” In: Wehrheim, Jan (Hg.): Shopping Malls. Interdisziplinäre Betrachtungen eines neuen Raumtyps. Stadt, Raum Und Gesellschaft. Band 24. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S.15. 67 Wehrheim 2007, S.8. 68 Hahn 2007, S.15. 69 Bader 2016, S.19. 70 Baldauf 2014, S.27. 71 ebd., S.28-32.


40

während der Kriegszeit arbeitenden Frauen wieder die Rolle der Hausfrau zu. Um ihnen eine scheinbare Freiheit und Abwechslung in ihrem suburbanen alltäglichen Leben zu verschaffen, spiegelten die Malls ihnen Urbanität vor.72 Sie wurden zu dem gesellschaftlichen Mittelpunkt der Vororte und boten eine sichere und saubere Umgebung. Da in den suburbanen Gebieten vorrangig die gehobene Mittelschicht, bestehend aus weißen Bürgern, wohnte, bildete sie auch die homogene Kundschaft der Malls.73 Was ursprünglich von Victor Gruen als Idee einer gesamten „Stadt unter einem Dach“ gedacht war, entwickelte sich zu Räumen des reinen Profits. Das Konzept der Mall wurde von großen Investoren vereinheitlicht, kopiert und ohne kritische Reflexion an beliebigen Orten verwirklicht. Victor Gruen versuchte sich später von dieser „Vaterschaft“ zu distanzieren. Die Gleichheit und die rein kommerzielle Auslegung entsprachen nicht seiner ursprünglichen Idee eines Zentrums, das Leben in die Vororte bringen und somit ihre gesellschaftliche Qualität verbessern sollte. Zudem erkannte er, dass die Malls durch ihr Angebot an Läden und Unterhaltung immer mehr zu Konkurrenz der Innenstädte wurden.74

MARKT

STADT

ÖFFENTLICHKEIT? Abb.23 Southdale Center

Verhältnis Markt – Stadt – Öffentlichkeit Mit der Entstehung der Mall änderte sich das Verhältnis zwischen Markt, Stadt und Öffentlichkeit stark: Die Grundidee der Mall war, Einzelläden mit Kultur- und Bildungseinrichtungen unter einem Dach zu vereinen.75 Somit sollte nun eine ganze Stadt innerhalb des Marktes entstehen. Mit ihrem Angebot an Raum und Einrichtungen schien die Mall auch eine Öffentlichkeit anzubieten. Damit wurde sie zu einer Parallel-Stadt, die sich in vielen Orten zur Konkurrenz der eigentlichen Städte entwickelte. Hervorzuheben dabei ist, dass die scheinbar öffentlichen Räume der Mall in der Realität nur für ausgewählte Gruppen zugänglich waren. 72

Baldauf 2014, S.25-26. ebd., S.27. 74 ebd., S. 31. 75 ebd., S.23. 73


2. Architekturen des Konsums

41

Eine starke Überwachung, die immer der neuesten Technologie folgte, war und ist die Grundlage für eine Selektion der Besucher*innen. Die Marginalisierung beruft sich auf eine rechtliche Grundlage. Da der scheinbare öffentliche Raum im privaten Besitz liegt, gilt ein von dem Eigentümer festgelegtes Hausrecht: Dies erlaubt beispielsweise, obdachlose Personen aus den Räumen zu verweisen. Einer Öffentlichkeit widerspricht außerdem, dass in der Mall keine politischen oder gemeinnützigen Veranstaltungen stattfinden. Zusammenfassend ist also zu sagen, dass der Markt mit der Mall seine Beziehung zur Stadt und Öffentlichkeit verloren hat und diese durch eigene idealisierte Varianten ersetzt wurden.

Abb.24 Vogelperspektive Northland Center, Victor Gruen, USA, Michigan 1954



3

UND HEUTE?

ZUSAMMENFASSUNG ENTWICKLUNGEN AKTUELLES KONSUMVERHALTEN DIE KRISE DER WARENHÄUSER


MARKT

PASSAGE

WARENHAUS

SHOPPING MALL

E-COMMERCE

handel INTERAKTION

bedienung selbstbedienung selbstbedienung + digitale systeme

ÜBERWACHUNG

MARKT

verkäufer übernehmen überwachung

IDENTITÄT + KONTEXT

MARKT

hauptplatz + oft identität der stadt

ÖFFENTLICHKEIT

MARKT

gesellschaftlicher treffpunkt

PASSAGE

staat gibt regeln + normen

PASSAGE

teil der stadtstruktur

PASSAGE

flanieren im halböffentlichen

WARENHAUS

überwachung der kunden + angestellten

WARENHAUS

keine begegnung im physischen raum

SHOPPING MALL

E-COMMERCE

security firmen + technische überwachung

SHOPPING MALL

komplette kontrolle

E-COMMERCE

1. generation individuelle repräsentation 4. generation funktionalität

WARENHAUS

vereinheitlichung auf „grüner wiese“

SHOPPING MALL

physische identität + kontext nicht vorhanden

E-COMMERCE

privateigentümer privatisierung von öffentlichen raum

kein (physischer) öffentlicher raum


3. UND HEUTE ?

ZUSAMMENFASSUNG ENTWICKLUNGEN Abb.25 Diagramm Interaktion

Abb.26 Diagramm Überwachung

Abb.27 Diagramm Identität + Kontext

Abb.28 Diagramm Öffentlichkeit

Die Geschichte zeigt, dass die Architekturen des Konsums stets in enger Verbindung mit ihrem gesellschaftlichen Kontext standen. Somit mussten sie sich ständig an die wechselnden Bedürfnisse der Konsumierenden anpassen, andernfalls wurden sie durch neuere Konzepte ersetzt. Die wichtigsten Prinzipien und Trends in der Entwicklung sollen im Folgenden zusammengefasst werden. Der Überblick setzt einen Fokus auf die geschlossenen Typen, das heißt Passage, Warenhaus und Shopping Mall. Zur Vollständigkeit und Veranschaulichung des starken Wandels wurde auch das Konzept des offenen Marktplatzes und der Online-Handel in kurzer Form miteinbezogen. Damit reicht die Zeitspanne vom „Nullpunkt des Shoppens“ 76 bis in die Gegenwart. Insgesamt unterscheiden sich die einzelnen Stufen der Entwicklung der Architekturen des Konsums stark voneinander, eine Gemeinsamkeit ist jedoch hervorzuheben: Bei den verschiedenen Typen stand immer der Fußgänger im Vordergrund und damit eine Entschleunigung: Die Passage als Rückzugsort vor dem Treiben der großen Straßen, das Warenhaus zum Flanieren, die Shopping Mall mit ihren Höfen und Korridoren zum Verweilen. Die Auslegung der Innenräume auf Fußgänger liegt in dem Grundgedanken des Shoppens. Das ziellose Umherschlendern und der nichtgeplante Erwerb von Waren sind nur so möglich. Im Kontrast zu dem gemächlichen Schlendern innerhalb der Räume stand allerdings die Anreiseart der Besucher*innen. Die Entwicklung ging immer mehr hin zum Individualverkehr. Die Shopping Malls auf der grünen Wiese an Highways, nur mit dem Auto erreichbar, sind hierfür ein extremes Beispiel. Mit dem Umzug der Malls in die Stadt gewinnt nun allerdings auch der öffentliche Personennahverkehr 76

Kai-Uwe Hellmann setzt den Nullpunkt des Shoppens gleich mit der Entstehung des ersten offenen Marktplatzes. Vgl. Hellmann 2005, S. 25.


46

mehr an Bedeutung. Abgesehen von dem Aspekt der Entschleunigung innerhalb der Konsumorte, wandelten sich die anderen Konzepte des Shoppens grundlegend. Vor allem in Bezug auf Qualität und Quantität der Waren, fand eine große Veränderung statt. Der wohl radikalste Umbruch im Konsumverhalten wurde durch die Industrialisierung hervorgerufen. Damit war ein Übergang von individualisiertem Einzelhandel zu Massenproduktion verbunden. Ein schneller Warenumlauf war nun das oberste Ziel zur Erzeugung von möglichst großem Profit. Für die Organisation dieser neuen Strategie entstand in den Warenhäusern eine gesamte Verwaltungsstruktur, die immer weiter ökonomisiert wurde. Außerdem wurden neuartige Werbestrategien entwickelt, um den Konsum anzuregen. Damit ging die Entwicklung -unter dem Motto neu kaufen statt reparierenimmer mehr hin zu einer Wegwerfgesellschaft. Zusammen mit dem raschen Anstieg des Konsums, änderten sich auch die Ansprüche der Konsumierenden bezüglich der Aktion des Shoppens selbst: Das Erlebnis rückte zunehmend weiter in den Fokus. Um dies zu erfüllen, wurden die Räume immer aufwändiger gestaltet. Zudem wurden sie im Laufe der Zeit von ihrer Umgebung räumlich und klimatisch abgetrennt, um somit eine eigenständige Traumwelt zu erschaffen. Die Kundschaft sollte sich frei durch diese künstlich erschaffenen Räume bewegen und so zu Spontankäufen angeregt werden. Zur weiteren Steigerung der Käufe entstand außerdem das Prinzip der Selbstbedienung. Dieses wurde auch aus wirtschaftlichen Gründen zur Personaleinsparung eingeführt. Es stellt einen Umbruch in der persönlichen Interaktion zwischen Verkäufer*innen und Kundschaft dar, die im Laufe der Geschichte generell immer mehr abnahm:


3. Und heute?

47

In den Anfängen wurde auf dem Markt noch persönlich miteinander gehandelt und auch in der Passage trat der Besucher in direkten Kontakt zu den Verkaufenden durch eine Beratung in Fachgeschäften. Im Warenhaus konnte dann die Kundschaft die Waren selbst nehmen und ausprobieren, ohne den Zwang sich bedienen zu lassen. Damit begann, dass anstelle von Personal die Verpackungen der Ware das Informieren der Kundschaft übernahmen.77 Allerdings hatten die Verkäufer*innen immer noch eine beratende Funktion. In der Shopping Mall wurde dann die Interaktion weiter reduziert durch den vollständigen Verzicht auf Mitarbeitende zur Beratungs- und Orientierungshilfe. Stattdessen übernahmen Digitalisierungskonzepte diese Funktionen. Die (zurzeit) letzte Stufe der Entwicklung ist der E-Commerce, in dem persönlicher Austausch im physischen Raum komplett wegfällt (vgl. Abb.25). Mit dem Konzept des zunehmenden „Alleinelassens“ der Kundschaft ging allerdings das Vertrauen zurück: Die Selbstbedienung und Werbemittel verursachten eine Verführung, die sich in einer steigenden Anzahl an Diebstählen äußerte.78 Aus diesem Grund wurden die Mitarbeitenden des Warenhauses aufgefordert, sich gegenseitig und die Kundschaft zu überwachen. Heutzutage wird die Kontrolle der Shopping Malls professionalisiert durch den Einsatz neuer Technologien, wie zum Beispiel Überwachungskameras. Zudem wird eigenes Personal für die „Sicherheit“ eingestellt (vgl. Abb.26). Über den baulichen Raum der Architekturen des Konsums lässt sich feststellen, dass er immer mehr seine Identität und den Kontext zur Stadt verlor. Angefangen bei der Passage, die ihre Charakteristik durch ihren starken Bezug zur Stadtstruktur erlangte, entwickelte sich der Raum dann von der ersten Generation der repräsentativen Warenhäuser, immer mehr zu vereinheitlichten Boxen.

77 78

Hellmann 2005, S. 26. Strohmeyer 1980, S.166.


48

Auf diese Weise gaben die Bauten zunehmend ihre individuelle Identität auf. So entwickelte sich die bauliche Struktur mit der Passage als einem Teil der Stadt, über das Warenhaus zu einer eigenständigen Struktur in der Stadt bis zur Shopping Mall, die eine eigene Stadt anbietet und sich durch ihren riesigen Maßstab schwer in die eigentliche Stadt eingliedern lässt. Zusammen mit dem Maßstabsverlust wurde der Bezug zur Umgebung verringert, indem die Typen immer mehr zu geschlossenen Orten wurden (vgl. Abb.27). In diesem Zusammenhang privatisierte sich der Raum auch immer weiter: Angefangen von dem offenen, öffentlichen Markt zu dem halböffentlichen Raum der überdachten Passage. Dann folgte das räumlich abgetrennte, private Warenhaus, als letzter Schritt die Mall, die sich räumlich und klimatisch komplett von der Umgebung trennte und auch öffentlichen Raum privatisierte (vgl. Abb.28). Die Besitzverhältnisse wandelten sich also von öffentlicher Hand zu einer Vielzahl an Einzelbesitzern, dann zu meist einem einzigen privaten Investor. Der Trend hatte zur Folge, dass die Konsumorte immer mehr auf reinen Profit ausgelegt wurden. Ihre Räume wurden meist für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe ausgelegt, die am meisten Gewinn versprach. Diesem Prinzip folgend wurde öffentlicher Raum nur für Konsumierende angeboten. Dadurch ist die gesamte Geschichte der Architekturen des Konsums begleitet von Marginalisierungsprozessen aufgrund von Geschlecht, Herkunft oder Einkommen.


3. UND HEUTE ?

AKTUELLES KONSUMVERHALTEN Der folgende Teil soll einen Einblick in das derzeitige Konsumverhalten geben. Dabei werden die einzelnen Trends aufgelistet und nicht in der Tiefe behandelt. Insgesamt konsumiert unsere Gesellschaft immer mehr. Die Covid-19 Pandemie verursachte zwar einen kurzfristigen starken Einbruch im Einzelhandel, dafür nahm der online Handel stark zu und es ist auch weiterhin mit einem Anstieg zu rechnen. So verdoppelte sich beispielsweise der Konsum an Kleidung vom Jahr 2000 bis heute. Modelabels setzen auf Fast Fashion und bringen bis zu 27 verschiedene Kollektionen im Jahr heraus.79 Das Prinzip des möglichst schnellen Warenumlaufs in den Warenhäusern gilt somit immer noch. Ein Wandel ist nicht in Sicht, obwohl seit den 1970er Jahren bekannt ist, dass das Wirtschaftswachstum, der steigende Konsum und der damit hohe Verbrauch von Ressourcen Grenzen hat.80 Die Organisation Global Footprint Network berechnet in diesem Zusammenhang jedes Jahr den Earth Overshoot Day-den Welterschöpfungstag. Dieser gibt an, bis zu welchem Datum die Menschheit mehr Ressourcen verbraucht hat, als sich im gleichen Jahr wieder regenerieren können. 2020 lag der Tag am 22.August.81 79

Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland. Eine Welt ohne Kleidung [Videofile] In: https://www.ardmediathek.de/ard/video/eine-welt-ohne/eineweltohnekleidung/daserste/ letzter Abruf: 18.11.2020. 80 1972 wurde der Bericht des Club of Rome, der sich aus einem internationalen Forscherteam aus unterschiedlichen Fachgebieten zusammensetzt, veröffentlicht. Damit wurde die erste ausführliche Erforschung publiziert, die das Ausmaß der Probleme eines unbegrenzten Wachstums voraussagt. Vgl.: Meadows, Dennis L.(1972). Die Grenzen des Wachstums: Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart: Dt. Verl.-Anst. Das aktuellere Modell des Resilience Center der Stockholmer Universität gibt ebenfalls einen Überblick über die Grenzen des Planeten: Rockström, Johan (2015). Planetary boundaries [Webpage] In: https://stockholmuniversity.app.box.com/s/ avnyhh4xzshxb19j82hn5mf3hxyuvqj0 letzter Abruf: 11.01.2021. 81 Global Footprint Network. About Earth Overshoot Day [Webpage] In: https://www.overshootday.org/about-earth-overshoot-day/ letzter Abruf: 11.01.2021.


50

Damit stoßen wir an die Grenzen des Planeten; Folgen davon sind zahlreiche, zum Teil irreversible, ökologische Probleme wie Umweltzerstörung und Ressourcenknappheit. Hinzu kommt, dass der billige Konsum im Überfluss nur durch das Out-Sourcing der Produktion in Billiglohnländer funktionieren kann. Dies hat neben den ökologischen Problemen, wie den langen Transportwegen auch soziale Folgen, wie die Ausbeutung von Arbeiter*innen.82 Allmählich rücken diese Dilemmas mehr in das Bewusstsein der Konsumierenden und führen langsam zu einem Wertewandel. Beispielsweise ist die Nachfrage an ökologisch produzierter Ware in diesem Zusammenhang angestiegen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass große Firmen den Trend als Werbeträger ausnutzen, um zu weiterem Konsum anzuregen; Nach dem Motto je mehr gekauft wird, desto mehr Gutes wird getan.83 Zudem wird sogenanntes green washing betrieben, um nur scheinbar nachhaltig produzierte Ware teurer zu verkaufen.84 Tatsächliche Veränderungen können hingegen durch Ansätze wie eine shared economy erreicht werden. Besonders im städtischen Raum gibt es immer mehr Möglichkeiten, einzelne Dinge nicht zu besitzen, sondern nur auszuleihen und damit Ressourcen einzusparen. Bisher ist dies jedoch lediglich auf einzelne Bereiche beschränkt und findet keine breite Anwendung. Der Mobilitätssektor mit Leihfahrrädern, Elektrorollern oder car-sharing ist ein Beispiel dafür. Neben dem langsam steigenden ökologischen Bewusstsein individualisieren sich Teile der Gesellschaft immer mehr: In ist out. Immer mehr Leuten ist es wichtig, anstatt mit der Masse mitzugehen, sich von anderen abzusetzen. 82 Urban

Catalyst; synergo mobilität: Handel im Wandel, Szenarien und die Auswirkungen auf den Detailhandel der Stadt Zürich, Zürich/Berlin 2017, S.9. 83 Cha, Tae-Wook (2001). Ecologically Correct In: Chung, Chuihua Judy; Cha, Tae-Wook; Inaba, Jeffrey; Koolhaas, Rem (2001). Harvard Design School guide to shopping, Köln, S.305. 84 RESET gemeinnützige Stiftungs-GmbH (2018) Greenwashing – Die dunkle Seite der CSR [Electronic article] In: https://reset.org/knowledge/ greenwashing-–-die-dunkle-seite-der-csr letzter Abruf: 11.01.2021.


3. Und heute?

51

Somit ist der Wunsch nach Selbstdarstellung von Bedeutung, der durch Konsum mittels Geldes erfüllt werden kann.85 Das vor allem durch das Warenhaus erzeugte Geschlechterbild von der Frau als Mrs. Shopper hält sich beharrlich. Zwar werden zunehmend auch Männer zur Zielgruppe von Werbung und Marketingstrategien, aber immer noch wird Weiblichkeit vorrangig mit der Tätigkeit des Shoppens verbunden. Einer Studie der Stiftung für Zukunftsfragen zufolge, richtet sich das Angebot zu 53% an Frauen, lediglich zu 1% an Männer und zu 46% an beide Geschlechter.86 Eine große Veränderung hingegen erfolgte in der Art und Weise des Shoppens im Zuge des raschen Anstiegs des Onlinehandels. Mit diesem Konzept wird Zugang zu Konsum angeboten, der unabhängig von Zeit und Raum ist. Das Bestellen von Waren kann so bequem von zuhause erfolgen ohne jeglichen Aufwand. Dadurch entsteht eine Konkurrenz für den Einzelhandel, die diesen zwingt neue Konzepte zu finden. Um weiterhin rentabel zu bleiben muss er sich von dem Onlinehandel deutlich abgrenzen und seine Vorteile des realen Shoppens hervorheben. Besonders im Fokus ist dabei das Erleben mit allen Sinnen, das online nicht möglich ist. Auch Konsumierende geben als Gründe für das Kaufen im physischen Raum an sie möchten die Ware ausprobieren, anfassen und dann auch direkt mit nach Hause nehmen.87 Damit erfüllen die Kaufhäuser heutzutage oft mehr die Funktion eines Show rooms. Um das Bedürfnis der Kundschaft nach immer Neuem zu befriedigen, sind außerdem temporäre Konzepte, wie Pop-up Stores entstanden. Diese versprechen durch ihren begrenzten Zeitraum eine Exklusivität.88 Zusammen mit dem Erleben der Ware fehlt der Kundschaft beim E-Commerce auch der direkte persönliche Kontakt zu Mitmenschen.89 85

Reinhardt 2019, S.41.

86 ebd., S.31.

87 ebd., S.63. 88 Urban

Catalyst; synergo mobilität 2017, S.19. 2019, S.66.

89 Reinhardt


52

Außerdem wurde die Möglichkeit einer Beratung als Grund angegeben, Läden weiterhin zu besuchen. Zusammenfassend ist also zu sagen, dass das Erlebnis bei dem Shoppen vor Ort im Vordergrund steht. Geht es nur um den reinen Erwerb bestimmter Ware, wird dies online erledigt. Unsere Gesellschaft entwickelt sich insgesamt immer mehr zu einer von hybriden Verbraucher und Freizeitgesellschaft. Verschiedene Expert*innen, wie das Büro Urban Catalyst, haben daher analysiert, dass der stationäre Einzelhandel nur eine Zukunft hat, wenn er auf Erlebnis ausgerichtet ist und das Einkaufen mit anderen Angeboten verbindet.90 Dies verdeutlicht zusammen mit den zahlreichen Problemen unseres aktuellen Konsumverhaltens die Notwendigkeit der Entwicklung neuer Konzepte.

90

Rada, Uwe: Aufwertung oder Gentrifizierung. Das Dilemma vom Hermannplatz. In: Redecke Sebastian; Spix, Sebastian; Brinkmann, Ulrich (Hg.), Bauwelt 22.2020, 111.Jahrgang, 30.10.2020, S.24.


3. UND HEUTE ?

KRISE DER WARENHÄUSER Inzwischen gibt es nicht mehr nur reine Typen der Konsumarchitektur. Vielmehr vermischt sich ein Teil unseres alltäglichen Lebens mit dem Shoppen. So gibt es zahlreiche Malls mit halböffentlichen Funktionen, aber auch umgekehrt öffentliche Einrichtungen, die das Shoppen integrieren. Der Übergang zwischen privatem und öffentlichem Raum wird immer fließender: Bekannte Beispiele sind Bahnhöfe oder Flughäfen, die anbieten, die Wartezeit mit Shoppen zu überbrücken. Aber auch kulturelle Einrichtungen wie Galerien integrieren meist kleine Läden.91 Durch die weite Verbreitung der Shoppinghybride und den immer neuen Bau von Malls ist der Markt nun weitgehend gesättigt. Hinzu kommt die Konkurrenz durch den Versandhandel, der bereits in den 60er Jahren entstand und sich ab den 90er Jahren in Form des E-Commerces rasch verbreitete.92 Damit kommen die Architekturen des Konsums immer mehr in eine Krise. In den USA, dem Entstehungsland, setzte bereits der Leerstand zahlreicher riesiger Shopping Malls ein, die nun häufig mitten in der Landschaft zerfallen.93 In Deutschland hingegen schaffen es größere Shopping-Center oft noch, ihre Kundschaft zu halten. Ihre Strategien sind hybride Nutzungen, vor allem die Integration von Gastronomie und neue Digitalisierungskonzepte. Damit können sie der fortschreitenden gesellschaftlichen Entwicklung hin zu einer Ausrichtung auf eine Freizeitgesellschaft gerecht werden.94 Im Gegensatz dazu haben es die Warenhäuser meist nicht geschafft, sich dem Wandel des Konsumverhaltens anzupassen und werden somit immer unrentabler.

91

Leong, Sze Tsung 2001, S.137-154. 2005, S.27. 93 Verfolgen lässt sich dieses Phänomen beispielsweise auf der Website deadmalls.com. 94 Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie 2018, S.6. 92 Hellmann


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Mit ihrer Schließung hinterlassen sie mitten in innerstädtischen Bereichen Lücken. Verfolgen lassen sich die Schwierigkeiten an den ehemals vier großen Ketten der Kaufhäuser Hertie/Horten/Karstadt/Kaufhof. Inzwischen gibt es nur noch das fusionierte Unternehmen Galeria Kaufhof Karstadt. Zudem reduzierte sich die Zahl der Filialen von 1930 bis heute von 375 auf 195.95 Durch die Covid-19 Pandemie wurde der Abwärtstrend noch beschleunigt. Galeria Kaufhof Karstadt gab die Schließung von 47 weiteren Filialen bekannt.96 Auch nach diesen Maßnahmen ist der Warenhausbestand in Deutschland noch immer hoch und wird aber zukünftig weiter abnehmen. Die Problematik betrifft die Warenhäuser der verschiedenen Generationen unterschiedlich stark: Die Gebäude der ersten Generation besitzen oft durch ihren repräsentativen Charakter immer noch eine Attraktion und sind rentabel. Schwierigkeiten bringen dagegen vor allem die Warenhäuser der vierten Generation: Sie besitzen eine große Baumasse in innerstädtischen Gebieten. Jedoch weckt ihre Ästhetik der „geschlossenen Box“ meist negative Assoziationen bei den Bürger*innen.97 Als Folge können sie nicht mehr rentabel bewirtschaftet werden. Sie besaßen aber dennoch meist einen Anziehungswert für ihr Quartier. Schließung und Leerstand können daher oft zum Problem für benachbarte Läden werden und zu einer Abwärtsspirale der gesamten Umgebung führen. Nach der Aufgabe einer Filiale entscheiden sich die Eigentümer*innen meist aus wirtschaftlichen Überlegungen für einen Abriss des Gebäudes und Neubau. Aus ökologischen Gründen, sowie zum Erhalt der Vielfalt der Warenhäuser, sollte jedoch zukünftig über eine Nachnutzung vermehrt nachgedacht 95

Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie 2018, S.33. 96 Müller, Rainer (23.08.2020). “Umnutzung Von Kaufhäusern: Schaut auf Gelsenkirchen, Herne, Oldenburg.” In: https://www.zeit.de/kultur/ 202008/umnutzung-kaufhaeuser-zukunft-ar¬chitektur-vorbild-kleine-staedte/ komplettansicht letzter Abruf: 30.08.2020. 97 Ilmberger 2016, S.77-79.


3. Und heute?

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werden.98 Die Schließung der Warenhäuser ist somit eine akute Herausforderung. Sie stellt uns vor die Frage, wie wir mit Bauten, die rein monofunktional zum Zwecke des Konsums geplant wurden, umgehen.

98

Ilmberger 2016, S.78-80.



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ABSTRAKTE UTOPIE WIE GEHT ES WEITER?

„Ich glaube, das Utopia der Werte war schon immer die Essenz aller Kulturen. In anderen Worten, zuerst wird ein Zukunftsbild entworfen, und dann setzen wir uns daran, es zu verwirklichen.“

- Ende, Michael et al. (1982).Phantasie, Kultur, Politik. Protokoll eines Gesprächs. Stuttgart: Weitbrecht Verlag, S.35


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4. ABSTRAKTE UTOPIE. WIE GEHT ES WEITER ?

HOMO OECONOMICUS Die Geschichte und unsere aktuelle Situation zeigen, dass unser Konsumverhalten und damit die Strukturen des Handels untrennbar mit unserem Sozialleben verknüpft sind und direkte Auswirkungen auf die Umwelt haben. Lösungswege für soziale und ökologische Probleme fordern daher auch ein Umdenken auf ökonomischer und politischer Ebene. Die Architekturen des Konsums können in diesem Kontext als gebautes Symbol wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturen verstanden werden. Der Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Kaufhauses der Zukunft ist daher eng verbunden mit der Frage, in welcher (Konsum-) Gesellschaft wir generell leben wollen. Wir befinden uns derzeitig in einem System, in dem Ansehen und Wertschätzung oft vom finanziellen Status abhängen und durch materiellen Wohlstand ausgedrückt werden. Die Wirtschaftstheorie hat für diese Struktur in ihrer gesteigerten Form das Modell des Menschen als homo oeconomicus entworfen: ein Mensch, der rein rational nach Aspekten des größtmöglichen ökonomischen Profits denkt und handelt.99 Das Wertesystem der Gesellschaft ist damit abhängig von dem wirtschaftlichen Marktsystem. Dieses wiederum hat als oberstes Ziel ein stetiges Wachstum. Damit kann es nur funktionieren, wenn auch der Konsum dauerhaft ansteigt. Wer einkauft oder was konsumiert wird, ist dabei gleichgültig. Die Ware wird nur anhand ihres Geldwertes und nicht anhand anderer Kriterien, wie ihrer Nützlichkeit, bewertet. Ob sie also beispielsweise gleich wieder weggeworfen wird, ist nicht von Bedeutung, solange nur bezahlt wird.100 99 Bundeszentrale für politische Bildung. homo oeconomicus In: https:// www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/19635/homooeconomicus letzter Abruf: 05.01.2021. 100 Konzeptwerk Neue Ökonomie & DFG-Kolleg Postwachstumsgesellschaft (2017). Degrowth in Bewegung(en). 32 alternative Wege zur sozial-ökologischen Transformation, München: oekom Verlag, S.64.


4. Abstrakte Utopie

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Die Aufrechterhaltung des so strukturierten Wirtschaftsund Wertesystems wird auch politisch gefördert; Wachstum bedeutet materiellen Wohlstand und materieller Wohlstand bedeutet Anerkennung. Dieser vereinfacht dargestellte Zusammenhang führt zu einem sozialen und ökologischen Dilemma: Ein vermehrter, nicht nachhaltig gedachter Konsum hat einen immer größer werdenden Verbrauch von Ressourcen zur Folge. Der Planet stößt jetzt schon an seine Grenzen -Ressourcenknappheit und irreversible Umweltzerstörungen, wie die Grundwasserverschmutzung Dies führt in Billiglohnländern resultieren daraus.101 wiederum zu sozialen Spannungen in den betroffenen Gebieten. Aber auch in Regionen, in denen die Folgen der „Wegwerf-Gesellschaft“ nicht direkt sichtbar werden, fördert das Konsumverhalten eine gesellschaftliche Spaltung. So äußert sich der wichtige Stellenwert der materiellen Güter beispielsweise in Marginalisierungsprozessen: Menschen ohne finanziellen und materiellen Status haben oft weniger Teilhabe an dem darauf aufgebauten sozialen Leben. Dies bestätigt eine Umfrage, der zur Folge die Angst vor einer Spaltung unserer Gesellschaft größer wird.102 Es ist mit Zahlen belegt, dass reiche Menschen ihren Reichtum immer weiter ausbauen, während Eine Ärmere über immer weniger Mittel verfügen.103 Steuerumverteilung alleine, wie sie heute existiert, reicht oft nicht aus, um die weitreichenden sozialen Probleme zu lösen. Immer wieder wurden daher bereits im Laufe der Geschichte verschiedene Konzepte entwickelt wie Teilhabe am sozialen Leben für alle umgesetzt werden kann. Ein Ansatz ist dabei, die Abhängigkeit vom finanziellen Einkommen aufzulösen durch beispielsweise ein bedingungsloses Grundeinkommen. 101 Vgl. Meadows 1972 und Opitz, Florian (2018). System Error-Wie endet der Kapitalismus? [Dokumentation] Berlin. 102 Reinhardt 2019, S.18. 103 Reinhardt 2019, S.17: „Aktuell besitzen zehn Prozent der Bundesbürger etwa zwei Drittel des gesamten Nettovermögens in Deutschland (1998: 45 %), die unteren 50 Prozent verfügen dagegen lediglich über 2,5 Prozent davon.“


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Lösungswege dieser Art tauchen wieder vermehrt in aktuellen Diskussionen auf.104 Sicherlich sind sie kritisch zu reflektieren und ihre Folgeproblematiken zu berücksichtigen. Jedoch bietet der Ansatz generell, dass das Wertesystem einer egalitären Gesellschaft nicht rein auf Finanzrendite aufgebaut sein sollte, einen guten Anknüpfungspunkt. Neue Werte müssen formuliert werden, da durch Geld als Kriterium gesellschaftliche Unterschiede erst deutlich messbar und sichtbar werden. Auf diese Weise werden Hierachien und Marginalisierungsprozesse verstärkt. Statt den Fokus auf eine individuelle Bereicherung zu legen, sollte daher ein größerer gemeinnütziger Kontext betrachtet werden.Denn welchen Sinn ergibt das Wirtschaften, wenn wir dabei unsere Lebensgrundlage zerstören? Der Ansatz fordert jedoch nicht, das Ich zugunsten des Wir aufzugeben, sondern diese im Zusammenhang zueinander zu sehen. Der Begriff Ich-in-Bezogenheit 105 kann dabei helfen. Zusammenfassend sollten also Alternativen zu einem Wertesystem gefunden werden, das auf den Profit des Einzelnen ausgelegt ist, zugunsten des Nutzens für die Allgemeinheit. Verlassen wir das Zeitalter des homo oeconomicus.

104 Reinhardt

2019, S.18 | Einen Einblick in die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens gibt außerdem das Buch: Bregman, Rutger (2020). Utopien für Realisten, Reinbek bei Hamburg: rororo. 105 Helfrich, Silke; Bollier, David (2020). Von Commons & Sein. In: Helfrich, Silke; Bollier, David (Hg.). Frei, fair und lebendig - Die Macht der Commons (33-52). In: https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5574-2/freifair-und-lebendig-die-macht-der-commons/ letzter Abruf: 10.01.2021 Bielefeld: transcript Verlag.


4. ABSTRAKTE UTOPIE. WIE GEHT ES WEITER ?

EIN NEUER WEG Ein nachhaltiger Handel Geld hat im Gegensatz zu der kritisch anzusehenden Funktion als Wertsystem, auch noch den positiven Zweck eines Kommunikationsmediums. Durch den unkomplizierten Austausch, der so ermöglicht wird, können Individuen leicht miteinander in Kontakt treten. Das heißt, auf diese Art wird eine Funktionslogik, beziehungsweise ein Rahmen erschaffen, in dem Begegnungen unkompliziert stattfinden können.106 Um diesen Nutzen zu erhalten, reicht es daher nicht aus, einfach komplett auf Konsum zu verzichten und Geld abzuschaffen. Stattdessen müssen Alternativen gefunden werden, die einerseits den Austausch zwischen Menschen erleichtern, andererseits niemanden davon ausschließen und ökologische Aspekte berücksichtigen. Eine komplette Ausrichtung unseres Marktsystems auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit braucht jedoch Zeit zur Entwicklung und muss erprobt werden. Es gibt bereits zahlreiche theoretische und praktische Ansätze, wie Alternativen aussehen können, die eine solidarische Wirtschaft ermöglichen. Die einzelnen Wege unterscheiden sich dabei sehr stark voneinander. Widergespiegelt wird dies in der Vielzahl an Begriffen, die zur Beschreibung verwendet werden, wie alternative Ökonomie, soziale Ökonomie oder Community Economy.107 Insbesondere die Frage, in welchem Bezug die Ansätze zu bestehenden Strukturen stehen, grenzt sie voneinander ab. Dabei stehen sich vor allem zwei Richtungen gegenüber. Entweder wollen die Projekte Teil des Vorhandenen sein und dieses lediglich ergänzen oder sie versuchen komplett unabhängige Strukturen zu bilden, die das Ziel haben, den Kapitalismus zu überwinden.108

106

Saake, Irmhild: Inklusion und die Stadt. In: Benze, Andrea; Rummel, ; Giegold, Sven (2008). Solidarische Ökonomie im globalisierten Kapitalismus. Hamburg: VSA-Verlag, S.12. 108 Embshoff 2008, S.13. 107 Embshoff, Dagmar


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Auch in Bezug auf Größe, Reichweite, Grad an praktischer Realisierbarkeit und Organisationsstruktur gehen die Wege auseinander. Zwei Richtungen, die wiederum als übergeordnete Gruppen für eine Vielzahl von Einzelprojekten verstanden werden können, sollen an dieser Stelle erwähnt werden: Do-it-yourself-Projekte und die Gemeinwohl-Ökonomie. Erstere zeichnen sich durch ihre räumlich und zeitlich nahe Umsetzung, meist durch die Nutzenden selbst, aus. Sie sind oft informell, auf lokaler Ebene, im Kleinmaßstäblichen organisiert und leben von ehrenamtlichem Engagement. Durch ihre Unabhängigkeit von großen Unternehmen bilden sie eigenständige Parallelstrukturen zum Wirtschaftssystem. Auf diese Weise können sie ganz frei, experimentelle idealistische Wege ausprobieren. Beispiele für die Umsetzung sind fair-teiler, urban gardening oder repair Cafés.109 Im Gegensatz zu den meist privat organisierten do-it-yourself Projekten ist die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) institutionalisiert. Sie ist in das existierende System integriert und hat auch Einfluss auf große Unternehmen. Damit besitzt sie eine Reichweite, die über eine lokale Ebene hinausgeht, was eine komplexere, offizielle Organisationsstruktur fordert. Inzwischen ist die GWÖ weitverbreitet, 400 Betriebe, darunter Vaude Sport GmbH Co.Kg oder die Sparda-Bank, sind Mitglieder und über 2000 Weitere werden als Unterstützer aufgelistet.110 Die Bewegung will neben einem wirtschaftlichen, auch einen gesellschaftlichen und politischen Wandel, hin zu einer gemeinnützigen Ausrichtung und ökologischen Nachhaltigkeit, erreichen. Mitinitiator der Gemeinwohl-Ökonomie ist Christian Faber, der diese unter anderem durch Publikationen bekannt gemacht hat. Die Notwendigkeit der Veränderung 109 Einen Einblick in die Vielzahl der Projekte geben die Bücher: Baier, Andrea et al. (2016). Die Welt reparieren. Open Source und Selbermachen als postkapitalistische Praxis, Bielefeld: transcript Verlag Baier, Andrea et al. (2013). Stadt der Communisten. Neue Räume des do it yourself, Bielefeld: transcript Verlag. 110 International Federation for the Economy for the Common Good e.V.: Gemeinwohl-Unternehmen [Webpage] In: https://web.ecogood.org/de/ die-bewegung/pionier-unternehmen/ letzter Abruf: 09.01.2021.


4. Abstrakte Utopie

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wird von der Bewegung mit den Menschenrechten und dem Respekt vor den Grenzen unserer Umwelt begründet. Um einen breiten Umbruch zu erzeugen, setzt die Bewegung auf verschiedenen Ebenen an: Die Transformation im Allgemeinen wird von der Gesellschaft aus initiiert und findet Unterstützer im Bereich der Wirtschaft, Bildung und Politik. Die Akteur*innen sind Vereine, Universitäten, Unternehmen oder ganze Gemeinden.111 Ein Schwerpunkt der Arbeit der GWÖ liegt auf der Entwicklung einer neuen Bewertungsstruktur für Unternehmen. Begründet wird dies mit der Verfassung: In Artikel 14 des Deutschen Grundgesetzes heißt es: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen“ 112, sowie in der bayrischen Verfassung: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl“.113 Aus diesem Grund ist es also widersprüchlich, den Erfolg des Unternehmens lediglich an seinem Gewinn zu messen. Um Unternehmen nach Kriterien der Nachhaltigkeit zu bewerten und zu einem gemeinnützigen Handeln anzuregen, entwickelte der Arbeitskreis um Christian Faber die sogenannte Gemeinwohl-Bilanz. Diese soll wie ein Siegel verwendet werden, mit dem geworben werden kann. Ziel ist dann im nächsten Schritt eine politische Veränderung, um ein solidarisches Wirtschaften attraktiver zu machen. Beispielsweise könnten Unternehmen mit einer guten Bilanz Vorteile, wie Steuernachlässe, erhalten. Im Gegensatz zu beispielsweise Bio-Siegeln fließen nicht nur einzelne Aspekte (der biologische Anbau) in die Bilanz, sondern es wird in der Breite untersucht, was das Unternehmen zum Gemeinwohl beiträgt.114 Die wichtigsten übergeordneten Kriterien 111 International Federation for the Economy for the Common Good e.V.: Idee & Vision [Webpage] In: https://web.ecogood.org/de/idee-vision/ letzter Abruf: 09.01.2021. 112 Art. 14 Abs. 2 GG. 113 Art.151 Abs.1 BayVerf. 114 Dohmen, Caspar (08.03.2018): Gemeinwohl-Ökonomie. Wie viel Nachhaltigkeit lässt die Marktwirtschaft zu? [Electronic article] In: https://www.deutschlandfunk.de/gemeinwohl-oekonomie-wie-vielnachhaltigkeit-laesst die.724.de.html?dram:article_id=412532 letzter Abruf: 05.01.2021.


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sind dabei Solidarität, Menschenwürde, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung.115 Diese allgemeinen Leitziele werden dann in spezifischere Dimensionen übersetzt und so zur Bewertung von Lieferant*innen, Eigentümer*innen und Finanzpartner*innen, Kund*innen und Mitunternehmer*innen angewandt. Obwohl die do-it-yourself Projekte und die Gemeinwohl-Ökonomie sehr unterschiedlich erscheinen, gibt es zahlreiche Schnittpunkte, vor allem in der übergeordneten Zielsetzung: Suffizienz (das heißt ein effizienter Umgang mit Ressourcen, z.B. eine Reparaturfähigkeit), demokratische Mitentscheidung, Menschenwürde und ökologische Nachhaltigkeit sind bei beiden Ansätzen die Kernelemente. Insgesamt ist hervorzuheben, dass ein nachhaltiger Konsum nur umgesetzt werden kann, wenn er von allen Beteiligten gefördert, beziehungsweise umgesetzt wird. Das heißt Herstellende, Händler*innen, der Staat und Konsumierende müssen diesen Zielen folgen. Aus diesem Grund ergibt es Sinn, auf unterschiedlichen Ebenen zu handeln. Die verschiedenen Ansätze sollten daher möglichst miteinander verbunden werden, anstatt sie als Gegenspieler zu sehen: So könnte beispielsweise das kleinmaßstäbliche Experimentieren der do-it-yourself Projekte Unterstützer im etablierten System finden. Ein neuer Weg, der zwischen radikaler Kapitalismuskritik und vorhandenem System vermittelt, kann entstehen. Abb.29 Ein neuer Weg das Kaufhaus der Zukunft

lokal parallel struktur radikale kapitalismuskritik bottom-up

global teil des wirtschaftssystems

kaufhaus der zukunft

do-it-yourself

top-down

Gemeinwohlökonomie

115 Team Christian Felber (2020): Gemeinwohlbericht Team Christian Felber 2017-2018 [Electronic report] In: https://christian-felber.at/wpcontent/uploads/2020/11/0_GWOEBericht2017-2018_final.pdf letzter Abruf: 09.01.2021.


4. Abstrakte Utopie

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Leitideen für die Umsetzung Bei der Frage, wie dieser Weg umgesetzt werden kann, können die Leitideen der sharing economy und der Entschleunigung helfen. Beide Wege sind sowohl wichtige Bestandteile der Gemeinwohl-Ökonomie als auch der informellen do-ityourself Ansätze. Sie können auf verschiedenen Stufen angewandt werden, vertreten aber verstärkt entweder das bottom-up, oder top-down Prinzip. Daraus folgt, dass sie sich an unterschiedliche Akteur*innen richten: Bei der sharing economy ist vor allem ein verändertes Konsumverhalten, ein Umdenken der Einzelpersonen, das heißt eine Veränderung „von unten“ nötig. Die sharing economy basiert auf dem Grundgedanken, weg von exklusivem Privateigentum hin zu geteiltem Gemeinschaftsbesitz zu kommen. Dem Funktionieren des Konzeptes liegt daher die Bereitschaft des Einzelnen zum Teilen zu Grunde. Somit sollen verschiedene Individuen gemeinsam mehr Wohlstand erreichen, anstelle der Bereicherung einer Einzelperson. Auf diese Weise haben auch finanziell schwächere Personen Zugang zu Ressourcen. Zudem werden Netzwerke der Kooperation und des Austausches geschaffen. Das Konzept kann dabei in ganz unterschiedlichen Bereichen des alltäglichen Lebens umgesetzt werden. Beispiele, bei denen Ressourcen bereits geteilt werden sind: Räume (z. B. airbnb, Co-working), Mobilität (z. B. car sharing), Gebrauchsgegenstände (z.B. Werkzeug) oder Lebensmittel (z.B. food sharing). Problematisch dabei ist allerdings noch, dass die geteilten Ressourcen meist in Privatbesitz liegen und häufig nicht frei von Profitdenken sind. Die Folgen daraus zeigt das Beispiel airbnb: Die zunächst ökologisch und sozial gedachte Idee, führte in vielen Städten zu einem enormen Anstieg an ausschließlich touristisch vermieteten Wohnungen. Auf diese Weise konnten die Eigentümer mehr Gewinn erzielen, als durch eine dauerhafte Vermietung. Dadurch wurden jedoch Wohnungen dem Mietmarkt entzogen.


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Dies führte zusammen mit einer Gentrifizierung zu einer Verknappung des bezahlbaren Wohnraums in zahlreichen Vierteln. Außerdem schädigte ein Übergewicht an ständig wechselnden Mietern nachbarschaftlichen Beziehungen.116 Anhand dieses Beispiels ist die Notwendigkeit abzuleiten, dass die shared economy eine Struktur finden muss, die eine gemeinnützige Ausrichtung dauerhaft gewährleistet. Die Verantwortung für eine Entschleunigung liegt im Gegensatz zur sharing economy verstärkt bei den Unternehmen und der Politik, fordert also ein Handeln „von oben“. Die abstrakte Idee lässt sich auf ganz unterschiedliche Bereiche und Maßstabsebenen anwenden. Auf das Shoppen ausgerichtet, kann die Entschleunigung von Personen und Waren Verbesserungen bringen: Die verlangsamte Bewegung eines Menschen bedeutet die Möglichkeit zum Verweilen und somit die Grundlage für jeden Kontakt. Für Waren kann die Entschleunigung als Gegenkonzept zur fast fashion gesehen werden. Mit dem slow consum wird also der Warenumlauf verlangsamt. Somit werden weniger Ressourcen und Energie verbraucht und die Müllproduktion verringert. Um dies zu erreichen, ist ein Umdenken hin zu Erwerb der Dinge nach Bedarf und Nutzen, der Fokus auf Langlebigkeit, Kreislaufdenken und der Verzicht auf lange Transportwege erforderlich. Das Konzept findet bereits seine Anwendung, wie die Herstellung von Kleidung aus recycelten Materialien, bisher jedoch meist in kostenspieligen Nischenbereichen. Vor allem qualitativ hochwertige, reparierfähige Waren befinden sich meist in einem Preissegment, das nur für gehobene Schichten zugänglich ist. Verhältnis Markt-Stadt-Öffentlichkeit Die vorangegangenen Teile erläutern, wie eng das Shoppen und der Konsum generell mit gesellschaftlichen Strukturen und damit der Öffentlichkeit zusammenhängen. 116 Breuer, Ingeborg (16.08.2018): Übernachtungen über „Airbnb“ in der Kritik [Electronic article] In:https://www.deutschlandfunk.de/ alternative-zum-hotel-uebernachtungen-ueber-airbnb-inder.1148. de.html?dram:article_id=425736 letzter Abruf: 08.01.2021.


4. Abstrakte Utopie

MARKT STADT ÖFFENTLICHKEIT

Abb.30 Prinzip Utopie Markt-Stadt-Öffentlichkeit

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Dies bedeutet wiederum, dass eine Veränderung des Marktes hin zu einer gemeinnützigen Ausrichtung auch die Stadt beeinflussen wird. Historisch gesehen, entstanden die Architekturen des Konsums als Rückzugsorte vor der realen Stadt. Damit erschufen sie Parallelwelten zu dem öffentlichen Raum vor ihren Türen und standen oft in Konkurrenz zu diesem. Zudem führte ihre steigende Privatisierung zu einer neuen Gestaltung und Ökonomisierung des zuvor öffentlichen Raums. Die Inszenierung und Vermarktung, eine Disneyfizierung der Stadt, sind die Folgen, vor denen wir heute stehen. In diesen Räumen sind nicht mehr die politische Bürgerschaft, sondern Konsumierende und Tourist*innen im Vordergrund. Sicherheit und Sauberkeit, erreicht durch Überwachung, ersetzten eine demokratische Öffentlichkeit.117 Um die gemeinnützige Ausrichtung des Shoppens zu erreichen, muss die Parallelität ohne Berührungspunkte zwischen realer Stadt und Stadt innerhalb der Konsumorte aufgehoben werden. Stattdessen muss sich das Konzept direkt mit der Umgebung auseinandersetzen und steht im Austausch mit dieser. Statt sich den Problemen der Stadt zu verschließen, sollen durch den Markt Wege aufgezeigt werden, wie diese gelöst werden können. Auch von der Ausrichtung sollen sich die Räume nicht an der Kaufkraft, sondern den Bedürfnissen einer gemischten Bürgerschaft der Stadt orientieren. Der Markt übernimmt dadurch nicht die Rolle einer abgeschlossenen, heilen Welt, sondern ist mehr als ein Katalysator für sein Quartier zu sehen. Er gibt im Idealfall weitreichende Impulse, wie eine heterogene Öffentlichkeit gefördert und Stadt gestaltet werden kann. Andersherum passt er sich auch an bestehende Strukturen der Stadt an und greift ihre Potenziale-wie beispielsweise eine kulturelle und historische Identität-auf. Somit werden Markt, Stadt und Öffentlichkeit wieder in eine enge Wechselbeziehung zueinander gesetzt, die sich als offene Räume gegenseitig überschneiden und beinhalten. 117

Huning 2006, S.196 und S.200.



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KONKRETE UTOPIE WIE GEHT ES WEITER?

In dem folgenden Teil sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie die vorangegangenen Ideen der abstrakten Utopie sich der Realität annähern können. Dabei wird nach dem von Ernst Bloch geprägten Ansatz der konkreten Utopie vorgegangen. Dieser erfand den Begriff, um der negativen Assoziation der Utopie als etwas Unrealisierbares durch den Zusatz des Konkreten entgegenzuwirken. Außerdem kritisierte er damit Utopien, die nicht auf eine tatsächliche Umsetzung abzielten. Er verstand unter einer konkreten Utopie das prozesshafte, experimentelle Herantasten an einen zukünftigen Zustand. Als Methode, diesen Zustand zu erreichen, setzte er anstelle von Pessimismus oder naivem Optimismus, eine geprüfte Hoffnung.118 118 Kuhlmann, Michael

(06.08.2018). Ernst Bloch. Geist der Utopie [Electronic article] In: https://www.deutschlandfunk. de/ernst-bloch-geist-der-utopie.1310.de.html?dram:article_ id=424305 letzter Abruf: 07.03.2021


4. WIE GEHT ES WEITER ?

DAS KAUFHAUS DER ZUKUNFT Kaufhaus als Ware Das allgemein formulierte Konzept, wie der Konsum und damit das Verhältnis zwischen Markt, Stadt und Öffentlichkeit zukünftig aussehen könnten, werden im Folgenden anhand des Kaufhauses spezifischer erläutert. Die Überlegungen zum Kaufhaus nach dem Konsum befinden sich an der Schnittstelle zwischen abstrakter und konkreter Utopie. Der Typus des Kaufhauses wurde aus verschiedenen Gründen für die ausführlichere Auseinandersetzung gewählt; Er kann als Symbol und Ursprung des Massenkonsums gesehen werden. Seine Geschichte ist damit eng verbunden mit der Entwicklung der großen Beschleunigung. Das Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre, der immer größer werdende Wohlstand und der steigende Konsum waren die Blütezeit des Kaufhauses. Der ökonomische Aufschwung führte auch zu dem Übergang zum Individualverkehr und damit zur autogerechten Stadt. Diese Entwicklung ist wiederum in der Veränderung des Typus Kaufhaus auf die Auslegung auf das Auto widergespiegelt. Mit dem Lebensstil der Beschleunigung und dem ständigen Wunsch nach Neuem sind zahlreiche Probleme entstanden, die im vorangegangenen Teil bereits erläutert wurden. Für diese müssen wir Lösungen finden. Selbst das Kaufhaus wurde von dem ständigen Wandel der Bedürfnisse der Konsumierenden und damit der Ablösung alter Strukturen überholt; es wurde selbst zur Ware und als Ware der Kurzlebigkeit des Konsums ausgeliefert. Neuere, spektakulärere Formen nahmen dem Kaufhaus seine Attraktion. Damit ist es heute zum „Wegwerfprodukt“ geworden. Aufgrund dieser Zusammenhänge eignet sich nun gerade das Kaufhaus als Experimentierfeld, um neue Wege aufzuzeigen wie ein


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zukünftiges Konsumkonzept aussehen kann. Um einen neuen ökologisch und sozial nachhaltigen Weg zu finden, müssen wir sicherlich unser Konsumverhalten grundlegend verändern. Das Kaufhaus entwarf den bis heute gültigen Grundsatz: Massenware für die Masse durch Massenproduktion erzeugt möglichst hohen Profit für die Eigentümer*innen. Nun kann das Kaufhaus ein Gegenkonzept aufzeigen, das die Zusammenhänge einmal komplett umdrehen könnte: Ware für das Individuum, die sich innerhalb eines Kreislaufs befindet, erzeugt möglichst hohen Profit für die Gemeinschaft. Das Kaufhaus, kann also zu einem Symbol für die Ware nach dem Massenkonsum werden; Ware, die nach ihrer Nützlichkeit bewertet und anstelle von weggeworfen, wiederverwendet oder zu Neuem zusammengefügt wird. Das Kaufhaus nach dem Konsum Was ist also das Kaufhaus der Zukunft und welchen Mehrwert kann es seinem Quartier bringen? Aus der vorgestellten Theorie lässt sich ableiten, dass es sich bei dem Kaufhaus der Zukunft nicht mehr um das reine Einkaufen und Konsumieren handeln kann. Stattdessen soll das Kaufhaus zeigen, wie ein ökologisch nachhaltiger Warenumlauf funktionieren kann. Zudem sollen soziale Begegnungen verstärkt werden und damit ein gemeinschaftlicher Mehrwert entstehen, der über das Shoppen hinausgeht. Damit kann es zum Treff- und Anziehungspunkt des Quartiers werden. Das Kaufhaus kann so die Bedeutung eines Pionierprojekts haben, das im kleinen Rahmen zeigt, wie Ideen eines solidarischen Handels funktionieren können. Indem es auf unterschiedlichen Ebenen ansetzt werden verschiedene Gruppen von Nutzenden miteinbezogen. In Berlin gibt es bereits das Projekt des B-Wa(h)renhauses, das sich in einem Stockwerk des Karstadts am Hermannplatz befindet. Dabei handelt es sich um einen temporären Laden für gebrauchte Artikel. Das Kaufhaus, wurde von dem Berliner Senat für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz initiiert.


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Herstellende

Händler*innen Unternehmen

Staat

Konsumierende

Abb.31 Hauptakteure zur Veränderung des Konsumkonzepts

Durch die Einführung sollen Recycling-Prozesse in der Stadt vermehrt werden, um so Warenkreisläufe aufzubauen.119 Allerdings ist das Projekt zeitlich begrenzt; Es gibt Pläne der Signa Holding für den Abriss des Gebäudes und anschließenden Neubau.120 Die in dem B-Wa(h)renhaus erprobten Grundideen können aber an anderer Stelle wieder aufgegriffen und in einer nächsten Stufe zeitlich und strukturell erweitert werden. Vor allem bezüglich beteiligter Akteur*innen und sozialer Strukturen sollten die Ansätze in einer permanenten Einrichtung weitergedacht werden: Ein ökologisch und sozial nachhaltiger Konsum, kann nur umgesetzt werden, wenn er auf verschiedenen Ebenen das Ziel der Beteiligten ist. So muss für einen egalitären Zugang beispielsweise auch die Stufe vor dem Erwerb der Waren miteinbezogen werden: Einer Verteilung geht immer eine Aneignung voraus. Das heißt, nur was ich mir angeeignet habe, also besitze, kann ich dann als Ware verkaufen. Aus diesem Grund muss ein Konsumkonzept im Gesamtkontext auch die Frage nach einer Aneignungsgerechtigkeit miteinbeziehen. Diese Zusammenhänge haben zur Folge, dass das Kaufhaus der Zukunft ein Umdenken auf gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Ebene erfordert; Konsumierende, Unternehmende, Herstellende, und staatliche Vertreter*innen müssen handeln. Um dies zu erreichen kann das Kaufhaus der Zukunft nicht mehr monofunktional auf das Shoppen ausgerichtet sein. So ist es wichtig, auf Ebene der Konsumierenden nicht nur eine Auswahl an nachhaltigen Produkten anzubieten, sondern auch das Warum nahe zubringen. Durch Informieren und Wissensvermittlung können Individuen auch außerhalb des Kaufhauses in der Zukunft zu einem bewussteren Konsum angeregt werden. 119 Tidow, Stefan. Staatssekretär für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin (2020). Re-Use Berlin. Entdecken Sie das neue B-Wa(h)renhaus im Karstadt Hermannplatz [Electronic article] In: https://www.berlin. de/senuvk/umwelt/abfall/re-use/de/re-use-store.shtml letzter Abruf: 15.01.2021. 120 Signa (2020). Gemeinsam die Zukunft vom Hermannplatz gestalten [Webpage] In: https://nichtohneeuch.berlin letzter Abruf: 18.01.2021.


5. Konkrete Utopie

Verkauf

Bildung + Austausch

Produktion

Abb.32 Kaufhaus der Zukunft als Lehr- und Produktionszentrum mit Verkauf

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Aber auch ein praktisches Aufzeigen von ressourcenschonendem Handeln soll den Besucher*innen in dem Kaufhaus vermittelt werden: Aus diesem Grund soll die sharing economy und das direkte Rückführen von Ware in einen Kreislauf praktiziert werden. Dieser Bereich befindet sich an der Schnittstelle zu den Herstellenden und Unternehmen. Diese haben nicht mehr die Aufgabe nur noch Ware neu zu produzieren und anzuliefern, sondern zeigen direkt vor Ort, wie einzelne Dinge recycelt oder repariert werden können. Insgesamt ist, durch die so entstehenden Kreisläufe, eine geringere Neuproduktion von Ware nötig. Doch nicht alles für den alltäglichen Bedarf kann vor Ort hergestellt werden. Einzelne Dinge sollen auch weiterhin von Produzierenden bezogen werden. Dabei sollen bei der Auswahl der Ware und damit der Hersteller*innen und Unternehmen die Kriterien der Gemeinwohlökonomie helfen. Durch das Kaufhaus der Zukunft kann auch die Politik zu einem Umdenken angeregt werden. In einem Prozess können dann rechtliche Grundlagen und wirtschaftliche Anreize zur Unterstützung des Projektes geschaffen werden. Mit dem Kaufhaus der Zukunft wird somit Konsum neu definiert: Es geht nicht mehr darum, möglichst viele individuelle Bedürfnisse zu wecken, die dann durch den Erwerb und Verbrauch von materieller Ware, befriedigt werden.121 Stattdessen tritt ein Kreislaufdenken mit Mehrwert für die Allgemeinheit in den Fokus. Zudem wird die materielle Ware, durch die Produktion von immaterieller Ware wie Wissen erweitert. Damit ist das Kaufhaus der Zukunft nicht mehr ein monofunktionaler Ort des Shoppens, sondern ein Produktions- und Lehrzentrum mit Verkauf. Dies hat wiederum zur Folge, dass sich zum einen die Waren selbst verändern, aber auch die Rollen von Kundschaft und Mitarbeitenden neu definiert werden müssen. In einem nächsten Schritt hat dies auch Auswirkungen auf die Besitzverhältnisse und die bauliche Struktur. 121 Bundesinstitut

für politische Bildung: Konsum [Electronic dictionary] In: https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-derwirtschaft/19828/konsum letzter Abruf: 22.12.2020.


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Kund*in

$

Verkäufer*in

Abb.33 Bisherige Beziehung Kundschaft - Verkaufende

Verhältnis Mitarbeitende - Kundschaft Vor allem Warenhäuser der 4.Generation lassen sich durch Marc Augés Begriff des Nicht-Orts beschreiben. Dabei handelt es sich um einen Raum ohne Identität, Relation und Geschichte. Damit ist er ein Durchgang für Reisende, beziehungsweise der Flaneure, nicht dafür geschaffen, dass diese heimisch werden; Anonymität und Einsamkeit des Individuums herschen vor. Durch das Betreten des Ortes bekommen Beteiligte eine bestimmte Rolle zugeschrieben, in dem Beispiel des Kaufhauses die der Kundschaft und der Verkaufenden. Diese Rolle ist nun die Identität des Menschen, dementsprechend werden alle Besucher gleichbehandelt. Bis auf die, sich immer wiederholenden, unpersönlichen Floskeln des Personals, findet keine Kommunikation in den Nicht-Orten statt. So wird das Individuum auf seine Rolle reduziert und bleibt trotz der großen Ansammlung von Menschen einsam.122 Das Kaufhaus war schon in seiner Vergangenheit, und ist auch heute, stark von diesen Rollenbildern geprägt. Damit eng verbunden sind Hierarchiestrukturen unter Eigentümern, Mitarbeitenden, und Kundschaft. Dementsprechend gibt es auch Verhaltensregeln, wie das allbekannte Motto der Kunde ist König: Verkäufer*innen haben sich dem Kunden mit Geld zu unterwerfen. Das Gesamtkonzept des Kaufhauses folgt der Strategie des größtmöglichen Profits. Aus diesem Grund ist der Berufsbereich auch nach wie vor von Frauen bestimmt, denn auch mit Weiblichkeit kann geworben werden.123 Die Hierarchien und Rollen spiegeln sich zudem in der baulichen Struktur wider: Meist offene, luxuriöse Kundenbereiche stehen im starken Kontrast zu, aufs Nötigste reduzierten, dunklen Mitarbeitendenräumen. 122

Augé, Marc (2010). „Nicht-Orte“. München: Verlag C.H.Beck, S.83. website statista gibt für Deutschland im Jahr 2019 den Frauenanteil in Verkaufsberufen mit über 70% an. Vgl.: Statista GmbH (2020). Anteil von Frauen und Männern in verschiedenen Berufsgruppen in Deutschland am 30. Juni 2019 [online statistic] In: https://de.statista. com/statistik/daten/studie/167555/umfrage/frauenanteil-inverschiedenen-berufsgruppen-in-deutschland/ letzter Abruf: 18.01.2021.

123 Die


5. Konkrete Utopie

75

Im Kaufhaus der Zukunft steht jedoch nicht mehr der Profit an oberster Stelle und die Quantität der Einkäufe wird durch ein Nützlichkeitsdenken im weiteren Sinne ersetzt. Damit sind die gesellschaftlichen und physischen Strukturen des vergangenen und aktuellen Kaufhauses hinfällig. Sowohl in der Gemeinwohlökonomie als auch den do-ityourself-Projekten ist eine demokratische Mitbestimmung von Bedeutung. Anstelle von Hierarchien treten offene, transparente Entscheidungsprozesse. Damit können die starren Rollenbilder und Verhaltensregeln gebrochen werden. Besuchende und Mitarbeitende können selbst entscheiden, welche Rollen sie einnehmen wollen. Durch die Erweiterung der Funktion des Verkaufs, um die Produktion und Bildung, entstehen zudem neue Aufgabenbereiche. Beispielsweise werden die Verkäufer*innen zu Expert*innen: Ihr Ziel ist nicht mehr der Verkauf von möglichst vielen Artikeln, sondern ihr Wissen mit möglichst vielen Menschen zu teilen, also die Kundschaft zu informieren. Außerdem ist das Kaufhaus der Zukunft ein Ort der Aneignung; in interaktiven Bereichen kann die Kundschaft selbst zu Verkaufenden werden. Damit löst sich die starke Unterscheidung zwischen Verkäufer*innen und Kundschaft auf, Vernetzungen und ein Miteinander entstehen. Das Kaufhaus wird zum Ort.

Abb.34 Beispiel für mögliche Rollen + Beziehungen der Akteur*innen

Hersteller*in Ware

Expert*in

Kund*in

Zeit

Expert*in Wissen

Verkäufer*in Common Gut

Kund*in

Lernende

Hilfe


4. WIE GEHT ES WEITER ?

WARENSYSTEM BESITZ

Bestimmen über Raum und Zeit

NUTZEN

VERBRAUCH

ZUGÄNGLICHKEIT

BISHER Wert = Geldpreis ZUKUNFT Wert = Gewinn der Allgemeinheit

GEWINN FÜR ALLGEMEINHEIT

Wert der Waren In dem Teil der abstrakten Utopie wurden bereits die Gründe erläutert, warum ein neues Bewertungssystem von Waren notwendig ist. Im Folgenden wird nun beschrieben, was anstelle des Geldwerts treten soll. Insgesamt ist das Ziel, einen Wert für eine möglichst weitgefasste Allgemeinheit festzustellen. Um dies zu erreichen, wurden vier Kriterien festgelegt: Die Kategorien legen dabei einen Fokus auf soziale Aspekte, mit dem Hauptziel, eine egalitäre Anteilnahme zu verwirklichen. Die wohl wichtigste Kategorie ist der Besitz, dieser wird als die Macht über das Bestimmen von Raum und Zeit verstanden. Um ökologische Aspekte miteinzubeziehen, wurde die Kategorie Verbrauch/Gewinn von Ressourcen hinzugefügt. In indirekter Abhängigkeit zu diesen stehen die Kriterien Zugänglichkeit und Nutzen für die Allgemeinheit. Beispielsweise sinkt der Nutzen (Output) für die Allgemeinheit, wenn eine Einzelperson alles besitzt oder zu viele Ressourcen verbraucht. Die Zugänglichkeit kann auch als negativer Gegensatz in Form von Ausschluss und Rivalität verstanden werden.Damit nimmt die Zugänglichkeit ebenfalls mit dem steigenden Besitz einer Einzelperson und einem Verbrauch, der zur Knappheit führt, ab. Aus diesen Kategorien ergibt sich, dass der Wert einer Ware, das heißt der Wert für die Allgemeinheit sinkt, wenn Besitz und Verbrauch steigen und gleichzeitig Zugänglichkeit und Nutzen abnehmen.


77

diagramme

,

$

$ $ $

Abb.35 Geldexperiment

Preis der Waren Unser System mit Geld zu bezahlen, erzeugt eine Einfachheit und Vergleichbarkeit. Damit wird es jedoch nicht den unterschiedlichen Mitteln, die verschiedene Personen besitzen, gerecht. Aus diesem Grund wurden unterschiedliche Alternativen gesammelt, die stärker auf eine Freiwilligkeit eingehen und damit darauf, dass Individuen beitragen, was sie können und wollen. Dem Prinzip des Geldes kommt dabei das Geldexperiment am nächsten. Es erfindet eine neue Währung, die entweder durch das Umtauschen von Geld erhalten werden kann oder nach nicht monetären Regeln funktioniert. Die Währung hat also die Funktionen Wertmaß, Vergleichswert, Rechenmittel, Tauschmittel und Aufbewahrung. Beispiele dafür sind Bitcoins oder die Regionalwährung Chiemgauer.124 Ein Beispiel für eine Währung, die komplett unabhängig vom Geld ist, sind die Zeitbanken. Diese lassen sich als organisierte Form einer Nachbarschaftshilfe unabhängig von Gewinn beschreiben. Sie folgen der Logik, dass die Lebenszeit jedes Menschen gleich viel wert ist. Somit können ihre Mitglieder bestimmte Tätigkeiten ausüben, dafür auf der Bank Zeit gutgeschrieben bekommen und diese wiederum in Dienstleistungen umtauschen.125 Vorteil der eigenen Währung ist dabei die mögliche Stärkung von lokalen Strukturen und Förderung von Projekten. Im Falle der Zeitbanken sind die Unabhängigkeit der Mitglieder von finanziellen Mittel und eine non-profit Ausrichtung positiv. Nachteil der Systeme ist, dass die Zugänglichkeit trotzdem begrenzt ist: Bei Regiogeld muss über finanzielle Mittel verfügt werden und im Falle der Zeitbanken ist die Teilnehmerzahl oft beschränkt, da dieses auf Vertrauen basiert, was in einem kleineren Kreis meist stärker vorhanden ist. 124

Chiemgauer e.V: Chiemgauer Regiogeld. Der Chiemgauer in der Praxis [Webpage] In: https://www.chiemgauer.info/fileadmin/user_upload/ Basisinfo/Chiemgauer_praktisch.pdf letzter Abruf: 05.12.2020. 125 Verein zur Förderung von bürgerlichem Engagement (2013). Zeitbank Modelle in Deutschland [Webpage] In: http://vzfbe.org/zeitbank-modellein-deutschland/ letzter Abruf: 05.12.2020.


s,

$ 78

$

$

diagramme

$ $

$ $ $

Abb.36 Tausch

Abb.37 Mitgliedschaft

Ganz unabhängig von einem Währungssystem ist der direkte Tausch. Beispiel dafür ist eine Kleidertauschparty, bei der jede*r getragene Kleider mitbringen kann, um sie gegen andere einzutauschen. In organisierter Form gibt es sogenannte Tauschringe, bei denen innerhalb einer festen Gruppe Dinge und Dienstleistungen gegeneinander getauscht werden.126 Positiv dabei ist, dass auf diese Weise Ressourcen gespart werden; Dinge bekommen ein zweites Leben, anstatt weggeworfen zu werden. Nachteil dabei ist, dass man zum einen erstmal über etwas verfügen muss, was eingetauscht werden kann. Zum anderen müssen beide Parteien die Ware für gleichwertig anerkennen. Der Vergleichswert wird damit zu etwas Subjektivem und erschwert das Handeln. Eine weitere Möglichkeit, Immaterielles und Materielles auszutauschen, ist das Prinzip der Mitgliedschaft. Beispiele dafür sind Bibliotheken oder Universitäten, bei denen zum Beispiel Bücher oder Wissen miteinander geteilt werden. Positiv ist dabei, dass durch den Gemeinbesitz Individuen einen vermehrten Zugang zu Ressourcen haben. Jedoch gibt es oft eine Hürde zur Mitgliedschaft, diese kann sehr tief liegen und beispielsweise lediglich eine Registrierung erfordern. Oft ist sie aber auch verbunden mit bestimmten Kriterien, die erfüllt werden müssen, wie Staatsbürgerschaft, Alter, Geschlecht oder finanzielle Mittel. Damit ist der Zugang häufig nur für eine bestimmte Gruppe gewährleistet. Die wohl informellste Form ist das Verschenken. Wie beim Tauschen ist der Vorteil, dass Dinge ein zweites Leben erhalten, nur dass beim Verschenken auch Personen Zugang haben, die selbst nichts besitzen. Nachteil davon ist die starke Abhängigkeit von der Freigiebigkeit Einzelner. Die am meisten am Gemeinwohl orientierte Form des „Bezahlens“ ist die common (peer) production. 126 Schillat, Monika: Weil im Tauschring Zeit nicht Geld ist, wird keineR reich und niemand bleibt arm! In: Giegold, Sven und Embshoff Dagmar (Hg.): Solidarische Ökonomie im globalisierten Kapitalismus, Hamburg 2008, S. 46-48.


5. Konkrete Utopie

Abb.38 Common peer production

79

Individuen tragen freiwillig zu einem sogenannten Allmendegut oder Gemeingut bei, was dann offen zur Verfügung gestellt wird. Damit profitieren nicht nur die Beteiligten, sondern auch weitere Personen von dem Output. Der so entstehende direkte Nutzen und die Interaktion untereinander stehen im Vordergrund und nicht der Gewinn. Wichtig dabei ist, dass die Ressourcen dennoch nicht „Niemandsland“ sind. Es gibt gemeinnützige Strukturen und Regeln, um diese zu verwalten. Die Organisation ist dabei demokratisch und nicht hierarchisch aufgebaut.127 Im Vordergrund der Projekte stehen neben den sozialen Zielen auch das Aufzeigen von ökologisch nachhaltigen Wegen. Die common peer production bekam vor allem Aufmerksamkeit in der digitalen Welt durch Softwares wie Linox oder die Website wikipedia. Es gibt aber auch zahlreiche analoge Ansätze, bei denen der Gewinn statt dem Verbrauch von Ressourcen das Ziel ist. Dies wird unter anderem durch Upcycling oder Reparieren erreicht, Beispiele dafür sind Repair Cafés oder Gemeinschaftsgärten. Auf diese Weise wird die Zugänglichkeit für alle gewährleistet und zusätzlich verantwortungsvoll mit Ressourcen umgegangen.128

127 Helfrich, Silke

et al. (2009). Gemeingüter – Wohlstand durch Teilen, Berlin: Heinrich Böll Stiftung, S. 41. 128 Zahlreiche Beispiele vielfältiger Common-projekte lassen sich in folgender Publikation finden: - Baier, Andrea et al. (2013). Stadt der Communisten. Neue Räume des do it yourself, Bielefeld: transript Verlag - Baier, Andrea; Hansing, Tom; Müller, Christa; Werner, Karin (2016). Die Welt reparieren. Open Source und Selbermachen als postkapitalistische Praxis, Bielefeld: transcript Verlag.


80

zugänglichkeit

art des erwerbs

diagramme

Geld

ausschluss

$ $ Geldexperiment

Tausch

Mitgliedschaft

offen

Verschenken

Common peer production

Abb.39 Überblick Preis der Waren

$ $ $


5. Konkrete Utopie

Abb.40 Diagramm Beziehungen + Kreisläufe der Kategorien

1

Warensystem Die Idee des Kaufhauses Alles unter einem Dach soll auch in Zukunft fortgeführt werden. Deshalb muss das Kaufhaus verschiedene Arten von Waren anbieten. Unterschieden wird dabei nach Besitz: Viele Dinge können wir teilen (und tun es bereits auch), teilweise benötigen wir sie sogar nur vor Ort. Andere Güter wollen oder müssen wir selbst besitzen. Das Kaufhaus soll einen Fokus auf die Ware haben, die geteilt werden kann, aber auch Ware zum dauerhaften persönlichen Erwerb anbieten. Daraus ergeben sich vier Gruppen: 1.Kein Besitz, 2.Besitz vor Ort auf Zeit, 3.Besitz auf Zeit und 4.Besitz (vgl. S.83-84). Die vierte Kategorie untergliedert sich nocheinmal in gebrauchte (4a) und neue (4b) Waren. Insgesamt soll es zum Ziel werden, möglichst in der ersten Kategorie „einzukaufen“. Mit jeder Gruppe ändert sich auch die Art des Bezahlens, beruhend auf den Möglichkeiten, die im vorangegangenen Abschnitt erläutert wurden. Wichtig dabei ist, die einzelnen Kategorien nicht als in sich abgeschlossene Systeme zu sehen. Eine Kooperation der unterschiedlichen Gruppen ist eine wichtige Grundlage. Auf diese Weise entsteht ein Kreislauf: Im Idealfall durchläuft die Ware das Kaufhaus mehrmals an unterschiedlichen Stationen. zurück für recycling/ upcycling

3

Ausbesserung Produktion

KEIN BESITZ

Ausbesserung Produktion

81

2

BESITZ AUF ZEIT

BESITZ AUF ZEIT VOR ORT

zurück für verleih

4

zurück für verleih ausprobieren bevor besitzen

Gemeinschaft

Einzelperson

BESITZ


82

Überblick über Wert und Preis der Waren

1

KEIN BESITZ Was kann ich teilen und einen gesellschaftlichen Mehrwert daraus ziehen? Beispiel: Wissensvermittlung, Common production, Werkstätten Raum: Vor Ort Zeit: auf Zeit begrenzt Zugänglichkeit: Zugang für alle Verbrauch: kein Verbrauch, Produktion Leitidee: Gewinn für alle Preis: Beitragen statt tauschen, Zeit Akteur*innen: Expert*innen, Interessierte*r

2

VOR ORT AUF ZEIT BESITZEN Was kann ich vor Ort mit anderen teilen? Beispiel: Bücher lesen, Spielplatz; Raum: Vor Ort, Nachbarschaft Zeit: begrenzt Zugänglichkeit: Zugang für alle Verbrauch: kein Verbrauch Leitidee: Gemeinsam mehr besitzen Preis: Leihen, Betrachten Akteur*innen: Besuchende


5. Konkrete Utopie

83

BESITZ

Bestimmen über Raum und Zeit

3

AUF ZEIT BESITZEN Was kann ich teilen und nur auf Zeit besitzen? Beispiel: Fahrradverleih, Kleidung, Kunst Raum: Erwerber*in entscheidet Zeit: begrenzt Zugänglichkeit: Zugang für Jede*n, Verbrauch: kein Verlust Leitidee: Gewinn für Individuum Preis: Verleihen, Teilen Akteur*innen: Expert*innen, Konsumierende

4a

DAUERHAFT BESITZEN Was möchte ich besitzen und gebraucht erwerben? Beispiel: Kleidung Raum: „mit nach Hause nehmen“, lokales Netzwerk Zeit: auf Dauer Zugänglichkeit: „ich oder du“ Verbrauch: ja Leitdee: zweites Leben Preis: Tauschen, Verschenken Akteur*innen: Gebende, Konsumierende, Organisierende

4b

Was möchte ich besitzen und neu erwerben? Beispiel: Zahnbürste, Kosmetikartikel, Unterwäsche Raum: „mit nach Hause nehmen“, Zeit: auf Dauer Zugänglichkeit: ich oder du Verbrauch: hoher Verbrauch an Ressourcen Leitidee: Stärkung lokaler Netzwerke, Transparenz Preis: mit eigener Währung einkaufen Akteur*innen: Unternehmen der Gemeinwohlökonomie, Verkaufende,


STIFTUNGSKOMITEE

Nachbarschaft

Nutzerinnen z.B. Genossenschaft

KURATORIUM

VORSTAND

$ Expert*innen z.B. Stadtplaner, Umweltwissenschaftler

Stifter z.B. Unternehmen der Gemeiwohlökonomie

$ Zustifter z.B. Staat


4. WIE GEHT ES WEITER ? | KONKRETE UTOPIE

BESITZVERHÄLTNISSE + AKTEUR*INNEN

Abb.41 Prinzip des Community Land Trust

Derzeitig liegen Kaufhäuser und der dazugehörige Boden fast ausschließlich in Hand privater Investoren oder Gesellschaften. Bei diesen stehen ökonomische Interessen im Vordergrund. Gesellschafter kann nur werden, wer Anteile von der GmbH übernimmt und ihr Kapital ist von Anfang an festgelegt. Damit widerspricht diese Rechtsform einer Zugänglichkeit und Offenheit und beschränkt demokratische Mitbestimmung. In Deutschland ist diese Rechtsform weit verbreitet, insbesondere Kaufhäuser liegen im Besitz von Gesellschaften. Von großer Bedeutung ist dabei die österreichische Signa Holding GmbH. Das, von René Benko gegründete, Unternehmen besitzt die komplette Karstadt Warenhaus GmbH und Galeria Kaufhof.129 Welchen Einfluss die Signa Holding GmbH damit auf Städte hat, ist anhand von München gut zu verdeutlichen: In der Altstadt besitzt sie unter anderem die prominenten Immobilien Karstadt-Kaufhof am Bahnhof, die Alte Akademie, den Oberpollinger in der Kaufingerstraße und betreibt auch die Galeria Kaufhof Filiale am Marienplatz.130 Somit kann ein einziger privater Investor die Gestaltung eines gesamten Stadtkerns beeinflussen. Dies bedeutet auch, dass ein wichtiger Teil der Stadt wenig öffentlichen Raum besitzt und stattdessen auf Profit ausgerichtet ist. Ähnliche Probleme ergeben sich mit der Rechtsform GmbH & Co.KG: Diese hat zwar niedrige gesetzliche Vorgaben bei dem Gesellschaftervertrag und die Anzahl der Gesellschafter ist nicht beschränkt, ist aber auch auf einen wirtschaftlichen Zweck ausgerichtet. Zudem erfolgt der Eintritt ebenfalls nur über eine notarielle Beurkundung und Eintragung ins Handelsregister, was exklusive Folgen hat.131 129 Signa Holding GmbH: SIGNA Unternehmen [Webpage] In: https://www. signa.at/de/unternehmen/beirat/rene-benko/ letzter Abruf: 30.11.2020. 130 Signa Holding GmbH: SIGNA Immobilien [Webpage] In: https://www. signa.at/de/ realestate/immobilien/ letzter Abruf: 30.11.2020. 131 Becker, Annette et al. (2018). Bauen und Wohnen in der Gemeinschaft. Basel: Birkhäuser, S. 164-168.


86

Um bei zukünftigen Besitzstrukturen stattdessen einen egalitären Ansatz umzusetzen, sollten verschiedene Aspekte beachtet werden. Der „Vermarktung“ der Stadt muss entgegengewirkt werden, um die Interessen des Gemeinwohls wieder in den Vordergrund zu rücken. Dazu sollten Formen gefunden werden, die möglichst unabhängig vom wirtschaftlichen Markt funktionieren, um eine langfristige Zugänglichkeit zu gewährleisten. Zudem soll das Kaufhaus ein offener Ort werden, der auch die Nachbarschaft aktiv miteinbezieht. Um eine größere Reichweite zu erzeugen, sollten auch die öffentliche Verwaltung und Politik beteiligt werden. Es muss verstanden werden, dass gemeinschaftliche Projekte nicht nur Unterstützung einfordern, sondern auch dafür einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Im Idealfall führen gemeinnützige Projekte nicht nur zu sozialem Gewinn, sondern auch zu finanziellen Einsparungen. Durch sie wird eine Inklusion und gesellschaftliche Stabilisation gefördert.132 Das Projekt muss also von Anfang an in einem größeren Kontext betrachtet werden. Um diesen Rahmen zu erfüllen, können verschiedene Rechtsformen in Erwägung gezogen werden. Zum einen ist ein eingetragener Verein (e.V.) möglich. Dieser erfordert die Eintragung eines nicht-wirtschaftlichen Zwecks, damit werden ideelle Ziele gesichert. Problematisch dabei ist, dass eine Vermietung auch ohne Gewinn bereits als wirtschaftlich gewertet wird. Dies kann zu Einschränkungen für eine Weiterentwicklung führen. Eine andere Möglichkeit ist eine eingetragene Genossenschaft (e.G.) Im Gegensatz zu der Form der Gesellschaften können Mitglieder auch ohne Notar beitreten, was den Beitritt erheblich erleichtert. Ideelle Ziele können durch ihre Ausrichtung als Sozial-, Bildungs-, Kultur oder Gesundheitsgenossenschaften festgesetzt werden. Genossenschaften können unabhängig vom Markt funktionieren und der Kommerzialisierung und Privatisierung entgegenwirken.

132

Becker 2018, S.11


5. Konkrete Utopie

87

Vor allem beim gemeinschaftsorientierten Wohnungsbau erhielt diese Rechtsform immer mehr Aufmerksamkeit.133 Allerdings ist dabei festzuhalten, dass bei vielen Projekten, die einzelnen Genoss*innen meist über ein Grundkapital verfügen müssen und die Förderung der eigenen Mitglieder, und nicht Leute von außerhalb im Vordergrund steht. Als übergeordnete Instanz und zur Finanzierung kann daher auch eine Stiftung eine gemeinnützige Auslegung sichern. Ein Beispiel dafür ist die „Stiftung trias“, die Boden und Nutzungsrechte in Erbbaurecht an Wohnprojekte vergibt. Im Erbbaurechtvertrag können Ziele des Projekts festgehalten werden und somit ist über lange Zeit eine ökologische und soziale Ausrichtung gesichert.134 Eine Erweiterung dieses Systems ist das Modell des Community Land Trusts (CLT). Dieses soll als eine mögliche Struktur vorgestellt werden, wie das Kaufhaus der Zukunft funktionieren könnte. In diesem Modell kooperieren verschiedene Akteur*innen miteinander und sichern auf diese Weise eine gemeinnützige Ausrichtung des Projekts und Heterogenität. Ein Community Land Trust ist ein gemeinnütziges, non-profit Unternehmen, das Land im Auftrag einer lokalen Gemeinschaft besitzt. Das Modell dafür stammt aus den USA und hat sich inzwischen auch in Europa verbreitet. In Berlin versucht gerade die stadtbodenstiftung den ersten CLT Deutschlands aufzubauen. Ein CLT setzt sich aus den Komponenten „Community = Gemeinschaft, Gemeinde, Öffentlichkeit Land = Grundstück, Grundbesitz, Boden Trust = Vertrauen, Stiftung, Absicherung“135 zusammen. Das Prinzip funktioniert, indem der CLT dauerhaft Eigentümer des Bodens ist. Im Erbbaurecht werden dann 133

vgl. genossenschaftliche Pilotprojekte wie den Blumengroßmarkt, die R50 beide in Berlin von dem Architekturbüro Heide von Beckarath oder die Kalbreite in Zürich. 134 Stiftung trias: Die Stiftung. Ein Überblick [Webpage] In: https://www. stiftung-trias.de/die-stiftung/ letzter Abruf: 04.12.2020. 135 Stadtbodenstiftung: Ein Community Land Trust (CLT) für Berlin [Webpage] In: https://stadtbodenstiftung.de/#clt letzter Abruf: 02.12.2020.


88

Nutzungsrechte und Gebäude an Nutzende weitergegeben. Auf diese Weise kann die gemeinnützige Orientierung über Jahrzehnte gewährleistet werden. Die Organisationsstruktur des CLT sieht ein Kuratorium vor, in dem die wichtigsten Entscheidungen und Ausrichtungen entschieden werden. Dieses setzt sich aus Nutzenden, der Nachbarschaft, öffentliche Vertretung und Politik, Stiftung und Expert*innen zusammen. Es gibt verschiedene Formen bei der konkreten Umsetzung eines CLTs. Beispielsweise ist denkbar, dass eine Stiftung Boden besitzt und diesen zusammen mit den Nutzungsrechten im Erbbaurecht an Nutzende vergibt. Diese können wiederum in einer sozial orientierten Genossenschaft oder einem Verein organisiert sein.136 Der Staat agiert dabei als Zustifter und hat somit auch Mitspracherecht bei Entscheidungen. Das Beispiel B-Wa(h)renhaus in Berlin, das auf Initiative der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz der Stadt Berlin zurückgeht, zeigt, dass es bereits Interesse der öffentlichen Hand zur Unterstützung ähnlicher Projekte gibt. Denkbar als weitere Stifter sind Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie. Für die Auswahl der Nutzenden, sollten ebenfalls Kriterien festgelegt werden, um einen egalitären Ansatz des Projekts zu bewahren. Folgende Leilinien können bei der Auswahl der Nutzenden helfen: Sie sollen die Absicht vertreten einen Mehrwert für die Gesellschaft insgesamt,bezogen auf das Quartier oder speziell die Strukturen innerhalb des Gebäudes bringen. Außerdem soll sich die Gruppe der Akteur*innen möglichst heterogen zusammensetzten. Da so ein inklusiver Charakter verstärkt wird. Um neue Wege zu erproben und Dinge zu verändern, sollen die Nutzenden möglichst experimentell arbeiten.137 136 Schöneberg, Philipp (16.01.2020).Community Land Trust. Die Idee einer sozialen Bodenplattform [Electronic article] In: https://polismagazin.com/2020/01/COMMUNITY-LAND-TRUST-DIE-IDEE-EINERSOZIALEN-BODENPLATTFORM/ letzter Abruf: 02.12.2020. 137 Die Organisationsstruktur richtet sich nach der von der stadtbodenstiftung entwickelten. Bei den Leitzielen wurden existierende, funktionierende Projekte als Referenzen verwendet, wie das Haus der Statistik in Berlin.


5. Konkrete Utopie

Zustifter z.B. Staat

CLT z.B. Stiftung

$

Nutzungsrechte + Boden z.B. in Erbbaurecht Abb.42 Finanzierungssystem eines CLTs

$ Nutzerinnen z.B. Genossenschaft

$ Stifter z.B. Unternehmen der Gemeiwohlökonomie

89


90

4. WIE GEHT ES WEITER ? | KONKRETE UTOPIE

ÜBERTRAGUNG INS RÄUMLICHE

Offenheit und Kontext

Abb.43 Diagramme Raumkonzept

Raum zur Aneignung vs. Niemandsland

Flexibilität

Vernetzung + Heterogenität

Allgemeine Ziele Um das Konzept in einen physischen Raum zu übertragen, stellt sich zunächst die Frage welche Rolle die Architektur überhaupt einnehmen kann. Da die Gemeinschaft im Vordergrund stehen soll, wäre eine statische, totale Planung von oben der falsche Weg. Stattdessen muss Raum zur Mitgestaltung und Aneignung gegeben sein. Dies stärkt auch die Identifikation mit dem Gebäude und ein damit verbundenes Verantwortungsund Zugehörigkeitsgefühl. Eine Balance zwischen undefiniertem Niemandsland und starren Vorgaben muss gefunden werden. Bei einer realen Umsetzung sollte eine Mitbestimmung der Bürger*innen durch beispielsweise ein Partizipationsverfahren ermöglicht werden. Eine ernsthafte Umsetzung überschreitet jedoch den Rahmen der Masterarbeit. Daher soll dieses nur als unbedingt notwendig erwähnt und nicht genauer ausgeführt werden. Die Architektur muss außerdem berücksichtigen, dass die Warenhäuser im innerstädtischen Raum verortet sind, der sich in einem stetigen Wandel befindet. Aus diesem Grund muss die Architektur eine Flexibilität enthalten, um spätere Umnutzungen zu ermöglichen. Somit kann eine Langlebigkeit des Gebäudes gewährleistet werden. Insgesamt kann die Architektur also als Gerüst verstanden werden, in dem eine heterogene Nutzung möglich ist. Eine starke Vernetzung der einzelnen Räume innerhalb


5. Konkrete Utopie

91

unterstützt zudem die Kommunikation der Nutzenden untereinander. Auch ein Bezug zum umliegenden Kontext ist wichtig, um die Nachbarschaft aktiv zu integrieren. Raumkonzept + Entwicklungsstrategie Das Kaufhaus der Zukunft ist kein fertig geplantes Gebäude. Es entwickelt sich mit der Zeit zusammen mit den Bedürfnissen der Nutzenden. In einem ersten Schritt enthält es noch verstreute Bereiche der klassischen Kaufhausnutzung. Das heißt die Möglichkeit Ware neu zu erwerben. Später werden diese Bereiche immer weniger zugunsten von Konzepten, wie beispielsweise Reparatur und Recycling. Auf diese Weise können auch Gruppen erreicht werden, die zu den alternativen Konzepten zunächst kritisch eingestellt sind. Um während des Shoppens auf die neuen Wege aufmerksam gemacht zu werden, gibt es Blickbeziehungen und Überschneidungen zwischen den Hauptbereichen Verkauf, Produktion und Bildung. Die drei Kategorien, die sich jeweils in drei weitere Gruppen untergliedert werden, wurden zunächst separat betrachtet. Daraus resultierten Raumkonzepte, die dann in einem nächsten Schritt zueinander in Bezug gesetzt wurden. Besitz

Recyceln

Recycelt Teilen

Reparieren

VERKAUF

PRODUKTION Neu herstellen

Besitz neu

Wissen

BILDUNG

aneignen

Abb.44 Bereiche des Kaufhaus der Zukunft

Wissen herstellen Wissen austauschen


92 $

Verkauf $

Abb.45 Bereiche Verkauf

$ Besitz Neu

AUSLEIHENAUSLEIHEN BESITZ BESITZ RECYCELT RECYCELT BESITZ NEU

BESITZ NEU

AUSLEIHENAUSLEIHEN BESITZ BESITZ RECYCELT RECYCELT BESITZ NEU

Abb.46 Prozess

BESITZ NEU

Besitz Recycelt

Teiilen

Der Verkauf untergliedert sich in die Kategorien neu besitzen, recycelt besitzen und teilen. Mit einem steigenden ökologischen Bewusstsein, wird die Kategorie des Erwerbs von neu produzierten Gütern zurückgehen. Auf diese Weise wird auch die Zugänglichkeit der gesamten Ware für Alle verstärkt: Für den Erwerb von recycelter Ware oder für das Ausleihen auf Zeit, sind keine (oder geringere) finanzielle Mittel nötig.

Raum zur temporären Erweiterung des Programms Produktion Recyceln Produktion Reparieren

Abb.47 Raumbezüge Verkauf

AUSLEIHEN AUF ZEIT

Bildung Aneignen

Werkzeug Bücher Fahrräder

AUSLEIHEN VOR ORT

Sonstiges

Öffentlicher Freiraum Ware + Information Verschenken Tauschen

BESITZ RECYCELT

Öffentlicher Freiraum

Verweilen

Bildung Aneignen

BESITZ NEU

Kasse

Öffentlicher Freiraum


5. Konkrete Utopie

93

Produktion

Abb.48 Bereiche Produktion

Reparieren

Up-/Recyceln

Neu erschaffen

Die Produktion untergliedert sich in die Bereiche Reparieren, Up-/Recyceln und Neu erschaffen. Sie ist zu einem ein wichtiger Bestandteil zur Ressourcenschonung, da sie Dinge wiederverwertet und lokal verortet ist. Zum anderen kann sie auch soziale Strukturen stärken. In ihr kann das bottom up - Prinzip umgesetzt werden, das heißt einzelne Individuen können selbst Entscheidungen treffen und so Raum aneignen und mitgestalten. Durch den Arbeitsprozess wird ein Zugehörigkeits- und Verantwortungsdenken verstärkt.

Tee küche

NEU ERSCHAFFEN

WC

Aufenthalt

Studios

REPARIEREN Holz/Metall Textil Fahrradwerkstatt

Abb.49 Raumbezüge Produktion

Werkstatt Laut

Werkstatt Leise Öffentlicher Freiraum

Verkauf Ausleihen auf Zeit

Verkauf Ausleihen vor Ort

RECYCLING

temporäre Events z.B. Repaircafe

Produktion Austausch


94

Bildung

Abb.50 Bereiche Bildung Wissen aneignen

Wissen austauschen

Wissen herstellen

Das gesamte Konzept des Kaufhaus der Zukunft funktioniert nur durch das Wissen von Vieler. Die Entwicklung der Räume, das ressourcenschonende Handeln, die Integration von Mitmenschen, das alles sind komplexe Herausforderungen, für die es Wissen braucht. Dieses Wissen soll durch Austausch entstehen, somit in dem Kaufhaus hergestellt werden und dann einer Öffentlichkeit frei zur Aneignung zur Verfügung gestellt werden. Das Kaufhaus der Zukunft soll dabei auch mit Projekten außerhalb in Verbindung stehen und so im Laufe der Zeit ein globales Netzwerk aufbauen.

Produkion Neu erschaffen

WISSEN AUSTAUSCHEN Gruppenräume Vortragsräume Café

Co-Working Space

WC

Abb.51 Raumbezüge Bildung

WISSEN HERSTELLEN Bibliothek Ausstellung Verkauf Besitz vor Ort

WISSEN ANEIGNEN Verkauf Besitz

temporäre Vorträge / Versammlungen


5. Konkrete Utopie

95

Raumbezüge Das Kaufhaus der Zukunft besitzt permanente und temporäre Komponenten. Um eine möglichst große Aneignung und spätere Umnutzung zu ermöglichen, beschränken sich die permanenten Bestandteile jedoch lediglich auf die vertikale Zirkulation und Bereiche mit Installationen, wie Küche und WCs. Die temporären, flexiblen Räume können hingegen auch Mehrfachnutzungen aufnehmen, sind miteinander verknüpft und überlagern sich teilweise.

Tee küche

NEU ERSCHAFFEN

WC

Aufenthalt

Studios

REPARIEREN

Gruppenräume Vortragsräume

Holz/Metall

PRODUKTION

Textil

BILDUNG

Werkstatt Laut

Fahrradwerkstatt

Werkstatt Leise

Öffentlicher Freiraum

WISSEN AUSTAUSCHEN

temporäre Events z.B. Repaircafe

temporäre Vorträge / Versammlungen

WC Information Café Küche Lager für Verweilen geteilte temporäre „Markt“ Dinge

RECYCLING

Café

WISSEN HERSTELLEN

Co-Working Space

WC

Bibliothek Ausstellung

WISSEN ANEIGNEN

VERKAUF Werkzeug Bücher

AUSLEIHEN AUF ZEIT

Fahrräder

AUSLEIHEN VOR ORT Produktion

Sonstiges

Öffentlicher Freiraum

Verkauf Bildung

Ware + Information Verschenken Tauschen

BESITZ RECYCELT

Öffentlicher Freiraum

Verweilen

BESITZ NEU

Kasse

feste Nutzung baulich permanent

Öffentlicher Freiraum

flexible Nutzung baulich temporär Möblierung räumliche Überschneidung Verbindung Austausch

Abb.52 Raumbezüge Insgesamt

feste Nutzung baulich permanent

Produktion


Abb.52 Collage Karstadt am Nordbad


ANALYSE


ANALYSE

KARSTADT AM NORDBAD -KEIN EINZELFALL Warum der Karstadt am Nordbad? Der Karstadt am Nordbad eignet sich aus verschiedenen Gründen als Fallbeispiel. Einerseits besitzt er einen emotionalen Wert, da er als Treffpunkt in der Nachbarschaft diente und zudem identitätsstiftend für das Quartier war.138 Andererseits ist sein Grundkonzept inzwischen überholt: Atmosphärisch bietet die monofunktionale Ausrichtung auf das reine Einkaufen nicht das Erlebnis, das Besucher heutzutage suchen. Städtebaulich schottet sich das Gebäude durch seine Ausrichtung auf das Auto und beschränkte Zugänglichkeit stark von seiner Umgebung ab. Architektonisch wird die Introvertiertheit durch eine in vielen Bereichen geschlossene Fassade verstärkt. Der gesamte Bau ist zudem umfassend sanierungsbedürftig. Ökonomisch gesehen war die Karstadt Filiale nicht mehr rentabel und wurde deshalb im Oktober geschlossen.139 Aus genannten Gründen sind Konzepte der Nachnutzung akut nötig. Der Typus des Gebäudes ist außerdem charakteristisch für Warenhäuser der 4. Generation, das heißt, Bauten ab den 60er Jahren. Damit ist die Frage, wie mit dem Gebäude umgegangen werden kann, kein Einzelfall. Somit können die Lösungswege als Referenzen für die Schließungen von weiteren Filialen des gleichen Typus dienen. Die Bedeutung der Warenhäuser für die Stadt und damit die Auswirkung ihrer Schließung auf sie wird anhand der Abbildung 46 deutlich. Diese zeigt die Lage und Größe der innerstädtischen monofunktionalen Warenhäuser in München. 138 Draxler, Ellen

(09.07.2020). Karstadt am Nordbad. Schwabinger Solidarität. [Electronic article] In: https://www.sueddeutsche.de/ muenchen/muenchen-nordbad-karstadt-petition-1.4962096 letzter Abruf: 10.07.2020. 139 Draxel, Ellen (08.10.2020).Was aus dem Karstadt am Nordbad werden könnte. [Electronic article] In: https://www. sueddeutsche.de/muenchen/ muenchen-schwabing-karstadt- nordbad-wohnungen-1.5059370 letzter Abruf: 10.10.2020.


99

Somit werden Räume identifiziert, die zukünftig vor ähnlichen Fragestellungen und Herausforderungen stehen könnten, wie sie mit der Fallstudie des Karstadts am Nordbad behandelt werden. Außerdem wird deutlich, dass die Warenhäuser meist sehr prominente Orte im Stadtgefüge einnehmen und somit von großer städtebaulicher und sozialer Bedeutung sind. Abb.53 monofunktionale Shopping-Bauten in München

Karstadt am Nordbad Karstadt Rotkreuzplatz

Karstadt Münchner Freiheit

Galeria Karstadt Bahnhofsplatz TK Maxx Galeria (Kaufhof ) Reserved Forum Schwantalerhöhe Am Stachus Galleria Kaufhof Marienplatz

Motorama Ladenstadt


100

Abb.54 Merkmale Warenhaustypus der 4. Generation

Vertikale Staffelung

Karstadt am Nordbad als Prototyp eines Warenhauses der vierten Generation Die Umnutzung des Karstadts am Nordbad ist eine Bauaufgabe, die zukünftig auch an anderen Orten von Relevanz sein wird. Aus diesem Grund wurde bei der Analyse zunächst ein Fokus auf die Herausarbeitung allgemeingültiger Merkmale der Warenhäuser des gleichen Typus gesetzt. Erst im nächsten Schritt wurde dann die ortsspezifische städtebaulich-räumliche Situation untersucht.

Kubische Form

EG offen - OG verschlossen

Skelettbau

Erscheinungsbild und Konstruktion Aufgrund der innerstädtischen Lage der Warenhäuser und dem daher begrenzten Bauplatz, setzen sie sich aus einer vertikalen Staffelung zusammen. Im Gegensatz zu den ersten Warenhäusern des 19. Jahrhunderts, die durch ihren repräsentativen Charakter und der Verwendung von Ornamentik einen „Rausch der Sinne“ erzeugen sollten, waren die Leitprinzipien der 60er Jahre Funktionalität und Schlichtheit.140 Dementsprechend hat auch der Karstadt am Nordbad insgesamt eine sehr klare, kubische Form. Außerdem typisch für die Warenhäuser der vierten Generation sind die fast vollständig verschlossen Obergeschosse, die lediglich teilweise durch Fensterbänder aufgelockert werden. Diese weisen keine Hierarchie oder Unterscheidung zwischen den vier Fassaden auf. Im Gegensatz zu den Obergeschossen ist das Erdgeschoss bis auf die rückwertige Anlieferungsseite transparent. 140 Pump-Uhlmann

2011, S.10


Analyse

101

Auf diese Weise bietet es Einblick in die Schaufenster beziehungsweise direkt in den Innenraum. Der Bau ist – ebenfalls typisch für Warenhäuser dieser Zeit - ein Skelettbau aus Beton. Eine Ausnahme beim Karstadt am Nordbad stellt lediglich das, aus Stahlstützen konstruierte, 3. Obergeschoss dar.

Mitarbeiter*innen Kundschaft

Abb.55 Zirkulation

Erschließung + Zirkulation + Zweiteilung Die Art der Erschließung und die Raumfolge richten sich nach Aspekten der autogerechten Stadt und einer Funktionstrennung. Der Karstadt am Nordbad besitzt drei Arten des Zugangs, die klar voneinander getrennt sind: Das Betreten zu Fuß über den östlichen Haupteingang der Schleißheimerstraße, das Hereinfahren mit dem Auto über die Parkrotunde auf der südlichen Seite der Wormserstraße und die Warenanlieferung mit LKWs von der westlichen Seite der Winzererstraße. Für Fußgänger wird die Haupterschließung noch durch je einen Nebeneingang auf der südlichen und einen auf der nördlichen Seite ergänzt. Durch das Betreten von den unterschiedlichen Straßenseiten aus, wird der Kontakt zwischen Kundschaft und Mitarbeitenden vermieden. Die Mitarbeitenden können die Ware entweder direkt von der Zulieferung in die Verkaufsflächen im Erdgeschoss bringen oder durch eine eigene vertikale Erschließung in die Lager der anderen Stockwerke verteilen. Die Wege sind dabei funktional, das heißt direkt und kurz angelegt. So wird Arbeitszeit und Platz gespart. Im Gegensatz dazu gelangen die Besuchenden vom Haupteingang direkt in die Verkaufsfläche und können von dort wiederum die übrigen Geschosse erreichen. Die vertikale Erschließung ist dabei meist in Form zweier zentral gelegenen Rolltreppen, die gegenläufig positioniert sind. Auf diese Weise wird die Kundschaft gezwungen möglichst weite Wege durch das Kaufhaus zu nehmen, um dabei zu Spontankäufen angeregt zu werden. Mit dem Auto gelangt die Kundschaft von einem der beiden Obergeschosse über die Nebentreppenhäuser zu den Verkaufsflächen.


102

BÜRO 1.OG

VERKAUFSFLÄCHE 1.OG

LAGER VERKAUFSFLÄCHE ANLIEFERUNG EG HAUPTEINGANG

NEBENEINGANG

LAGER KÜHLRAUM

VERKAUFSFLÄCHE UG

Mitarbeitende Kundschaft

Abb.56 Aufbau Bereiche

Abb.57 Zweiteilung Mitarbeiter*innen <-> Kundschaft

Die genaue Anordnung der Abteilungen richtet sich ebenfalls danach, zu möglichst vielen ungeplanten Käufen zu verführen. Sie folgt in jeder Karstadt/Kaufhof Filiale einem gleichen Schema: Im Erdgeschoss gelangt die Kundschaft zunächst in die Drogerie und Schmuck Abteilung. In diesem Geschoss befinden sich auch die Dienstleistungen, um nach außen hin sichtbar Teil der Schaufenster und damit zum Werbeträger zu werden. Rückwärtig befinden sich Räume für Lager und Zulieferung. Im ersten Obergeschoss befindet sich die Modeabteilung und Büro und Lagerräume für die Mitarbeitenden. Im zweiten und dritten Obergeschoss befinden sich im Falle des Karstadt am Nordbad Parkflächen. Diese nehmen damit circa ebenso viel Platz ein wie die Verkaufsflächen. In größeren Filialen lassen sich hier Mode, Sport und im obersten Geschoss ein Restaurant finden. Für die Mitarbeitenden sind in diesem Fall weitere Büro und Lagerflächen sowie eine Küche vorhanden. Das Untergeschoss der Kaufhäuser enthält immer die Lebensmittel und Feinkost Abteilung. Dementsprechend befinden sich im Dienstbereich die Kühlräume und Hauptlager. Zusammenfassend lässt sich das Verhältnis zwischen Kundschaft- und Mitarbeiter*innenbereiche mit der Metapher des Theaters veranschaulichen. So beschreibt Kai-Uwe Hellmann die Verkaufsflächen als Vorderbühne auf der Schauspieler für und vor einem Publikum ein bestimmtes Stück aufführen. Die Hinterbühne erfüllt hingegen verschiedene zweckgebundene Aufgaben.141 Dies lässt sich auch auf den Karstadt übertragen: Die Verkaufsflächen sind die Bühne das Gesehen werden- mit der Kundschaft als Schauspielende und den Umkleiden als Möglichkeit des Rollenwechsels. Die „Bühne“ ist durch künstliches Licht und reflektierende Materialien in Szene gesetzt . Der Raum ist im Erdgeschoss nur durch Höhenversprünge (Podeste) gegliedert. Ansonsten sind die Verkaufsflächen 141 Hellmann

2005, S.29


Analyse

103

offene Räume, mit fließenden Übergängen zwischen den einzelnen Abteilungen. Im großen Kontrast dazu steht die Hinterbühne; Der Raum, der für Zuschauer unsichtbar bleibt, und die notwendige Maschinerie enthält. Hinter dem Sichtbaren hört der Glanz auf. Der Raum ist streng ökonomisch und funktionell gegliedert und besteht aus deutlich abgegrenzten kleinteiligen Einheiten.


Was aus dem Karstadt am Nordbad werden könnte

! Geht es nach den Vorstellungen des Investors, dann könnte der Neubau auf dem früheren Karstadt-Areal so aussehen. Simulation: Oliv Architekten, Thomas Sutor/oh Ende des Monats räumt der Kaufhaus-Konzern das Gebäude. Der Eigentümer plant einen sechsstöckigen Neubau mit Büroflächen, Nahversorgern und Gastro. Von Wohnungen will er nichts wissen. Von Ellen Draxel Der Karstadt am Nordbad ist Geschichte. Endgültig. Ende des Monats räumt der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof das Gelände. Entstehen soll an der Schleißheimer Straße 93 nun ein Neubau - samt großem Nahversorger und Büros für rund 1000 Menschen. "Wir halten einen Gewerbestandort mit Restaurant oder Café, Backshop und Läden an dieser Stelle für absolut sinnvoll", sagt Stefan Pfender. Der DiplomKaufmann ist Mitgesellschafter der Ariston Grundbesitz GmbH & Co. 8. Beteiligungs KG, die das Grundstück im August 2019 in Erbpacht von der Highstreet Holding GbR, einem Konsortium unter der Führung von Goldman Sachs, übernommen hat. Der KarstadtMietvertrag hatte da noch eine feste Laufzeit von sieben Jahren sowie Mietoptionen für weitere 15 Jahre, das Kaufhaus am Nordbad hätte also noch weitere 22 Jahre betrieben werden können. Doch dann kam Corona. Karstadt, das Unternehmen, das das Gebäude 1967 nach eigenen Plänen selbst errichtet hatte, bezahlte von April an keine Miete mehr. "Diese Insolvenz hat uns ziemlich überrollt", gibt Pfender zu. Aber Ariston reagierte schnell. Die Firma startete eine umfangreiche Standortanalyse, führte Gespräche mit


ANALYSE

AKTEURE + BESITZVERHÄLTNISSE Abb.58 Karstadt am Nordbad nach der Schließung, Oktober 2020

Das Gebäude des ehemaligen Karstadt am Nordbad ist im Besitz von Ariston Grundbesitz GmbH & Co.8 Beteiligungs KG. Diese erwarb im August 2019 die Filiale in Erbbaurecht von der Highstreet Holding gbR.142 Bis zum 1.11.2020 war Galeria Karstadt Kaufhof GmbH noch Mieterin des Gebäudes. Eigentlich sollte die Filiale länger betrieben werden, durch die Covid-19 Pandemie musste Karstadt allerdings Insolvenz anmelden. Dies bedeutete den Verlust der Arbeitsplätze der Mitarbeitenden die teilweise seit Jahrzehnten dort beschäftigt waren. Verschiedene Peditionen und Aktionen konnten die Schließung nicht verhindern. Als Reaktion auf die Insolvenz Nachricht, legte Ariston bereits im Oktober 2020 einen Neuentwurf vor. Dieser sah einen Abriss des vorhandenen Gebäudes und anschließenden Neubau mit gewerblicher Nutzung im Erdgeschoss und Büroräumen in den darüber liegenden Stockwerken vor. Der Entwurf wurde von dem Bezirkauschuss Schwabing West vorerst abgelehnt.144 Die Nachbarschaft beklagte die Schließung, da sie den Karstadt auch als Treffpunkt nutzten. Der Bezirk Schwabing-West besitzt die höchste Bevölkerungsdichte in München. Gemessen am Stadtdurchschnitt leben in diesem Bezirk viele Personen im erwerbsfähigen Alter und es gibt ein häufiges Auftreten von Ein- oder Zweipersonenhaushaltes jüngeren und mittleren Alters.143 Aufgrund der Dichte des Bezirks und der bereits existierenden sozialen Bedeutung des Karstadts, soll auch zukünftig die Funktion eines urbanen Treffpunkts aufgenommen werden. 142

Draxel 9.10.2020 Bezirkausschuss West des 4. Stadtbezirk Schwabing (01.10.2020). Schleißheimer Str. 93: Neubau eines Gewerbe- und Bürogebäudes mit Einzelhandel, Kita und Tiefgarage 144 Statistisches Amt der Landeshauptstadt München (2020). Statistisches Taschenbuch 2020. München und seine Stadtbezirke, München 143



ANALYSE

DAS GEBÄUDE IM STADTGEFÜGE Abb.59 abstrahierter Schwarzplan SchwabingWest

Das Gebäude des ehemaligen Karstadts liegt in SchwabingWest an der Grenze zur Maxvorstadt. Nord-westlich befindet sich in laufweite der Olympiapark. Westlich des Karstadts verläuft die Winzererstraße. Entlang dieser treffen zwei unterschiedliche städtebauliche Körnungsgrößen aufeinander: Das westliche Gebiet setzt sich aus einer, für das Stadtviertel typischen, konzentrierten Blockrandbebauung mit geschlossenen Innenhöfen zusammen. Der östliche Teil hingegen aus einer aufgelockerten Struktur in Form von Punkt- und Zeilenbauten. Die aufgelockerte Bebauung lässt sich auf die ursprüngliche Nutzung als Militäranlage zurückführen. Im ersten Weltkrieg wurde nämlich an dieser Stelle eine Kaserne errichtet, angrenzend an den damaligen Militärflughafen Oberwiesenfeld (dem heutigen Olympiapark).145 Vereinzelte Gebäude und die Grundstruktur sind noch aus dieser Zeit erhalten. Mit der direkten Lage an der Winzererstraße, befindet sich der Karstadt am Nordbad somit an einem Angelpunkt zwischen den unterschiedlichen Strukturen des westlichen und des östlichen Bereiches.

Abb.60 Schwabing-West 1943

145

Bauer, Reinhard (1993). Schwabing. Das Stadtteilbuch. München: Bavarica-Verlag, S.60


E

RERS TRAß

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ELISA


ANALYSE

DAS GEBÄUDE IM KONTEXT DER NACHBARSCHAFT

Abb.61 Lageplan 1:2000

Grünes Kulturforum Das Grundstück wird nördlich von der Elisabethstraße, östlich von der Schleißheimerstraße, südlich von der Wormserstraße und westlich von der Winzererstraße gerahmt. Besonders identitätsstiftend für das Quartier sind neben dem Karstadt die Großstrukturen des Nordbads und des Stadtarchivs. Die drei Strukturen zusammen haben das Potenzial, ein Quartierszentrum auszubilden. Sie befinden sich alle an der Schleißheimerstraße, die eine alte, radiale Wegeverbindung zwischen der Innenstadt und dem umliegenden Land ist. Das Nordbad wurde 1936-41 nach dem Entwurf von Karl Meitinger und Philip Sametzer errichtet, im Krieg zerstört und danach wiederaufgebaut.146 Auf der gegenüberliegenden Seite der Schleißheimerstraße befindet sich das Archivgebäude, das ursprünglich 1912-13 von dem Architekten Hans Grässel als Wehramt entworfen wurde. Ab 1926 wurden Dokumente des Stadtarchivs dorthin verlagert, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zog das Archiv vollständig in das Gebäude ein. Der Bau wurde 1989 mit einem Riegel zur Schleißheimerstraße erweitert. Ursprünglich war in der Erweiterung des Archivs ein öffentlich zugänglicher Bereich, zur Straße gerichtet, vorgesehen. Dieser wurde jedoch aus Kostengründen gestrichen, wodurch die Fassade nun weitgehend verschlossen ist. Der Entwurf des Architekten Hans Busso von Busse versuchte dies durch eine Freiraumplanung auszugleichen. Er wollte dafür ein Grünes Forum, einen Ort der städtischen Kultur erschaffen, um das Quartier aufzuwerten. Dazu griff er die zurückversetzte, ursprüngliche Straßenflucht auf, um so die Schleißheimerstraße zwischen Hohenzollernstraße und Elisabethstraße platzartig aufzuweiten.147 146

Bauer 1993, S.60-61 Busso von Busse, Hans (1997). Gedanken zum Raum. Wege zur Form. Stuttgart; Zürich: Karl Krämer Verlag, S. 172-173 147


110

Abb.62 Modell Grünes Forum, Hans Busso von Busse, München 1989

Die gleiche städtebauliche Situation war bereits vor dem Nordbad und Karstadt Gebäude vorhanden. Auf diese Weise sollte ein Platzensemble zwischen Nordbad und Stadtarchiv entstehen. Der Zusammenhang der beiden Straßenseiten wurde durch verschiedene Mittel noch weiter verstärkt: So wurde der Eingang des Archivs gegenüberliegend dem Eingang des Nordbads geplant und Alleebäume auf beiden Straßenseiten vorgesehen, die zusammen einen Rahmen bilden sollten. Der Bezug zwischen Stadtarchiv und Nordbad sollte außerdem durch Kunst hergestellt werden: Das oculus historiae (Auge der Geschichte) befindet sich an der Fassade des Archivs, davor steht eine, der Vergänglichkeit anmahnende, geborstene silberne Säule. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor dem Nordbad liegen die Skulpturen oculus memoriae (Auge des Erinnerns) und oculus oblivionis (Auge des Vergessens).148 Trotz dieser Bemühungen werden die Räume allerdings in der Realität durch die viel befahrene Schleißheimerstraße stark voneinander getrennt. Die, voneinander isolierten, Vorplätze bieten insgesamt wenig Aufenthaltsqualität und werden daher selten genutzt.

Abb.63 Lageplan, Grünes Forum, Hans Busso von Busse, München 1989

148 Baureferat Hochbau 1 der Landeshauptstadt München (1989). Stadtarchiv München. Der Neubau 1989. Zur Eröffnung, München, S.30


Analyse

111

Verkehr Die innerstädtische, zentrale Lage bietet den Vorteil, dass das Quartier verkehrstechnisch gut angebunden ist. Der ehemalige Karstadt liegt zwischen den U-Bahn Haltestellen Hohenzollernplatz und Josephsplatz. Zudem lässt er sich von den Tram Haltestelle Nordbad und den Bus Haltestellen Nordbad und Winzererstraße erreichen. Die umliegenden Straßen-Schleißheimerstraße, Elisabethstraße und Winzererstraße besitzen alle ein hohes Verkehrsaufkommen. Lediglich die Wormserstraße wird als Anreinerstraße genutzt und ist daher beruhigter.


112

ANALYSE

FOTOGRAFIEN + PLÄNE

Abb.64 Luftbild Karstadt am Nordbad


113

Abb.65 Ostansicht Karstadt am Nordbad

Abb.66 Stadtarchiv

Abb.67 Nordbad


114

Abb.68 Karstadt 2020

Schnitt a-a

Schnitt b-b

Ansicht Nord

Ansicht Ost


115

b a

a

c

c

b Erdgeschoss

3. Obergeschoss

Zwischengeschoss

2. Obergeschoss

Untergeschoss

1. Obergeschoss

Schnitt c-c

Ansicht Süd

Ansicht West


116

ANALYSE

VERKAUFSFLÄCHEN

Abb.69 Frisörsalon

Abb.70 Untergeschoss


117

Abb.71 Verkaufsfläche 1.OG


118

ANALYSE

MITARBEITENDEBEREICHE

Abb.72 Flur Mitarbeitende

Abb.74 Büroräume

Abb.73 Eingang Mitarbeitende + Lagerzugang


119

Abb.75 ehemalige Küche


120

Abb.76 Ausstattung


121

Abb.77 Parkrotunde



ENTWURF


124

ENTWURF

KONZEPT ALLGEMEIN Das folgende Entwurfskonzept wird anhand des Karstadt am Nordbad erläutert. Dieser besitzt eine typische Struktur für Warenhäuser der 4. Generation. Aus diesem Grund ist die Erläuterung beispielhaft und kann auf andere Warenhäuser des gleichen Typus übertragen werden.

Öffentlicher Raum

Aufteilung Bereiche

Interaktion

Vertikale Staffelung Interaktion und Gemeinschaft funktionieren auf unterschiedlichen Ebenen. Auch die Möglichkeit des Rückzugs in ruhigere Bereiche ist dabei wichtig. Dies setzt der Entwurf in seiner vertikalen Staffelung um: Das Erdgeschoss besteht aus einem fließenden, öffentlichen Raum, der sich mit dem Außenraum verbindet. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem Verkauf, eine spontane Interaktion zwischen vielen Individuen findet statt. Nach oben hin wird der öffentliche Raum introvertierter und die Grundrisse kleingliedriger. Alle Bereiche bleiben allgemein zugänglich. Der Fokus verschiebt sich aber, mit den Stockwerken, von der Interaktion der Öffentlichkeit, zum Austausch in kleineren Gruppen, bis hin zum Fokus auf das Individuum. Im 1.-2.Geschoss nimmt die Produktion größere Flächen ein, im 3.Geschoss ist die Bildung von großer Bedeutung. Die Dachfläche ist dann wieder ein durchgehend offen, fließender Raum und fördert Aktivität und Kommunikation einer breiten Öffentlichkeit. Es gibt keine starren Grenzen in dem Gebäude, die einzelnen Bereiche sind stark miteinander verwoben.


Entwurf

125

Auflösung Zweiseitigkeit Der Karstadt am Nordbad besitzt zwei stark voneinander getrennte Bereiche: Kundschaft und Mitarbeitende (vgl. Fotografien S.117-120). Durch Auflösung der starken Hierarchien zwischen der Kundschaft und der Mitarbeitenden, wurden in einem ersten Schritt auch die baulichen Grenzen geöffnet, um die Bereiche miteinander zu verweben. Danach wurde wie folgt vorgegangen:

System 1| Grundraster Erhalt bestehendes Raster der Stützen + Träger + bestende Nebentreppenhäuser

Erweiterung des System 1 Ergänzung permanente Kerne + temporäre Wände, flexibel veränderbar

Vertikale Haupterschließungen im System 1 Erhalt + Umnutzung vorhandene Parkrotunde Ergänzung um kleineren Gegenspieler

System 2 | Durchgängige Räume Ausschnitte zur Orientierung + Gliederung des Raums + Blickbeziehungen durch das ganze Gebäude


126

Abb.77 Parkrotunde

Kreislaufthema Das Thema des Warenkreislauf wird auch von der Architektur aufgegriffen. Die vertikale Bewegung der Besuchenden geht den Weg der Ware nach: Ware wird neu gekauft, dann repariert, Wissen angeeignet, mit diesem Wissen wird die Ware wieder recycelt und mit Anderen geteilt. Somit ist die Parkrotunde, als Haupterschließung, nicht mehr Symbol der autogerechten Stadt, sondern wird zum Symbol eines nachhaltigen Kreislaufdenkens. Sie ist das Rückgrat des Gebäudes und bereits von außerhalb in der Fassade sichtbar.

WISSEN ANEIGNEN

REPARIEREN RECYCELN

BESITZEN TEILEN


Entwurf

127


128 12


Entwurf

129 12


130

INNENRAUM Konzept Erdgeschoss

1. Umgang mit Höhenversprung

2. Weitere Untergliederung + Eingänge

3. Informationspunkte um Stützen

4. Möblierung

sion ion

on sion

Blickbeziehungen

Nutzung


Entwurf

Grundriss Erdgeschoss 1

a

d

5

131


132

Ansicht Ost 1:1000

Grundriss 1.OG | 1:1000

1:1000 1. OG

Grundriss UG | 1:1000

GSEducationalVersion


Entwurf

Grundriss 3.OG | 1:1000

1:1000

Grundriss 2.OG | 1:1000

1:1000

a

a

Schnitt a-a

133


134

Ansicht West | 1:1000

Ansicht Nord | 1:1000

Ansicht Süd | 1:1000


Entwurf

135

b

b

Schnitt b-b | 1:1000

c

Schnitt a-a | 1:1000

c


136


Entwurf

Dachgarten 1:1000

Dachaufsicht 1:1000

137


138

Schnitt x-x


Entwurf

139


140

ENTWURF

AUßENRAUM Das Kaufhaus der Zukunft bildet zusammen mit dem Nordbad und dem Stadtarchiv ein neues Quartierszentrum. Um dies zu erreichen, werden die umliegenden Straßen in dem Bereich um die Großstrukturen auf eine 7m breite Fahrbahn reduziert, die flexibel von Fahrrädern, dem ÖPNV und Individualverkehr genutzt werden kann. So ist das gesamte Gebiet verkehrsberuhigt und auch die bereits existierende Grünfläche westlich des Stadtarchivs wird integriert. Um die Anreise mit dem ÖPNV zu erleichtern, wird eine Bushaltestelle an der Schleißheimerstraße eingerichtet. Als Ergänzung zu den Überdachungen der Haltstellen, ist ein Pavillon vor dem Haupteingang des Kaufhauses der Zukunft geplant. Dieser verleiht dem neuen Zentrum Sichtbarkeit aus der Flucht der Schleißheimerstraße. Gleicher Platzbelag zwischen den drei Großstrukturen verbindet diese miteinander.


Entwurf 141

Lageplan 1:2000


142

Schwarzplan 1:10 000


143

FAZIT

VERÄNDERUNG - Wim Wenders Veränderung. Können wir sie uns nur vorstellen,

Wenn eine Krise beendet ist,

wenn sie uns als absolut notwendig erscheint?

wird eine neue Welt beginnen.

Wann und wie sind Menschen bereit,

Wie soll man sich die vorstellen?

sich auf Veränderung einzulassen?

Bestimmt muß sie aus einem neuen

Nur durch extreme Situationen,

Bewußstsein

wie Kriege oder Krisen globalen Ausmaßes?

von Zusammengehörigkeit entstehen.

Die meisten von uns

Brüderlichkeit oder Solidarität…

Ein Neuentdecken von Gleichheit, kennen sowas praktisch nicht ( ... )

Haben wir zu diesem Umdenken die Kraft? ( ... )

Aber erleben wir nicht gerade JETZT ALLE ZUSAMMEN, zum ersten Mal,

Nicht, wenn wir nur zurückwollen

auf dem ganzen Planeten

zu „business as usal“,

etwas, das uns allesamt bedroht?

Wachstum allein darf einfach nicht mehr

Und werden wir dabei nicht gerade gezwungen,

Die heilige Kuh der Politik sein

das GEMEINWOHL wiederzuentdecken,

Im Mittelpunkt einer neuen Ordnung

die Abhängigkeit voneinaner,

müssen ein soziales Denken für die

die Verantwortung füreinander?

Menschheitsfamilie und ein klimabewußtes Handeln

Unsere neue Erfahrung der Isolation

für den Planeten stehen.

Des Abgetrennt-Seins, auf sich selbst geworfen zu sein,

Nichts kann also DANACH notwendiger sein

die große Sehnsucht nach…Kontakt,

Als VERÄNDERUNG!

wie verändert das alles die Wertschätzung von Gemeinschaft oder „Gesellschaft“?

Kurzfilm von Wim Wenders zu Zeiten der Covid-19 Pandemie, 4 Wände Berlin, https://www.youtube.com/ watch?v=h0AURF9Vs-k, letzter Abruf: 07.03.2021.


144

FAZIT

UTOPIE wird REALITÄT Wie können wir unsere Gesellschaft zukünftig ökologisch und sozial nachhaltig verändern? Die Masterthesis zeigt insgesamt auf, warum Handlungsbedarf besteht, Konsumstrukturen grundlegend zu überdenken. Bis zum heutigen Zeitpunkt ist die Wirtschaft darauf ausgelegt, einen immer schnelleren Warenumlauf zu erzeugen, mit dem Ziel des größtmöglichen finanziellen Profits. Durch die enge Verbindung zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Strukturen, geht dieses System auf Kosten von Mensch und Umwelt. Probleme wie Marginalisierungsprozesse und Umweltzerstörung spitzen sich durch den wachsenden Konsum immer weiter zu. Mit der voranschreitenden Kommerzialisierung unseres alltäglichen Lebens wurde auch die Beziehung von Markt, Stadt und Öffentlichkeit in Frage gestellt. Die Verlagerung des Marktes in (virtuell oder physisch) abgeschlossene Orte, führte zum Verlust der Verbindung mit der Stadt und dem Ausschluss einer politischen Öffentlichkeit. Inzwischen sind die damit verbundenen Probleme so akut geworden, dass sie immer mehr in das gesellschaftliche Bewusstsein rücken. Es gibt bereits Ansätze auf verschiedenen Ebenen, um Alternativen zu dem heutigen Konsumkonzept zu finden. Bisher befinden sich diese jedoch häufig in Nischenbereichen, sind wenig miteinander verknüpft und sprechen lediglich einzelne Gruppen an. Aus diesem Grund ist für eine nachhaltige Zukunft ein viel breiteres Umdenken erforderlich. Die Symptome sollten daher nicht nur einzeln bekämpft werden, sondern verlangen eine tiefgreifende Veränderung der Ausrichtung von Politik, Unternehmen, Produzierenden und des Konsumverhaltens des Einzelnen. Die vorgestellte Utopie der Masterthesis hat weder den Anspruch darauf die einzig Richtige zu sein, noch auf Vollständigkeit,


Fazit

145

sie soll jedoch zu einem kritischen Hinterfragen und Umdenken anregen. Anhand der konkreten Utopie wird deutlich, dass es sich bei den Ansätzen nicht nur um unerfüllbare Wunschbilder handelt, sondern dass diese auch tatsächlich umgesetzt werden können. Die Architektur ist dabei Symbol, beziehungsweise Manifestation unserer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen. Durch den Übergang zu neuen Shoppingerlebnissen, wie dem Online-Shopping, ist das Konzept der Konsumarchitekturen veraltet und ihr physischer Raum verliert seine Bedeutung. Damit befindet sich die Architektur derzeitig in einer Sinnkrise. Das notwendige Neudenken von sozialen und ökonomischen Strukturen muss somit auch die Gebäude des Konsums selbst neu definieren. Dadurch können sie wieder auf andere Art und Weise an Bedeutung gewinnen. Der Entwurf Karstadt am Nordbad zeigt anhand eines realen Gebäudes auf, wie die Utopie des physischen Raums umgesetzt werden könnte. Zum Zeitpunkt der Bearbeitung der Masterarbeit wurde allerdings bereits mit dem Abriss des Gebäudes begonnen. An diesem konkreten Ort bleibt daher die Verwirklichung eines neuen Konsumdenkens lediglich als Wunschbild erhalten. Der Karstadt am Nordbad, als Konsumarchitektur der 60er Jahre, ist allerdings kein Einzelfall. Auch zukünftig werden Kaufhäuser des gleichen Typus schließen. Das Grundkonzept des Entwurfes ist daher losgelöst vom spezifischen Gebäude gedacht und wurde erst im nächsten Schritt mit dem Ort in Verbindung gesetzt. Somit kann das Konzept auf andere Warenhäuser übertragen werden. Damit haben wir die Möglichkeit, unsere Zukunft neu zu gestalten. Markt, Stadt und Öffentlichkeit können wieder auf neue Weise in Verbindung zueinander gesetzt werden. Mit der Schließung der Warenhäuser haben wir jetzt die Chance, einen egalitären Raum zu erschaffen. Anstelle des Profits einzelner Investoren kann ein Nutzen für die Allgemeinheit treten. Wagen wir eine Veränderung. Bringen wir die Realität ein Stück näher zur Utopie. Handeln wir!



ANHANG


148

ABBILDUNGSNACHWEIS Titelbild eigene Darstellung

THEORIE Abb.01 | Collage Shopping = Everything v.l.n.r.: Leong 2017, S.143 | ebd., S.142 | ebd., S.143 | ebd., S.137 | ebd., S.139 | ebd., S.137| ebd., S.141 | ebd., S.145 Abb.02 | Collage Passage v.l.n.r.: Geist 1969, S.521| ebd., S.510| ebd., S.519 | ebd., S.359 |ebd., S.364 | Gavarni, Paul Abb.03 | Crystal Way project, London 1855 Geist 1969, S.519 Abb.04 | Crystal way project, Royal Arcade, London 1855 Geist 1969, S.521 Abb.05 | Lower Arcade,Bristol 1824-1825 Geist 1969, S.359 Abb.06 | Passage Galerie de la Reine, Brüssel ,1847 Geist 1969, S.364 Abb.07 | Galerie Véro-Dodat, Paris 1826 Geist 1969, S.510 Abb.08 | Le flâneur, 1842 Gavarni, Paul (public domain) Abb.09 | Prinzip Passage eigene Illustration Abb.10 | Collage Warenhaus v.l.n.r.: Frei 1997, S.83 | Frei 1997, S.83, Ilmberger 2016, S.74 | Ilmberger 2016, S.75 | eigene Fotografie | Frei 1997, S.127 Abb.11 | 1.Generation, Innenraum, Kaufhaus Tietz, Berlin Frei 1997, S.83 Abb.12 | 1.Generation Kaufhaus Tietz, Berlin Frei 1997, S.83 Abb.13| 2.Generation Kaufhaus Schocken, Erich Mendelson, Stuttgart 1924-26 Ilmberger 2016, S.74 Abb.14 | 3.Generation, Warenhaus Horten (zuvor Merkur), Neuss 1962 Ilmberger 2016, S.75

Abb. 19 | Innenraum Southdale Center, Victor Gruen, USA, Edina 1956 Bader 2016, S.43 Abb.20 | Grundriss Southdale Center, Victor Gruen, USA, Edina 1956 Bader 2016, S.45 Abb.21 | Luftaufnahme, Main-Taunus Zentrum, bei Frankfurt 1964 Bader 2016, S.62 Abb.22 | Werbeplakat, Main-Taunus Zentrum, bei Frankfurt 1964 Bader 2016, S.62 Abb.23 | Prinzip Shopping Mall eigene Darstellung Abb. 24 | Vogelperspektive Northland Center, Victor Gruen, USA, Michigan 1954 Bader 2016, S.95 Abb.25-28 | Diagramme Zusammenfassung Entwicklungen eigene Illustrationen Abb.29 | Ein neuer Weg - das Kaufhaus der Zukunft eigene Illustration Abb.30 | Prinzip Utopie Markt-StadtÖffentlichkeit eigene Illustration Abb.31 | Hauptakteure zur Veränderung des Konsumkonzepts eigene Illustration Abb.32 | Kaufhaus der Zukunft als Lehr- und Produktionszentrum mit Verkauf eigene Illustration Abb.33 | Bisherige Beziehung Kundschaft - Verkaufende eigene Illustration Abb.34 | Beispiel für mögliche Rollen + Beziehungen der Akteur*innen eigene Illustration Abb.35 | Geldexperiment eigene Illustration Abb.36 | Tausch eigene Illustration

Abb.15 | 4.Generation Karstadt am Nordbad, München 1968 eigene Fotografie

Abb.37 | Mitgliedschaft eigene Illustration

Abb.16 | Prinzip Warenhaus eigene Illustration

Abb.38 | Common peer production eigene Illustration

Abb. 17 | Au Printemps, Paul Sédille, Paris 1865 Frei 1997, S.127

Abb.39 | Überblick Preis der Waren eigene Illustration

Abb.18 | Collage Shopping Mall v.l.n.r.: Gruen Broschüre, Southdale Center 1965, Archiv Anette Baldauf | Bader 2016, S.95 | Bader 2016, S.43| Bader 2016, S.45 | Bader 2016, S.62 | Bader

Abb.40 | Diagramm Beziehungen + Kreisläufe der Kategorien eigene Illustration


149

Abb.41 | Prinzip des Community Land Trust eigene Illustration Abb.42 | Finanzierungssystem eines CLTs eigene Illustration Abb.43 | Diagramme Raumkonzept eigene Illustration Abb.44 | Bereiche des Kaufhaus der Zukunft eigene Illustration Abb.45 | Bereiche Verkauf eigene Illustration Abb.46 | Prozess eigene Illustration Abb.47 | Raumbezüge Verkauf eigene Illustration Abb.48 Bereiche Produktion eigene Illustration Abb.49 | Raumbezüge Produktion eigene Illustration Abb.50 | Bereiche Bildung eigene Illustration Abb.51 | Raumbezüge Bildung eigene Illustration Abb.52 | Raumbezüge Insgesamt eigene Illustration Abb.52 | Collage Karstadt am Nordbad eigene Illustration, Luftbild: Prof. Florian Musso Baukonstruktion und Baustoff kunde, TU München

ANALYSE Abb.53 | monofunktionale Shopping- Bauten in München eigene Illustration Abb.54 | Merkmale Warenhaustypus der 4. Generation eigene Illustration Abb.55 | Zirkulation eigene Illustration Abb.56 | Aufbau Bereiche eigene Illustration Abb.57 | Zweiteilung Mitarbeiter*innen <-> Kundschaft eigene Illustration Abb.58 | Karstadt am Nordbad nach der Schließung Oktober 2020 erste Abb. v.l.: Oliv Architekten, Thomas Sutor 2020, eigene Fotografien Abb.59 | abstrahierter Schwarzplan Schwabing-West eigene Illustration

Abb.60 | Schwabing-West 1943 Bayrisches Stadtsministerium der Finanzen und für Heimat.Bayernatlas.[Webpage] In: https://geoportal. bayern.de/bayernatlas/?lang=de&topic=zeitr&bgLayer=atkis&E=690238.29&N=5337655.03&zo om=10&time=1941&layers=zeitreihe_tk&layers_ timestamp=19411231, letzter Abruf: 20.03.2021 Abb.61 | Lageplan 1:2000 eigene Illustration Abb.62 | Modell Grünes Forum, Hans Busso von Busse, München 1989 v. Busse, Busso 1997, S.174 Abb.63 | Lageplan, Grünes Forum, Hans Busso von Busse, München 1989 Baureferat Hochbau 1 der Landeshauptstadt München 1989, S.24-25 Abb.64 | Luftbild Karstadt am Nordbad Prof. Florian Musso Baukonstruktion und Baustoffkunde, TU München Abb.65 | Ostansicht Karstadt am Nordbad eigene Fotografie Abb.66 | Stadtarchiv Prof.Andreas Hild, Umbau, Entwerfen und Denkmalpflege, TU München Abb.67 | Nordbad Prof.Andreas Hild, Umbau, Entwerfen und Denkmalpflege, TU München Abb.68 | Karstadt 2020 eigene Fotografie Plangrafik: Prof. Florian Musso Baukonstruktion und Baustoff- kunde, TU München Abb.69 | Frisörsalon eigene Fotografie Abb.70 | Untergeschoss eigene Fotografie Abb.71 | Verkaufsfläche 1.OG eigene Fotografie Abb.72 Flur Mitarbeitende eigene Fotografie Abb.73 Eingang Mitarbeitende + Lagerzugang eigene Fotografie Abb.74 Büroräume eigene Fotografie Abb.75 ehemalige Küche eigene Fotografie Abb.76 Ausstattung eigene Fotografie Abb.77 Parkrotunde eigene Fotografie

ENTWURF Alle Abbildungen sind eigene Darstellungen


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