Bio-Fibel #14

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BIO-FIBEL ZEITSCHRIFT FÜR WISSEN AUS DER BIOLOGISCHEN LANDWIRTSCHAFT

Alois Posch – Der Mister Bio im Lebensministerium Bio-Eierfärberei – Wo der Osterhase malen lässt Bio-Schinken – Salz in meinen Adern Bio-Junghahnmast – Lieber slow als tot

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EDITORIAL

DAS EI DES OSTERHASEN! Seit fast 2000 Jahren feiern wir mit Ostern das Fest der Auferstehung. Seit etwa 60 Jahren versteckt der Osterhase Ostereier. Beide gelten als Symbole der Fruchtbarkeit. Während den Osterhasen wahrscheinlich noch niemand gesehen hat, gibt es die Eier in solchen Massen, dass die Zahlen jedes Mal Erstaunen auslösen. Rund um Ostern werden in Österreich 50 Millionen Eier zuerst versteckt, dann gepeckt und schließlich gegessen. Bei einem Bio-Anteil von 18 % aller verkauften Schaleneier legt der Osterhase 9 Millionen Bio-Ostereier in die österreichischen Nester. Der Erfolg der Bio-Freilandhaltung ist eines der wenigen Beispiele für einen wirklichen Siegeszug einer tiergerechten Produktionssparte. Während in allen anderen tierischen Zweigen nach wie vor das Dogma „Masse und Intensität“ die Produktion beherrscht, hat sich just bei den Legehennen, die in den Käfigen exemplarisch gequält wurden, sowohl bei den Konsumenten als auch bei den Bauern ein neues Tierschutz- und Qualitätsverständnis entwickelt. Auch mit der Bereitschaft, für ein gutes Frühstücksei mehr zu zahlen. Es war im Jahr 1987, also genau vor 25 Jahren, da haben junge Tierärzte der Kritischen Tiermedizin – der Vorläuferorganisation des Freiland Verbandes – die ersten Legehennenrichtlinien, die nach ethologischen Kriterien erstellt wurden, veröffentlicht. Begleitend dazu wurde ein Kontrollsystem entwickelt und ein Bezahlungsschema ausgearbeitet. Die Kontrolle garantierte den Konsumenten das Mehr an Tiergerechtheit und der Mindestpreis sicherte den Bauern ein faires Einkommen. An und für sich hat das damalige Konzept bis heute gehalten und zählt zur Basis der Erfolgsgeschichte. Seit 1.1.2012 sollten alle alten Legehennenkäfige EU-weit der Vergangenheit angehören. Sollten, da es einige EU-Staaten mit der Umsetzung der Vorschrift nicht ganz so ernst nehmen wie wir in Österreich. Das ist zwar bedauerlich, kann aber das Ende dieser Tierquälerei nur verzögern, nicht aber aufhalten. Ganz täuschen lassen sollte man sich aber auch nicht, denn die EU – und im Speziellen Österreich – zählen bei der neuen Tiergerechtheit der Legehennenhaltung sicher zu einer Insel der Seligen. Von den 1.182.292.614.000 weltweit produzierten Eiern stammt nämlich nach wie vor der bei weitem überwiegende Anteil aus Käfighaltung. Die Bio-Landwirtschaft hat mit Käfigen so oder so nichts zu tun. Dadurch hat sie den Kopf frei und denkt schon mehrere Schritte weiter. In der aktuellen Ausgabe der Bio-Fibel portraitieren wir Menschen, denen beste Bio-Lebensmittel ein ehrliches Anliegen sind, die sich daher mit dem gesetzlichen Mindestmaß nicht zufriedengeben und Neues ausprobieren. Ich wünsche Ihnen viel Lesespaß mit der neuen Bio-Fibel und frohe Ostern!

INHALT

Reinhard Geßl, Herausgeber

Mission Impossible: Bio – übernehmen Sie! 3 Mein Name ist Kaninchen... 9 Farbe bekennen 11 Die Brüder der Legehennen 13 Salz in den Adern 15 Das große Spe(c)ktakel 16 Zehn Jahre Weinviertel DAC: Reihenweise Ursprungsweine 18 Shortcuts 20, 21, 22 Impressum, Offenlegung 22

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IM GESPRÄCH

MISSION IMPOSSIBLE: BIO, ÜBERNEHMEN SIE! Österreichs Bio-Landwirtschaft schreibt seit 20 Jahren eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. In diesem Fach gelten wir seither als amtierende und praktisch unschlagbare Bio-Europameister. Der Erfolg mag viele Väter haben, ganz wesentliche Anteile daran hat erfreulicherweise die österreichische Agrarpolitik.

Als das Lebensministerium Alois Posch 1988 ein zartes Pflänzchen in Form einer Bio-Abteilung zur Leitung übergeben hat, da ahnte noch niemand, dass der „kleine rote“ Beamte dies im Sinne eines letzten Mohikaners als Mission wahrnehmen würde. Mit seiner unvergleichlich bescheidenen Art hat er sich unermüdlich und oft gegen harte Widerstände für „seine“ Biologische Landwirtschaft als Speerspitze einer

umweltgerechten, artgemäßen, biodiversen und nachhaltigen Landwirtschaft eingesetzt. Heute gilt Österreichs Bio-Landwirtschaft als Sehenswürdigkeit mit mehrfachem Zusatznutzen. Anlässlich seiner kurz bevor stehenden Pensionierung trafen wir den Lieblingsbeamten der Bio-Landwirtschaft in seinem schmucklosen Büro im Lebensministerium, um ihm für seinen Einsatz und überhaupt zu danken sowie um seine Leistungen vor den Vorhang zu holen. Dabei plauderten wir über politische Farbenspielereien in der Argarpolitik, den Futterneid an den Fördertrögen, die Unschärfe zwischen gesund und ungesund, beratungsresistente Kantinen sowie über Glücksmomente einer langen Beamtenkarriere.

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IM GESPRÄCH

Herr Ministerialrat Posch, 2011 beging das Landwirtschaftsministerium ein Jubiläum: 25 Jahre ÖVP-Dominanz. Angeblich soll sich all die Jahre ein „roter Beamter“ im schwarzen Haus gehalten haben. Können Sie uns bitte den Namen verraten, wir würden dem Herrn gern Blumen überreichen… Schweigen, Lächeln und Handeln ist bisweilen die beste Antwort. Ministerialrat Posch nimmt die Blumen entgegen, steht auf und holt ein Wasserglas – frischt die Blumen ein und nimmt wieder Platz. So, jetzt beginnen wir aber mit dem Interview… War es hart als SPÖler in der Landwirtschaft zu überleben? Nein. Hart war es nicht, aber schon eine Umstellung als der rote Minister Haiden gegangen und der schwarze Landwirtschaftsminister Riegler gekommen ist. Sie sind dann bald in eine andere Abteilung entschwunden? Darauf war ich geistig vorbereitet. Meine ursprüngliche Abteilung im Ministerium unter SP-Landwirtschaftsminister Haiden war strategisch wichtig, eine sogenannte Grundsatzabteilung. Daher war es eigentlich klar, dass es zu Umgestaltungen kommen wird. Ich bin dann vom Präsidium in die „Sektion Landwirtschaft“ gewechselt. Ich persönlich hab’ mich allerdings nie beleidigt ins Eck gestellt, sondern mich für andere Aufgaben engagiert, es gab ja eine Menge zu tun: Zum Beispiel die GATT-Unterlagen (General Agreement on Tariffs and

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Trade) oder die Förderungsrichtlinien, die wir von 30 aufgesplitteten Richtlinien in eine zusammengefasst haben. Ein „falsches Parteibuch“ kann aber auch ein richtiger Glücksfall sein. Ihnen wurde die „Biologische Landwirtschaft“ anvertraut. Offenbar hat man nach und nach im Ministerium den Eindruck gewonnen, der Posch ist arbeitswillig und verlässlich. Minister Riegler hat mich dann 1988 mit der Aufgabe „Biologische Landwirtschaft“ betraut. Ein neuer, spannender Arbeitsbereich im Ministerium. Das war für mich ein wirklich großer Glücksfall. Mit der ÖVP und Landwirtschaftsminister Riegler hat also die Erfolgsgeschichte des österreichischen Biolandbaus begonnen? Das kann man so nicht sagen. Der SP-Minister Haiden hat auch schon Bio unterstützt, aber eher im Stillen. Im Nachhinein bin ich dem SPÖler Haiden dankbar, dass er das so still gemacht hat, denn sonst hätte der ÖVP-Mann Riegler nicht den Biolandbau als neuen Weg in der Landwirtschaft aufzeigen können. Der Biolandbau war dadurch parteipolitisch unbelastet. Als dann Riegler die Diskussionen geführt hat, welche neuen Wege und Ziele in der Agrarpolitik verfolgt werden sollen, da hat die Biologische Landwirtschaft den Vorstellungen entsprochen und konnte prominent in den Vordergrund gerückt werden, mit einem eigenen Aufgabengebiet, einem eigenen Budget. Riegler hat zweifellos mit seiner Politik Bio salonfähig

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IM GESPRÄCH

gemacht. Damit haben aber sicher nicht alle in der ÖVP eine Freude gehabt. Sie haben 1988 den Biolandbau mit knapp 250 Betrieben unter Ihre Fittiche genommen. Ein paar Jahre später, 1995, gab es in Österreich bereits 20.000 Biobetriebe. Was war das Erfolgsgeheimnis? Das Verständnis und Bewusstsein für Bio wurden in der Öffentlichkeit enorm gehoben. Der ORF hat schon sehr früh Beiträge – ja, ganze Filme zum Thema Bio gemacht und regelmäßig darauf hingewiesen, wie gut das für die Umwelt ist, wie gut es auch für einen persönlich ist. Ich bin schon sehr stolz, dass die Medien und dann vor allem die österreichischen Konsumenten den Biolandbau von Anfang an sehr geschätzt haben. In Frankreich oder Italien hätte damals wohl kaum eine Supermarktkette Interesse gehabt, Bio in ihre Regale zu stellen, so wie’s in Österreich passiert ist. Also dieses öffentliche Bewusstsein war ausschlaggebend – das hat wiederum den Boden in der Politik aufbereitet. In dieser allgemeinen positiven Stimmung hat sich die Politik auch weiter entwickelt: 1990 haben wir zum Beispiel ein Pilotprojekt für „umweltfreundliche Bewirtschaftung“ gemacht. Da haben die Biobauern erstmals Förderentgelte für ihre ökologische Wirtschaftsweise bekommen. Also nicht nur für ihre Bio-Organisationen, sondern direkt als Bauern.

Das hört sich nach einem Gerangel an den Futtertrögen an – konventionell gegen bio? Reibereien gibt es bis heute zwischen den verschiedenen Lagern. Mein Bemühen war es immer, diese Gegensätze erst gar nicht aufkommen zu lassen – soweit ich halt Einfluss darauf hatte. Es geht ja nicht um „gut“ und „böse“ in der Landwirtschaft, sondern um eine umweltfreundliche Wirtschaftsweise. Ja, eine umweltfreundliche Landwirtschaft ist zweifellos gut, aber deshalb ist alles andere nicht automatisch schlecht. Mit dieser Haltung ist uns viel gemeinsam gelungen. Das zeigt auch unser

Manche Zyniker meinen, der Bio-Erfolg basiere eigentlich auf dem agrarpolitischen System „Tausche Giftspritze gegen Geldspritze“. Nein. Mit diesen Fördermaßnahmen wurden wichtige Instrumente für umweltfreundliche Leistungen geschaffen. Das haben wir dann relativ rasch weiter entwickelt: 1991 gab es die Umstellungsförderung auf Biologische Landwirtschaft, 1992 haben wir dann ein ähnliches Modell kreiert, wie es heute noch besteht: Alle biologisch wirtschaftende Betriebe haben in diesem Modell eine Abgeltung für ihre ökologischen Leistungen bekommen. Darüber war sogar ich überrascht, denn ich hätte mir nie gedacht, dass die Politik diesen revolutionären Schritt wagt: Allen Bauern unbefristet, also auf Dauer, Förderungen zu gewährleisten. Das war in Europa einmalig.

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IM GESPRÄCH

die Nachfrage kontinuierlich gestärkt worden. Das war auch immer ein wesentliches Ziel der Politik: Eine harmonische Entwicklung zwischen Angebot und Nachfrage sicherzustellen. Wir haben zwar immer gesagt, wir gelten die Umweltleistungen der biologischen Landwirte ab, wir fördern aber nicht, dass Bio produziert wird. Die Umweltleistung ist eine Aufgabe der Gesellschaft und nicht nur des einzelnen Bauern, daher muss man diese Leistung für die Gesellschaft mit Steuergeld abgelten. Aber wir wollten und wollen nicht, dass Bio nur wegen der Förderung produziert wird. Ein Gleichgewicht zwischen Produktion und Nachfrage ist da unerlässlich. Und wie gesagt: In Österreich gibt es heute dieses Gleichgewicht und Bio wächst trotzt der Krise. Sind für einen neuen Bio-Schub nicht Maßnahmen wie „Mehrwertsteuer-Befreiung auf gesunde Lebensmittel“ notwendig? Nein. Wenn die Nachfrage nicht vom Motiv her getragen wird, soll man das nicht mit Geld zu steuern versuchen. Als erfahrener Bürokrat weiß ich sehr gut, wie schwierig es ist, Grenzen zwischen „gesund“ und „ungesund“ zu ziehen. Nur weil Bio weitgehend gesund ist, heißt das ja noch lange nicht, dass alles andere ungesund ist. Nein, so einfach ist die Welt auch wieder nicht. Agrarumweltprogramm – alle Gruppen werden da gut bedient und gleichzeitig steht außer Streit, dass Bio die Speerspitze der „Umweltfreundlichen Bewirtschaftung“ ist. Kurze Zwischenfrage: Sind die Bio-Funktionäre bei den Förderverhandlungen wirklich die schlimmsten „Wadlbeißer“? Das empfinde ich nicht so. Die Bio-Funktionäre kämpfen nicht stärker darum als alle anderen auch. Tatsache ist, wenn man biologisch wirtschaftet, hat man niedrigere Erträge und ohne bestimmte Entgelte für die Umweltleistungen rechnet sich das für die meisten nicht. Bei aller Bio-Euphorie in Österreich fällt eines auf: Seit dem Bio-Boom in den 90er Jahre stagnieren die Zahlen. Die Betriebszahlen haben sich bei 20.000 eingependelt, die Flächenzuwächse sind bescheiden. Ist Bio am Zenit? Gut, die steilen Zuwachskurven beim Bio-Konsum sind etwas abgeflacht. Aber trotz Krisenzeiten hat die Nachfrage nach Bio ständig zugenommen! Bio hat sich in Österreich als krisenfest erwiesen – und da sollten wir schon stolz drauf sein. Wir dürfen nicht vergessen: Der Bio-Markt ist in Österreich auf einem sehr hohen Niveau und hat sich dort gut etabliert. In den Anfängen ist die Nachfrage öfters zwischen „zu wenig“ und „zu viel“ hin und her gependelt. Mit dem Einstieg der Supermarktketten ist

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Apropos gesund und ungesund: Dem Biolandbau wird gegenwärtig vorgeworfen, dass er sich in eine höchst ungesunde Richtung entwickle – nämlich in Richtung intensiver, konventioneller Landwirtschaft? Ja, es gibt einzelne Betriebe, die Bio auch sehr intensiv betreiben. Wenn ich einen Milchkuhbetrieb mit einer Leistung von mehr als 10000 kg pro Kuh sehe, dann tue ich mir persönlich auch schwer. Das ist dann von der Bio-Philosophie doch weit weg. Aber so viele gibt es von diesen Betrieben nicht. Ich bin fest davon überzeugt: Die Konsumenten können noch sehr, sehr gut darauf bauen, dass Bio weitgehend der Philosophie entspricht, eine an die Natur angepasste Produktionsform ist und bleibt. Was sagen Sie als „alter Bürokrat“ eigentlich zu gesetzlich verordneten Leistungsgrenzen für Biobetriebe? Leistungsobergrenzen für Bio einführen? Wäre sicher eine Möglichkeit – ja, könnte man diskutieren. Die Frage stellt sich ja auch im Bereich der Pflanzenproduktion. Wenn Biobauern eher einen hohen Anteil an Getreide und „Cash-Früchten“ im Auge haben als die Fruchtfolge – dann belastet das den Boden und geht in Richtung Konventionalisierung. Darüber muss man sich Gedanken machen. Allerdings darf man damit Bio nicht in Verruf bringen. Es ist ja eigentlich das Gegenteil der Fall: Die Richtlinien und Bedingungen werden für Bio immer strenger.

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Auf EU-Ebene stehen mit der Neuausrichtung der „Gemeinsamen Agrarpolitik“, der GAP, äußerst wichtige Entscheidungen für den Biolandbau an. Welche Rolle wird Bio in Zukunft spielen? Ich bin sicher, dass die Biologische Landwirtschaft auch bei der Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik einen hohen Stellenwert einnehmen wird. Es liegt ja von der EU sogar ein Vorschlag vor, Bio als eigene Maßnahme aus dem Agrarumweltprogramm herauszunehmen und mit einigen Vorteilen auszustatten. Auf jeden Fall kann man heute schon sagen, Bio bleibt in der EU-Agrarpolitik wichtig. Was freilich nicht automatisch heißt, dass es für die Biologische Landwirtschaft keine Veränderungen geben kann – auch was die Förderung betrifft. Aber im Vergleich zu den anderen Bereichen wird Bio sicher ganz vorne sein. Sie haben die letzten 35 Jahre den heimischen Biolandbau entscheidend mitgeprägt. Was war Ihr schönster Moment? Der glücklichste Moment war für mich, Bio überhaupt als Aufgabe bekommen zu haben. Das hat mich wirklich sehr glücklich gestimmt. Und freilich habe ich da immer auch meine Träume gehabt: Ein Traum war beim Budget die BiobauernMilliarde zu erreichen, also in Schilling. Dieser Traum ist zum Glück längst in Erfüllung gegangen. Weil wir schon beim Geld sind. Jetzt wo Sie in Pension gehen, kann man ja offen drüber reden: Wie viele Biobetriebe wurden Ihnen im Laufe der Karriere angeboten? Mir wurde natürlich nie ein Biohof angeboten. Aber ich habe zum Glück viele, gute Freunde im Biolandbau gefunden. So gesehen würden sich viele Biobauernhöfe finden, auf denen ich schöne Momente verbringen dürfte.

Aber Ihr Kühlschrank ist auf Bio umgestellt? Das kann ich mit guten Gewissen sagen – in meinem Kühlschrank sind sehr viele Bioprodukte drinnen. Danke für das Gespräch. Mir fehlt da noch ein wichtiger Punkt. Ich möchte mich bei all jenen bedanken, die für die erfolgreiche Entwicklung der Biologischen Landwirtschaft in Österreich verantwortlich sind. Einerseits bei den Biobäuerinnen und Biobauern, ohne die es ja keine biologischen Lebensmittel gäbe. Und andererseits bei den Konsumenten für ihre Bereitschaft, Bio mit höheren Preisen zu honorieren. Wir vom Lebensministerium können solche Initiativen natürlich bestmöglich unterstützen, aber wir können nur etwas fördern, was da ist und von den Bauern und Konsumenten gemeinsam getragen und entwickelt wird. Darum danke ich allen, die bei der Erfolgsgeschichte des österreichischen Biolandbaus mitgewirkt haben.

Als Beamter mit 52 in Pension zu gehen - ist das ein gutes Gefühl? Schön wär’s, es sind mehr als 64 Jahre. Noch eine abschließende Frage: Haben Sie auch die Kantine im Lebensministerium auf Bio umgestellt? Nein. Da sind wir mit Bio leider nicht erfolgreich gewesen. Zwar gab es ein paar Bemühungen in diese Richtung, aber die sind von den Betreibern eher lieblos ausgefallen. Die Leute haben meistens gar nicht überrissen, dass das Angebot außer etwas teurer auch biologisch war. Freilich fehlte dann der Zuspruch und mit der schlechten Nachfrage hatte man dann auch das passende Argument zur Hand, nicht mehr Bio anzubieten. Ich habe immer mit einem etwas neidischen Blick zu unseren Kollegen im Umweltteil des Lebensministeriums geschaut – die haben in ihrer Kantine in der Stubenbastei einen feinen Bio-Anteil.

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Karl Erlach junior h채lt die Tradition der Bio-Kaninchenhaltung hoch


BIO-WISSEN

MEIN NAME IST KANINCHEN … Kaninchen sind neben Meerschweinchen die kleinsten Nutztiere, die Grünfutter zu für uns Menschen hochwertigen Produkten veredeln. Der geringe Flächenbedarf und die hohe Produktivität führten dazu, dass billiges Kaninchenfleisch heute überwiegend aus ausländischer Käfighaltung stammt. Bio-Kaninchen haben es da schon besser.

Alle „Hasen“ in menschlicher Obhut sind in Wirklichkeit gar keine Hasen, sondern Kaninchen. Zoologisch gehört das Kaninchen zur Ordnung der Hasenartigen. Auch wenn Hase und Kaninchen umgangssprachlich synonym verwendet werden, gehören die beiden zu unterschiedlichen Gattungen und können nicht miteinander gekreuzt werden. Kaninchen haben eine Chromosomenzahl von 44, der Hase hingegen von 48. Kaninchen sind 30-32 Tage trächtig, sie gebären 4-12 Junge, die nackte und blinde Nesthocker sind. Hasen bekommen 1-4 Junge, die bei der Geburt behaart sind, bereits sehen und bald das Nest verlassen. Zudem bevorzugen Kaninchen hügeliges Gelände mit Unterholz, in dem sie gesellig in Erdbauten wohnen, während der Hase in weiten, ebenen Räumen lebt. Kaninchen sind nicht mit Nagetieren verwandt. Kaninchenhaltung zählt in Österreich zum Minderheitenprogramm. Dabei weisen Kaninchen wegen ihrer hohen Reproduktionsrate, mit dem kürzesten Generationsintervall aller Nutztiersäuger, bei der „Erzeugung“ von Fleisch die höchste Flächenproduktivität auf. Billiges Kaninchenfleisch – sei es im Supermarkt oder in der Gastronomie – stammt in der Regel aus ausländischen, tierquälerischen Käfigsystemen. Je Quadratmeter werden etwa 20 Tiere auf einem scharfkantigen Gitterboden zusammengepfercht. In Österreich gibt es seit 2008 ein Umdenken. Damals hat Vier Pfoten schockierende Bilder aus einem österreichischen Käfigbetrieb veröffentlicht. Daraufhin nahmen die Supermärkte Kaninchenfleisch dieses Betriebes aus dem Sortiment und die Ausarbeitung neuer Vorgaben für das Österreichische Tierschutzrecht begann. Der Neubau von Käfighaltungen für Kaninchen ist seit 1.1.2012 in Österreich verboten. Bio-Bauer Karl Erlach sen. wurde eher zufällig ein KaninchenTierhaltungsexperte. In seiner Funktion als Mitglied jener Kommission, die sich um die Bio-Agenden im Österreichischen Lebensmittelbuch kümmert, stieß er auf die Frage: Wie beschreibt und bemisst man eine tiergerechte Bio-

Kaninchenhaltung? Als Mann der Praxis stallte er vor fünf Jahren kurz entschlossen in drei Durchgängen jeweils drei Gruppen Mastkaninchen auf seinem Betrieb nahe der Rax ein und variierte konsequent mit Stalleinrichtungsgegenständen, Stallstrukturierungen und Auslaufgestaltung. „Die Kunst einer guten Kaninchenhaltung besteht darin, dass die Tiere sich trotz der einengenden Stallsituation ausreichend bewegen können, Fluchtdistanzen eingehalten werden können, der Auslauf trocken bleibt und somit die gefürchteten Kokzidien weniger Chance haben“. Die Erkenntnisse Erlachs wurden mit den Ergebnissen der wissenschaftlichen Literatur kombiniert. Wer heute in Österreich Bio-Mastkaninchen hält, muss je Tier bis zur 8. Lebenswoche mindestens 0,125 m² und danach mindestens 0,167 m² im Stall und mindestens 0,125 m² im befestigten Freiauslauf anbieten. Die Mindestmaße für eine zusätzliche Weide betragen 2 m²/Tier. In Kombination mit einer mittelgroßen, nicht zu rasch wachsenden Rasse garantieren die Codexvorgaben somit eine tiergerechte Bio-Haltung. Karl Erlach: „Was uns bei den Legehennen bereits geglückt ist, nämlich diese aus den alten Käfigen zu befreien, das wird bei Kaninchen europaweit noch lange dauern, dazu fehlt einfach eine Lobby. Deshalb muss die Eigenverantwortung auf den Plan. Wenn wer Kaninchenfleisch will, dann muss dies immer aus kontrollierter Bio-Landwirtschaft kommen, denn zu sagen ‚Mein Name ist Hase und ich weiß von nichts‘, beleidigt jedes Kaninchen!“ Reinhard Geßl

FAKTEN UND ZAHLEN Projekt: Bio-Kaninchenhaltung Projektleiter: Dipl.-Ing. Karl Erlach, Bildungsakademie für Biologische Landwirtschaft, www.babiol.at , regelmäßiger Mostheuriger ab April Info: - Weltweit leiden über eine Milliarde Kaninchen für die Fleischproduktion in Gitterkäfigen. - In Österreich werden pro Kopf etwa 400 g Kaninchenfleisch gegessen. - Die Rasse „Deutsche Riesen“ wird bis zu 9 kg schwer. Da der Zwergfaktor in seiner reinerbigen Form tödlich ist, dürfen Zwergkaninchen nicht miteinander verpaart werden. - Kokzidien sind Einzeller, die auch bei Kaninchen schwere Durchfallerkrankungen auslösen können..

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Barbara Schlögl: „Da staunt auch der Osterhase, wie schön die Bio-Eier sind.“


BIO-WISSEN

FARBE BEKENNEN Pro Jahr legen alle Hühner dieser Erde etwa 1,2 Billionen Eier. Davon werden jährlich zwei Milliarden in Österreich konsumiert.

Einen beträchtlichen Anteil am jährlichen Eierverzehr der Österreicher haben natürlich auch all die hartgekochten Eier, die in der Osterzeit gefärbt, versteckt, gesucht, „gepeckt“ oder einfach nur zur Osterjause gegessen werden. Während sich traditionelle Osterbräuche auch weiterhin großer Beliebtheit erfreuen, gehen immer mehr Konsumenten dazu über, Eier nicht mehr selbst zu färben, sondern fix und fertig im Supermarkt zu kaufen. Barbara Schlögl unterstützt diesen Trend tatkräftig – im Familienbetrieb „Schlögl-Ei“ hat man sich nämlich neben der Geflügelhaltung ganz dem Eierfärben verschrieben. Als einziger österreichischer Betrieb färben die Schlögls ganzjährig, die Hauptsaison dauert allerdings von Jänner bis – logisch – Ostern. Danach werden aus Ostereiern saisonunabhängige „Jauseneier“ – sofern es sich nicht um Eier aus Biohaltung handelt. Eigentümlicherweise und nicht ganz nachvollziehbar dürfen aufgrund einer EU-Verordnung BioEier nämlich nur während der Ostersaison gefärbt im Supermarkt angeboten werden. Das ärgert nicht nur die Schlögls, denn der Markt ist da und viele Konsumenten wollen auch übers Jahr gesehen nicht auf gekochte und gefärbte Bio-Eier verzichten. Man kann für Produzenten und Konsumenten nur hoffen, dass da noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Die Schlögls lassen sich jedenfalls nicht aus der Ruhe bringen und färben munter weiter – auch Eier aus konventioneller Legehennenhaltung – diese natürlich strikt getrennt von den Bio-Eiern, um Verwechslungen garantiert auszuschließen. Vor dem Färben „reifen“ die Eier zumindest 20 Tage im gekühlten Lager. Das stellt sicher, dass sie beim Kochen weniger aufspringen und sich gut schälen lassen, da durch den Reifeprozess die Luftkammer größer wird. Nach der „Reifung“ werden die Eier zuerst über Dampf angewärmt und anschließend im Wasserbad gekocht – ein Vorgang der insgesamt 20 Minuten dauert. Um den Vorgang zu optimieren und nicht auf unterschiedliche Eigrößen Rücksicht nehmen zu müssen, findet man bei den Schlögls nur Eier der Gewichtsklasse M. Nach einer kurzen Abkühlung werden die Bio-Eier mit speziellen Bio-Lebensmittelfarbstoffen – je nach gewünschter Farbe mit Curcumin, Indigokarmin, Karmin oder Paprikaextrakt auf Basis von Schellack und Cellulose – besprüht. Jedes Ei befindet sich dabei auf einem Drahtgestell, wird im sogenannten Printer rasch gedreht und gleichzeitig mit der jeweiligen Farbe besprüht. Um

sicherzustellen, dass der Farbton auch kritische Augen zufriedenstellt, wird der Färbevorgang viermal wiederholt. Noch vor kurzem galt es in Sachen Osterei knallige Farben eher zu meiden – ganz nach dem Motto „je bunter das Ei, desto bedenklicher die Farbe“. Besonders die Verwendung des roten Farbstoffs Erythrosin (E 127) wird kritisiert, aber auch Chinolingelb (E 104) und Tartrazin (E 102) werden als bedenklich eingestuft. Glücklicherweise macht sich hier ein Trend hin zu unbedenklichen Farbalternativen bemerkbar. Doch auch wenn im Vorjahr in einem Ostereiercheck in Wiener Supermärkten keine mit den problematischen Farbstoffen gefärbten Eier mehr gefunden wurden, bedeutet das nicht, dass derartige Farbstoffe gänzlich vom Ostermarkt verschwunden sind. Für Bio-Eier sind derartige Farben aber grundsätzlich tabu und da neben der Optik auch „innere Werte“ – wie die artgemäße Haltung der Legehennen – eine wesentliche Rolle spielen, stellt sich die Frage, mit welchem Ei man beim Eierpecken antritt, sowieso nicht... Elisabeth Klingbacher

ZAHLEN UND FAKTEN Betrieb: Schlögl-Ei GesmbH Kontaktperson: Mag. Barbara Schlögl (Marketing) Betriebsinfo: Zweimal pro Woche werden die Eier von den Partnerbetrieben, die sich alle in der näheren Umgebung befinden, mit einem Kühl-LKW abgeholt. Für den österreichischen Markt färben die Schlögls ausschließlich österreichische Eier – vor Ostern sind das 40.000 Stück pro Stunde; nähere Infos unter www.schloegl-ei.at Info: - Derzeit versorgen ca. 500.000 Bio-Legehennen die österreichischen Konsumenten mit über 125 Millionen Bio-Eiern im Jahr. - Um ein Ei zu produzieren braucht eine Henne 24 Stunden. Davon dauert es 17 Stunden, bis die etwa 0,4 mm dicke Kalkschale ausgebildet wird. - Die Eischale ist luftdurchlässig, schützt vor Keimen und sorgt für die gute Haltbarkeit. Diese Eigenschaften werden beim Kochen zerstört, durch das Färben und die in den Farbstoffen enthaltenen Harze wird die Schale aber versiegelt und die Haltbarkeit erhöht. - Ostereierfarben unterliegen dem Lebensmittelrecht und gelten als unbedenklich. Die immer noch verwendeten Azofarbstoffe können bei empfindlichen Personen aber allergische Reaktionen auslösen.

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Dieses H채hnchenk체ken hatte Gl체ck: Gute Betreuung durch Toni Hubmann


BIO-WISSENSCHAFT

DIE BRÜDER DER LEGEHENNEN „Die Hennen in den Aufzuchtstall, die Hähne in den Muser.“ Für „männliche Legeküken“ endet das Leben gleich nach dem Schlupf tödlich. Dies gilt seit Jahren als ein ungelöstes ethisches Problem der Landwirtschaft, auch der Bio-Landwirtschaft. Freilandpionier Toni Hubmann sieht noch keine Lösung, startet aber einen Versuch.

Hühner sind keine Maschinen! Wenn sie welche wären, dann gäbe es das „Superhuhn“ schon lange: Jede Henne würde pro Jahr gut 310 Eier legen und die Hähne würden in maximal 30 Tagen zum billigen Brathendl heranwachsen. Nicht zufällig setzt die Natur ihre Grenzen, denn die Legeleistung ist genetisch weiblich und das Muskelwachstum männlich festgelegt. Gleichzeitig super weiblich und super männlich zu züchten funktioniert biologisch nicht und wird auch nie funktionieren. Deshalb existieren in der Geflügelzucht zwei abgegrenzte Zuchtstrategien: Die Legelinie mit enormen Eileistungen und die Mastlinie mit höchstem Fleischansatzvermögen. Auf der Strecke bleiben dabei die männlichen Küken der Legelinien, die, würde man sie mästen, statt in 30 erst in ca. 150 Tagen schlachtreif wären. Die fünffache Futtermenge und Stallbelegdauer erhöhen logischerweise auch den Endverkaufspreis um das Fünffache. Ohne Marktinteresse bleibt jedes Jahr 7,5 Millionen österreichischen Hahnenküken nur der Muser. Dank der konsequenten Qualitätsstrategie der Bio-Lebensmittel hat sich am Rande der Tiefpreisschlachten ein Markt entwickelt, in dem Konsumenten für Lebensmittel mit einer nachweislich besonderen Historie deutlich mehr zu zahlen bereit sind. „Der höhere Preis stellt den Schlüssel für einen möglichen Ausweg aus der Hahnmisere dar“, ist der Freilandhaltungspionier Toni Hubmann überzeugt. „Neben den hochintensiven Speziallinien fristen sogenannte Zweinutzungshühner bis jetzt ein Mauerblümchendasein. Dabei sind die Leistungen dieser „Alleskönner“ durchaus beachtlich: Die Eileistung liegt bei 200 bis 220 Eiern pro Jahr, die Mast der Hähne gelingt in gut 100 Tagen. Und das Fleisch schmeckt super!“ Toni Hubmann beschäftigt sich seit 1988 mit tiergerechter Legehennenhaltung. Die Diskussion um das Töten der männlichen Küken verfolgt ihn seit damals, auch wenn das Problem nicht in seinem Handlungsbereich liegt, schließlich kommen

die Junghennen erst kurz vor der Legereife mit 16-18 Wochen auf seinen Betrieb. Mit der Marke „Babette“ hat es Hubmann im Eierbereich bereits geschafft, eine geringere Legeleistung durch geschickte Kommunikation zu einem Markterfolg zu machen. Die Eier der grünlegenden Araucaner-Hennen und der dunkelrotbraun legenden Maran-Hühner finden als hübsche Spezialitäten für das Frühstücksei reißenden Absatz. „Was ich bei den Eiern geschafft habe, möchte ich auch bei den Junghähnen schaffen. Vor 25 Jahren war die Hochblüte der Käfighaltung und Eier mussten extrem billig sein. Den tiergerecht erzeugten, „sauteuren“ Freilandeiern hat kaum jemand eine Zukunft gegeben. Heute haben wir mit der Junghahnmast eine vergleichbare Situation“, so der gute Eierbaron. „Als BioBauer trage ich Verantwortung für eine tiergerechte Haltung, somit auch für die Hahnenküken. Und es wäre gelacht, wenn wir da nicht einen Lösungsansatz finden würden.“ Am Schalttag hat Hubmann in einem kleinen Versuchsstall 140 männliche Eintagesküken eingestallt. Diese werden nach den artgemäßen Haltungs- und Fütterungsvorgaben der Biologischen Landwirtschaft mindestens 100 Tage gemästet. Erhoben werden der Futterverbrauch und die wöchentliche Zunahme, außerdem alle gesundheitlichen Besonderheiten. Am Schluss werden die Tiere in einer bäuerlichen Geflügelschlachterei getötet und für eine oder mehrere Verkostungen zubereitet. Ob der Versuch mit den 140 Brüdern der Legehennen eine Erfolgsgeschichte wird, davon gilt es später zu berichten. Reinhard Geßl

FAKTEN UND ZAHLEN Projekt: Bio-Junghahnmast – ein kleiner Praxisversuch Projektleiter: Toni Hubmann, Toni‘s Freilandeier, www.tonis.at, Reinhard Geßl, FiBL Österreich, www.fibl.org Info: - Pro Jahr schlüpfen in Österreich 7,37 Mio. Legehennen, dafür müssen 7,47 Mio. Eintages-Hahnenküken sterben. - Die Österreicher essen pro Jahr 72,3 Mio. Schlachthühner, das entspricht pro Kopf 13,4 Kilo Hühnerfleisch. - Geflügelmastlinien erreichen das Schlachtgewicht mit 30 Tagen. Das Mindestschlachtalter in der Bio-Landwirtschaft beträgt 81 Tage.

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Roman Thum hat es in der Hand: Gesamtkunstwerk Bio-Beinschinken


BIO-WISSEN

SALZ IN DEN ADERN In der Zeit vor Ostern spielt sich vor einem kleinen Geschäft im 5. Wiener Gemeindebezirk alljährlich dasselbe Schauspiel ab: In langen Schlangen warten Menschen geduldig und in der Hoffnung, ein ersehntes Stück Schinken(-handwerk) zu ergattern.

Das hat nichts mit Hamsterkäufen aufgrund düsterer Marktentwicklungen zu tun, vielmehr zeugt es vom wachsenden Qualitätsbewusstsein der Österreicher, wenn es um Lebensmittel im Allgemeinen und Fleisch im Besonderen geht. Roman Thum freut das, auch wenn es für ihn durcharbeitete Nächte in der „Wiener Schinkenmanufaktur“ bedeutet. In der Osterzeit geht es dort zwar besonders rund, aber auch während des restlichen Jahres kann sich der engagierte Fleischhauer nicht über fehlende Kundschaft beklagen. Seit über 150 Jahren steht der Name Thum für Schinkenqualität auf höchstem Niveau. Besonders der Beinschinken lässt die Thums nicht mehr los, seitdem Roman Thums Urur-Großvater Raimund die Spezialität von Böhmen nach Wien brachte und damit einen wesentlichen Grundstein für das seit fünf Generationen bestehende Familienunternehmen legte. Genau so lange wird auch der Schinken nach derselben traditionellen Methode produziert, worin wohl auch ein Geheimnis des Erfolgs liegt: Die Herstellung ist aufwändig, erfordert handwerkliches Geschick, viel Erfahrung und vor allem auch einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Produkt – was auch eine artgemäße Tierhaltung impliziert. Die Wiener Schinkenmanufaktur setzt damit einen klaren Kontrapunkt zur industriellen Schinkenverarbeitung, bei der das Fleisch häufig in Einzelstücke zerteilt und die Pökellake mittels zahlreicher Nadeln injiziert wird, die Fleischteile schließlich in rotierenden Massiertrommeln bewegt werden, um das Eiweiß aufzuschließen sowie Fleisch und Lake zu verbinden. Im Anschluss wird das Fleisch in eine schinkenähnliche Form gepresst, geräuchert und gegart. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt auf der Hand: Die Herstellung ist in hohem Maße automatisier- und steuerbar, der Schinken schmeckt an jeder Stelle gleich und hat auch ein einheitliches Äußeres. Die Thums wollen davon aber nichts wissen und setzen weiterhin auf qualitativ hochwertige Handarbeit. „Adernpökelung“ heißt hier das Zauberwort: Der Schlögl wird im Ganzen belassen, um das natürliche Adernsystem für die schonende Pökelung zu nutzen. Nach alter Tradition injiziert man dabei die Salzlake in die Beinarterie des Schweineschenkels. Über das Adersystem

erreicht die Flüssigkeit die gesamte Muskulatur des Beins und dringt sogar in den Knochen ein. „Perfekt gesalzen“, bringt es Roman Thum auf den Punkt. Und nicht nur das – der Schinken bleibt ungemein saftig, weil er nicht, wie beim üblichen Pökeln, mit Nadeln zerstochen wird. Auch gängige „Schinkenspritzmittel“, die in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen zu haben sind und bei der Schinkenherstellung häufig eingesetzt werden, um den Pökelvorgang zu beschleunigen, den Kochverlust zu verringern und die Schinkenfarbe zu optimieren, lehnen die Thums konsequent ab. „Wir arbeiten nie mit Fertigmischungen, denn nur wenn wir unsere Gewürzmischungen selbst herstellen, wissen wir auch, was in unseren Produkten steckt“, meint Roman Thum. Geselcht wird in einer alten, klassischen Räucherkammer und auch die Garung erfolgt im Ganzen mit dem Knochen, damit der Schinken weiterhin saftig bleibt. Der höhere Aufwand macht sich auf jeden Fall bezahlt – vor allem auch geschmacklich: Der Beinschinken hat in jeder Hinsicht absolute Prämiumqualität, ist zudem frei von Phosphat, Konservierungsmitteln, Farbstabilisatoren oder Geschmacksverstärkern – und seit dem Jahr 2000 auch noch zertifiziert biologisch. Der sportliche und eloquente Roman Thum, der so gar nicht dem Bild des klassischen Fleischhauers entspricht, hat es erfolgreich geschafft, traditionelles Fleischerhandwerk in der heutigen Zeit zu etablieren. Die Kundschaft weiß das zu schätzen und ist froh, dass auch in der 5. Thumgeneration das Berufsziel nie in Frage stand. Elisabeth Klingbacher

ZAHLEN UND FAKTEN Betrieb: Thum Schinkenmanufaktur, Betriebsleiter: Roman Thum Betriebsinfo: Familienbetrieb seit 1860, traditionelle österreichische Schinkenspezialitäten, nähere Infos unter www.thum-schinken.at Info: - Die Flüssigkeitsmenge, die über die Lake in den Schlögl injiziert wird, beträgt etwa 15 % des Schlöglgewichts. - Phosphat hat die Fähigkeit Wasser zu binden und wird in der Fleischindustrie häufig eingesetzt, um die Ware saftiger zu machen. Es soll aber auch die Aufnahme von knochenstärkendem Kalzium erschweren. In der Bioverarbeitung wird generell darauf verzichtet.

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GUTER GESCHMACK

DAS GROSSE SPE(C)KTAKEL Mangalitza, Duroc, Schwäbisch Hällisch oder Sonnenschwein? Schweinereien jenseits der Extrawurst. Wie schmecken die Rassen? Welche Auswirkung hat die Fütterung? Kann man „die Alpen“ oder „das Weinviertel“ in einem BioSpeck erschmecken? Beherrschen Bio-Fleischer und -Bauern das Handwerk der Zubereitung exquisiter Bio-Wurstwaren noch wirklich? Wir gingen in einem Tasting_forum der Sache auf den Grund und kosteten uns durchs Schwein.

Redet man mit Freunden, dann gewinnt man gerne den Eindruck, Schweinefleisch im Allgemeinen und Speck im Speziellen sei out. Die Statistik lügt nicht und sagt was anderes: Knapp 40 kg Schwein isst jeder Österreicher pro Jahr. Und auch die Nachfrage nach den raren Verkostungsplätzen überstieg alle Erwartungen.

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Will man sich verschiedenen Charakteren des Specks nähern, so muss man sich auch ausgesuchten Produzenten nähern. Diese hauchen nämlich erst mit ihrer Interpretation von Tierhaltung (Rasse, Fütterung, Haltungsform), Verarbeitung, Reifung und Verkaufspräsentation der sonstigen Massenware die gesuchte Persönlichkeit ein. Für das große Spe(c)ktakel luden wir die fast schon archaisch arbeitenden Wiesners vom Arche des Wiskentale-Biohof aus Niederösterreich, Franz Wirth, den „Chefkoch“ für den tierschutzmäßig hochdekorierten Labonca-Biohof aus der Oststeiermark sowie Roman Schober, den Demeter-Fleischkünstler aus Gars am Kamp. Und weil Speck an und für sich in so konzentrierter Form eine wahre Herausforderung für die Gaumen darstellt, überließen wir die Weinauswahl diesmal einem erfahrenen Bio-Spitzenwinzer: Hans Czerny vom Demeter-Weingut Wimmer-Czerny.

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GUTER GESCHMACK

SCHWEINSSCHMALZ

LARDO

Ein Schmalzbrot zum Einstieg? Deftig, aber stimmig. Wie eine Ouvertüre weist das Schmalz vom Biohof Wiesner die Richtung, in die es an diesem Abend gehen wird. Blütenweiße Farbe, flaumig wie Schlagobers und mit delikater Mangalitza-Note. Ein perfekter Auftakt im Duett mit dem Blanc de Noirs Winzersekt Brut de Brut.

Die Königsdisziplin unter den Specksorten! Während die Wiesners einen blutjungen, schneeweißen Lardo ins Rennen schickten, dessen einzige Würzung die Fütterung der Schweine ist, präsentierte Franz Wirth vom Labonca Biohof einen bereits länger gereiften in dichtem Gewürzmantel. Beide auf ihre Art großartig. Unentschieden auf hohem Niveau.

KOCHSCHINKEN

SERRANO

Wieder ein Produkt vom Biohof Wiesner, diesmal eines neues, sehr gelungenes Stück Handwerkskunst. Ein besonders saftiger, nussiger und bissfester Schinken mit überraschend moderatem Fettanteil. Etwas dicker als gewohnt aufgeschnitten, vermutlich aber absichtlich. So kommt die Frische noch deutlicher zum Tragen. Dazu geht nur Riesling. Der aber ordentlich!

Luftgetrockneter Schinken. Nicht aus Spanien, sondern von den Wiesners aus dem Wischatal. Sonst aber gleichwertig. Sattes rot, intensiv ausgeprägte salzige Specknote. Sauberes Fett; am Gaumen macht sich Umami breit, jene wohlig-fleischige Geschmacksnote, deren Entdeckung wir den Japanern verdanken. Der reife EOS, ein Pinot Noir Reserve von WimmerCzerny, nimmt es damit locker auf und verleiht dem Schinken damit Glanz und Gloria. Ganz ehrlich: Die Regionen haben wir in den Speckspezialitäten nicht gefunden, sehr wohl aber die jeweilige Handschrift der Produzenten. Was die Wiesners aus dem fetten Wollschwein zaubern, fühlt sich anders an, schmeckt und riecht anders als Speck der Labonca-Sonnenschweine oder auch der Schwäbisch Hällischen Schweine vom Schober. Fest steht: Abseits der Billigware gibt es in Österreich eine schöne Auswahl an Bio-Fleischern und -Bauern, die die Kunst des traditionellen Fleischerhandwerks noch umwerfend gut beherrschen. Die Auswahl ist klein aber fein, daher sollte für jeden Speckliebhaber ein persönliches Lieblingsstück dabei sein.

SCHWEINSBRATEN Kalter Schweinsbraten mit deutlichem Kümmelcharakter. Mild, weich, fast cremige Textur, würzig und ausgewogen. Erprobterweise ein idealer Partner für Hans Czernys Grünen Veltliner Fumberg. Oft kommt es nicht vor, dass sich würzige Aromen im Wein so harmonisch zu den vollen Aromen eines Bratens fügen.

BAUCH X 4 Nichts zeigt die Unterschiede zwischen Rassen und Produktionsweisen so deutlich, wie dieser Vergleich. Der Supermarkt no-name-Bauch war völlig vom Fett dominiert. Weder im Fleisch noch im Fett war ein Eigencharakter wahrzunehmen. Deutlich besser und charakterstark dagegen der Bauchspeck der Wiesners, vom Labonca-Hof und vom Schober. Nussig, fest, charaktervolle Ausstrahlung.

Reinhard Geßl, Jürgen Schmücking

COPPA, SCHOPF ODER NACKEN In der Disziplin traten Wiesner und Labonca in den Ring. Beide Produkte zeigten Töne, die das Publikum klar polarisierten. Was für die Einen Fehltöne und kleine Mängel waren, war für die Anderen rustikaler Ausdruck handwerklicher Kunst. So oder so nicht die Renner des Abends.

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Foto: Schmücking

WEIN-LESEN

ZEHN JAHRE WEINVIERTEL DAC: REIHENWEISE URSPRUNGSWEINE DOC in Italien, AOC in Frankreich oder DO in Spanien. All das sind Ursprungsbezeichnungen hinter denen auch strenge Produktionskriterien stehen. Anbaugebiet, Rebsorte(n), Höchstertrag und Bezeichnungsvorschriften. Daran hat Österreich sich orientiert, den Begriff DAC (Districtus Austriae Controllatus) ins Leben gerufen und mit dem Jahrgang 2002 der Öffentlichkeit den ersten Weinviertel DAC präsentiert. Weil das jetzt genau zehn Jahre her ist, gratulieren wir und sehen uns das etwas genauer an. Mit dem Weinviertel DAC wurde ein eigener Weinstil etabliert: ein heller, gebietstypischer, trockener, dezent fruchtiger und kräftig pfeffrig-würziger Grüner Veltliner. Holznoten von Barriques sind ebenso verpönt wie die Honigtöne der Botrytis.

Foto: Schmücking

Wissen Sie, was Chianti, Rioja oder Chablis gemeinsam haben? Es sind zwar weltberühmte Weine, aber keine Rebsorten. Der Name leitet sich vielmehr von der Region ab, in der die Weine wachsen. Das ist fundamental anders, als wir Weine bisher betrachtet haben, und mit „wir“ meine ich Länder und Gebiete, in denen deutsch gesprochen wird. In Österreich und Deutschland, aber auch in Südtirol oder dem Elsass stehen die Rebsorten im Vordergrund. In Italien, Frankreich und Spanien ist es die Herkunft. Germanisches versus romanisches Weinrecht. Und wie es aussieht, gewinnt das Romanische an Bedeutung. Auch bei uns.

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WEIN-LESEN

Speisenbegleiter.“ Jetzt liegt der Wein schon eine Zeit lang vor und hat gehalten, was er versprochen hat. Beim internationalen Bioweinpreis unter der Leitung von Martin Darting wurde der fertige Wein mit 94 Punkten und damit als bester österreichischer Weißwein prämiert. Beruhigend, wenn sich unterschiedliche Koster so einig sind. Apropos Kosten: Derzeit touren die DAC-Winzer durch Österreich und die Welt und präsentieren den neuen Jahrgang. Nachdem in den letzten beiden Jahren Wetterkapriolen für Mengeneinbußen und Weine mit teils recht spitzer Säure gesorgt hatten, sorgte der Wettergott 2011 für ausgleichende Gerechtigkeit. An den Präsentationsständen sieht man zuversichtliche und fröhliche Gesichter, die ersten Weine sind in der Tat vielversprechend. In der nächsten Ausgabe blicken wir ins Burgenland und schauen, was Neusiedlersee, Eisenberg und Leithagebirge für uns bereithalten. Jürgen Schmücking

Foto: www.biowein-weber.at

Für die Kraftlackel unter den Weinviertler Veltlinern wurde später die Kategorie „Reserve“ etabliert. Mindestens 13 % Alkohol, deftiger Stil, dicht und lang. Manchmal braucht es auch einen Moby Dick im Glas. Aber egal ob klassisch oder kräftig – In jedem Fall müssen fünf von sechs Verkostern einer Expertengruppe dem Wein ihre Zustimmung geben, damit er als Weinviertel DAC oder Weinviertel DAC Reserve vermarktet werden darf. Dafür wurde ein sensorisches Profil entwickelt, das als Maßstab für die Entscheidung gilt. Klarerweise sind auch unter den Biowinzern des Weinviertels einige zu finden, die einen DAC im Sortiment haben. Johannes Zillinger aus Velm-Götzendorf mischt beispielsweise mit den Lagen Lissen und Kellerberg seit Jahren in der Oberliga mit. Der Kellerberg 2009 wurde von der Jury der Bio-Hotels als Best of BIO ausgezeichnet, der Jahrgang 2010 bekam beim Veltliner-Grand Cru-Tasting von A La Carte 91 Punkte. Ein Erfolgsgarant ist auch Andreas Weber, vom Bioweingut Weber in Roseldorf. Genau wie bei den Zillingers werkt hier seit nicht allzu langer Zeit die junge Generation. In beiden Fällen macht sich das unter anderem auch im neuen Auftritt bemerkbar. Den Weinviertel DAC Schlossberg 2010 haben die Verkoster der Bio-Hotels zu ihrem Jubiläumswein gekürt. Mit Vorschusslorbeeren, wohl bemerkt, wie sich im damaligen Beschreibungstext nachlesen lässt: „In dem Moment, in dem ich diesen Text schreibe, gärt der Wein noch vor sich hin und hat vielleicht ein Drittel des in den Trauben verfügbaren Zuckers in Alkohol umgewandelt. Nicht gerade der ideale Zeitpunkt, eine treffende Weinbeschreibung aufs Papier zu bringen. Ich versuche trotzdem, die Zeichen zu deuten und aus dem Kaffeesatz der Erfahrung und der Natur zu lesen. Weinviertel DAC bedeutet Grüner Veltliner mit der Herkunft Weinviertel und sensorischen Qualitäten, zu denen auch das würzige „Pfefferl“ gehört. Dieses Aroma kennen wir von den Weber-Weinen recht deutlich und vieles spricht dafür, dass es 2010 besonders intensiv ausgeprägt sein wird. Der Schlossberg wird ein schlanker, aber gut strukturierter und fruchtiger Wein werden, der aufgrund seines Alkoholgehalts von ca. 12 % auch viel Trinkfreude bereiten wird. Freuen wir uns auf einen qualitativ hochwertigen, aber unkomplizierten und leichtfüßigen

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SHORTCUTS

Die bekannte indische Wissenschafterin und Trägerin des alternativen Nobelpreises Vandana Shiva hat gemeinsam mit der europäischen Koalition „Keine Patente auf Saatgut!“ Einspruch gegen das europäische Patent EP1962578 erhoben. Patentiert wurde eine natürlicherweise in indischen Melonensorten vorkommende Resistenz gegen ein pflanzenschädliches Virus. Der US-Konzern Monsanto beanspruchte diese Eigenschaft für sich und liefert damit nur ein weiteres Beispiel dafür wie multinationale Unternehmen versuchen durch Patentierungen den internationalen Handel von geistigem Eigentum und natürlichen Ressourcen mit komplizierten Lizenz-Systemen zu kontrollieren. Hunderte Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere wur-

Foto: AMA Bilddatenbank

WER HAT DIE MELONE ERFUNDEN? den bereits gewährt und auch in der konventionellen Zucht werden Patente beansprucht Doch immer mehr Menschen und Initiativen, darunter auch zahlreiche Biobauern, beginnen gegen diese Entwicklung aktiv zu werden. Sie sind zu Recht der Überzeugung, dass Pflanzen keine patentierbare Erfindung sind und fordern daher, Patente auf Lebewesen, Gene und Züchtungsmaterial zu verbieten. Quelle: http://www.zs-l.de

BIO-FINGERPRINT Wissenschafter aus elf europäischen Ländern wollen mit dem Forschungsprojekt „Authentic Food“ möglichen Bio-Betrügern in der Nahrungsmittelbranche das Leben schwer machen. Neben der eigentlichen Kontrolle und Zertifizierung, die grundsätzlich erfolgreich und lückenlos funktionieren, könnten validierte Methoden zusätzlich dazu beitragen, Bio-Lebensmittel schnell und sicher als solche zu erkennen und dadurch auch dem Konsumenten mehr Sicherheit zu bieten. Die Wissenschafter bewerten im Rahmen von „Authentic Food“ eine Vielzahl von analytischen Methoden, um zu klären, inwieweit damit zuverlässige Aussagen über die Produktionsweise der Lebensmittel getroffen werden können. In dem Projekt soll gewissermaßen der spezifische Fingerabdruck biologischer Lebensmittel gesucht und die sinnvollste Kombination aus unterschiedlichen Analysemethoden entwickelt werden, um ebenso rasch wie zuverlässig echte Bioprodukte von Fälschungen unterscheiden zu können. Quelle: www.oekolandbau.de

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SHORTCUTS

MEINE KLEINE FARM Grafik: www.fibl.org

ZAHLEN, DIE FÜR BIO SPRECHEN

Dass das steril verpackte Stück Fleisch aus dem Supermarkt einmal ein lebendes Tier war, spielt für uns kaum mehr eine Rolle. Ein Student und ein Bio-Bauer aus Deutschland wollen diesem Bezugs- und Realitätsverlust nun auf radikale Weise entgegenwirken: Ihr Projekt „Wir geben Fleisch ein Gesicht“ ist kurios, provokant und vielleicht auch verstörend, auf jeden Fall aber wirkungsvoll: Internet-User begleiten via Fotoblog die Bio-Schweine durch ihr artgemäßes Leben und können darüber abstimmen, welches Schwein als nächstes ein paar Dörfer weiter geschlachtet werden soll. Das Projekt scheint erfolgreich zu sein: Das Fleisch der bisher geschlachteten Tiere war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft und was noch

Durchaus erfreuliche Entwicklungen zeichnet die neueste Ausgabe von „The World of Organic Agriculture“. Das umfassende Standardwerk zum Biolandbau hat erhoben, dass weltweit bereits mehr als 37 Millionen Hektar Landwirtschaftsfläche biologisch bewirtschaftet werden. Das größte Flächenwachstum fand dabei in Europa statt - hier legte die Biofläche um 0,8 Millionen auf 10 Millionen Hektar zu. Die weltweite Verteilung der Bioflächen zeigt, dass ein Drittel der Flächen in Ozeanien liegt (33 %), gefolgt von Europa (27 %) und Lateinamerika (23 %). Von den weltweit über 1,6 Millionen zertifizierten Biobetrieben liegen rund 80 % in den sogenannten Entwicklungsländern. Die größten Märkte für Bio-Lebensmittel verzeichnen hingegen die USA (über 20 Milliarden Euro Umsatz) und Europa (19,6 Milliarden Euro). Der globale Markt für Bioprodukte wuchs im Jahr 2010 um zirka 8 % auf 44,5 Milliarden Euro. Generell ist in Ländern mit einer guten institutionellen Verankerung des Biolandbaus (Förder- und Marketingmaßnahmen, Beratungsangebote, Forschung, …) ein stetes Wachstum zu beobachten. Quelle: www.fibl.org

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SHORTCUTS

viel wichtiger ist: Die Tiere werden aus der Anonymität geholt und die Konsumenten zu einem bewussten und wertschätzenden Fleischkonsum angeregt. Fleisch aus moralisch vertretbarer Haltung zu kaufen ist schließlich nicht nur eine Frage des Sich-Leisten-Könnens. Es ist eine Frage der Priorität beim Einkauf, mit dem sich jeder von uns aktiv für oder eben gegen eine gewisse Form der Tierhaltung entscheiden kann.

In der Umgebung laden alte Eselsteige und Wege zu langen Spaziergängen ein. Bade- und Wanderurlauber finden hier ein abwechslungsreiches Naturprogramm. Slow. Very slow! Weitere Informationen: www.mani-sonnenlink.com

Quelle: www.meinekleinefarm.org

Endlich ist es soweit. Nachdem die BioHotels nun ihre ersten Mitglieder und Partner auch in der Toskana haben, wurde auf der BioFach der erste Betrieb in Griechenland präsentiert: Mani Sonnenlink Boutique Resort. Die Mani ist besonders gesegnet durch ihre verschiedenartigen Buchten und Strandformen, ein Juwel der Mittelmeer-Romantik. Der Tourismus ist überschaubar und persönlich. Im lichtvollen Resort verbindet sich hochwertige, traditionell griechische Baukultur mit modernen Qualitätsstrukturen und der Leichtigkeit des Feng Shui. Wer hier ankommt, lässt sich sofort von der Brillanz der maniatischen Landschaft inspirieren. Der Blick zum Meer ist frei, der Weg dorthin kurz.

Wenn man Folder und Website von wildwux überfliegt, entsteht der Eindruck, dass es den beiden Frauen eigentlich gar nicht so sehr um den Wein selbst geht. Ilse Maier und Birgit Braunstein haben sich der Artenvielfalt im Weingarten angenommen. Bio ist gut, aber nicht genug, sind sich die beiden Biowinzerinnen einig. Ihr Projekt steht für Natur- und Landschaftsschutz und Arterhaltung. Ein Teil der Rebfläche für die wildwux-Weine wird der Natur an anderer Stelle zurückgegeben. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet und auf Dauer angelegt. Die Weine? Naja, was soll da schon schiefgehen? Immerhin zeichnen zwei der renommiertesten Weinbäuerinnen des Landes für sie verantwortlich. Ilse Maier steuert einen frischen, würzigen und blitzsauberen Grünen Veltliner mit hohem Trinkspaßfaktor bei, von Birgit Braunstein kommt eine Purbacher Cuvée aus Blaufränkisch, Zweigelt und St. Laurent mit sinnlicher Balance aus Frucht- und Kräuternoten. Kein Zweifel, dass diese Weine ihre Aufgabe erfüllen: das Projekt wildwux zu finanzieren. Weitere Informationen: www.wildwux.com

IMPRESSUM Bio-Fibel – Zeitschrift für Wissen aus der Biologischen Landwirtschaft: Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Freiland Verband für ökologisch-tiergerechte Nutztierhaltung und gesunde Ernährung; Seidengasse 33/13, 1070 Wien; Fon 01/4088809; Fax 01/9076313-20; e-mail: office@freiland.or.at; net www.freiland.or.at; DVR-Nummer 0563943; Chefredakteur: Dipl.-Ing. Reinhard Geßl, Leiterin der Redaktion: Dipl.-Ing. Elisabeth Klingbacher; Mitarbeit: Irene Pratsch, Wilfried Oschischnig, Jürgen Schmücking; Redaktion: Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Österreich), Seidengasse 33/13, 1070 Wien; Fon: 01/9076313-0, net: www.fibl.org/de/oesterreich. Alle nicht anders gekennzeichneten Fotos: Geßl & Wlcek OG; Druck: gugler GmbH Melk; Layout: Geßl & Wlcek OG. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht unbedingt der Meinung des Herausgebers entsprechen. Vertriebspartner: Admah Biokistl. Offenlegung: Die Bio-Fibel ist zu 100 % im Besitz des gemeinnützigen Vereins „Freiland Verband für ökologisch-tiergerechte Nutztierhaltung und gesunde Ernährung“; Adresse s. o.; Eingetragen im Vereinsregister der BPD Wien zu Zl.IV-SD/2063/VVM/94; DVR-Nummer 0563943. Die redaktionelle Arbeit erfolgt in engster Zusammenarbeit mit dem gemeinnützigen Forschungsverein „Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Österreich)“; Adresse s. o.; Grundlegende Richtung: Förderung einer ökologisch-tiergerechten Landwirtschaft und gesunden Ernährung. Information von Konsumentinnen und Konsumenten über die Vorzüge und Besonderheiten von Lebensmitteln aus Biologischer Landwirtschaft in Form von Interviews, Kurzreportagen und Tipps zum weiten Feld der Ernährung. Die Bio-Fibel wird vor allem über Bio-Kisten der BioHauszusteller sowie über den Bio- und Naturkostfachhandel in Österreich vertrieben. Die Bio-Fibel erscheint mindestens vier Mal im Jahr und ist kostenlos. FREILAND-Spendenkonto: Erste Bank, BLZ 20111, Ktnr. 08210993; Auflage: 10000 Stück. Hinweis: Eine geschlechtergerechte Formulierung ist uns in der Bio-Fibel ein großes Anliegen. Da wir gleichzeitig eine gut lesbare Zeitschrift herausgeben wollen, haben wir uns entschieden, keine geschlechtsneutralen Begriffe zu verwenden, sondern alternierend entweder nur weibliche oder nur männliche Bezeichnungen. Wir sind uns dessen bewusst, dass diese Generalklausel einer geschlechtergerechten Formulierung nicht ganz entspricht, wir denken aber, dass die gewählte Form ein Beitrag zur publizistischen Weiterentwicklung für mehr sprachliche Präsenz weiblicher Begriffe sein kann.

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Foto: www.wildwux.com

Foto: www.mani-sonnenlink.com

MANI-SONNENLINK: GIVE GREECE A CHANCE

WILDWUX: DAS BIOTOP WEINGARTEN




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