BIO-FIBEL ZEITSCHRIFT FÜR WISSEN AUS DER BIOLOGISCHEN LANDWIRTSCHAFT
Werner Lampert und Gerhard Zoubek – Bio-Papst und Bio-Dalai Lama Bio-Äpfel – Fitnessstudio für Vitalkräfte Superwurst – Rettet die Welt Bio-Ackerbau – Flugshow mit Singbegleitung
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EDITORIAL
REGIONAL MIT GANZ VIEL BIO, BITTE! „Fremd ist die Fremde nur in der Fremde!“ Dieser Weisheit Karl Valentins kann man nur zustimmen. Analog müsste auch gelten: „Regional ist ein Lebensmittel nur in der Region“. Das stimmt grundsätzlich auch, doch die Interpretation dieser Aussage gerät deutlich komplizierter, denn Lebensmittel kommen zu uns und meistens nicht wir zu ihnen. Die eine Hirse kommt aus China, die andere aus dem Weinviertel, der eine Apfel kommt aus der Bodenseeregion, der andere aus der Südsteiermark, die Himbeeren für das BioFruchtjoghurt stammen aus Serbien, die „natürlichen Aromen“ für das konventionelle Pendant aus einem Labor in Österreich. Sprechen wir bei Lebensmitteln von „regional“, erwarten wir – wie alle Befragungen belegen – Qualität aus Österreich. Zudem verknüpfen wir damit meist Eigenschaften wie „ökologisch“, „frisch“, „hohe Qualität“ oder „sozial gerecht“. Die Zuschreibung dieser emotional positiv besetzten Eigenschaften für österreichische Lebensmittel ehrt die Aktivitäten des Agrarmarketings, verstellt aber vielfach den Blick auf die landwirtschaftliche Realität und auch auf den Umstand, dass in diesem Zusammenhang nationalstaatliche Grenzziehungen zu kurz greifen. Ein Beispiel: Sticht man am Atlas in Wien einen Zirkel ein und zieht mit einem Radius, der durch Bregenz geht, einen Kreis, kommt man südlich nach Italien und Serbien, Richtung Osten nach Rumänien und die Ukraine sowie im Norden tief ins Tschechische. National gedacht sind also Bio-Äpfel aus dem (fernen) Rheintal hui, aber Bio-Paprika aus dem (nahen) Györ pfui. Die EU-Bio-Verordnung normiert die Prozessqualität aller in der EU produzierten und in die Union importierten Bio-Lebensmittel auf hohem Niveau. Im Sinne des Bio-Gesetzes gibt es bei den Qualitäten der Bio-Lebensmittel keine Unterschiede, egal woher sie kommen. So löblich der Ansatz ist, so sehr missachtet er allerdings, dass es gar nicht egal ist, wie die Land(wirt)schaft meines unmittelbaren Lebensraums aussieht und betrieben wird. Jene Landwirtschaft, die ich mir wünsche, ist weder Agrarfabrik noch -wüste, sondern muss den Boden schützen, eine bunte Pflanzenvielfalt fördern, mit den Tieren gut umgehen und den arbeitenden Menschen eine faire Bezahlung garantieren. Die Bio-Landwirtschaft hat all diese Punkte in ihren Prinzipien festgeschrieben und lebt sie auch. Daher ist es wichtig, global zu denken, aber aus der (grenzüberschreitenden) Region einzukaufen. Das Regionale muss jedenfalls bio sein, denn nur die Bio-Landwirtschaft garantiert mit ihrem Kreislaufprinzip die langfristige Erhaltung und Förderung der Schönheit meiner Umgebung. Die aktuelle Bio-Fibel widmet sich schwerpunktmäßig ausgewählten Aspekten der Regionalität. Ich wünsche Ihnen viel Lesefreude mit den Geschichten, die besonders engagierte Bio-Menschen aus ihren Arbeitsregionen zu erzählen haben.
Reinhard Geßl, Herausgeber
INHALT Bio, das mir näher ist Obst in B(io)-Dur Der Fleischer und das liebe Vieh Danke, sehr resilient von Ihnen! Vom richtigen Zeitpunkt Reinheitsgebot Bio Kraft und Mineralik – Essenz des Leithabergs Shortcuts Tafeln für das Wasser Impressum
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IM GESPRÄCH
BIO, DAS MIR NÄHER IST Ohne die beiden Herren würde die österreichische Bio-Landwirtschaft anders aussehen. Wenn Werner Lampert in Österreich als BioPapst gilt, dann ist Gerhard Zoubek zumindest der Bio-Dalai Lama. Auch wenn den beiden das Philosophische gar nicht fern liegt, so liegen ihre wahren Erfolge in der Bio-Vermarktung.
Es glich einer Sensation, als 1994 der gebürtige Vorarlberger Werner Lampert im Billa-Konzern die Bio-Marke Ja! natürlich nicht nur gründete, sondern aus dem Stand weg zur Vorzeigeund Erfolgsgeschichte führte. Nach seinem Wechsel zu Hofer gelang ihm mit der Einführung von „Zurück zum Ursprung“ ein fast noch größeres Marketing-Kunststück: die extrem
erfolgreiche Positionierung eines Premium-Bio-Sortiments in einem Diskonter. Gerhard Zoubek bewirtschaftet mit seiner Familie seit 1997 eine 90 ha Bio-Oase im Marchfeld. Während ansonsten die Zahlen der Direktvermarktung ein trauriges Lied singen, eilt der gelernte Psychotherapeut und ehemalige Landmaschinenhändler mit seinem Adamah Biokistl-System von einem Erfolg zum nächsten. Heute beliefert er von Glinzendorf aus wöchentlich über 6000 Kundinnen in Wien und Umgebung mit frischem Bio-Obst und -Gemüse. Wir trafen die beiden erfolgreichen Bio-Vermarkter und -Visionäre im Garten des Biohofs Adamah und plauderten über alte Zeiten, den Charme einer monarchistischen Regionalität, die weitreichenden Folgen fehlverstandener Förderungen, Momente des Scheitern in einer Erfolgsgeschichte und die Notwendigkeit einer starken Bio-Forschung.
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IM GESPRÄCH
„Werner Lampert und Bio“ ist eine untrennbare Kombination wie „Bio im Supermarkt und Diskonter“ – wann hat der Biolandbau in Ihrem Leben Wurzeln geschlagen? Werner Lampert: Ich war schon als Kind ein romantischer „Gemüse- und Beerenbauer“. Mit neun oder zehn Jahren hab’ ich ein Feld für mich allein gehabt. Wir hatten – nein, mein Stiefvater hatte – immer so ein „Unkraut ex“ und diese verrückten Sachen. Eigentlich war er ja gegen dieses Zeugs. Wir haben immer versucht, die Felder davon frei zu halten – aber manchmal hat er halt einen Anfall bekommen… Ja, dann habe nur ich mein Feld freigehalten. 1967 war ich dann in der Schweiz. Natürlich war ich ein tüchtiger Anarchist wie es sich gehörte… Werner Lampert ist also ein Anarchist…?! In den Sechzigern, ja. Heute bin ich ein richtiger Bourgeois. Aber zurück zur Frage: 1967 hab’ ich dann den ersten Demeterhof besucht. Das war wie Emmaus für mich. Wirklich, mein Emmaus. Das Herz ist mir aufgegangen. Ich habe sofort ein Feld gepachtet, wie verrückt angebaut. Habe Rudolf Steiner gelesen, alle Theorien gekannt. Herr Zoubek, was steht eigentlich in Ihrer Bio-Biografie auf Seite 1? Gerhard Zoubek: Zu aller erst wollte ich den Bauern was verkaufen. Ich hab’ mit Landmaschinen zu tun gehabt – bin also
kein „gelernter Bauer“. Zwischendurch habe ich mich auch noch in der Psychotherapie-Szene aufgehalten. Werner Lampert (zu Gerhard Zoubek): Ein psychotherapeutischer Biobauer! Gerhard Zoubek (lacht): Ja, das braucht man bei den vielen Mitarbeitern. Und manchmal brauch’ ich selbst einen Psychotherapeuten. Gut, wie bin ich zum Biolandbau gekommen – also, meine Frau, die Sigrid, hat sich immer schon mit dem Biogedanken beschäftigt. Ein Biobetrieb im Marchfeld – das konnte sich damals außer meiner Frau eigentlich keiner vorstellen. Undenkbar war das. Schade, wie schnell die Menschen in einer Region ihre landwirtschaftliche Tradition vergessen. Hier hat es noch vor wenigen Jahrzehnten Tiere auf den Höfen gegeben, und die Bauern haben in Kreisläufen gedacht und mit der Natur gearbeitet. Mein Schwiegervater konnte sich noch gut daran erinnern. Aber dann hat die Industrie den Bauern erklärt, wie angeblich moderne Landwirtschaft funktioniert. Das war ein fürchterlicher Paradigmenwechsel… Mit dem Biohof Adamah trotzen Sie aber diesem Paradigmenwechsel… Gerhard Zoubek: Ja, bei unserer Hofübernahme 1997 haben meine Frau und ich den Biolandbau im Marchfeld etabliert. Herr Lampert, Sie stehen heute für Bio im Supermarkt und beim Diskonter. Am Anfang suchten aber auch Sie mit dem „Gemüseboten“ den direkten Weg zur Konsumentin. Ach, der „Gemüsebote“! Der „Gemüsebote“ ist mir zugefallen, mit dem konnte ich nicht wirklich etwas anfangen. Als „Gemüsebote“ bin ich elend gescheitert. Weshalb? Den habe ich schon als Betrieb übernommen. Natürlich habe ich das Potential erkannt, und das Faszinosum darin. Aber ich habe auch alle Probleme und Widersprüche dieser Strukturen erlebt: Der Endverbraucher hat einen Wahnsinnspreis bezahlt, der Bauer nichts gekriegt, der Händler nichts verdient. Das war einfach zukunftslos. Ich habe mir gedacht, wenn wir Bio so weiter betreiben, dann ist das das Ende von Bio. Den Weg werden nur 0,2 % der Menschen gehen können. Das hat mich nicht interessiert. ...und Sie haben sich dann für die Vermarktungsschiene „Supermarkt“ entschieden? Nein. Damit hatte meine Entscheidung nichts zu tun. Das war ganz anders: Damals haben sehr viele Menschen umgestellt auf Bio, aber es hat keine Vermarktung gegeben. Naturkostläden waren da, sonst war allerdings nicht viel los. Mir war klar: Wenn es uns nicht gelingt, eine andere Vermarktung aufzustellen, ist die Bio-Bewegung tot.
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IM GESPRÄCH
Herr Zoubek, Sie haben immer für die Direktvermarktung plädiert, warum? Nachdem ich ja aus dem Verkauf komme, habe ich nie ganz verstanden, warum sich die Bauern nicht mehr für die Vermarktung interessieren – sich mit einer Direktvermarktung Unabhängigkeit schaffen. Gut, oft ist das geografisch schwierig, und nicht jeder hat wie wir ein Ballungszentrum mit Millionen Kunden vor'm Hof. Aber die Direktvermarktung hat immens viel mit der Unabhängigkeit eines bäuerlichen Betriebes zu tun. Ich will nicht als anonymer Rohwarenerzeuger dastehen – das wollten meine Familie und ich unter keinen Umständen. Wir wollten auch, dass die Wertschöpfung unserer Arbeit in der Region bleibt. Das alles geht nur mit der Direktvermarktung – und darum haben wir dann mit dem Abo-Kistlsystem begonnen. Statistisch betrachtet ist die Direktvermarktung in Österreich am absteigenden Ast – was machen Sie anders? Ich glaube – wenn ich das so sagen darf – wir haben die Direktvermarktung entscheidend weiterentwickelt. Gemeinsam mit unseren Kunden weiterentwickelt. Das macht den Sinn einer modernen Direktvermarktung aus: Bäuerliche Unabhängigkeit und Kundennähe. Und wenn es da so was wie ein Rezept gibt, dann gehört da auch eine gewisse unternehmerische Denkleistung dazu. Ich sag’ immer: Die Wirtschaft ist grundsätzlich nichts Schlechtes. Es kommt nur drauf an, was wir daraus machen. Eine reflektierte, wirtschaftliche Denkart kann durchaus Freiheit schaffen, ein authentisches Leben ermöglichen – für Bauern und Konsumenten. Das müssen wir erkennen. Herr Lampert, mit Bio im Supermarkt haben Sie für eine echte Revolution gesorgt. Danach kam mit der Marke „Zurück zum Ursprung“ der große Erfolg beim Diskonter Hofer. Wie haben Sie das geschafft? Na ja, mir ist es bei „Zurück zum Ursprung“ nicht so sehr um eine Biomarke gegangen, sondern um etwas Konzeptionelles. Ich habe aus meiner früheren Tätigkeit gelernt, was die Schwächen sind und wo die Zukunft liegt, was man anders machen muss, welche Schwerpunkte es braucht. Um zu verhindern, dass Bio eine Allerweltsmarke wird, habe ich versucht, die Regionalität zu leben, also authentisch zu leben. Der schlimmste Feind für jedes Lebensmittel, besonders für jedes Bio-Lebensmittel, ist die Anonymität. Ich glaube
an Nachvollziehbarkeit, Transparenz, Regionalität und an die bedingungslose Qualität. Wenn man Bio wirklich kritisch betrachtet, hat das oft sehr wenig mit Qualität zu tun. Bio und Qualität – darin lag meine größte Anstrengung. „Qualität“ ist bei einem Diskonter oft eine Rarität. Stört es Sie nicht, dass Ihre Qualitätsarbeit dort nur zwei Schritte vom „Gentechnik-Schnitzel“ entfernt ist? Die messianische Phase habe ich in meiner Jugend gehabt. Da wollte ich alle Menschen belehren, habe zu keinem Fleischesser Kontakt gehabt – und mich nicht von jemanden einladen lassen, der konventionell isst. Heut denke ich da anders: Ich bin kein Priester, auch nicht der Lebensmittelhandel – wir haben keine pädagogische Funktion. Ich glaube auch nicht an die Weltverschwörung – ich glaube an die Macht und die Kraft der Konsumenten. Das klingt jetzt gar etwas einfach… Nein! Ich habe selbst erlebt, wie eine kleine Konsumentenaufregung große Konzerne zum Wackeln bringt. Wozu diese Aufregung – hab’ ich selbst gestaunt – sind ja nur ein paar Leute. Jetzt weiß ich, die Probleme der Zukunft lassen sich nur über die Konsumenten lösen, sofern sie sich ihrer Macht und Mündigkeit bewusst sind. Sonst schlittern wir ohnehin in eine große Katastrophe. Ich habe jedenfalls absolut kein Problem damit, wenn jemand ein Joghurt von uns nimmt, und etwas anderes von jemand anderem. Ich weiß, unsere Qualität kann bestehen. Herr Zoubek, der Begriff „Regionalität“ zieht sich derzeit wie ein Ohrwurm durch den Lebensmittelhandel. Wie definieren Sie „Regionalität“? Regional ist für mich zu allererst, was bei uns am Hof wächst, die Region in der ich lebe und wirtschafte. Das ist unsere unmittelbare Regionalität. Aber freilich ist dieser Begriff nicht ausschließlich in engen Grenzen zu verstehen. Wir wollen ja unsere Kunden bei der Ernährung nicht auf die Felder vor unserem Hof einschränken. Das wäre spießig und provinziell. Regionen und damit regionale Lebensmittel gibt es ja überall, nicht nur in Österreich. Wichtig ist vielmehr, dass man sich seine Partner in den nationalen und internationalen Regionen genau aussucht. Von wo und von wem kommen die Lebensmittel, die ich anbiete? Wie werden sie transportiert, also gibt es da eine vernünftige CO2-Bilanz? Geht es da fair
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zu – kann ich da mit einer Partnerschaft auch sozial was bewegen. Das sind für mich die entscheidenden Fragen – nicht die Grenzziehungen irgendwelcher Marketingagenturen. Bei „Zurück zum Ursprung“ gibt es – überspitzt gesagt – für jedes „Packerl“ eine eigene Region. Ist das nicht ein übertriebener Chauvinismus, Herr Lampert? Nein, völlig falsch! Für mich war das nie ein chauvinistischer Begriff. Ich habe allerdings die „Regionalität“ schon immer sehr national angelegt. Denn wenn es uns nicht gelingt, die Regionen landwirtschaftlich in Blüte zu halten, werden wir schon in naher Zukunft nicht genügend zu essen haben. Regionalität hat für mich mit etwas Existentiellem zu tun. Mein regionaler Begriff ist ein vollkommen anderer: Für mich gibt es keine regionale Milch, wo das Futtersoja aus Südamerika kommt, die Gerste aus der Ukraine, der Mais aus Argentinien. Nein, das sind für mich keine regionalen Produkte. Das gilt auch für’s Gemüse – wo mit Federmehl aus China oder Vinasse gedüngt wird – das ist für mich kein regionales Gemüse. Regional wirtschaften heißt für mich, anders wirtschaften – mit Ressourcen anders umzugehen.
Gerhard Zoubek: Natürlich hat Essen viel mit Vertrauen zu tun. Aber nationale Grenzziehungen sind da oft fehl am Platz. Wir hier in Glinzendorf liegen zum Beispiel 20 Minuten von Pressburg entfernt, Györ ist in der Nähe und St. Pölten und Brünn ebenso. Freilich gibt es die Staatsgrenzen, aber dann gibt es auch diese spannende, grenzüberschreitende „ZentropRegion“. Das ist für mich ebenfalls eine wichtige, lebendige Regionalität. Hier gilt es auch, die Bio-Landwirtschaft zu stärken, mit den Bauern zu kooperieren und den Menschen eine Lebensmittelvielfalt anzubieten. Werner Lampert (zu Gerhard Zoubek): Du hast es leicht. Du kannst dann dieses Gebiet „Monarchistische Region“ nennen. Gerhard Zoubek (lacht): Ja, und alle werden glücklich sein… Apropos Glück: Die konventionelle Landwirtschaft verschafft sich durch zweifelhafte Produktionsmethoden wie Gentechnik und Massentierhaltung einen Marktvorteil… Werner Lampert: Falsch! Völlig falsch, das ist ein großer Irrtum! Die konventionelle Landwirtschaft verschafft sich nicht durch die Produktion, und auch nicht durch die Rationalisierung ihrer Produktion Marktvorteile, sondern alleine durch die 50 Milliarden Euro, die sie Förderung bekommt. Gerhard Zoubek: Und die Biobäuerinnen und Biobauern dürfen es dann auch noch ökologisch sanieren – gemeinsam mit der Bevölkerung. Heißt das jetzt im Klartext, Sie fordern einen Förderstopp für konventionelle Bäuerinnen? Gerhard Zoubek: Zumindest sollte man offen und ehrlich – ja, sehr genau auf die Umwegrentabilitäten schauen. Was passiert mit diesen Förderungen, also welche ökologischen und ökonomischen Kosten gibt es dadurch? Wie sieht die tatsächliche Kostenwahrheit in diesem System aus?
Führt uns dieser Regionalitäts-Kult nicht in eine Kleingeistigkeit? Müssen wir bald die Salzburger Festspiele abschaffen, weil Künstlerinnen eingeflogen werden? Werner Lampert: Na, na… das ist jetzt zu weit hergeholt. Viel zu weit. Wenn ich über Regionalität nachdenke, dann bin ich in diesem Begriff der Ernährungsouveränität drinnen. Kulturell müssen wir offene Menschen sein, das ist doch ganz klar. Nur ein Mensch, der in kulturellen Sachen ein Weltbürger ist, kann auch regional etwas zustande bringen. Beim Essen ist die Österreicherin jedenfalls nicht weltoffen: Rund 60 % haben bei einer Umfrage deklariert, sie vertrauen nur heimischen Lebensmittel
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Was verstehen Sie unter „Kostenwahrheit“? Gerhard Zoubek: Kostenwahrheit heißt für mich, die billigen Lebensmittelpreise zu hinterfragen, die wahren Zusammenhänge dahinter offenzulegen. Denn alles was billig ist, hat in Wahrheit einen Verlierer – und wenn es nicht die Ausbeutung der zweiten, dritten oder vierten Welt ist, dann ist es die Umwelt. Billige Produkte auf Kosten der Umwelt, auf Kosten der Menschen anderer Kontinente, ja auf Kosten unserer Kinder, das kann doch kein Weg sein. Wir müssen in der Gesellschaft endlich den Boden für eine Wertschätzung gegenüber einer fairen, nachhaltigen Lebensmittelerzeugung aufbereiten. „Förderstopp für die konventionelle Landwirtschaft“ – Herr Lampert? Selbstverständlich! Ja, Förderstopp und Kostenwahrheit. Die konventionelle Landwirtschaft richtet nachweislich die Welt zugrunde. Die Fleischproduktion gibt es in Europa nur, weil wir Südamerika zugrunde richten. Wir richten einen ganzen Kontinent mit der Sojaproduktion zugrunde, damit wir hier in
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Europa billiges Fleisch produzieren und essen können. Warum sollen wir so etwas fördern? Weil wir schon beim Austeilen sind: Ist nicht auch der Biolandbau längst in eine Geschäftemacherei abgeglitten? Werner Lampert: Ich habe den Traum meiner Jugend nicht aufgegeben und lebe heute denselben Traum wie damals. Gerhard Zoubek: Der Biolandbau findet auf keiner Insel statt – so gesehen sind wir freilich auch ein Teil des Systems, also der Marktwirtschaft. Entscheidend ist jedoch, wie wir mit dem marktwirtschaftlichen Erfolg umgehen – also das gestalterische, soziale Potential daran erkennen und nutzen. Wir versuchen das Geld so einzusetzen, dass wir dazu stehen und gesellschaftlich wie ökologisch was bewegen können. Soziale Kompetenz ist für mich eine ebenso wichtige Investition wie der Ausbau der nachhaltigen Energiegewinnung am Hof. Herr Lampert, der Biolandbau hat Ihnen mehrere Marktschübe zu verdanken. Einen Beigeschmack gibt es aber: Der Bio-Anteil am Gesamtmarkt dümpelt bei 7 % herum. Werner Lampert: Das sind die Momente, in denen ich mich in meiner Arbeit als gescheitert sehe. Als wir 1994 angefangen haben, hätte ich mir vorgestellt, dass wir im Jahr 2012 bei einem Marktanteil von 30-40 % liegen werden. Es war damals so einen Dynamik, ein Enthusiasmus, so ein Hurra in der Bewegung… Und mit „Zurück zum Ursprung“ habe ich dann Ähnliches erlebt – so eine Aufbruchsstimmung bei den Konsumenten. Für mich ist es heute unfassbar, warum wir bei 7 % Marktanteil hängen geblieben sind. Gut, vierzig bis fünfzig Prozent der Kunden greifen zwar immer wieder zu einem BioProdukt, aber wir haben eben keine fünfzig Prozent, die sich hauptsächlich von Bio-Produkten ernähren. Das empfinde ich als Drama. Grundsätzlich bestätigt das die Politik – diese geschichtsvergessene, visionslose Landwirtschaftspolitik, die wir betreiben. Die österreichische Politik lässt sich nicht erforschen, der Biolandbau schon: Sie arbeiten beide mit FiBL* Österreich zusammen. Gerhard Zoubek: Ich freue mich, dass es das FiBL gibt. Aktuell betreiben wir mit dem FiBL ein Karottenprojekt für freiabblühende Sorten. Denn im Zuge des Klimawandels wird eine auf unserem Hof vermehrte Karottensorte bestimmt besser zurechtkommen, als eine aus China. Forschung ist für die Entwicklung des Biolandbaus unverzichtbar. Leider ist dieser Gedanke noch nicht in der Politik angekommen. Wenn man bedenkt, welch hohe Summen in die konventionelle Forschung fließen, dann sind wir richtige Bittsteller. Der Biolandbau ist zweifellos der Schlüssel zur Welternährung, zum Klima- und Umweltschutz, zur gesunden Lebensmittelqualität und Vielem mehr – aber damit wir das Tor zur Zukunft auch aufsperren können, brauchen wir dringend mehr Forschungsgelder.
Werner Lampert: Für mich ist das FiBL der wichtigste Partner überhaupt! Es ist eine Tatsache, dass wir vor großen Veränderungen wie dem Klimawandel stehen. Die Landwirtschaft ist ja nicht nur der Hauptbetroffene, sondern auch Haupttäter. Der Landwirtschaft ist der größte CO2-Emmitent und der größte Vernichter von Wasser. Und das nicht nur vom Verbrauch her, sondern auch was die Schadstoffe im Grundwasser betrifft. Dann ist sie auch noch der größte Vernichter der Bioversität – ja, das ist die Landwirtschaft! Dabei hängt sie ursächlich und grundsätzlich von der Biodiversität ab – doch zugleich vernichtet sie die Biodiversität in einem unfassbaren Ausmaß. Das alles zeigt die Forschung – das FiBL – auf. Durch die Zusammenarbeit mit dem FiBL können wir das auch den Konsumenten gut begreiflich machen.
Auch verdiente Bio-Pioniere werden nicht von unserer Kühlschrankfrage verschont: Also, was steht da bei Ihnen drinnen? Werner Lampert: Seit 1970 finden Sie in meinem Kühlschrank nur Bio. Mit eineinhalb Ausnahmen: Beim Wein mache ich heftige Ausnahmen und manchmal gehe ich in ein wirklich gutes Käsegeschäft – da schlage ich dann über die Stränge. Aber ansonsten seit 1970 nur Bio-Produkte! Gerhard Zoubek: Haben Sie mir ein Geschenk mitgebracht? Wie Geschenk? Nein. Gerhard Zoubek: Dann ist alles hier am Hof nach wie vor biologisch. Vom Brot bis zum Bier ist bei uns alles biologisch – außer es bringt uns jemand ein Geschenk mit. Danke für das Gespräch! Wilfried Oschischnig und Reinhard Geßl *Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL)
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Martin Birnstingl hat in seiner Bio-Apfelanlage den vollen Durchblick.
BIO-WISSEN
OBST IN B(IO)-DUR Martin Birnstingl hat zwei Leidenschaften, und beide haben mehr oder minder mit Holz zu tun: den bio-dynamischen Obstbau und das Musizieren mit dem Saxophon.
„Rubinola! Das ist mein Lieblingsapfel! In meinem Obstgarten stehen nur ganz wenige Exemplare. Die Sorte ist für den erwerbsmäßigen Anbau nicht geeignet, da die Bäume nur wenige Äpfel tragen und der Ertrag unsicher ist. Der Geschmack der Rubinola ist allerdings von einem solch paradiesischem Genuss, dass Teilen wirklich schwer fällt“, kommt Martin Birnstingl beim bloßen Gedanken daran ins Schwärmen. Martin Birnstingl bewirtschaftet ein kleines Paradies auf Erden! Als einer der ersten Obstbauern Österreichs stellte er am Steinberg bei Graz seinen vier Hektar großen Obstgarten bereits 1994 auf bio-dynamische Bewirtschaftung um. Der Anfang war ein echtes Abenteuer, denn damals gab es im Bio-Obstbau weder Lehrmeister oder –meinungen noch eine Liste an biotauglichen Hilfsstoffen. Die ersten, meist katastrophalen Ernten ließen ihn nicht verzagen, sondern motivierten ihn umso mehr, den richtigen, nämlich seinen eigenen Weg im Streben nach der besten Qualität zu suchen. „Die ersten Ergebnisse der Bio-Photonenmessungen zeigten schon damals auf, dass in Bio mehr steckt als man vermutet, nämlich mehr Vitalkräfte. Das motivierte mich weiterzumachen“, so Birnstingl fast 20 Jahre danach. Betritt man Birnstingls Obstgarten, nimmt einen sofort die üppige Vielfalt gefangen. Da wachsen Äpfel-, Pfirsich- und Quittenbäume wie bei einem „Gemischten Satz“ fast schon durcheinander, durchsetzt von einer duftenden Kräutervielfalt und großen, uralten Obstbaumleichen. Die alten Bäume lässt Birnstingl meist stehen, „denn sie erzählen die lange Geschichte des Obstgartens und damit der Familie“. Die knorrigen Gerippe schauen nicht nur bizarr gut aus, sondern sie bieten unzähligen Insekten auch einen idealen Lebensraum. Mit vier Hektar Obst zählt Birnstingl im professionellen (Bio-) Obstbau zu den Kleinen. Am Markt bestehen kann er nur durch seine strikte Qualitätsorientierung und die Kooperation mit Vermarkterinnen, die seine Obstqualität zu schätzen wissen, wie z. B. der Biohof Adamah mit der Biokistl-Hauszustellung. Während Äpfel in der konventionellen Landwirtschaft pro Saison 30-40 Mal mit Spritzmitteln gegen mögliche Krankheiten oder
Schädlinge vollgepumpt werden, kommt Birnstingl mit 10-20 wohl überlegten Anwendungen aus. „Ohne Behandlungen gibt es im Erwerbsobstbau keine Ernte“, stellt Birnstingl klar. Dabei machen neben der Anzahl der Spritzungen vor allem die eingesetzten Mittel den entscheidenden Unterschied. Während konventionell lebensfeindliche Chemie tief in den Pflanzensaft eindringt, benetzen die Bio-Stoffe wie Backpulver, Schwefelkalkbrühen, Kupfer, Neemöl oder Quassia nur die Oberfläche und haben auch keine negativen Auswirkungen auf das Ökosystem. Damit die beste Qualität zu den Kundinnen kommt, verfolgt Birnstingl auch bei der Ernte einen eigenen Weg. Im Gegensatz zur konventionellen Ernte, bei der das Obst viel zu früh vom Baum muss, um optimale Lagerfähigkeit zu garantieren, wartet er lieber ein wenig länger mit dem Pflücken zu. Es geht darum, den absoluten Geschmackshöhepunkt zu erwischen, denn nur vollreife Früchte können ihr sortentypisches Aroma zur Gänze entwickeln. „Erst der Herbst gibt den Sorten die finale Ausprägung, leichte Morgenfröste bringen oft erst die purpur leuchtende Farbe und das letzte Tüpfelchen auf dem I“, schwärmt Birnstingl vom Ergebnis seines Qualitätsanspruchs. Und wenn die ganze Pracht in seinem Keller liegt, dann treibt ihn seine Saxophonleidenschaft in die weite Welt hinaus. In über 30 Länder hat ihn die Musik schon geführt und ihm unter anderem die Erkenntnis gebracht: „Das Paradies kann ein Obstgarten sein und es kann wie Rubinola schmecken!“ Reinhard Geßl
ZAHLEN UND FAKTEN Betrieb: Martin Birnstingl, Steinberg 132, 8151 Hitzendorf; DemeterObstbaubetrieb mit ca. 4 Hektar, Hauptapfelsorte Santana, weiters Idared, Fiesta Pinova, Jonagold und Arlet, Streuobst mit Kronprinz Rudolf, Gravensteiner, London Pepping, Goldparmäne, Schafnase, Ilzer Rose und Schöner von Boskoop. Weitere Informationen: www.gemuesewerkstatt.at; www.grazersaxophonquartett.at; www.dieschneider.at. Info: - In Österreich werden pro Jahr 154.300 t Äpfel gegessen. Das entspricht 18,4 kg/Kopf. - Von den 20.000 weltweit bekannten Apfelsorten haben nur 20 eine wirtschaftliche Bedeutung. - Wahrlich große Äpfel mit einem Stückgewicht von 1,75 kg bringt die Sorte Manga Super.
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Demeter-Fleischer Roman Schober im Reiferaum der Burgruine Gars.
BIO-WISSEN
DER FLEISCHER UND DAS LIEBE VIEH Roman Schober ist Fleischhauer im Waldviertel. Genauer gesagt in Gars am Kamp. Sein Betrieb liegt am Fuße der imposant über der Ortschaft thronenden Burgruine und er genießt den freien Blick auf die historischen Gemäuer umso mehr, seitdem in deren Gewölben Spezialitäten aus eigener Produktion heranreifen.
Der Naturreife-Keller bietet ideale Bedingungen, um duftenden Schinken, Speck und Würste reifen und lagern zu lassen. Davon kann man sich bei einer Verkostung in der Burg auch persönlich überzeugen. Für Schober ist das Kellergewölbe aber nur eine von vielen Voraussetzungen für eine optimale Produktqualität. Die wesentliche Basis für hochwertige tierische Lebensmittel bildet für ihn der respektvolle Umgang mit den Tieren. Eine artgerechte Haltung ist für Schober daher essentiell. Als einer der wenigen österreichischen Bio-Fleischhauer bezieht er sämtliche Tiere von Bio-Betrieben aus dem Waldviertel. Dort genießen Turopolje und Schwäbisch-Hällische Schweine sowie Waldviertler Blondvieh – alles alte Haustierrassen, die Schober besonders am Herzen liegen – ihr Leben in vollen Zügen, bevor sie ihren letzten Weg antreten. Dieser wird sehr kurz und möglichst stressfrei gehalten. Da die Tiere aus der Region kommen, werden ihnen lange Transportstecken erspart. Sie werden einen Tag vor der Schlachtung meist von den Bäuerinnen selbst angeliefert und haben dadurch Zeit, sich zu beruhigen und zu akklimatisieren. „Neben der Wahl der Tierrasse, der Haltung und der Fütterung wirkt sich natürlich auch die Schlachtung auf die Fleischqualität aus“, ist Schober überzeugt und die Wissenschaft gibt ihm bekanntlich recht. „Seine“ Tiere schlachtet er alle selbst und er versucht, ihnen diese letzte Lebensphase so angenehm wie möglich zu gestalten – soweit dies in einem Schlachthof eben realisierbar ist. Auch bei der Verarbeitung setzt Schober auf Qualität: Das fein marmorierte Fleisch der alten Haustierrassen, handwerkliches Können und der Verzicht auf Phosphate, Geschmacksverstärker, Farbstoffe, künstliche Aromen und Nitrit sorgen für den einzigartigen Geschmack seiner Erzeugnisse. Bis die gefragten Produkte aus der Schoberschen Bio Wurstmanufaktur in den alten Gewölben verkostet werden, hat Roman Schober bereits vieles richtig gemacht. Doch er geht noch einen Schritt weiter: Für ihn müssen sich in qualitativ hochwertigen Lebensmitteln neben der Wertschätzung
gegenüber dem Tier und einer in jeder Hinsicht nachhaltigen Produktion und Verarbeitung auch eine bestimmte Haltung beim Konsum wiederfinden. Deshalb möchte der BioFleischhauer die Stationen auf dem langen Weg vom Tier zum Fleisch auch vor den Konsumentinnen, die seiner Meinung nach den Bezug dazu vielfach verloren haben, thematisieren. Lebensmittel, die diesem Namen auch gerecht werden, können nicht billig produziert werden, sie müssen der Konsumentin auch etwas wert sein – in jeder Hinsicht. Schober wehrt sich daher gegen die „Billig-Mentalität“ vieler Konsumentinnen und kann auch nicht verstehen, dass die Präferenz meist nur mehr auf ganz bestimmten Fleischteilen liegt. „Die Leute kaufen heute keine Knochen mehr“, klagt Schober und zeigt mit diesem Satz das Dilemma des „modernen“ Fleischkonsums auf. Man muss keine Fachfrau sein, um zu wissen, dass ein Tier nicht nur aus magerem Schinken und Lungenbraten besteht, doch was mit dem Rest passiert, scheint den Großteil der Konsumentinnen nicht wirklich zu interessieren. „Aus ethischen Gründen gehört es dazu, alle Teile eines Tieres zu essen. Es lässt sich auch aus allem etwas Gutes zubereiten: Die Wangerln und die Haxen von einem Schwein schmecken ganz wunderbar, man muss einfach damit umgehen können“, ist Schober überzeugt. Und so wird er nicht müde, seinen Kundinnen diese Wertschätzung vom lebenden Tier bis hin zum „Lebens-Mittel“ gemeinsam mit seinen Produkten auf den Weg zu geben. Elisabeth Klingbacher
DATEN UND FAKTEN Betrieb: Schober GmbH Waldviertler Bio Wurstmanufaktur Betriebsleiter: Roman Schober. Betriebsinfo: Die Bio-Fleischerei beliefert Großhandel, Gastronomie und Privatkundinnen; seit kurzem kann man die Produkte auch über das Adamah Biokistel bestellen Gemeinsam mit Biobäuerinnen hat Schober einen Verein zur Erhaltung und Vermarktung alter Haustierrassen TBW (Turopolje Blondvieh Waldviertel) gegründet; nähere Infos unter www.bio-schober.at Info: - Der Marktanteil von Bio-Fleisch liegt immer noch im niedrigen
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einstelligen Bereich - Nur jedes fünfte Huhn landet als Ganzes auf den Tellern der europäischen Konsumentinnen. Verfechterinnen der leichten Küche bevorzugen Brustfilets, der unbeliebte Rest landet häufig am afrikanischen Markt, wo er zu Dumpingpreisen verkauft wird und lokale Strukturen zerstört. Aus ökologischer, ökonomischer und ethischer Sicht ein Wahnsinn.
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BOKU-Wissenschafterin Susanne Kummer kann „Resilienz“ einfach erklären.
BIO-WISSENSCHAFT
DANKE, SEHR RESILIENT VON IHNEN! Ja es gibt sie, die sehr erfolgreichen lokalen BioVermarktungsinitiativen abseits des Supermarkts. Ein internationales Forschungsprojekt schaut sich nun an, wie diese Initiativen weiter stark wachsen können, ohne die Werte zu verraten oder gar zu scheitern.
„Bio muss leistbar sein!“ – „Die strengen Vorgaben der BioLandwirtschaft dürfen nicht verwässert werden!“ „Bio muss regional sein!“ – „Den Tomatensalat im Winter lasse ich mir nicht nehmen!“ „Bio im Supermarkt ist super praktisch!“ – „Die Bio-Käsebäuerin im Bergdorf unterstützen wir gerne.“ Unter dem Fachbegriff Bifurkation wird diese Zweiteilung des Biomarktes beschrieben. Während die Fundis kaum einen Aufwand für den Bio-Einkauf scheuen und vor allem Bäuerinnenmärkte, Food Coops und CSA-Landwirtschaften (Community Supported Agriculture) unterstützen, geht es der Masse beim Einkauf im Supermarkt um leichte Erreichbarkeit, hohe Bequemlichkeit, niedrige Preise und riesige Auswahl. Noch gibt uns der Markt die Möglichkeit, all diese Bedürfnisse beim Bio-Einkauf zu befriedigen. Welche Möglichkeiten gibt es für den Biomarkt, mengenmäßig deutlich zu wachsen und gleichzeitig die Grundwerte hochzuhalten, die Qualität weiter zu verbessern, möglichst viel aus der Region zu beziehen und zusätzlich den Kundinnen ein Höchstmaß an Bequemlichkeit zu bieten? Welchen Einfluss hat die jeweilige Vermarktung auf die betreffenden Bio-Betriebe? Was passiert mit Vermarktungsnetzwerken, wenn sie wachsen? Susanne Kummer versucht in ihrem aktuellen, internationalen Forschungsprojekt an der Universität für Bodenkultur diesen Fragen Antworten zu geben. Sie schaut sich an, welche Faktoren erfolgreiche regionale Vermarktungsnetzwerke prägen. Um die Punkte möglichst konkret festmachen zu können, hat sie sich zwei äußerst erfolgreiche aber gänzlich verschieden konzipierte Regionalvermarktungsphilosophien für die Befragung und Analyse ausgesucht: den Marchfelder „Biohof Adamah“ mit seinen Lieferantinnen und die Tiroler Genossenschaft „Bio vom Berg“ mit der Handelsmarke „Bio vom Berg“. Das Adamah Biokistl beliefert wöchentlich im Wiener Raum über 6000 Bio-Kundinnen mit frischem Ost und Gemüse, „Bio vom Berg“ findet als von Bio-Bäuerinnen getragene, Tiroler Bio-Marke in den MPreis-Supermärkten reißenden Absatz.
Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen, geizt daher auch noch mit konkreten Ergebnissen. Susanne Kummer interessiert aktuell besonders, was mit den lokalen Vermarktungsnetzwerken passiert, wenn diese deutlich wachsen. Wachsen sie mit oder brechen sie auseinander? „Dazu gibt es den schönen Begriff der Resilienz, also die Fähigkeit eines Systems mit Veränderungen umzugehen, während es grundlegend dieselben Funktionen und Strukturen beibehält. In meiner Untersuchung geht es darum auszuloten, wie viel Veränderung „verkraftet“ z. B. eine Biokistl-Zustellung, bevor sie kippt und sich grundlegend verändert“, so die junge Wissenschafterin. „Das AdamahBiokistlsystem wuchs in den letzten Jahren kräftig, während sich Ecolodan, ein ähnliches System in Schweden, zuerst gut entwickelte, danach aber auf die Hälfte der Zustellungen einbrach. Aus der Analyse der beiden Beispiele können wir wichtige Schlüsse ziehen.“ Was jetzt schon feststeht: „Erfolgreiche Bio-Projekte leben von der Umsetzung übergeordneter Ziele und Werte. Diese stehen meist gleichwertig neben den ökonomischen Zielen“, so Susanne Kummer. Gewissermaßen kann man sagen, was dem Supermarkt der Preis ist, ist den kleinen Bio-Projekten der Wert. Diejenigen, die die Bio-Werte leben und diese mit den Markterfordernissen kombinieren, denen winkt auch die Resilienz. Reinhard Geßl
FAKTEN UND ZAHLEN Projekt: Resilienz bäuerlicher Betriebe als Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum regionaler Bio-Produktnetzwerke – Fallstudie Österreich. Projektleiterin: Dr. Susanne Kummer, Universität für Bodenkultur, Institut für Ökologischen Landbau, Arbeitsgruppe für Wissenssysteme und Innovationen in Zusammenarbeit mit der Swedish University of Agricultural Sciences in Uppsala Info: - Der Begriff der sozial-ökologischen Resilienz stammt vom kanadischen Ökologen C.S. Holling. Sie ist schwer bzw. nicht messbar, verschiedene Eigenschaften eines Systems geben aber Hinweise auf den Grad der Resilienz.
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- Beispiele für zusätzliche Werthaltungen kleiner BioVermarktungsstrukturen: regionale Produktion, Verarbeitung, Absatz, intensive Kommunikation, höhere Standards, soziale Projekte, Catering, Zusammenarbeit mit der Forschung…
Bio-Fibel 2/2012
Im Visier Anton Reiters: Feldlerche, Sumpfrohrsäger, Mönchsgrasmücke, ...
BIO-WISSENSCHAFT
VOM RICHTIGEN ZEITPUNKT Vor allem von Mitte März bis Ende Juli stehen sie unter genauester Beobachtung. Kaum eine Regung – sei es am Boden oder in der Luft – entgeht dem wachsamen Auge Anton Reiters.
Im Visier des Feldstechers stehen unter anderem Rebhuhn, Wachtel, Feldlerche, Sumpfrohrsänger und Mönchsgrasmücke – kurz gesagt die Brutvogelfauna des Marchfelds. Auch wenn Agrarflächen nicht unbedingt für ihre Vogelvielfalt bekannt sind, die eng an die landwirtschaftlich genutzten Lebensräume gebundenen Vogelarten sind sehr charakteristisch und aufgrund der ständigen Intensivierung der Landwirtschaft in ihrem Bestand bedroht. Das gilt auch für das Marchfeld. Hier wurden allerdings 2001 im Rahmen des Projektes MUBIL („Monitoring der Auswirkungen einer Umstellung auf Biologischen Landbau“) rund 140 ha Ackerfläche auf Bio umgestellt, um die langfristige Auswirkung biologischer Bewirtschaftung u.a. auf Pflanzenertrag, Bodenfruchtbarkeit und Artenvielfalt zu untersuchen. Eines der MUBIL-Teilprojekte betreut der Zoologe Anton Reiter. Er analysiert die Brutvogelfauna des Projektgebietes, seine Ergebnisse dienen als Grundlage für vogelfreundliche Empfehlungen zur Bewirtschaftung von Ackerflächen und zur Neuanlage bzw. Pflege von Landschaftselementen wie Hecken oder Blühstreifen. Dass sich der Biolandbau verglichen zur konventionellen Landwirtschaft positiv auf Fauna und Flora auswirkt, ist wissenschaftlich belegt. Das zeigt sich auch auf den untersuchten Bio-Flächen im Marchfeld: In den Kartierungen der letzten Jahre wurden im Projektgebiet insgesamt 98 Vogelarten beobachtet, 22 Arten traten als Brutvögel auf. „Sowohl die Anzahl der im Projektgebiet brütenden Vogelarten als auch die Zahl der Brutreviere hat seit Projektbeginn trotz jährlicher Schwankungen deutlich zugenommen“, freut sich Reiter. Doch auch in der Vogelwelt kann man es nicht allen recht machen: Während Nützlinge und andere Vogelarten Windschutzstreifen durchaus zu schätzen wissen, sind diese für Großtrappen eher kontraproduktiv. Die Tiere bevorzugen offene, weite Flächen und werden durch Hecken auch in ihrer Schaubalz beeinträchtigt, da die Henne den Hahn nicht mehr sieht. Doch abgesehen von wenigen Ausnahmen werden Hecken, Windschutz- und Blühstreifen auch von Vögeln sehr geschätzt. Durch diese zusätzlichen Strukturelemente finden sie in der
sonst ausgeräumten Agrarlandschaft Nahrungs-, Rückzugsund Brutmöglichkeiten. Bei allen erwiesenen Vorteilen des Biolandbaus auf die Biodiversität von Agrarökosystemen, gibt es zum Leidwesen von Anton Reiter aber auch hier noch Verbesserungsmöglichkeiten: „Zeitpunkt und Häufigkeit der Bewirtschaftung sind neben anderen Faktoren entscheidend für den Bruterfolg vieler Vögel. Dies wird aber auf vielen Bio-Betrieben noch immer zu wenig berücksichtigt!“ Von den positiven Effekten, die durch eine Bio-Bewirtschaftung erzielt werden, können laut Reiter viele Bodenbrüter nicht profitieren, solange der Bearbeitungszeitpunkt der Felder aus Vogelperspektive nicht passt. Im Fall der Feldlerche, dem häufigsten Brutvogel des Projektgebietes, bedeutet dies, dass bei spätem Striegeln die Erstbruten zerstört werden. Auch das zu häufige Mulchen von Luzerneflächen, auf denen sich die Bodenbrüter besonders wohlfühlen, kann das Gelege zerstören und stellt auch für geschlüpfte Jungvögel eine Gefahr dar. Reiter empfiehlt, möglichst früh mit dem Striegeln, das der Regulierung der Beikräuter dient, aufzuhören und streifenweise, zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu mulchen. Nur bei einem ausreichend großen bearbeitungsfreien Zeitraum können die Vögel ihre Brut erfolgreich aufziehen. Für Anton Reiter liegen die Vorteile des Biolandbaus auf der Hand. Und auch wenn sich sein Wunsch, die Bewirtschaftung verstärkt nach den Ansprüchen bestimmter Tier- und Pflanzenarten auszurichten, in der Praxis nicht immer einfach realisieren lässt: Die Biobäuerinnen gehören sicher zu den ersten, die für die Belange der Feldlerche und anderer Brutvögel auf ihren Feldern ein offenes Ohr haben. Elisabeth Klingbacher
ZAHLEN UND FAKTEN Projekt: Monitoring der Auswirkungen einer Umstellung auf den biologischen Landbau (MUBIL); www.dafne.at Projektkoordination: DI Andreas Surböck, DI Markus Heinzinger (FiBL Österreich). Projektbetreuung Teilprojekt Avifauna: Dr. Anton Reiter (BOKU, Institut für Zoologie) Infos:- Das Gelege der Feldlerche umfasst 2-5 Eier. Die Jungen verlassen mit acht Tagen das Nest, werden aber weiterhin gefüttert. - Der bearbeitungsfreie Zeitraum sollte 40 (Feldlerche) bis 70 Tage (Fasan, Wachtel und Rebhuhn) betragen.
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GUTER GESCHMACK
REINHEITSGEBOT BIO Männer, Fußball und Bier – Frauen, Yoga und Grüner Tee. Soweit zu den Klischees, die glücklicherweise (fast) noch nie der Realität entsprochen haben. Das zeigte sich auch beim FiBL Tasting_forum, das Ende Mai im Kochstudio essen:z unter dem Motto „Entdecke das Bier in Dir“ zur großen Verkostung der österreichischen Bio-Biervielfalt lud.
An einem besonders lauen Abend, bei Temperaturen, die eigentlich nichts anderes als ein kühles Hopfengetränk zulassen, waren sich die zahlreichen Verkosterinnen – Männer wie Frauen – einig: Nicht nur im Geschmack, auch in Sachen Vielfalt steht der Bio-Gerstensaft seinem konventionellen Pendant in nichts nach. Die gereichten Bio-Biere – eine Auswahl an Pils, Weizen- und Roggenbieren, Zwickl sowie Starkbieren – trafen alle den Geschmack der Gäste. Und während die durchschnittliche Biertrinkerin in Kategorien von „schmeckt” und „schmeckt nicht” denkt, nahmen die geschulten Gaumen einiger Anwesender fruchtige Apfel- bzw. Bananen- oder Gewürznoten wahr. Reinhold Barta, Bier-Sommelier und Braumeister von Gusswerk, einer der wenigen reinen Bio-Brauereien Österreichs, war persönlich vor Ort und offerierte nicht nur zahlreiche Spezialitäten aus seiner Bio-Brauerei, sondern schenkte den Verkosterinnen auch reines Bier in Sachen Braukunst ein.
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BRAUHAUS GUSSWERK: CEREVINUM, 8,1 % VOL. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Nein – nicht Bier, nicht Wein. Strahlender Bernstein, cremiger Schaum. So zeigt sich Cerevinum im Glas. Das Dunkle kommt dabei von Demeter-Zweigelttrauben. Genauere Fragen zum Herstellungsverfahren weicht Braumeister Barta elegant aus, nur soviel ist sicher: Eine simple Mischung aus Rotwein und Bier ist es nicht. Dazu ist Cerevinum viel zu komplex. Zauberhafte Steinobstnoten, knackige Säure und erfrischende Perlage machen das Gebräu zu einem perfekten Aperitif. Und zum Pasta-Begleiter. Nicht lagern. Trinken!
WEITRA BRÄU: HADMAR, 5,2 % VOL. Der Name ist historisch. Hadmar II. von Kuenring gilt als der Gründer der Bierstadt Weitra. Genau dort, in den Brauanlagen von Weitra Bräu, wird das Hadmar auch handwerklich hergestellt. Dunkel, fast bernsteinfarben präsentiert sich das Vollbier. Deutlicher Hopfenton im Antrunk und röstig-malziges Finish. Ausgesprochen harmonisch und mild.
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GUTER GESCHMACK
KAPSREITER: STADTBRÄU, 4,9 % VOL.
BRAUHAUS GUSSWERK: HORNY BETTY, 9,6 % VOL.
Das Stadtbräu von Kapsreiter ist ein Klassiker am Markt der Bio-Biere. Dunkel, mit deutlichen Anklängen von Orange fließt es ins Glas. Das Bier ist hefetrüb und 8 Wochen gereift. Beim Brauvorgang verzichten die Braumeisterinnen auf die Nachgüsse und verwenden ausschließlich die erste, unverdünnte Malzflüssigkeit. Das Ergebnis ist ein enorm frisches, ausgewogenes Bier mit 12,3° Stammwürze und lebendiger Bittere.
Doppelte Gärung und dreifache Maische. Lange Maischekochzeiten. Große Flasche, Korkverschluss. Geiles Ziegenkraut und eine ziemlich coole Ausstattung. Wieder so ein kräftiges, tiefdunkles Triple-Bockbier, das das Zeug für ein langes Leben hat. Glaubt man der chinesischen Medizin, sorgt das Ziegenkraut auch dafür, dass es ein erfülltes Leben ist. Geschmacklich ist das Kraut für eine dezente bittere Note verantwortlich, das ganze Bier erinnert an feinen Amontillado. Lagern!
STIFTSBRAUEREI SCHLÄGL: BIO-ROGGEN, 4,9 % VOL. Die Schlägler waren die ersten. Und eine Zeit lang auch die einzigen. Mittlerweile gibt es auch andere Bio-Roggen-Biere, aber das Schlägler Roggenbier bleibt einfach köstlich. Gebraut mit dem Urgesteinswasser des Böhmerwaldes, Roggen- und natürlich auch Gerstenmalz sowie Mühlviertler Hopfen sind die Zutaten für dieses fruchtige und mild-hopfige Bier aus Oberösterreich.
NEUFELDNER BIO-BRAUEREI: S‘ZWICKL, 5,2 % VOL. Das natürliche Zwickl-Bio-Bier aus der ersten BioBrauerei Oberösterreichs ist ein naturtrübes, weil ungefiltertes Bier. Alle natürlichen Schweb- und Trübstoffe sind darin noch enthalten. Deshalb schmeckt dieses würzig-süffige Bier nicht nur ganz ausgezeichnet, sondern ist auch sehr bekömmlich.
BRAUHAUS GUSSWERK: WEIZENGUSS, 5,4 % VOL. Ein einfacher, hefetrüber, gar nicht so heller, aber dafür intensiver Trinkspaß. Ein sortentypisches Weißbier, allerdings mit ausgeprägtem Eigencharakter. Reif und fruchtig auf der einen Seite (Banane, gelber Apfel und eine Spur Zitrone), würzig und hefig auf der anderen. Warmes Weißbrot und ein Hauch von Honig. Deutlich süffiger als die drei Vorgänger.
BRAUHAUS GUSSWERK: DIES IRÆ, 10,9 % VOL. Der Name bedeutet “Tag des Zorns”, ist den humanistisch Bewanderten unter uns als Teil des Requiems bekannt und trifft damit exakt den Charakter des Biers. Das Dies Iræ präsentiert sich im Glas in sattem, dunklen Braun und riecht intensiv nach Hopfen und Kräuterauszug mit Orangenzeste. Im Antrunk überraschend fruchtig-elegant, dann aber komplex, tiefgründig und mit feinem Marzipan-Ton. Macht enorm Druck und genau so viel Spaß. Ein Bier für feine Gaumen und fürs Auge. Dieses Tasting_forum hat nicht nur viele Bio-Bierspezialitäten ausgepackt, sondern auch (fast) alle dazugehörigen Geheimnisse gelüftet. Und trotz, oder gerade wegen der langen Liste der verkosteten Biere konnten wir am Ende des Abends ganz nüchtern feststellen: Hopfen und Malz sind alles andere als verloren und zahlreiche Auszeichnungen der letzten Jahre bestätigen, dass allerhöchste Bio-Qualität in Kombination mit traditionellem Handwerk innovative Getränke mit hohem Genusssuchtfaktor garantieren. Elisabeth Klingbacher und Jürgen Schmücking
BRAUHAUS GUSSWERK: STEINBIER, 5,6 % VOL. Das Steinbier ist ein Salzburger Bier, das nach uralter Tradition hergestellt wird. Durch heiße Steine, die in die Würze kommen, entsteht ein röstig, karamelliger Ton, der dem Bier einen Hauch von Selchspeck-Aromen gibt. Assoziativ, versteht sich. Das Bier macht extrem Spaß und vermutlich auch eine blendende Figur zum Maibock.
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WEIN-LESEN
KRAFT UND MINERALIK – ESSENZ DES LEITHABERGS Ich gelobe, nie wieder abschätzig über den Leithaberg zu sprechen. Ich habe das getan. Im übermütigen Selbstbewusstsein des tirolerischen Bergvolks. „Im Burgenland von einem „Gebirge“ zu sprechen. Lustig.“ Dann hat Thomas Schwarz vom Kloster am Spitz mich zu einer Weingartenwanderung eingeladen.
Alle Fotos: Schmücking
Von Purbach nach Breitenbrunn. Aber nicht unten über die Bundesstraße oder den See entlang, sondern über die Ausläufer des Leithagebirges. Es ist wirklich ein Berg. Und was für einer. Abseits der Wege spürt man den steinharten Glimmerschiefer-Boden unter den Sohlen, an manchen Stellen scheint der Leithakalk durch. Das Terroir ist einzigartig. Der Glimmerschiefer zwingt die Reben dazu, ihre Wurzeln tief in den Boden zu graben. Das dunkle Gestein ist ein perfekter Wärmespeicher und sorgt im Wein für Frucht und Eleganz. Der Leithakalk ist das fossile Überbleibsel der Urdonau. Muscheln sind hier überall zu finden. Dem Kalk verdankt der Wein vom Leithaberg seine vibrierende Mineralik, der Tiefgründigkeit der Wurzeln seine Kraft und Konzentration. Aber nicht nur die geo-
logischen Bedingungen, auch die klimatischen Gegebenheiten sind ideal: Tagsüber der wärmende Einfluss des pannonischen Klimas und des Sees, nachts die Kühle des Gebirges. Dadurch entstehen Weine von lebendiger Frische und Finesse. Die nackten Fakten, die den Leithaberg DAC beschreiben, sind schnell erzählt. Die Geschichte, die die Weine selbst erzählen, ist deutlich länger. Leithaberg DAC umfasst ein Gebiet von 3500 ha im Bezirk Eisenstadt Umgebung, der Freistadt Eisenstadt und den Gemeinden Jois und Winden. Bei der Wahl der Rebsorten haben sich die Leithaberg-Winzerinnen für Grünen Veltliner und die Burgundersorten Chardonnay, Weißburgunder und Neuburger entschieden. Beim Rotwein ist die Sache einfacher: Blaufränkisch. Die Wahl der Rebsorten wird nachvollziehbar, wenn man das Profil der Leithaberg DAC-Weine etwas genauer betrachtet. „Strukturierte Weine, bei denen der Boden den Ausschlag gibt, langlebige Weine, mit großem Entwicklungspotential und Weine mit Länge, Fülle, Frische, Mineralität, Dichte und Finesse.“ Eigenschaften also, die den weißen Burgundersorten und dem Blaufränkisch wie
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WEIN-LESEN
auf den Leib geschrieben sind. Genauso streng geht es mit den sensorischen Anforderungen weiter. Hier haben sich die Leithabergerinnen etwas ganz besonderes einfallen lassen. Nachdem das sensorische Soll-Profil erstellt wurde, wurden einige Verkosterinnen, die in der Jury für die amtliche Prüfnummernverkostung sitzen, zu speziellen „LeithabergPrüferinnen“ ausgebildet. Und nur diese durften die Leithaberg DAC-Weine kosten und beurteilen. Ein genialer Schachzug. Beispiele für grandiose Leithaberg DAC-Bio-Weine gefällig? Da hätte ich einiges anzubieten. Ich beschränke mich bei meiner Auswahl auf zwei Purbacherinnen, die mit ihren Weinen die Bio-Szene seit kurzem bereichern: Birgit Braunstein und Thomas Schwarz vom Kloster am Spitz. Beide bieten mit ihrem Leithaberg DAC rot einen Blaufränkisch der Spitzenklasse, wenn auch unterschiedlich akzentuiert. Birgit Braunsteins 2009er ist beispielsweise dicht, saftig und hochgradig mineralisch. Gleichzeitig aber voller Eleganz und kristallklarer wie intensiver Kirschfrucht. Die ebenfalls deutlich spürbaren Beerentöne (und natürlich auch die Mineralik) deuten auf kalkigen Boden. Thomas Schwarz residiert im Kloster am Spitz, dem höchsten (bewohnten) Punkt in Purbach. Wobei „residiert“ eigentlich das falsche Wort ist. Sein Refugium ist weniger Residenz, als vielmehr ein kraftvoller Rückzugsort für einen kreativen Geist. Sein Leithaberg DAC rot 2009 besticht durch seine Balance aus Power und spielerischer Leichtigkeit. Der Wein riecht nach Hollerkoch, Heidelbeeren, frischen Waldkräutern und Cassis. Außerdem gibt es selten Weine, die so stark von Mineralik geprägt sind, wie dieser. Ein unglaublich langlebiger Blaufränkisch! Jedenfalls zeigen die Leithaberg DAC-Weine, dass es sehr wohl möglich ist, Herkunft im Wein abzubilden. Allerdings muss dafür viel und vor allem müssen die richtigen Dinge getan werden. Das haben die Leithaberg-Winzerinnen mit Bravour geschafft. Jürgen Schmücking
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SHORTCUTS
KÜHE VERSTEHEN – EINE NEUE PARTNERSCHAFT BEGINNT
BIENEN STATT BEIZEN Zwischen Bienenverlusten und insektizidgebeiztem Maissaatgut gibt es einen unbestrittenen Zusammenhang. Dieser eindeutige Befund findet sich im Endbericht des 2009 gestarteten österreichischen Forschungsprojekts „Melissa“. Vor allem in Gebieten mit kleinräumiger landwirtschaftlicher Struktur wurden erhöhte Bienenverluste durch Beizmittel festgestellt. Umfangreiche Auflagen sowie eine Verbesserung der Beizqualität konnten die Bienenverluste zwar reduzieren, die bienenschädlichen neonikotinoiden Beizmittel dürfen in Österreich aber dennoch weiter eingesetzt werden. Wirkliche Alternative ist auch in diesem Zusammenhang die Biologische Landwirtschaft, die auf derartige Beizmittel konsequent verzichtet und durch vielseitige Fruchtfolgen den Maiswurzelbohrer in Schach hält. (ek)
Martin Ott ist Bio-Bauer, Musiker, Mitbetreiber von Gut Rheinau und Stiftungsratspräsident des FiBL Schweiz. Er ist ein Praktiker und Zukunftsdenker und hält seit Jahren Vorträge, unter anderem zum Thema Kühe und Kommunikation mit und unter Kühen. Die vielen positiven Reaktionen zu einer Sendung im Schweizer Radio, wo Ott von der Sprache der Kühe erzählte, gaben den endgültigen Anstoß zu diesem Buch! Als Demeter-Bauern interessieren ihn Kühe besonders und seine genauen Beobachtungen lassen ihn zu äußerst eigenständigen Schlüssen kommen. Das Resultat ist beeindruckend: fotografisch wie textlich. „Kühe verstehen“ ist ein Buch für alle, denen der respektvolle Umgang mit Tieren und die Achtung vor dem Leben am Herzen liegt – ein wunderschönes Geschenk für sich selber oder eine Freundin. (rg)
Quelle: www.soel.de, www.ages.at
Süße Weine gibt es viele auf der Welt. Das ganz große Süßweinkino finden wir allerdings nur an zwei Orten. Im Sauternes, der traditionsreichen Appellation für edelsüße Weine rund um Bordeaux und am Neusiedlersee. Sauternes galt dabei lange als „bio-freie“ Zone. Damit ist jetzt Schluss. Betriebe wie Château Guiraud oder Château Climens haben die Zeichen der Zeit erkannt und auf biologischen bzw. bio-dynamischen Weinbau umgestellt. Besondere Bedeutung kommt dabei Château Guiraud zu. Das Weingut bewirtschaftet eine Fläche von etwa 100 Hektar und hat aufgrund dieser Größe schon Vorbildwirkung. Mit dem Jahrgang 2011 hat Guiraud die Umstellungsphase abgeschlossen und den ersten bio-zertifizierten Jahrgang am Markt. Naja, fast am Markt. Der Château Guiraud - bei den „en primeur“-Verkostungen überboten sich die Kritikerinnen mit Superlativen - kann im Moment subskribiert (also vorbestellt) werden. Ausgeliefert wird er irgendwann 2014. Wahrscheinlich im Herbst. (js)
Foto: Schmücking
SÜSSES GOLD IN BIO
BIO-URLAUB IM SÜDSTEIRISCHEN WEINLAND Es hat ein paar Jahre gedauert, aber vor einigen Monaten war es soweit. Die Gruppe der Bio-Hotels präsentiert stolz das zwanzigste Mitglied im Süden des Landes: Das biologisch-dynamische Weingut Alice und Roland Tauss liegt inmitten der malerischen Hügel der Südsteiermark, genauer gesagt in der Gemeinde Schlossberg nahe der slowenischen Grenze. „Ruhe und Erholung sind ein wesentliches Kriterium unserer Gäste, aber auch Wandern durch das Weinland sowie der Genuss von gutem Wein und gutem Essen gehören dazu“, meint Alice Tauss, die Gastgeberin. Die gemütlichen Winzerzimmer mit ihren geölten Holzböden, der offene Kamin oder der riesige Balkon in den Wohnungen im Winzerhaus, das atemberaubende Bio-Frühstück oder die sensationell mineralischen und bekömmlichen Weine des Hauses – all das lässt die Herzen der Genießerinnen höher schlagen. (js)
Nähere Infos unter www.chateauguiraud.fr
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Nähere Infos unter www.weingut-tauss.at
Foto: Schmücking
Nähere Infos im Buchhandel und unter www.fona.ch
SHORTCUTS
NEUE STUDIE: GV-MAIS TÖTET MARIENKÄFER DOCH
SPIELZEUG FÜR SCHWEINE Langeweile ist auf Dauer nicht nur für den Menschen schlecht – auch Schweinen bekommt die Untätigkeit nicht gut. Die Folge sind aggressives Verhalten, Rempeleien bis hin zu Kannibalismus. Forscherinnen der Universität Kassel entwickeln nun ein Wühltrogsystem, das Schweinen in der Intensivtierhaltung bessere Beschäftigungsmöglichkeiten bieten soll. Plastikbälle, die an einer speziellen Feder befestigt sind, werden derzeit in verschiedenen Schweinemastbetrieben getestet. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend und die Wissenschafterinnen optimistisch, dass bis zum Ende des Projekts, Mitte 2013, das neue Trogsystem in die Serienfertigung gehen kann. (ek)
Wissenschafterinnen der ETH Zürich haben nun ein umstrittenes Studienergebnis ihrer Kolleginnen aus dem Jahr 2008 bestätigt: Damals erhielten Marienkäferlarven im Labor Futter, welches das von gentechnisch verändertem Mais produzierte Toxin Cry1Ab enthielt und es wurde festgestellt, dass das Gift diese Nützlingslarven tötet. Die Reaktionen gentechnikfreundlicher Wissenschafterinnen waren entsprechend heftig, den Autorinnen wurden methodische Fehler und „Pseudo-Wissenschaft“ vorgeworfen. Bei der Versuchswiederholung wurden nun die vorgebrachten Kritikpunkte berücksichtigt, man kam dennoch zum gleichen Ergebnis: Die Sterblichkeit der Marienkäferlarven, die Cry1Ab erhielten, war signifikant höher als die der Kontrollgruppe. Die Forscherinnen setzten sich zudem mit der Kampagne auseinander, mit der die ursprünglichen Ergebnisse der Kolleginnen angefeindet worden waren und wiesen nach, dass die von den Kritikerinnen der Studie verwendeten Testverfahren ungeeignet waren. (ek)
Quelle: www.oekolandbau.de, www.uni-kassel.de
Quelle: Ökologie & Landbau 162, 2/2012; www.sciencedaily.com
Die intensive Landwirtschaft gilt als Mitverursacherin für den Rückgang vieler Wildpflanzen und -tiere. BioBetriebe haben beste Voraussetzungen, diesem Trend entgegen zu wirken. Das aktuelle Projekt „Biodiversität“ des FiBL Schweiz zeigt auf, wie sorgfältige biologische Bewirtschaftung und gezielte Maßnahmen eine sehr hohe Artenvielfalt erwirken. Auf einem Vorzeige-Projektbetrieb konnten 50 Schmetterlingsund 26 Orchideenarten aber auch intakte Reptilien- und Amphibienbiotope nachgewiesen werden. Projektleiter Lukus Pfiffner empfiehlt, die Biodiversität gezielt als Betriebszweig zu etablieren, denn mit hoher Naturvielfalt lassen sich nicht nur spezielle Arten fördern, sondern auch Funktionen im Naturhaushalt (z. B. natürliche Bestäubung, Schädlingsregulation und Bodenfruchtbarkeit) verbessern. Über Mehreinnahmen bei Ausgleichzahlungen gibt es eine echte Win-win-Situation. (rg)
Foto: Pfiffner/FiBL CH
TOP-NATURSCHUTZLEISTUNGEN IN BIO
Quelle und nähere Infos: www.fibl.org/de/themen/biodiversitaet.html
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VOM VERZEHR WIRD ABGERATEN – VOM LESEN NICHT
Noch bis 26. August 2012 zeigt die Galerie im Taxispalais in Innsbruck die Fotoausstellung „Lebensmittel“ des deutschen Fotografen Michael Schmidt. Die Ausstellung war zuvor im Museum Morsbroich in Leverkusen zu sehen, danach wartet der Gropius-Bau in Berlin. Schmidt zeigt die unterschiedlichsten Aspekte industrieller Lebensmittelproduktion. Wer allerdings bluttriefende Schlachthausbilder, weinende Kälber im Tiertransporter oder Erntehelfer in Vollkörperschutzanzügen erwartet, wird enttäuscht. Schmidt geht es nicht um Ekel oder schnelle Provokation. Seine Bilder wirken anders. Sie wirken nicht einmal für sich. Vielmehr ist es ein Gefühl der Unruhe und Nachdenklichkeit, das sich bei der Beobachterin aufbaut. Vor allem, wenn die Bilder in ihrer Gesamtheit, also im Ensemble und ihrer Anordnung im Raum wahrgenommen werden. Gleichzeitig legt der Künstler einen aufwändig gestalteten Band mit sämtlichen Bildern der Ausstellung vor. In ihrer Gesamtheit bildet die Ausstellung eine beunruhigende Bestandsaufnahme moderner industrieller Lebensmittelproduktion. Und genau deswegen ist sie absolut empfehlenswert! (js)
Foto: Michael Schmidt
LEBENSMITTEL – BILDER EINER AUSSTELLUNG
Fitness, Vitalität, Schönheit - das sind die Dogmen unserer Zeit. Für diesen Lifestyle hat die Lebensmittelindustrie gleich die passenden Produkte entwickelt: Joghurt für eine gesunde Verdauung, cholesterinsenkende Margarine und Süßigkeiten mit Vitaminen. Seit 25 Jahren beschäftigt sich der Journalist und Autor Hans-Ulrich Grimm mit den Machenschaften der Nahrungsmittelindustrie. In seinem neuen Buch „Vom Verzehr wird abgeraten“ deckt er auf, was hinter den werbewirksamen Botschaften von sogenannter Gesundheitsnahrung steckt. Grimm zeigt, wie die Geschäftsstrategien der Industrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen. Er leuchtet die Wirklichkeit hinter der Werbefassade aus und untersucht die Methoden der Irreführung. Und Grimm recherchiert, wie Wissenschafterinnen aus staatlichen Instituten und den Labors der Konzerne sich verbrüdern – zum Schaden von ernährungsbewussten Konsumentinnen. (ek) Nähere Infos im Buchhandel und unter www.droemer-knaur.de
Nähere Infos unter www.galerieimtaxispalais.at
IMPRESSUM Bio-Fibel – Zeitschrift für Wissen aus der Biologischen Landwirtschaft: Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Freiland Verband für ökologisch-tiergerechte Nutztierhaltung und gesunde Ernährung; Seidengasse 33/13, 1070 Wien; Fon 01/4088809; Fax 01/9076313-20; e-mail: office@freiland.or.at; net www.freiland.or.at; DVR-Nummer 0563943; Chefredakteur: Dipl.-Ing. Reinhard Geßl (rg), Leiterin der Redaktion: Dipl.-Ing. Elisabeth Klingbacher (ek); Mitarbeit: Irene Pratsch, Wilfried Oschischnig, Jürgen Schmücking (js); Redaktion: Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Österreich), Seidengasse 33/13, 1070 Wien; Fon: 01/9076313-0, net: www.fibl.org/de/ oesterreich. Alle nicht anders gekennzeichneten Fotos: Geßl & Wlcek OG; Druck: gugler GmbH Melk; Layout: Geßl & Wlcek OG. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht unbedingt der Meinung des Herausgebers entsprechen. Vertriebspartner: Admah Biokistl. FREILAND-Spendenkonto: Erste Bank, BLZ 20111, Ktnr. 08210993; Auflage: 10000 Stück. Hinweis: Eine geschlechtergerechte Formulierung ist uns in der Bio-Fibel ein großes Anliegen. Da wir gleichzeitig eine gut lesbare Zeitschrift herausgeben wollen, haben wir uns entschieden, keine geschlechtsneutralen Begriffe zu verwenden, sondern alternierend entweder nur weibliche oder nur männliche Bezeichnungen. Wir sind uns dessen bewusst, dass diese Generalklausel einer geschlechtergerechten Formulierung nicht ganz entspricht, wir denken aber, dass die gewählte Form ein Beitrag zur publizistischen Weiterentwicklung für mehr sprachliche Präsenz weiblicher Begriffe sein kann.
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HAUBENSACHE BIO
TAFELN FÜR DAS WASSER Bereits zum zweiten Mal luden das FiBL Österreich und die AMA Marketing Entscheidungsträgerinnen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Kunst, Produzentinnen und Genießerinnen zu einem Kochsalon der besonderen Art:
Angelehnt an die vier Elemente Luft, Feuer, Wasser und Erde verbindet die Veranstaltungsreihe „Haubensache Bio – Ein exklusiver Kochsalon mit Wein- und Wissenschaftsbegleitung“ Bio-Küche auf höchstem Niveau mit aktuellen und relevanten wissenschaftlichen Erkenntnissen rund um die Biologische Landwirtschaft. Nach der ersten Veranstaltung zum Thema Luft stand Mitte Juni die zweite Haubensache unter dem Generalthema Feuer. Die Temperaturen machten dem Motto der Veranstaltung alle Ehre. An einem der längsten und bisher auch heißesten Tage des Jahres versammelten sich die Gäste im Oktogon am Himmel, den Backofen Wien zu Füßen. Der Tisch war mehr oder weniger direkt in den Weingärten gedeckt, das Menü von Haubenkoch Franz Wirth begeisterte die anwesenden Gäste ebenso wie die Geschichten der Bio-Bäuerinnen, deren Produkte für den kulinarischen Erfolg des Abends mitverantwortlich waren. Für die Wissenschaftsbegleitung sorgte das FiBL, das als Kontrapunkt zum Feuer den Fokus auf das Thema Wasser legte. Und das völlig zu Recht: Seit 1950 ist der weltweite anthropogene Wasserbedarf um rund 300 % gestiegen. Während Haushalte nur zu etwa 10 % dafür verantwortlich sind, spielt die globale Landwirtschaft eine weitaus größere Rolle – unglaubliche 70 % des weltweit benötigten Süßwassers werden für landwirtschaftliche Leistungen gebraucht. Vor diesem Hintergrund veranschaulichte Stefan Hörtenhuber, der Nachhaltigkeitsexperte von FiBL Österreich, wie Kulinarik und nachhaltige Ressourcennutzung zusammenhängen: Durch das vom FiBL entwickelte Wasserbilanzierungsmodell wird der Wasserbedarf einzelner Lebensmittel entlang der gesamten Wertschöpfungskette – vom Feld bzw. Stall bis ins Supermarktregal – detailliert berücksichtigt. Und die Ergebnisse zeigen klar das Wasser-Einsparungspotential des Biolandbaus: Sämtliche bisher bilanzierten Bio-Lebensmittel weisen einen geringeren Wassergebrauch sowie eine geringere Gewässerbelastung auf als konventionelle Vergleichsprodukte.
Die Gäste konnten also rundum zufrieden sein: Köstliches Bio-Essen, exzellente Bio-Weine der „Schmecke das Leben“Winzer, ein lauer Sommerabend in tollem Ambiente, interessante Vorträge und auch nicht unwesentlich: Mit jedem verzehrten Bio-Menü konnte – verglichen mit einem identischen Menü aus konventioneller Landwirtschaft – der Wasserbedarf um mehr als 695 l gesenkt werden. Elisabeth Klingbacher
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BILD: ANNA-SOPHIE BERGER
FASHION • DESIGN • FOOD MARKET FOR SUSTAINABLE PRODUCTS
13.–15.07.2012 mq museumsquartier, wien FAIRFAIR.AT — FACEBOOK.COM / BIORAMA EINE VERANSTALTUNG IM RAHMEN DES MQ SUMMER OF FASHION IN KOOPERATION MIT DEM MQ