BIO-FIBEL ZEITSCHRIFT FÜR WISSEN AUS DER BIOLOGISCHEN LANDWIRTSCHAFT
Maria Pieper – Grande Dame der Biokosmetik Seifensiederei – Viel Schaum mit Bio Bio-Kräuter – Körperpflege von innen Bio-Lavendel – Zu schön um da zu sein
3/2012
EDITORIAL
WIR MACHEN SIE SCHÖN UND GLÜCKLICH! Haben Sie heute schon geduscht? Ja? Und welches Duschbad haben Sie verwendet? War es das billige Lockangebot aus dem Supermarkt oder ein biozertifiziertes Naturkosmetikprodukt? Aha, Sie haben sich für das Billigprodukt entschieden, da Sie meinen, dass der Unterschied nur der Preis sei? Wenn Sie sich da nicht kräftig täuschen! Praktisch alle klassischen Duschbäder, Haarshampoos etc. haben Erdöl als Basis. Weltweit werden jedes Jahr zumindest 50.000 Tonnen Mineralöl in der Kosmetikindustrie verwendet. Dies entspricht auf der einen Seite der Größe eines respektablen Öltankers und verseucht auf der anderen Seite das Wasser noch in viel größerem Ausmaß. Etwas übertrieben gesagt, produzieren Sie mit jeder Diskontdusche eine kleine Ölkatastrophe im Bad, denn diese als „rinse off“ konzipierten Produkte gehen nach der Anwendung zur Gänze ins Abwasser. Rechnet man mit der alten Faustzahl, dass ein Liter Mineralöl 1000 Liter Wasser verunreinigt, dann kommt man auf unvorstellbare 50 Milliarden Liter aufzubereitendes Wasser, alleine durch jene Stoffe, die uns sauber und schön machen sollen. Bei den Cremen, Lotionen etc. muss diese Entgiftungsfunktion unser Körper übernehmen. Die Haut als unser größtes Organ muss all die aufgeschmierten Stoffe chemischen Ursprungs aufnehmen. Da diese für den Organismus nicht weiter verwertbar sind, werden sie entweder eingelagert oder wieder ausgeschieden. Dass der Körper mit vielen dieser Stoffe nicht wirklich klar kommt, merkt man u. a. am Phänomen, dass Haut und Haare umso mehr nach „Pflege“ schreien, je mehr man wäscht, cremt, balsamiert, stylt etc. Ein ungesunder Teufelskreis, für Mensch und Umwelt! Biokosmetik verwendet kein Erdöl! Als Grundstoff fungieren ausschließlich hochwertige Bio-Pflanzenöle. Außerdem verzichtet die Biokosmetik auf synthetische Duft- Farb- und Konservierungsstoffe, selbstredend auch auf jegliche Tierversuche und, und, und. Leider stellt sich der Natur- und Biokosmetikmarkt in der Praxis etwas verwirrend dar. Sehr oft finden Sie eines der zwei großen Siegel: das BDIH-Siegel „Kontrollierte Naturkosmetik“ und das NatrueSiegel, welches zwischen Naturkosmetik, Naturkosmetik mit Bioanteil und Biokosmetik unterscheidet. Ein sehr gutes, konsequentes (österreichisches) Zeichen ist das Bio-Kosmetiksiegel der Austria Bio Garantie. Es zeichnet jene Produkte aus, die streng nach den Bio-Vorgaben des Österreichischen Lebensmittelbuches hergestellt wurden. In dem Punkt ist Österreich europäischer Vorreiter. Wer sich nur ein bisschen für die Zutaten und Hintergründe der konventionellen Kosmetikindustrie zu interessieren beginnt, der landet recht rasch bei den feinen Produkten der konsequenten Biokosmetik. Wir legen Ihnen mit dieser Bio-Fibelausgabe eine erste Rutsche. In allen Geschichten stellen wir Ihnen kleine, engagierte Initiativen vor, die sich mit hohem persönlichen Einsatz das Ziel gesetzt haben, Sie mit Bio schön und glücklich zu machen. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und Entdecken!
Reinhard Geßl, Herausgeber
INHALT Dankeschön an Ihre Haut Ein Leben für die Seife Schönheitskontrolle Ein Ausflug in die Provence Einfach. Zufrieden. Sein. Waldviertler Jugendelixier Die Weinzukunft zwischen R2D2 und C3PO Weinland Steiermark – die Zeichen der Veränderung Leserbrief Impressum
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IM GESPRÄCH
DANKESCHÖN AN IHRE HAUT In der Zwischenzeit haben wir gelernt uns biologisch zu ernähren. Wir kennen die Bio-Marken und -Siegel und fühlen uns als Teil der postulierten grünen Revolution. Wie schaut es bei der Körperpflege aus? An meine Haut lasse ich nur Wasser und Bio?
Maria Pieper ist die Grande Dame der Biokosmetik. Sie begann neben ihrem bürgerlichen Beruf als Beratungslehrerin bereits Mitte der 1980er Jahre aus den Kräutern ihres BioBauernhofes am Küchenherd kompromisslos gute Biokosmetik herzustellen. Zuerst beglückte sie damit ihre Freunde, dann auch die Freunde der Freunde und heute produziert sie mit ihrer in Salzburg beheimateten „Pieper Biokosmetik
Manufaktur“ für die ganze Welt, u. a. über Marias Organic Care, die Naturkosmetiklinie der Grünen Erde und Mani Olivenöl. Seit 2006 arbeitet sie auch als Expertin der Arbeitsgruppe Biokosmetik des Gesundheitsministeriums. Ihrem umfangreichen Bio-Fachwissen verdankt Österreich ganz wesentlich die gesetzliche Verankerung der Biokosmetik im Lebensmittelbuch. Wo „produziert nach Codexkapitel A8 Biokosmetika“ draufsteht, ist sicher kontrollierte Biokosmetik drinnen. Wir trafen die Pionierin der österreichischen Biokosmetik im Innenhof des Hotels Brillantengrund in Wien Neubau und plauderten über blaue Cremedosen, Siegel mit beschränkter Aussagekraft, tägliche Ölkatastrophen im Badezimmer, astronomisch hohe Flakonpreise, Männer- und Autopflege sowie die inneren Werte der Biocremen.
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IM GESPRÄCH
Frau Pieper, genaugenommen fällt ja die Eitelkeit in die Kategorie „Todsünde“. Ist es da nicht gerecht, dass die Leute mit chemischer Industriekosmetik „angeschmiert“ werden? Bis zu 500 Chemikalien verteilt eine Frau täglich auf Gesicht und Körper… Ehrlich gesagt, die konventionelle Kosmetik hat mich nie interessiert. Als Lehrerin war ich ursprünglich in der „Emanzipatorischen Pädagogik“ und in der Frauenbewegung engagiert – also eine völlig andere Interessenslage. Das Thema Kosmetik kam für mich erst später. Freilich bin auch ich mit dieser blauen, glänzenden Dose – Sie wissen schon – aufgewachsen. Aber was da eigentlich wirklich drinnen ist und was diesen Tiegel so teuer macht, das habe ich erst relativ spät hinterfragt. Heute gelten Sie jedenfalls als „Grande Dame“ der BioKosmetik. Verraten Sie uns, wie man als „Emanzipatorische Pädagogin“ eine erfolgreiche Bio-Kosmetik-Unternehmerin wird? Wie gesagt – ich war ursprünglich Lehrerin in Salzburg. Mein Mann hat Wirtschaftswissenschaften studiert und war in der Erwachsenenbildung tätig. Und wie bei so vielen damals, haben auch bei uns die Träume und Ideale der 68er Bewegung ins Leben hineingespielt. Kurz: Der Wunsch, aufs Land zu ziehen und Bauer zu werden, ist bei meinem Mann immer größer geworden. Also haben wir uns nach einer Landwirtschaft
umgesehen und sind schließlich nach einem Jahr in der Südsteiermark fündig geworden. Eine faszinierende Gegend. Ich komme ja aus dem Salzburger Pinzgau, wo's eher rau ist, da hat mich das milde Klima in der Südsteiermark schon sehr begeistert. Und los ging’s…? Nein! Anfangs wollten wir mit Kräutern eigentlich gar nichts machen, obwohl unser neues Zuhause früher eine Kräuterfarm war. Aber dann kam bei mir die Begeisterung für alles, was dort wächst. Ich habe angefangen, Kräuter in Öl einzulegen. Aus diesen sogenannte Ölmazeraten sind bald die ersten Ringelblumensalben entstanden. Das passierte alles neben meiner Arbeit als Volksschullehrerin im Ort – das war unser „bürgerliches“ Gehalt. Ja, und so ging es schrittweise weiter: Ich habe mich tiefer in die Materie eingelesen, verschiedene Rezepturen ausprobiert und Freunde damit beschenkt. Die ersten Cremen und Gesichtswässer sind entstanden – und schließlich habe ich mit dem Verkauf angefangen. Vorerst im Kolleginnenkreis und auf Kunsthandwerksmärkten. Das war wirklich eine spannende Zeit. 1997 haben wir den Hof aufgeben und sind wieder zurück nach Salzburg gegangen, um an der Salzach das Elternhaus meines Mannes zu renovieren, mit einer Produktionsstätte und Büros im Erdgeschoß. Heuer sind wir dann im September auf einen Standort mit größerer Produktion und modernem Lager übersiedelt. Auf 425 m² können wir jetzt den gewachsenen Hygieneauflagen perfekt entsprechen und noch effizienter arbeiten. Die Naturkosmetik hat sich mit einem Jahresumsatz von neun Milliarden Dollar zu einem riesigen Geschäft entwickelt. Steckt hinter diesem Geschäft gar ein KonsumentenNepp: 15 bis 60 Prozent der Zutaten seien chemischen Ursprungs – warnte die Zeitschrift Öko-Test 2011. Zuerst einmal müssen Sie bei dieser Diskussion zwischen „Naturkosmetik“ und „Bio-Kosmetik“ trennen. Und zwar strikt. Das sind zwei völlig unterschiedliche Gruppen. Wer „Naturkosmetik“ kauft, hat noch lange kein Bio-Produkt in Händen. Was halten wir dann in Händen? Um hier die Hintergründe genauer zu verstehen, müssen wir einen Blick auf die Entstehungsgeschichte der Naturkosmetik werfen: Vor 25-30 Jahren hat man auch im kosmetischen Bereich begonnen mit natürlichen Mitteln zu arbeiten. Kleine, ambitionierte Unternehmen waren das – die Tiegel waren braun, die Etiketten handgeschrieben. Das war eine ehrliche Marktnische, der man eigentlich keine wirtschaftliche Zukunft prophezeit hat. Zum Glück ein Irrtum, wie wir heute wissen. Schließlich hat dann der Bundesverband Deutscher Industrieund Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und Körperpflege – also der BDIH – eigene Richtlinien für Naturkosmetik erstellt und ein Siegel herausgebracht. Also das BDIH Siegel „Kontrollierte
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Naturkosmetik“ ist heute noch am Markt und wird am häufigsten eingesetzt. Das hört sich ja alles bestens an – wie aber ist die Chemie in die Naturkosmetik gekommen? Wie so oft bei einem Erfolg im Geschäftsleben haben auch bei der Naturkosmetik immer mehr Große in den Markt gedrängt und in der Folge auch einen gewissen Druck auf die Richtlinien ausgeübt. Da sinkt rasch der qualitative Anspruch. So hat etwa im konkreten Fall eine große Firma begonnen, die Spielregeln zu ändern – auf Kosten der Qualität. Für die Kleineren, also auch für mich, war das dann kein gangbarer Weg mehr! Können Sie uns ein konkretes Beispiel nennen? Zum Beispiel müssen von 300 erlaubten Stoffen auf der Zutatenliste nur drei, vier verpflichtend aus Biologischer Landwirtschaft stammen. Einmal abgesehen davon, war für mich das BDIH-Siegel nie wirklich interessant – eine echte, ehrliche Naturkosmetik sollte nicht nur aus sogenannten „natürlichen Stoffen“ hergestellt werden, sondern muss für mich konsequent biologisch sein. Der „Greenwashing-Goliath“ hat aber hoffentlich nicht gegen den Bio-David gewonnen? Nein, es kam dann vereinzelt zu einer Abspaltung vom BDIH und eine kleinere Gruppe – Weleda und Dr. Hauschka – hat in der Folge das „Natrue-Siegel“ ins Leben gerufen. Bei den neuen Richtlinien gab es anfangs drei Abstufungen: Naturkosmetik, Naturkosmetik mit Bioanteil und schließlich Bio-Kosmetik. Gekennzeichnet wurden die Qualitätsstufen durch Sterne, also drei Sterne für Bio-Kosmetik und so weiter.
Freilich wollte dann niemand nur einen Stern haben – also hat man das System wieder abgeschafft und jetzt weiß man auch beim Natrue-Siegel nicht genau und sicher, ob das jetzt Naturkosmetik oder Naturkosmetik mit Bio-Anteil oder doch echte Bio-Kosmetik ist. Und die Leute haben weiterhin keine Chance „Naturkosmetik“ von „Bio-Kosmetik“ zu unterscheiden… Doch, doch! In Österreich ist das zum Glück leicht möglich. In Österreich ist es uns gelungen, eine gute und sichere Erkennung für Bio-Kosmetikprodukte durch eine gesetzliche Verankerung im Codexkapitel A8 zu gewährleisten. Da konnte ich selbst als Mitglied der Arbeitsgruppe für Bio-Kosmetik in der Codexkommission des Gesundheitsministeriums mitarbeiten. Wo „Produziert nach Codexartikel A8 Biokosmetika“ drauf steht, ist kontrollierte Bio-Kosmetik drinnen. Damit haben wir eine klare Bezeichnung im Sinne der Konsumenten geschaffen. Gut, diesen Satz werden wir uns ein für allemal hinter die Ohren schreiben. Noch kurz zur EU-Ebene: Wie sieht es da aus? Daran arbeiten wir gerade intensiv. Es geht hier jedenfalls in eine erfreuliche Richtung. Die Zielsetzung ist, ein gutes, leicht verständliches Europäisches Siegel zu schaffen und zu etablieren. Mit Richtlinien und Zutaten tut sich die konventionelle Kosmetikindustrie offensichtlich leichter. Hier setzt man auf den „Naturstoff“ Erdöl. Rund 50.000 Tonnen Mineralöl fließen jährlich in diese Produkte.
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viele dieser Produkte zum Einsatz und gelangen in unsere unmittelbare Umwelt.
Richtig. Das muss man sich einmal vorstellen – 50.000 Tonnen! Zum enormen Schaden an der Umwelt kommt noch der Aspekt, dass ja mit diesen Stoffen, z. B. den Paraffinölen, der menschliche Körper nichts anfangen kann. Quasi ein „Tankerunglück im Badezimmer“, das niemand sehen will? Deshalb ist es mir besonders wichtig, im Bereich der Körperpflege und Kosmetik zu einem nachhaltigen Umdenken beizutragen. Die Friseurinnen und Friseure sind da in unserer Arbeit ein wichtiger Schwerpunkt – hier kommen ja immens
Apropos „unmittelbare Umwelt“ – bei Lebensmitteln ist aktuell die Regionalität der große Renner. Spielt der Regionalitätsbegriff auch in der Bio-Kosmetik eine Rolle? Für mich nimmt der regionale Bezug einen immer höheren Stellenwert ein. Ich komme gerade aus dem burgenländischen Seewinkel, von einem Biobauern mit Gurken und anderem Gemüse. Wir möchten gemeinsam eine neue Gurkencreme entwickeln: Das Sonnenblumenöl und das Mohnöl dafür kommen von seinem Betrieb, und das Bienenwachs beziehen wir von einem Imker aus der Steiermark. Ich versuche immer unnötige Kilometer zu vermeiden, das ist mir ein echtes Anliegen. Das gilt auch für unsere neue Rosenlinie von Marias Organic Care. Wir wollen immer auf kürzestem Weg zur Qualität kommen. Für diese Linie beziehen wir die Wildrosen für das Wildrosensamenöl von einem deutschen Partner, die Damaszenerrose für das Rosenwasser kommt aus der Türkei und der Provence. Aber nicht immer lässt sich der Regionalitätsbegriff in der Kosmetik so eng ziehen wie im Lebensmittelhandel. Natürlich könnte man auch argumentieren: Ätherische Öle sind von Transport her nur kleine Fläschchen, also kleine Mengen, die bei der Klimabilanz nicht ins Gewicht fallen. Aber auch wenn’s von den Richtlinien her erlaubt ist: Öle aus Argentinien oder weiß Gott wo her machen einfach keinen Sinn. Weil wir schon beim Sinn sind: Ist es vernünftig, sich mit wertvollen Bio-Lebensmitteln zu pflegen? Ins Auto kommen Pflanzen und auf die Haut… Also wenn Sie jetzt auf den Vergleich mit pflanzlichen Treibstoffen hinaus wollen – dieser Vergleich hinkt ganz gewaltig, der ist meiner Meinung nach nicht zulässig. Ein Auto braucht ganz andere Mengen an Rohstoffen als eine natürliche, gesunde Körperpflege. Was braucht dann so eine „sparsame“ Bio-Creme? In 100 Milliliter guter Bio-Creme sind ungefähr 40 Milliliter Öl enthalten. Da werden Sie mit einem Auto nicht weit kommen. Und vergessen Sie nicht: Gerade weil eben so viele Menschen ihre Haut mit den falschen Mitteln reinigen, trocknet sie rasch aus und muss immer wieder und mit größeren Mengen gepflegt werden. Das ist ja der wesentliche Punkt in der Geschichte: Die meisten Menschen, vor allem Frauen, fangen viel zu früh mit den „Hautschmierereien“ an und greifen zudem noch zu den falschen Produkten. Ja, das beginnt meist schon bei den Kindern. Die industrielle Kosmetik verkauft den Menschen Erzeugnisse, die die Haut frühzeitig träge machen. Dabei produziert unsere Haut von sich aus eigene Pflegestoffe. Grundsätzlich reicht es voll und ganz, dass sich junge Menschen gesund mit Bio ernähren – dann sorgt die Haut von sich heraus für die notwenigen Pflegestoffe.
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Sollen wir also streng nach dem Bio-Prinzip „weniger vom Richtigen ist mehr“ vorgehen? Ja, sicher! Die Leute verwenden heute so gerne Cremen, die möglichst rasch in die Haut einziehen. Dann sagen sie: „Großartig! Die zieht aber schnell ein!“ Das scheint heute das wichtigste Kriterium zu sein. In Wirklichkeit sind das alles Cremen mit einem 90-prozentigen Wasseranteil, sogenannte Öl- in Wasseremulsionen. Das Wasser verdunstet rasch und in der Folge muss immer gleich wieder nachgeschmiert werden. Da sind wir schon wieder beim entscheidenden Unterschied: Bio-Kosmetik und gute Naturkosmetik heißt, dass Sie bei der Anwendung ganz wenig davon brauchen. Der Anteil an wirklichen Pflegesubstanzen ist einfach viel höher. Blöde Frage – weshalb kosten 90 % Wasser bei Chanel & Co. EUR 90,- und ein Vielfaches davon? Wahrscheinlich ist der Tiegel oder die Flasche so teurer!? Warum haben Sie eigentlich das millionenschwere Angebot von L’Oréal abgelehnt? (Lacht) Es gibt leider kein Angebot! Nein, nicht leider. Ganz ehrlich, für mich wäre das Verkaufen an einen Multi überhaupt keine Option. Ich gebe mit meiner Marke keiner großen Firma einen grünen Touch! Nach zwei blöden Frage jetzt eine sehr kritische: Wo ist eigentlich der „Pferdefuß“ an der Bio-Kosmetik? Also der Haken, den niemand kennt? Ich persönlich bedaure, dass Öle aus kontrolliert biologischem Anbau nicht zwangsläufig naturbelassen sein müssen, sondern auch raffiniert sein dürfen. Das weiß fast kein Kunde. Und große Firmen – wenn ich das einmal so sagen darf – sind darüber gar nicht so unglücklich. Vor allem aus Sicht der großen Produktion geht es auch immer um Haltbarkeiten: Bei raffi-
nierten Rohstoffen passiert am allerwenigsten, weil die sind ja zu Tode raffiniert. Für mich ist es höchste Zeit, dass man in der Biokosmetik den Einsatz raffinierter Öle streng regelt. Aus Männersicht gibt es noch einen Haken: Der absolute Angebotsmangel! Außer Rasiercremen gibt es praktisch nichts. Sogar für Autos gibt es schienbar ein üppigeres Kosmetikangebot!? (Lacht) Das stimmt! Aber ich kann Sie beruhigen: Ich hatte früher eine Serie für Männer, das traue ich mich jetzt fast gar nicht zu sagen, aber da waren die Verpackungen einfach nicht schön genug, oder eben nicht männerentsprechend. Ich habe das Projekt „Männerpflege“ wieder hinten angestellt. Aber jetzt! Jetzt werden wir mit tollen Verpackungen an die Männer herantreten, die werden staunen. Zum Schluss noch rasch zu unserer berühmten Kühlschrankfrage: Hält Ihr Kühlschrank in punkto Bio mit Ihrer Kosmetiklinie mit? Meine Tochter hat heuer erstmals ein kleines Gärtchen angelegt. Also wenn Sie bei uns den Kühlschrank aufmachen, sind da selbstgezogene Gurken und Tomaten und Bohnen drinnen, nicht zertifiziert aber ehrlich Bio. Und dann kaufen wir noch bei den Bauern in der Nachbarschaft ein – dieser direkte Bezug ist mir schon sehr wichtig. Ob die Bio sind, das weiß ich ehrlich gesagt nicht sicher. In der Südsteiermark hatten wir eine eigene Kuh, die ist beim Nachbarn gestanden. Der Bauer hat mir jeden Tag frische Kuhmilch gebracht. Damals habe ich unser Joghurt selbst gemacht. Das mache ich jetzt auch noch, manchmal – aber es ist halt alles eine Frage der Zeit. Danke für das Gespräch! Wilfried Oschischnig und Reinhard Geßl
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Der Moment, in dem Barbara Freyberger ihre Bio-Seife in Form bringt
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EIN LEBEN FÜR DIE SEIFE Bereits vor zwölf Jahren, als sich der heutige Seifen-Boom noch nicht einmal am Horizont abzeichnete, hat sich die gelernte Visagistin Barbara Freyberger – im wahrsten Sinne des Wortes mit Haut und Haaren – der Seifensiederei verschrieben.
Die Anfänge gestalteten sich allerdings schwierig. Recht schnell stellte sich heraus, dass es sich beim Seifensieden zu dem Zeitpunkt, als sich Freyberger dafür zu interessieren begann, bereits um ein beinahe ausgestorbenes Handwerk handelte. Neben dem Experimentieren in der eigenen Küche suchte sie daher auf Flohmärkten nach aufschlussreicher Literatur und verfeinerte – man kann schon sagen perfektionierte – im Lauf der Jahre die Kunst der Seifenherstellung. Das Besondere: Ihre Seifen machen nicht nur sauber – sie sind es auch! Ganz ohne synthetische Farb-, Duft- und Konservierungsstoffe reinigen die Seifensieder-Produkte die Haut gründlich und lassen sie wieder frei atmen. Hauptbestandteile der duftenden Kunstwerke sind verschiedenste Öle und Fette, die je nach Rezeptur und Hauttyp eingesetzt werden. Die einzelnen Zutaten bezieht Freyberger von handverlesenen Lieferanten: Das Bienenwachs bekommt sie von einem Bioimker aus der Umgebung, Olivenöl, Kakaobutter, Kokosfett, ätherische Öle und Kräuter werden nach den strengen Kriterien der Seifenfachfrau ausgewählt und stammen alle aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft. Gefärbt wird in der Seifenwerkstatt nur mit Stoffen aus der Natur, wie etwa Chlorophyll und Auszügen aus der Alkannawurzel. In Emailtöpfen, wie man sie aus Omas Küche kennt, werden die Zutaten erhitzt und vermischt. Über den Kochplatten hängt ein Schild. „Krisenherd“ ist zu lesen, doch Barbara Freyberger und ihre drei Mitarbeiterinnen beruhigen: „Bei uns geht’s nicht ohne Humor!“ Die gute Stimmung ist trotz Vorbereitungsstress für eine große Messe in Moskau spürbar. Von Krise also keine Spur. Ganz im Gegenteil, Freyberger hat neben dem Onlineversand mit der Therme Blumau einen wichtigen Partner gefunden. Zusätzlich streckt sie ihre Fühler bereits nach weiteren Vermarktungsmöglichkeiten aus. Doch zurück zum Handwerk: Beim Eingießen in die Formen haben die noch flüssigen Seifen je nach Rezeptur zwischen 36 und 54°C. Nach einer kurzen Abkühlungsphase steigen die
Temperaturen aufgrund des Verseifungsprozesses noch einmal an. Danach kühlen die Seifen langsam aus und werden noch zwei bis drei Tage rasten gelassen, bevor sie aus den Formen genommen und mindestens vier Wochen lang kühl und dunkel gelagert werden. „Während dieses Reifeprozesses verändert sich der sehr basische pH-Wert und nähert sich dem der Haut an. Diese milde Seife reinigt daher nicht nur, sie wird auch von der Haut gut vertragen und kann ihre pflegende Wirkung voll entfalten“, erklärt Barbara Freyberger den Effekt der Lagerung. Ein weiterer Vorteil der Bio-Seifen: Sie haben aufgrund hochwertiger Fette und Öle eine rückfettende Wirkung und hinterlassen, im Gegensatz zu vielen industriell hergestellten Produkten, kein Spannungsgefühl auf der Haut. Apropos Spannung: Freybergers Kreativität und unbeirrbares Engagement bilden die Basis für ihr ständig wachsendes Bio-Seifensortiment. Zahlreiche Kunden warten daher bereits gespannt auf neue Seifensieder-Produktideen. Kein Wunder, sorgt doch deren Verwendung nicht nur für reine Haut, sondern auch für ein reines Gewissen. Elisabeth Klingbacher
ZAHLEN UND FAKTEN Betrieb: Seifensieder, Betriebsleiterin: Barbara Freyberger. Das Seifensieder-Sortiment umfasst (Haar-)Seifen, Körperkonfekt, Badestangen und -öle, Milchbäder, … Durch händisches Schneiden, Wiegen und Verpacken wird jedes Stück ein Unikat. Die Verpackung wird in Zusammenarbeit mit Integrationswerkstätten hergestellt. www.seifensieder.at Info: - Die Europäer lernten das Seifenmachen von den Arabern. Die ersten Zentren des europäischen Seifensiedens waren in Spanien und Südfrankreich. - Während Anfang des 20. Jahrhunderts in unseren Breiten Seifen vor allem aus Schweine- oder Rindertalg fabriziert wurden, werden in der Provence seit jeher pflanzliche Öle verwendet. - Als besonders langlebige Seife gilt die Pain d‘Alep, die in Syrien nach jahrhundertealter, arabischer Rezeptur hergestellt wird. Sie besteht zu 80 % aus Olivenöl, das mit Meerwasser verseift und durch Lorbeer-Extrakte antiseptisch gemacht wird. Erst nach neun Monaten luftiger Lagerung, in denen die Seife immer milder wird und an Gewicht verliert, gilt sie als fertig.
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Ein sicher schöner Job für Alexandra Hozzank: das Österreichische Lebensmittelbuch „Biokosmetika“
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SCHÖNHEITSKONTROLLE Kosmetika sind „Stoffe oder Zubereitungen, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den verschiedenen Teilen des menschlichen Körpers (…) in Berührung zu kommen, und zwar zu dem Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, den Körpergeruch zu beeinflussen, sie zu schützen oder in gutem Zustand zu halten.“
Eine recht sperrige Definition für Dinge des alltäglichen Bedarfs. Doch stellt diese Begriffsbestimmung im Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz zumindest sicher, dass alle wissen, wovon die Rede ist. Keine Selbstverständlichkeit im weiten Feld der Kosmetik, die mit unterschiedlichen Qualitätsstandards bei Konsumenten häufig für Verwirrung sorgt. Auch im Naturkosmetikbereich haben sich mit der wachsenden Nachfrage immer mehr Standards etabliert: Diverse Zeichen und Siegel betonen verschiedenste Ansätze – eine Vielfalt, die schnell überfordern kann. Davon weiß auch Alexandra Hozzank ein Lied zu singen. „Auf dem Naturkosmetiksektor gibt es unterschiedliche Qualitätssiegel, deren Richtlinien einzuhalten sind und auch entsprechend kontrolliert werden. Die Kriterien sind allerdings unterschiedlich und abseits dieser Standards ist der Interpretationsspielraum, was ‚natürlich‘ ist und was nicht, für Hersteller recht groß“, erklärt Hozzank. Sie ist bei der Kontrollstelle Austria Bio Garantie (ABG) für den Bio-Kosmetikbereich zuständig und sorgt dafür, dass, im Gegensatz zum häufig undurchschaubaren Kriteriendschungel der Naturkosmetik, für die Herstellung von Bio-Kosmetika Transparenz, Kontrolle und Rückverfolgbarkeit gewährleistet werden. Zumindest einmal jährlich nimmt die ABG Bio-Kosmetikproduzenten, -verarbeiter und -händler gemäß den strengen Codexrichtlinien, die in Österreich den gesetzlichen Rahmen für Herstellung und Kennzeichnung von Bio-Kosmetika bilden, genau unter die Lupe. Zutaten, Rezepturen, Warenfluss und Etikettierung werden unter anderem kontrolliert, zudem wird sichergestellt, dass Bio-Kosmetika einen Bioanteil von mindestens 95 Prozent haben. Liegt er darunter, werden nur die einzelnen Biokomponenten angeführt. Silikone, synthetische Duft- und Farbstoffe, Paraffine und andere Erdölprodukte sind ebenso verboten wie künstliche Konservierungsstoffe oder Weichmacher. Dass der Einsatz von Gentechnik und
Tierversuchen untersagt ist, versteht sich wohl von selbst. Da sich Technologien im Kosmetikbereich rasch verändern und verschiedene Inhaltsstoffe zunehmend in Bio-Qualität verfügbar sind, werden die Codexrichtlinien ständig weiterentwickelt – ein Prozess, an dem die ABG aktiv beteiligt ist. „Mit dem Codexkapitel ‚Biokosmetik‘ im österreichischen Lebensmittelbuch nimmt Österreich eine wichtige Vorreiterrolle in der EU ein und bietet erstmals einen gesetzlichen Rahmen für Produktion und Kennzeichnung von Bio-Kosmetika. Denn anders als für Bio-Lebensmittel gilt für kosmetische Produkte keine einheitliche EU-Bio-Verordnung“, schildert Hozzank die aktuelle Situation. Andere Länder bieten hier weiterhin nur privatrechtliche Standards, die für Konsumenten häufig schwer nachvollziehbar sind. Auch wenn eine europaweite Vereinheitlichung der BioKosmetikvorschriften derzeit noch fehlt, gibt es doch intensive Bemühungen, die Nachvollziehbarkeit der Herstellungskriterien zu erleichtern und den hohen ökologischen und ethischen Qualitätsansprüchen kritischer Bio-Konsumenten gerecht zu werden. Die Zeit, in der man, um im Kosmetikbereich politisch korrekt zu agieren, noch selbst, meist etwas streng riechende Cremen mischen musste, ist glücklicherweise längst vorbei. Elisabeth Klingbacher
ZAHLEN UND FAKTEN Kontrollstelle: Austria Bio Garantie, Ansprechperson: Mag. Alexandra Hozzank. Die ABG kontrolliert neben zahlreichen Biobetrieben in ganz Österreich auch 36 Bio-Kosmetikhersteller. www.abg.at Info: - Anders als im Bio-Lebensmittelbereich gibt es für BioKosmetika kein einheitliches EU-Logo. - Nach Codexrichtlinien zertifizierte Biokosmetik erkennt man daran, dass Bio-Bestandteile gekennzeichnet sind und die Codenummer und/oder der Name der zuständigen Kontrollstelle ebenso wie der Hinweis “hergestellt gemäß ÖLMB, Kapitel A 8, Abschnitt Biokosmetika“ am Produkt zu finden sind. - Dekorative Kosmetik ist in den Codexrichtlinien nicht geregelt, da die dafür notwendigen Zutaten dort nicht zugelassen sind - Zu den bekanntesten privatrechtlichen Standards, die neben Naturkosmetik- auch Biokosmetik-Richtlinien definiert haben, zählen etwa BDHI, Natrue, Cosmos oder Ecocert.
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Als sich Andreas Sarg und die Insekten noch am duftenden Lavendelfeld erfreuten
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EIN AUSFLUG IN DIE PROVENCE Wer mit dem Zug von Wien nach Süden gefahren ist, meinte bereits nach 25 Minuten die Provence erreicht zu haben. Dabei war es nur ein leuchtendes Bio-Lavendelfeld im Steinfeld.
„Wer zu schnell ist, den straft die Geschichte“, beginnt Andreas Sarg, Bio-Bauer, -Berater für Sonderkulturen und Mitarbeiter der Bio-Getreidestation Krachbüchler in Theresienfeld, das Gespräch. „Normalerweise bestraft die Geschichte dem Vernehmen nach nur die Langsamen. Beim Bio-Lavendel entschieden wir uns in diesem Frühjahr allerdings zu früh für die Rodung des Feldes, da wir glaubten, für die Blüten keinen geeigneten Abnehmer zu finden. Zwei Wochen nach der Tat meldete sich die Bio-Kräutermanufaktur Sonnentor und kaufte den gesamten Lagerbestand in der vorliegenden Qualität. Und wir könnten heute noch verkaufen.“ Aber der Reihe nach. Das Steinfeld bei Wiener Neustadt ist zwar topfeben, aber – wie der Name schon sagt – steinig, trocken und karg. Baut man dort Bio-Getreide an, wächst dieses zwar, aber der Ertrag fällt so bescheiden aus, dass am Schluss oft nur die Arbeit bleibt. Lavendel braucht und liebt hingegen genau diese Art von Böden, denn nur dann können sich die gewünscht hohen Inhaltsstoffgehalte in den Pflanzen ausbilden. Aus der Idee wurde ein Projekt und so wurden 2008 in Bulgarien über 50.000 Lavendelsetzlinge für 4,1 Hektar bestellt. Der große Vorteil der Pflanzung gegenüber der Direktsaat liegt auf der Hand: Bei der vegetativen Vermehrung weisen die Nachkommen exakt die von der Mutterpflanze bekannten Wirkstoffgehalte auf. Die Pflänzchen wurden in einem Reihenabstand von 1,5 Meter und in der Reihe mit zirka 50 cm Abstand angepflanzt. Dann begann das große Warten, denn im ersten Jahr darf der Lavendel einfach nur wurzeln und wachsen. Ab dem zweiten Jahr soll der Lavendel zweimal jährlich geschnitten werden. Konkret kann man sich das so vorstellen: Im Juni und im August/September werden die Blütenstände (Blüten mit Stängel- und Blätterteilen) mit einem Traktormähwerk geschnitten und in einem Anhänger abgelegt. Die sauber geernteten Pflanzen kommen in eine Trocknungsanlage und werden bei niedriger Temperatur getrocknet. Anschließend werden die trockenen Blüten mit Hilfe eines Mähdreschers von den Stängeln abgerebelt. Um in der Folge im größeren
Stil Lavendelblüten verkaufen zu können, müssen die Blüten noch vollaufbereitet, das heißt ausgesiebt und windgesichtet, werden. Diesen letzten Schritt mied die an und für sich auf BioGetreide und -Sonderkulturen spezialisierte Getreidestation. „Lässt man Lavendelblüten durch Siebe und Trieure, setzt sich der intensive Duft so nachhaltig in den Maschinen fest, dass auch die nachfolgend gereinigten Kulturen mehr oder minder intensiv einen Lavendelhauch bekommen. Und den Geruch nach ‚Oma‘ mögen halt viele Kunden im Dinkel, der Hirse oder den Linsen nicht so wirklich“, erklärt Andreas Sarg mit einem Schmunzeln. Dass der Lavendel nun nicht mehr den hellvioletten Lichtblick bei der Zugfahrt durch das Steinfeld bildet, findet Andreas Sarg schade. „Aber die Hirse des heurigen Jahres steht auch sehr schön“, weiß der Fachmann. „Hier sind wir auch im Steinfeld und nicht in der Provence!“ Reinhard Geßl
ZAHLEN UND FAKTEN Betrieb: Biogetreidestation Krachbüchler GmbH, Theresienfeld. Die Biogetreidestation Krachbüchler beliefert Großkunden wie Mühlen, Großbäckereien und Handelsketten mit Dinkel, Einkorn, Nackthafer, Hirse, Buchweizen, Lein, Anis, Fenchel, Koriander, Schwarzkümmel u.a. Weitere Informationen: www.eusebio.co.at Info: - Lavendel gehört zur Familie der Lippenblütler. Echter Lavendel wächst bevorzugt in warmen Klimaten erst ab 600 m Seehöhe. Auf den Feldern sieht man daher meist keinen echten Lavendel, sondern Lavandin, ein Lavendelhybrid mit hohem Ertrag aber geringeren Wirkstoffgehalten. - Mit den getrockneten Blüten werden Tees, Gewürzmischungen und Aufgüsse bereitet oder sie werden als Badezusatz und Kissenfüllungen verwendet. Lavendel gilt als beruhigend und reinigend, harntreibend, antiseptisch, blähungstreibend und krampflösend. - Das Lavendelöl bildet die Pflanze eigentlich zur Abwehr von Fressfeinden. Die Qualität des gehandelten ätherischen Öls hängt vom veresterbaren Linaloolgehalt ab. Als besonders hochwertig gelten Lavendelöle mit der Bezeichnung Barreme und Mont Blanc.
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Foto: www.saint.info
Ein Ort der Schรถnheit: Alexander Ehrmanns Saint Charles Cosmothecary
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EINFACH. ZUFRIEDEN. SEIN. „Heiliger Karl“ ist ein wohl überraschender Name für eine Apotheke. Und dennoch steht er für ein faszinierend erfolgreiches Kleinimperium in der Wiener Gumpendorferstraße mit einer Außenstelle in Berlin.
Wir treffen Alexander Ehrmann in seiner lichtdurchfluteten Apotheke in Wien-Mariahilf an einem frühen Vormittag. Nach dem Bedienen einer Kundschaft nimmt er eine altmodische Portiersklingel und widmet sich an einem Tischerl mitten in der Apotheke in aller Ruhe dem Erzählen. Und der junge Apotheker hat viel zu erzählen, vom Zufriedensein, von der Traditionellen Europäischen Medizin, vom unschätzbaren Wert eines guten Bio-Essens, von seinem Bio-Bauernhof, von der unvergleichlichen Bio-Kosmetik im Schönheitssalon … Als Alexander Ehrmann 2006 die traditionsreiche Apotheke zur heiligen Dreifaltigkeit übernahm, führte er mit „Saint Charles“ nicht nur einen neuen, modernen Namen ein. Dem Ansatz der Traditionellen Europäischen Medizin (TEM) folgend, in der es um ein ganzheitliches Menschenbild geht, eröffnete er in unmittelbarer Nähe zur Apotheke ein Lokal, ein Zentrum für Naturkosmetik und etwas später einen exklusiven Bio-Schönheitssalon. Dieses Wiener Geflecht wird durch das „Refugium“, einem Bio-Bauernhof in Prigglitz bei Gloggnitz, gleichsam geerdet. Von dort stammen nicht nur viele Lebensmittel und Kräuter, die in der Gaststätte verwendet werden, sondern auch viel Inspiration und alchemistische Kraft für das große Ganze. Wie kommt es nun, dass Ehrmann seine Apotheke mit einer „Alimentary“, einer „Cosmothecary“ und einem „Hideaway“ ergänzen wollte bzw. musste? „Das ist ganz einfach! Im Sinne der TEM sehe ich den Menschen und die Gesundheit ganzheitlich, da kann eine Apotheke nur jene Rolle spielen, die sie spielen kann. Mir ist es ein ehrliches Anliegen, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Kunden tatsächlich zu verbessern. Demensprechend treffe ich die einen gerne am Abend in der Alimentary, dem Gasthaus, bei einem wunderbaren Bio-Essen. Diese Menschen sehe ich meist gar nie in der Apotheke, dafür kommen sie aber vielleicht zusätzlich gerne wegen der unglaublich tollen Natur- und Biokosmetiklinien in die Cosmothecary
oder sie lassen sich im Hideaway rundum mit Biokosmetik verwöhnen. Schönheit und Gesundheit kommen bekanntlich von innen – vom Bio-Essen, von der Zufriedenheit – die Produkte der Apotheke und der Biokosmetik assistieren gerne.“ An Kosmetik bietet Saint Charles die gesamte Bandbreite an, von den klassischen, erdölbasierten Cremen über Naturkosmetik mit Bio-Zutaten bis hin zu exklusiven Bio-Linien. Die Trennlinie zwischen Natur- und Biokosmetik kennt Ehrmann sehr genau. „Nur Bio geht derzeit im Naturkosmetikgeschäft leider noch nicht. In der Cosmothecary bieten wir neben bekannten Naturkosmetiklinien die klassischen Bio-Kosmetika wie Weleda oder Dr. Hauschka und zusätzlich mit großem Stolz wirklich exklusive Bio-Kosmetik wie z. B. The Organic Pharmacy oder Less is more an.“ Die konventionellen Produkte spielen insofern schon auch eine Rolle, da „eine gewisse Kundschaft den Werbeversprechen der Konzerne noch immer mehr Glauben schenkt, als den tatsächlichen Werten einer konsequenten BioLinie – und das selbst, wenn Bio deutlich günstiger ist“. Mit „einfach zufrieden sein“ hat Saint Charles sehr schön eine kleine Weisheit in den Mittelpunkt gerückt. Das vielgliedrige Wohlfühlkonzept könnte eine gute Vorlage für einen neuen Weg im gesamtösterreichischen Gesundheitssystem bieten. Das wäre doch was, wenn man in Zukunft beim Wort „Gesundheitssystem“ nicht automatisch an horrende Krankheitsbehandlungskosten, sondern an ein köstliches Bio-Essen oder eine angenehme Bio-Behandlung im Schönheitssalon denkt. Reinhard Geßl
ZAHLEN UND FAKTEN Betrieb: Saint Charles Apotheke, Alimentary, Cosmothecary und Hideaway, Gumpendorferstraße 30, 1060 Wien. www.saint.info Info: - Das Wort „Apotheke“ stammt aus dem Griechischen und heißt wörtlich übersetzt „Aufbewahrungsort“ für Kräuter oder Wein. - Die Apotheke ist weiblich. In den österreichischen Apothekenteams beträgt der Frauenanteil über 89 Prozent. - Die zehn größten Pharmakonzerne der Welt erwirtschafteten 2011 einen Jahresumsatz von 361,6 Milliarden Dollar.
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Bio-Fibel 3/2012
Kurt Kainz macht sie zu Bio-Tee: Ringelblume, Kornblume und Sonnenblume
BIO-WISSEN
WALDVIERTLER JUGENDELIXIER Schon wenn man durch die Tür tritt, nimmt einen der aromatische Duft gefangen. Über dem ganzen Haus scheint eine Wolke aus Minze zu schweben. Die Bewohner selbst nehmen es gelassen, der Duft getrockneter Kräuter gehört für sie schon lange zum Alltag.
Kein Wunder, zählt das sympathische Ehepaar Kainz doch zu den österreichischen Kräuter-Pionieren. Kurt Kainz, dessen Eltern eine Weberei betrieben, wollte als Kind eigentlich Gärtner werden. Im rauen Waldviertel eine eher schwierige Übung – und so adaptierte er seinen ursprünglichen Berufswunsch an die lokalen Gegebenheiten und wurde bereits in den 1970er Jahren zum Kräuterbauern. In den ersten Jahren bot die Familie Kainz ihre Tees, Gewürze und Säfte vor allem auf zahllosen Märkten an: Über 40 Standplätze waren es allein in Wien. Seine Liebe zu den Kräutern brachte Kurt Kainz in den 1980er Jahren schließlich mit Johannes Gutmann, dem Begründer der Firma Sonnentor, zusammen. Die beiden waren sich auf Anhieb sympathisch und Kainz wurde, gemeinsam mit zwei anderen Bio-Bauern, einer der ersten Sonnentor-Lieferanten. Das liegt eine Weile zurück und Kurt Kainz muss schmunzeln, wenn er sich an die teils chaotischen Anfänge erinnert. Heute baut der Demeter-Bauer auf 2,5 Hektar unter anderem Ringelblumen, Kornblumen, Sonnenblumen, Goldmelisse, Malve und Grünen Hafer an, aber auch Himbeer-, Birken- und Haselnussblätter gehören zu seinem Sortiment. Nach wie vor wird fast jede Tätigkeit auf dem Hof in Handarbeit erledigt. Einige der Kräuter werden aufgrund des rauen Waldviertler Klimas in Folientunneln vorgezogen. Dadurch haben sie gegenüber den Beikräutern einen Entwicklungsvorsprung, wenn sie schließlich Mitte Mai ausgesetzt werden. Ansonsten begegnet Kurt Kainz aufkeimenden „wilden“ Verwandten aber gelassen. „Wir lassen die Beikräuter großteils stehen, was durchaus auch Vorteile hat. Nicht nur, dass wir weniger jäten müssen: Wenn es regnet, sorgt der dichte Bodenbewuchs dafür, dass keine Erde auf die Blätter der Kräuter spritzt und sie sauber bleiben. Auch Schädlinge erkennen wir früher. Der Nachteil ist das aufwendige Aussortieren der Beikräuter nach der Ernte“, erklärt Kainz und führt uns in eine Scheune, in der zwei Frauen aus der Nachbarschaft Apfelminze „sortieren“ und die Blütenblätter von den letzten Sonnenblumen zupfen.
Die Rohstoffe für die Teemischungen kommen anschließend in den Trockenraum, wo sie auf selbst gebauten hölzernen Gestellen bei etwa 40°C getrocknet werden. Manche Kräuter werden davor noch zerkleinert, die dafür notwendige Maschine ist ebenfalls eine Kainz`sche Erfindung und besteht aus Relikten der elterlichen Weberei. Trotz des fortgeschrittenen Alters funktioniert sie einwandfrei und schneidet unter anderem grünen Hafer in kleine Stücke. Der daraus gewonnene Tee wirkt verdauungsfördernd und entgiftend. „Gesund“, antwortet Kainz kurz und bündig, wenn man ihn nach dem Geschmack des Hafer-Tees fragt und man ahnt, dass seine Lieblingsteesorte wohl eine andere ist. Im breiten Sonnentor-Sortiment, das mittlerweile auch hochwertige Kosmetikprodukte beinhaltet, konzentriert sich Familie Kainz weiterhin auf ihre Kernkompetenz: Neben einigen Einzeltees, die in größeren Abmessungen an Sonnentor geliefert werden, mischt und verpackt man am Kräuterhof jährlich etwa 40.000 Teepackungen – darunter auch bekannte Sonnentor-Klassiker wie den Blüten-, Wohlschmecker- und Loslassen-Tee oder den Druidentrank. Die Bio-Kräuter und Kurt Kainz – das ist eine innige, jahrzehntelange Beziehung, die sicher noch sehr lange andauern wird. „Der Herr Kainz ist immer gleich. Er wird einfach nicht älter“, sagt auch eine der Damen, die die Apfelminze sortieren. Das Geheimnis seiner jugendlichen Ausstrahlung und ob der Druidentrank oder doch der grüne Hafertee etwas damit zu tun haben, wollte uns Kurt Kainz allerdings nicht verraten… Elisabeth Klingbacher
ZAHLEN UND FAKTEN Betrieb: Demeter-Kräuterhof Kainz. Familie Kainz vertreibt ihre BioKräuter über die Firma Sonnentor. Nähere Infos zu den Produkten auf www.sonnentor.com Info: - Um die wertvollen Inhaltsstoffe zu erhalten, werden BioKräuter nicht über 42° Celsius getrocknet. - Bei Temperaturen um die 40°C brauchen Haselnussblätter zum Trocknen etwa zwei Tage, Ringelblumen vier bis fünf Tage. - Jedes Kraut besitzt sowohl im Tages- als auch Jahresrhythmus einen Höhepunkt an Wirkstoffen. Schwankungen des ätherischen Ölgehalts von 20-30 % sind dabei keine Seltenheit.
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Bio-Fibel 3/2012
GUTER GESCHMACK
DIE WEINZUKUNFT ZWISCHEN R2D2 UND C3PO Johanniter, Bronner, Roesler oder Regent. Neuzüchtungen mit erhöhter Pilzwiderstandsfähigkeit sind in aller Munde. Zumindest verbal. Sie könnten eine mögliche Zukunft nicht nur im Bio-Weinbau, sondern im gesamten österreichischen Weinbau sein.
Wenn Österreicher an Wein denken, fällt ihnen zuerst einmal der Veltliner ein. Und dann noch Zweigelt, Blaufränkisch und Konsorten. Hören sie hingegen Solaris, Phönix, 1923-41 oder gar 3R/19, kommen ihnen dagegen ganz andere Dinge in den Sinn: Krieg der Sterne, Raumschiff Enterprise oder dergleichen Utopisches. Schade eigentlich, denn dahinter stecken neu gezüchtete Rebsorten, die – teilweise – beträchtliches Potential haben. Bei den Weinen mit den technischen Namen geht es um neue, pilzwiderstandsfähige Rebsortenzüchtungen, kurz Piwis genannt. „Unnötig und nicht trinkbar“ sagen die einen Extremisten, die „Zukunft des Weinbaus“ die anderen. Ultimativ recht haben beide nicht. In (meiner) Wirklichkeit ist die Sache natürlich viel komplizierter. Rebzüchter beschäftigen sich mit neuen Kreuzungen aus unterschiedlicher Motivation. Aus der
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Perspektive des Biolandbaus sind diese Rebsortenversuche hochinteressant. Wenn es gelingt, Rebsorten zu züchten, die eine natürliche Widerstandskraft gegen die Fäulniskrankheiten aufweisen, wird die Frage nach dem Pflanzenschutz zweitrangig. Piwis gelten als besonders umweltfreundlich, da bedeutend weniger Spritzmittel eingesetzt werden. Weniger Fahrten durch den Weingarten haben auch eine geringere Bodenverdichtung zur Folge. Für Winzer sind die Piwis eine Möglichkeit, das Sortiment zu bereichern. Kaum ein Betrieb aus Österreich setzt zu 100 Prozent auf neue Rebsorten. Aber immer öfter finden wir Roesler & Co. im Angebot heimischer Weinbauern. Das 20. FiBL Tasting_forum „Tradition und Moderne – Von alten Reben und neuen Züchtungen“ führte uns erstmals nach Niederösterreich. Zuerst gab Martin Mehofer, Leiter der Weinbauabteilung des Bundesamts für Wein- und Obstbau Klosterneuburg, einen umfassenden Einblick in die Biorieden des Forschungsweingartens. In der nachfolgenden Verkostung der Sortenraritäten und Piwis mussten „die Neuen“ beweisen, was sie können. Hier finden Sie eine kleine Auswahl davon.
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GUTER GESCHMACK
MARTIN KAINTZ, HEIDEBODEN, ROESLER TROCKENBEERENAUSLESE 2008 (ZWEIGELT X KLOSTERNEUBURG 1189-9-77)
Brombeernoten. Feine Perlage und lebendige Säure. In Summe ein erfrischender, leicht perliger, belebender Frizzante.
Roesler ist unter den Piwis schon so etwas wie eine graue Eminenz. In Österreich bereits als Rebsorte für den Qualitätsweinbau zugelassen, finden sich bei internationalen Prämierungen immer wieder Roesler-Weine auf den Siegerpodesten. Hier: tiefdunkles Oloroso-Braun mit roten Reflexen, dunkle Rosinen, geröstete Kaffeebohnen, Trockenobst und Rum. Geschmeidig, seidig und von zartem Gerbstoff geprägt.
DOMÄNE HIRSCHMUGL, MUSCARIS 2011 (SOLARIS X GELBER MUSKATELLER) Der Wein zeigt, was die Rebsorte drauf hat. Aus Solaris werden in Deutschland schon länger kräftige Weine burgundischen Zuschnitts gekeltert. Der Muskateller gibt dem Ganzen noch Raffinesse und Feinheit.
WEINBAUSCHULE KLOSTERNEUBURG, 11-1929-23 GRÜNER VELTLINER X MALVERINA (TSCHECHISCHE SORTE) Ausgesprochen hell, silbriger Schimmer. Angenehme und vertraute Nase; am Gaumen dann noch einmal viel fruchtiger, Eisbonbon, viel Würze, weißer Pfeffer und ein zitrusfrischer Abgang.
SEKTKELLEREI SZIGETI, FRIZZANTE MUSCAT BLEU Brillant funkelndes Kirschrot; Jugendlich, sauber und sehr aromatisch. Blüten und Blätter von Rosen, intensive Cassis- und
NORBERT DRESCHER (FRANKEN), CABERNET BLANC 2010 SPÄTLESE Mittleres, unaufdringliches Gelb, duftet sauber und intensiv nach Ribiselblättern, grünem Tee, und Cassis. Milde Säure und (für Weißwein) überraschend viel Gerbstoff. Der Wein überrascht auch mit einem gefühlten Zuckerspitzerl und wirkt dadurch rund und harmonisch.
WEINBAUSCHULE KLOSTERNEUBURG, 1924-4 KREUZUNG BLAUBURGUNDER MIT ZUCHTNUMMER AUS FREIBURG Tiefdunkles Schwarzviolett. In der Nase auch kirschig-dunkel, etwas Weichselfrucht. Allerdings kommt die Sorte nicht wirklich durch. Bitterer Gerbstoff. Zuchtziel war, Aromatik und Charakter des Burgunders zu bekommen – Thema verfehlt. Als Resümee der Verkostung bleibt: die Pilzwiderstandsfähigkeit der neuen Rebsorten mag die Bio-Winzer freuen, aber noch können nicht alle Sorten die Weinliebhaber zufriedenstellen. Ohne Zweifel, die Zucht der Piwis steht noch ziemlich am Anfang – da geht schon noch was – und vielleicht müssen wir uns auch beim Weingenießen in Zukunft einfach ein Stück weit von den „alten“ Geschmacks- und Geruchserwartungen verabschieden und uns öfter auf „etwas Neues“ einlassen.
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Jürgen Schmücking und Reinhard Geßl
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WEIN-LESEN
WEINLAND STEIERMARK – DIE ZEICHEN DER VERÄNDERUNG Bald ist es wieder soweit. Mitte November, am Mittwoch vor Martini, wird der Öffentlichkeit der neue Jahrgang vom „Steirischen Junker“ präsentiert. Beim Junker haben wir spontan eine Idee, welche Weine uns erwarten. Neuerdings tauchen zusätzlich aber Bio-Weine auf, die mit einer völlig neuartigen Charakteristik verzaubern.
Vor knapp 20 Jahren haben sich ein paar steirische Winzer Gedanken darüber gemacht, wie sie ihre jungen, frischen, knackigen und fruchtbetonten Weine unter einen gemeinsamen Begriff stellen könnten, die Franzosen haben das mit ihrem Beaujolais nouveau schließlich auch geschafft. Mittlerweile nehmen über 300 Winzer an der Initiative mit dem Steirerhut im Logo teil. Über eine Million Flaschen werden davon jährlich verkauft. Auch die Gruppe „Steirische Klassik“, die ungefähr zur selben Zeit gegründet wurde, ging in eine ähnliche Richtung. Als „steirisch-klassisch“ gelten heute blitzsaubere Weißweine aus dem Stahltank, mit kräftiger, zupackender Säure und intensiven Fruchtnoten. Genau so stellen sich Konsumenten steirische Weine vor. Aber irgendwie leben wir in Zeiten, in denen die Veränderung die
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einzige Konstante ist, und so kommt es, dass in allen drei Weinbauregionen der Steiermark Winzer mit völlig neuartigen Weinen auftauchen. Zwei davon möchte ich mir etwas genauer anschauen: das Weingut Ploder-Rosenberg in der SüdostSteiermark und das Weingut Alice und Roland Tauss in der Südsteiermark. Beginnen wir in der Südsteiermark. Oft wird sie als die „Toskana Österreichs“ bezeichnet. Der Vergleich trifft aber nur bei oberflächlicher Betrachtung zu. Stimmt schon, die sanften Hügel, das Spiel der Sonne. Trotzdem. Die Weinberge um Leibniz, Leutschach und Ehrenhausen haben viel mehr. Steillagen etwa, die ihren Namen wirklich verdienen. Oder Opok, den einzigartigen, harten Sedimentgesteinsboden, der bei den Weinen für prickelnde Mineralik sorgt. Mitten drin finden wir das Weingut von Alice und Roland Tauss. Die beiden betreiben ein biodynamisches Weingut. Die reinen Fakten sind schnell aufgelistet: Anbau nach den Richtlinien des Demeter-Verbands, acht Hektar, Kessellagen, Süd- und Südost-Ausrichtung, geringe Erträge. Interessanter wird es bei der Philosophie von Roland Tauss: „Für mich ist der Wein
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IMWEIN-LESEN GESPRÄCH
eine Form der Transformation des Lebens. Es geht mir um die Lebendigkeit, um die Echtheit der Weine. Diese Lebendigkeit hat ihren Ursprung im Boden, in dem der Weinstock wurzelt und wächst. Im Keller begleite ich die Weine im Sinne der natürlichen Gesetzmäßigkeiten, vor allem mit meiner Zeit“. Wenn man sich auf der Homepage des Weinguts die sensorischen Weinbeschreibungen durchliest, findet man die Formulierung „lebendiger Wein mit vollem Geschmack, Erde pur“. Und zwar bei JEDEM Wein. Beim Chardonnay und Sauvignon Blanc aus der Linie vom Opok, wie auch bei den Weinen aus der Linie -H- (von der Lage Hohenegg). Zuerst dachte ich, Tauss wäre nicht rechtzeitig mit den Weinbeschreibungen auf der Website fertig geworden. Dann habe ich die Weine verkostet und musste feststellen: Sie sind tatsächlich alle karg, hochgradig mineralisch, geradlinig und vor allem nicht in ein klassisches fruchtaromendominiertes Beschreibungsschema zu pressen. „Lebendiger Wein mit vollem Geschmack, Erde pur“ ist der kleinste gemeinsame Nenner der Tauss-Weine. Und beschreibt sie so präzise wie Ockhams Rasiermesser. Ein paar Kilometer weiter östlich finden wir das biodynamische Weingut der Familie Ploder-Rosenberg. Genauer gesagt in St. Peter am Ottersbach. Mit seinem „Wein von Ploder-Rosenberg“ gehört Fredi Ploder seit langem zum Kreis der steirischen
Spitzenwinzer. Der dunkle, dichte und extrem rauchige Linea Pinot Gris gehört für mich persönlich zu den herausragendsten Vertretern der Rebsorte, der eng gewobene Linea Sauvignon Blanc versprüht Energie und Lebendigkeit wie der Vulkan, der einst die Gegend charakterisierte. Die Klassik-Linie ist seit der Ernte 2011 voll bio-zertifiziert. Die Weine dieser Linie stehen für spritzige, fruchtige und sortenreine Weine mit hohem Trinkspaßfaktor. Besonders gelungen ist dabei der Gelbe Muskateller 2011. Der kann nämlich wesentlich mehr als nur die eh schon bekannte floral-traubige Aromenbombe zu sein: Extrem filigran, trocken, ausgewogen, frische Wasserminze und exotische Blüten. Ein zauberhafter Aperitif. Wenn ich mir ansehe, was die Ploders im Moment so auf die Beine stellen, bin ich sicher, dass da noch einiges auf uns zukommen wird. Gut so! Jürgen Schmücking
IMPRESSUM Bio-Fibel – Zeitschrift für Wissen aus der Biologischen Landwirtschaft: Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Freiland Verband für ökologisch-tiergerechte Nutztierhaltung und gesunde Ernährung; Seidengasse 33/13, 1070 Wien; Fon 01/4088809; Fax 01/9076313-20; e-mail: office@freiland.or.at; net www.freiland.or.at; DVR-Nummer 0563943; Chefredakteur: Dipl.-Ing. Reinhard Geßl (rg), Leiterin der Redaktion: Dipl.-Ing. Elisabeth Klingbacher (ek); Mitarbeit: Irene Pratsch, Wilfried Oschischnig, Jürgen Schmücking (js); Redaktion: Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Österreich), Seidengasse 33/13, 1070 Wien; Fon: 01/9076313-0, net: www.fibl.org/de/ oesterreich. Alle nicht anders gekennzeichneten Fotos: Geßl & Wlcek OG; Druck: gugler GmbH Melk; Layout: Geßl & Wlcek OG. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht unbedingt der Meinung des Herausgebers entsprechen. Vertriebspartner: Admah Biokistl. FREILAND-Spendenkonto: Erste Bank, BLZ 20111, Ktnr. 08210993; Auflage: 10000 Stück. Hinweis: Eine geschlechtergerechte Formulierung ist uns in der Bio-Fibel ein großes Anliegen. Da wir gleichzeitig eine gut lesbare Zeitschrift herausgeben wollen, haben wir uns entschieden, keine geschlechtsneutralen Begriffe zu verwenden, sondern alternierend entweder nur weibliche oder nur männliche Bezeichnungen. Wir sind uns dessen bewusst, dass diese Generalklausel einer geschlechtergerechten Formulierung nicht ganz entspricht, wir denken aber, dass die gewählte Form ein Beitrag zur publizistischen Weiterentwicklung für mehr sprachliche Präsenz weiblicher Begriffe sein kann.
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Globetrottern wird das Herz höher schlagen! Sonnentor hat 10 neue, ganz besondere Gewürzmischungen zusammengestellt, mit denen man sich ferne Welten als Gaumenfreuden nach Hause holen kann – in der praktischen Streudose und in der Nachfüllpackung! Alle Sorten gibt es auch im Probierset „Würz dich um die Welt“. Erhältlich im gut sortierten BioFachhandel und auf www.sonnentor.com
Eine
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zur kulinarischen
Weltreise
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Da wächst die Freude.
LESERBRIEF ZU „BIO, DAS MIR NÄHER IST“ IN DER BIO-FIBEL 02-12: Generell finde ich das Gespräch gut, offen und wichtig für die Leser. Ich anerkenne, was die beiden (Lampert und Zoubek) für Bio tun und getan haben. Ob es allerdings ausschließlich positiv ist? Wir schauen oft nur auf die Vorderseite – schauen wir doch auch auf die Kehrseite, auf die, die nicht nur für den Konsumenten, sondern auch für manche Vervielfältiger abgedeckt oder sogar zugedeckt wird. Denkt doch einmal nach und rechnet mit: Kann aus rund 20 Prozent österreichischer Biolandwirtschaft ein Marktanteil von sieben Prozent entstehen? Hat der medial erzeugte Bio-Boom Bio nicht rechts überholt? Was ist von den Grundgedanken der Bio-Landwirtschaft und der gesunden Ernährung geblieben? Wo bleiben in der Landwirtschaft Kreislaufwirtschaft, Humusaufbau, Nachhaltigkeit, wo das Urbild der biologisch-dynamischen Landwirtschaft – der geschlossene Hoforganismus? Wo bleibt in der Verarbeitung die wirkliche Veredelung des Urprodukts, die Vollwertigkeit, die menschliche (handwerkliche) Erzeugung, der verantwortungsvolle Umgang mit den Ressourcen, Energiesparsamkeit? Wo bleibt im Handel Beratung aus Wissen um die Herkunft der Produkte und deren Zuträglichkeit für den einzelnen Kunden (Beziehung statt Anonymität)? Schaut Euch doch die Landwirtschaft an: Wie ausbeuterisch werden manche Bio-Betriebe trotz Kontrolle geführt! Schaut Euch doch die Verarbeitung an: Gibt es außer den Zutaten noch Unterschiede zum konventionellen Lebensmittel? Schaut Euch doch die Liste der erlaubten Zusatzstoffe an: Sie wird immer länger, egal ob in der Verarbeitung oder am Bauernhof! Schaut Euch doch den Handel an: Werden Bio-Produkte nicht vorrangig als Lockmittel benutzt, um die 93 % konventionellen Umsatz zu fördern? Ist nicht das, was uns die Werbung von „Ja Natürlich!“ und „Zurück zum Ursprung“ vorspielt, die Bauernhofidylle, ein reiner Betrug am Konsumenten? Wie eingangs geschrieben: Generell ist Eure Arbeit höchst wertvoll und lobenswert. Das erlaube ich mir zu sagen. Tut weiter so, aber lasst Euch nicht einlullen oder gar kaufen. Hinterfragt mehr und geht ja natürlich zurück zum Ursprung! Franz Kaschik, Demeterbäcker in Pension
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ÖSTERREICH WEIN
KOSTBARE KULTUR SCHMECKT MIR!
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