Bio-Fibel #09

Page 1

BIO-FIBEL ZEITSCHRIFT FÜR WISSEN AUS DER BIOLOGISCHEN LANDWIRTSCHAFT

Hanni Rützler – Reden wir über Genuss Bio-Zucker – Niederösterreich ist ja so süß Bioschlachtung – Mitgehen statt wegschauen Preiswert – Das bessere Billig

4/2010


EDITORIAL

WIR GRATULIEREN BIO! Die Pionierinnen der Biologischen Landwirtschaft, egal ob Steiner, Müller oder Rusch, um nur die bekanntesten zu nennen, haben erkannt, dass „bauern“, d. h. die Erde bebauen, eine viel weitere Dimension hat, als sie mit Begriffen der Volkswirtschaft zu fassen wäre. Das Ergebnis dieser Tätigkeit kann auch nicht bloß in Euro und Cent ausgedrückt werden. Ich bin davon überzeugt, dass es nicht von ungefähr kommt, dass die Gründerinnen des Biolandbaus nicht unter den Ökonomen, sondern unter den Biologinnen, Ärztinnen und Philosophinnen zu suchen sind. Obwohl gerade die Ökonominnen allen Grund dazu hätten, sich mit diesen Themen zu befassen, wenn sie bereit wären, in genügend langen Zeiträumen zu denken. Die Geburtsstunde des organisch-biologischen Landbaus wird gerne im Jahr 1951 festgelegt, denn da fand die erste, historische Begegnung zwischen dem schweizerischen Bauernführer Hans Müller und dem deutschen Arzt Dr. Hans Peter Rusch statt. Nächstes Jahr können wir also mit Freude einen runden 60er feiern. Nicht den 60. sondern den 30. Geburtstag feierte heuer Bio Austria Niederösterreich und Wien, u. a. mit der Ehrung seiner Pionierinnen. Noch hat der Biolandbau lange nicht sein Ziel, die gesamte – in diesem Fall – niederösterreichische Landwirtschaft zu ökologisieren und tiergerecht zu machen, erreicht, aber immerhin: was 1980 mit 17 unverdrossenen Pionierinnen begann, zählt heute 3500 Mitglieder und insgesamt 4400 Bio-Bäuerinnen. Damit ist Bio Austria Niederösterreich und Wien das Bio-Bundesland Nr. 1 in Österreich und zählt auch weltweit zu den wichtigsten Bio-Regionen. In der Zwischenzeit sollte auch bei allen Zweiflerinnen unbestritten sein, dass Biolandbau eine Landwirtschaftsform ist, die uns allen eine nachhaltige Zukunft gewährleistet und dass sich darin zentrale Antworten und Lösungsansätze für Klima-, Umwelt- und Tierschutz, die Gefahren der Gentechnik und selbstverständlich auch für eine genussreiche und gesunde Ernährung der Bevölkerung finden. Das sind viele und vielfältige Aufgaben für einen gemeinnützigen Bio-Verband. In den letzten Jahren habe ich mit den Mitarbeiterinnen von Bio Austria und Wien vor allem in der Konsumentinneninformation und in der Weiterentwicklung biotauglicher Schlachthöfe wichtige Projekte gemeinsam bearbeitet. Die Feier des runden Geburtstages hat den Anstoß dazu gegeben, einmal einen Schwerpunkt über die Arbeit von Bio Austria Niederösterreich und Wien in der Bio-Fibel zu setzen. Das Ergebnis dieser freundschaftlichen Kooperation halten Sie nun in Händen. Nun ja, 30 ist noch kein wirkliches Alter, deshalb wünsche ich alles Gute für die nächsten 30 Jahre. Es gibt noch genug zu tun, 25 % Bio-Anteil in Niederösterreichs Landwirtschaft sind ein Erfolg, doch zufrieden können wir erst sein, wenn die Prozentzahl dreistellig ist.

Reinhard Geßl, Herausgeber

INHALT Essen als Gesundheitsstoßdämpfer Die Süße des Lebens Wenn Tiere weinen Fit statt fett Alles im Leben hat seinen Preis Blick zurück nach vorn Auf die krumme Tour Schluss mit Ernst Shortcuts

Bio-Fibel 4/2010

3 9 11 13 15 16 18 20 21, 22

—2—


IM GESPRÄCH

ESSEN ALS GESUNDHEITSSTOSSDÄMPFER Ernährungswissenschafterin, Foodexpertin, Gesundheitspsychologin, Leiterin des futurefoodstudio und Trendforscherin könnten auf der Visitenkarte von Hanni Rützler stehen. Wenn es ums gute Essen von heute und morgen geht, dann existieren für sie keine Grenzen. Frei nach einem Präsidenten: Change, we can eat!

„Die Zukunft ist das, was wir daraus machen. Besser essen. Gesünder leben. Bewusster entscheiden.“ charakterisiert sehr schön den Leitgedanken der Arbeit von Hanni Rützler.

Für den Zukunftsforscher Matthias Horx sucht sie in der Buchstabensuppe die Zukunft unseres Essens, in FastfoodFleischlaiberln findet sie Ansätze zu einem „Fast good“ und mit den Bios entwickelt sie Strategien zur Absicherung der Qualitätsführerschaft. In ihrem neuen Buch „Food change“ formuliert sie ihre einfach logischen Ideen für eine zukunftsfähige Esskultur. Aus diesem Anlass trafen wir die Foodexpertin in ihren Räumlichkeiten beim Wiener Brunnenmarkt. Wir plauderten über das kleine Glück von „Erdäpfeln mit Butter“, mangelnde Kochkünste der österreichischen Regierung, die unfreiwillige Reisetätigkeit von Lämmern, aber auch warum sich Bio vor dem Naheliegenden fürchten darf.

—3—

Bio-Fibel 4/2010


IM GESPRÄCH

Wir wissen nicht mehr, was wir uns vom Überfluss hineinstopfen sollen und rufen verzweifelt nach den Ernährungswissenschafterinnen? Der Lebensmittelüberfluss ist ein relativ neues Phänomen. Wir haben eigentlich noch gar nicht gelernt richtig damit umzugehen. Die Ernährungswissenschaft allein kann auch keine hinreichenden Antworten geben, weil sie sehr naturwissenschaftlich ausgerichtet ist. Aber wir alle „ernähren“ uns nicht nur, wir essen und trinken vor allem. Das heißt, wir haben es mit einem Thema zu tun, das nicht nur naturwissenschaftlich zu erforschen ist, sondern auch kultur- bzw. gesellschaftswissenschaftliche Zugänge braucht. Die aktuelle Ernährungswissenschaft bietet uns zwar einen immer tieferen Einblick in die komplexen Stoffwechselprozesse und ist daher in der Lage Empfehlungen für eine physiologisch optimale Ernährung zu geben… ... das klingt nicht ganz nach Ihrem Geschmack? Weil wir ja nicht nur deshalb essen, um unseren physiologischen Bedarf zu decken. „Geschmack“ ist da ein gutes Stichwort. Gelegenheit, Gemeinschaft, Status, Genuss, Tradition etc. sind weitere Stichworte, die für unsere Esskultur relevant sind, für unsere Motivationen, Gewohnheiten, Emotionen, Vorlieben und Abneigungen, die unser Essverhalten viel mehr bestimmen als ernährungswissenschaftliches Know How.

Frau Rützler, ist die Ernährungswissenschaft nicht bloß ein Luxusthema der westlichen Gesellschaft? Nein, die Erweiterung unseres Wissens durch Forschung ist niemals Luxus. Gerade mit der industriellen Lebensmittelproduktion und dem Überfluss an Produkten, mit denen wir in den westlichen Gesellschaften konfrontiert sind, wächst auch der spezifische Wissensbedarf.

Bio-Fibel 4/2010

Mit der Naturwissenschaft lassen sich allerdings Vitamine und Kalorien zählen… ... Ja, aber wir essen keine Nährstoffe, sondern wir essen Schweinsbraten, Knödel, Minestrone, Pizza und Kaiserschmarren. Trotzdem: Ein guter Teil dieses ernährungswissenschaftlichen Know Hows ist schon im Bewusstsein der Menschen gelandet. Die meisten wissen ganz gut, wie sie sich gesund ernähren könnten, auch dass wir uns gewissermaßen einen „Gesundheitsstoßdämpfer“ schaffen können, wenn wir das gesundheitsfördernde Potential gesunder Lebensmittel ausnützen. Das ist auch ein Verdienst der Ernährungswissenschaft. Dass dieses Wissen im Essalltag richtig umzusetzen nicht so einfach ist und vor allem medizinische Appelle dazu wenig hilfreich sind, steht auf einem anderen Blatt.

—4—


IM GESPRÄCH

Auch Herr und Frau Österreicher neigen zu einfachen Lösungen: Beim Auto schluckt man teure Benzinpreise, dafür wird beim Essen gespart. (Lacht) Weil es bei der Treibstoffqualität nicht so viele Unterscheide gibt wie bei Lebensmitteln? Abgesehen davon würden die modernen Hochleistungsmotoren „Junk-Benzin“ gar nicht „vertragen“. Der menschliche Organismus ist da viel robuster. Wir bleiben auch mit Junk-Food „leistungsfähig“, zumindest kurz- und mittelfristig. Blöd ist nur, dass es oft schon recht spät und die Reparatur sehr aufwendig und anstrengend ist, wenn wir merken, dass wir zu dick und herzkrank sind. Fast schon eine gefährlich banale Standard-Frage: Alle reden vom Essen, aber niemand kocht und isst mehr zusammen – woran liegt das? Nein, das würde ich nicht so sagen. Die junge Generation entdeckt durchaus wieder das Kochen für sich. Kochen ist ja etwas Haptisches, etwas Kreatives, Sinnliches. Das gemeinsame Essen hat auch etwas Magisches, es fördert den Gemeinschaftssinn und unsere Fähigkeit miteinander respektvoll umzugehen. Man sagt ja auch „die Küche ist der Architekt der Familie“. Wenn in einer Familie nicht mehr das gemeinsame Essen zelebriert wird, dann ist es ganz schwierig, sie in ihrer Substanz zu erhalten. Also hätte die österreichische Regierung bei ihrer BudgetKlausur kochen sollen? (Lacht) Da hätten sie viel kochen müssen … Und wahrscheinlich wäre die eine oder andere Sparmaßnahme dann anders ausgefallen.

Genuss hat mit Lebensmittelqualität und damit auch mit einem entsprechenden Preis zu tun. Sollen wir für den Lebensmittel-Genuss auf andere Dinge verzichten? Das liegt natürlich in der Entscheidung jedes Einzelnen. Meine persönliche Lebensqualität hängt mehr mit dem Genuss eines guten Essens zusammen als mit der Größe des Flachbildschirms oder der PS-Zahl meines Autos. Daher bin ich bereit für gute Lebensmittel mehr Geld auszugeben als für technische Geräte. Das ist für mich nicht zuletzt eine Frage der eigenen Wertschätzung mir selbst gegenüber, was und wie viel ich mir im wahrsten Sinne des Wortes „einverleibe“. Die Lebensmittelqualität ist eine heilige Kuh des Biolandbaus. Was halten Sie davon? Für mich war der Biolandbau das Pionierprojekt zum Thema Lebensmittelqualität. Bio war die erste Produktionsweise, die sehr konsequent die gesamte Produktionskette – vom Feld, Stall bis hin zur Verarbeitung und Vermarktung – dokumentiert hat. Bio ist auch die umweltfreundlichste Lebensmittelproduktion und hat die Problematik der artgemäßen Tierhaltung, der Futtermittel und Tiertransporte schon sehr früh zum Thema gemacht. Damit war man auch bei der Qualitätsentwicklung immer vorne. Die Qualitäts-Lorbeeren des Biolandbaus scheinen aber jetzt etwas zu zerbröseln? Die Innovationskraft von Bio hat in den letzten Jahren ein bisschen an …ja, an Qualitäts-Führerschaft verloren. Das liegt aber auch daran, dass Bio aus der Marktnische des „Besonderen“ heraus gewachsen ist. Bei Konsumentenbefragungen zur Lebensmittelqualität hat Bio daher auch nicht mehr den gewohnt hohen Stellenwert. Ich würde mir wünschen, dass

—5—

Bio-Fibel 4/2010


IM GESPRÄCH

Bio seinen Qualitätsbegriff weiterentwickelt und sich weniger mit der eigenen Nabelschau beschäftigt. Der Konsument spürt den Entwicklungsstillstand, der ist immer auf der Suche nach neuen Qualitäten und Lösungen. Ist mittlerweile die Regionalität der neue Qualitäts-Liebling der Konsumentinnen? Die Sehnsucht der Konsumenten geht stark in Richtung regionale Lebensmittel. Es irritiert zunehmend, dass die Zwiebel aus China kommt oder das Lamm aus Neuseeland. Hoppla, das Lamm ist mehr gereist als ich – denkt man sich, macht das denn Sinn? Noch nie sind wir so viel gereist, real und virtuell. Dadurch wird aber auch unser Bewusstsein für die Region gestärkt, unser Bewusstsein dafür, dass die Region einen großen Einflussfaktor auf unsere Lebensqualität hat. In der Region sind unsere Zukunftshoffnungen verankert. Das Regionale spiegelt sich auch in den Entwicklungen der Gastronomie wider. Die spannendsten Konzepte sind im Moment jene, die regionale, saisonale und historisch spezifische Eigenheiten neu entdecken und inszenieren. Wie in der neuen Küche von René Redzepi in Kopenhagen. Der hat ein völlig neues Selbstbewusstsein für eine Region geschaffen, die eigentlich immer als kulinarisch unattraktiv galt. Im Norden eine leichte, anregende Küche zu machen, ist eine große Herausforderung, umso mehr staune ich, wie da ein paar junge Männer hoch innovativ die internationale Haubenküche erobern, wie sie dabei konsequent regional bleiben und vor Ort eine Vielfalt an Produkten generieren: Aus dem Garten, dem Feld, dem Wald und dem Meer.

Bio-Fibel 4/2010

Apropos regionale Kochkünste: Was halten Sie von der SlowFood-Bewegung? Ja, Slow Food… Wie der Name schon sagt: Wächst langsam, aber stetig. Das ist ein spannender Blick auf die Regionen, auf das Handwerk, auch auf mitunter seltsame Besonderheiten und Exotismen. Das hat was Reizendes, manchmal aber auch was Sektiererisches, das auch darin zum Ausdruck kommt, dass Slow Food von Feindbildern lebt. Ich denke, Slow Food als Antwort auf Fast Food ist keine Lösung. Weshalb nicht? Weil Fast Food heute längst mehr als die geschmacksstandardisierte Hamburger-Systemgastronomie ist. Wenn wir uns zum Beispiel die aus den Straßenküchen abgeleitete asiatische Schnellgastronomie anschauen, die mit frischen Ausgangsprodukten und leichten und schnellen Zubereitungsarten arbeiten, dann sind das für mich brauchbare Angebote für den Alltag, die mitunter gesünder als viele wohlschmeckende Slow Food-Produkte sind. Als lebendiges Archiv des kulinarischen Erbes ist Slow Food aber eine Bewegung, die ich sehr begrüße. Mit einer Ernährungswissenschafterin muss man zwangsweise über „Fleischfresser“ und „Vegetarierinnen“ sprechen. Gibt es da einen richtigen Weg? Mit Fleischfressern kenne ich mich nicht so aus. (Lacht) Ich bin ja keine Zoologin! Aber im Ernst: In meinem neuen Buch versuche ich Lösungen für aktuelle Esskultur-Probleme aufzuzeigen. Fleisch ist da natürlich ein wichtiges Thema, sowohl aus ernährungsphysiologischer als auch aus ökologischer, ethischer und ökonomischer Sicht. Wenn wir all diese Parameter berücksichtigen, dann wird schnell klar, dass unsere „westliche“

—6—


IM GESPRÄCH

Ernährung viel zu fleischlastig ist. Dieses Ernährungsmodell ist nicht auf die ganze Welt übertragbar. Mehr noch: Es wird auch im Westen bald nicht mehr für alle möglich sein. Offenbar reicht aber das bloße Wissen über die negativen Folgen eines zu hohen Fleischkonsums nicht, um unser Essverhalten von heute auf morgen zu verändern. Fleisch ist in unserer Gesellschaft historisch bedingt eine Leitsubstanz. Erst wenn sich der kulturelle Stellenwert von Fleisch verändert, kann sich auch der „Geschmack“ am Fleisch ändern. Und genau an diesem Wendepunkt sind wir jetzt angelangt. Wo verläuft derzeit die gesellschaftliche Trennlinie beim Fleisch und Gemüse? Für die jungen Generationen ist Fleisch nichts mehr Besonderes. Der Anteil an Vegetariern ist unter jungen Menschen, insbesondere bei jungen Frauen, signifikant höher und er nimmt mit steigendem Bildungsniveau und höherem Einkommen weiter zu. Spiegelbildlich und zugespitzt formuliert: Der „Fleischfresser“ der Zukunft ist männlich, unterdurchschnittlich gebildet und verdienend. Viel wichtiger aber als strikter Vegetarismus ist, dass der Stellenwert von Obst, Gemüse und Getreideprodukten insgesamt steigt, auch bei Menschen, die nach wie vor viel Fleisch essen. Das hat sicher auch mit den Einflüssen der mediterranen und asiatischen Küchen zu tun oder mit guten Erfahrungen mit wohlschmeckenden Gemüsegerichten. Und solche positiven Geschmackserfahrungen sind langfristig wirksamer als fleischlose Kost zu verordnen. Apropos verordnen! Der Lebensmittelhandel verordnet uns permanent Billigstlebensmittel mit oft zweifelhafter Qualität. Reizt es Sie da nicht, einmal so richtig in einem Supermarktregal auszumisten?

(Lacht) Umschichten würde ich gerne einmal, aber „Ausmisten“ ist nicht so mein Ding. Ich würde mir wünschen, dass der Lebensmittelhandel kleinere Outlets macht, mit viel Obst und Gemüse, einem großen Frischeanteil und mehr Vollkorn. Der Lebensmittelhandel versucht ja immer auch am Gesundheitsmarkt zu punkten – es gibt keine Handelskette, die nicht eine Broschüre zum Thema „Gesunde Ernährung“ hat. Und wenn man schon was zu diesem Thema entwickelt hat, dann wäre es der nächste, logische Schritt, die gesündere Lebensmittelauswahl den Konsumenten mit solchen Outlets zu erleichtern. Ein ganz persönliches „Lebensmittel-Outlet“ ist der Kühlschrank. Wie viele Bio-Lebensmittel haben Sie in Ihrem Kühlschrank? Ich denke, der Bio-Anteil in meinem Kühlschrank wird so bei der Hälfte bis zu 2/3 liegen. Das können wir gerne verifizieren. Machen wir, aber zuvor dürfen wir uns für das Gespräch bedanken… Ich hätte noch ein Anliegen: Ich habe den Eindruck, dass man am Esstisch viel zu oft über Ernährungsprobleme redet, über Gewichtsprobleme, über das schlechte Gewissen – aber viel zu selten über den Genuss, über die Qualität eines Lebensmittels. Das würde ich mir auch bei Bio noch mehr wünschen. Der Genuss kommt mir hier zu kurz. Entscheidungen für Lebensmittel treffen wir vor allem emotional, und da sind Geschmacks- und Genussargumente immer besser als kopflastige Gesundheits- und Umweltargumente. Wilfried Oschischnig und Reinhard Geßl

—7—

Bio-Fibel 4/2010


Herbert Breuer weiß, wie die Bio-Zuckerrübe ins Packerl kommt


BIO-WISSEN

DIE SÜSSE DES LEBENS Die Zuckerseite Österreichs liegt – man würde es nicht vermuten – in Niederösterreich. Politische Assoziationen sind allerdings fehl am Platz, der wahre Grund befindet sich knapp unter der Erdoberfläche.

Es war an einem Jännertag 2008 als Karl Erlach, Obmann von Bio Austria NÖ und Wien, mit Vertreterinnen des Zuckerunternehmens Agrana über einen möglichen BioZuckerrübenanbau in Niederösterreich nachdachte. Nur wenige Wochen später, Mitte Februar, fiel der Startschuss für das Projekt „Bio-Rübenzucker“ und Herbert Breuer, Bioberater von Bio Austria NÖ, wurde mehr oder weniger über Nacht zu dessen Koordinator. Innerhalb kürzester Zeit musste er zumindest 200 Hektar Bio-Rübenfläche auftreiben – Vorgabe und Voraussetzung für eine ökonomisch sinnvolle Biozuckerproduktion. Glücklicherweise braucht gut Ding nicht immer Weile und so konnte er bereits im ersten Anbaujahr innerhalb weniger Wochen 80 Bäuerinnen gewinnen, die mehr als 300 Hektar Biorüben kultivierten. Viele Landwirtinnen hatten noch alte Rübenkontingente, die sie in den Jahren zuvor nicht genutzt hatten, andere stiegen neu in den Bio-Rübenanbau ein. Zwischen 45 und 50,- Euro Biozuschlag pro Tonne erhalten die Bio-Rübenbäuerinnen. Kein leicht verdientes Geld, ist doch die Rübe eine sehr arbeitsintensive Kultur, vor allem dann, wenn man nicht, wie in der konventionellen Landwirtschaft, auf verschiedene chemisch-synthetische Hilfsmittel zurückgreifen kann. Gegen das, je nach Witterung eifrig sprießende Unkraut heißt es im Biolandbau händisch die Hacke schwingen. Heuer waren es aufgrund der vielen Niederschläge im Frühjahr durchschnittlich 300 Arbeitsstunden, die aufgewendet werden mussten, um den Beikräutern zu Leibe zu rücken. Ein enormer Arbeitsaufwand, der sich aber bezahlt gemacht hat: Die Erträge waren auch heuer wieder durchaus zufriedenstellend. Neben Beikräutern und Schädlingen wie Drahtwurm, Rüsselkäfer oder Erdfloh, sind es vor allem Trockenheit und die Blattfleckenkrankheit, die der Rübe zu schaffen machen und auch maßgeblichen Einfluss auf den Zuckergehalt der Pflanze haben. Den Schädlingen begegnen die Bio-Rübenbäuerinnen unter anderem mit einer geschickten Fruchtfolge sowie passender Standort- und Sortenwahl. Gegen die Blattfleckenkrankheit dürfen zwar geringe Mengen an Kupfer eingesetzt werden, doch möchte man in Zukunft verstärkt nach anderen Möglichkeiten suchen.

Nach der Ernte, Mitte Oktober, werden die Bio-Rüben auf Grund der noch geringen Mengen im kleinsten, grenznahen tschechischen Agrana-Werk (nahe Laa/Thaya) verarbeitet. Der Großteil des österreichischen Bio-Zuckers versüßt Bio-Säfte, -Joghurts oder -Marmeladen und kommt im Bio-Weinbau und der Bio-Imkerei zum Einsatz. Aber auch „pur“ erfreuen sich Bio-Kristall- und Bio-Gelierzucker größter Beliebtheit. Ganz im Sinne der biologischen Kreislaufwirtschaft dienen Blätter, ausgepresste Rübenschnitzel und Melasse als Futtermittel, der in der Zuckerherstellung benötigte Kalk kann als Dünger wiederverwendet werden. „Es ist noch nicht lange her, dass wir mit unseren Plänen, der führende Bio-Zuckerrübenproduzent in Europa zu werden, von vielen belächelt wurden“, erzählt Herbert Breuer. Doch Kritikerinnen wurden rasch auf ihre Plätze verwiesen und auch die, für die Zukunft gesteckten Ziele können sich sehen lassen: „Mit dem heimischen Bio-Qualitätszucker wollen wir mittelfristig die derzeit noch nötigen Bio-Rohrzuckerimporte weitgehend ersetzen und so dem wachsenden Konsumentinnenwunsch nach klima- und umweltschonenden, regionalen Bio-Lebensmitteln auch auf dem Zuckersektor gerecht werden“, gibt sich Breuer siegessicher. Und er hat allen Grund dazu: Bereits zwei Jahre nach Projektstart stieg Österreich zur Nr. 1 der europäischen Bio-Rübenzuckerproduktion auf – erfreuliche Nachrichten, die man sich wie Bio-Zucker auf der Zunge zergehen lassen muss… Elisabeth Klingbacher

FAKTEN UND ZAHLEN Projekt: Bio-Rübenzucker, Projektkoordinator von Bio Austria NÖ & Wien: Herbert Breuer, Projektpartner: Agrana, Die Rübenbauern. Projektstart: 2008 Projektinfo: 130 Bäuerinnen v. a. aus NÖ, aber auch aus OÖ und dem Bgld. ernteten 2010 auf mehr als 700 ha rund 35.000 t Bio-Rüben woraus knapp 4000 t Bio-Zucker produziert wurde. Info: - Zur Zuckerherstellung werden die Rüben nach der Ernte gewaschen, geschnetzelt und mit Wasser ausgelaugt. Der so entstehende Saft wird mit Kalk gereinigt und durch Verdampfen eingedickt. Bevor der Rohzucker raffiniert wird, wird die Melasse abzentrifugiert. - Zucker besteht fast ausschließlich aus Saccharose und ist reiner Energieträger: 100 g liefern etwa 394 kcal. - Etwa 40 kg Zucker werden in Österreich pro Kopf und Jahr konsumiert.

—9—

Bio-Fibel 4/2010


George Bacher sorgt f端r w端rdevolle Sterbebegleitung bei Nutztieren


BIO-WISSEN

WENN TIERE WEINEN Dass er oft als „spinnerter“ Vorarlberger in Niederösterreich belächelt wird, stört George Bacher wenig. Seine Mission, dass „biologischtiergerecht“ auch einen angstfreien und würdevollen Tod der Tiere inkludiert, verfolgt er seit elf Jahren. Seine Maßnahmen klingen lächerlich einfach, sind aber dennoch einzigartig.

In unserem Kulturkreis gelten Nutztiere heute vorrangig als „Produktionsmittel“, als beliebig austauschbare Ware, die uns scheinbar im Überfluss zur Verfügung steht. Diese Einstellung spiegelt sich in der Haltung, im Transport und in der Schlachtung wieder. Auf den Bäuerinnen lastet ein permanenter „Rationalisierungsdruck“. Als Ausweg steigen die Tierzahlen in Höhen, die den Blick auf das Einzeltier und die Identifikation mit dem eigenen Tierbestand oft unmöglich machen. Diese Anonymität der „Tierproduktion“ führt nachweislich zu einer emotionalen Abstumpfung dem Tier gegenüber. George Bacher ist oberster Rindfleischvermarkter von Bio Austria Niederösterreich und Wien. Er ist sich dieser Negativspirale sehr bewusst, er weiß aber auch: „Nutztiere sind eigentlich nur deshalb auf der Welt, weil wir Menschen ihr Fleisch, ihre Milch oder ihre Eier als Lebensmittel nutzen wollen. Wenn wir Tiere nutzen, dann müssen wir dafür sorgen, dass es ihnen gut geht, d. h. dass sie artgemäß leben können und auch angstfrei sterben können. Auch Nutztiere wollen nicht nur leben, sie wollen gut leben!“ Gerne erzählt George Bacher sein Schlüsselerlebnis für seinen „Auftrag“: Früher war ich selber tierhaltender Bauer im Waldviertel. Drei Jahre lang habe ich Tiere zum Schlachthof begleitet, diese bei den Bäuerinnen abgeholt und dann bis in die Schlachtboxen getrieben. Dabei habe ich viel gesehen und erlebt. Im Schlachtbetrieb merken die Tiere sehr wohl, dass es mit ihnen zu Ende geht, viele Tiere weinen dabei.“ Seither setzt er alles daran, dass die von ihm vermarkteten BioTiere bis zum Schluss angstfrei bleiben. Bacher empfiehlt seinen Bäuerinnen, die für die Schlachtung vorgesehenen Tiere rechtzeitig in der Herde anzusprechen, ihnen für die gemeinsame Zeit zu danken, sie auf Transport und Schlachtung vorzubereiten, aber sie auch zu erhöhen, indem man ihnen vermittelt, dass es ihre Aufgabe ist, uns Menschen mit ihrem Fleisch zu ernähren. „Es ist zwar unvorstellbar und klingt lächerlich, aber das Reden mit den Tieren bewirkt, dass solcherart vorberei-

tete Tiere spürbar weniger eingeschüchtert und widerborstig, meist sogar völlig ruhig die stressige Prozedur ertragen“, sind seine langjährigen Erfahrungen. Unermüdlich begleitet George Bacher weiterhin viele BioTiertransporte und -Schlachtungen, beobachtet Fehler in den Abläufen und bei den handelnden Personen und spricht dann Verbesserungsmöglichkeiten direkt an. Er wartet nicht auf den St. Nimmerleinstag, an dem sich Rahmenbedingungen zu Transport und Schlachtung verbessern werden, sondern setzt sofort einfach mögliche Lösungen für eine noch bessere Fleischqualität durch. Die Theorie gibt ihm dabei recht, denn Stress oder gar Panik führen in den letzten Lebensstunden zu einem starken Abbau der Zuckerreserven im Muskelfleisch, die dann für die kontrollierte Fleischreifung fehlen. Dadurch übersäuern die Zellen zu stark, die Zellwände werden brüchig und beim Braten tritt vermehrt Wasser aus. Das Fleisch schrumpft stark und wird hart. Den letzten Wegbegleiter für Schlachttiere zu mimen sieht George Bacher dennoch nicht als Lebensaufgabe, aber derzeit als persönlichen Beitrag für Verbesserungen. „Die Konsumentinnen sollten viel, viel weniger Fleisch essen, dann aber beste Qualität von Bio-Tieren, die gut gelebt haben, von Anfang bis zum Ende“, ist ein durchaus interessanter Wunsch des Bio-Vermarkters. Das große Fleischbusiness verfolgt leider ganz andere Ziele, und das ist wirklich zum Weinen. Reinhard Geßl

FAKTEN UND ZAHLEN Initiative: Bio Vermarktung HandelsgesmbH, Projektleiter: George Bacher Betriebsinfo: Vermarktung von 9000 Bio-Rindern, 2700 Bio-Weidegänse, 150 t Bio-Zuckerrüben für 2800 Bio-Bäuerinnen. 9 Angestellte, davon 2 im Vollerwerb; nähere Infos unter: www.biovermarktung.at Info: - Wirbeltiere produzieren insbesondere bei Todesangst Stresshormone wie Adrenaline, Apomorphine und Histamine. Wie dieser Cocktail wirkt, wenn er beim Essen in den menschlichen Kreislauf gelangt, ist noch weitgehend unbekannt. - Der umgekehrte Weg, den Schlachthof zu den Tieren zu bringen, hat sich in Europa bis jetzt nicht etablieren können. Die sehr strengen Hygieneauflagen haben das u. a. vom Niederösterreicher Herbert Schwaiger entwickelte, für die Tiere stressärmste Schlachtsystem verhindert. Gesichert gibt es fahrende Schlachthöfe im kleinen Rahmen in Norwegen (www.mobilslakt.no)

— 11 —

Bio-Fibel 4/2010


Marc MĂśĂ&#x;mer und der Zander im Karpfenteich


BIO-WISSEN

FIT STATT FETT Dichte Nebelschwaden ziehen über die einsame Teichlandschaft. Als sich der Schleier ein wenig lichtet, zeichnet sich eine Gestalt ab, die bis zu den Hüften im moorigen Wasser zu stehen scheint. Realität oder Sinnestäuschung?

Der Spätherbst im Waldviertel kann schon ganz schön mystisch sein. Manchmal lassen sich derartige Vorkommnisse – wie in unserem Fall – aber auch ganz nüchtern erklären: Abfischen ist angesagt und veranlasst Menschen wie Marc Mößmer bei nicht badetauglichen Temperaturen durch Waldviertler Teiche zu waten, um mit Netzen seine Fische zusammenzutreiben. Mößmer, Pionier der biologischen Fischzucht und Begründer der ARGE Biofisch, züchtet und vermarktet seit Anfang der 90er Jahre in Kooperation mit mittlerweile 16 Betrieben auf einer Teichfläche von insgesamt 600 Hektar Biofische unvergleichlich guter Qualität. Die Vorgehensweise des Abfischens hat sich im Waldviertel in den letzten Jahrhunderten kaum verändert: Über Tage wird Wasser aus den Teichen abgelassen, die Fische schließlich mit Netzen an der tiefsten Stelle des Teiches zusammengetrieben, mit Keschern gefangen und nach Art und Größe sortiert. „Während in der konventionellen Fischzucht versucht wird, den Karpfen in zwei bis drei Jahren auf das Wunschgewicht zu füttern, werden Bio-Karpfen vier Jahre lang gehegt und gepflegt. Mit gut zwei Kilo kommen sie dann in den Verkauf“, erzählt Marc Mößmer, während er die Karpfen mit zufriedenstellendem Gewicht für den Abtransport in mit Wasser gefüllten Bottichen unterbringt. Fische, die in diesem Jahr noch zu klein für den Verkauf sind, warten in sogenannten Überwinterungsteichen auf das nächste Frühjahr. Ab April, wenn die abgefischten Teiche wieder mit Wasser gefüllt sind, werden die Tiere dort wieder eingesetzt und drehen in heimatlichen Gefilden bis in den darauffolgenden Spätherbst ihre Runden. Bio-Karpfen kann man ruhigen Gewissens als sportlich bezeichnen: Nicht nur, dass jedem der Tiere zumindest 20 m² Teichfläche zur Verfügung stehen, sie müssen auch, abgesehen von ein bisschen Biogetreide, das zugefüttert wird, den Großteil ihres Futters selbst organisieren. Da bleibt nicht viel Zeit für Müßiggang. „Da sich Bio-Karpfen hauptsächlich von Naturnahrung aus dem Teich ernähren, kann man den Karpfenteich auch als eine Art Weide sehen, die vom Frühjahr bis zum Herbst reichen muss“, meint Mößmer – so was wie der Almsommer für Karpfen also. Das Abfischen ist eine intensive Phase im Jahresablauf einer Teichwirtin: Es ist die Zeit des „Erntens“, aber auch die Stunde

der Wahrheit, denn übers Jahr kann man den Zustand und die Größe des Bestandes nur erahnen. Doch Mößmer ist zufrieden. Hervorragende Wassergüte, langsames Fischwachstum, geringe Besatzdichten, ein ausgewogenes Verhältnis verschiedener Fischarten, der Verzicht auf Hormone, Düngemittel und Pestizide sorgen auch heuer wieder für beste BiofischQualität. Bio-Karpfen werden vor dem Verkauf noch einige Zeit in Wasserbecken mit Frischwasserzufuhr gehalten, um so den gefürchteten, schlammigen „Teichgeschmack“ zu verhindern. Sie bestechen die ständig wachsende Stammkundschaft mit geschmacklich hervorragendem, zartem, magerem und festem Fleisch. Doch Bio-Karpfen triumphieren nicht nur in Sachen Geschmack, auch aus anderen Gründen überzeugen die friedlichen Süßwasserfische: Einerseits werden durch ihre Zucht ökologisch wertvolle Biotope wie die Waldviertler Teichlandschaft langfristig gesichert, andererseits muss man sich als Konsumentin nicht, wie beim Kauf von Thunfisch oder Scholle, mit dem eigenen schlechten Gewissen auseinandersetzen. Bio-Karpfen hat also auch abseits des jährlichen Weihnachtsessens Saison – ganz nach dem Motto „Besser Teiche ab- als Meere leerfischen.“ Elisabeth Klingbacher

FAKTEN UND ZAHLEN Organisation: ARGE Biofisch, Geschäftsführung: DI Marc Mößmer Info zur Organisation: ARGE Biofisch vermarktet vor allem Karpfen und Forellen, aber auch Wels, Hecht, Zander, Rotaugen, Rotfedern oder Schleien. ARGE Biofisch Produkte gibt es unter anderem am Biomarkt auf der Freyung sowie am Brunnen-, Kutschker- und Karmelitermarkt; nähere Infos unter www.biofisch.at Info: - Der Karpfen kommt ursprünglich aus China und ist eine der ältesten Fisch-Arten. Er wird in Zuchtteichen bis zu 40 Jahre alt; seit über 700 Jahren wird er auch im Waldviertel gezüchtet. - 20 % des österreichischen Karpfens stammt bereits aus biologischer Fischzucht - Etwa 5 kg Meeresfische sind nötig, um 1 kg Raubfisch zu züchten (bei Thunfisch sogar über 20 kg) - Zur Fütterung von Raubfischen, wie der Forelle, verwendet die ARGE Biofisch ausschließlich Reste, die bei der Verarbeitung von Wildfisch anfallen.

— 13 —

Bio-Fibel 4/2010


j [ a W f h IfW 8_e

C_dki )&$&&& Jedd[d 9&(

>Â?Y^ij[ >Â? Â?Y^ Y^i i B[X B[X[dic_jj[b# gkWb_j j led ][ikdZ[d J_[h[d

8_e#J_[h[ ][d_[œ[d Z[d 8_ebWdZXWk

C_dki (*&$&&& Jedd[d 9&(

š 7bb[ 8_e#J_[h[ ][d_[œ[d [_d[d 7kibWk\ _di <h[_[ š 7bb[ 8_e#J_[h[ ][d_[œ[d ][dj[Y^d_a#\h[_[i" X_ebe]_iY^[i <kjj[h š 7bb[ 8_e#J_[h[ ][d_[œ[d l_[b FbWjp _c IjWbb

C_dki )-* a] 9&(

^d_a# =[dj[Y \h[_

! )& ! )& c[^h c[^h L_jWc_d L_jWc_d 9 9

# _jWc_d L_j h L >Â?^[h[ [hWbije\\# _d C_d kdZ C ][^Wbj

Karl Erlach setzt auf innere Werte und faire Preise

Fotos: Gabriele Moser, Bio Austria NĂ– & Wien

š A[_d[ Y^[c_iY^#iodj^[j_iY^[d F\bWdp[diY^kjpc_jj[b š A[_d[ b[_Y^j b�ib_Y^[d c_d[hWb_iY^[d :”d][c_jj[b


BIO-WISSEN

ALLES IM LEBEN HAT SEINEN PREIS „Hinten – bei so einem gelben Zelt – da streckt eine Kuh die Zunge auf einem Plakat raus – und der Bauer hat keinen Preis für die Erdäpfel!“ Ein ca. 30jähriger Mann gibt gerade am Handy seine Koordinaten im Einkaufscenter Amstetten durch.

„Der Bauer ohne Preis“ – das ist Karl Erlach, seinesgleichen Obmann der niederösterreichischen Biobäuerinnen. Und dass die Bio-Erdäpfel und die Bio-Karotten keinen Preis haben, ist seine volle Absicht: Unter dem Motto „Sparpaket Bio! Erfahren Sie den WERT biologischer Lebensmittel und bestimmen Sie den PREIS selbst!“ hat Obmann Erlach mit der Organisation Bio Austria Niederösterreich und Wien eine völlig neue, innovative Form der Konsumentinnen-Information ins Leben gerufen: „Die verantwortungslose Preisschlacht des Lebensmittelhandels führt dazu, dass viele Menschen den eigentlichen Wert eines Lebensmittels nicht mehr kennen. Deshalb haben wir in Niederösterreich eine Informationsoffensive gestartet, bei der die Leute zuerst den ökologischen und gesundheitlichen Wert eines Bio-Lebensmittels erfahren und dann den Preis dafür selber bestimmen dürfen“, erklärt Karl Erlach, was es mit diesem seltsamen Bio-Marktstand auf sich hat. Und bevor der junge Mann seine Verabredung in die Arme nimmt, rechnet ihm der Bio-Obmann höchst persönlich vor, wie die heimischen Biobäuerinnen mit dem Verzicht auf Kunstdünger und Spritzmittel Jahr für Jahr über 200.000 Tonnen an klimaschädlichen CO2-Emissionen einsparen. Für die Erdäpfel seines „Bio-Test-Pürees“, seinem „allerersten Bio-Kontakt“, zahlt der Mann schließlich 3,– Euro, gut das Doppelte vom „üblichen“ Preis. Sichtlich zufrieden zieht er mit seinem Einkauf von dannen. „Nein, das mach’ ich nicht! Auf keinen Fall! Ich zahle immer das, was auf einem Preisschild steht!“ – protestiert nun eine ältere Dame entschieden dagegen, dass sie für einen Moment ihre bewährte Einkaufsstrategie aufgeben soll und lässt nicht locker, bis sie den Preis für einen Kilogramm Karotten im Supermarkt erfährt. Auch der nächste Standbesucher tut sich mit seiner überraschenden Schätzmeister-Rolle vorerst noch schwer: „Woher soll ich denn als Mann wissen, was Gemüse kostet?! Und bei Bio kenn’ ich mich schon gar nicht aus!“ Sobald er aber von Karl Erlach erfährt, wie viel Arbeit in einer

Bio-Karotte steckt, zahlt er für das Kilo 5, – Euro und ist froh, dass er kein Bauer, sondern bei der ÖBB ist. „Wissen ist für mich beim Lebensmittel-Einkauf die allerwichtigste Währung. Wenn die Leute hören, welchen Wert biologische Lebensmittel für die Gesundheit und Umwelt haben, wie viel Arbeit mit einem Liter Bio-Milch verbunden ist – dann sind sie auch bereit, faire Preise zu bezahlen. Diese Konsumentinneninitiative zeigt uns deutlich, dass ein Großteil der Konsumentinnen doch nicht am Preisdumping, sondern an sicheren, gesunden, umweltschonenden Lebensmitteln interessiert ist. Je höher das Wissen, desto größer ist die Wertschätzung für Lebensmittel und damit auch die Bereitschaft für faire Preise“, resümiert Karl Erlach zufrieden über fünfzehn Wochenenden an der Bio-Informationsfront. Wer weiß, vielleicht kaufen ja die Österreicherinnen schon bald wirklich „clever“ ein und aus so manchem „S-Budget“ wird ein faires Angebot. Und weil gerade Weihnachtszeit ist: Vielleicht waren ja die Herren Vorstandsdirektoren der Supermarktketten inkognito beim Bio Austria-Marktstand. FAIRdammt wichtig wäre es jedenfalls gewesen! Wilfried Oschischnig

FAKTEN UND ZAHLEN Person: Dipl.-Ing. Karl Erlach, 48-jähriger Biobauer aus Prein an der Rax (NÖ), ist seit vier Jahren Obmann der größten österreichischen Bio-Landesorganisation - BIO AUSTRIA Niederösterreich und Wien. Info: - Österreichs Biobäuerinnen sparen mit ihrer umweltschonenden Landwirtschaftsform jährlich rund 240.000 t CO2 ein! - Biologische Lebensmittel enthalten bis 30 % mehr Vitamin C! - Biologisches Obst und Gemüse besitzen um bis zu 50 % mehr sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe! - Biologischer Weizen und Bio-Hülsenfrüchte enthalten bis zu 15 % mehr an lebenswichtigen Aminosäuren! - Biologisches Getreide, Tomaten Kartoffeln, Zwiebel und Salat enthalten um bis zu 40 % mehr Antioxidantien! - Rindfleisch aus einer extensiven Bio-Produktion zeichnet sich durch einen höheren Gehalt an ernährungspysiologisch günstigen Omega-3-Fettsäuren aus. - Bio-Lebensmittel sind garantiert gentechnikfrei!

— 15 —

Bio-Fibel 4/2010


IM GESPRÄCH

BLICK ZURÜCK NACH VORN

Bereits in den 1920er Jahren waren Bäuerinnen auf der Suche nach ökologischen Alternativen zur wachsenden Industrialisierung der Landwirtschaft. In dieser Zeit liegen auch die Anfänge des Biolandbaus, der eng mit den Namen seiner Begründerinnen und Wegbereiterinnen Rudolf Steiner, Hans und Maria Müller sowie Hans-Peter Rusch verknüpft sind. Ihre Erkenntnisse und Forschungsarbeiten bildeten die Grundlage für eine biologische Wirtschaftsweise, doch wären ihre Ideen ungehört verhallt, hätte es nicht von Anfang an offene und interessierte Bäuerinnen gegeben, die sich auf der Suche nach einer ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltigen Landbewirtschaftung der vielversprechenden und zukunftsweisenden Bewegung „Biologische Landwirtschaft“ angeschlossen hätten. Neben den bekannten Namen sind es daher vor allem die zahlreichen Bio-Bäuerinnen, die sich vom harten Gegenwind, der ihnen besonders in den Anfangszeiten entgegenwehte, nicht beirren ließen und so zur Erfolgsgeschichte des Biolandbaus in Österreich beigetragen haben. So auch in Niederösterreich, wo neben vielen anderen BioPionierinnen Maria Steinhauser und Franz Heissenberger den Biolandbau mitgeprägt haben.

Bio-Fibel 4/2010

MARIA STEINHAUSER – IHR HERZ SCHLÄGT FÜR BIO Maria Steinhauser würden wir heute als Powerfrau bezeichnen. 1927 im niederösterreichischen Ternitz geboren, hatte sie mit der Landwirtschaft ursprünglich nichts am Hut. Doch die Mitarbeit bei einem benachbarten Bauern brachte sie auf den Geschmack und so begann sie nach ihrer Ausbildung 1955 in der Landwirtschaftskammer Salzburg zu arbeiten. Die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft betrachtete sie von Beginn an skeptisch und als sie in den 60er

Foto: Privat

Manche Kritikerinnen sehen in „Bio“ nur einen von vielen vorübergehenden Marketingtrends. Dass dem nicht so ist, muss wohl nicht weiter ausgeführt werden, denn die Biologische Landwirtschaft blickt auf eine lange Erfolgsgeschichte zurück, die längst noch nicht zu Ende erzählt ist.

Jahren Hans Müller, den Begründer der organisch-biologischen Wirtschaftsweise kennenlernte, wusste sie, dass sie ihre Bestimmung gefunden hatte. Der Biolandbau ließ sie nicht mehr los. Auch nach ihrer Rückkehr nach Ternitz informierte sie als Landwirtschaftslehrerin über die Vorzüge des Biolandbaus und engagierte sich weiterhin auch praktisch, indem sie über Jahre auf zahlreichen Biobetrieben Bodenproben zog und beratend zur Seite stand. Den elterlichen 3500 m² großen Garten begann sie in den 70er Jahren biologisch zu bewirtschaften. Der

— 16 —


Fotos: BIO AUSTRIA/ Theurl

IM GESPRÄCH

Einsatz von Kompost, Mulchwirtschaft und Gesteinsmehl wird seit damals groß geschrieben, den Mist liefern die hauseigenen Schafe und Hühner. Trotz des nicht mehr ganz jugendlichen Alters ist Maria Steinhauser nicht zu stoppen: sie bewirtschaftet ihren Betrieb, engagiert sich in der örtlichen Bio-Gruppe und empfängt nach wie vor zahlreiche Exkursionen – sogar der ORF war schon zu Besuch. Und bei dem Elan, den sie versprüht, wissen wir, dass sich das auch in den nächsten Jahren nicht ändern wird.

FRANZ HEISSENBERGER – EIN LEBEN FÜR DEN BIOLANDBAU

intensive Trockenheit und extreme Verunkrautung machten die Ernte zunichte und Heissenberger das Leben schwer. Doch die anfänglichen Probleme bekam er – auch durch den regen Erfahrungsaustausch mit anderen Biobäuerinnen – schnell in den Griff, er baute die Direktvermarktung ab Hof aus und seine Kühe zählten zu den ersten mit eigenem Laufstall. Doch die Arbeit auf dem eigenen Betrieb reichte ihm nicht und so engagierte er sich ab 1981 mit großem Einsatz als erster Obmann des damaligen Ernteverbandes NÖ und wurde 1987 erster Bioberater der Landwirtschaftskammer NÖ. Sogar der japanische Landwirtschaftsminister war beeindruckt und stattete Heissenbergers Hof einen Besuch ab. Mittlerweile wurde aus dem Ernteverband Bio Austria NÖ und Wien – Österreichs größter Bio-Landesverband. Die Anzahl der Biobetriebe ist in Niederösterreich von 17 (1980) auf über 4400 (2010) gestiegen – einen großen Teil hat Heissenberger bei der Umstellung persönlich betreut. Auch wenn der Hof mittlerweile an den Sohn übergeben und die offiziellen Funktionen abgegeben wurden, bleibt Heissenberger weiterhin ein äußerst aktives Mitglied der Bio-Gemeinschaft.

WAS BRINGT DIE ZUKUNFT? Auch Franz Heissenberger kann man getrost als Urgestein des österreichischen Biolandbaus bezeichnen. Wie bei anderen Biobäuerinnen waren es auch bei ihm ganz persönliche Erlebnisse, die sein Bild der konventionellen Landwirtschaft ins Wanken brachten und zur Umstellung bewogen. Als er in den 1960er Jahren den elterlichen Milchviehbetrieb übernahm, stellte er bei seinen Kühen zunehmend gesundheitliche Probleme fest. Der persönliche Kontakt mit einem benachbarten Biobauern, der zufriedene Kühe mit guter Milchleistung hatte, regte Heissenberger zum Nachdenken an. Bereits kurze Zeit später machte er Nägel mit Köpfen und stellte seinen Betrieb 1975 auf Bio um. Dieses erste Bio-Jahr hat er wohl nicht in bester Erinnerung, war es doch von massiven Anfangsschwierigkeiten geprägt:

Österreichs Bio-Fläche hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich vergrößert. Bio-Märkte verzeichnen hohe Zuwachsraten, Bio-Lebensmittel sind ein ernstzunehmendes Marktsegment geworden. Eine sehr positive Entwicklung, die zu einer konsequenten Ökologisierung der österreichischen Landwirtschaft beigetragen hat. Doch das Verlassen der Nische stellt den österreichischen Biolandbau auch vor große Herausforderungen für die Zukunft. Es gilt, die Gratwanderung zwischen zunehmender Professionalisierung und Intensivierung zu schaffen, Innovation und Veränderungen zuzulassen, ohne die grundlegenden Ideale und Werte der biologischen Landwirtschaft, die von Menschen wie Maria Steinhauser und Franz Heissenberger gelebt wurden und werden, zu verraten..

— 17 —

Elisabeth Klingbacher

Bio-Fibel 4/2010


GUTER GESCHMACK

AUF DIE KRUMME TOUR „Sie ist die grüne Wurst, macht Appetit und löscht den Durst“, das ist das Klischeebild der Gurke. Über 50 Konsumentinnen und Fachleute sowie ein Kamerateam der ORF-Sendung „Eco“ wollten mehr wissen und ließen sich beim frühherbstlichen FiBL-Tasting_forum in eine schier unglaubliche Gurkenvielfalt entführen.

Gurken gehören zu den Top vier der beliebtesten Gemüsearten der Österreicherinnen. Sie werden in zwei grundsätzlich verschiedenen Anbauvarianten produziert: Salatgurken stammen aus Gewächshäusern im Wiener Raum, die Einlegegurken werden vor allem in Ober- und Niederösterreich großflächig angebaut. Anbautechnisch haben die Gurken eine lange Tradition: Die Ostinderinnen kultivierten die Echten Gurken schon vor 5000 Jahren, die alten Griechinnen liebten die damals wahrscheinlich noch bitteren Früchte ebenso wie die Römerinnen. Heute sind die Gurken weltweit verbreitet. Die Verkostung von bei uns noch weitgehend unbekannten Gurkengewächsen in der historischen Schönbrunner Kammermeierei bot eine geschmackliche Abenteuerreise, die mit einem Gurkencocktail ein versöhnliches Happy end fand.

SCHWAMMGURKE GLATT Mild, nussig, erbsig aber auch grasig waren spontane Assoziationen zu den formmäßig an Zucchini erinnernden glatten Schwammgurken. Verkostet wurden junge Früchte in rohem Zustand, denn ausgereifte Früchte können mehr als 50 cm lang werden. Innen entsteht dann ein fasriges, elastisches Gewebe, das in Indien getrocknet als Schwamm, als Füll- und Filtermaterial verwendet wird. Note: 2,2

SCHWAMMGURKE KANTIG Ähnlich positive Assoziationen mit exotischen Anklängen von Paranüssen weckte die kantige Sonderform der Schwammgurke, die mit ihren Längsrippen vor allem in Scheiben geschnitten ein bizarr sternförmiges Aussehen ergibt. Note: 2,5

SCHLANGENHAARGURKE (HAARBLUME) Auch mit den Aromen der absurd verdrehten, leuchtend grünen Schlangenhaargurke kamen die Gaumen der Verkosterinnen gut zurecht. Das grüne Fruchtfleisch erinnerte entfernt an süßliche Zuckererbsen, aber auch an erfrischenden Spargel. Von besonderer Schönheit sind zudem die feingliedrigen, weißen Blütenblätter, die einen süßen Duft verströmen. Note: 2,6

Bio-Fibel 4/2010

— 18 —


GUTER GESCHMACK

CHERRYGURKE (HAARWEIBCHEN)

GURKENCOCKTAIL (FÜR 6 COCKTAILS)

Die aus Nordamerika stammende Minigurke wurde rasch zum sympathischen Star des Abends. Die knackig-frische, leicht säuerliche Gurkennascherei wird gerade einmal olivgroß und schaut weiß-grün gescheckt äußerst dekorativ aus. Als Cocktailgemüse bestehen für diese Minivariante einer Gurke beste Zukunftsaussichten. Note: 1,6 Testsieger

1 Bio-Salatgurke, 400 ml Bio-Grüner Veltliner, 200 ml BioHolunderblütensirup, Soda zum Aufgießen und ev. Minze zum Garnieren.

BITTERGURKE (BALSAMBIRNE) Der Außenseiter Bittergurke stellte zu hohe Anforderungen an die Aufgeschlossenheit der Verkosterinnen. Nur wenige fanden hinter bzw. neben dem ausgeprägten Bittergeschmack noch grasige, säuerliche und nussige Komponenten. Interessanterweise fanden sich aber auch einzelne unerschütterliche Liebhaberinnen der Bitternis. Unabhängig davon schauen wirklich reife Bittergurken mit ihrem intensiven Orange sehr schön aus, besonders wenn sie aufgeplatzt die leuchtend roten Samen zeigen, die aufgrund ihres hohen Zuckergehalts von indischen Kindern gerne als Süßigkeiten genascht werden. Note: 3,9

JIAOGULAN (KRAUT DER UNSTERBLICHKEIT, FRAUENGINSENG)

Zubereitung: Gurke waschen, schälen, die Enden entfernen und dann in ca. 5 -7 cm dicke Stücke schneiden. Dann Gurke, Holundersirup und Wein in den Blender oder Elektromixer geben. Den dicken Brei, der dadurch entsteht, durch ein grobes Sieb streichen, der Siebinhalt kommt wieder zurück in den Blender. Etwas vom Rückstand kann zur Stärkung der Textur in den Cocktail, der Rest ist eine fabelhafte Grundlage für ein süßes Gurkendessert. Den Cocktail in Longdrink-Gläser (Eiswürfel nicht vergessen) abseihen und mit einem Schuss Soda/Mineralwasser aufgießen, das erhöht die Spritzigkeit des Cocktails. Reinhard Geßl und Wolfgang Palme Weitere Informationen: www.gartenbau.at

Das „Kraut der Unsterblichkeit“ lief außer Konkurrenz mit, da es nicht zu den Spezialgurken aber doch in die botanische Verwandtschaft gehört. Jiaogulan werden ja nahezu magische Kräfte nachgesagt, da es die gleichen Wirkstoffgruppen wie Ginseng enthält, immer ausgleichend, balancierend und verjüngend wirkt und zudem für Frauen besser verträglich ist. Der Geschmack der Blätter wurde – für unsere Gaumen äußerst ungewohnt – als Kombination aus süßlich und bitter wahrgenommen. Note: 2,8 Der von Jürgen Schmücking komponierte und gemixte Abschlusscocktail lullte jede Spitzzüngigkeit erfolgreich ein und so waren sich alle einig: fangen wir die Gurkenvielfalt gemütlich mit den schicken Cherrygurken an, das mit den Bittergurken wird schon noch werden. Schlussendlich schmeckte auch das erste Bier nur bitter!

Bio-Fibel 4/2010


BIO-HOTEL

SCHLUSS MIT ERNST BIO-Hotels gehen neue Wege bei der Weinbewertung – und das Kremstal geigt auf!

Genau wie beim Weinbau selbst, könnte man bei der Bewertung oder Beschreibung von Weinen von konventionellen und unkonventionellen Methoden reden. Irgendwie nachvollziehbar, dass sich die BIO-Hotels bei ihrer jüngsten Weinprämierung gegen das Konventionelle entschieden haben. Aber der Reihe nach. Üblicherweise werden Weine von Weinprofis verkostet und bewertet. Das hat nichts grundsätzlich Verwerfliches – im Gegenteil: es ist erprobt, etabliert – und langweilig. Die Eintönigkeit bezieht sich auf die prämierten Weine und deren Stilistik. Die BIO-Hoteliers wollten nicht von der 27. ProfiGruppe hören, welche Weine gut sind, sondern von den Leuten, die diese Weine später auch trinken sollen – den Gästen. Unterstützt wurden die Gäste von einigen Hoteliers, speziell von jenen, denen die Erweiterung des Biowein-Angebots ein aktuelles Anliegen ist.

Die Idee, die hinter dieser Art der Verkostung steht, erläutert Ludwig Gruber von den BIO-Hotels: „Mit dieser Art der Verkostung wissen wir wirklich, was unsere Gäste wollen.“ Es zeichneten sich klare Trends ab: So macht die Prämierung sichtbar, was bei Weingenießern gerade angesagt ist. Die Weißweine sind frisch, feinfruchtig und mit hohem Trinkspaßfaktor. Die Rotweine haben Substanz und Tiefgang ohne übermäßige Opulenz und bei den Süßweinen hatten die Kuriositäten die Nase vorn: Weine aus Honig, Birnen oder pilzwiderstandsfähige Rebsorten die noch kein Mensch kennt, haben die Verkoster überzeugt. Hochklassig auch die Schaumweine, bei denen die Sieger aus aller Herren (und Damen) Länder kommen: Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich. Besonders erfolgreich hat das Kremstal abgeschnitten. Mit dem Weißen Burgunder Ried Zasen 2009 legte Ilse Mayer

(Geyerhof) einen Süßwein vor, der seinesgleichen sucht. Niki Moser vom Weingut Sepp Moser traf die Herzen der Weingenießer gleich mit zwei Weinen: dem Zweigelt wild life 2008, einem Wein, bei dessen Genuss auch der Nationalpark Neusiedlersee profitiert und der Pinot Blanc Beerenauslese 2009 – und dann hätten wir noch Urban Stagård aus Stein bei Krems, der mit seinem Zaubertrank Riesling Grillenparzer Schreck 2009 als einziger Österreicher der deutsch-französischen Riesling-Phalanx paroli geboten hat. Jürgen Schmücking Die Beschreibungen der Weine finden Sie auf www.bestofbio.info

Bio-Fibel 4/2010


SHORTCUTS

HANDBUCH BIO-GEMÜSE Andrea Heistinger hat das fast allumfassende Erfahrungswissen der vielen Arche Noah-Gärtnerinnen mit ihrem wissenschaftlichen Wissen zu einem Handbuch von fast biblischen Ausmaßen niedergeschrieben. 630 Seiten oder 1820 g sind es schlussendlich geworden, dafür finden sich Sorten-, Anbaubeschreibungen und schöne Fotos von eher unbekannten Gemüsesorten wie Erdbeerspinat, Löffelkraut, Schneemelone, Ulluco und aller im FiBL-Tasting_forum verkosteten Spezialgurken (Seite 18). Das Buch soll und wird dazu beitragen, dass viele Menschen in ihren Gärten wieder die Vielfalt unserer Kulturpflanzen kultivieren, erhalten und entwickeln. So lässt es sich leicht verschmerzen, dass man Anbau- und Pflegetipps für Thujenhecken vergeblich suchen wird. Weitere Informationen: im guten Buchhandel und unter www.loewenzahn.at

ALTE ERDÄPFELSORTEN VOM BIOZENTRUM LOBAU Violetta, Pinki, Cyclamen, Highland Burgundi Red, Edzell blue - klingende Namen, die man auf den ersten Blick nicht gerade mit Erdäpfel in Verbindung bringen würde. Doch genau darum handelt es sich: um alte Sorten von Erdäpfel, die auf Initiative von Umweltstadträtin Ulli Sima in Wien wieder angebaut und geerntet werden. Diese Sorten sind durch die Industrialisierung der Landwirtschaft von den Äckern beinahe verschwunden; durch den Wiederanbau auf den Flächen der MA 49 – Forstamt und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien soll die Artenvielfalt in der Wiener Landwirtschaft weiter gefördert werden. Einkaufs-Tipp: Die neuen/alten Sorten vom Bio-Zentrum Lobau sind heuer erstmals im Bio-Erdäpfelkisterl von „Ja! Natürlich“ erhältlich!

neiiennuer

w dt neusta

Schenk’ dir ein Lächeln!

Entdecke unsere Sonnentor Geschäfte ...

Lernen Sie uns kennen – und lieben! Sonnentor steht für Tee- und Gewürzspezialitäten aus kontrolliert biologischem Anbau, beste Qualität und sorgsame Verarbeitung von Hand. Wir bringen Genuss und Lebensfreude ganz in Ihre Nähe! www.sonnentor.com Sonnentor Krems Im Steinertor

krems@sonnentor.at

Sonnentor Linz-Urfahr

Sonnentor Wien Landstrasse Landstraßer Hauptstraße 24

wien-landstrasse@sonnentor-shop.at

Lentia City

lentiacity@sonnentor-shop.at

Sonnentor Wiener Neustadt

Sonnentor Salzburg Münzgasse 2

Herzog-Leopold-Strasse 16

salzburg@sonnentor-shop.at

wienerneustadt@sonnentor-shop.at Eröffnung am 8. Dezember 2010

Sonnentor Sprögnitz

Sonnentor Zwettl Unter’m Hollerbusch

Nahe Zwettl

sproegnitz@sonnentor.at

Landstraße 5

hollerbusch@sonnentor.at

Sonnentor St. Pölten Kremser Gasse 6

sanktpoelten@sonnentor-shop.at

Die Sonnentor Familie wächst: Alle aktuellen Adressen, Öffnungszeiten und unseren Webshop Bio-Fibel finden 4/2010Sie auf www.sonnentor.com


SHORTCUTS

BIO-PIONIERE IN ÖSTERREICH Pionierinnen der Biologischen Landwirtschaft– was sind das für Menschen? Was bewegt(e) sie? Warum haben sie sich den Konventionen widersetzt und sich für die biologische Wirtschaftsweise entschieden? Neben ganz persönlichen Lebensgeschichten, prägenden Momenten, beruflichen Erfolgen und Rückschlägen einer Auswahl österreichischer Bio-Pionierinnen beschreibt die Journalistin Aurelia Jurtschitsch in dem Buch auch die lange und abwechslungsreiche Geschichte der Biolandlandwirtschaft in Österreich. „Bio-Pioniere in Österreich - Vierundvierzig Leben im Dienste des biologischen Landbaus“ - ein unbedingt lesenswertes, interessantes Buch mit spannenden Einblicken, eine Empfehlung für alle, die sich für die Biologische Landwirtschaft und die Menschen dahinter interessieren. Weitere Informationen im gut sortierten Buchhandel und unter www.boehlau.at

JOSEPH, DER NEUE IN IHREM KISTL. Das wichtigste vorweg: Wer einmal ein Brot von Joseph Weghaupt gekostet hat, der will in kein anderes mehr beißen. Kein Wunder, JosephBrote, das sind beste Bio-Zutaten, mehrere Tage gereifter Natursauerteig und ebenso professionelle wie liebevolle Verarbeitung. Auch nicht unwesentlich: Man kann sich diese knusprigen Köstlichkeiten nun via Adamah-Kistl nach Hause liefern lassen. Neben Bewährtem wie dem Joseph Brot, dem Urlaib, dem Roggen-Honig-Lavendelbrot oder dem köstlich saftigen Waldviertler Graumohnstrudel wurde das Sortiment nun u. a. um verschiedene Ciabattas (Natur, Haselnuss-Marille, Oliven-Tomate) bereichert. Dass diese Auflistung nur eine kleine Auswahl aus Josephs breiter Bio-Brot- und – Gebäckpalette ist, versteht sich von selbst.

Für alle, denen nun das Wasser im Mund zusammenläuft: Am Besten gleich Joseph-Brot und -Mehlspeisen im nächsten Adamahkistl mitbestellen und sich als Kistl-Kundin in der Startwoche der neuen Brotangebote (Mitte Jänner 2011) über eine gratis Kostprobe freuen. Weitere Bezugsquellen: Pöhl (Naschmarkt), Feinkost Rumpel (1130 Wien), Motto am Fluss, Bauernladen Helene (Kettenbrückengasse, 1040), Tongues (Theobaldgasse, 1060), Saint Charles Alimentary ( Gumpendorferstraße, 1060), BIO5 (Margarethenhof, 1050 Wien), Feinkost Ungar (Porzellangasse, 1090).

NACHHALTIGKEIT VON BIOLEBENSMITTELN In Sachen Klimaschutz und ökologischer Nachhaltigkeit setzt das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Österreich) neue Maßstäbe: Schon mit der Berechnung des Einsparungspotentials sämtlicher „Zurück zum Ursprung“Produkte (Biomarke des Lebensmitteldiskonters Hofer) hinsichtlich relevanter Treibhausgasemissionen („CO2Fußabdruck“) konnte das FiBL-Team das Klimaschutzpotential von Bio-Lebensmitteln aufzeigen. Nun berechnen die Wissenschafterinnen gemeinsam mit dem FiBL Schweiz für das gleiche Sortiment die Nachhaltigkeit von Biolebensmitteln und berücksichtigen dabei Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch und Naturvielfalt. Diese Nachhaltigkeitseffekte sind in Prozentangaben auf der Verpackung der Bio-Marke zu finden. Konsumentinnen können so bei jedem Produkt nachvollziehen, welchen Beitrag sie beim Kauf von Biolebensmitteln für Natur und Umwelt leisten. Quelle: www.fibl.org

IMPRESSUM Bio-Fibel – Zeitschrift für Wissen aus der Biologischen Landwirtschaft: Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Freiland Verband für ökologisch-tiergerechte Nutztierhaltung und gesunde Ernährung; Seidengasse 33/13, 1070 Wien; Fon 01/4088809; Fax 01/9076313-20; e-mail: office@freiland.or.at; net www.freiland.or.at; DVR-Nummer 0563943; Chefredakteur: Dipl.-Ing. Reinhard Geßl, Leiterin der Redaktion: Dipl.-Ing. Elisabeth Klingbacher; Mitarbeit: Irene Pratsch, Wilfried Oschischnig; Redaktion: Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Österreich), Seidengasse 33/13, 1070 Wien; Fon: 01/9076313-0, net: www.fibl.org/de/oesterreich. Alle nicht anders gekennzeichneten Fotos: Geßl & Wlcek OG; Druck: gugler GmbH Melk; Grafisches Grundkonzept: co2 – Werbe- und Designagentur; Layout: Geßl & Wlcek OG. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht unbedingt der Meinung des Herausgebers entsprechen. FREILAND-Spendenkonto: Erste Bank, BLZ 20111, Ktnr. 08210993; Auflage: 10000 Stück. Hinweis: Eine geschlechtergerechte Formulierung ist uns in der Bio-Fibel ein großes Anliegen. Da wir gleichzeitig eine gut lesbare Zeitschrift herausgeben wollen, haben wir uns entschieden, keine geschlechtsneutralen Begriffe zu verwenden, sondern alternierend entweder nur weibliche oder nur männliche Bezeichnungen. Wir sind uns dessen bewusst, dass diese Generalklausel einer geschlechtergerechten Formulierung nicht ganz entspricht, wir denken aber, dass die gewählte Form ein Beitrag zur publizistischen Weiterentwicklung für mehr sprachliche Präsenz weiblicher Begriffe sein kann.

Bio-Fibel 4/2010

— 22 —


✔ ✔ ✔ ✔

Aus biologischer Landwirtschaft Gesicherte Herkunft Strenge unabhängige Kontrollen Gentechnikfrei

www.bioinfo.at


DER

Eine Initiative von Umweltstadträtin Ulli Sima

WEIHNACHTSMARKT AM COBENZL DER REGIONALE SCHMANKERLMARKT LÄDT EIN ZUM VERKOSTEN UND BIETET ZAHLREICHE GESCHENKIDEEN Jeden Samstag und Sonntag im Advent und am 8. Dezember von 11:00 – 18:00 Uhr SCHMANKERL LIVE MUSIK WEIHNACHTSGESCHENKE BASTELN PUNSCH WIENER WEIN KEKSE BACKEN PONY REITEN STALLFÜHRUNGEN

Auf Ihr Kommen freut sich Umweltstadträtin Ulli Sima

Am Cobenzl 96, 1190 Wien – mit Buslinie 38A von Heiligenstadt

Infos: www.natuerlich.wien.at


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.