Bio-Fibel Zeitschrift für Wissen aus der Biologischen Landwirtschaft
Urs Niggli – Der charmante Bio-Botschafter McKioto – Cooles Essen Blühstreifen – Wo sich Bienen zu Hause fühlen Henne & Hahn – Willkommen Jungs
2/2013
Editorial
Eure Exzellenz wird 40! Als im Jahr 1973 in der Schweiz die „Stiftung zur Förderung des biologischen Landbaus“ gegründet wurde, blieb dies auf der Welt weitgehend unbeachtet. Bio gab es damals praktisch noch gar nicht. Eine kleine Gruppe bärtiger Spinner – so zumindest das Klischee – stemmte sich gegen das Diktat der Intensivierung und Chemisierung der Landwirtschaft und probierte ihre Bauernhöfe nach der Philosophie von Steiner oder Müller und Rusch biologisch zu führen. Einen Markt für Bio-Lebensmittel gab es nur Ab Hof, schlussendlich wurden Begriff und Kontrollsystem erst fast 20 Jahre später in der EU festgelegt. Und dennoch: unter der Leitung des damaligen Schweizer Nationalratspräsidenten – man stelle sich das einmal für Österreich vor! – wurde der Grundstein für das ein Jahr später gegründete und heute wahrscheinlich einflussreichste BioForschungsinstitut gelegt: das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Das FiBL feiert heuer seinen 40. Geburtstag. Die Forschungsthemen haben sich in den letzten vier Jahrzehnten geändert und gravierend erweitert. Etwa 200 Mitarbeiter am Schweizer Stammsitz in Frick, in Frankfurt und in Wien widmen sich heute den Lösungen großer gesellschaftlicher Fragestellungen wie Qualität von Lebensmitteln, Ernährung und Klimaschutz, Bodenwissenschaften, Nutztierwissenschaften oder Fragen der Nachhaltigkeit. „Excellence for sustainability“ steht seit einigen Jahren prominent im Leitbild des FiBL. Mit diesem Claim sollte ausgedrückt werden, dass möglicherweise die Banden der BioRichtlinien für eine zukunftsweisende Forschungstätigkeit eng geworden und explizit die großen Prinzipien des Biolandbaus zum Arbeitsauftrag geworden sind: Ökologie, Gesundheit, Gerechtigkeit und Fürsorge. Entgegen spezifischer Wahrnehmungen hat nämlich der Biolandbau weltweit den Siegeszug noch immer nicht angetreten. Bescheidene 0,5 % der landwirtschaftlichen Produktion werden weltweit biozertifiziert. Insofern ist die Frage berechtigt, ob die Beschränkung der Forschungsarbeit auf ein Minisegment nicht einer Verschwendung wissenschaftlicher Exzellenz gleichkommt. Insofern wird es spannend, wie das neue FiBL-Leitbild, das anlässlich des Geburtstagsfests präsentiert werden wird, einen erweiterten Forschungsauftrag ausruft, um in Zukunft noch stärker an nachhaltigen Lösungen, welche vielleicht ökologisch besser sind als der aktuelle Biolandbau, aber eindeutig außerhalb der Richtlinien liegen, zu arbeiten? Quasi Forschung für eine nachhaltige, bessere Welt statt exklusiv für ein Landbausystem. Wie schaut das nun in Österreich aus? Der Bio-Boom passierte trotz nur schüchtern ausgeschütteter Bio-Forschungsgelder. Sei’s drum. 2013 wäre zum Beispiel ein gutes Jahr, politisch und finanziell den Grundstein für eine neue, große Bio-Initiative zu legen. Die Schweiz hat sich 1973 auch schon getraut – und gewonnen – also darf sich Österreich 2013 trauen.
Reinhard Geßl, Herausgeber
Inhalt Aus wenig viel machen Bio-Kompetenz für ein Bier Schule forscht Hahn & Henne Von Bienen und Blumen Bio-Hotspots ganz hoch oben Ich mache mir ein Butterbrot Shortcuts Impressum
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Im Gespräch
Aus wenig viel machen Wenn Michelle Obama im Hausgarten des Weißen Hauses Bio-Gemüse anbauen will oder Prinz Charles wieder einmal der Bio-Bauer reitet, dann wissen beide, wen sie sich als Experten ihres Vertrauens herbeiwünschen: Urs Niggli, den Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL).
Fotos: Thomas Alföldi
Urs Niggli zählt heute zu einem der wichtigsten glo balen Vordenker und Botschafter der Bio-Landwirtschaft. Dabei begann seine Karriere durchaus konventionell. Als Unkrautbiologe erforschte er an der ETH Zürich, wie man den Ampfer möglichst effizient vernichtet. Dann genehmigte er bei der Schweizer Forschungsanstalt Agroscope Unkrautvernichtungsmittel. Heute gibt er zu, dass ihn damals diese Macho-Landwirtschaft sehr fasziniert hat. Letztlich siegte aber doch sein schlechtes Gewissen und er sattelte 1990
konsequent auf Bio um. Im Direktorenposten der privaten Forschungsinstitution FiBL fand er seine wahre Berufung. Der Stammsitz des FiBL liegt in Frick, mitten in den sanften Jurahügeln zwischen Zürich und Basel. Über 50 ha Bio-Fläche bieten den Rahmen für top ausgestattete Labors, HightechGewächshäuser, einen tiergerechten Stall, ein modernes Weingut und Platz für 135 Mitarbeiter. Im Konzert mit den FiBLs in Österreich und Deutschland zählt das Institut zu den renommiertesten und größten Bio-Forschungsstätten weltweit. Wir befragten den charmanten Agrarprofessor zu den Grenzlinien der Bioforschung, die Marktmacht der Bio-Muffel, eine sichere Strategie gegen das Verhungern, die Unsinnigkeit eines globalen Veganismus und die reale Schwierigkeit sich 100 % Bio zu ernähren.
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Im Gespräch
Herr Niggli, der Biolandbau wird durch komplexe, gesetzliche Vorgaben und zusätzliche Richtlinien der Verbände definiert. Was aber ist für Sie die kürzeste „Formel“, um den Biolandbau auf den Punkt zu bringen? „Aus wenig viel machen, ohne zu schaden“, das ist für mich Bio. Also: Weniger Energieinput, weniger Düngernährstoffe, weniger Pflanzenschutzmittel, selbstverständlich alles ohne chemisch-synthetische Substanzen. Und trotzdem oder gerade deshalb kommen dabei sehr gute Erträge heraus. Dabei werden die Bodenfruchtbarkeit, die natürlich Vielfalt, die Wasserund Luftqualität erhalten oder gar verbessert. Bio wird szeneintern gerne als eine „Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts“ gepriesen. Ist das eine weltfremde Selbstbeweihräucherung der Bio-Forschung oder halten wir da wirklich den Schlüssel zur Zukunft in der Hand? Das Konzept des Biolandbaus ist richtig. Völlig richtig und unverzichtbar. Und der Biolandbau wird noch relevanter, je mehr sich Energie, Wasser und Dünger verteuern. Eins ist sicher: Die Menschen werden - um ihr Überleben zu sichern - alle Technologie nutzen und die Forschung wieder massiv verstärken. Sind nicht gerade die Forschungsgelder für die BioLandwirtschaft besonders spärlich gesät? Ja, leider! Von den rund 50 Milliarden US Dollar, welche Regierungen und die Privatindustrie weltweit in die Forschung
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für Landwirtschaft und Lebensmittel investieren, werden – optimistisch geschätzt – lediglich 4 Tausendstel für spezifische Lösungen des Biolandbaus ausgegeben. Noch ist der Markt zu klein, als dass die Firmen mit Forschung und Entwicklung einsteigen würden. Deshalb ist es heute dringend notwendig, dass sich die öffentliche Forschungsförderung intensiv dem Biolandbau annimmt. Dabei reden doch die Politiker so gerne über Bio und Nachhaltigkeit. Allerdings! Die Agrar- und Forschungspolitiker reden unisono von nachhaltiger oder ökologischer Intensivierung. Das entspricht ja auch meinem Verständnis des Biolandbaus, wie ich es eingangs definiert habe. Warum sollte man das richtige Konzept nicht massiv mit Forschung fördern? Von den Ergebnissen könnten nicht nur die Biobauern, sondern alle Bauern profitieren. Wir werden die Ausgabe mit Ihrem Interview jedenfalls den österreichischen Ministern für Landwirtschaft und Wissenschaft schicken. Welche Bereiche sollten für den Biolandbau genauer erforscht werden? Einerseits muss die Umstellung auf den Biolandbau noch viel attraktiver werden. Dazu braucht es eine ganze Reihe produktionstechnischer Verbesserungen. Die Pflanzen- und Tierzüchtung muss stärker auf die Bedingungen der Betriebe angepasst werden, welche sich stark von denjenigen der
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Im Gespräch
konventionellen oder integrierten Betriebe unterscheiden. Nehmen wir nur das einfache Beispiel von Bio-Raps, wo im Frühjahr aufgrund der tiefen Bodentemperaturen ohne synthetische Stickstoffdünger zu wenig organisch gebundener Stickstoff mineralisiert wird, was dem Raps massiv zusetzt und so den Rapsglanzkäfer als Schädling zusätzlich fördert. In diesem Fall müssen das ganze Anbausystem und die Züchtung anders konzipiert werden. Das klingt nach langwieriger Arbeit. Geht es nicht vor allem um kurzfristige Lösungsangebote? Ja, den Spagat zwischen langfristigen Veränderungen und kurzfristigen Verbesserungen muss die Forschung schaffen. Für kurzfristige Verbesserungen müssen endlich die zahlreichen Ideen aus den Schubladen der Forschenden zur Marktreife gebracht werden: Zum Beispiel in Form von neuen Tiermedikamenten, Therapien, biologischen Pflanzenschutzmitteln, Bodenverbesserern und Futtermitteln. Langfristige Veränderungen, welche im Bereich der Bodenfruchtbarkeit, der Versorgung mit organischem Stickstoff und einheimischem Eiweiß oder der Züchtung liegen, müssen mit deutlich mehr Mitteln und Fachleuten in fünf bis zehnjährigen Projekten angegangen werden. Alle Entwicklungen brauchen eine kritische Masse in der Forschung, das heißt größere Teams und engere Zusammenarbeit zwischen den Teams. Dumme Frage: Wünschen sich die Biobäuerinnen und Biobauern überhaupt eine moderne Forschung an ihrer Seite? Was der Bauer nicht kennt … Die Biobewegung sollte sich nicht als rückwärtsgewandte Technologieverweigererin verstehen, sondern schauen, wie man sinnvolle moderne Entwicklungen und Methoden verantwortungsvoll im Sinne der Nachhaltigkeit nutzen kann. Die Entwicklung des Biolandbaus ist rückwirkend gesehen eine großartige Sache. Die Menschen, welche daran beteiligt sind, dürfen sehr stolz sein. Dass Viele deshalb das Erreichte verteidigen, kann ich verstehen. Aber die Entwicklung geht weiter, wenn wir uns nicht laufend weiterentwickeln, werden wir schon bald links und rechts überholt werden. Ich halte die Akteure des Biolandbaus für fähig, die Zukunft selbstbewusst anzugehen. Die heutigen Bio-Richtlinien, wie sie aktuell durch die EU-Bioverordnung und von den Bioverbänden definiert sind, würde ich nur als Zeitdokument verstehen, welches in 20 Jahren hoffentlich anders aussieht.
Erschrecken ist ein gutes Stichwort: Die Gentechnik gilt als Schrecken des Biolandbaus. Sehen Sie das auch so? Die heutige Gentechnik bringt der Landwirtschaft kaum Vorteile und den Konsumenten schon gar nicht. Sie hat im Biolandbau nichts zu suchen. Aber die Gentechnik ist ein großes Forschungsgebiet mit unzähligen Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Analytik, der Diagnose oder der Züchtungsunterstützung. Das hört sich jetzt nicht nach einem kategorischen Nein zur Gentechnik an? Die Biobewegung muss lernen, kritisch aber differenzierend auf die Ergebnisse zukünftiger Forschung zu schauen. Freilich sind Patente und Monopole unerwünschte Erscheinungen. Die müssen aber auf gesellschaftlicher und politischer Ebene gelöst werden. Und der Widerstand gegen die Gentechnik hat deren Entwicklung auch von vielen Auswüchsen bewahrt. Wesentlich ist immer eine kritische, differenzierte Bewertung.
Wie könnten die aussehen? Dazu hätte ich viele Ideen. Aber ich sehe auch, dass ich dabei nicht zu rasch vorangehen darf, weil ich sonst engagierte BioLeute verschrecke.
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Im Gespräch
Zudem sind billige Lebensmittel die Ursachen von hohen Abfällen und Fehlernährung. Es ist also an der Politik zu handeln. Zum Beispiel mit einer Energie- oder Fettsteuer, aber auch mit verbindlichen Qualitätszielen für öffentliche Güter und Dienstleistungen, welche die Landwirte erbringen müssen. Leider haben bereits die zaghaften Versuche der EU-Landwirtschaftskommission mit dem „Greening“ zu unglaublichem Widerstand geführt. Aber immerhin stehen die Zeichen gut für einen Paradigmenwechsel. Ich glaube nicht, dass so wichtige Änderungen durch individuelle Einsicht oder moralische Ermahnungen erreicht werden können.
Bei der Forschung kommt Bio auf einen Anteil von vier Tausendstel. Auch der Anteil im weltweiten Lebensmittel handel ist trist: Bio steht gerade einmal auf einen Anteil von 0,5 %. Dänemark, Österreich und die Schweiz sind die Bio-Weltmeister. Wir werden in fünf Jahren in allen drei Ländern einen BioMarktanteil von zehn Prozent erleben. In allen drei Ländern können sich die Einkaufenden täglich bei fast jedem Produkt für oder gegen eine biologische Landwirtschaft entscheiden. Die Vermarktung ist professionell und die Konsumenten können sich nicht mit „ach, es ist mir zu aufwändig“, „wo finde ich Bio?“, „es ist viel zu teuer“ oder „ich traue der Kontrolle nicht“ herausreden. Gut, wir leben auf der Insel der Bio-Seligen mitten im Meer der Bio-Muffel. Trotzdem sind selbst bei uns die jährlichen Zuwächse sehr bescheiden. Woran liegt das? Seien wir ehrlich: Der Kauf von Bioprodukten ist den meisten Menschen einfach zu wenig wichtig. Obwohl sie sich’s leisten könnten, denn die volkswirtschaftlichen Ausgaben für die Ernährung sinken kontinuierlich. In der Schweiz sind es nur noch 6 %, in Dänemark 8 % und in Österreich 11 % der Lebenshaltungskosten. Wir müssen deshalb anderswo ansetzen. Der Konsument weiß nicht, dass er die billigen Lebensmittel zusätzlich mit seinen Steuern bezahlt, weil die Kosten für den Umweltschutz immer größer werden.
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Wenn es um Bio und die Welternährung geht, haben viele Agrarfunktionäre eine Drohung parat: Die Erträge würden um bis zu 50 % sinken und der Hunger steigen. Man kann nicht oft genug wiederholen: Eine sichere Ernährung ist nicht das Ergebnis von hohen Erträgen. In jeder Region der Welt kann man mit einer guten biologischen Landwirtschaft die Menschen ernähren. Besonders in von Armut, Hunger und ungünstigen Klimaentwicklungen geprägten Regionen wie etwa dem südlichen Afrika kann der Biolandbau zu höheren und stabileren Erträgen führen und das Familieneinkommen verbessern. Und in bevölkerungsreichen Regionen Asiens wirkt sich die Verwestlichung der Ernährung mit erhöhtem Fleischund Milchkonsum viel dramatischer aus als eine Umstellung auf Biolandbau. Zudem hat die biologische Landwirtschaft noch ein großes Innovationspotential, sei es bei den Sorten, beim Pflanzenschutz oder bei der Versorgung mit Stickstoff. Zählt zu diesem Innovationspotential auch mehr Bewusstsein beim Fleischkonsum? Auch das! In den westlichen Ländern müssten bei einer Umstellung auf Biolandbau die Verschwendung, der Fleisch konsum und die Treibstoffproduktion reduziert werden. Was ja vernünftige Entwicklungen sind. Braucht es in Zukunft überhaupt noch Nutztiere in der Landwirtschaft? Der Vegetarismus oder Veganismus wäre doch eine ethisch korrekte Ernährung? Unsinn! So sehr ich den persönlichen Entscheid, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren, achte und bewundere, so sehr lehne ich das als Weg für die Gesellschaft ab. Weltweit sind zwei Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche Dauergrünland. Diese können nur durch die Wiederkäuer Rind, Büffel, Schaf und Ziege für die menschliche Ernährung genutzt werden. Widersinnig wird es erst, wenn man Wiederkäuer mit Getreide füttert. Auch Schweine und Hühner haben in reduziertem Umfang eine Berechtigung, nämlich in der Reste- und Abfallverwertung.
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Im Gespräch
Sie gelten als Pionier der Bio-Forschung. Angenommen, Sie hätten die Möglichkeit, sich mit den großen Bio-Pionieren Rudolf Steiner und dem Ehepaar Müller zu unterhalten. Worüber würden Sie mit ihnen sprechen? Ich bin froh, dass es diese Pionierspersönlichkeiten gab. Sie haben unsere Landwirtschaft und Ernährung farbenfroher und variantenreicher gemacht und uns Optionen für die Zukunft eröffnet. Ich würde mich also zu aller erst bei den Pionieren bedanken. Und ich glaube, sie würden mich dringend ermahnen, etwas freier mit ihrem Gedankengut umzugehen und den Biolandbau wieder neu zu erfinden. Sie haben Impulse gesetzt und nicht Gesetze und Kontrollbögen geschrieben. Würden Sie ihnen erzählen, dass der heutige Biolandbau teilweise mit sehr großen Betriebsstrukturen wirtschaftet? A la tausende Legehennen auf einem Biobetrieb… Bio und groß sind kein Widerspruch. Es gibt sehr viele gute Beispiele von großen Biobetrieben. Kreisläufe, sorgfältige Bodenbearbeitung, Förderung von natürlicher Vielfalt und artgerechte Tierhaltung können auch dort mustergültig umgesetzt werden. Im Korngürtel von Amerika hat zum Beispiel der große Naturschützer und Mäzen Douglas Tomkins einen konventionellen Betrieb in einen wunderschönen Biobetrieb umgestellt. Auf den riesigen Feldern hat er mit satellitengesteuerten Maschinen mehrere Kulturen in Streifen wellenförmig angebaut, gepflegt und geerntet. Das hat eine wunderschöne Landschaft ergeben, die Fruchtfolge ist räumlich und zeitlich diversifiziert und alle ökologischen Ziele konnten erreicht werden.
Ich habe viele Tausend Studien über den Biolandbau gelesen und esse ausschließlich Bio – außer ich bin auf Reisen. Ich fühle mich keineswegs verschaukelt. In der Summe aller Qualitäten sind Bioprodukte einfach besser, und wenn ich mir einen Landwirtschaftsbetrieb vorstelle, bei dem ich gerne zu Besuch bin und einkaufe, dann ist es ein Biobetrieb. Jetzt wollten wir Sie eigentlich abschließend fragen: Welche Lebensmittel hätten Sie den Pionieren aus ihrem Kühlschrank kredenzt? Wie gesagt: Im Haushalt meiner Frau und mir gibt es kein einziges nicht-biologisches Lebensmittel. Und im Sommer ziehen wir im eigenen Biogarten Radieschen, Salat, Karotten, Kohlrabi und Lauch. Am FiBL in Frick haben wir ein fantastisches Personalrestaurant, das täglich Bioprodukte frisch zubereitet. Ich kenne in Wien, in Washington, in Frankfurt, in Berlin, in Brüssel und anderswo tolle Biorestaurants. Aber klar, das viele Reisen senkt meinen Bioanteil dann doch auf 70 %. Danke für das Gespräch! Wilfried Oschischnig und Reinhard Geßl
Kritiker meinen, der Biolandbau habe sich konventionalisiert und den Strukturen der Supermarktketten angepasst – immer größer, immer anonymer. Für mich ist Bio im Supermarkt ein Segen. Ich habe eine große Auswahl von biologischen Lebensmitteln zu einem fairen Preis und in guter Qualität. Spezialitäten kaufe ich im Bioladen oder auf einem Bio-Bauernmarkt. Die besten Supermärkte haben bereits über 1600 Bioprodukte im Sortiment und zahlen den Landwirten gute Preise. Ich halte die Klage über die Konventionalisierung des Biolandbaus für übertrieben. Supermärkte und Diskonter sind vielmehr ein Weg, die biologische Landwirtschaft erfolgreich aus der Nische in die Mitte zu holen. Zahlreiche Studien attestieren Bio-Lebensmitteln ernähr ungsphysiologische Vorzüge, andere wieder nicht. Die Kon sumenten kennen sich nicht mehr aus und fühlen sich verschaukelt.
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Florian Gadermaier s채t und erntet Bio-Kompetenz im M체hlviertel.
Bio-Wissen
Bio-Kompetenz für ein Bier Was fällt Ihnen spontan zu Schlägl ein? Oberes Mühlviertel, Böhmerwald, Granit, das Prämonstratenser Chorherrenstift, das Schlägler Bier? Oder gar die Bioschule, die erste und einzige ihrer Art in Österreich?
Österreich ist reich an Klöstern und gesegnet mit einer feinen Biervielfalt aber erschreckend arm an landwirtschaftlichen Fachschulen, die Bio nicht zu einem Nebenfach degradieren, sondern zum stolzen Konzept erheben. Umso bemerkenswerter liest sich die Geschichte der Schule in Schlägl, die 1924 gegründet und 2002 zur ersten und nach wie vor einzigen Bioschule Österreichs wurde. „Ihr werdet sehen: Kein anständiger Mühlviertler Bauer wird seinen Buben in eine Bioschule geben, zusperren werdet’s müssen!“ schallten damals die Kassandrarufe über den Granit. Der mutige Schritt führte allerdings zum Gegenteil. Während benachbarte Schulstandorte reihenweise geschlossen wurden, freut sich die Bioschule weiterhin über rege Schülernachfrage. Der große Erfolg versteht sich wohl als Lohn für eine permanent hohe Innovationsbereitschaft. So setzt ein hoch motiviertes und flexibles Lehrerteam einen für die Bioschule maßgeschneiderten Lehrplan mittels „Blocksystem“ um. Nicht in Einzelstunden, sondern in großen thematischen Blöcken bekommt Bio durch eine Kombination von fächerübergreifendem Unterricht und dazu passender Praxis so viel Raum, dass das komplexe Gesamtkunstwerk adäquat vermittelt werden kann. Seit 2004 locken die Schlägler Biogespräche Jahr für Jahr mehrere hundert Bio-Begeisterte zu Gesprächen entlang der BioQualitätsphilosophie in die Schule: nur ein gesunder Boden lässt gesunde Pflanzen wachsen, die Basis für gesunde Tiere sind und die schlussendlich uns Menschen gesund ernähren. Die Vortrags- und Diskussionsreihe hat auf den ersten Blick wenig mit der Schule zu tun, hat aber die Philosophie und das Lehrsystem weit über das Mühlviertel hinaus bekannt gemacht. Seit 2011 bereichert ein „Biokompetenzzentrum“ den Schul standort. „Dieses Projekt ist eine vom Land Oberösterreich
unterstützte Kooperation der Bioschule mit dem Forschungs institut für biologischen Landbau (FiBL Österreich). Ziel ist die Vernetzung von Schule, Forschung und Betrieben der Bio-Region Mühlviertel“, betont Florian Gadermaier, einer der beiden Mitarbeiter des neuen Zentrums. „Nachdem die Schule selber kaum Versuchsflächen und auch keinen Stall besitzt, gehen wir hinaus auf die Betriebe, setzen Forschung vor Ort praxisnah und bei den vielen Versuchsbegehungen mit Bäuerinnen und Bauern auch sichtbar um. So kommen wir dem Ideal der Bio-Landwirtschaft, dem gegenseitigen Austausch in Arbeitsgruppen, sehr nahe“, zählt Gadermaier nur einige Erfolgsparameter auf. Seit der Zentrumsgründung ist die Erhaltungszüchtung des Schlägler Roggen wieder am Standort der Bioschule Schlägl angesiedelt. Die Zuchtgeschichte dieser besonders robusten, winterharten, langstrohigen Sorte beginnt 1908 im Stift Schlägl, ab 1935 war der Schuldirektor für die Betreuung von Sorte und Zuchtgarten verantwortlich. „Ziel ist die Festigung der gewünschten Eigenschaften. Züchtung, Vermehrung, Saat gutproduktion und Anbau des Schlägler Roggen finden auf Biobetrieben statt. Die gute Ernte wandert neben einigen Bäckereien auch in die Stiftsbrauerei, wo sie für das einzigartige Schlägler Bio-Roggen eingebraut wird, und das alles im Umkreis von wenigen Kilometern.“ freut sich Gadermaier. Diese Art von Bio-Kompetenz lassen auch wir uns gefallen und fordern mehr davon! Reinhard Geßl
Zahlen und Fakten Projekt: Biokompetenzzentrum Schlägl, www.biokompetenz zentrum.at. Projektträger: Bioschule Schlägl und FiBL Österreich. Projektmitarbeiter: Florian Gadermaier, Johannes Steinmayr Info: - Von den 100 landwirtschaftlichen Fachschulen Österreichs unterrichtet nur eine nach einem biospezifischen Lehrplan. - Urgesteine (z. B. Granit) entstanden vor etwa 450 Millionen Jahren durch Kristallisation von Magma. - Programm der 10. Schlägler Biogespräche: www.bioschule.at
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Theresia Markut und Heidi Pirker forschen mit SchĂźlern auf AugenhĂśhe.
Bio-WissenSCHAFT
Schule forscht Die Nachmittagssonne taucht die Wiesen und Felder des Haschahofs, einem Biobetrieb am Stadtrand von Wien, in ein sanftes Licht. Der erste wirkliche Sommertag des heurigen Jahres neigt sich dem Ende zu.
Seit den Morgenstunden haben 50 Schüler unterstützt von zwei Köchen geerntet, geschnitten, gerührt, gepresst und gegrillt, um ein vielfältiges regionales und saisonales BioBuffet für rund 100 Gäste vorzubereiten. Nun können sie die Früchte ihrer Arbeit genießen – und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Denn dieser Sonnentag bildet eine wichtige Zwischenetappe eines spannenden Projekts, in dem es darum ging, Wissenschaft und Schule einander anzunähern. Im Projekt „McKioto“ arbeiteten Schüler, Lehrerinnen und Wissenschafter während eines Schuljahrs gemeinsam an der Untersuchung der Gesundheits- und Klimaauswirkungen jugendlichen Essverhaltens. Die Schüler zweier Klassen der achten Schulstufe waren dabei Beforschte und Forschende zugleich. Zu Beginn des Projekts dokumentierten die Jugendlichen ihr Konsumverhalten mittels Handykamera und identifizierten mit Unterstützung der Ernährungsexpertinnen von gutessen consulting Orte und Zeiten des Konsums, die biologische Vielfalt der Rohstoffe, die Menge der Speisen und Getränke sowie den kulturellen Kontext, der das Ernährungsverhalten beeinflusst. „Zusätzlich entwickelten die Jugendlichen Hypothesen zur Esskultur und befragten mittels Fragebögen andere Schüler zu deren Essverhalten und deren Einschätzung ob und wie unsere Ernährungsweise das Klima beeinflusst“, erzählt Projektpartner Christian Bertsch von der Pädagogischen Hochschule Wien. Daten von über 800 Schülern der beiden beteiligten Wiener Schulen wurden von den jungen Forschern erhoben, erste Ergebnisse analysiert und diskutiert. In einem zweiten Schritt wurde gemeinsam mit Wissenschafterinnen des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) überlegt wie sich individuelles Essverhalten auf globale Aspekte der Nachhaltigkeit und im Besonderen auf das Klima auswirkt. Mit den Schülern wurden Produkte ausgewählt, die in ihrer täglichen Ernährung eine Rolle spielen und Klimabilanzen berechnet. „Statt der sonst meist oberflächlich und allgemein gehaltenen Informationen zu Nachhaltigkeit und Klimawandel bekamen die Jugendlichen
einen detaillierten Einblick in die wissenschaftliche Bewertung von Nachhaltigkeit und produktbezogener CO2-Bilanzierung“, erzählt Theresia Markut und verweist auf den im Rahmen des Projekts entstandenen Klimarechner. Dieser stellt auf anschauliche Weise dar, wie sich unterschiedliche Lebensmittel mehr oder weniger stark auf das Klima auswirken und wurde den Eltern und der Presse am Haschahof ebenso präsentiert wie die von den Schülern produzierten Kurzfilme zum Thema. „Die Filme, sogenannte ‚participatory videos‘, erlauben den Jugendlichen die Darstellung ihrer eigenen Lebenswelt. Art und Inhalt der von den Schülern favorisierten Kommunikation werden von uns in weiterer Folge wissenschaftlich analysiert“, erklärt die für diesen Projektteil verantwortliche Heidi Pirker (Universität für Bodenkultur). Neben der Erforschung jugendlichen Essverhaltens war es dem Projektteam ein besonderes Anliegen, die Schüler von Beginn an aktiv in das Projekt einzubinden, mit ihnen die wissenschaftliche Vorgehensweise zu diskutieren und zu reflektieren. „Wir haben die Jungendlichen dort abgeholt, wo sie stehen bzw. essen. Sie erforschten ihre eigene Lebenswirklichkeit, ihr eigenes Essverhalten. Dieser direkte Bezug war ein wesentlicher Faktor für den Erfolg des Projekts“, ist man sich im Projektteam einig. Die Arbeit mit den Schülern ist nun abgeschlossen, jetzt geht es daran, Daten auszuwerten, Ergebnisse zu analysieren und zu publizieren. Aber das ist eine andere Geschichte … Elisabeth Klingbacher
Zahlen und Fakten Projekt: McKioto – Biokulturelle Vielfalt, Klimarelevanz und Gesundheitsauswirkungen jugendlicher Esskultur. Projektleitung: Dr. Christian Vogl (Institut für Ökologischen Landbau, BOKU) Projektpartner: FiBL, gutessen consulting, PH Wien, AHS Rahlgasse, PMS Ettenreichgasse. Projektfinanzierung: „McKioto“ wurde im Rahmen des vom BM für Wissenschaft und Forschung initiierten und finanzierten Forschungsprogramms „Sparkling Science“ durchgeführt und mit dem Education Award EDUARD 2013 ausgezeichnet. Infos zum Projekt und Bestellung des Klimarechners auf www.fibl.org Info: - Lebensmittelproduktion und Ernährung sind mit bis zu 30 % am Klimawandel beteiligt. - Ein Burger ist für über 2800 g Treibhausgasemissionen verantwortlich, davon stecken 2600 g allein im „Rindfleischlaberl“.
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Foto: J端rgen Schm端cking
Ein stolzer Gockel aus Tonis Zweinutzungsinitiative.
Bio-Wissen
Hahn & Henne Hahn oder Henne kennen wir als Kinderspiel. Hahn oder Henne heißt es aber auch bei der üblichen Legehennenhaltung. Die Henne legt Eier, der Hahn wird geschreddert. Toni Hubmann sagt „Willkommen Jungs“ und freut sich nun über beide: Hahn und Henne.
„Das ist das Ärgste! Die Bio-Landwirtschaft tut immer so auf tiergerecht, dann werden dennoch die Hähne nach dem Schlupf vermust“ ereiferte sich bei mir kürzlich ein BioKonsument. Dem Herrn habe ich recht geben müssen, dass es dieses ethische Dilemma noch gibt, dass es aber auch seit Kurzem in ausgewählten Billa-Filialen Bio-Eier und -Masthähne von Kombihühnern zu kaufen gibt. Die 6er Packung Eier um EUR 3,99 und den Zweinutzungshahn um EUR 19,90 pro Kilogramm. Ich habe empfohlen, den Weg zu einem dieser Billas zu gehen, konsequent „Zweinutzungseier“ zu kaufen und dann einmal jährlich einen Junghahn zu konsumieren. Die Antwort des Herrn? Diese Preise seien eine Frechheit und wer sich das leisten könne!? Von den Anderen, in dem Fall den BioBauern, eine Handlung zu fordern ist das eine, beim eigenen Einkauf politisch korrekt zu handeln das andere. In der Bio-Fibel 1-2012 konnten Sie vom Start des Projekts „Hahn & Henne“ lesen. In der Zwischenzeit ist am Hühnerhof von Toni Hubmann viel passiert. Die 140 Hähne des kleinen Pilotversuchs sind geschlachtet und von Spitzengastronomen, Essenskritikern, Journalisten etc. verkostet. Abseits von Tageszunahmen oder Futterverbrauch zeigte die Verkostung das wahre Potenzial dieser neuen Art der Geflügelhaltung: Das Fleisch der 90 bis 110 Tage alten Hähne präsentierte sich – mit deutlichem Biss, farblich dunkler und mit einem feinen Wildaroma – als eine Klasse für sich. Kurz darauf wurden in einem zweiten Durchgang 1000 Zweinutzungshähne der „Rasse“ Lohmann Dual aufgezogen. Auch diese Tiere sind bereits geschlachtet, tiefgefroren und für die Vermarktung über Billa und die Therme Blumau reserviert. Die dazu gehörigen Hennen erreichen in Kürze nach zwölf Monaten schon bald das Ende der Legeperiode. Die Legeleistung wird bei etwa 220 Eiern liegen, was im Vergleich zum Bankiva-Urhuhn mit 12 Eiern viel, im Vergleich mit dem Hochleistungshybrid mit 320 Eiern pro Jahr eher wenig ist.
„Weniger Leistung bedeutet aus der Sicht eines Bauern höhere Produktionskosten. Langsam wachsende Hähne haben eine wesentlich schlechtere Futterverwertung, belegen den Stall länger und bedeuten weniger Umtriebe pro Jahr. All das muss sich im Endpreis niederschlagen“, so der Freilandpionier Toni Hubmann. „Bei den Hennen liegt die Sachlage ähnlich. Die Tiere sind vergleichsweise leichter, fressen aber in Summe pro Ei doch deutlich mehr. Deshalb sind die höheren Verkaufspreise kein Nepp, sondern eine fair kalkulierte, gerechte Notwendigkeit.“ Gastronomen werfen dennoch ein, dass sie um EUR 20,pro Kilogramm normalerweise Steaks einkaufen. Vergleicht man die Zweinutzungshühner aber nicht mit minderwertiger Billigware, sondern erkennt sie als echte Spezialität, dann liegt der Vergleich mit einem Edelstück gar nicht so daneben. Vor ein paar Jahrzehnten war es noch ganz normal, Hahn und Hennen miteinander aufwachsen zu lassen. Auch am Bauernhof von Hubmanns Großvater war das so. Mit dem neuen Angebot an Kombihühnern hat der mutige Vordenker die alten Erfahrungen wieder aufgegriffen. Was bis vor wenigen Monaten niemand für möglich hielt, scheint mit der Initiative „Hahn & Henne“ nun sehr realistisch zu werden. Eine Legehennenhaltung ohne Tötung der Brüder der Hennen. Und wer kann sich das leisten? Sie und ich, die wir uns alle eine tiergerechte Landwirtschaft wünschen. Unseren ganz persönlichen Beitrag dazu kann uns niemand abnehmen! Reinhard Geßl
Zahlen und Fakten Initiative: Henne & Hahn, www.tonishennehahn.at. Projektbegleitung: FiBL Österreich, Reinhard Geßl, www.fibl.org Info: - Ein Junghahn ist gemäß EU-VO 543/2008 ein männliches Huhn einer Legerasse, dessen Brustbeinfortsatz starr, aber nicht vollständig verknöchert ist. Mindestschlachtalter 90 Tage. - Aktuell werden in den deutschsprachigen Ländern jährlich etwa 50 Millionen Eintages-Hähne als „Abfall“ des Eiermarktes getötet. - Ja!natürlich forciert unter der Bezeichnung „Mit Liebe gemacht“ ein weiteres Bio-Zweinutzungshühnerprojekt.
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Peter Meindl setzt (sich) auf Vielfalt
Bio-WissenSCHAFT
Von Bienen und Blumen Buntes Blütenmeer statt ausgeräumter Agrar flächen – was unser Auge erfreut, schätzen auch Wildbienen, für die die ansprechenden Blühstreifen wichtige Lebensräume darstellen. Die Anlage dieser Flächen wird daher auch vom österreichischen Agrar-Umweltprogramm (ÖPUL) gefördert.
Bevor im nächsten Jahr eine neue ÖPUL-Förderperiode in Kraft tritt wurde im Auftrag des Landwirtschaftministeriums das bestehende Programm aus unterschiedlichen Blickwinkeln unter die Lupe genommen und einzelne Maßnahmen auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft. Auch Peter Meindl vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Österreich) hat einem Teilaspekt des Förderprogramms auf den Zahn gefühlt. „Unser Ziel war es, Blühstreifen auf ihre Eignung zur Förderung bestäubender Insekten zu untersuchen und Vorschläge für eine Verbesserung der bestehenden Maßnahmen zu machen“, erklärt Meindl die Intention des Projekts. An der ÖPUL Blühstreifen-Maßnahme beteiligen sich allein in Ostösterreich über 30.000 vornehmlich konventionell wirtschaftende Ackerbaubetriebe. Bio-Betriebe sind kaum vertreten, da sie im Rahmen der ÖPUL-Fördermaßnahme „Biologische Landwirtschaft“ bereits deutlich umfassendere Vorgaben erfüllen. Bei einer im Rahmen des Projekts durchgeführten telefonischen Befragung von über 400 Betrieben hat sich gezeigt, dass das Anlegen von Blühstreifen häufig recht halbherzig betrieben wird. Die Blühflächen, die laut Vorgabe zumindest zwei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausmachen müssen, werden meist auf wenig produktiven und schlecht zu bewirtschaftenden Feldstücken – etwa an Waldrändern oder entlang von Bächen – gewählt, fehlen aber weitgehend zwischen den einzelnen Ackerflächen. „Auf 30 Betrieben haben wir etwa 70 Blühstreifen auf ihre botanische Zusammensetzung untersucht und auf ausgewählten Flächen zusätzlich die Individuen- und Artenzahl der Wildbienen erhoben“, erzählt Peter Meindl. Die Ergebnisse zeigen, dass die Artenzahl blühender Pflanzen im Allgemeinen recht gering ist. Zumeist dominieren die für Wildbienen und andere Insekten wenig attraktiven Gräser. So wurden auf einer botanisch artenarmen Blühfläche lediglich acht Wildbienenarten nachgewiesen, während es auf einer artenreichen Fläche 31 Arten waren. Da viele Betriebe die häufig höheren Kosten für abwechslungsreiche
Wildblumenmischungen scheuen, finden sich auf den befragten Betrieben meist nur fünf Pflanzenarten in den Blühstreifen. In der betreffenden ÖPUL-Maßnahme sind überhaupt nur zwei Pflanzenarten vorgeschrieben. Zudem fehlen häufig für Eiablage und Überwinterung wichtige Strukturelemente, wie Totholz oder trockene Pflanzenstängel. „Um den unterschiedlichen Ansprüchen der Wildbienenarten gerecht zu werden und ein ausreichendes Nahrungsangebot zu garantieren, ist es wichtig, vom zeitigen Frühjahr bis in den Herbst hinein für blühende Pflanzen zu sorgen. Dies erreicht man nur mit möglichst vielen unterschiedlichen Pflanzenarten“, betont der Biologe Meindl. Zur Weiterentwicklung und Optimierung hat das Projektteam Versuche zu Saatgut, Anbautechnik sowie Pflege der Flächen durchgeführt und eine „FiBL-Blühstreifenmischung“ entwickelt. Zu den Empfehlungen des Teams gehören neben einer Erhöhung der Pflanzenarten in den Blühstreifen die Verwendung von regionalem Saatgut sowie eine bessere Verteilung der Blühstreifen in der Agrarlandschaft. Peter Meindl betont aber auch, dass neben der Optimierung anbautechnischer Faktoren vor allem eine Sensibilisierung von Bauern und Beratern stattfinden muss. Denn neben der ökologischen Notwendigkeit derartiger Blühflächen haben die Bauern auch einen ganz konkreten Nutzen, wenn sie den Lebensraum von Bienen verbessern: Die Förderung der Nützlinge erhöht die Bestäubungsleistung und damit auch Ertrag und Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe. Elisabeth Klingbacher
Zahlen und Fakten Projekt: Weiterentwicklung und Verbesserung bestehender Auflagen der ÖPUL-Maßnahme „Blühstreifen und Biodiversitätsflächen“. Projektleiter: Peter Meindl (FiBL Österreich) Info: - ÖPUL (Österreichisches Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft) umfasst Maßnahmen, die die Bereiche Schutz von Boden, Wasser, Luft und Klima, Erhaltung der Biodiversität und der traditionellen Kulturlandschaft betreffen. Die Teilnahme ist freiwillig. - In Österreich leben ca. 690 Wildbienenarten mit sehr unterschiedlichen Ansprüchen - Auch Brutvögel, Kleinsäuger und andere Wildtiere profitieren von Blühstreifen
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T(r)ipps für Seele & Magen
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Gars
am K
amp
Bio-Hotspots ganz hoch oben Das Waldviertel ist ein Lebensraum der Vielfalt und wird dadurch bei Urlaubern und Ausflüglern immer beliebter. Auch kulinarisch wird die Region immer grüner. Hier zwei Tipps à la „surf & turf“: Waldviertler Karpfen und Blondvieh. Jeweils von Leuten in Szene gesetzt, die etwas davon verstehen.
Foto rechts: Waldviertel Tourismus/Thomas Topf
Kristallklares Wasser, vielfältiger Fischbesatz und intelligente Fütterung sind die Faktoren, die den Erfolg des Waldviertler Karpfens ermöglicht haben. Das saubere, klare Wasser in den
Teichen hat meist Trinkwasserqualität und sorgt für erstklassiges und makelloses Fleisch. Das Abfischen ist eine traditionelle Methode, bei der das Wasser aus dem Teich abgelassen wird. Ende Oktober kommt Leben in und um die Teiche und das Abfischen wird zum Spektakel – ein Fest für Jung und Alt. Willibald Hafellner ist Betriebsleiter im Kinsky'schen Forstamt in Heidenreichstein und bewirtschaftet mit seinem Team etwa 150 Hektar Wasserfläche. Die Teichwirtschaft ist 100 % biozertifiziert. Zander, Hecht und Schleie werden als Besatzfische
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T(r)ipps für Seele & Magen
Besonderes Merkmal dieser selten gewordenen Rinderrasse ist das enge Fett-Eiweiß-Verhältnis. Das Fleisch ist durch langsameres Wachstum zarter und marmorierter als übliches Rindfleisch, dadurch auch feinfasriger, und es hat auch ungewürzt einen gehaltvollen Geschmack. Erhältlich ist Fleisch vom Waldviertler Blondvieh unter anderem in der Waldviertler BIO-Wurstmanufaktur von Roman Schober in Gars am Kamp. Hier ist die Handwerkskunst der traditionellen Fleischveredelung in Bio-Qualität zu Hause. Für Roman Schober ist das Rezept denkbar einfach: 100 % Bio, 100 % artgerechte Tierhaltung, 0 % Gentechnik, keine E-Nummern in der Produktion. Naja, und dann noch die handwerkliche Erfahrung von sieben Generationen. Roman Schober ist nicht nur ein besonders engagierter Fleischhauer, sondern auch ein nachhaltig denkender Mensch, der sich viel mit seiner Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und der Natur beschäftigt. Dass er dabei besonders auf alte Tierrassen setzt, zeigt sich auch eindrücklich in seinen Rohschinken- und Salamispezialitäten aus dem Turopolje-Schwein. Weitere Informationen unter www.geschmack-waldviertel.at Jürgen Schmücking
Foto: Waldviertel Tourismus/Thomas Topf
gezüchtet und angeboten. Einziger Speisefisch im Angebot ist der Karpfen, der allerdings in einer Qualität, die außergewöhnlich ist. Tatsache ist jedenfalls, dass für den Karpfen die mageren Zeiten vorbei sind. Wobei die Ironie der Sache ja die ist, dass die Zeiten deshalb mager waren, weil der Fisch selbst als zu fett galt. Der Karpfen ist immer noch ein üppiger Fisch, kulinarisch allerdings gänzlich rehabilitiert. In den Teichen des Kinsky'schen Guts wachsen behutsam stattliche Exemplare heran, die durch festes und aromatisches Fleisch überzeugen. Gegrillt, gekocht, gedünstet oder geräuchert. Das ganze Jahr hindurch. Vor allem aber im Herbst. Neben vielen anderen Köstlichkeiten, bieten die Produzenten des Waldviertels die vermutlich besten Erdäpfel des Landes, eine atemberaubende Vielfalt an Gewürzen, Kräutern und Tees sowie kulinarische Raritäten rund um das Waldviertler Blondvieh, einer alten Rinderrasse, die auch Passagier in der Slow Food „Arche des Geschmacks“ ist. Das Waldviertler Blondvieh ist eine typische Multi-Kulti-Kuh. Es entwickelte sich aus der Vermischung des altillyrischkeltischen Rindes mit dem ungarischen Steppenrind. Nach einer weiteren Vermischung mit dem Frankenvieh fanden sich um 1900 mehrere regionale Schläge (Gföhler, Zwettler oder Raabser), die kaum Unterschiede aufwiesen und gemeinsam die Bezeichnung „Waldviertler Blondvieh“ trugen.
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Guter Geschmack
Ich mache mir ein Butterbrot Das Tasting_forum „Brot & Butter“ konnte nicht anders: es wurde zu einer Hommage an schöne Kindheitserinnerungen aber auch zu einer grandiosen Momentaufnahme, was diese beiden österreichischen Kulturgüter heute geschmacklich können.
Bei Butter handelt es sich technisch gesehen um mindestens 82 % reines, weißes Butterfett. Für ein Kilo Butter braucht man 25 kg Milch, aus der etwa 2,5 kg Rahm abzentrifugiert werden, welcher normalerweise bei 105°C pasteuriert wird. Bei der Rahmreifung – entweder mit Milchsäurebakterien gesäuert oder süß – trennt sich die Buttermilch vom Butterkorn, welches geschmeidig und streichfähig geknetet wird. Fünf Kilogramm Butter verbrauchen wir pro Kopf und Jahr. Die geschmacklichen und farblichen Unterschiede ergeben sich vor allem durch die Fütterung: Junges Weidefutter macht die Butter gelblich und streichfähiger.
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Die Kunst des Brotbackens stammt aus Ägypten, wo vor etwa 2000 Jahren das Sauerteigbrot eher zufällig entdeckt wurde. Ein Wasser-Mehlpatzen wurde liegengelassen und nach Tagen einem anderen Teig zugemischt. Und siehe da: Das Gebäck war nicht nur luftiger, sondern auch wohlschmeckender und bekömmlicher. Trugen die Brotmahlzeiten bis vor wenigen Jahren noch wesentlich zu unserem Sattwerden bei, so fällt in den Statistiken auf, dass wir immer weniger Brot essen. Waren es in den 60er Jahren noch über acht Kilogramm pro Kopf und Monat, so halten wir, trotz einer zwischenzeitlich fast unüberschaubaren Brot- und Gebäckvielfalt, derzeit bei nur mehr 4,7 Kilogramm. Verschobene Essgewohnheiten gelten ebenso als Grund wie zunehmende Lebensmittelunverträglichkeiten.
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Guter Geschmack
bio p brot, Bio-Holzofenbäckerei Gragger
Rohmilchbutter, Robert Strasser
Der Ansfeldner ist im Moment Kult. Man kann von dem Hype halten, was man will, das Brot ist einfach großartig. Vor allem das p brot. Die Kruste ist ein Kracher im wahren Wortsinn. Ein extrem aromatisches Sauer teigbrot, in sich ruhend und eine der natürlichsten Formen von „länger frisch“.
Joseph Brot, joseph – Brot vom Pheinsten Das Joseph Brot ist ein dunkler Laib von oft bizarrer Ästhetik. Die wilde Kruste ist extrem knusprig. So crunchy die Rinde auch ist, der Teig im Inneren erzählt eine ganz andere Geschichte. Traumhaft weich und luftig, mild und saftig. Erreicht wird das durch lange (Sauer-)Teigführung.
Holzofenbrot, Roswitha Huber (Die Eigenbrötlerin) Roswitha betreibt auf der Kalchkendlalm in Rauris die „Schule am Berg“, in der sie Kindern und geneigten Zuhörern das Brotbacken beibringt. Ihre Laibe sind archaisch schlicht und geschmacklich grandios. Kreisrund und charakteristisch von den Windungen des Bastkorbs gezeichnet. Unser Exemplar war bereits 2 Wochen alt und trotzdem von beeindruckender Frische.
Von Robert Strasser kommen sensationelle Käse-Spezialitäten in Rohmilchqualität. Und die Butter. Die zeichnet sich durch intensiv-grasige Aromatik und rustikale Würze aus.
Bauernbutter, Roswitha Hubers Nachbarin Roswitha hat uns beim Tasting_forum mit Brot und Geschichten versorgt. Mitgebracht hat sie auch die Bauernbutter ihrer Nachbarin. Ein sensationell derbes Stück. Angesiedelt zwischen Almwiese und Kuhstall sicher nicht jedermanns Sache.
Fassbutter, Dorfkäserei Pötzelsberger Einer der Renner des Abends war die Sauerrahm-Fassbutter aus pasteurisierter Heumilch von der Adneter Dorfkäserei Pötzelsberger. Hell, harmonisch, durchaus charaktervoll, blitzsauber und extrem streichfähig. Dieser Genussabend zu den zwei wichtigen österreichischen Grundnahrungs mitteln offenbarte wieder einmal: Kombinieren wir allerbeste Bio-Zutaten mit traditioneller, zeitintensiver und liebevoller Handwerkskunst, dann entstehen Lebens mittel, die nach Glück schmecken. Butter und Brot machen Wangen rot! Reinhard Geßl und Jürgen Schmücking
Mauracher Strutzen, Bio-Hofbäckerei Mauracher Der Mauracher Strutzen überzeugt vor allem durch das, was NICHT drin ist: Weizen, Lactose, Hefezusatz, Ei und Zucker. Just Roggensauerteig und Gewürze. Der Strutzen ist ein dunkles und vor allem sehr saftiges und weiches Brot. Sowohl im Teig, wie auch in der Rinde.
Almbutter, Ja! Natürlich Hochwertige Süßrahmbutter aus dem Super marktregal. Herkunft Nationalpark Hohe Tauern. Die Butter ist mild, leicht cremig und zart aromatisch am Gaumen. Wenn man „just bio“ will, ist man damit auf der sicheren Seite. Kulinarische Extravaganzen dürfen aber nicht erwartet werden.
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Shortcuts
„Plakate für eine vegane Ernährung“
„Diejenigen von uns, die Sympathien zu Tieren haben, machen sich längst Gedanken über deren Wohlbefinden und Wohlergehen. Sie plädieren für eine artgerechte Haltung, insbesondere unserer Haus- und Nutztiere. Ich plädiere analog dazu für eine „artgerechte Menschenhaltung“ schreibt der Philosoph und Vielschreiber Franz M. Wuketits im Klappentext seines neuen Buches. Der Ansatz ist witzig wie schlüssig, schlussendlich ist ob der „Vermassung des Individuums“ oder ob der irrwitzigen Beschleunigung unserer Tätigkeiten in den so genannten zivilisierten Ländern westlicher Prägung nahezu jeder Vierte psychisch krank. Also: Eine artgerechte Menschenhaltung muss her! „Wir können nicht in die Steinzeit zurückkehren – aber uns überlegen, wie wir dem ‚Steinzeitmenschen in uns‘ wieder gerecht werden können.“ Wie dies gehen kann? Lesen Sie selbst. www.mankau-verlag.de (rg)
Gesundheitsrisiken durch Gentech-Pflanzen?
Manche Diplomarbeiten verstauben nicht im Regal. Das beweist der Kommunikations designer Denis Becker, der in seiner vielbeachteten Diplom arbeit „Plakate für eine vegane Ernährung“ auf die Mißstände der modernen Nutztierhaltung aufmerksam macht. Es geht ihm dabei nicht um drastische Bilder, sondern um die Darstellung einer Realität, die den Konsumenten seiner Meinung nach bewusst verschwiegen bzw. von ihnen auch verdrängt wird. In diesem Zusammenhang setzt sich Becker mit dem Begriff der „kognitiven Dissonanz“ auseinander. Dahinter steckt die Theorie, dass Menschen bevorzugt solche Informationen aufnehmen, die mit ihren eigenen Standpunkten und Meinungen übereinstimmen, andere hingegen übersehen und verdrängen. Die Folge dieses Verhaltens ist die selektive Wahrnehmung von Informationen und Medieninhalten. Die Konfrontation der Gesellschaft mit kritischen Informationen wie im konkreten Fall der industriellen Nutztierhaltung erzeugt laut Becker ein kognitives Spannungsverhältnis, welches die Menschen zur Abänderung ihrer Moralvorstellungen und Verhaltensmuster bewegen kann. Jedes Bild, jede Diskussion, jede geäußerte Kritik wird somit ein potenzieller Faktor bei der Neubewertung gegenwärtiger Umstände und Verhaltensgewohnheiten des Konsumenten.
Rund 90 % aller gentechnisch veränderten Pflanzen sind resistent gegen das Herbizid Round-up. Der weltweit massiv verbreitete Einsatz dieses Pestizids könnte laut einer neuen Studie für eine Reihe von Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer oder Krebs mitverantwortlich sein. Round-up Spuren wurden bereits in Lebensmitteln gefunden. Die Wissenschafter gehen davon aus, dass diese Rückstände schädliche Auswirkungen anderer Toxine verschärfen und langsam zu Entzündungen im ganzen Körper führen könnten. Die Studienautoren betonen, dass weitere unabhängige Forschung in diese Richtung dringend nötig sei.
Quelle: www.biorama.at, www.denisbecker.com (ek)
Quelle: Gentech News 28 (ek)
Impressum Bio-Fibel – Zeitschrift für Wissen aus der Biologischen Landwirtschaft: Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Freiland Verband für ökologisch-tiergerechte Nutztierhaltung und gesunde Ernährung; Doblhoffgasse 7/10, 1010 Wien; Fon 01/4088809; Fax 01/9076313-20; e-mail: office@freiland.or.at; net www.freiland.or.at; DVR-Nummer 0563943; Chefredakteur: Dipl.-Ing. Reinhard Geßl (rg), Leiterin der Redaktion: Dipl.-Ing. Elisabeth Klingbacher (ek); Mitarbeit: Wilfried Oschischnig, Jürgen Schmücking (js); Redaktion: Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Österreich), Doblhoffgasse 7/10, 1010 Wien; Fon: 01/9076313-0, net: www.fibl.org/de/oesterreich. Alle nicht anders gekennzeichneten Fotos: Geßl & Wlcek OG; Druck: gugler GmbH Melk; Layout: Geßl & Wlcek OG. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht unbedingt der Meinung des Herausgebers entsprechen. Vertriebspartner: Adamah Biokistl. FREILAND-Spendenkonto: Erste Bank, BLZ 20111, Ktnr. 08210993; Auflage: 13000 Stück. Hinweis: Eine geschlechtergerechte Formulierung ist uns in der Bio-Fibel ein großes Anliegen. Da wir gleichzeitig eine gut lesbare Zeitschrift herausgeben wollen, haben wir uns entschieden, keine geschlechtsneutralen Begriffe zu verwenden, sondern alternierend entweder nur weibliche oder nur männliche Bezeichnungen. Wir sind uns dessen bewusst, dass diese Generalklausel einer geschlechtergerechten Formulierung nicht ganz entspricht, wir denken aber, dass die gewählte Form ein Beitrag zur publizistischen Weiterentwicklung für mehr sprachliche Präsenz weiblicher Begriffe sein kann.
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Foto: www.denisbecker.com
Zivilisation in der Sackgasse
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Das grüne Gewissen
Der erste Bio Absinthe Österreichs ist ein waschechter Pannonier. Der Produzent, Walter Eckhart, ist für Szeneauskenner kein Unbekannter. Er ist einer der versiertesten Pomologen des Landes und streitbarer Verfechter nicht ganz so legaler Gewächse. Sein Uhudler ist Legende und irgendwie auch die Grundlage für seinen jüngsten Coup: den Absinthe. Die alkoholische Basis dafür bildet ein verwegen hochprozentiger Tresterschnaps aus Isabella & Co. Das aromatische Fundament ist Artemisia absinthium oder Wermutkraut. Absinthe gilt zwar als Bitterspirituose, was aber noch lange nicht bedeutet, dass er auch immer bitter ist. Der von Walter Eckart ist es. Und zwar auf eine Art, die atemberaubend intensiv und gleichzeitig harmonisch ist. Zum Wermutkraut gesellen sich Fenchel, Anis und Angelika und machen den pannonischen Bio-Absinthe zu einem sensationellen Aperitif. Rund um den Absinth gibt es zahllose Rituale mit Zucker, Wasser und bizarren Löffeln. Kann man machen. Muss man aber nicht. Mit klarem Wasser auf die – selbst zugemutete – Trinkstärke runtersetzen und ab geht die Post.
Wir fühlen uns gut dabei, einen nachhaltigen Lebensstil zu pflegen, wir fördern das Selbst- und Hausgemachte, das Regionale und die erneuerbaren Energien. Für viele Menschen sei die Natur zu einer Metapher für Werte geworden, die sie in ihrer hoch technisierten Gesellschaft vermissen, meint Andreas Möller. Für Kontinuität, Kontrolle, Sicherheit. Mit dem Umweltbewusstsein der 1970er und 80er Jahre, das einmal für Aufbruch stand, habe die aktuelle Naturbegeisterung aber wenig zu tun. Eher mit einem neuen Biedermeier. Grün sei heute die Farbe der Bürgerlichkeit. Und wer mitschwimmt auf dieser Welle, grenzt sich nicht nur sozial ab, sondern entlastet auch das eigene Gewissen. Möller könnte man billiges Grünen-Bashing vorwerfen. Er ist auch kein Kritiker der Kernenergie und zur grünen Gentechnik geht er kaum auf Distanz. Doch mit Stereotypen gibt sich der Autor nicht zufrieden. Möller geht es darum, „dass wir häufig den Anspruch auf verbesserte Nahrung, höhere Qualität mit moralischem Dünkel versehen“ und er sucht in seinem Buch nach Gründen und Widersprüchen der neuen Sehnsucht nach Natur und Ländlichkeit.
Bestellung: www.bioobstundweinbau.at (js)
Andreas Möller, „Das grüne Gewissen. Wenn die Natur zur Ersatzreligion wird“, Hanser Verlag (ek)
Gastrosophie – die akademischen Kulinariker Akademische Studien gänge in kulinarischen Disziplinen sind rar gesät. Bio-Marketing und Lebensmittelwirtschaft an der Austrian Marketing University in Wieselburg, Slow Foods Università degli Studi di Scienze Gastronomiche in Pollenzo und dann eben noch die Universität Salzburg. 2,5 Jahre dauert es bis zum M.A. (Master of Arts) in Gastrosophie. Die Themen sind breit gefächert und reichen von handfester Materie (Lebensmittelrecht, Lebensmitteltechnologie und Warenkunde) hin zu geisteswissenschaftlichen Gebieten (Philosophie, Ethik, Geschichte und Soziologie). Das Thema Essen und Ernährung wird multiperspektivisch angegangen, und als Referenten konnten – großteils – die Masterminds der jeweiligen Disziplin gewonnen werden. Eine gastrosophische Exkursion nach Neapel rundet das Programm ab. Das Studium ist berufsbegleitend angelegt und findet an Wochenendblöcken in Salzburg statt. Obwohl intensiv, lassen die Seminare genug Zeit für kulinarische Entdeckungen in und um die Mozartstadt. Im Moment finden die Aufnahmegespräche für den nächsten Lehrgang statt.
Foto: Jürgen Schmücking
Die (Bio-)Premiere der Grünen Fee
Autarkes Obst Martin Mollay hat eine klare Vision: Er pflanzt Obstbäume. Allerdings tut er das nicht für den Eigengebrauch oder um die reifen Früchte zu vermarkten. Er stellt die Bäume der Allgemeinheit zur Verfügung – jeder der Lust hat, soll und kann Obst ernten. Seit vergangenem Herbst hat er bereits 70 Bäume in Wiener Neustadt gesetzt, weitere sollen auch über die Stadtgrenzen hinaus folgen. Jeder gepflanzte Baum ist offiziell genehmigt, die politischen Vertreter stehen dem Projekt bisher positiv gegenüber. Neben ökologischen Motiven und dem Wunsch nach einer „grüneren“ Stadt ist Mollays Hauptanliegen ein soziales: Seiner Meinung nach sollen Grundnahrungsmittel wie Obst und Gemüse frei angeboten werden. Daher setzt er sich für eine Obst-autarke Stadt ein. Überblick über die frei erntbaren Bäume bietet die sogenannte „Fruit Map“, die Mollay auf seiner Website www.obststadt.at anbietet. Für die Zukunft ist auch eine App geplant, die den Bäumen neben Infos über die Obstsorte auch die jeweilige Erntezeit zuordnen soll. Quelle: www.biorama.at, www.obststadt.at (ek)
Informationen: www.gastrosophie.at (js)
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Shortcuts
ADAMAH BioCatering für alle Anlässe! Bio Lebensmittel mit Biographie gibt´s jetzt auch als feine Speisen von unserem BioCatering. Egal ob für ihr Familien Fest, Geschäftliches oder eine Tagung. Von Fingerfood bis zum ausgefallenen Menü ist alles möglich - wir beraten Sie gerne. Frische Infos: www.adamah.at // 02248-2224
Die Gier nach Land Der Hunger nach Energie, Fleisch und Investitions möglichkeiten macht fruchtbaren Boden zunehmend rar. Via Campesina und das Netzwerk „Hands off the Land“ haben nun eine Studie veröffentlicht, die die wachsende Konzentration von Ackerland in den Händen weniger aufzeigt. Dabei wird klar: Land Grabbing ist nicht nur ein Problem des globalen Südens, sondern schreitet auch in Europa voran: 3 % der Grundbesitzer kontrollieren bereits die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen in Europa. Die Studie befasst sich mit der enormen Landkonzentration sowie den unterschiedlichen Formen des Land Grabbings in europäischen Ländern. Sie bringt zahlreiche Fallbeispiele: Von chinesischen Firmen in Bulgarien, die auf großen Flächen Exportmais anbauen bis zur Landnahme in Rumänien, wo sich bereits 6 % des Ackerlandes in den Händen transnationaler Konzerne befinden sollen. Der Bericht zeigt jedoch auch, dass sich Widerstand regt, um den allgemeinen Zugang zu Land als Grundvoraussetzung für Ernährungssouveränität zu sichern. Quelle: www.soel.de, Ökologie und Landbau 2/2013 (ek)
BIO-Hotels im Land des Lächelns Es begann vor ein paar Jahren mit ein paar BIO-Hotels-Katalogen, die auf der Biofach in Tokyo verteilt wurden. Das Interesse war groß. Sowohl das von Urlaubern, die von den klassischen „Europa in 14 Tagen“Reisen die Nase voll hatten, wie auch jenes von Gastwirten und Hoteliers, die das Konzept und die Idee der BIO-Hotels einfach spannend fanden. Zwei Pressereisen mit japanischen Journalisten und Fotografen haben in der Zwischenzeit stattgefunden. Mit sensationell schönen Reportagen in japanischen Hochglanzmagazinen als Folge. Parallel dazu haben einige Hotel- und Ryukan-Betreiber zueinander gefunden und sich die Tiroler Hoteliers zum Vorbild genommen, die 2001 Verein und Marke der BIO-Hotels gründeten. BIO ist in Japan ein hochaktuelles Thema und ein äußerst dynamischer Markt. Vor einigen Monaten war es dann soweit. Die BIOHotels Japan Association wurde in enger Kooperation mit den BIO-Hotels gegründet. Bei der Zusammenarbeit geht es um Wissenstransfer, Erfahrungsaustausch und den Aufbau langfristiger Beziehungen. Die erste Delegation war im Mai in Österreich und im Allgäu unterwegs und konnte sich ein Bild von einigen Betrieben machen. Informationen: www.biohotels.info (js)
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Foto: Jürgen Schmücking
BioCatering schmeckt einfach besser!
Seit 25 Jahren stellen wir mit viel Liebe zur Handarbeit Produkte her, die unsere Wertschätzung für Natur und Mensch spüren lassen. Mehr als 700 köstliche Produkte umfasst die Sonnentor Genuss-Vielfalt, die das Leben würzig, süß und abwechslungsreich macht. Zu entdecken im gut sortierten Bio-Fachhandel und natürlich auf www.sonnentor.com
Danke allen Kunden und Freunden, die uns zu dem wachsen haben lassen, was wir heute sind!
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