Bio-Fibel #26 01-2015

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BIO-FIBEL ZEITSCHRIFT FÜR WISSEN AUS DER BIOLOGISCHEN LANDWIRTSCHAFT

Lilian Klebow – SOKO Bio Bio-Wissen – Eine Skizze sagt mehr als 1000 Worte Schule des Essens – Für's Leben essen wir Auf Achse – Genuss im istrischen Karst

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EDITORIAL

„DIE KLEINE EVA SUCHT IHR BIO-WISSEN“ Da haben wir aber schön geschaut, als uns die Schauspielerin Lilian Klebow beim Gespräch erstaunlich detailliert ihren Zugang zu Bio-Lebensmitteln erklärt hat. Das hatten wir nicht erwartet, weil Bio-Essen zwar gerne zum hippen Leben gehört, die Wissensbasis dazu aber meist fehlt. Was ist eigentlich Bio? Wenn man es sich leicht machen will, sagt man: „Bio ist nicht spritzen und nicht düngen“. Es ist nur Pech, dass diese Antwort einerseits inhaltlich falsch ist, und andererseits man damit dem ganzheitlichen Denkansatz in keinster Weise gerecht wird. Die Biologische Landwirtschaft lässt sich nicht in einem Satz erklären, so wie sich eine klassische Sinfonie oder eine Oper auch niemals in einem Satz aufführen lässt. Frau Klebow hatte offenbar das Glück, in einem ökologisch vorbildlichen Elternhaus aufzuwachsen. Was tun aber diejenigen, die erst im Laufe einer sensiblen Lebensphase ihre Ernährung von Junk und industrieller Massenware befreien wollen? Woher bekommen diese Neukundinnen verlässliche und genau richtig aufbereitete Informationen? Aus Schulbüchern? In den Biologiebüchern findet sich meist eine Doppelseite zur Bio-Landwirtschaft, mit Strukturdaten, Definitionen und ein paar Klischees. Mehr Platz gibt es da nicht. Aus der Werbung? Die großen Supermärkte müssen ihre Bio-Botschaften einfach halten, weil Werbung so funktioniert. Da wird dann beispielsweise ein sprechendes Schweinderl zum Fernsehstar. Die Idee ist gefinkelt, da sich das freche Schwein die eine oder andere spitze Botschaft gegen die konventionelle Konkurrenz erlauben darf. Von Freundinnen? Auch schwierig, da jede der befragten Damen einen anderen Ernährungszugang pflegt und diesen auch zu vertreten weiß. Aus dem Fernsehen? Wenn es nicht gerade eine aktuelle Universumsendung über Bio gibt, ist das auch wenig ergiebig. Aus dem Internet? Im Netz gibt es zu Bio eine Vielzahl an Einträgen, die aber wiederum ein wenig Vorbildung brauchen, um deren Wert und Wahrheitsgehalt abschätzen zu können. Interessanterweise sehen die deutschsprachigen Bio-Verbände kaum einen Auftrag zur neutralen Information der Bio-Konsumentinnen. Wir vom Freiland Verband suchen im Gegensatz dazu als akademisch gegründete und in Wien angesiedelte Organisation schon seit über 25 Jahren die direkte Kommunikation mit den BioKäuferinnen. In der aktuellen Ausgabe der Bio-Fibel widmen wir also unterschiedlichen Arten der Wiener BioKommunikation einen kleinen Schwerpunkt. Die zukunftsorientierten Freiland-Projekte „Schule des Essen“ und „Bio-Wissen“ erlauben wir uns Ihnen ebenso näherzubringen, wie auch sonst so Einiges. Über Bio gut informiert zu sein zahlt sich sehr wohl aus, denn die Bio-Landwirtschaft hat mehr Lösungskompetenz, als Sie glauben möchten.

Reinhard Geßl, Herausgeber

INHALT Am Ende gewinnt immer das Gute 3 Wir werden jetzt radikal 9 Taste the Waste 11 Essen lernen 13 Hirschstetten goes Neubau 15 Brda, Brda, Vinorodna 16 Wo Honig und Käse fließen 18 Shortcuts 21-23 Impressum, Offenlegung 21

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IM GESPRÄCH

AM ENDE GEWINNT IMMER DAS GUTE Lilian Klebow ist als Revierinspektorin Penny Lanz der Serie „Soko Wien/Donau“ so etwas wie ein österreichischer Fernsehstar. Zudem bewegt sich die deutsche Schauspielerin am heim­tückischen Parkett der Schönen und Reichen gleichermaßen unpeinlich wie sie beispielsweise im ugandischen Dschungel ihren „Mann“ für ein Hilfsprojekt von Jane Goodall steht.

Die Schauspielerei wurde Lilian Klebow nicht in die Wiege gelegt. 1979 geboren wuchs sie in München mit ökologisch frühberufenen Eltern auf. Nach dem Scheitern bei einer Songcontestvorauswahl brachte sie ihr Schauspiel-, Gesangund Tanzstudium nach Wien, in das sie sich spontan verliebte und das sie seither nicht mehr loslässt. Gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Schauspieler Erich Altenberg und ihrer einjährigen Tochter lebt Frau Klebow heute in Wien-Neubau.

Neben der Schauspielerei agiert die 35-Jährige seit 2011 als Botschafterin des Jane Goodall Institut-Austria. Dabei engagiert sie sich auch vor Ort als Patin für die BatwaPygmäen. Weiters auffallend ist ihr öffentlichkeitswirksames Eintreten für das Nachhaltigkeits-Startup bgood sowie für ein Flüchtlingsprojekt des World Centers Of Compassion For Children. Wir trafen die beliebte Serienkommissarin sozusagen privat (mit ihrer im Kinderwagen schlafenden Tochter) Anfang Februar im „Burggasse 24“. In unserer angeregten Plauderei ging es um die magische Anziehungskraft einer Schaukel, gute Einstiegsdrogen für eine Bewegung, doppelte Entwicklungshilfe vor Ort, nerviges „Ich-esse-kein-FleischGetue“, aber auch um das bislang unbekannte Hallstatt an der Donau. Und ganz ehrlich, an diesem Nachmittag wurden unsere Vorurteile in alle Teile zerlegt.

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IM GESPRÄCH

Wer einen Schauspielstar interviewt, darf sich ausnahmsweise selbst einen Moment ins Rampenlicht stellen. Wir sitzen im siebten Wiener Bezirk im Vintage Store „Burgasse24“. Der Kaffee ist gut, weitaus besser als unsere Laune, denn Frau Klebow lässt auf sich warten. Fünf Minuten, zehn Minuten. Der Kaffee wird kalt, Zeit für ein paar kritische Worte. Oschischnig: Typisch! Für jede Allüre eine Minute – die lässt uns kleine Bios bestimmt eine Ewigkeit warten. Geßl: Irgendwie ist das mit den Stars immer ein Betteln. Hoffentlich hat die Dame wenigstens ein bisschen einen BioBezug, sonst wird das diesmal eine Seitenblicke-Geschichte. Oschischnig: Und das interessiert dann keinen. Am besten wir steigen mit dem Secondhand-Laden hier ins Gespräch ein. Vielleicht kommen wir dann über die Klamotten wenigstens ein bisschen zum Umweltschutz... Lilian Klebow schiebt abgehetzt den Kinderwagen zur Tür herein. Entschuldigt sich ehrlich und freundlich: „Heute war es besonders schwer, mit der Kleinen pünktlich aus dem Haus zu kommen.“ Licht auf. Frau Klebow, ein Vintage Store als Treffpunkt für unser Gespräch – warum das? (Lacht) Diese Schaukel da im Geschäft hat es mir angetan. Jetzt verschaukeln Sie uns aber? Nein gar nicht, ich habe eine große Affinität zu alten Sachen. Mir gefällt es hier: der alte Ofen, die gebrauchten Kleider und Möbel, die netten Menschen – da ist alles mit so viel Liebe gestaltet, einfach genial.

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Kaufen Sie hier auch ein? Ja, ich bringe meine alten Kleider her, verkaufe sie und kaufe mir andere. Das ist nachhaltig – und schick und hipp. Mich nervt es, auf der aktuellen Modewelle zu schwimmen. Nachhaltigkeit ist Ihnen also wichtig? Wenn man so will, ja. Ich bin so aufgewachsen und geprägt. In den 80er Jahren wurden meine Eltern als Sandalenökos verlacht. Die sind schon damals viel Fahrrad gefahren. Und als Physik- und Mathematiklehrer hat sich mein Vater schon sehr früh für alternative Energieformen interessiert. In unserer Wohnung gab es schon damals eine Dreifachverglasung, und Solarzellen wollte mein Vater auch. Und bei meiner Mutter gab es immer einen kleinen Zettelkasten in der Küche. Darin waren lauter zerschnittene Zettel, also vorne bedruckt und hinten leer. Alles was nicht beidseitig bedruckt war, wurde aufgehoben und als Schmierzettel verwendet. Wenn beim Essen was übrig geblieben ist, dann hat meine Mama das ebenfalls aufgehoben. Im Kühlschrank standen tausend Sachen, schön auf kleinen Tellern. Das hat mich natürlich geprägt. Und mit fünfzehn, sechzehn Jahren war ich dann selbst in einer Umweltbewegung aktiv – der SAU. Der Sau?! (Lacht) Mit Punkten dazwischen: S.A.U. - die Schüler-AktionUmwelt. Das war wirklich lustig damals. Ich hatte rote Haare und mit großen Plakaten haben wir für die Rücknahme von Verpackungen protestiert. Das ist heute noch ein aktuelles Thema – die Plastikberge wachsen ja ins Unermessliche. Deshalb mach' ich auch für die Kosmetik-Marke Kiehl's Werbung: Die nehmen nämlich ihre Flaschen zurück.

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IM GESPRÄCH

Das war jetzt ein gekonntes Product-Placement. Wenn wir schon bei den Werbeeinschaltungen sind: Sie setzen sich auch für „bgood“ ein, ein österreichisches Startup, das nachhaltigen Lebensstil belohnt. Ja, die Idee finde ich toll. Da helfe ich gerne mit. Mir ist die Geschichte auf einem Flyer untergekommen: Wer was Nachhaltiges im Alltag tut, wie z. B. mit dem Rad zur Arbeit fahren, auf’s Plastiksackerl beim Einkauf verzichten, kann auf dieser Plattform „good.coins“ sammeln und diese dann gegen kleine Geschenke eintauschen. Müssen wir jetzt schon „Zuckerln“ für kleinen Umweltschutz verteilen? Das sehe ich anders. Die Belohnung ist hier ein erster Anreiz, eine Einstiegsdroge, die wir alle nötig haben. Und wenn man dann einmal am richtigen „Trip“ ist, braucht man die Belohnung nicht mehr. Projekte wie „bgood“ zeigen gut auf, dass jeder Einzelne von uns was bewegen kann. Es ist ja irre, wie viel beim Umweltschutz für jeden von uns möglich ist. Ich sag‘ immer: Entweder ist man ein Teil der Bewegung oder man gehört zu den Bremsern. Und meiner Tochter möchte ich schon eines Tages erzählen, dass ich ein Teil der Bewegung war. Bei manchen Promis hat man den Eindruck, dass ihr Umweltbewusstsein eher ein Teil des Selbstmarketings ist. Ich verfolge da keine Marketingstrategie! Ich habe auch keine Agentur, die mir ein „Gutmensch-Getue“ vorschreibt. Vielmehr kritisiere ich diese „Pseudogutmenschen“ selbst. Was ich mache oder unterstütze, dafür stehe ich authentisch als Mensch. Aber Werbeeinnahmen sind doch irgendwie auch nicht zu verachten, oder? Mich interessiert bei einer Sache das Anliegen, nicht das Geld.

Ein großes Anliegen ist Ihnen das Jane Goodall Institut. Jane Goodall macht übrigens sehr krasse Unterschiede zwischen Menschen, die wirklich etwas tun möchten, und jenen, die sich bloß an ihren Namen anhängen. Das spürt sie sofort. Sie wurden von Jane Goodall zur Ehrenbotschafterin ernannt – wie bekommt man einen so schönen Titel? Mich hat einmal das Jane Goodall Institut Austria für einen Geburtstagsgruß an Jane angeschrieben. Es gibt erstaunlich viele Menschen, die Jane Goodall und ihre Arbeit für die Schimpansen noch nicht kennen – und da hilft man dann mit einem Statement auf der Website mit, mehr Aufmerksamkeit zu erreichen. Das ist auch das Wesentliche, die Aufmerksamkeit auf eine gute Sache zu lenken. Später dann habe ich mir im Wiener Haydnkino den Film „Jane's Journey“ von Lorenz Knauer angesehen. Ich war echt gerührt. Also habe ich gefragt, ob ich was für das Institut tun kann. Und zwei Monate später kamen sie mit einer Mappe und einem Plan zu mir und meinten: Es gibt da ein Urvolk in Uganda, eine Pygmäenethnie – die Batwa – und diese bräuchten dringend sozusagen eine Patin. Sie haben mich also Jane Goodall vorgeschlagen. Sind Sie dann auch zu Ihren Schützlingen gereist? Selbstverständlich. Über diese Reise habe ich einen Blog geschrieben. So konnten uns Interessierte auf der Reise folgen und sich vergewissern, wo ihr Geld hinkommt. Oft wird da leider viel Schindluder betrieben – gerade was Hilfsprojekte in Afrika betrifft. Waren Sie auch direkt bei Hilfsprojekten dabei? Zuerst einmal muss man wissen, dass die Batwa auf 2200 Meter Höhe leben. Man glaubt gerne, in Afrika sei es immer heiß. Aber die Batwa frieren auf dieser Höhe. Folglich gibt es wirklich grobe Probleme mit Krankheiten. Vor allem bei den

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IM GESPRÄCH

Essen Sie Fleisch? Selten! Ich habe es auch vegetarisch und vegan versucht. Aber ich weigere mich, mir ein Etikett umhängen zu lassen. Also, wenn man einmal im Monat oder einmal in der Woche ein gutes Stück Bio-Fleisch isst, voller Respekt vor dem Tier – davon halte ich mehr, als von diesem „Ich-esse-kein-Fleisch-Getue“. Ich habe da so meine Probleme mit Leuten, die mit erhobenem Zeigefinger sagen: „Ich bin übrigens Veganer, Du isst Fleisch?!“ Diesen militanten Weg mag ich gar nicht. Man muss Menschen vielmehr zum Umdenken verführen. Jeder Verzicht auf Fleisch macht einen Unterschied.

Kindern. Die Batwa waren ja ursprünglich ein Wandervolk, das plötzlich zur Sesshaftigkeit gezwungen wurde. Da wurde der Bwindi-Nationalpark aufgemacht und das ganze Volk auf einer Wiese zwischengeparkt. Nun ja, eine wichtige Maßnahme gegen das Frieren war, dass wir die Menschen mit Decken versorgt haben. Als wir das machten, haben wir die Decken aber nicht billig in Europa oder in China gekauft, sondern in Uganda. Das nutzt der Bevölkerung dann doppelt. So etwas erlebe ich beim „Jane Goodall Institut“ immer wieder: Die Spenden kommen an und werden nachhaltig eingesetzt. Egal, ob es um Mikrokredite für Frauen geht oder um kleine Bauernhöfe, wo die Menschen mit einem Stück Land und einer Ziege anfangen können – und sich damit ein Auskommen schaffen können. Ich habe viele solcher Projekte besucht, auch in Tansania. Zurück nach Europa in die Wiener Burggasse. In unserem Gespräch dreht sich vieles um Nachhaltigkeit. Gilt das auch für Ihre Ernährung? Meine Geschmacksnerven sind mittlerweile Bio geeicht, sozusagen vollkommen auf Bio umgestellt. Ich schmecke alles andere fast schon heraus – was oft fürchterlich ist. Frauen ändern oft ihre Ernährung während der Schwangerschaft – war das bei Ihnen auch so? Nein, das ist schon viel länger her. 2004 habe ich mit meiner „Entgiftung“ begonnen. Mir war über Jahre hinweg schlecht, immer schlecht. Da hat man dann bei mir eine MilcheiweißIntoleranz und auch eine Weizeneiweiß-Intoleranz festgestellt. Ich habe recherchiert und gesehen, dass ja fast jedes Produkt mit Milchpulver oder Weizen gestreckt wird. Also diese industriellen Produkte. Da habe ich mir gedacht: Jetzt ist es Zeit umzudenken. Seither lebe ich bio.

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Und zum Bio-Landbau, haben Sie da einen persönlichen Bezug? Ich habe eine hohe Achtung vor Menschen, die wirklich Biolandwirtschaft betreiben. Das muss wahnsinnig schwierig sein. Viele Biobauern kämpfen ja ums Überleben – die machen das aus Überzeugung und nicht aus Profitgier. Klar ist es einfacher, mit Gentechnik, Chemiedünger und Giften zu arbeiten. Da stehen dann die Pflanzen hübsch da. Aber die Böden sind kaputt. Bei diesen ganzen Monokulturgeschichten gibt es heute bereits in den Balkonkistln in der Stadt mehr Artenvielfalt als auf dem Land. Damit kann ich mich einfach nicht abfinden. Vielleicht haben wir ja noch eine echte Chance, und Amerika schafft kein Freihandelsabkommen und vielleicht wird die Gentechnik eines Tages weltweit verboten. Dafür brauchen wir allerdings mehr Eigenverantwortlichkeit und Achtsamkeit. Das hört sich jetzt buddhistisch an, ist aber das Einzige, was uns aus der Scheiße zieht. Ohne jetzt beleidigend sein zu wollen, aber Sie wären eine spannende Politikerin! Nein, das ist bestimmt nichts für mich. Außerdem gibt es keine Politik mehr, schon lange nicht. Wir leben heute in einer Wirtschaftsdiktatur. Ich finde, die Politiker sind heute mehr oder weniger Marionetten und Lobbyisten der Wirtschaft. Einige haben vielleicht noch gute Ideen, können sie aber nicht durchsetzen. Gut, im Kulturbereich gibt es noch welche, die was Mutiges machen. Ich glaube allerdings nicht mehr, dass die wesentlichen Veränderungen für unsere Gesellschaft aus der Politik kommen. Woher denn dann? Aus der Masse! Die gesellschaftliche Veränderung kommt aus der Masse. Das sehen wir an der „We are the 99 percent“ Occupy-Wall-Street-Bewegung oder bei Filmen wie „Everyday Rebellion“. Jetzt haben wir so viel über nachhaltige Themen geredet, dass uns die Zeit für die Schauspielerin Lilian Klebow davon gelaufen ist. Das macht nichts…

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IM GESPRÄCH

Wir möchten aber schon noch gerne wissen, weshalb die Gegend rund um die Donau gar so gefährlich ist. Hunderte Morde in kurzer Zeit? (Lacht) Ja, und wo diese „gefährliche Donau“ überall hinfließt, sogar durch Hallstatt ist sie in einer Folge geflossen. Ist Fiktion nicht was Schönes? Irgendwer hat einmal gesagt: Krimis sind so erfolgreich, weil die Menschen an das Gute glauben. Und bei uns in der Serie gewinnt ja am Ende immer das Gute. Und dank Ihnen und „SOKO Donau“ werden sogar noch die Deutschen in Österreich beliebt. Am Anfang waren wir ja mit SOKO Donau gar nicht so erfolgreich und beliebt. Da hat es schon die Fragen gegeben: Was machen so viele Deutsche in einer österreichischen Serie?! Aber jetzt passt es offenbar sehr gut. Sie sind bereits mit 18 Jahren von München nach Wien gekommen. Gab es da ihrerseits auch „Sympathieschwierigkeiten“ gegenüber den Wienerinnen? Nein. Ich habe mich in diese Stadt einfach verliebt. Ich bin da hängen geblieben und hab‘ auch für ein Theaterstück Wienerisch gelernt. Später habe ich dann auch sehr viel Schnitzler gespielt. Mich fragen heute viele Leute ganz überrascht: Was, du bist Münchnerin?

Mit diesem buddhistischen Geisteszustand werden Sie bestimmt unsere gefürchtete Schlussfrage beantworten können: Wie viele Bio-Lebensmittel stehen gerade in Ihrem Kühlschrank? Das muss ich jetzt einmal gedanklich durchgehen – also ich hab‘ eigentlich fast ausschließlich Bio-Lebensmittel drinnen. Dazu noch sehr viel selbst gemachte, eingelegte Sachen – und noch ayurvedische, bei denen bin ich nicht ganz sicher, ob die alle Bio sind. Und die böse Mayonnaise von meinem Mann habe ich heute weggeschmissen. Die war zudem schon drei Monate abgelaufen. Danke für das Gespräch! Draußen vor dem Vintage Store „Burggasse24“. Nebel und kalter Nieselregen. Lilian Klebow schiebt die kleine Charlie, fürsorglich eingepackt im Kinderwagen, die Gasse rauf. Für einen Regenschirm hat sie keine Hand frei. Oschischnig: In Zukunft muss ich unbedingt besser auf meine Vorurteile aufpassen. Geßl: Ja, stimmt! Unser Star lebt jedenfalls mehr Bio als viele der Besserwisserinnen in der Szene. Reinhard Geßl und Wilfried Oschischnig

Vor knapp einem Jahr sind Sie Mutter von einem Mädchen geworden. Kann ein Serienstar überhaupt in Karenz gehen? Das geht schon. Ich war die regulären zwei Monate im Mutterschutz. Vier Folgen hat man mich sozusagen hinausgeschrieben – und dann bin ich wieder komplett in die Dreharbeiten eingestiegen. Mit dem Baby? Ja, meine Kleine war immer dabei, mit meiner Mutter. Da bin ich meiner Mama ewig dankbar. Das war eine heftige Zeit, super heftig. Abends den Text lernen, die Flaschen waschen und alles vorbereiten – morgens um fünf Uhr aufstehen. Und diese blöde Milchpumpe – ich musste ja immer die Milch abpumpen. Ich bin mit fünf, sechs Taschen zu den Dreharbeiten gelaufen. Da kommst du dir wie ein Trottel vor. Aber das ist jetzt auch ein bisschen Jammern auf hohem Niveau – immerhin durfte ich mein Kind in den Job mitnehmen. Wie war das mit Ihrem Gewicht nach der Schwangerschaft? Ist das nicht ein enormer Druck, schnell wieder so auszusehen wie ein paar Folgen zuvor. Ich habe gleich allen gesagt: „Wahrscheinlich komme ich mit einigen Kilos und ein, zwei Hosengrößen mehr zurück. Probieren wir es halt aus.“ Es gab auch überhaupt keinen Druck von der Produktionsfirma. Die haben sich eher über das gute Timing bei meiner Schwangerschaft gefreut. Und dank meiner Schwangerschaftshormone war ohnehin jeder Druck passé. Ich habe nicht nur ausgesehen wie ein kleiner Buddha, ich habe auch dessen Geisteszustand übernommen.

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Andreas Pawlik und Alexander Martos werfen einen pr端fenden Blick auf den Andruck der Radical Edition


BIO-WISSEN

WIR WERDEN JETZT RADIKAL! Am Anfang stand die große Leere. Sieben Jahre und unzählige „Schleifen“ später existieren aus einer Kooperation von Naturwissenschaft, Kulturwissenschaft und Design wunderschön gestaltete, komplexe Wissenswelten der BioLandwirtschaft. Unter www.bio-wissen.org ist heute die eine oder andere Lehre online.

Es war im Jahr 2008. Bio Austria, der große österreichische Bio-Verband, hatte sich seiner Bio-Konsumentinnenarbeit entledigt. Die frei gesetzten Mitarbeiterinnen fanden im Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Öster­ reich) ebenso eine neue Heimat, wie der Freiland Verband im FiBL einen neuen strategischen Partner fand. Die Frage war: Was gibt es Herausforderndes zu tun, das dem Bioland Österreich fehlt? Förderungstöpfe wurden gesichtet, Gespräche mit vielen interessanten, mehr oder minder bioaffinen Persönlichkeiten wurden geführt. Gestalterisch konventionell angedachte Bio-Informationsbroschüren wurden ausgeschrieben und Angebote von Agenturen erbeten. Alexander Martos von Science Communications Research, einer Agentur zur „Übersetzung“ von wissenschaftlichem Wissen in verständliche Werke, lud zu einem Gespräch. Man kam rasch überein, dass biologisches Wissen etwas anderes braucht als konventionell gedachte Broschüren, die mit sozialromantischen Bildern dem Gesamtkunstwerk Bio-Landwirtschaft quasi einen Heiligenschein verpassen. Bald darauf war Andreas Pawlik von dform, Büro für Design mit im Team. Eine transdisziplinäre Kooperation war geboren. Was wissen Bio-Bauern? Woran arbeitet die Agrarforschung? Auf welche Fakten stützt sich die Landwirtschaftspolitik? Welche Rolle spielt Landwirtschaftswissen in der aktuellen Gesellschaftspolitik? Fragen über Fragen, die seither im „Bio-Wissen“ betitelten Projekt zwischen den Natur- und Kulturwissenschafterinnen und Designerinnen diskutiert, zerlegt, neu zusammengestellt, wieder zerlegt und wieder neu gemixt werden. Das Endprodukt hat immer den Anspruch, auf den Punkt getextet und modern visualisiert zu sein. Die Veröffentlichung läuft vorwiegend virtuell über www.biowissen.org sowie über Facebook.

„Begonnen hat alles mit einer 16-teiligen Plakatserie. Dabei geht es um Mess-Werte und Größen-Ordnungen biologischer Lebensmittel und ihren Einfluss auf Ökologie, Ökonomie, Soziales und Gesundheit“ erzählt Alexander Martos. „In den „Skizzenbüchern“ versammeln wir eine Reihe von Diagrammen, Daten-Bildern, Wissens(land)karten und Denk-Figuren. Alle kreisen um aktuelle Themen und Probleme agrarwissenschaftlicher Forschung. Wichtig ist uns, dass alle Veröffentlichungen allen frei zur Verfügung stehen.“ Die ganz neuen Veröffentlichungen erfreuen ganz besonders den Designer Andreas Pawlik: „Die beiden neuen Radical Editions fassen komplexes Bio-Wissen sehr radikal zusammen. Grafisch aufwändig, künstlerisch anspruchsvoll, auf tollem Papier – eine Freude! Auch sehr hübsch ist das neue Daumenkino geworden. Darin haben wir 24 Argumente für Bio in ein dreisekündiges Daumenkino gepackt.“ Und es ist noch lange kein Ende in Sicht, da eine Vielzahl an neuen Veröffentlichungen schon vorbereitet ist. Bei aller sprachlichen wie optischen Radikalität kann aber auch www.bio-wissen.org ein Grundproblem der Bio-Landwirtschaft nicht lösen: Das mit dem Bio ist alles recht kompliziert. Das bunte Bio-Wissen-Team ist weiterhin zuversichtlich den Stein der Weisen noch zu finden. Reinhard Geßl

ZAHLEN UND FAKTEN Projekt: Bio-Wissen − Wissenswelten der Biolandwirtschaft www. bio-wissen.org. Projektkernteam: Reinhard Geßl (Freiland Verband/ FiBL), Elisabeth Klingbacher (FiBL), Alexander Martos (Science Communications Research), Andreas Pawlik, Juliane Sonntag, Maximilian Fabigan (dform) Info: - www.bio-wissen.org versammelt derzeit 1 OnlineAusstellung mit 16 Bio-Plakaten, 1 Design-Plakat-Kollektion, 1 Plakatausstellung, 16 Modelle, 30 Expertinnen und 30 Dinge, 3 T-Shirtdesigns, 1 Daumenkino/Flipbook, 2 Radical Editions; Bestellungen über www.bio-wissen.org bzw. kontakt@bio-wissen.org

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Vorne: der „Müll“. Mitte: Iss mich-Suppen. Hinten: Tobias Judmaier.


BIO-WISSEN

TASTE THE WASTE Iss mich! ist ein relativ junges Bio-Catering und -Lieferservice in Wien. Die Rohstoffe kommen aus dem Müll. Die Zubereitung liegt in der Hand von Spitzenköchen. Geliefert werden die Menüs in retro-schicken Weckgläsern. Ende März 2015 ist das Lieferservice in eine größere Küche übersiedelt.

Tobias Judmaier wird von einem Anliegen geleitet: Die unglaublich großen Abfallmengen unser modernen Essenwelt nicht nur wahrzunehmen, sondern auch – zugegebenermaßen noch im Kleinen – sinnvoll und real zu nutzen. Gemeinsam mit einem Freund hatte er 2012 die Idee zum „wastecooking – Kochen was andere verschwenden“. Ziel war es, in einer TV-Kochshow die beiden Gegenpole Müll und gutes Essen zusammenzubringen. Die Kochzutaten holte sich Judmaier in der Nacht aus den Mistkübeln der Supermärkte, gekocht und gemeinsam gegessen wurde im öffentlichen Raum. Alle Schritte wurden gefilmt und so einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Eine seiner zahlreichen Recherchen ergab in der Folge, dass das Drama des Wegwerfens guter Lebensmittel gar nicht so sehr im Supermarkt selber stattfindet, sondern im großen Stil schon dort passiert, wo Obst und Gemüse gelagert, gewaschen, sortiert und supermarkttauglich verpackt wird. Die eine Erdäpfelcharge zeigt Spuren der Erntemaschine, eine andere kaum wahrnehmbare Schalenflecken, die einen Karotten sind zu lang, die anderen zu dick oder gar abgebrochen. Diese Ware ist nicht marktfähig und daher Abfall. Bald schon ergab sich der Kontakt zum größten heimischen (Bio-)Gemüseabpacker. „Nach anfänglicher Ablehnung der dortigen Geschäftsführung und Versicherung, dass wir nichts unverarbeitet weiterschenken, kam irgendwann die Frage ‚wie viele Tonnen braucht ihr?‘“ erzählt Judmaier vom Beginn einer nun schon länger dauernden Kooperation. „Wir hatten bis dahin noch in Kilos gedacht, bald aber holten wir uns 1,3 Tonnen zur Verfügung gestelltes Bio-Gemüse für ein von der Stadt Wien unterstütztes Projekt.“

2014 wurde Iss mich! gegründet, als integraler Teil des Lokals „Zum Schwarzen Schaf“ im neunten Wiener Bezirk. Im März ist die Küche des Bio-Caterings und –Lieferservices in die Nähe des Praters übersiedelt. Dort ist nun endlich genug Platz und Zeit für das Zubereiten und Lagern der wöchentlich wechselnden Menüs und der Aufträge aus dem Catering. Die neue Großzügigkeit ermöglicht es auch mit Frauen aus MutterKindheimen sowie Menschen mit physischen, psychischen oder sozialen Problemen zusammenzuarbeiten und diesen wichtige Berufserfahrung für den Wiedereinstig in den harten Arbeitsalltag zu geben. Noch hat der junge Betrieb Luft nach oben. Derzeit werden erst die Wiener Bezirke eins bis neun mit Fahrradboten beliefert. „Wenn das Werkl gut eingespielt ist, geht sicher deutlich mehr“, ist Geschäftsführer Judmaier zuversichtlich. Um dann aber anzumerken: „Das Problem des Wegwerfens von frischen, genießbaren Lebensmitteln im großen Stil werden auch wir mit unserem Engagement nicht lösen können. Unser Beitrag ist aber, darauf hinzuweisen wie eng gutes Essen und Müll zusammenhängen.“ Reinhard Geßl

ZAHLEN UND FAKTEN Iss mich! Bio-Catering und –Lieferservice, www.issmich.at Unter dem Motto „Essen statt wegwerfen!“ verkocht iss mich! frisches, vornehmlich aussortiertes Bio-Gemüse. Die Zustellung erfolgt in wiederbefüllbaren Gläsern in den Innenstadtbezirken Wiens per Fahrradboten. Infos: - 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel werden weltweit pro Jahr weggeworfen oder gehen in der Wertschöpfungskette „verloren“. Das entspricht rund einem Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel. - Rund 40 kg orginalverpackter und genießbarer Lebensmittel wirft ein österreichischer Durchschnittshaushalt pro Jahr weg. Dies entspricht einem Wert von EUR 300,–. - Das Gewicht der in Österreich entsorgten Kunststoff­ verpackungs­­abfälle beträgt 250.000 Tonnen.

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Andrea Fičala und Theres Rathmanner leiten das Projekt „Schule des Essens“ lust- und freudvoll


BIO-WISSEN

ESSEN LERNEN Ess- und Kochsendungen flimmern inflationär über den Bildschirm, Foodblogs schießen wie Pilze aus dem Boden und einschlägige Literatur füllt meterlang die Regale in den Buchläden.

Ob aus gesundheitlichen, diätetischen, ethischen, ökologischen, hedonistischen oder kulinarischen Motiven – Ernährung ist ein Riesenthema. Doch trotz dieses seit Jahren andauernden „Ernährungs- und Essensbooms“ tut sich in österreichischen Schulen dazu erstaunlich wenig. Wenn, dann nähert man sich dem Thema über die Gesundheit an, was gut und wichtig ist, da auch immer mehr Kinder und Jugendliche an ernährungsbedingten Krankheiten und Essstörungen leiden. Dennoch greift diese Herangehensweise zu kurz. Wünschenswert wäre vielmehr eine Auseinandersetzung mit einer nachhaltigen Ernährung, die sich den komplexen Beziehungen innerhalb des gesamten Ernährungssystems widmet und die Dimensionen Gesundheit, Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen mit einbezieht. Und das Ganze freud- und lustvoll. Und genau hier kommt die „Schule des Essens“, ein Projekt des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL Österreich), ins Spiel. Die Vision des Projekts ist es, ein fixes Unterrichtsfach „Essen“ an Österreichs Schulen zu etablieren. „Vielen Kindern fehlt der Bezug zu Lebensmitteln und in der Folge auch die entsprechende Wertschätzung. Wir möchten Schülerinnen für Essen und nachhaltige Ernährung begeistern, ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mit vielen Aha-Erlebnissen durch Freude am Probieren, Erleben von Geschmack und Faszination für gute Lebensmittel“, betonen die beiden Ernährungswissenschafterinnen und Projektverantwortlichen Theres Rathmanner und Andrea Fičala. Ein umfassender, interdisziplinärer Zugang zum Essen ist dabei die Basis aller Aktivitäten. Es geht nicht vorrangig darum die Ernährung der Kinder gesünder zu machen – das soll ganz automatisch passieren. Die Schülerinnen sollen vielmehr kochen, schmecken und gemeinsam genießen. Sie sollen lernen, wie etwas wann und wo wächst, was Biolebensmittel auszeichnet, was Qualität ausmacht, wie man sie erkennt und – ganz wichtig – sie sollen das Kulturgut Kochen erlernen. Die Schule des Essens sollte bestenfalls regelmäßig in den Unterricht eingebunden werden und aus den Schülerinnen

„informierte, selbstbestimmte, genussfähige, nachhaltig agierende, wertschätzende und gesunde junge Esserinnen machen“, wie Theres Rathmanner voll Enthusiasmus betont. Ein äußerst ambitioniertes Ziel, das ist den beiden Ernährungsexpertinnen durchaus bewusst. Doch dass lustvolle Ernährungsbildung in der Praxis funktioniert und von Kindern begeistert aufgenommen wird, das zeigen unterschiedlichste nationale und internationale Beispiele, auf die Theres Rathmanner im Rahmen ihrer Recherche gestoßen ist. Denn in der gerade abgeschlossenen ersten Projektphase wurden bestehende schulische Aktivitäten mit einem ähnlich umfassenden Zugang erhoben, aber auch die „Schule des Essens“ inhaltlich und organisatorisch grob ausgestaltet sowie deren Umsetzbarkeit abgeschätzt. Theres Rathmanner hat dafür neun Szenarien skizziert, in welcher Art und Weise die „Schule des Essens“ Einzug in österreichische Schulen halten könnte: Von sehr visionär bis relativ wahrscheinlich, von einem flächendeckenden Schulfach bis zu einem externen Kochstudio für kochfreudige Schulklassen, vom Pflichtgegenstand bis zum Angebot in der Freizeitbetreuung. In der nun folgenden Phase wird die Idee der „Schule des Essens“ auf Praxistauglichkeit geprüft: In einer Ganztagsvolksschule und in zwei neuen Mittelschulen kommen Schülerinnen im Rahmen von Projektwochen in den Genuss der umfassenden Essens- und Ernährungsbildung, außerdem wird auch Pädagoginnen eine entsprechende Weiterbildung angeboten. Da bleibt nur noch zu sagen: möge dieses Projekt Schule und Appetit auf mehr machen! Elisabeth Klingbacher

ZAHLEN UND FAKTEN

Projekt: Schule des Essens. Projektkoordination: Dr.in Theres Rathmanner, Mag.a Andrea Fičala (FiBL Österreich) Infos: - Zu den Grundsätzen einer nachhaltigen Ernährung zählen: Bevorzugung pflanzlicher, biologischer, regionaler, saisonaler, gering verarbeiteter und fair gehandelter Lebensmittel sowie ressourcenschonendes Haushalten und Genuss beim Essen - Österreicherinnen wenden pro Tag durchschnittlich eine Stunde und 16 Minuten fürs Essen auf.

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Manfred Radl jun. bringt Bio in die Wiener Seidengasse


BIO-WISSEN

HIRSCHSTETTEN GOES NEUBAU Vom siebten Wiener Gemeindebezirk kann man wirklich nicht behaupten, dass er unter mangelnder kulinarischer Infrastruktur leidet. Zahlreiche Lokale unterschiedlichster Prägung sorgen für Charme und Hipness des Innenstadtbezirks.

Seit einem Jahr betreibt hier auch Manfred Radl ein kleines Gassenlokal, in dem er gemeinsam mit einem befreundeten Koch täglich um die Mittagszeit zwei vegane BioMenüs kredenzt. Einmal wöchentlich kann man neben den Mittagesserinnen aber auch mit Körben und Sackerln ausgestattete Menschen in das Lokal strömen sehen. Sie gehen einkaufen – sozusagen. Denn Kundinnen im eigentlichen Sinn sind sie nicht und auch Radl ist eigentlich kein Gastronom, sondern Bio-Bauer. Gemeinsam sind sie Teil einer Bewegung, in der Konsumentinnen mit Landwirtinnen eine Partnerschaft bilden. Die Basis dieser Beziehung ist die gegenseitige Vereinbarung: der Hof ernährt die Menschen und alle teilen sich die damit verbundene Verantwortung, das Risiko, die Kosten und die Ernte. Man nennt diese alternative Form der Lebensmittelversorgung CSA (Community Supported Agriculture) oder auch „solidarische Landwirtschaft“. Um einer immer anonymer und globalisierter werdenden Lebensmittelindustrie zu entkommen, bietet die CSA eine der zahlreichen Alternativen. Ziel ist es, den Bäuerinnen ein zufriedenstellendes Einkommen und den Konsumentinnen eine qualitativ hochwertige Lebensmittelversorgung zu garantieren und damit einen Beitrag zur Ernährungssouveränität zu leisten. Der 200 Hektar große Biobetrieb, den Radl gemeinsam mit seinem Vater bewirtschaftet, liegt in Hirschstetten, im 22. Wiener Gemeindebezirk und ist für seine Bio-Erdbeeren berühmt. Außerdem gibt es für Menschen, die ihr Gemüse gerne selbst ernten, die Möglichkeit, eine der Selbsternteparzellen zu mieten. Vor einem Jahr hat Radl junior nun auch die solidarische Landwirtschaft für sich entdeckt. Während CSA-Betriebe meist ihren gesamten Betrieb der „Community Supported Agriculture“ widmen, ist es bei Manfred Radl vorerst nur ein Hektar. Mit einem jährlichen Beitrag „pachten“ die Mitglieder ein Stück Ackerland, das – im konkreten Fall von den Radls – biologisch bewirtschaftet wird. Den durch den Jahresbeitrag

finanzierten persönlichen Ernteanteil kann man sich wöchentlich im Lokal oder direkt am Hof abholen. Das Sortiment umfasst alles an Gemüse, was gerade reif ist und wird frisch geerntet direkt vom Biohof nach Wien-Neubau geliefert. Letzte Saison, im ersten Jahr des Bestehens, waren es 40 Mitglieder, heuer sollen es zumindest doppelt so viele werden. Das Konzept der CSA hat viel mit Wertschätzung zu tun – nicht nur den beteiligten Menschen, sondern auch den produzierten Lebensmitteln gegenüber. Und natürlich auch mit Kommunikation. Um die Partnerinnen noch besser über die Herkunft und Produktionsweise des Bio-Gemüses informieren zu können und natürlich auch, um sich besser kennenzulernen, plant Radl für heuer einige Feldtage und Gemeinschaftsabende. Konsumentinnen werden dadurch aktive Mitglieder einer Gemeinschaft, sie kennen die Produzentinnen, wissen woher die Nahrungsmittel kommen und wie sie produziert wurden. Der persönliche Bezug macht die gegenseitige Verantwortung bewusst und schafft Vertrauen. CSA ist daher eine von vielen innovativen Strategien für eine lebendige, vielfältige und verantwortungsvolle Landwirtschaft, die zeigt, dass Lebensmittel nicht nur einen Preis, sondern vor allem auch einen Wert haben. Elisabeth Klingbacher

ZAHLEN UND FAKTEN Betrieb: Biohof Radl. Betriebsleiter: Manfred Radl sen. und jun. Betriebsinfos: Von rund 200 Hektar sind etwa drei Hektar Selbsterntefelder und ein Hektar CSA; Ernteanteile gibt es von Mai bis Ende Oktober/Anfang November, Abholzeit ist freitags zwischen 11:30 und 18:30 Uhr im Lokal „BioVegan2Go“, 1070 Wien, Seidengasse 39b, www.biohof-radl.at Infos: - CSA ist bereits in den 1960er Jahren als Antwort auf die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft und den wachsenden Einfluss der Lebensmittelketten entstanden. - Das „United States Department Of Agriculture“ (USDA) definiert CSA als eine Gemeinschaft von Einzelpersonen, die sich dazu verpflichtet einen Bauernhof in der Art zu unterstützen, dass der Hof oder Teile des Hofes, entweder rechtlich oder geistig zum Miteigentum der Gemeinschaft wird. - Die erste österreichische CSA war der Gärtnerhof Ochsenherz, www.ochsenherz.at

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JS AUF ACHSE

BRDA, BRDA, VINORODNA Es ist mittlerweile eine lieb gewonnene Angewohnheit von mir, vor einer Reise historische Reiseberichte zu lesen. Zum Einen befriedigt das ein tief sitzendes Bedürfnis, in verstaubten Büchern zu schmökern und in alten Bibliothekssälen und Antiquariaten herumzuhängen. Zum Anderen bereitet es mich natürlich auch auf die Reise vor. Besser, als jeder jüngere Reiseführer das vermag.

Fotos: Schmücking

Vor meiner Fahrt in die Weinberge von Brda, Karst, Istrien und dem Collio fand ich in einem von Lojze Wiesers herrlichen Büchern einen Hinweis auf Paolo Santonio, der die Gegend vor knapp 600 Jahren bereiste. Seine Erlebnisse klangen vielversprechend: „Hier werden sieben Gänge im Ortsgasthaus serviert, darunter gekochte Birnen, gebratene und gedünstete Fische sowie drei Sorten Wein in Silberbechern: Malvasier, Friulaner Wein und Rebolio. Nach der Weihe kommt eine ordentliche Stärkung auf den Tisch. Kutteln, dazwischen bester Rebolio zur Verdauung, gedünstete Kapaune und Rindslende mit rohem Zwiebel.“ Eines vorweg: eine Region, in der gastronomische Kultur und Tradition so tief verwurzelt sind, kann nur ein kulinarisches

Erlebnis sein. Auch 600 Jahre später noch. Viel hat sich nämlich nicht verändert. Es gibt immer noch Malvasier, Friulano und Rebula. Verändert hat sich bestenfalls die Schreibweise. Der Friulano heißt jetzt wieder so, nachdem er zwischenzeitlich als „Tocai“ Karriere machte, wogegen sich die Magyaren gewehrt haben und ihren Tokajer unter den patentrechtlichen Schutz des Brüsseler Amtsschimmels stellten. Manche Winzerinnen drehen den Spieß – oder besser das Wort – einfach um und nennen ihren Tocaj jetzt Jacot. Andere – weniger streitbare – sagen einfach Friulano zu ihm. Rebolio wurde zu Rebola. Oder Rebula. Im Collio vielleicht noch Ribolla. Es gibt auch immer noch sensationell gute Kapaune und so gut wie jede Landwirtin, egal, ob sie Wein, Getreide oder sonst was anbaut, hat getrockneten Schinken im Keller hängen. Auch in der Art, wie die Weine gemacht werden, haben sich Tradition und alte Herstellungsweisen durchgesetzt. Die Weißweine mit langem (aus modern-önologischer Sicht extrem langem) Schalen- und Luftkontakt unterscheiden sich von allem, was man sonst als jugendlich-frischen, spritzigen Wein kennt. In Kombination mit langer Lagerung, bevor der Wein in Flaschen gefüllt wird, entstehen hier kompakte, tiefgründige, feingliedrige und extravagante Tropfen, die ich ohne mit der Wimper zu zucken zu den großen Weinen dieser (Wein-) Welt zähle. Ein paar Beispiele gefällig?

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JS AUF ACHSE

Erste Station ist Batic in Šempas in der Region Primorje, genauer gesagt aus dem Vipava-Tal. Den Verkostungsreigen eröffnet der smarte Winzer gern mit einer Überraschung. In einem besonders schönen Glas wird Schafgarbentee serviert. Blind natürlich. Es geht ihm dabei gar nicht um Geschmack. Vielmehr um den Moment, in dem er, verschmitzt lächelnd, sagt, dass wir gerade mit einem seiner Spritzmittel angestoßen haben. Biodynamie pur. Das Flaggschiff des Weinguts heißt Angel und ist ein Cuvée aus neun Rebsorten und fünf Jahrgängen. Der Wein strahlt eine Ruhe aus, die fast schon beängstigend wirkt. Aber Achtung! „After two glasses you realize, there is rock’n roll inside“. Next Stop ist Kabaj Morel. Ein Winzer, der sich sehr genau in Georgien umgesehen hat und die Arbeit mit den Kvevris, den Tonamphoren, mittlerweile im kleinen Finger hat. Seine besten Weine heißen Amfora und Ravan und sind Zierden ihrer Art. Filigran, ernsthaft und von atemberaubender Strahlkraft. Zum Weingut gehört auch ein einfaches, aber sensationell gutes Restaurant, in dem die Frau des Winzers für die Küche verantwortlich ist. Die Kombinationen von einfachen, bodenständigen und regionalen Gerichten mit den ehrlichen Weinen von Kabaj sind nahezu unübertrefflich. Weiter nach Istrien, über der Bucht von Izola, befinden sich die Weingärten von Uroš Rojac und seiner zauberhaften Frau Sonja. Die Weine entsprechen der Tradition mit langen Maischestandzeiten und langer Lagerung. Darüber hinaus gibt es auch saftige Rotweine, die so viel Reifepotential haben, dass jetzt gerade einmal der 2005er in Topform ist. Refosc (oder Refosko) heißt die Rebsorte. Zweifelhaft beleumundet zwar, aber in guten Händen entsteht daraus wirklich Großes. Renero nennt Uroš seinen Wein, und wo immer die geneigte Leserin diesen Wein entdeckt – zuschlagen. Egal, ob in der Vinothek oder im Restaurant. Einfach kaufen. Zu guter Letzt ist ein Besuch in Izola nicht wirklich vollständig, wenn man nicht auf Irene Fondas Branzino-Farm gewesen ist. Die Meeresbiologin stammt aus einer Familie von Seefahrerinnen, Fischerinnen und Meeresbiologinnen. Besucht man sie etwas außerhalb von Izola, lernt man enorm viel über Branzinos, über die Gepflogenheiten des Fischmarkts, über Izola und über sie selbst. Es kann aber auch passieren, dass unvermittelt eine dunkle Gestalt aus dem Wasser steigt, wie ein Kampftaucher, der Anzug in Tarnfarbe, in der linken Hand eine eindrucksvolle Harpune, in der rechten eine nicht minder eindrucksvolle Dorade. Geschätzte 20 Jahre alt. Da gehört allerdings eine Portion Glück dazu. Das passiert nicht alle Tage. Daher gibt es auch nicht alle Tage die gegrillte, frische Doradenleber. Jetzt würde ich natürlich zu gern wissen, ob in 600 Jahren jemand meinen Text lesen wird, bevor sie sich auf den Weg nach Izola macht. Jürgen Schmücking Die Reise des Autors wurde von der Slowenischen Tourismusszentrale sowie orange & natural wines unterstützt. Das ist eine verlässliche Bezugsquelle für die genannten Weine: http://www.orange-wine.net

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GUTER GESCHMACK

WO HONIG UND KÄSE FLIESSEN Den Honigvorrat des Winters haben wir schon fast aufgebraucht. Umso erfreulicher ist es, schon die ersten, cremigen Frischkäse von Schaf und Ziege am Teller zu haben. Die FiBL-Tasting_ foren 43 und 47 bilden genau diese Saisonalität ab, mit einer erfreulichen Vielfalt, da wie dort.

SCHLEUDERGEFAHR! – VIELFALT IN HONIG Bienen müssen wirklich fleißig sein, denn 40.000 Kilometer müssen sie fliegen um einen Kilo Nektar zu sammeln. Nach der Veredelung im Stock können wir schlussendlich etwas mehr als ein Achtel Kilo fertigen Honig ernten. Honig ist aber nicht einfach Honig. Den Unterschieden zwischen Wald- und Wiesenhonig oder zwischen Blüten- und Baumhonig spürte das dezemberliche FiBL-Tasting_forum 43 nach.

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AKAZIENHONIG Akazienhonig stammt von der Robinie. Diese Frühblüher sind häufig die erste Futterquelle für Bienen. Der Honig gibt sich dünnflüssig, klar und hell, blumig mild, sein Duft ist süßlich-parfümiert, der Geschmack süßmundig.

ALMROSENHONIG Dieser Honig kommt aus den Bergen. Dort fängt er das raue Klima der (auch von Neonicotinoiden) unberührten Gebirgswelt ein. Er zeigt ein wasserhelles bis hellgelbes Farbenspiel, der Duft ist mild bis leicht parfümiert und im Geschmack gipfelt die mild-blumige Wildheit.

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GUTER GESCHMACK

LINDENBLÜTENHONIG

WALDHONIG

Aus Lindenblüten kann man nicht nur guten Tee machen. Auch die Bienen transportieren die ätherischen Öle und geben dem Honig seinen typisch kräftigen, hoch aromatischen Geschmack. Die Farbe changiert von hell über hellgrünlich ins Dunkelgelbe, bei lieblichem Duft zeigt der Geschmack Anklänge von Menthol und Zitrone.

Für Waldhonig sammeln Bienen keinen Blütennektar, sondern den Honigtau von zum Beispiel Schild- und Blattläusen. Die Farbe von Waldhonig geht von rötlich­ braun bis schwarzgrün, sein Geschmack ist malziger und meist auch herber, manchmal auch mit leichter Säure von Begleitpflanzen, wie zum Beispiel Himbeerblüten.

LÖWENZAHNHONIG Löwenzahnhonig muss man nicht selber zubereiten. Auch die Bienen fangen die Energie des Frühlings in Form eines hohen Traubenzuckeranteils ein. Der Honig gibt sich mild würzig, bei intensivem Duft und einem kräftig gelben Aussehen.

BUCHWEIZENHONIG

EDELKASTANIENHONIG Heimischer Edelkastanienhonig stammt meist aus dem Steirischen Weinland bzw. aus dem südlichen Burgenland. Der Honig polarisiert, denn sein Geruch ist sehr intensiv und herb, das Aussehen bernsteinfarben bis dunkelbraun und der Geschmack kann würzig bis sehr bitter werden.

Buchweizenfelder blühen rosa, der Nektar ist dunkel. Bienen machen daraus einen ungewöhnlichen, nicht süßen, vielmehr rustikalen Honig. Das Aussehen geht von hell bis fast schwarz, der Duft ist intensiv bis animalisch, das Aroma entfaltet sich hingegen fein-würzig und voll.

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GUTER GESCHMACK

AU LAIT CRU – BIO-ROHMILCHKÄSE Das Wort Rohmilch trägt es schon im Namen, die technologisch notwendig gesehene Weiterverarbeitung. Normalerweise bedeutet das dann Erhitzen, Homogenisieren, Standardisieren, Baktofugieren, Mikrofiltrieren. Käse aus Rohmilch hat es also (in Österreich) nicht leicht. Dabei ist es verhältnismäßig einfach, weil klar: Rohmilchkäse ist BESSER als Käse aus pasteurisierter Milch. Und zwar sowohl sensorisch, wie auch gesundheitlich und feinstofflich. Es ist gewissermaßen wie beim Wein. Wer bodenständigen Wein mit Charakter will, der Boden und Philosophie der Winzerin reflektiert, kommt nicht am biologischen oder biodynamischen Weinbau vorbei. Wer ebensolchen Käse herstellen will, wird sich mit dem Thema Rohmilch, konsequenterweise mit Bio-Rohmilch, auseinandersetzen. Beim FiBL-TastingForum 47 verkosteten wir Käse „au lait cru“, in Form von lebendigen Kunstwerken des Käsehandwerks.

FRISCHKÄSE (SCHAF) (FAMILIE NUART) Üblicherweise lebt Frischkäse nur bedingt von seinem Aroma. Es ist seine cremige Textur und die Frische, die uns begeistern. Beim Schaf-Frischkäse der Kärntner Familie Nuart (vulgo Hafner) ist es mehr als das. Hier kommt eine wunderschöne Heublumennote dazu. Der Frischkäse ist klarerweise immer der erste in der Saison. Wenn diese allerdings so fulminant weitergeht, können wir uns schon sehr auf die reiferen Kollegen, die da noch kommen, freuen. www.nuart.at

BÜFFELCAMEMBERT (ROBERT PAGET)

STEIRERKAS (FRIENERHOF) Er ist nicht jederfraus Sache. Nicht einmal annähernd, wie wir feststellen mussten. Der bröselige Steirerkas teilt die Gemeinde der Käsefreundinnen in zwei Teile so präzise wie Ockhams Rasiermesser. Nur dass die beiden Gruppen dann nicht wirklich gleich groß sind. Der Steirerkas ist ein Sauermilchkäse, lange gereift und von herausfordernder Optik. Am (dick bestrichenen) Butterbrot ist der Kas dagegen ein Traum. Eine Rarität, die Aufmerksamkeit verdient. www.bioferien.at/de/alle-betriebe/hotel-3378-frienerhof.html

TOGGORINO (FAMILIE EBERHARTER) Ziegenmilch, Biomilch, Rohmilch. Mehr Charakter lässt sich in Käse kaum abbilden. Doch, wenn man ihn im Felsenkeller reifen lässt. Länger, als die meisten anderen das tun. Der Toggorino ist ein Hybridwort aus Toggenburger (der Ziegenrasse) und Pecorino (dem toskanischen Schafkäsevorbild). Durch die Reife und die rastlose Arbeit vieler Kellermilben entsteht eine unvergleichliche Käse-Spezialität, die der Genießerin vor allem eines bietet: Umami bis zum Abwinken. www.alpbachtaler.at

Probieren Sie auch einmal die Kombination aus Honig und Käse. Sie werden mit Sicherheit rasch Ihre Lieblingskombination finden.

Robert Paget ist Käseliebhaberinnen natürlich kein Unbekannter. Seine Taleggios sind ebenso legendär, wie seine Mozzarella. Büffel klarerweise und gastro-ethisch kein Vergleich zu den Neapolitaner Großbetrieben. Bei der Verkostung hatten wir unter anderem den Camembert, Reifestadium quasi am Punktesten. Sieht – förmlich – aus, wie französischer Valençay, also mit gekappter Pyramidenspitze. Schmeckt atemberaubend gut und ein wenig nach frischen Waldpilzen. www.bufala-connection.at

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https://www.flickr.com/photos/105864147@N08/ sets/72157647268444274/ https://www.flickr.com/photos/105864147@N08/ sets/72157648853154064/ Reinhard Geßl und Jürgen Schmücking


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BIER ERREGT

TEURER „MÜLL“

Leserstimme: Frisches Bier und alter Krimskrams, BioFibel 4-2014 Die Verkostungsnotiz zum Wiener Bio-Bier erregt doch wahrlich meinen Widerspruchsgeist. Ich hatte vor kurzem am Craftbeer-Festival die Chance Herrn Gegenbauers Bier zu verkosten. Die Vorschusslorbeeren waren ebenso wie die Hoffnung auf was ganz Besonderes groß. 1. Ein lokales Bier aus meinem Heimatbezirk! 2. Bioqualität aus seltenen Getreiden – das wird gut! 3. Eigene Hefestämme ohne lange Transportwege aus Übersee oder sonst woher, auch sehr fein! 4. Der Name hat auch ein gewisses Renommee. Doch nach den ersten Schlucken machte sich schnell Ernüchterung breit. Die ganzen Früchte, die es in dem Bier zu schmecken gilt, sind mir im Obstsalat lieber als im Bier. Mein Kriterium ist immer noch: hab ich Lust auf mehr oder trink ich lieber doch ein anderes Bier. So war’s dann auch, die Hoffnung verflog, der Geschmack nicht erinnernswert und der Preis in keinster Weise gerechtfertigt. Hier wird versnobtes Biogetue schön sichtbar – Fantasiepreise inklusive nettem Marketing für ein Allerweltsprodukt – nein danke! Schade um die Gelegenheit.

Etwa ein Drittel aller Nahrungsmittel wird nicht konsumiert, sondern weggeworfen oder geht entlang der Wertschöpfungskette verloren. Neben dem Verlust immenser Mengen an Lebensmitteln bedeutet dies auch negative Auswirkungen auf die Umwelt und hohe Kosten für die Gesellschaft. Wie hoch diese Kosten tatsächlich sind legt die Welternährungsorganisation FAO nun erstmals in einer vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und der London School of Economics erarbeiteten Studie vor. Fazit: Die gesellschaftlichen Kosten von Nahrungsmittelabfällen sind enorm. Sie belaufen sich auf etwa 2,6 Billionen US-Dollar bzw. vier Prozent des globalen Bruttosozialprodukts pro Jahr und setzen sich wie folgt zusammen: Die direkten Produktionskosten betragen etwa eine Billion US-Dollar, die Umweltkosten (z. B. aufgrund von Treibhausgasemissionen oder Wasserverbrauch für Bewässerung) etwa 700 Milliarden und die sozialen Kosten (wie Gesundheitskosten) etwa 900 Milliarden. Während die direkten Kosten einigermaßen verlässlich abzuschätzen sind, sind die Umweltkosten und vor allem die sozialen Kosten deutlich schwieriger festzumachen. Die Autorinnen der Studie betonen daher, dass die vorliegenden Kostenabschätzungen sehr vorsichtig sind und in der Realität deutlich höher liegen dürften. Sie kommen auch zu dem Schluss, dass die mit den weggeworfenen Lebensmitteln verbundenen gesellschaftlichen Kosten am besten durch die Vermeidung von Nahrungsmittelabfällen gesenkt werden können. Dies gilt auch dann, wenn die Wiederverwertung des „Lebensmittelmülls“ teilweise sehr effizient organisiert werden kann.

Roland Pistora

Quelle: www.fibl.org ek

IMPRESSUM Bio-Fibel – Zeitschrift für Wissen aus der Biologischen Landwirtschaft: Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Freiland Verband für ökologisch-tiergerechte Nutztierhaltung und gesunde Ernährung; Doblhoffg. 7/10, 1010 Wien; Fon 01/4088809; Fax 01/9076313-20; e-mail: office@freiland.or.at; net www.freiland.or.at; DVR-Nummer 0563943; Chefredakteur: Dipl.-Ing. Reinhard Geßl (rg), Leiterin der Redaktion: Dipl.-Ing. Elisabeth Klingbacher (ek); Mitarbeit: Wilfried Oschischnig, Jürgen Schmücking (js), Roswitha Rabe; Redaktion: Forschungs­institut für biologischen Landbau (FiBL Österreich), Doblhoffg. 7/10, 1010 Wien; Fon: 01/9076313-0, net: www.fibl.org/de/oesterreich. Alle nicht anders gekennzeichneten Fotos: Geßl & Wlcek OG; Druck: gugler GmbH Melk; Layout: Geßl & Wlcek OG. Namentlich ge­kennzeichnete Artikel müssen nicht unbedingt der Meinung des Herausgebers entsprechen. Vertriebspartner: Adamah Biokistl. Offenlegung: Die Bio-Fibel ist zu 100 % im Besitz des gemeinnützigen Vereins „Freiland Verband für ökologisch-tiergerechte Nutztierhaltung und gesunde Ernährung“; Adresse s. o.; Eingetragen im Vereins­register der BPD Wien zu Zl.IV-SD/2063/VVM/94; DVR-Nummer 0563943. Die redaktionelle Arbeit erfolgt in engster Zusammen­arbeit mit dem gemeinnützigen Forschungs­verein „Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Österreich)“; Adresse s. o.; Grundlegende Richtung: Förderung einer ökologisch-tiergerechten Landwirtschaft und gesunden Ernährung. Information von Konsumen­tinnen und Konsumenten über die Vorzüge und Besonderheiten von Lebensmitteln aus Biologischer Landwirtschaft in Form von Interviews, Kurz­re­por­ta­gen und Tipps zum weiten Feld der Ernährung. Die Bio-Fibel wird unter anderem über Bio-Kisten der Bio-Hauszusteller sowie über den Bio- und Natur­kost­fachhandel in Österreich vertrieben. Die Bio-Fibel erscheint mindestens vier Mal im Jahr und ist kostenlos. Unter www.issue.com/freiland ist die Bio-Fibel jederzeit und weltweit lesbar. FREILAND-Spendenkonto: Erste Bank, AT502011100008210993, BIC/SWIFT: GIBAATWWXXX; Reichweite: 10.000 Leserinnen. Hinweis: Eine geschlechtergerechte Formulierung ist uns in der Bio-Fibel ein großes Anliegen. Da wir gleichzeitig eine gut lesbare Zeitschrift herausgeben wollen, haben wir uns entschieden, keine geschlechtsneutralen Begriffe zu verwenden, sondern alternierend entweder nur weibliche oder nur männliche Bezeichnungen. Wir sind uns dessen bewusst, dass diese Generalklausel einer geschlechtergerechten Formulierung nicht ganz entspricht, wir denken aber, dass die gewählte Form ein Beitrag zur publizistischen Weiterentwicklung für mehr sprachliche Präsenz weiblicher Begriffe sein kann.

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GENTECHNIK-FLÄCHE WÄCHST (ETWAS) ZÖGERLICHER

ATLAS ZUM JAHR DES BODENS

Weltweit wurden 2014 auf 181,5 Millionen Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Der Großteil der Fläche – etwa 90 % – entfällt auf gerade einmal fünf Länder: die USA, Brasilien, Argentinien, Indien und Kanada. Der Jahresbericht der als gentechnikfreundlich geltenden Organisation „International Service for the Acquisition of Agri-Biotech Applications“ (ISAAA) feiert den „Rekordwert“ und betont, dass die Anbauflächen seit 18 Jahren in Folge stetig zunehmen. Ein genauerer Blick zeigt aber auch, dass sich das Wachstum in den letzten Jahren deutlich verlangsamt hat: 2010 nahm die Anbaufläche gegenüber dem Vorjahr um 10 % zu, 2012 waren es noch 6 % und 2014 ergab sich lediglich ein Plus von 3,6 % gegenüber der Vorjahresfläche. Glücklicherweise sind immer noch 87,5 % der weltweiten Ackerfläche und 96,3 % der globalen landwirtschaftlichen Nutzfläche gentechnikfrei. Quelle: www.isaaa.org, www.weltagrarbericht.de ek

GRÜNE STÄDTE Die Artenvielfalt ist in Städten mit ausreichend Grünflächen höher als im intensiv genutzten Agrarland. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommen zwei Biologinnen der Universität Bern, die den Einfluss der Verstädterung auf die Biodiversität in sechs Schweizer Städten (Zürich, Basel, Genf, Bern, Chur und Locarno) erforscht haben. Die Wissenschafterinnen verglichen die Vielfalt baumbewohnender Käfer, Wanzen, Zikaden und Spinnen in den Städten mit den Beständen im umliegenden Agrarland. Die Artenvielfalt war mit durchschnittlich 39 Tierarten in grün geprägten Stadtteilen deutlich höher als im intensiv genutzten Agrarland, wo die Forscherinnen ebenso wie in den grauen Vierteln nur 29 Arten zählten. Sofern die urbane Landschaft ausreichend Grün bietet, kann der negative Einfluss der intensiven Landwirtschaft auf die Biodiversität größer sein als jener der Verstädterung. Die Forscherinnen sehen in diesem Ergebnis auch die Notwendigkeit, dass Städte ausreichend Grünelemente bieten müssen, wenn die negativen Effekte der allgemeinen Verstädterung auf die Biodiversität verringert werden sollen.

2015 wurde von der UNO zum „Internationalen Jahr des Bodens“ erklärt. Völlig zu Recht, denn Böden bilden nicht nur die Grundlage der Lebensmittelproduktion, sie filtern und speichern Wasser, regulieren - da sie nach den Ozeanen der größte Kohlenstoffspeicher der Erde sind - das Klima und beherbergen eine unendliche Vielzahl an Lebewesen. Dieses empfindliche und komplexe Ökosystem ist durch Ve r s i e g e l u n g , Erosion und Kontamination mit unterschiedlichen Schadstoffen in vielerlei Hinsicht gefährdet. Durch falsche Nutzung gehen jährlich weltweit rund 24 Milliarden Tonnen fruchtbarer Boden verloren, in Europa ist auf etwa 150 Millionen Hektar Erosion ein großes Problem. Auf die Bedrohung und die Bedeutung des Schutzes der Ressource Boden macht auch der aktuelle Bodenatlas aufmerksam, den die Heinrich-BöllStiftung, das Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Le Monde Diplomatique kürzlich veröffentlicht haben. Das 50-seitige Kompendium vermittelt nicht nur wesentliche Informationen zu Landnutzung und -verbrauch, es widmet sich auch anschaulich und informativ den unterschiedlichsten Problembereichen und Leistungen der wertvollen und dennoch häufig verkannten Ressource Boden. Nicht zuletzt wollen die Autorinnen zeigen, dass es sich lohnt, für eine gerechte und nachhaltige Land- und Bodenpolitik zu streiten und beim täglichen Einkauf auch an den Schutz der Böden zu denken. Der Bodenatlas steht als pdf unter www.boell.de gratis zum Download bereit bzw. kann bei der Heinrich-Böll-Stiftung online bestellt werden.

Quelle: Turrini, T.; Knop, E. (2015): A landscape ecology approach identifies important drivers of urban biodiversity. Global Change Biology; www.weltagrarbericht.de ek

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Quelle: www.boell.de ek


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MEHR BIO – WENIGER PESTIZIDE

NUR FÜR LAUSCHIGE MAINÄCHTE

Biolebensmittel enthalten – verglichen mit konventionellen Vergleichs­ produkten – bekanntermaßen deutlich weniger bzw. gar keine Pestizid­ rückstände. Um das in einer weiteren Studie zu belegen, haben Wissenschafterinnen anhand der Ernährungsgewohnheiten von Testpersonen deren Pestizidbelastung analysiert. Um die Belastung mit Organophosphaten (Insektizide, die in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt werden) zu bestimmen, analysierten sie Angaben zum Essverhalten von fast 4500 US-Bürgerinnen. Die Wissenschafterinnen untersuchten, welches Obst und Gemüse die Testpersonen in welchen Mengen konsumierten und verknüpften dies mit Daten des US-Landwirtschaftsministeriums zur durchschnittlichen Pestizidbelastung dieser Lebensmittel. Ihre Prognosen verglichen die Autorinnen mit der Pestizidkonzentration in Urinproben von Testgruppen, die ähnliche Mengen der angegebenen Obst- und Gemüsesorten verzehrten. Das Ergebnis: Die Menschen, die sich „oft oder immer“ mit Biolebensmitteln ernährten, wiesen deutlich geringere Rückstände an Organophosphat-Pestiziden im Urin auf als jene, die „kaum oder nie“ zu Bio griffen. In einem nächsten Schritt wollen die Autorinnen diese Ergebnisse nutzen, um den Zusammenhang zwischen dem Verzehr pestizidbelasteter Produkte und Gesundheitsfolgen zu untersuchen.

Knackiger Weißwein aus dem ökologischen Weingut Hoffmann − wegen der Säure, Traubensaft ebenfalls aus dem eigenen Weingarten − wegen der Süße, biozertifizierter Waldmeister-Extrakt − für das Aroma. Kohlensäure dazu und fertig! Die Maibowle ist kein tiefgründiger, komplexer Wein. Es soll im Mai aber auch Nächte geben, die ebenso wenig tiefgründig und komplex sind. Für diese Nächte ist die Maibowle gedacht. Und NUR für diese.

www.weltagrarbericht.de ek

BIO VEREINT TIROL Mit Fug und Recht kann Sterzing als Kompetenzzentrum der europäischen Joghurt-Kultur bezeichnet werden. In Bezug auf Joghurt wissen die Eisacktaler einfach, wo der Bartel den Most holt. Naheliegend, dass die Nordtiroler Biobergbauern mit ihren Südtiroler Kollegen gemeinsame Sache machen. Bio vom Berg ist eine große und erfolgreiche Bio-Marke. Der Schritt über die Grenzen ist genau betrachtet ein weiterer Schritt in Richtung Regionalität. Den Kunden kommt das zu Gute. Die Joghurt-Palette aus Tirol ist atemberaubend gut. Quelle: www.biovomberg.at js

Quelle: www.privatweingut-hoffmann.de js

IMMER SCHON VEGAN Auch wenn Veganismus und Kulinarik für Viele noch immer nicht zusammenpassen, ist es in den letzten Jahren durchaus schick geworden, tierfrei zu essen. Aus welchen Gründen auch immer auf tierische Produkte verzichtet wird – praktiziert wird Veganismus oft recht eindimensional, das zeigt die Selbstverständlichkeit mit der zu ethisch und ökologisch häufig sehr fragwürdig produzierten Soja- und Fleischersatz-Produkten gegriffen wird. Dass vegane Küche abseits von Zeitgeist, Klischees und hochverarbeiteten Ersatzprodukten nicht nur funktioniert, sondern auch geschmacklich überzeugt, zeigt Katharina Seiser in ihrem neuen Kochbuch „Immer schon vegan – Traditionelle Rezepte aus aller Welt“. Das schicke, in Leinen gebundene Buch versammelt über 70 internationale, seit jeher rein pflanzliche Rezepte – von der Vorspeise bis zum Nachtisch. Wichtigstes Auswahlkriterium: Sie müssen schmecken. Gegliedert nach Jahreszeiten und einem zusätzlichen Kapitel „Jederzeit“ werden unter anderem indische Tomatensuppe, steirischer Bohnensalat, georgische Melanzaniröllchen mit Walnüssen oder italienischer Traubenkuchen kredenzt – inklusive hilfreicher Tipps und Varianten, falls eine der benötigten Zutaten einmal nicht vorhanden sein sollte. Zusätzlich erklärt Katharina Seiser in elf einleitenden Genussnotizen wie der Geschmack ins Essen kommt. Die kulinarische Vielfalt der Rezepte und die herrlichen Bilder von Vanessa Maas zeigen, dass Veganismus nicht Verzicht auf Genuss bedeutet und machen sicher auch Fleischesserinnen Lust auf rein pflanzliche Küche. Brandstätter Verlag, www.brandstaetterverlag.com ek

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Wir bringen Bio nach Hause.“

Gerhard Zoubek

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