Bio-Fibel #25 04-2014

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BIO-FIBEL ZEITSCHRIFT FÜR WISSEN AUS DER BIOLOGISCHEN LANDWIRTSCHAFT

Eckhard Tasler – Der Supermarkt für Arme Biofisch – Hoch soll er leben! Rethink – Wissenschaftscomics für Bauern Auf Achse – Ölspurensuche in der Peloponnes

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EDITORIAL

LIEBE DEINEN NÄCHSTEN! Traditionell denken wir zumindest einmal im Jahr auch an die Armen. Wenn das letzte, eigentlich unnötige Weihnachtsgeschenk für die ungeliebte Mizzi-Tant gekauft ist, erwacht das schlechte Gewissen und man spendet gerne ein paar Euro. Großzügig schenkt man einem afrikanischen Esel für vier Wochen das Heu, einem asiatischen Mädchen Brot für drei Monate oder auch einem rumänischen Straßenhund einige Wochen Läusefreiheit. Spenden sind durchaus gut und zu befürworten, nicht nur weil das Geld tatsächlich irgendwo auf unserer Erde Leid und Not lindert, sondern weil es auch gemeinnützige Organisationen unterstützt. Das Angenehme am Spenden ist, dass man es von zu Hause aus, also in geschützter Umgebung, tun kann und es das sonst sehr schöne Wohlstandsleben nicht berührt. Blöd ist nur, dass die Armut viel näher herangerückt ist, als man dies gerne wahrhaben will. Österreich gehört zu den reichsten Ländern der Welt. Dieser Reichtum wächst, ebenso wie die Armut. Rund eine Million Österreicher sind arm oder armutsgefährdet. Zudem wird die Schere zwischen Arm und Reich immer größer, weil die Mittel immer problematischer verteilt werden. 70.000 Tonnen genießbare Lebensmittel werden in Wien jährlich vernichtet, während sich gleichzeitig über 300.000 Wiener das tägliche Brot nicht oder fast nicht mehr leisten können. Zum überwiegenden Teil trifft das Armutsrisiko alleinstehende Frauen, alleinerziehende Mütter und kinderreiche Familien. Vielfach sieht man das Existenz­bedrohende den Betroffenen nicht an, weil sie nicht dem Klischeebild „Sandler“ entsprechen. Mindestens 13, wahrscheinlich aber um die 20 Prozent der Österreicher gelten als arm oder armutsgefährdet. Statistisch gesehen könnte ich also jeden fünften, der mir auf meinen Wegen begegnet, mit Spenden bedenken. Er könnte das Geld für den Kauf von Lebensnotwendigem dringend brauchen. Dies tun wir natürlich nicht, erstens weil eben eine Statistik und zweitens überhaupt. Aber was tun wir konkret? „Meiner“ Roma vor dem Hofer etwas spenden? „Meinem“ Augustinverkäufer stets ein Exemplar mit Spende abkaufen? Jedem, der mich vor oder in der U-Bahn anbettelt, einen Euro zustecken? Ja, wir sollen das tun, denn wir könnten es uns leisten! Einige Wenige gehen aber viel weiter und investieren seit Jahrzehnten viel mehr, nämlich jeden Tag Engagement und Arbeitszeit, um Projekte aufzubauen und dann zu betreiben. Diese Menschen springen dort ein, wo der Sozialstaat versagt, wo andere Menschen gerne wegschauen. Einen davon haben wir für diese weihnachtliche Bio-Fibel-Ausgabe vor das Mikrofon gebeten. Seine Geschichte zu den Supermärkten für die Armen ist nicht nur absolut lesenswert, sondern soll auch Anstoß zur Nachahmung sein.

Reinhard Geßl, Herausgeber

INHALT Das braucht es nicht! 3 Regionale Vielfalt 9 Mein neuer Schwarm 11 Sitzenberg bringt mehr 13 Auf (Öl)Spurensuche in der Peloponnes 15 Mbege – Abenteuer Bananenbier 16 Frisches Bier und alter Krimskrams 18 Shortcuts 21-23 Impressum 23

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IM GESPRÄCH

DAS BRAUCHT ES NICHT! „Wer nichts arbeitet, soll auch nichts essen“ war schon immer Unsinn. In der Realität heißt es heute viel dramatischer: Auch wer viel arbeitet, hat oft nicht genug zum Essen. Immer mehr Österreicher leben unter der Armuts­grenze und können sich das Allernotwendigste nicht mehr leisten. Gut, dass es Supermärkte für Arme gibt.

Eckhard Tasler gründete bereits 1999 in Linz den ersten davon. Der Linzer Rechtsanwalt fand in den SOMA-Märkten seine ganz persönliche Lebensaufgabe. Schon lange vor Aufkommen der globalen Wirtschaftkrise erkannte er die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich, aber auch den Zusammenhang zwischen Überfluss und Überschuss. Aus dem Erkennen entstanden der erste Verein für Menschen mit geringem Einkommen und der erste SOMA-Markt, ein Supermarkt

für Arme. Die Idee ist einfach: SOMA organisiert Produkte, die leichte Verpackungsschäden aufweisen oder kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen und verkauft diese zu symbolischen Preisen an Menschen mit geringem Einkommen. Über 200 Unternehmen „entsorgen“ heute solcherart ihre Überschüsse sinnvoll über die Sozialmärkte. Derzeit betreuen 34 SOMA Märkte rund 60.000 Kunden in ganz Österreich. Und monatlich werden es mehr! Wir trafen den 66jährigen Anwalt der Armen im Café des Linzer SOMA-Marktes und plauderten über jene Momente, die ein persönliches Engagement unausweichlich machen, die unbarmherzige Demokratisierung der Armut, absurd kurz gehaltene Haltbarkeitsfristen, würdevolle und peinliche Almosensysteme, falsch verstandene Ehrungen aber auch über den Festtagsbraten der Ärmsten.

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IM GESPRÄCH

Herr Dr. Tasler, können Sie sich bitte unseren Lesern kurz vorstellen? Ich bin ein geborener Gmundener, Jus studiert habe ich in Wien. Danach begann ich in Innsbruck ein Zweitstudium – Volkswirtschaft, aber da war bald der Saft draußen. In Innsbruck hab‘ ich auch mein Gerichtsjahr gemacht. Und schließlich bin ich als Rechtsanwaltsanwärter nach Linz gekommen – ja, und hier habe ich seit 1979 meine eigene Rechts­anwalts­kanzlei. Mit welchem Fachgebiet? Zivilsachen, alles quer durch: Verkehrsunfälle, Scheidungen bis hin zu Asylverfahren. Sie sind in Ihrem Leben oft auf „soziale Abwege“ geraten. Weshalb engagieren Sie sich sozialpolitisch? Das ist eine grundsätzliche Einstellung von mir. Ich bin ein politisch denkender Mensch. Immer schon gewesen. Mich hat sogar die Polizei bei der Hausbesetzung fürs Linzer Frauenhaus „mitgeräumt“. Sie sind also ein Anwalt, der sich von der Polizei bei einer gesetzeswidrigen Hausbesetzung hinaustragen lässt? Ja, das war einfach notwendig. Sonst wäre bezüglich Frauen­ haus in Linz nichts in Gang gekommen. Mit dem Thema „Linzer Luft“ war es ja ähnlich: Da haben wir Kälberlungen aus dem Schlachthof geholt, diese mit Lebensmittelfarben dunkel eingefärbt und öffentlich auf Fleischerhaken präsentiert. Es sollte ein Gedankenanstoß für die Linzer Bevölkerung sein. Es hat in meinem Leben immer Bereiche gegeben, wo ich mich sozialpolitisch engagiert habe. Besonders gefreut hat uns, dass wir mit dem ersten, echten „integrierten Kindergarten“ in Linz das alte Kindergartensystem in Oberösterreich aufbrechen konn-

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ten. Das kann es doch nicht sein, diese strikte Trennung von beeinträchtigten und sogenannten „normalen“ Kindern! Der Landeshauptmann hat damals gemeint: „Das braucht es nicht! Wir nehmen euch die Kinder wieder weg!“ Aber wir haben uns durchgesetzt und erreicht, dass sich die Kinder in einem integrierten Kindergarten gemeinsam entwickeln können. 1999 haben Sie dann den nächsten Systemfehler in Öster­ reich korrigiert. Mit dem Sozialmarkt in Linz gab es erst­ mals auch für Arme eine leistbare Einkaufsmöglichkeit. Für die Gründung waren vor allem zwei Anstöße ausschlaggebend: Es wurden ja schon damals in Österreich unglaublich viele Lebensmittel einfach vernichtet. Schätzungen gingen damals von 250.000 Tonnen im Jahr aus. Das ist heute leider nicht anders. Völlig unvorstellbar, was wir an gutem Essen vernichten! Und auf der anderen Seite wird die Armut größer. Immer mehr Menschen können sich nicht einmal mehr die Lebensmittel kaufen, die sie für ihren täglichen Grundbedarf brauchen. Das waren damals wie heute unsere Ansatzpunkte für die Schaffung von Sozialmärkten – die Wegwerfproblematik und die steigende Armut. Da öffnet sich eine gewaltige Schere in unserer Gesellschaft. War das nicht politische Ketzerei – ein Supermarkt für Arme im Wohlfahrtsstaat? Auf Landesebene wurde das Projekt nicht gut aufgenommen. Überhaupt nicht. Aber der damalige Linzer Bürgermeister Dobusch hat gemeint: „Ich finde das Projekt super! Das unterstütze ich!“ Er hat uns auch für den Start 60.000 Schilling gegeben – sonst gab es aber keine politische Unterstützung. Wir sind auch ganz bewusst nicht zu den Behörden hausieren gegangen. Uns war die Unabhängigkeit besonders wichtig. Das ist bis heute ein Grundprinzip: Keine Abhängigkeiten!

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IM GESPRÄCH

Ein Sozialmarkt ist ein Mikrokosmos der Armut. Wer kauft bei Ihnen ein? Da gibt es gar nicht mehr die klassische Kundin oder den klassischen Kunden. Die Armut zieht sich bei uns bereits durch viele Gesellschaftsschichten. Aber natürlich sind darunter sehr viele alleinerziehende Mütter, Arbeitslose und Mindestrentner – und freilich auch einige Obdachlose. Sie sehen also täglich, wie die Armut in Österreich zunimmt? Ja, zweifellos. Wir merken das auch sehr deutlich an den ständig steigenden Einkaufsberechtigungen. Alleine bei uns in Linz sind bereits 11.978 Menschen einkaufsberechtigt. Und das ist man wann? Wer zu uns einkaufen kommt, muss beim ersten Mal einen Einkommensnachweis mitbringen. Da ist derzeit ein Richtsatz von 857,73 Euro festgelegt. Und wer weniger verdient, erhält eine Einkaufsberechtigung, einen Ausweis. Dieser muss bei jedem Einkauf vorgewiesen werden und wird von uns alle sechs Monate neu überprüft. Also, wenn jemand ein paar Euro drüber ist, haben wir freilich eine kleine Toleranzbreite…

mehr Armut und damit Arme haben wollen. Nein! Mir wäre viel lieber, die Menschen könnten sich in einem ganz normalen Geschäft ihre Lebensmittel kaufen. So gesehen ist es doch makaber, dass SOMA Linz vom Präsidenten der Wirtschaftskammer mit einem Wirtschafts­ preis ausgezeichnet wurde, oder? Ja, das stimmt schon. Wenn die Grundlage des Erfolges die Armut ist, wird es irrational. Sie werden auch von solchen Ehrungen kein Foto mit mir finden. Ich will was Gescheites machen und keine Hände schütteln. Was Gescheites sind Lebensmittel für Arme. Woher beziehen Sie diese überhaupt? Da haben wir in der Zwischenzeit über 100 Partner an unserer Seite. Eigentlich alle Großunternehmen und Marken­ unternehmen am Lebensmittelsektor, also Supermarktketten und Produzenten. Und die machen Ihnen dann einen humanen Preis? Nein, nein, gar keinen Preis! Alle Partner stellen uns die Waren völlig kostenlos zur Verfügung. Eines unserer Grundprinzipien

Bei knapp 12.000 Einkaufsberechtigten sind ja schon fünf Prozent der Linzer von Armut betroffen?! In der Realität sieht das noch schlimmer aus. Nach unseren Berechnungen wären sogar rund 40.000 Menschen in der Stadt betroffen. Sie meinen 20 Prozent Armut? Denken Sie doch an die ganzen Mindestrentner. Denken Sie an die vielen Verkäuferinnen, an die alleinerziehenden Mütter, die irgendwo einen Teilzeitjob haben und davon leben müssen. Schauen Sie sich doch einmal so einen Kollektivvertrag an. Diese Menschen verdienen meistens unter 860 Euro. Wenn man mit solch einem geringen Einkommen für Wohnen, Strom, Heizung und Kleidung auskommen muss, da bleibt ja selbst für einen Einkauf im Sozialmarkt nichts über? Bei unseren Preisen von 10, 15, 20 Cent kann man schon ganz schön was einkaufen. Dreimal in der Woche darf man mit einem Maximalbetrag von jeweils neun Euro einkaufen, also insgesamt um 27 Euro pro Woche. Verglichen mit einem normalen Supermarkt bekommen unsere Kunden um das Geld einen vielfachen Warenwert. Wie viele Leute kaufen bei Ihnen täglich ein? Die Zahl der Einkäufe steigt natürlich mit der zunehmenden Armut. Früher hatten wir ungefähr 150 Einkäufe am Tag, jetzt sind wir schon bei 250, oft auch 300 Einkäufen. Dabei wünschen Sie sich wahrscheinlich gar keine Kunden? So ist es. Es wäre ja irrational, wenn ich sagen würde: Ich wünsche einem SOMA Markt viel Erfolg. Damit würde ich ja noch

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IM GESPRÄCH

lautet: Kein Zukauf! Das stand von Anfang an in unserem Vereinsstatut.

uns jeden Tag kostenlos frischgebackene Ware zur Verfügung stellt. Die haben von Anfang an bewusst für uns gebacken.

Wie läuft die Warenbeschaffung logistisch ab? Die Partner rufen bei uns an und sagen, was sie gerade für uns haben. Und wir holen dann die Lebensmittel umgehend ab. Regional für unseren Markt machen wir das mit drei LKW selber. Überregional, im Netzwerk mit den anderen SOMA Märkten, braucht es natürlich eine andere Logistik. Es gibt ja unter dem Dachverein „SOMA Österreich“ an die 40 SOMA Märkte, die bei großen Warenannahmen überregional miteinander kooperieren und die Lebensmittel an die jeweiligen Märkte verteilen. Oft ruft ein Partner an und hat zehn, zwanzig Paletten, die sofort abgeholt werden müssen. Da helfen dann engagierte Gruppen ehrenamtlich mit – in Salzburg ist das zum Beispiel eine Seniorengruppe, in Wels die Volkshilfe, in Graz die Vinzigemeinschaft und in Niederösterreich die Emmaus­ gemeinschaft.

Sie weisen mit eigenen Schildern auf abgelaufene Waren hin. Sind Sie damit juristisch aus dem Schneider, falls was passiert? Nein, ganz und gar nicht! Wir haften dafür. Wenn da irgendetwas passiert, sind wir weg. Darum passen wir natürlich sehr genau auf und sind auch froh, dass der Lebensmittelinspektor immer kommt und uns von der Kühlung bis ins Regal kontrolliert. Sie haben sich doch selbst umgesehen: Wir versuchen für unsere Kunden den Einkauf und den Ablauf so angenehm wie möglich zu machen. Und ihnen natürlich die bestmögliche Qualität zu bieten. Ich will jetzt keine Namen nennen, aber es gibt in Österreich auch Almosensysteme, wo man den Leuten Kisten und Schachteln in ein hinterstes Eck stellt, damit niemand sieht, wer da hin kommt. Und dann müssen die Leute dort auch Erklärungen unterschreiben, dass sie die Sachen vorher kosten sollen, weil’s ja sein kann, dass sie ungenießbar sind. Da übernimmt dann niemand im Krankheitsfall eine Haftung. Sowas lehnen wir entschieden ab!

Einige Lebensmittel, die sie verkaufen, haben das Mindesthaltbarkeitsdatum schon überschritten, wie uns gerade bei einem Marktrundgang veranschaulicht wurde. Wie funktioniert das? Die Mindesthaltbarkeit vieler Lebensmittel wird aus wirtschaftlichen Gründen immer kürzer. Was früher bei manchen Produkten sechs Monate waren, sind heute gerade einmal drei Monate. Also haben unsere Partner oft auch Waren im Lager stehen, bei denen sich wegen der kurzen Mindesthaltbarkeit die Einlistung im Supermarkt gar nicht mehr lohnt. Diesen „Ausschuss“ bekommen wir dann. Aber wir haben natürlich auch Unternehmen, wie die Linzer Fischerbrot Bäckerei, die

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Eines ist uns beim Sortiment auch aufgefallen: Es gibt kei­ nen Alkohol und keine Zigaretten. Wir wollen keine Suchtmittel haben. Das ist auch in den Vereins­statuten so festgehalten. Alkohol ist doch ein Genussmittel und kein Suchtmittel. (Lacht ungläubig) Ich trinke gerne ein Glaserl Wein, aber ich halte den Alkohol in Österreich für eine legale Droge und

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das finde ich nicht akzeptabel. Über alles redet man hier, nur über den Alkohol nicht. Alkoholismus ist ein gesellschaftliches Problem und das möchten wir bestimmt nicht fördern. Gut, als Magazin für Bio-Konsumenten interessiert uns ohnehin mehr, ob Sie auch Bio-Lebensmittel anbieten? Da kommt es immer darauf an, was wir gerade bekommen. Der Bio-Bäcker Faschinger beliefert uns jeden Tag. Auch Denn’s Bio bringt regelmäßig Waren zu uns. Ansonsten hängt es davon ab, ob wir von den Großmärkten oder dem Unimarkt und der Pfeiffer-Gruppe auch Bio-Waren bekommen. Aber ehrlich gesagt, unser Bio-Angebot ist meist eher klein. Ist Bio bei Ihren Kunden überhaupt ein Thema? Es gibt schon Leute, die darauf schauen. Wie schon gesagt, viele kommen zu uns, denen würde niemand anmerken, dass sie ein geringes Einkommen haben. Einige ernähren sich sehr bewusst und schauen dementsprechend auch beim Einkauf drauf. Haben Sie bei Bio-Lebensmitteln höhere Preise? Nein, sowas machen wir nicht. Apropos Preise. Wie legen Sie die eigentlich fest? Wir haben einen Mitarbeiter, der schaut sich jeden Tag in der Früh im Internet die Preise bei allen Supermärkten an. Unsere Grundlinie ist dann ein Drittel oder ein Viertel der gängigen Supermarktpreise. Das geht dann manchmal auch bis zu einem Zehntel runter. Das Brot ist zum Beispiel meistens billiger, da gehen wir auf 10 bis 20 Cent runter. Grundlebensmittel wie Brot und Milch zu verschenken ist für Sie keine Option? Nein. Ein Lebensmittel soll immer einen Wert haben. Da schauen wir drauf. Was man verschenkt, ist nichts wert. Weihnachten steht vor der Tür. Haben Sie da für Ihre Kunden spezielle Angebote? Sie meinen, was für die Festtage wie einen Weihnachtsbraten oder Truthahn? In diese Richtung haben wir nichts. Da ändert sich unser Sortiment auch zur Weihnachtszeit nicht. Nachdem wir viel über Ihr ehrenamtliches Engagement erfahren haben, würde uns noch Ihr persönlicher Bezug zum Biolandbau interessieren. Von meiner Geschichte her habe ich keinen direkten Bezug zum Biolandbau. Also, meine Eltern waren nicht reich und wir sind immer sehr bewusst mit Lebensmitteln umgegangen. Da ich auf dem Land in der Nähe von Gmunden aufgewachsen bin, haben wir freilich auch einen gewissen Bezug zur Landwirtschaft gehabt. Vom Anbau und der Feldarbeit und wie das alles zusammenhängt. Aber zu meiner Zeit hat es noch fast keine Bio-Lebensmittel gegeben – schon daher war Bio bei uns zu Hause kein Thema. Erst später ist dann mein Interesse

für den Umweltschutz gewachsen. Also, dass ein Boden nicht durch Pestizide oder chemische Düngemittel zerstört werden soll, und auch nicht durch schwere Maschinen. Da habe ich dann verstanden, welche Arbeit und welcher Sinn im Biolandbau stecken. Dieses Verständnis hat sich durch meine Funktionstätigkeit bei einer Bio-Kontrollstelle vertieft. Mit diesem Bio-Hintergrundwissen werden Sie unsere schwierige Schlussfrage leicht beantworten können… … hoffentlich! Wie viele Bio-Lebensmittel stehen gerade in Ihrem Kühlschrank zu Hause? Fast ausschließlich Bio-Lebensmittel. Ich bin der Einkäufer bei uns. Wenn wir einmal etwas nicht Biologisches haben, dann für die Katze. Also, jetzt gerade würden Sie bei uns einen Liter Milch, zwei Sauerrahm finden… dann sind noch vier Fruchtjoghurts da. Und zehn Packerln Butter, weil ich so viel Butter für die Keksbacksaison kaufe. Meine Frau macht das dann. Ja, zehn Eier und zwei Packerln Feta sind auch noch drinnen. Alles Bio. Danke für das Gespräch! Reinhard Geßl und Wilfried Oschischnig

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Ika Darnhofer und Agnes Strauss vor ihrem leserfreundlichen Forschungszwischenbericht


BIO-WISSENSCHAFT

REGIONALE VIELFALT Auch in der Landwirtschaft singen sie das Mantra von Intensivierung und Expansion. Dass es in Sachen Lebensmittelproduktion aber erfolgreiche Alternativmodelle gibt, zeigen zahlreiche Bauern, die die fortschreitende Industrialisierung der Landwirtschaft kritisch hinterfragen.

So auch in Salzburg, wo über 50 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche biologisch bewirtschaftet wird. Die biologische Wirtschaftsweise erfordert neben umfassendem Wissen noch immer ein hohes Maß an Pioniergeist und Autonomie und birgt gleichzeitig großes Innovationspotential. Ein „fruchtbarer Boden“ für Ika Darnhofer und Agnes Strauss. Die beiden Wissenschafterinnen der Universität für Bodenkultur haben für ihr Projekt „Rethink“ den Salzburger Flach- und Lungau unter die Lupe genommen und analysiert, welche innovativen Wege landwirtschaftliche Betriebe einschlagen und wie eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums aussehen kann. „Unser Ziel war es, die vielfältigen Abläufe zu verstehen, die dazu beitragen, dass landwirtschaftliche Betriebe und ländliche Regionen gedeihen und resilient, also sowohl widerstandsfähig“ als auch „anpassungsfähig sind. Aber auch, wie es gelingt, sich trotz widriger Umstände positiv zu entwickeln“, erklärt Agnes Strauss die Intention des Projekts. Um das herauszufinden wurden Workshops organisiert und zahlreiche Interviews mit konventionellen und biologischen Betriebsleitern geführt. Dabei wurden auch unterschiedliche Betriebszweige und Bewirtschaftungsintensitäten berücksichtigt, um eine möglichst große Vielfalt abzubilden. „Mit Hilfe der Interviews wollten wir unter anderem erfahren, ob und wie die biologische Wirtschaftsweise die Resilienz von landwirtschaftlichen Betrieben stärkt. Außerdem gingen wir der Frage nach, welche Strategien Landwirte entwickeln, um mit Krisen, Widerständen und unvorhersehbaren Ereignissen umzugehen bzw. wie sie experimentieren und innovative Ideen umsetzen“, erzählt Ika Darnhofer. Neben den Landwirten wurde auch mit regionalen Akteuren unterschiedlicher Institutionen, Verbände und Initiativen über Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit der ländlichen Regionen diskutiert und besprochen, welche Auswirkungen der hohe Bioanteil auf regionale Netzwerke hat.

Die Workshops fanden dann getrennt für Männer und Frauen statt, ergänzt durch solche mit gemischten Gruppen junger Leute, um verschiedene Lebensperspektiven bestmöglich zu berücksichtigen. Es wurde über Grundwerte, Probleme und Ziele gesprochen und über Veränderungen, Handlungsmöglichkeiten sowie die Lern- und Anpassungsfähigkeit der Region diskutiert. Die Datenerhebung ist mittlerweile abgeschlossen, Kernbotschaften und Probleme wurden analysiert, nun erfolgt die detaillierte wissenschaftliche Auswertung. Im Rahmen der Abschlussworkshops mit allen Beteiligten wurden erste Ergebnisse zur Diskussion gestellt. Für die Wissenschafterinnen ein wichtiger Zwischenschritt, um dem Engagement der Beteiligten Respekt zu zollen und zu zeigen, wie der Input aus der Region „verwertet“ wurde. Statt fader Statistik-Grafiken wählten die Forscherinnen einen deutlich kreativeren Ansatz und stellten die Ergebnisse in Form von Comics und Kurzfilmen vor. Die Teilnehmer waren begeistert. Sie fanden sich und ihre Lebenssituation in der Ergebnisdarstellung der Comic-Poster wieder und konnten sich mit den Projektergebnissen identifizieren. Ein schöner Ansatz, der auch so manch anderem Projekt gut tun würde, um wissenschaftliche Ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vielleicht bewirkt „Rethink“ auch in diesem Zusammenhang ein „Umdenken“. Elisabeth Klingbacher

DATEN UND FAKTEN Projekt: Rethink − Farm modernisation and rural resilience. Projektleitung: Dr. Ika Darnhofer (BOKU). „Rethink“ ist ein internationales Forschungsprojekt mit Fallstudien aus 14 Ländern; weitere Infos: www.wiso.boku.ac.at/afo/forschung/rethink/ Infos: - Resilienz bezieht sich ganz allgemein auf die Fähigkeit, sich trotz widriger Umstände positiv zu entwickeln. Ein resilienter landwirtschaftlicher Betrieb oder eine resiliente Region weist daher folgende Eigenschaften auf: Standhaftigkeit, Anpassungsfähigkeit, Wandlungsfähigkeit.

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Der Bio-Karpfen singt Marc Mößmer ein Geburtstagsständchen


BIO-WISSEN

MEIN NEUER SCHWARM Die Arge Biofisch ist 20! Was einst recht chaotisch mit wenigen Waldviertler Fischbauern begann, ist heute ein professionelles Unternehmen. Der Mann dahinter, davor, auf der Seite, aber auch drüber und drunter ist Marc Mößmer.

In den Anfängen der Bio-Bewegung sprachen sich die charakterstarken Pioniere gerne mit drastischen Spitznamen an. So hieß beispielsweise der gewichtige Obstbauer „Pyramide“, der kantige Weinbauer wurde „Tod“ genannt. Marc Mößmer war einfach „Der Fisch“. Den Zusatz Bio konnte man sich gerne sparen, denn die Bio-Fische, vor allem die Bio-Karpfen und der studierte Fischwirt bildeten schon damals so etwas wie eine Symbiose. Begonnen hat alles im Waldviertel, mit einem einzigen Karpfenbauern. In den Wintermonaten fuhr Herr Mößmer Woche für Woche in den Norden, schlachtete dort ein paar Karpfen, fuhr mit diesen nach Wien und verkaufte sie am Markt. Um die Ware kühl zu transportieren, fuhr er einfach ohne Autoheizung. Die nächste „Ausbaustufe“ befand sich in einem Erdgeschoßlokal nahe der Mariahilferstraße. Eine kleine Hälterung ermöglichte erstmals Bio-Fischverkauf „on demand“. Der spaßbefreite Vermieter setzte der Initiative allerdings ein jehes Ende, als einmal vergessen wurde, über Nacht das Wasser abzudrehen und die Karpfen ihren Weg in die vermeintliche Freiheit gefunden hatten. Mit der Einmietung im berühmten Ragnarhof nahe dem Wiener Brunnenmarkt begann die ernsthafte Professionalisierung und Expansion. Heute findet man den Biofisch in einem künstlerisch anmutenden Hinterhof in der Wiener Bergsteiggasse aber auch in (fast) allen gut sortierten Genusshandlungen. Manch einer meint, dass es deutlich bessere Verkäufer ihrer Waren auf diesem Planeten geben soll. Einen weitsichtigeren, beharrlicheren, konsequenteren Entwickler von Richtlinien und Verordnungen zur ökologisch-tiergerechten Fischwirtschaft wird man allerdings nicht finden. „Ja, die BioFische, vor allem die Karpfen, liegen mir am Herzen − und deren gute Haltung und die umweltverträgliche Fütterung“ sagt Herr Mößmer bescheiden. Zuerst entwickelte er für seine Bio-Fischbauern zukunftsweisende Vorgaben. Die ersten Europas. Diese wurden ob ihrer Perfektion fast eins zu eins in die EU-Bio-Verordnung übernommen. Seit heuer hat auch

der internationale Demeterbund Fischrichtlinien. Raten Sie, wer die geschrieben hat und mit den Hütern der Steinerschen Lehren mühsam ausverhandelt hat. Richtig! Folglich erraten Sie auch leicht, wer der erste Demeter-zertifizierte Karpfenbauer und –vermarkter Europas ist. Sein tiefes Bio-Verständnis und sein unbedingtes Qualitätsstreben werden aber nicht einmal in der kleinen Biofisch-Szene von allen geschätzt. „Seine Ansichten sind zu radikal“, heißt es da ebenso wie, „ein paar Zugeständnisse sollte es da wie dort schon geben“. Marc Mößmer bleibt beharrlich: „Fisch ist derzeit in aller Munde, leider auch die Geschichten zu Überfischungen oder Schadstoffen in Meeresfischen. Mit den Skandalen hat die Bio-Teichwirtschaft dank der strengen Vorgaben und zudem laufenden Weiterentwicklungen nichts zu tun“, sagt Mister Biofisch mit sichtbarem Stolz. Etliche Bekannte essen wegen „grundelnder“ Festessen vergangener Tage grundsätzlich keinen Karpfen. Dabei täten diese Damen und Herren kulinarisch und ernährungsphysiologisch gut daran, sich dem unvergleichlich guten Biofisch „zu öffnen“ und das Weihnachtsessen mit einem traditionellen Bio-Karpfen zu begehen. Ich bin mir sicher: Sie hätten einen neuen Schwarm. Reinhard Geßl

ZAHLEN UND FAKTEN Arge Biofisch und Biofisch GmbH. Die österreichweite Arge engagiert sich seit 1994 für eine nachhaltige BioFischwirtschaft. Die Vermarktungsplattform ermöglicht es heimischen Biofischbauern, ihre Produkte auf direktem Weg und zu fairen Preisen zu verkaufen. Fangfrischer Biofisch ist auf den Wiener Bauernmärkten sowie in Bioläden und Restaurants erhältlich. Infos: - Die FAO schätzt, dass weltweit 57 Prozent der Speisefischbestände bis an die Grenzen genutzt und 30 Prozent überfischt oder erschöpft sind. - Der Fischratgeber sagt, welchen Fisch wir essen dürfen: www.greenpeace.org/austria/de/multimedia/Publikationen/ratgeber/fisch-ratgeber/ - Der rein vegetarisch lebende Karpfen ist mit Sicherheit der nachhaltigste Fisch, den wir in Mitteleuropa genießen können.

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Eva-Maria, Marlis und Theresa begutachten das Einkochergebnis im Schloss Sitzenberg


BIO-WISSEN

SITZENBERG BRINGT MEHR Geografisch liegt Schloss Sitzenberg im Städte­ dreieck Wien, Krems und St. Pölten. Hat man das Glück, die dort beheimatete „Höhere Bundes­ lehranstalt für Land- und Ernährungs­wirtschaft“ an einem nebligen Herbsttag besuchen zu dür­ fen, meint man das weit berühmtere britische Zaubererinternat Hogwarts anzusteuern.

Ähnlich mystisch erhebt sich nämlich das imposante, im 16. Jahrhundert erbaute Schloss aus dem flachen Tullnerfeld. So schaurig schön sich der Rahmen nach außen geben mag, so sehr prägt er auch den praktischen Schulbetrieb. Der lange als reine Mädchenschule geführten Ausbildungsstätte haftet durchaus ein etwas angestaubtes Image an. Je nachdem was man sich erwartet, ist das gut oder nicht so. Die Schuleröffnung erfolgte im Jahr 1951. Schon damals gab es in einem etwa zehn Fußminuten entfernten Gutshof einen Tiefstreustall für Rinder, eine Seltenheit in der damaligen Tierhaltungsrealität. Den Stall gibt es weitgehend originalgetreu noch immer. Heute sind darin zehn Kühe und deren Nachwuchs untergebracht, dazu noch zwei Haflinger. Ein Teil des praxisnahen Unterrichts besteht darin, ein Jahr lang für eine Kuh eine „Patenschaft“ zu übernehmen. „Mit dieser länger dauernden Begleitung sollen die Jugendlichen einen lebendigen Eindruck des biologischen Jahreslaufs bekommen“, sagt Ilse Strasser ebenso wie: „Intensive Tierhaltung, Melkroboter, große Maschinen mögen andere haben, wir in Sitzenberg stehen für tiergerechte Landwirtschaft mit einer guten MenschTier-Beziehung“. Frau Professor ist nicht nur für den landwirtschaftlichen Praxisunterricht und den spannenden Unterricht in den Fächern Biologie sowie Nutztierhaltung bekannt, sondern vor allem wegen ihrer innovativen und öffentlichkeitswirksamen Projekte außerhalb der eigentlichen Lehrinhalte. Mit dem dafür vergebenen Attribut „bunter Hund“ kann die umtriebige Pädagogin ganz gut leben.

So bietet sie mit der auf ihre Initiative dafür zertifizierten Schule „Tiergestützte Intervention am Bauernhof“ an. Dabei geht es kurz gesagt darum, dass unsere Nutztiere nicht nur die klassischen Leistungen erbringen, sondern auch Seelen trösten können und – im konkreten Fall – Kinder im sozialen Lernen zu unterstützen. In zwei weiteren Projekten innerhalb von „Green Care“ versucht sie erfolgreich die mannigfachen Fähigkeiten der Region aufzuspüren. „Unsere Gesellschaft hat sich vielfach von der Natur entfremdet. Garten‚therapie‘ und tiergestützte Intervention sind gute Möglichkeiten für landwirtschaftliche Betriebe, ein zusätzliches Standbein im sozialen Bereich aufzubauen“, ist Ilse Strasser überzeugt. „Die Diversifizierung der Landwirtschaft ist eine andere Möglichkeit, als nur immer weiter zu wachsen“. Schloss Sitzenberg ist jedenfalls die einzige höhere Schule in der Region Tullnerfeld – Donauland – Traisental. Mit „Freude an der Vielfalt“ sollte ein gutes Motto die Basis bilden, eine vielfältige Ausbildung mit naturwissenschaftlichen Grundlagen zu bieten, dies mit einer vielfältigen Praxis zu „erden“ und mit unterschiedlichsten Projekten positiv zu ergänzen. Wenn Schule kritische Denker hervorbringen soll, dann scheint Schloss Sitzenberg eine gute Adresse dafür zu sein! Reinhard Geßl

ZAHLEN UND FAKTEN HBLA Sitzenberg: Höhere Bundeslehranstalt für Land- und Ernährungswirtschaft Schloss Sitzenberg, Direktorin DI Rosa Raab, www.hlfs-sitzenberg.at Infos: - In Österreich stehen elf Standorte für die höhere und 96 Standorte für die mittlere land- und forstwirtschaftliche Ausbildung zur Verfügung. Diese Schulen werden von ca. 17.000 Schülern besucht. - Mit dem Projekt „Green Care“ wird seit März 2011 die Lebensmittel- und Umweltkompetenz der österreichischen Landwirte um eine soziale Komponente erweitert.

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JS AUF ACHSE

AUF (ÖL-) SPURENSUCHE IN DER PELOPONNES Zäumen wir das Pferd – oder besser: den Esel – ausnahmsweise von hinten auf. Am letzten Abend einer intensiven Woche in der Peloponnes wurden Würste gegrillt. Das ist für Griechenland unge­ wöhnlich. Die Küche des Landes ist bekannter­ maßen fleischlastig. Kein Aufenthalt in Griechen­ land ohne (meist mehrfachen) Besuch in einer Braterei. Souvlaki, Stifado und Bifteki gehören genauso dazu wie der Kitz- oder Lammbraten, den die Frauen in den entlegenen Bergdörfern nach dem Brotbacken in den Dorfofen schieben. Nur die Wurst haben sie nicht erfunden, die Hellenen.

Umso erfreulicher finde ich die Entdeckung der Loukaniko, einer fein geräucherten, groben Wurst mit Orangenschalen, Throubi und Majoran. Diese Rezeptur hat in der Mani bereits Tradition. Sie besteht zu halben Teilen aus Schwein und Lamm, die Orangenschale gibt der sonst recht deftigen Wurst eine fast filigrane Note und Throubi (θρουμπi) ist überhaupt das griechischste aller Kräuter. Geräuchert wird über Zypressenholz und Salbei. Gegrillt wurde über offenem Feuer im ehemaligen Lagerraum einer alten Ölpresse in Malta, einem verschlafenen Bergdorf unweit der Straße zwischen Kardamyli und Kampos.

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Die Presse (und auch der Lagerraum) haben Geschichte. Hier hat Fritz Bläuel sein erstes Öl gepresst und gelagert, bevor er es im VW-Bus nach Wien gebracht hat. Der Reihe nach. Besagter Fritz ist in den frühen 70er Jahren als sozusagen 68er in der Peloponnes gelandet, um in einer Kommune zu leben. Allerdings hatte der junge Mann nicht nur Systemkritik, Selbstversorgung und die Suche nach einer neuen Lebensweise im Sinn, sondern auch ein gutes Gespür für Qualität und Geschäft, und so ist aus dem Aussteiger ein Einsteiger ins Ölgeschäft geworden. Und aus seinem Familien­ unternehmen mit der Mani Bläuel GmbH eines der größten (Bio-)Olivenunternehmen Europas. Es ist Herbst, und in der Mani herrscht rege Betriebsamkeit. In den Olivenhainen (es gibt verblüffend viele davon in dieser Region) werden grüne Netze ausgelegt, um die herabfallenden Oliven einzusammeln. Die Früchte, aus denen das fruchtig duftende Öl gepresst wird, sind überwiegend grün und unreif. Direkt vom Baum verkostet, schmecken sie bitter und grasig. Direkt aus der Presse geschöpft, vermag das frisch gepresste Olivenöl ein Lächeln auf die erschöpften Gesichter der Bauern zu zaubern. Geerntet wird übrigens mit allem, was hilft, die Oliven vom Baum zu bringen. Zweijährige Äste werden mit Motorsägen an langen Stielen abgeschnitten. Wenn sie am Boden liegen, kommen Helfer und legen die Äste über eine kleine Maschine, die die Oliven von den Ästen fetzt. Oder

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JS AUF ACHSE

modern gleichermaßen, vegetarisch, hundert Prozent bio und ausgesprochen köstlich. Zu guter Letzt noch eine vinophile Entdeckung. Wer in Athen landet (oder an den Häfen in Piräus oder Patras anlegt) und in den Süden der Peloponnes möchte, muss an Tripoli vorbei. Das ist ein lebendiges kleines Städtchen mit spannenden Kafenions. Fährt man von hier weiter nach Osten, ist man schnell in den Weinregionen Nemea und Mantinia. Letztere ist die Heimat der griechischen Rebsorte Moschofilero. Der Biowinzer Epanimodas Spiropoulos hat sich mit Leib und Seele dem Moschofilero verschrieben und zeigt von leichten, unkomplizierten Weinen mit hohem Trinkspaßfaktor hin zu komplexen Reserve-Weinen, welch ungeheures Potential in der Rebsorte steckt. Der Astála, ein Moschofilero von einem kleinen Weingarten am gleichnamigen Berg, ist eine Zierde seiner Art. Jürgen Schmücking Weitere Fotos siehe: https://www.flickr.com/photos/schmuecking/sets/72157649542951831 und https://www.flickr.com/photos/105864147@N08/ sets/72157647227786994/.

Mani Sonnenlink bietet auch 2015 in den letzten beiden Novemberwochen Olivenpflück-Seminare an. Infos: http://mani-sonnenlink.com/mani-sonnenlink/Bio-Hotel-de.html

Fotos diese Seite: Jürgen Schmücking

sie zupfen die Oliven mit kleinen Rechen von den Zweigen. Mit einem Werkzeug, das wie eine Heugabel mit beweglichen Zacken aussieht, werden kleinere Äste gerüttelt. Auch hier fliegen die Oliven in hohen Bögen von den Bäumen und sammeln sich in den großen Netzen am Boden. Was Stunden später aus der Presse läuft, ist an Frische und Intensität kaum zu überbieten. Frisch geschnittenes Gras, grüne Banane und hin und wieder ein Ton, der an Paradeiser erinnert. Das Spektrum der Koroneiki-Öle der Mani ist vielfältig und spannend. Sie sind intensiv und aromatisch. Nur eines sind sie nicht: bitter. Frisch gepresst ist das Öl von Mani intensiv im Aroma und mild am Gaumen. Mit der Zeit geht ein Teil dieser Frische natürlich verloren. Ein Tipp, die kräftigen Noten nach Zitronenschale und frisch gemähtem Heu möglichst lange zu erhalten, ist, das Öl zu kühlen: das Öl in flachen Behältern im Kühlschrank aufbewahren und bei Bedarf wie Butter verwenden. Als Domizil bietet sich übrigens Mani-Sonnenlink an. Das BioHotel auf dem Hügel über dem Fischerdorf Agios Nikolaou bietet einen Ausblick der Extraklasse. Vorbei an den Bergen im Osten über die Olivengärten hinweg auf das Ionische Meer. Das Hotel liegt mit Blick nach Westen, sodass man an sonnigen Tagen (und das sind über 300 im Jahr) ein wahres Naturschauspiel genießen kann: einen atemberaubenden Sonnenuntergang mit unendlich vielen Facetten, Nuancen und Reflexionen. Die Küche im Sonnenlink ist traditionell und

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JS AUF ACHSE

MBEGE – ABENTEUER BANANENBIER Craft beer wohin das Auge reicht. Kleine Produktion, großer Geschmack heißt die Devise. Aus seltenen Getreidesorten gebraut, mit Kräutern, Speck, Kaffee oder Maroni verfeinert, hochprozentig oder gehopft bis zur bitteren Neige. Ich war felsenfest überzeugt, alles zu kennen.

Bis zu jenem Nachmittag im November. Im Schatten eines großen Mangobaums am Fuß des Kilimanjaro wurden kleine Kübel mit grau-brauner Brühe herumgereicht: Mbege, das Bananenbier der Chagga. Die Straße oder besser die Piste zur Plantage ist aus roter Erde und unbefestigt. Mit einer unnachahmlichen Mischung aus wachsamer Geschicklichkeit und stoischer Geduld manövriert der Fahrer sein Fahrzeug um knietiefe Schlaglöcher und Steine von respektablen Ausmaßen herum. Die Luft im Bus ist trüb vom aufgewirbelten Staub, die Augen brennen. Die

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Sehnsucht nach Schatten, frischer Luft und einem kühlen Bier ist groß. Im Herzen der Bananenplantage steht ein gewaltiger Mangobaum. Rund um diesen Riesen haben die Bauern aufgetischt. Es gibt grüne, gelbe und rote Bananen. Roh, um die (enormen) Unterschiede zu schmecken. Aus den Töpfen und Kesseln dampft der süßliche Duft gekochter, gebratener und geschmorter Bananen. Im größten Kessel brodelt ein Fleischeintopf mit Reis und Süßkartoffeln. Das Fleisch kommt von der Ziege. Und etwas vom Rind. Mehr wollen wir nicht wissen. Es ist ausgezeichnet. Deutlich erkennbar ist jedenfalls, dass eine gute Portion Herz dabei ist. Grob gehackt und weich geschmort. Zu trinken gibt es Wasser, kühlen Bananenwein in Flaschen (sauber, fruchtig, spritzig; wie herber Apfelcidre) und Mbege. Das Gebräu wird aus großen in etwas kleinere Kübel geleert, aus

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das Rindenextrakt eines Oleanderbaums, um den Gärprozess etwas einzubremsen. Vergoren wird übrigens ausschließlich mit natürlichen Hefen, die in der Plantage vorkommen. Als Starthilfe für die Gärung dienen die Schalen der verwendeten Bananen. Geschmacklich ist das Bier eine neue Erfahrung. Zuerst ist da die Hirse, dann der Alkohol. Beides sehr derb, dumpf und rustikal. Dann, wenn die ersten kräftigen Züge schon runtergeschluckt sind, kommt die Banane. Süßlich, versteckt. Von hinten herum. Mbege ist kein kulinarischer Hochgenuss. Auch für die Chagga und Maasai nicht. Das sind unsere Krügel Bier beim Zeltfest aber auch nicht. Die Funktion ist eine andere. Hier wie da. Jürgen Schmücking

Fotos: Jürgen Schmücking

denen das Bier getrunken wird. Schätzungsweise etwas mehr als eine Maß Bier. Die Farbe ist graubraun, von Klarheit keine Spur. Es sieht vielmehr aus, als hätten sich die Schlaglöcher auf der Anfahrt mit Regenwasser gefüllt. Auf der Oberfläche schwimmt eine breiartige Masse, ein fester Schaum, dem man die Spuren der Fermentation deutlich ansieht. Der Humpen macht die Runde. Ein paar Kollegen lassen den Kelch diskret vorüberziehen oder nippen aus Höflichkeit. So trinkt man aber Mbege nicht. Normalerweise würde ich sagen, so lassen sich auch die Feinheiten nicht schmecken. Darum geht es aber nicht. Mbege ist ein erfrischendes Getränk mit sozialem Stellenwert. Keine Hochzeit, kein Begräbnis und kein Kuh-Handel ohne Mbege. Außerdem können gerichtliche Strafen mit Mbege bezahlt werden. Das führt dazu, dass in fast jeder Hütte gebraut wird. Grundlage für die Herstellung sind reife Bananen, Hirse (das eigentliche „Mbege“) und Msesewe,

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GUTER GESCHMACK

FRISCHES BIER UND ALTER KRIMSKRAMS Was den Österreichern ihre traditionellen Getreide­sorten sind, sind den Korsen die Maroni. Da Mensch aber nicht vom Mehl alleine lebt bzw. auch einmal das trockene Mundgefühl lindern will, ist ein Bier gar keine schlechte Idee. Die Tasting_foren 39-41 nahmen sich dem Bedürfnis an und es war gut so.

MARONIBRATEREI Was gehört zum Herbst wie die zarten, grünen Wildkräuter zum Frühling? Richtig! Maroni. Edelkastanien spielen in Österreich nun nicht gerade eine prominente kulinarische Rolle. Das ist mehrfach erstaunlich und auch schade: Zum Einen waren die stärkereichen und fettarmen Früchte in den Bergregionen Südeuropas vor gar nicht allzu langer Zeit das Hauptnahrungsmittel der Landbevölkerung, zum Anderen werden mit den Esskastanien eine Vielzahl interessanter

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Lebensmittel handwerklich hergestellt. Beim Tasting_forum 39 „Maronibraterei“ wurde dem kulinarischen Herbst gefrönt und nicht nur ganz frische Maronen in den Ofen geschoben, sondern vor allem die Vielfalt der daraus hergestellten Köstlichkeiten ausgestellt und verkostet. An dieser Stelle sei exemplarisch eine Spezialität aus Korsika vorgestellt.

PIETRA (BRASSERIE PIETRA, KORSIKA) Tradition hat das Bierbrauen auf Korsika nicht. Kastanien dagegen sehr wohl. Also beschloss ein findiger Korse, der beim Bier nicht auf Importe vom Festland angewiesen sein wollte, sein eigenes Bier zu brauen. Mit Erfolg, denn das Pietra schmeckt grandios gut. Im Unterschied zu anderen Kastanienbieren kommt das Maronimehl schon vor der Gärung

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GUTER GESCHMACK

in die Maische. Einziger Wermutstropfen bei der ganzen Geschichte? Es gibt zu wenige Bio-Kastanien auf Napoleons Insel, um das Ganze auch in Bio einzubrauen. www.brasseriepietra.com

FRISCHER WIND FÜR ALTE SORTEN Mit den Type-Bezeichnungen auf den Mehlpackerln haben wir uns schon anfreunden können. Zumeist wissen wir für welche Zubereitung das W480 oder das 700er Mehl bestens geeignet sind. Seit Kurzem lachen uns aber im Bioladen auch Nacktgerste, Schwarzhafer, Einkorn, Roter Weizen, Roter Emmer, Ur- und Waldstaudenkorn an. Dass diese als „altes Getreide“ bezeichneten Früchte des Ackers sehr gesund sein sollen, freut die Ernährungswissenschaft, ist aber nicht unbedingt das lustmachende Kaufargument. Es bleiben nämlich die entscheidenden Fragen: was kann ich damit Gutes kochen, wozu schmecken diese alten Getreidesorten am besten und was muss ich sonst dazu noch Interessantes wissen?

Die Tasting_foren 40 und 41 gaben darauf nicht nur theoretische Antworten, sondern begeisterten vor allem durch Kostproben aus der Naturküche des Haubenkochs Johann Reisinger. Wie sagte er so schön: „Am besten, man verkocht nur ursprüngliche und unverfälschte Elemente – Lebensmittel, bei denen nichts hinzugefügt, erzwungen oder korrigiert worden ist. Bestenfalls fügt man auch in der Küche nichts hinzu, sondern nur zusammen, was für den Genuss zusammengehört. Und was dann auf dem Tisch steht, ist natürlich eine radikale Küche – nämlich eine radikal natürliche Küche.“ Zu einer solchen Küche gehören auch radikale Bio-Biere, die natürlich ebenso aus alten Getreidesorten eingebraut wurden.

WILDSHUTER SORTENSPIEL (STIEGL-BRAUEREI, SALZBURG) Im Wildshuter Sortenspiel finden wir gleich eine ganze Reihe alter Getreidesorten. Dinkel, schwarzer Hafer, Emmer und Einkorn liefern die Basis für ein vollmundiges, kraftvolles Bier mit frischer, hefiger Note. Der Mühlviertler

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GUTER GESCHMACK

WIENER BIO-BIER (ESSIGBRAUEREI ERWIN GEGENBAUER) Aromahopfen sorgt für ausdrucksstarken Ton und herbe Frische im Antrunk. Zum Glück gibt es das Bier nur in großen Flaschen. Und – noch ein Glücksfall – es ist vom Monatsbier zum Jahresbier avanciert. Also quasi immer verfügbar. www.stiegl.at/de/sortiment/hausbiere/wildshuter-sortenspiel

HERRSCHAFTS PIER (BRAUEREI HOFSTETTEN) Was passiert, wenn man beim Dachboden aufräumen auf alten Krimskrams und Dokumente aus längst vergangenen Tagen stößt? Entweder man entsorgt das Zeugs „ungeschaut“ oder man schaut sich das genauer an. Letzteres hat sich für Brauereichef Peter Krammer gelohnt. Immerhin war eine „Pier- und Präuhausrechnung“ aus dem Jahr 1720 dabei. Krammer sah, rechnete und braute. Dafür hat er sogar einen uralten Hefestamm aufgetrieben. Heraus kam ein Bier, das es in sich hat. Ein Ale mit fruchtiger Note und würzigem Abgang. www.hoftstetten.at

Das Überraschende am Bier vom berühmten Essigbrauer ist weniger, dass es ein Essigbrauer macht. Die Prozesse sind sich nämlich ähnlicher als vermutet. Außerdem kann Gegenbauer auf eine stattliche Sammlung von Hefen zugreifen. Keine schlechten Voraussetzungen für ein ordentliches Bier. Überraschend sind vielmehr die zauberhaft fruchtigen Noten und die beeindruckende Komplexität, die da aus dem Bierglas strömen. Erdbeere, Himbeermark und zarter Blütenduft auf der einen Seite. Zimt, Kardamom und Nelke auf der anderen. www.gegenbauer.at

Wer also essensmäßig sowohl auf Maroni als auch auf alte Getreidesorten verzichten kann, aber dennoch auf die vielen wertvollen Inhaltstoffe reflektiert, kann sich mit dieser kleinen Auswahl schon einmal ganz gut behelfen. https://www.flickr.com/photos/105864147@N08/ sets/72157648827192372/ https://www.flickr.com/photos/105864147@N08/ sets/72157649133347631/ Reinhard Geßl und Jürgen Schmücking

R e c h b e r g’s F r ü h e r • E b n e r s R o t k o r n • D i n k e l S e l e k t i o n M e i e r h o f w e i s s • S c h wa r z h a f e r • N a c k tg e rsteausTirol•NackthaferSelektionMeierhof• T e x i n g e r B e r g w e i z e n • S c h wa r z e rW i n t e r e m m e r • WeisserSommeremmer•Edelblut•KärntnerHai d e n • R u s s i s c h e S c h wa r z g e r s t e • S i b i r i s c h e r R o g g e n • Wa l d v i e rt l e rWa l d s tau d e ko r n • L e o n h a r d erSommerroggen•EinkornKolm•Vorarlberger Einkorn•IsraelischerRauhweizen•Kolbenwei zenSel ektionMeierhof•Da sip yrum•Tartaris ch erBuchweizen•Bl aueNacktger ste•AlteBadFis c h au • G r ü n e W i c k l i n s e • S c h wa r z e L i n s e • W e i s s e Wicklinse•PannonischeWicke•WeisseErbse•Et r u S k e r • C a p e l l i • S cUrgetreide-Müsli h u l a • B r a u n zUM e r WKochen interemmer R e c h b e r g ’ s F r ü h e r •inE b6 n ersRotkorn•DinkelSele sorten k t i o n M e i e r h o f w e imit s sFrüchten, • S c h Nüssen, w a r zKräutern h a f e &rGewürzen. •Nacktge r s t e a u s T i r o l • N a c Ohne k t hZuckerzusatz. a f e r S e l Ohne e k t Honig. i o n MOhne e i eWeizen. rhof • T e x i n g e r B e r g w e i z e n • S c h wa r z e rW i n t e r e m m e r • W e i s s e r S o m m e r e mUrgetreide, m e r • E d ewaldviertler l b l u t • K ä reis*, rntnerHa i d e n • R u s s i s c h e S c hnUdeln, w a r z Mehl, g e r sgriess, t e • S ifrUchtriegel birischerRo g g e n • W a l d v i e r t l e *geschliffenes r W a l d s tund a u d e k oUrgetreide rn•Leonhar d e r S o m m e r r o g g e n •inEvielen i n kSorten o r n Kpoliertes olm•Vorarlberge rEinkorn•IsraelischerRauhweizen•Kolbenwe i z eBio-Fibel n S4/2014 e l e k t i o n M e i e r h o—f20 •— D a s i p y rwww.meierhof.at um•Tartaris c herBuchweizen•Bl aueNacktger ste•AlteBadFi

Bio Urgetreide-Porridge


SHORTCUTS

ERNÄHRUNGSWANDEL FÜR GESUNDHEIT UND UMWELT

SLOW FOOD GENUSSFÜHRER DEUTSCHLAND 2015

Und wieder zeigt eine Studie: Eine gesündere Ernährung kann auch die durch die Lebensmittelproduktion verursachte Umweltbelastung erheblich reduzieren. Die im Nature erschienene Arbeit analysierte Ernährungstrends, Umweltfolgen der Landwirtschaft, ernährungsbedingte Krankheiten sowie das Bevölkerungswachstum der 100 bevölkerungsreichsten Länder in den letzten 50 Jahren und zeigte: Seit 1961 konsumierten die Menschen mit steigendem Einkommen in weiten Teilen der Welt mehr Fleisch und „leere Kalorien“ in Form von nährstoffarmen Produkten mit hohem Energiegehalt. Die Prognosen zeigen, dass wir bis 2050 noch weniger Obst und Gemüse, aber 60 Prozent mehr „leere Kalorien“ und 25-50 Prozent mehr Schweine-, Geflügel- und Rindfleisch, Milchprodukte und Eier essen werden. Dies begünstigt das Auftreten von Diabetes, Herzkrankheiten und anderen Erkrankungen, die die Lebenserwartung senken. Die Beibehaltung der jetzigen Ernährungsweise würde bis 2050 zu einem Anstieg der Treibhaus­­gasemissionen aus der Lebensmittelproduktion um 80 Prozent und zur Zerstörung von Lebensräumen führen. Die Studie verglich die „allesfressende“ Ernährung mit der traditionellen mediterranen Küche. Ein Wechsel zur Mittel­ meer­ küche könnte laut Studienautoren im Vergleich zur „Allesfresser-Ernährung“ das Auftreten von Diabetes um 16-41 Prozent, Krebs um 7-13 Prozent und Todesfälle aufgrund von Herzkrankheiten um bis zu 20 Prozent senken. Zugleich könnten diese Ernährungsformen die Treibhausgasemissionen und die Zerstörung von Lebensräumen, die durch die Fort­ führung gegenwärtiger Ernährungstrends drohen, deutlich reduzieren. Die Wissenschafter unterstreichen: „Die gleichen Änderungen der Ernährungsgewohnheiten, die unser Leben um ein Jahrzehnt verlängern können, würden auch dazu beitragen, massiven Umweltschäden vorzubeugen.“

„Die Schätze der deutschen Küche sind nicht so leicht zu finden“ heißt es im Geleitwort zum neu erschienenen zweiten Genussführer von Slow Food Deutschland. Diesen Satz mag man als Österreicher durchaus doppeldeutig verstehen. Nun ist es aber so, dass die kulinarischen Schatzsucher offenbar sehr erfolgreich waren, denn der neue Führer listet über 400 getestete und somit von Slow Food-Deutschland empfohlene Wirtschaften und Gaststätten auf. So ist die Deutschlandkarte gleichmäßig und dicht mit Landmarken versehen, die es lohnt, bei der nächsten Deutschlandreise gezielt anzusteuern. Das Buch mit der roten Schnecke führt einen mit Sicherheit an Orte, an denen man regionale Produkte ebenso kredenzt bekommt, wie man interessante Produzenten und Manufakturen kennenlernen kann. Ein Wermutstropfen bleibt: Wer gezielt nach Bio-Adressen sucht, bekommt die Informationen erst nach genauem Studium des ansonsten sehr praktischen Büchleins. Oekom-Verlag, www.oekom.de rg

Wir bringen Bio nach Hause.“

Gerhard Zoubek

Quelle: Tilman, D. und Clark, M. (2014): Global diets link environmental sustainability and human health. Nature, doi:10.1038/nature13959. ek

Im ADAMAH BioKistl liefern wir Ihnen frisches BioGemüse und eine Fülle an weiteren BioLebensmitteln - ganz bequem direkt nach Hause und ins Büro. Kosten Sie jetzt unsere herbstliche Vielfalt! www.adamah.at // tel. 02248 2224


SHORTCUTS

EIN GUTER TAG HAT 100 PUNKTE

UNKRÄUTER AUF DEM VORMARSCH

Stellen Sie sich vor, Sie haben als tägliches Budget nicht nur 100 Euro, sondern auch 100 Punkte verfügbar. Um € 100,- können Sie sich in unserer billigen Warenwelt zwar reichlich bedienen, doch je billiger Sie kaufen, desto rascher sind jene Punkte aufgebraucht, die Ihnen als erträgliches Maß für den Ausstoß klimaschädlicher Gase zur Verfügung stehen. Der Journalist Thomas Weber hat das findige Konzept der vorarlbergerischschweizer Initiative EinguterTag.org als Ausgangspunkt für ein Buch genommen, um darin ohne erhobenen Zeigefinger aufzuzeigen, wie es gelingen kann, modern und gut zu leben und dabei gleichzeitig auf Nachhaltigkeit zu achten. Auch wenn manch eine der zahlreichen inspirierenden Ideen und inspirierten Initiativen nicht ganz unbekannt scheint, so lohnt die Lektüre des Buches jedenfalls, denn im Moment verbrauchen wir – im vollen Bewusstsein – im Durchschnitt 450 Punkte pro Tag. Ein guter Tag hat (aber nur) 100 Punkte und ist der Titel dieses empfehlenswerten Buches.

Herbizidresistente Unkräuter stellen Landwirte in Nord- und Süd­ amerika vor enorme Probleme und bedrohen die Ernten. Doch auch in Europa entwickeln Unkräuter und Schädlinge zunehmend Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel, vor allem gegen das Total­herbizid Glyphosat. Das US-Landwirtschaftsministerium meldete 2013 bereits auf 28 Millionen Hektar glyphosatresistente Unkräuter. So kann etwa das in den USA weit verbreitete Fuchsschwanzgewächs Amaranthus palmeri Erträge im Soja­ anbau um bis zu 78 Prozent und bei Mais um bis zu 91 Prozent senken. Um die Unkräuter in Schach zu halten, müssen Landwirte von Hand jäten oder sie greifen zu noch mehr Herbiziden – darunter auch ältere und giftigere. Das Aus­maß der Resistenzbildung jenseits des Atlantiks wird auf den Anbau gentechnisch veränderter, glyphosatresistenter Pflanzen zurück geführt, der den Prozess der Resistenz­ bildungen stark beschleunigt hat.

Residenz Verlag, www.residenzverlag.at rg

Quelle: www.weltagrarbericht.de; Then, C. und Boeddinghausen, R. (2014): Superweeds – resistente Unkräuter bedrohen die Ernte! Das Prinzip industrielle Landwirtschaft in der Sackgasse. ek

ÖL, DU FRÖHLICHE ... Öl

Tropfen

du

für

Fan - dler ist am

fröh - li-che - ,

Öl

du

Tro - pfen Voll - kom - men

Tel -

ler

se - li - ge - ,

Einmal im Jahr stimmen wir bei Fandler unsere inoffizielle Weihnachtshymne an. Damit beim Feiern und Singen die Texthänger ausbleiben, haben wir Fandlers „Öl, du Fröhliche“ gleich für Sie abgedruckt. Dann, wenn die letzte Zeile gesungen ist, rufen Sie sich in Erinnerung, worum es beim Feiern tatsächlich geht.

heit

Wein kommt aus dem Kel -

ler

Wir teilen unsere Zeit - und unser Öl mit Menschen, die uns am Herzen liegen. Wenn wir dabei auch noch genießen dürfen, ist das vollkommen in Ordnung. Rezepte zum Fest gibts es wie immer unter www.fandler.at

Es ver - fei - nert

Es ver - fei - nert

Weih - nacht -

en!

ÖLMÜHLE FANDLER, Prätis 1, 8225 Pöllau I ÖLKULTUR SEIT 1926


URBANE LANDWIRTSCHAFT – MEHR ALS EIN HOBBY

PATENTE VERSUS ERNÄHRUNGS­ SOUVERÄNITÄT

Die urbane Landwirtschaft spielt eine immer wichtigere Rolle bei der Lebens­mittel­produktion, doch bisher wurden Bedeutung und Umfang der landwirtschaftlichen Aktivitäten in Stadtnähe unterschätzt. Anhand von Satelliten­ daten ermittelten Wissenschafter, dass im Radius von 20 Kilo­metern um städtische Gebiete Landwirtschaft auf weltweit 456 Millionen Hektar betrieben wird – einer Fläche etwa so groß wie die gesamte EU. Der Großteil des Landes befindet sich am Stadtrand, doch 67 Millionen Hektar entfallen auf Anbauflächen innerhalb städtischer Ballungsgebiete, auf denen vor allem Gemüse angepflanzt wird. Mit dieser aktuellen Untersuchung wollten die Forscher aufzeigen, dass „der Tisch immer näher an den Acker rückt“ und dass die urbane Landwirtschaft nicht nur zur Ernährungssicherheit beiträgt, sondern auch Grenzertragsflächen wieder produktiv macht, Ein­kommens­möglichkeiten schafft, die städtische Biodiversität erhöht und hilft, städtische Abwässer zu recyclen. So z. B. auch in Ghana, wo täglich mehr als 2.000 urbane Gemüsebauern 800.000 Menschen mit frischem Gemüse versorgen. Während die urbane Landwirtschaft in reichen Ländern als ökologische Nische gepriesen wird, wird sie in den sogenannten Entwicklungsländern meist als ein Überbleibsel ländlichen Lebens betrachtet, das der Modernisierung im Weg steht. In jedem Fall ist es wichtig, die Nähe der Landwirtschaft zu den Städten zu zeigen, da die Agrarforschung und politische Arbeit vor allem auf ländliche Gebiete fokussiert sind.

Seit den 1980er Jahren wurden beim Europäischen Patentamt (EPA) tausende Patente auf Pflanzen und Tiere angemeldet, von denen etwa 4000 bereits erteilt wurden. Die internationale Organisation „Keine Patente auf Saatgut!“ warnt nun, dass unsere Ernährung künftig immer stärker von Konzernen und der Industrie kontrolliert wird, wenn es nicht gelingt, Patente auf Pflanzen und Tiere zu verbieten. Die Reichweite der Patente erstreckt sich auf die gesamte Lebensmittelkette vom Acker bis zum Konsumenten und dient den Interessen von Konzernen wie Monsanto, Dupont und Syngenta, die zusammen bereits über 50 % des internationalen Saatgutmarktes kontrollieren. Vor kurzem erteilte Patente sind z.B. eine Paprika, die durch Kreuzung mit wilden Chili-Sorten mit einer natürlichen Insektenresistenz ausgestattet ist. Die Firma Syngenta beansprucht die Pflanze, das Saatgut, die Früchte und sogar Anbau und Ernte als ihre Erfindung. Ein weiteres Beispiel ist das im Februar 2014 an Monsanto erteilte Patent zur Untersuchung und Auswahl von wilden Verwandten der Sojabohne, die an verschiedene Klimazonen angepasst sind. So erlangt der Konzern ein Monopol auf die Nutzung von Hunderten natürlicher Gen-Variationen für die Züchtung von Sojabohnen. Kritiker befürchten zu Recht, dass sich die Industrie durch die zunehmende Patentierung von Tieren und Pflanzen systematisch unsere Lebensgrundlagen aneignet und die Ernährungssouveränität massiv gefährdet.

Grafik: www.bio-wissen.org

SHORTCUTS

Quelle: www.weltagrarbericht.de; www.no-patents-on-seeds.org

Quelle: www.weltagrarbericht.de, www.iwmi.cgiar.org

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IMPRESSUM Bio-Fibel – Zeitschrift für Wissen aus der Biologischen Landwirtschaft: Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Freiland Verband für ökologisch-tiergerechte Nutztierhaltung und gesunde Ernährung; Doblhoffg. 7/10, 1010 Wien; Fon 01/4088809; Fax 01/9076313-20; e-mail: office@freiland.or.at; net www.freiland.or.at; DVR-Nummer 0563943; Chefredakteur: Dipl.-Ing. Reinhard Geßl (rg), Leiterin der Redaktion: Dipl.-Ing. Elisabeth Klingbacher (ek); Mitarbeit: Wilfried Oschischnig, Roswitha Rabe, Jürgen Schmücking (js); Redaktion: Forschungs­institut für biologischen Landbau (FiBL Österreich), Doblhoffg. 7/10, 1010 Wien; Fon: 01/9076313-0, net: www.fibl.org/de/oesterreich. Alle nicht anders gekennzeichneten Fotos: Geßl & Wlcek OG; Druck: gugler GmbH Melk; Layout: Geßl & Wlcek OG. Namentlich ge­kennzeichnete Artikel müssen nicht unbedingt der Meinung des Herausgebers entsprechen. Vertriebspartner: Adamah Biokistl.FREILAND-Spendenkonto: Erste Bank, AT502011100008210993, BIC/ SWIFT: GIBAATWWXXX; Reichweite: 10.000 Leserinnen. Hinweis: Eine geschlechtergerechte Formulierung ist uns in der Bio-Fibel ein großes Anliegen. Da wir gleichzeitig eine gut lesbare Zeitschrift herausgeben wollen, haben wir uns entschieden, keine geschlechtsneutralen Begriffe zu verwenden, sondern alternierend entweder nur weibliche oder nur männliche Bezeichnungen. Wir sind uns dessen bewusst, dass diese Generalklausel einer geschlechtergerechten Formulierung nicht ganz entspricht, wir denken aber, dass die gewählte Form ein Beitrag zur publizistischen Weiterentwicklung für mehr sprachliche Präsenz weiblicher Begriffe sein kann.

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Bio-Fibel 4/2014


Mehr

. Mehr Qualität.

Nachvollziehbare Herkunft

Ausgezeichnete Qualität

100% BIO

Gentechnikfrei

Unabhängige Kontrollen

Das gemeinschaftliche EU-Biologo kennzeichnet verpflichtend alle verpackten Bio-Lebensmittel, die nach den EU-Bioverordnungen Nr. 834/2007 und Nr. 889/2008 hergestellt wurden. Das AMA-Biosiegel steht als Gütesiegel für 100 Prozent biologische Zutaten und ausgezeichnete Qualität. Eine Reihe von Qualitätsfaktoren wird konsequent unter die Lupe genommen, z.B. produktspezifische chemische, mikrobiologische und sensorische Kriterien. Zusätzlich wird absolute Transparenz bei der Herkunft garantiert. Die Farben rot-weiß-rot bedeuten beispielsweise, dass die wertbestimmenden Rohstoffe aus Österreich stammen und die Be- und Verarbeitung in Österreich erfolgt. www.bioinfo.at

www.ec.europa.eu/agriculture/organic

FINANZIERT MIT FÖRDERMITTELN DER EUROPÄISCHEN UNION UND MITTELN DER AGRARMARKT AUSTRIA MARKETING GESMBH.


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