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Weitsicht

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Kein Leichtgewicht, das wuchtige Skelett des Mastodons. Mit schwerem Gerät brachte das Handwerksteam des Museums den Star der Ausstellung in Position.

Ein Mammut macht Geschichte

Rückkehr des American Heiner nach Darmstadt

TEXT: BRIGITTE KUNTZSCH | FOTO: KLAUS MAI

W Ein Museumsbesuch mit meiner Tochter dauerte nie länger als fünfzehn Minuten. Auf dem Programm standen die »alten Knochen« – das Mammut – und ein rascher Blick auf die »ausgestopften Tiere« in den zoologischen Dioramen. Das war’s. Ohne rechts und links zu schauen, raste sie die Treppen hoch in den ersten Stock – zu »ihrem« Mammut. Derzeit wäre sie maßlos enttäuscht, denn jetzt steht das Skelett im Erdgeschoss, als Star im Zentrum der aktuellen Ausstellung »American Heiner – ein Mammut macht Geschichte«.

Das gewaltige Skelett des Mastodons ist eines der beliebtesten Sammlungsobjekte, das auf Groß und Klein eine gleichermaßen faszinierende Wirkung ausübt. Aber kaum einer weiß: Das Darmstädter Mammut ist Amerikaner und eine Sensation der Paläontologiegeschichte: 1801 war es das erste museal montierte Skelett eines fossilen Elefanten in Nordamerika und so bedeutend, dass der amerikanische Präsident Thomas Jefferson seine Ausgrabung als nationale Angelegenheit betrachtete und Alexander von Humboldt es 1804 am Ende seiner Amerikareise besuchte. 1854 kam das Skelett über Paris und London nach Darmstadt und fand 1906 im neuen Museumsgebäude von Alfred Messel in der Abteilung Erd- und Lebensgeschichte seinen festen Platz. Seit mehr als 150 Jahren ist es damit Darmstädter oder, wie man hier sagt, ein echter »Heiner«

Zwischenzeitlich war das Skelett des Mastodons auf große Reise gegangen und erstmals nach mehr als 150 Jahren als Leihgabe in seine Heimat – in die USA – zurückgekehrt. Es hatte einen glamourösen Auftritt in der Ausstellung »Alexander von Hum-

boldt and the United States« im Smithsonian American Art Museum in Washington D.C. Gerade rechtzeitig zum Aufbau für die aktuelle Ausstellung Anfang März ist es wieder in seiner Wahlheimat eingetroffen.

Die Schau präsentiert anhand von Objekten aus der Kunst- und Naturgeschichte die Auswirkungen des Fundes auf die Forschungs- und Geistesgeschichte. Weltberühmte Gemälde wie Charles W. Peale »The Artist in His Museum« aus Philadelphia und »The Exhumation of the Mastodon« aus Baltimore sind erstmals in Europa zu sehen. Außer den amerikanischen Gemälden aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert sind die originalen Fundstücke zu sehen, mit denen die ganze Geschichte im achtzehnten Jahrhundert begann: Mastodon-Zähne und der Oberkiefer eines Mastodons, den der hessische Militärarzt Christian Michaelis in Philadelphia zu Charles W. Peale brachte. Peale war nicht nur ein gefragter Künstler, sondern auch ein geschätzter Naturaliensammler mit eigenem Museum.

Der Knochenfund löste diesseits und jenseits des großen Teichs irritierende Diskussionen aus und stellte das bisherige naturwissenschaftliche Weltbild auf den Kopf. Sollten die fossilen Knochen der Nachweis dafür sein, dass die Welt – und mit ihr die Tierwelt – einmal anders ausgesehen haben könnte? Dass es sich bei den Knochen um Fossilien eines ausgestorbenen Tieres handeln könnte, markierte einen wissenschaftlichen Wendpunkt und der Beginn eines Prozesses, der 1859 zu der von Charles Darwin formulierten Evolutionstheorie führte.

Hörbar

Mit dem Thema »American Heiner – Darmstadt als frühes Zentrum der Paläontologie« liefert die neunte Folge des Museums-Podcasts »Das Grüne Sofa« wissenschaftliche Hintergrundinformationen.

Spielte das beschauliche Großherzogtum Darmstadt um 1800 eine wichtige Rolle dabei, die Paläontologie als eigenständige Wissenschaft zu etablieren? Dr. Oliver Sandrock, Kurator für Fossile Wirbeltiere am Landesmuseum, ist im Gespräch mit Professor Dr. Friedemann Schrenk, Leiter der Sektion Paläoanthropologie am Senckenberg Forschungsinstitut und Professor für Paläobiologie der Wirbeltiere an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, dieser These auf der Spur.

Ebenfalls hörbar ist der Schauspieler und bekennende Heiner Sebastian Koch, der mit seiner Stimme auf dem Audioguide die Besucher fachkundig durch die Ausstellung begleitet.

Die Ausstellung ist bis zum 19. Juni 2022 zu sehen und steht unter der Schirmherrschaft von US-Generalkonsul Frankfurt am Main Norman Thatcher Scharpf.

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