8 minute read

INTERVIEW

Next Article
PANORAMA

PANORAMA

Der Besitzer vom Theaterstübchen Kassel Markus Knierim mit seinem Jazz-Taxi – mit dem die Künstler chauffiert werden.

UND KEIN BISSCHEN LEISER

Advertisement

Wir feiern 25 Jahre Theaterstübchen Kassel!

Vor 25 Jahren begann ein Stück Kasseler Musik- und Kulturgeschichte: Markus Knierim eröffnete seinen legendären Club – das Theaterstübchen Kassel. Seitdem geben sich regionale, nationale und internationale Persönlichkeiten die Klicke in die Hand – in der Corona-Zeit mit Pausen. Eine Zeit mit fulminaten Höhen, aber auch grässlichen Tiefen. Wir haben Markus zum Interview eingeladen und mit ihm über Anekdoten, die aktuelle Situation und den Neustart im Oktober gesprochen. Und er hat weitere große Pläne, die er uns aber nicht verraten hat. Wir dürfen gespannt sein.

Im September 2021 feiert das Theaterstübchen Kassel sein 25-jähriges Jubiläum. Ein Rückblick. Was sind deine persönlichen Highlights? So drei Dinge, die dir in den Kopf kommen, bei denen du denkst: unvergesslich.

Das ist zum einen das Till Brönner-Konzert hier im Theaterstübchen. Und eine Anekdote mit Klaus Doldinger. Alle Künstler*innen unterschreiben auf meinen Wänden und Klaus Doldinger hattte ich damals zu Gast im Opernhaus. Vorher war ich mit ihm bei Da Toni essen und auf dem Weg zum Opernhaus sind wir dann hier ins Stübchen vorbeigefahren, weil ich gesagt habe, ich muss dir auch noch meinen Club zeigen, weil er auf der Wand unterschreiben sollte. Und da hat er gesagt: „Hier muss ich auftreten!“ Und zwei Jahre später war Klaus Doldinger hier bei mir unten im Theaterstübchen. Bei Till Brönner war es genau das gleiche. Mit dem war ich auch in der Oper – Till Brönner mit der Big Band. Ich habe ihm gesagt, dass es schön wäre, wenn er morgen, bevor er zurückfährt, noch mal kurz bei mir in den Club gucken könnte und auch an einer Wand unterschreibt. Hat er natürlich auch gemacht und dann sind wir runter – er war bestimmt eine Stunde unten. Wir haben uns über das Stübchen, über den Club und überhaupt über ganz viele Themen unterhalten und da hat er gesagt: „Ich spiele eigentlich viel lieber in kleinen Clubs als vor so großen Sälen. Hier kann ich die Leute sehen.“ Und dann habe ich ihn gefragt, wollen wir nicht hier mal was machen. Und dann habe ich sofort gedacht, sowas traust du dich ja gar nicht zu fragen: Früher waren das für mich Götter da oben. Heute sitzt du mit solchen Persönlichkeiten am Tisch und isst mit ihnen ganz normal Abendessen und unterhältst dich über Gott und die Welt.

Auch unvergessen: Ich wurde vom Chef von Austria Tabak zum Nil-Leuchtturm ernannt. Die hatten recherchiert, dass wir in Kassel vor Berlin mit Nil-Pro-Kopf-Umsatz liegen. Damals wurde ja noch richtig geraucht und ich hatte zwei Zigarettenautomaten im Theaterstübchen. Ich habe alle Marken raugeschmissen und habe nur mit Nil bestückt. Was ist das für eine Zigarette, wo Regie draufsteht und das gegenüber vom Schauspielhaus, wo das Theaterstübchen früher war. Er hat mir erzählt, wer noch Leuchtturm ist, und dass ich, wenn ich einverstanden wäre, jedes Jahr 5.000 Mark kriegen würde und hat mir den ersten Scheck über 5.000 Mark in die Hand gedrückt. Dann habe ich wirklich jedes Jahr 5.000 Mark bekommen – mein erstes Sponsoring. Leider wurde dann ja die Zigarettenwerbung verboten.

Ihr seid kräftig am Umbauen und Renovieren: Was ist in den letzten Monaten alles passiert?

In den letzten Monaten ist so viel passiert: Als am 13. März 2020 Corona kam, habe ich sofort gesagt, dass das mindestens zwei Jahre dauert, bis Veranstaltungen wieder normal ablaufen können. Alle haben sich natürlich kaputtgelacht. Zu einem späteren Zeitpunkt bin ich sogar von drei Jahren ausgegangen. Und da haben sie mich echt alle für bekloppt gehalten. Aber leider habe ich Recht behalten. Ich war der erste Club, der am 22. Mai wieder geöffnet hat, nach schon doch zwei Monaten Corona, weil ich gesehen habe, dass die Restaurants wieder aufmachen durften. Und wenn die Restaurants wieder aufmachen dürfen, dann darf ich auch aufmachen. Also beim Ordnungsamt angerufen und eine Holzlatte im Maß 1,50

Meter gekauft. Wir haben am 22. Mai angefangen und ich habe Monika Grütters geschrieben, dass der erste Club in Deutschland wieder aufhat. Gute sechs Wochen haben wir gespielt, bis es dann natürlich zu warm wurde und keiner mehr in einen Keller geht. Dann habe ich mich sehr intensiv mit Fördermitteln und der Förderung der Digitalisierung beschäftigt. Als erstes kamen die Luftfilter und dann die Kameras und Mischer, dann folgten im Oktober die ersten Liveübertragungen und -streams. Aber ich will jetzt erst mal gern einen Neuanfang machen, nach diesen eineinhalb Jahren. Aktuell sind wir kräftig am Sanieren und Renovieren und im Oktober wird das Theaterstübchen komplett im neuen Glanz erscheinen: Alles wurde gestrichen, wir haben unser Kabelchaos beseitigt. Es gibt eine neue Dekoration und neue Lampen: Die sind goldfarben und kontrastieren hervorragend zu unserem schwarzen Ambiente im Deckenbereich – da kommen 32 in den Zuschauerraum und acht über die Theke, insgesamt 40 Stück. Ich habe die Hälfte von meiner Discobeleuchtung herausgeschmissen und noch zwei neue Laser angeschafft. Die neue Luftfilter-Anlage schafft 8.000 m3 Frischluft pro Stunde und wir haben das Soundsystem auf HiFiNiveau optimiert.

Wie feiert ihr euer Jubiläum?

Am 26. September konzentriert sich das ganze Land auf die Bundestagswahl – da werde ich nichts machen. Und ohne Vollauslastung verpufft das Ganze. Vielleicht feiere ich das Jubiläum nächstes Jahr mit meinem 60sten zusammen. Ich will unbedingt ein paar Musiker einladen, die mir sehr am Herzen liegen. Eigentlich wollte ich am 26. September im Opernhaus feiern. Mit Max Mohr als Conférencier, der mich vorne interviewt, und im Hintergrund laufen Unmengen von Dias und Bildern – von Künstler*innen, die in den letzten 25 Jahren bei mir aufgetreten sind. Ich werde wahrscheinlich dieses Jahr im engsten Familienkreis feiern oder mit meinen Mitarbeitern hier im Theaterstübchen.

Das Theaterstübchen in Kassel ist mit dem Spielstättenförderpreis „Applaus“ in der Kategorie „Programm“ und dem Hauptpreis ausgezeichnet worden. Was bedeutet dir diese Auszeichnung?

Ich bin ein kleiner Underdog und bekomme jetzt zum vierten Mal nacheinander den SpielstättenFörderpreis. Ich habe versucht, am Telefon das meiner Frau zu sagen, und habe es nicht geschafft – so überwältigt war ich. Ich bin vierzehn Tage mit einer Gänsehaut herumgelaufen. Und dann kam die Preisverleihung und Dieter Gorny hat die Laudatio gehalten. Die Jury hat die Exzellenz des Programms gewürdigt und aus dieser Exzellenz resultiert auch die Stellung dieser Spielstätte im regionalen, aber auch im bundesweiten Kontext. Bei uns sind nationale und internationale hochkarätige Bands vertreten, aber natürlich auch die regionale Musikszene. Wir versuchen einer großen kulturellen und sozialen Verantwortung nachzukommen und die Clubkultur zu stärken.

Gestatte uns noch ein paar persönliche Fragen. Welche Persönlichkeit aus der Vergangenheit würdest du gern zu einem Barbesuch einladen?

Prince und David Bowie: Ich glaube, die stecken beide in mir drin. David Bowie schon immer. Prince etwas später, weil der etwas jünger ist. Ich habe sogar Taktstöcke von Sheila E. – der Ehefrau von Prince. Prince ist für mich einfach nur gute Laune pur und ich weiß gar nicht, auf wie vielen Konzerten ich war. Und David Bowie: Nach einem Konzert stand ich neben ihm in einer Berliner Bar – er ist ganz schon klein. Ich lasse Künstler, die privat unterwegs sind, grundsätzlich in Ruhe. Aber ich habe es so hinbekommen, dass ich ihn mal kurz berührt habe. Für mich sind beide Götter und beim bloßen Gedanken an sie bekomme ich Gänsehaut.

25 Jahre und kein bisschen leiser. Was motiviert dich?

Die Leute, die zu mir kommen. Das Schönste ist, wenn du – das erlebe ich ja auch im Staatstheater – die Künstler ankündigst, mehrmals Standing Ovations bekommst und du da stehst und du hast das alles zusammengebracht. Wie die Künstler, kann auch ich ohne Beifall nicht leben. Ich finde es schön, wenn sich meine Arbeit lohnt, alles einfach stimmt und alle abends harmonisch auseinander gehen. Alle Künstler haben etwas verdient und vielleicht hast auch du ein bisschen Geld verdient. Mich treibt es an, den Leuten einfach Freude zu machen. Das ist die eine Seite, die andere ist, dass es ja keine Arbeit für mich ist. Schau, die Leute kommen zu mir, was haben die gemacht? Die haben den ganzen Tag gearbeitet. Und was wollen die? Die wollen ein geiles Konzert hören, wollen sich später ins Bett legen und morgens aufwachen und dann sagen, ach, war das mega gestern und richtig gut. Und dafür sind wir ja alle da: die Gastro-Leute und die Veranstalter. Wir arbeiten, wenn die anderen frei haben. Die kommen zu uns, um sich zu entspannen, und wollen keinen Stress. Deswegen muss alles passen – wir müssen ihnen das so schön machen, wie es nur geht. Und deswegen ist das der schönste Job, den es überhaupt gibt.

Was bedeutet Glück für dich?

Ich habe richtig Glück gehabt und so viele haben auch Pech bei Corona gehabt. Glück gehört dazu, um Erfolg zu haben. Natürlich hatte ich auch früher Glück, aber ich stand nicht immer auf der Sonnenseite. Wenn Corona vor zehn Jahren gekommen wäre, wäre ich pleite. Damals hatte ich noch Schulden an der Backe und da wäre ich auch mental nicht in der Lage gewesen, das durchzustehen. Aber die Erfolge und der Rückblick auf die letzten 25 Jahre geben mir die Kraft, jetzt noch einmal richtig durchzustarten. Das Glück ist mit den Tüchtigen – und tüchtig war ich immer. Glück zu haben ist Glück. Aber ich habe auch Glück mit meiner Familie. Meine Eltern haben mich immer unterstützt. Ohne meine Frau Sabine, meine Familie und allen Mitarbeiter*innen vor und hinter den Kulissen geht es nicht.

Wir bedanken uns ganz herzlich für deine Zeit, wünschen dir und deinem Team einen grandiosen Neustart und freuen uns auf 100 Konzerte

bis zum Jahreswechsel. ›› www.theaterstuebchen.de

This article is from: