Konsumentenforum Magazin Nr. 56

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konsum.ch Das Magazin des Konsumentenforums Nr. 56

Schรถner Schein

Blick hinter die Kulissen der Werbung

Frauen, zur Kasse bitte!

Wie unfair ist "Pink Tax"? Und was kann frau dagegen tun?

Falsche Versprechungen im Netz

Ratgeber: So entlarven Sie betr+gerische Online-Anbieter auf eigene Faust


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Wer kontrolliert die Werbung? Blick in eine unbekannte Branche - von Lahor Jakrlin

Zur Werbung haben wir alle ein zwiesp'ltiges Verh'ltnis: Entspricht eine Werbebotschaft unserer Konsumenten-, Gesellschafts- oder PolitikEinstellung, ist Werbung "OK". Widerspricht die "Message" unseren Idealen, ist die Werbung des Teufels oder geh*rt sogar verboten. Also erstaunt nicht, dass Werbeleute in der Schweiz in der Glaubw+rdigkeitsskala(1) der Berufe an Unglaubw+rdigkeit nur noch von JournalistInnen und PolitikerInnen +bertroffen werden. In Deutschland(2) ist es etwas besser, da geniessen die Versicherungsleute noch weniger Vertrauen(3). Gleichzeitig sei aber festgehalten, dass die kreativen Berufe aus Marketingkommunikation ("Markom"), Public Relations(4), Social Media-Management, Grafik, Design und Werbetechnik zu den beliebtesten Berufen der Gegenwart avanciert sind. Und nicht nur das: In der zunehmend auf Dienstleistung getrimmten Wirtschaft ist die Werbewelt heute einer der gr*ssten Arbeitgeber.

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Fast jedes mittlere Unternehmen und alle grossen Firmen (inkl. Beh*rden und Non-Profit-Organisattionen) haben heute eine eigene Marketing- und Kommunikationsabteilung. Diese ist oft sogar personalintensiver als die Entwicklungs- oder Verkaufsabteilung. Hinzu kommen nat+rlich die Arbeitnehmenden in Verlagen, Druckereien, Kulturinstitutionen, Dekorationsabteilungen, Messebau ... und nat+rlich Werbe- und Webagenturen sowie grafischen Ateliers. Alles in allem leben einige hunderttausend Arbeitnehmende in der Schweiz von der Werbung Und doch gibt es grosse Vorbehalte gegen+ber der Werbung, die ich +brigens zum Teil gut verstehe. Da ist etwa die Omnipr'senz der Werbung, diese gewaltige Reiz+berflutung. An den Plakatw'nden im Strassenbild und an jedem Sch+tzenhaus, in Bahnh*fen (nirgends gibt's mehr Werbung), in Anzeigen, im TV (wo Werbung mittels zeitversetztem


Wer kontrolliert die Werbung?

Schauen bersprungen werden kann), im Internet und Smartphone, in Sportstadien, auf Screens in der Post, vermehrt in Bahnen ... einfach berall. Man kann positiv sagen, dass dies die Welt bunter mache. Oder unterhaltender, denn gute Werbung erz hlt auch gute Kurzgeschichten. Aber negativ ist anzumerken, dass es oft einfach zuviel ist. Das nervt. Und deshalb gibt es in urbanen Gebieten mehr Briefk sten mit als ohne Stopp-Werbung-Kleber(5) Aber zur ck zur Glaubw rdigkeit der Werbung: Ist das schlechte Image gerechtfertigt? L gt uns Werbung an? Gaukelt sie uns was vor, n hrt sie unrealistische oder gar falsche Illusionen? Nein, zur Entt uschung der Gegner von Werbung muss man festhalten: Die Werbung geh rt zu den am besten kontrollierten Bereichen im Alltag •Der Gesetzgeber: Die Justiz hat klare Regeln dar ber aufgestellt, was nicht erlaubt ist, oder f r welche Angebotsgruppen teilweise oder gesamthaft nicht geworben werden darf. Von erheblichen Einschr nkungen betroffen sind Spirituosen, Tabakwaren, rezeptpflichtige Medikamente sowie politische Werbung (letztere z.B. in Radio/TV) u.a.m. •Die Konkurrenz: Sie kontrolliert am genauesten. Sowohl die Anbieter als auch die Werbeagenturen scannen alles akribisch. Wenn eine Werbeaussage falsch ist oder der Zusammenhang zwischen Produkt und visueller/textlicher Umsetzung fehlt, wird umgehend (oft innert Minuten!) interveniert. Via Anw lte, via Lauterkeitskommission (siehe weiter unten), via Medien und Social Media. L gen haben in der Werbung eine usserst kurze "Halbwertszeit" und lohnen sich nicht.

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•Konsumentenorganisationen: Das "kf" sei – weil politisch unabh ngig und traditionsreichstes seiner Art – als Beispiel hervorgehoben. Konsumenteninformation bedient sich heute zweier Kan le, ihre Lautsprecher sind die sozialen Medien (wie Twitter oder Facebook) sowie die konventionellen Medien, welche f r Werbe- und Wirtschaftskritik sehr empf nglich sind. •Die Medien: Hervorgehoben seien etwa der "Beobachter", seit 1926 quasi der "Urgrossvater" der wirtschaftskritischen Bl tter oder Sendungen wie das hochstehende "A Bon Entendeur" von RTS oder dessen Anverwandte wie "Kassensturz/Espresso" von SRF. Sie alle nehmen die Werbung genauestens unter die Lupe. Auch deshalb, weil Werbethemen immer auch etwas Boulevard und Infotainment liefern. Sexistische oder ehrverletzende Werbemotive fallen in 99 % der F lle bereits der medieninternen Kontrolle zum Opfer. Alle oben genannten Kontrollinstanzen, spezifische Werbeverbote sowie die Schweizerische Gesetzgebung zusammen haben eine sehr starke Wirkung: Die Branche darf, gemessen an der Zahl der Beanstandungen, als sehr sauber bezeichnet werden. Gute Werbung informiert und unterh lt

•Die ffentlichkeit: Wie gesagt, ist sie sehr sensibilisiert. Sobald eine Werbemassnahme Teile des Publikums in ihrem Empfinden verletzt, folgen die heftigen Reaktionen in den Sozialen Medien (Shitstorms kann sich heute kein Unternehmen mehr leisten) oder auch Vandalismus (man denke an das Verunstalten von "missliebigen" Plakaten). •Die Schweizerische Lauterkeitskommission: Diese unabh ngige und wirklich engagierte Beschwerdeinstanz steht allen offen, und auf ihrer Website(6) kann jede und jeder Beschwerden einreichen. Die SLK dokumentiert usserst pr zise und ist sehr wirksam. Werbung muss den Grunds tzen des Gesetzes entsprechen. Es d rfen ber Angebote keine unrichtigen, anst ssigen oder irref hrenden Angaben gemacht werden.

Werbeagentur Fruitcake, Worb-Bern

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Wer kontrolliert die Werbung?

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Aber! Ja, trotz der guten juristischen Bilanz bleibt bei vielen ein Nachgeschmack. Warum? Nun, Werbung lebt von der zielgruppenwirksamen maximal attraktiven Hervorhebung. Werbung ist wie ein Hochzeitskleid Es macht die Braut ganz besonders schick und sch n. Will heissen: Werbung reduziert, sie muss, schon allein um konkurrenzf hig zu sein, in k rzest m glicher Form und hellstem Licht das Positive und N tzliche eines Produktes pr sentieren. Man mag das Weglassen anderer – eventuell weniger positiver – Kriterien anprangern. In gewissen Bereichen soll man es sogar (z.B. lusche Kreditangebote, GeistheilerInserate oder Telefonwerbung). Aber man vergesse dabei trotzdem nicht, dass es eine innovative und vielf ltige Marktwirtschaft und damit Produktequalit t ohne den Wettbewerb – und dieser findet in der Werbung seine Gestalt – nicht g be.

Werbeagentur Ruf Lanz, Z rich

Zur Person Lahor Jakrlin, 62, ist kf-Beirat f r Werbung und Kommunikation, Werber (Gr nder der Fruitcake Werbe- und Webagentur) und Publizist.

Werbeagentur Fruitcake, Worb-Bern

Quellen & Anmerkungen 1 Quelle http://tiny.cc/nr02iy 2 Quelle http://tiny.cc/bs02iy

Werbeagentur Contexta, Bern

3 Anmerkung zur "andern" Seite der Skala: Die h chste Glaubw rdigkeit in beiden L ndern geniessen die Feuerwehrleute und die Krankenschwestern. 4 Die sich unter dem schwammigen Begriff "Public Affairs" getarnten Lobbyisten geh ren hier nicht dazu. 5 Grosse Detailh ndler umgehen die StoppWerbung-Kleber brigens, indem sie ihre Werbung als Zeitung tarnen (Eigeninserate, umgeben von als Zeitungsartikel gestalteten PR-Beitr gen und bunten Blabla-Reportagen). 6 www.faire-werbung.ch Migros-Waschmittelwerbung

8 Whisky


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ber uns Schweizerisches Konsumentenforum kf

Vorstand

Babette Sigg

Blanca Ramer

Präsidentin | Fachfrau Konsumentenrechte

Fachfrau Energie, Mobilität, Technologien

Fachbeirat Energie, Nachhaltigkeit Tourismus Energie Bildung Recht Mehrwertsteuer Kommunikation, Werbung Gesundheitswesen Lebensmittel Versicherungen Energie, Mobilität Kinder- und Jugendrecht Gesundheitswesen Post, Service Public Lebensmittelsicherheit Energie Codex Alimentairus

Liliane Legrand

Fachfrau Landwirtschaft

Fachfrau Gesundheitswesen

Politischer Beirat

Heinz Beer Eva Brechtbühl Felix Frey Karin Geser Ursula Gross Ivo Gut Lahor Jakrlin Margrit Kessler Urs Klemm Marc Müller Blanca Ramer Pascal Rudin Beda Stadler Peter Sutterlüti Ursula Trüeb Gabriela Winkler Paul Zwiker

Susanne Staub

Alois Gm r Sebastian Frehner Bernhard Guhl Beat Flach

Nationalrat CVP, Kt. Schwyz Nationalrat SVP, Kt. Basel-Stadt Nationalrat BDP, Kt. Aargau Nationalrat GLP, Kt. Aargau

Geschäftsstelle Dominique Roten Jan Ramseyer Rahel Nyffenegger Nina Ramseyer Carina Stucki

Kommunikationsleiter Projektleiter Rechtsberaterin Rechtsberaterin Administration & Grafik

Ombudsstellen No mi Sch ni Balz Horber

E-Commerce Fleisch

Belpstrasse 11 | 3007 Bern

Tel. 031 380 50 30 | forum@konsum.ch

www.konsum.ch

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