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Im Schaltraum der Finanzwelt

Sie lebt in Manhattan und schließt ihre Emails mit Grüßen aus dem Big Apple: Sandra Navidi lebt den American Dream. Sie ist Juristin, Finanzexpertin, Rednerin, Bestseller-Autorin sowie Gründerin von BeyondGlobal LLC und natürlich CEO. Was es bedeutet, als eine (Geschäfts-)Frau im Haifischbecken der Finanzbranche zu schwimmen und dabei zu zeigen, dass für die eine oder andere Kür immer Zeit ist, darüber spricht sie im Interview mit finanzwelt.

finanzwelt: Frau Navidi, BeyondGlobal LLC hat seinen Sitz in Ihrer Wahlheimat New York. Hätte Frankfurt nicht auch gut gepasst?

Sandra Navidi» Frankfurt hätte auch gut gepasst, aber zu Beginn meiner Karriere hatte ich Fernweh und Amerika war das Land meiner Träume. Als ich dann von einer New Yorker Investmentfirma, die Kundin meines damaligen Arbeitgebers Deloitte war, ein Abwerbeangebot für die Posi- tion als Chefjustiziarin erhielt, habe ich zugegriffen. Das Leben in New York war immer spannend, aber sicherlich auch risikoreicher und anstrengender als dies in Deutschland der Fall gewesen wäre. finanzwelt: Internationale Unternehmensberatung – was bedeutet das genau? Worauf muss man im Vergleich zur Beratung von Privatpersonen besonders achten? Und vor allem: Was muss man im Hinterkopf haben, wenn man die großen Unternehmen berät? finanzwelt: Warum sind Frauen in der Finanzbranche besonders wichtig?

Navidi» Mit BeyondGlobal habe ich mich vor über einem Jahrzehnt selbstständig gemacht. Mittlerweile bin ich in der glücklichen Situation, mich auf Tätigkeiten konzentrieren zu können, die mir am meisten Freude bereiten. Einen Teil meiner Zeit verbringe ich mit geoökonomischen Analysen. Ein weiterer Teil fällt in den Bereich ‚Diverse Engagements‘. Das kann etwa ein mittelständisches Unternehmen aus Indien sein, das den Markteintritt in den USA sucht, ein chinesisches Unternehmen, das für einen zentralen Standort in China ein internationales ‚Superhub‘-Netzwerk-Konzept wünscht oder ein deutsches Family Office, das maßgeschneiderte Beratung im Hinblick auf die USA als Investitionsstandort sucht. Hinzu kommt dann noch meine Tätigkeit in den Medien, also meiner Expertenfunktion bei n-tv/RTL und anderen internationalen Fernsehsendern, Talkshows und Dokumentationen. Im Frühling startet auch mein neuer n-tv Business-Podcast ‚Biz & Beyond‘. Darüber hinaus schreibe ich gerade an meinem mittlerweile vierten Buch, nehme Rednerengagements wahr und berate im Nachgang zu meinem zweiten Buch ‚Das Future-Proof-Mindset‘, Menschen bezüglich ihrer Karriere. Letztendlich ist neben Kompetenz der ‚Faktor Mensch‘ das Wichtigste. Professionelle Investoren und Businessmanager verfügen üblicherweise über größeres Fachwissen, weshalb man dort auf einer anderen Ebene als bei Privatpersonen ansetzt. Unabhängig von der Zielgruppe muss man sich auf Menschen einstellen können und über eine ausgeprägte Dienstleistungsmentalität verfügen. Da ich in meiner Analysetätigkeit unabhängig bin, gelte ich außerdem als unbefangen.

Navidi» Weil Frauen in der Regel höhere Gewinne und größere Unternehmenswertsteigerungen bei geringerem Risiko erzielen. Frauen mit den verschiedensten Werdegängen und Kompetenzen zeichnen sich u. a. durch umsichtigeres Risikoverhalten, langfristigeres Denken und weniger voreingenommene Entscheidungen aus. Bei einer von der Credit Suisse vorgenommenen Datenauswertung von 3.000 Unternehmen weltweit zeigte sich, dass Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil im Management nicht nur höhere Gewinne er- zielten, sondern auch an der Börse besser performten. So schnitt der Aktienkurs der von weiblichen CEOs geführten Unternehmen um 20 % besser ab als der Aktienkurs der von Männern geleiteten Firmen. Eine 2019 von S&P veröffentlichte Studie, die 6.000 Unternehmen aus dem Russell3000-Index über einen Zeitraum von 17 Jahren untersuchte, gelangte zu ähnlichen Ergebnissen. Ihr zufolge steigerte sich mit einem weiblichen CFO der Gewinn im Schnitt um 6 % und die Aktienrendite um 8 %. finanzwelt: Was bedeutet Ihre Führungsposition für Sie und wie nutzen Sie die Plattform, die Sie sich aufgebaut haben? finanzwelt: Was würden Sie unseren Leserinnen auf den Weg geben?

Navidi» Nachdem ich die Finanzkrise 2008 in New York und Washington aus nächster Nähe mitbekommen habe, liegt mir die Finanz-Bildung und Risiko-Aufklärung besonders am Herzen. Im ‚Schaltraum‘ der Wirtschafts- und Finanzwelt habe ich darüber hinaus schon frühzeitig den Wandel zur Digitalwirtschaft miterlebt. Deshalb war es mir ein Anliegen, die Dringlichkeit dieses Themas plastisch bewusst zu machen und einen beruflichen Leitfaden an die Hand zu geben, in dem ich aufzeige, wie man sich auf die Veränderungen am besten einstellt und aus Herausforderungen Chancen macht. Und da die Politik für die Wirtschaft eine immer größere Rolle spielt und unsere Demokratie die Voraussetzung für ein funktionierendes Finanzsystem ist, habe ich mich in den vergangenen Jahren zunehmend der politischen Analyse, insbesondere im Hinblick auf die USA, gewidmet. Die Zuspitzung der Polarisierung und das wachsende demokratische Defizit haben mich zum Schreiben meines dritten Buches bewogen.

Navidi» Es ist wichtiger denn je, anpassungsfähig zu sein und sich fortwährend weiterzuentwickeln. Die digitale Revolution bringt weitreichende Veränderungen mit sich: In den nächsten Jahren werden weltweit bis zu 50 % der Arbeitsplätze aufgrund von Automatisierung wegfallen. Post-Millennials, also die um die Jahrtausendwende Geborenen, werden im Laufe ihres Berufslebens bis zu 15-mal ihren Job wechseln. Mehr als 60 % der Berufe, von denen aus sie in den Ruhestand gehen werden, existieren noch gar nicht, und ein Drittel der Qualifikationen, die für die Jobs der Zukunft wichtig werden, sind heute noch nicht relevant. Das bedeutet, dass nicht nur Unternehmen innovativ sein müssen, sondern auch jede Einzelne von uns sollte sich auf persönlicher Ebene hinterfragen und krisenfest aufstellen, ihre Wettbewerbsvorteile identifizieren und ausbauen, um neu entstehende Chancen zu erkennen. Wer seine Zukunft nicht proaktiv gestaltet, der überlässt sie externen Kräften, die im Zweifel nicht das eigene Wohl im Auge haben. (ml)

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