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Zehn nach zwölf
Die Babyboomer-Generation verabschiedet sich bald in die Rente – mit enormen Folgen für Arbeitsmarkt und Rentensystem sowie die ganze deutsche Wirtschaft. Denn die Jahrgänge von circa 1957 bis 1969 – je nach Quelle findet man ganz unterschiedliche Zeiträume, dieser stammt aus dem Mikrozensus 2021 – gehören zu den geburtenstärksten Jahren des letzten Jahrhunderts. Die „Boomer“ machen heute etwa ein Drittel der Erwerbstätigen aus. Doch gerade die Frauen dieser Generation blicken ihrer Rente jetzt wohl eher mit einem flauen Magen entgegen.
Rückblick: Die Frauen der Babyboomer-Generation profitierten wie keine andere Frauengeneration vorher vom Aufschwung der Wirtschaft, Gesellschaft und Bildung nach dem zweiten Weltkrieg. Viele von ihnen erreichten hohe Schul- und Berufsabschlüsse, hatten gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Doch mobiles Arbeiten, Homeoffice oder das Thema Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf existierten noch nicht. Für die berufliche Laufbahn der Boomer-Frauen bedeutete das oftmals ein abruptes Ende der Karriere, sobald sie eine Familie gründeten. Dieser Umstand brachte für viele auch eine erhebliche Lücke in der gesetzlichen Altersvorsorge mit sich.
Boomern droht Armut im Alter
Das Demografie-Portal von Bund und Ländern zeigte 2021 in einer Untersuchung, dass viele Menschen der Alters- gruppe 55 bis 64 heutzutage erwerbstätig sind. 2020 waren in Deutschland 75 % der Männer und 68 % der Frauen in diesem Alter berufstätig. Diese Menschen, die 2020 zwischen 55 und 64 Jahre alt waren, gehören unter anderem auch zur Babyboomer-Generation. Viele der gut ausgebildeten Boomer-Frauen haben mit zunehmendem Alter also einen Weg zurück in die Erwerbstätigkeit gefunden. Obwohl das ihrer gesetzlichen Rente wohl zugutekam, werden viele von ihnen dennoch mit einer knappen gesetzlichen Rente konfrontiert werden. Eine Studie des Deutschen Zentrums für Altersfragen, dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und der Deutschen Rentenversicherung Bund prognostizierte bereits vor zehn Jahren, dass den Babyboomern Altersarmut droht. Die Studienautoren berechneten 2012 eine gesetzliche Brutto-Rente von ca. 660 bis 800 Euro im Monat für Frauen der Babyboomer-Generation.
Auf den letzten Drücker
Haben Betroffene jetzt aber überhaupt noch eine Chance, kurzfristig – je nach Alter bleiben rund 15 bis kein ganzes Jahr mehr – noch etwas für ihre finanzielle Situation im Alter zu tun? Regina Vossen, Mitglied im Vorstand von Die FinanzFachFrauen e. V., erklärt, was viele Beraterinnen und Berater bereits wissen: „Um es klar zu sagen: Es ist nahezu unmöglich, kurz vor Rentenbeginn noch eine auskömmliche Rente aufzubauen. Wer nur noch wenig Zeit hat, braucht Rendite und muss bereit sein, dafür Wertschwankungen während der Ansparphase zu akzeptieren.
Zusätzlich sollten die Kosten des Ansparvorgangs minimiert werden. Die effektivste Option ist ein Fondssparplan in Investmentfonds. Auf keinen Fall sollte ein Versicherungsvertrag mit Beitragsgarantie gewählt werden. Wegen der immer noch niedrigen Zinsen geht hier die Rendite gegen Null.“ Prof. Michael Hauer, Geschäftsführer des Institut für Vorsorge und Finanzplanung GmbH (IVFP), sieht eine weitere Möglichkeit in der sogenannten Rürup-Rente, der Basisrente. Aufgrund einer hohen steuerlichen Förderung und kurzen Laufzeiten sei diese eine sehr effiziente Lösung für alle, die im Moment noch berufstätig sind und gut bis sehr gut verdienen. Allein in 2022 könnte man als ledige Person noch insgesamt 25.639 Euro einzahlen, Verheiratete sogar 51.278 Euro. Gerade Frauen könnten damit fehlende Versorgungsansprüche aus der gesetzlichen Rente ausgleichen. Viele Möglichkeiten bleiben den Betroffenen insgesamt aber leider nicht.
Vorsorge so früh wie möglich in die Hand nehmen
Die maue Rente vieler Frauen der Boomer-Generation sollte besonders jungen Frauen nun verdeutlichen, wie wichtig es ist, gut für sich selbst vorzusorgen. „Gerade für Frauen, die –ob berufstätig oder nicht – in unserer Gesellschaft den größten Teil der unbezahlten Care-Arbeit leisten, ist eine private Altersvorsorge essenziell. Die letzten Jahre haben die Unterschiede in der Erwerbstätigkeit und als Folge dessen auch die Rentenlücke zwischen
Männern und Frauen eher noch vergrößert. Gerade junge Frauen sollten sich deshalb unbedingt mit dem Thema private Altersvorsorge auseinandersetzen. Dabei ist es entscheidend, so früh wie möglich anzufangen“, rät deshalb Beate Heinisch, Vorständin der AXA Konzern AG. Laut Prof. Hauer sei es erstmal sogar egal, ob es um eine betriebliche Altersvorsorge, Basis-, Riester- oder eine private Rentenversicherung gehe. „Man muss es einfach machen – das ist wohl das Wichtigste im Zusammenhang mit der Altersvorsorge!“, so Prof. Hauer. „Wichtig ist der Beginn mit der Altersvorsorge, auch wenn es zunächst nur kleine Beiträge sind, die man sich leisten kann. Welcher Versorgungsweg nun der optimale ist, hängt von der individuellen Situation ab. Dabei sollte auf jeden Fall ein Berater oder eine Beraterin hinzugezogen werden.“
Auch Beratende müssen aktiv werden!
Doch wie widmen sich Beraterinnen und Berater sowohl älteren als auch jüngeren Frauen am besten? Regina Vossen hält eine Beratung von Frau zu Frau am geeignetsten. Dabei sollte der Altersunterschied jedoch nicht allzu groß sein. Vertrauen spiele in der Beratung von Frauen eine große Rolle, dieses sei bei einer Beraterin oft eher vorhanden. „Frauen möchten die Si- cherheit im Hintergrund haben, auch nach einem Abschluss eine zuverlässige Ansprechpartnerin zu haben, die für sie erreichbar ist und die ihre Fragen beantwortet“, meint Vossen. Prof. Hauer rät Beraterinnen und Beratern, aktiv auf die Zielgruppe zuzugehen. „Ich glaube, dass bisher hauptsächlich die Männer zum Thema Altersvorsorge angesprochen und die Frauen eher noch vernachlässigt werden. Das sollte sich ändern. Empfehlenswert ist dabei die Ansprache mit dem Thema Basisrente, da diese eine lebenslange Rente bietet und Frauen statistisch gesehen eine wesentlich höhere Lebenserwartung als Männer haben, d. h. Frauen haben länger etwas davon. In Bezug auf die Rentabilität der Altersvorsorge sind hier also eindeutig Frauen die bessere Zielgruppe“, findet Prof. Hauer. (lb)